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Logistik und Versorgung des reisenden Hofes der Stauferzeit Magisterarbeit zur Erlangung des Grades Magister Artium der Philosophischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf von Jens Ullrich Prüfer im Hauptfach: Erstgutachter: PD Dr. Caspar Ehlers Zweitgutachter: Prof. Dr. Gerhard Lubich Monat/Jahr der Abgabe: Juni 2010 Martikel-Nr.: 1325438

Logistik und Versorgung des reisenden Hofes der Stauferzeit · 2014. 6. 30. · est, mutabilis, et varia, localis et erratica, nunquam in eodum statu permanens ; in recessu meo totam

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  • Logistik und Versorgung des reisenden Hofes der Stauferzeit

    Magisterarbeit

    zur Erlangung

    des Grades Magister Artium

    der Philosophischen Fakultät

    der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

    von

    Jens Ullrich

    Prüfer im Hauptfach:

    Erstgutachter: PD Dr. Caspar Ehlers

    Zweitgutachter: Prof. Dr. Gerhard Lubich

    Monat/Jahr der Abgabe: Juni 2010

    Martikel-Nr.: 1325438

  • Inhaltsverzeichnis

    1. Einleitung – Grundfragen S. 3

    2. Der Hof – Ein Definitionsversuch S. 5

    3. Die Größe des Hofes S. 7

    3.1. Ratgeber und andere hochstehende Persönlichkeiten S. 8

    3.2. Die Hofämter S. 19

    3.3. Die Hofkanzlei S. 21

    3.4. Gesandte und Boten S. 26

    3.5. Die Ministerialität S. 28

    3.6. Der inoffizielle Tross S. 30

    3.7. Zusammenfassung S. 31

    4. Der Bedarf des Hofes S. 33

    4.1. Die Zielsetzung des Reisens S. 33

    4.2. Der Bedarf des Personals S. 34

    4.3. Der Bedarf der Tiere S. 35

    5. Die Infrastruktur S. 42

    5.1. Leistungsfähigkeit von Zugpferden und Pferdekarren S. 42

    5.2. Das Wegenetz S. 46

    5.3. Flussschifffahrt S. 53

    5.4. Unterbringung S. 58

    5.4.1. Pfalzen S. 58

    5.4.2. Zelte S. 61

    6. Wegplanung und Königsgastung S. 69

    7. Schlussbetrachtung S. 75

    8. Quellen- und Literaturverzeichnis S. 79 8.1. Bibliographische Abkürzungen S. 79 8.2. Quellenverzeichnis S. 79 8.3. Literaturverzeichnis S. 81

    2

  • 1. Einleitung – Grundfragen

    „Als der Hof nun Verden erreichte, da bekam der König Nachricht die

    Vorräte der Pfalz seien aufgezehrt, und so litten die Edelen des Reiches

    schlimmsten Hunger. Nach eiligem Aufbruch gen Magdeburg folgte man

    den falschen Wegen und der ganze Hof verschwand in den Sümpfen und

    ward nicht mehr gesehen.“

    Solche Aussagen finden sich in den Quellen zur Herrschafts- und

    Reisepraxis Friedrich Barbarossas oder seiner Vorgänger selbstverständlich

    nicht. Vielmehr scheint die Versorgung des Hofes mit Nahrung, Unterkunft

    und all den anderen Gütern des täglichen Bedarfs genauso reibungslos

    abgelaufen zu sein wie die eigentliche Reisetätigkeit über die Wege und

    Flüsse der deutschen Herzogtümer. Aber ist dies wirklich

    selbstverständlich?

    Reisen bedürfen einer ausgeklügelten Logistik, nicht nur heute, sondern

    auch im frühen und hohen Mittelalter, und so ist die Leistung einen

    reisenden Hof zu versorgen und planmäßig von Ort zu Ort zu führen nicht

    zu unterschätzen. Besonders faszinierend erscheint es, dass einerseits die

    Reiseaktivität des Hofes in den meisten Fällen reibungslos ablief, zumindest

    wenn der nicht vorhandene Quellenbefund zu Beschwerden, Ermahnungen

    oder Strafen aufgrund gravierender Versäumnisse bei der Versorgung in

    Betracht gezogen wird, andererseits aber kaum Schriftlichkeit genutzt

    wurde, um die komplexen Erfordernisse eines reisenden Herrschaftssitzes

    vorzuplanen, die jeweiligen Stellen zu informieren und die Tag für Tag

    anfallenden Mengen an Versorgungsgütern zu erfassen und zu verteilen.

    Das ganze System der Versorgung scheint rein auf den Vorkenntnissen der

    einzelnen Verantwortlichen und auf ein funktionierendes mündliches

    Kommunikationswesen gestützt zu sein. Obwohl oder gerade weil es aber

    kaum schriftliche Zeugnisse zur Planung der funktionalen Elemente des

    Reisekönigtums gibt,1 verdient dieses Thema besondere Aufmerksamkeit,

    auch wenn die übliche Methodik, sich einem historischen Thema zu nähern,

    hier bisweilen an ihre Grenzen stößt. Es ist fast zwangsläufig sich

    interdisziplinären Mitteln zu bedienen, in unserem Falle beispielsweise der

    1 Eine dieser Ausnahmen ist das Tafelgüterverzeichnis, siehe BRÜHL/KÖLZER, Tafelgüterverzeichnis.

    3

  • Kunstgeschichte, Archäologie und Archäozoologie und der

    Veterinärmedizin, um ein ergiebiges Quellenfundament zu generieren,

    wobei natürlich auch die Itinerar- und Pfalzenforschung und die

    mittelalterliche Wirtschafts- und Verfassungsgeschichte als wichtige

    Forschungszweige heran gezogen werden.

    Um dieses Themenfeld näher beleuchten zu können, erscheint eine

    Annäherung in fünf Schritten sinnvoll. Zuerst stellt sich die Frage nach der

    Größe und Zusammensetzung des Hofes, also nach Rang und Zahl der

    mitreisenden Personen und ihrer Reit- und Zugtiere. Auf diesen

    Überlegungen fußend lässt sich im nächsten Schritt durch einen Abgleich

    mit der zu erwartenden Reiseaktivität der Umfang benötigter

    Versorgungsgüter, Unterkünfte und Infrastrukturelemente ableiten, der

    wiederum mit den entsprechenden Quellenzeugnissen abgeglichen werden

    soll. Im dritten Schritt bietet sich eine Betrachtung der Infrastruktur an, also

    der genutzten Reisewege und –methoden und deren Leistungsfähigkeit, des

    Zustands von Straßen und schiffbaren Flüssen und der genutzten

    Unterkünfte wie den Pfalzen und Zeltlagern an. Um die Methoden zur

    Versorgung des Hofes näher beleuchten zu können, werden dann deren

    rechtlichen und verwaltungstechnischen Grundlagen näher in Augenschein

    genommen, um als letzten Schritt basierend auf den so gesammelten

    Kenntnissen hypothetisch das praktische Vorgehen bei der Reiseplanung

    und der Durchführung zu synthetisieren. So soll über Bedarf und allgemeine

    Betrachtung der Gegebenheiten eine quasi archetypische Situation des

    Reisens der curia abgeleitet werden.

    Zur Schärfung des thematischen Profils wird als historische Grundlage der

    Hof Friedrich I. Barbarossas gewählt, da sich einerseits die Amtszeit des

    staufischen Kaisers einer ausreichenden historischen Bearbeitung erfreut,

    um diesen meist quellenfernen Themenkomplex zufriedenstellend

    bearbeiten zu können und andererseits, da die Herrschaftszeit Friedrich I.

    nur im geringen Maße der Territorialisierung des Reiches und der daraus

    resultierenden Residenzenbildung ausgesetzt ist. Zudem liegt der Fokus der

    Betrachtung auf das nordalpine Reisekönigtum, da die Italienzüge Friedrich

    I. primär militärische Operationen waren, die nicht dem Normalzustand des

    Hofes auf Reisen entsprachen. Besonders im Falle archäologischer Studien

    oder der Altstraßenforschung werden Betrachtungen des 11. und 13.

    4

  • Jahrhunderts einfließen und in Einzelfällen auch bis ins Frühmittelalter

    hinein Quellen heran gezogen, soweit dies nötig ist.

    Aufgrund der recht übersichtlichen Quellenlage besteht bei einer solchen

    wirtschaftsgeschichtlichen Fragestellung die Gefahr mit den nötigen

    Hochrechnungen und Schätzungen den Boden der Quellen zu verlassen und

    sich in Spekulationen und Pauschalisierungen zu verlieren. Daher wird ein

    besonderes Augenmerk darauf gerichtet sein jeden Schritt mit

    archäologischen oder historischen Quellenzeugnissen zu stützen und auf

    Plausibilität zu überprüfen.

    2. Der Hof – Ein Definitionsversuch

    Der Hof erschien vielen Zeitgenossen als amorphe Masse, eine beständige

    Abfolge von Kommen und Gehen, ohne die Möglichkeit ihre exakte

    Struktur dauerhaft zu erfassen. So findet sich bei Walther von der

    Vogelweide die Beschreibung des ewig rastlosen Hofes „ein schar vert ûz,

    die ander în, naht unde tac │ grôz wunder ist, daz ieman dâ gehoeret“2 und

    Walter Map stellte fest „Vergänglich ist er, veränderlich und unbeständig,

    räumlich begrenzt und umherirrend, er bleibt niemals im gleichen Zustand.

    Wenn ich ihn verlasse, kenne ich ihn genau; wenn ich zurückkehre, finde ich

    nichts oder wenig von dem vor, was ich zurückgelassen habe. Ich sehe

    Fremde und bin selbst ein Fremder geworden.“ und weiter „Zwar ist es

    derselbe Hof, doch seine Glieder sind verändert… Wenn ich den Hof

    beschreiben sollte…, so würde ich vielleicht nicht lügen, wenn ich ihn eine

    nicht genau bestimmbare Menschenmenge nennen würde, die sich auf einen

    einzigen Ausgangspunkt bezieht.“3 Ähnliches findet sich über den Hof

    Barbarossas im Ligurinus von Gunther dem Dichter, der den Hof des

    Herrschers als ein Ort beschreibt, der nicht lange leer bleibt, denn sobald die

    einen gegangen seien, erschienen andere, gleich wie das Meer das Land

    2 Walther von der Vogelweide, Leich, Lieder, Sangsprüche, Christoph CORMEAU (hg.), Nr. 9, S. 38.3 Walter Map, De nugis curialium, Montagque Rhodes JAMES, Christopher N. L. BROOKE und Roger A. B. MYNORS (hg.), Dist. I, C. 1, S. 2 : … curia non est tempus ; temporalis quidem est, mutabilis, et varia, localis et erratica, nunquam in eodum statu permanens ; in recessu meo totam agnosco, in redditu nihil aut modicum invenio quod dereliquerim, extraneam video factus alienus. Eadem est curi, sed mutata sund membra. Si descripsero curiam ut Porphirius diffinit genus, forte non menciar, ut dicam eam multitudinem qudammodo se habentem ad unum principium, Übersetzung nach KEUPP, Dienst , S. 345, und LAUDAGE, Hof , S. 76.

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  • wieder und wieder mit Wellen überschütte.4 Trotz dieses im ersten Moment

    abschreckenden Fazits finden sich vielerlei Definitionsversuche,5 um die

    räumlich unstete, personell amöbenhafte und zugleich multifunktionale6

    Struktur des Hofes erfassen zu können. Eine der üblichen Definitionen

    besagt, dass der Hof das Zentrum der Herrschaftsausübung ist, gleichzeitig

    Sozialkörper, Verfassungselement, Träger politischer Entscheidungen und

    Instrument der Verwaltung und Justiz.7 Doch jenseits seiner Bedeutung in

    diesen Themenfeldern ist der Hof auch eine sich wandelnde Ansammlung

    von Personen, deren Umfang und ungefähre Zusammensetzung jenseits

    ihrer politischen, juristischen oder sozialen Bedeutung für diese

    Untersuchung von Relevanz ist.

    Zu trennen sind die Begriffe curia minor und curia maior8, wie sie bereits in

    der Mitte des 14. Jahrhunderts von Konrad von Megenberg definiert

    wurden.9 Ersterer umfasst den Personenkreis der Hausgenossen und der

    Amtsträger und Dienstboten, die beständig und tagtäglich im Umfeld der

    königlichen Familie zu finden sind, letzterer bezieht sich auf die Personen,

    die nur zeitweilig am Hof anzutreffen sind.10 Es sollte hierbei nicht

    übersehen werden, dass die täglich anwesenden Amtsträger der curia minor

    nicht nur Ministeriale und Bedienstete waren, sondern auch die

    höherrangigen Mitglieder des „Küchenkabinetts“ Barbarossas.11

    Gleichzeitig zu trennen sind die Zustände des Hofes, einerseits als reisender

    Hof, unterwegs durch die verschiedenen Herzogtümer, andererseits als

    Hoftag, mit seinem repräsentativen Charakter als Kristallisationspunkt der

    Herrschaftsausübung und Rechtsprechung an einem festen Ort mit enormer

    Anziehungskraft auf die gesamte umliegende Region. Gerade letzteres ist

    kaum in Zahlen zu fassen, fluktuiert in Form und Größe von Hoftag zu

    Hoftag und kann, wie das Pfingstfest 1184, alle zeitgenössischen Rahmen

    sprengen. Der reisende Hof jedoch mit seinen Reitern, Karren, Zelten und

    Tross, soll hier das Ziel der Betrachtung werden.

    4 Guntheri Poetae Ligurinus (MGH SS rer. Germ. 63), Erwin ASSMANN (hg.), S. 380-382.5 Zuletzt in LAUDAGE, Barbarossa , S. 161ff.6 KÖLZER, Hof , S. 42.7 JAKOBS, Kirchenreform, S. 9.8 RÖSENER, Leben, S. 54.9 Konrad von Megenberg, Ökonomik, Bd. 2, (MGH Staatsschriften 3,5), Sabine KRÜGER (hg.), S. 199.10 KEUPP, Dienst, S. 348.11 LAUDAGE, Hof , S. 92.

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  • 3. Die Größe des Hofes

    Der königliche Hof bietet viele Angriffspunkte für Spekulationen, und einer

    von ihnen ist die eigentlich simple Frage nach der Größe dieses Hofes. Da

    es im Gegensatz zum Spätmittelalter weder Rechnungsbücher noch

    Lohnlisten für den Hof Friedrich I. gibt, bleibt der direkte Weg

    verschlossen, jedoch wurden bereits verschiedene Größenordnungen in den

    Raum gestellt. So schätzt Werner Rösener die Anzahl der Personen am

    reisenden Hof auf nicht wesentlich mehr als 1000 Mann, die an

    Aufenthaltsorten durch Gäste und örtliches Personal jedoch ansteigen

    kann12, was mit den Vorstellungen Carlrichard Brühls korrespondiert, der

    diese Zahl zwischen 1000 und 2000 Personen ansetzt.13 Gestützt wird dies

    durch die nähere Betrachtung des Tafelgüterverzeichnisses und der darin

    beschriebenen Servitien.14

    Es stellt sich jedoch die Frage, wie solch hohe Zahlen zustande kommen

    können, und welcher Versorgungsbedarf für eine solche Menge an Personen

    und nicht zu vernachlässigen auch ihrer Reit- und Zugtiere besteht. Daher

    ist eine nähere Betrachtung des Hofes und der dort den Quellen zufolge

    anwesenden Personen nötig, um daraus ableiten zu können, wie groß der

    Hof tatsächlich gewesen sein kann, inklusive der großen in den Quellen

    anonym bleibenden Masse aus Dienstmannen, Notaren und Bediensteten.

    Zur besseren Übersicht wird der Hof daher in verschiedene Gruppen

    aufgeteilt:

    - Ratgeber und andere hochstehende Persönlichkeiten

    - Die Hofämter

    - Die Hofkanzlei

    - Gesandte und Boten

    - Die Ministerialität

    - Der inoffizielle Tross

    12 RÖSENER, Königshöfe, S. 301 und RÖSENER, Leben, S. 98.13 BRÜHL, Fodrum, S. 177, ähnlich auch METZ, Servitium Regis, S. 62.14 ULLRICH, Randnotizen , S. 142.

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  • 3.1. Ratgeber und andere hochstehende Persönlichkeiten

    Während der Kölner Erzbischof bereits über ein institutionalisiertes,

    ständisch geordnetes Ratgebergremium verfügte, war Friedrich I. in der

    Lage sich seine Vertrauten und Berater selbst auszusuchen. Er konnte auf

    einen rund ein Dutzend Personen umfassenden Ratgeberstab zurück greifen,

    der von ihm nach eigenem Ermessen und den aktuellen Notwendigkeiten

    und Gegebenheiten folgend zusammen gestellt wurde. Hier finden sich

    Schwäbische Weggefährten genauso wie einfache Bischöfe und als einziger

    Herzog über längere Zeit Heinrich der Löwe. Johannes Laudage nannte

    dieses Beraterkonzept nicht unzutreffend Küchenkabinett.15

    Die Ratgeber Friedrich I. sind in der Forschungsliteratur der letzten Jahre

    wiederholt gewürdigt worden.16 Besonderes Augenmerk erhielten in diesem

    Kontext die Zeugenlisten der Herrscherurkunden, die einen weiten

    Personenkreis in Königsnähe beschreiben. Sie sind jedoch nicht

    unproblematisch, denn sie zählen einerseits nicht alle hochrangigen

    Personen auf, die zum Zeitpunkt der Erstellung am Hof verweilten, noch

    sind alle aufgelisteten Personen zwingend zum Ausstellungszeitpunkt am

    Hofe gewesen. Ersteres lässt sich besonders während der Italienzüge

    beobachten, da es hier kaum wahrscheinlich ist, dass Begleiter des Königs

    für einige Wochen den Hof verlassen, um später wieder dort zu erscheinen,

    nur weil sie monatelang in den Zeugenlisten nicht genannt wurden.

    Letzteres ergibt sich durch das Problem der Handlungs- und

    Beurkundungszeugen. Während die Handlungszeugen den eigentlichen

    Rechtsakt durch ihre Unterschrift bezeugen, sind Beurkundungszeugen nur

    bei der Ausfertigung der Urkunde anwesend, wobei Handlung und

    Beurkundung zumindest in Einzelfällen durchaus mehrere Monate

    auseinander liegen können. In den Urkunden selbst wird nur selten ein

    Unterschied zwischen Zeugen der Handlung und der Beurkundung gemacht.

    In den meisten Fällen ist jedoch davon auszugehen, dass Handlung und

    Beurkundung so zeitnah aufeinander folgen, dass sich die Frage nach dieser

    Unterscheidung nicht stellt und somit auch der mit der Urkunde beschäftigte

    Personenkreis ein ähnlicher ist.

    15 LAUDAGE, Hof , S. 86.16 Hierzu unter anderem die beiden Dissertationen PLASSMANN, Struktur und UEBACH, Ratge-ber.

    8

  • In den Listen werden üblicherweise geistliche und weltliche Würdenträger

    getrennt und der Reihenfolge ihres Rang aufgezählt. Bei geistlichen

    Vertretern stehen zuvorderst Erzbischöfe, gefolgt von Bischöfen, Äbten,

    Pröpsten und anderen Geistlichen, während auf weltlicher Seite die Listen

    mit Herzögen beginnen und dann mit Mark- und Pfalzgrafen, Grafen,

    Edelfreien und Ministerialen fortgesetzt werden. Burgunder und Italiener

    werden entweder Ranggleichen untergeordnet oder gesondert am Ende der

    Zeugenreihe aufgelistet. Diese Rangfolge wird nur bei Vertrauten

    Barbarossas in einigen Fällen durchbrochen, während die Reihenfolge

    innerhalb des gleichen Standes kaum eine erkennbare Ordnung aufweist.17

    Die Anzahl der Zeugen schwankt und ist nicht abhängig von der Bedeutung

    der Urkunde. So weist die Würzburger Goldene Freiheit18 94 Zeugen auf,

    das Privilegium minus19 jedoch nur 24. Insgesamt finden sich in den

    Zeugenlisten über die Herrschaftszeit Friedrich Barbarossas verteilt etwa

    2000 Personen.20

    Zu beachten ist, dass genannte Zeugen gegebenenfalls nur aufgrund ihres

    Ranges als solche auftreten, jedoch nicht zwingend auch als Ratgeber tätig

    waren.21 Da es für unsere Fragestellung jedoch zweitrangig ist, in welcher

    Position eine Person exakt zum König stand, ob als geschätzter Ratgeber

    oder „nur“ aus anderen Gründen am Hof verweilend, sind die Zeugenlisten

    von enormem Wert. Denn durch sie wird erkennbar, wann welche Personen

    am Hof Friedrich Barbarossas anwesend waren, was besonders außerhalb

    ihres eigenen Herrschaftsgebietes interessant ist. Um dies näher zu

    beleuchten, wird zunächst die Anwesenheit der Erzbischöfe am Hofe in den

    ersten Jahren der Herrschaft Friedrich I. basierend auf ihren Nennungen in

    den Urkunden in Augenschein genommen.

    Die Erzbischöfe Kölns sind regelmäßig in den Zeugenlisten vertreten.

    Arnold aus dem Grafenhaus Wied, vor seiner Amtseinführung Kanzler unter

    König Konrad III.,22 findet sich in 27 Prozent der Urkunden, sein

    Nachfolger Friedrich von Altona in seiner zweijährigen Amtszeit ab 1156

    17 PLASSMANN, Struktur, S. 5ff.18 Diplomata regum et imperatorum Germaniae, Band 10, 1-5: Friderici I. diplomata (MGH DD F I, 1-5), Heinrich APPELT und andere (hg), 546.19 Diplomata regum et imperatorum Germaniae, Band 10, 1-5: Friderici I. diplomata (MGH DD F I, 1-5), Heinrich APPELT und andere (hg), 151.20 PLASSMANN, Struktur, S. 17.21 UEBACH, Ratgeber, S. 19.22 HAUSMANN, Reichskanzlei, S. 115.

    9

  • immerhin in 15 Prozent. Beide bezeugten Urkunden auch außerhalb des

    Rheinlands, Arnold in Metz, im Elsaß, Burgund, Konstanz, Worms und

    Frankfurt, Friedrich in Würzburg, Ulm und Augsburg. Zudem war letzterer

    bei dem zweiten Italienzug vertreten. Sein Nachfolger Rainald von Dassel

    wird als Kanzler später eine nähere Betrachtung finden. Zu guter Letzt ist

    noch Philipp von Heinsberg zu nennen, der ab 1167 das Amt übernahm und

    in 24 Prozent der deutschen Urkunden als Zeuge auftritt, und zwar an vielen

    Orten außerhalb des Rheinlands, jedoch nie südlich von Worms, und

    besonders in der Zeit der Konflikte zwischen Friedrich I. und Heinrich dem

    Löwen.23 Die politische Verbindung von Erzbischof Arnold zu Friedrich I.

    Erwuchs aus den Verhandlungen zur Königswahl 1152, da der Kölner

    Erzbischof das Krönungsrecht inne hielt. In Konsequenz daraus erzielte er

    kurz nach der Krönung einen Fürstenspruch zur Unveräußerlichkeit der

    erzbischöflichen Tafelgüter. Als Erzkanzler von Italien erhielt seine

    Stellung während des Romzuges Friedrichs zusätzliches Gewicht und seine

    Erfahrung als Diplomat und Gesandter förderten sein Ansehen zusätzlich.24

    Die Erzbischöfe von Mainz finden sich im Schnitt in 14 Prozent der

    deutschen Urkunden, wobei nicht aus dem Blick verloren werden sollte,

    dass Erzbischof Heinrich aufgrund seiner Parteinahme für den Sohn König

    Konrads III. nie am Hof war und sein späterer Nachfolger Christian von

    Buch als Gesandter in Italien fungierte. Der ehemalige Reichskanzler

    Arnold von Selehofen, der Heinrich nachfolgte, bezeugte Urkunden in

    Franken, Dortmund und Augsburg.25 Da Arnold als Ministerialer von

    Friedrich I. als Erzbischof unter Umgehung der Mainzer Bürger und der

    Ministerialenfamilie Meingote eingesetzt wurde, ist seine Bindung an den

    König recht offenkundig.26 Seine Besuche am Kaiserhof waren nicht zuletzt

    darin motiviert Unterstützung gegen die wachsende Opposition in Mainz zu

    finden. Nach seinem gewaltsamen Tod durch die Mainzer Bürgerschaft

    wurde Konrad von Wittelsbach sein Nachfolger und ist wiederum in 28

    Prozent der Zeugenlisten auffindbar, nachdem kurzzeitig Christian von

    Buch als Gegenkandidat zum durch die Mainzer Bürger eingesetzten Rudolf

    von Zähringen eingesetzt war. Aufgrund seiner Parteinahme für Alexander

    23 PLASSMANN, Struktur, S. 96f.24 UEBACH, Ratgeber, S. 27ff.25 PLASSMANN, Struktur, S. 97ff.26UEBACH, Ratgeber, S. 158.

    10

  • III. übernahm der ehemalige Kanzler Christian von Buch dann wieder den

    Stuhl des Erzbischofes von Konrad, dessen Amt nach seinem Tod wieder

    durch Konrad eingenommen wurde. Dieser fand sich regelmäßig in

    Sachsen, im Elsaß, Schwaben und Bayern am Hof ein und übte sowohl in

    Mainz als auch Erfurt die Gastungspflicht aus, was einerseits eine

    erhebliche Belastung bedeutete, andererseits aber auch eine entsprechende

    Königsnähe ermöglichte.27

    Die Erzbischöfe von Trier sind an 10 Prozent der deutschen Urkunden als

    Zeugen beteiligt, außerhalb des Rheinlandes in Bamberg, Würzburg, Worms

    und Gelnhausen. Möglicherweise beeinflusst die Randlage im Reich die

    Aktivität am Hofe negativ.28

    Erzbischof Eberhard von Salzburg ist bis 1154 häufiger in Regensburg

    und einmal in Bamberg als Zeuge zu finden, nach seiner Parteinahme für

    Alexander III. erscheint er trotz Aufforderung erst wieder 1163 in Mainz am

    Hof.

    Erzbischof Wichmann von Magdeburg ist in 17 Prozent der Urkunden

    vertreten, wobei er bei elf von zwölf Aufenthalten des Hofes in Sachsen

    anwesend ist und auch außerhalb Sachsens primär in der Reichsmitte

    Urkunden bezeugt. Zu nennen sind hier unter anderem Worms, Mainz,

    Gelnhausen, Würzburg und Bamberg, dazu Regensburg und das

    Rheinland.29 Auch er hat seine Position dem Eingreifen von Friedrich I. zu

    verdanken.30

    Zu guter Letzt sei noch der Bischof von Bamberg genannt, der keinem

    Metropoliten unterstand und damit einen ähnlichen Rang innehält wie die

    deutschen Erzbischöfe. Eberhard von Bamberg wird bis zu seinem Tod

    1170 in 20 Prozent der deutschen Urkunden als Zeuge genannt, unter

    anderem dreimal in Regensburg, dreimal in Sachsen und Thüringen, dazu in

    Rheinfranken und Schwaben. Nach dem zweiten Italienzug sinkt seine

    Aktivität von 25 Prozent ab 1162 auf 11 Prozent.31

    Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der näheren Betrachtung der Hofpräsenz

    der verschiedenen Herzöge des Reiches.

    27 PLASSMANN, Struktur, S. 188ff.28 Ebd., S. 100f.29 Ebd., S. 22f.30 UEBACH, Ratgeber, S. 31.31 PLASSMANN, Struktur, S. 162f.

    11

  • Heinrich der Löwe, der Herzog von Sachsen und Bayern, beispielsweise

    findet sich in 60 Prozent der deutschen Urkunden, nicht nur in seinen

    Herzogtümern Sachsen und Bayern, sondern über das ganze Reichsgebiet

    verteilt.32 Mit ihm bezeugen elf von 35 seiner von ihm abhängigen Grafen

    außerhalb Sachsens Urkunden, sind also mit ihrem Herzog am Hof

    präsent.33 Seine enge Verwandtschaft, der gleiche Stand und das ähnliche

    Alter begünstigte das Vertrauensverhältnis von Heinrich dem Löwen zu

    Friedrich I.

    Friedrich von Rothenburg, Herzog von Schwaben und Vetter Friedrich I.,

    ist ab dem Juli 1153, also ab seinem achten Lebensjahr, als Zeuge in den

    Urkunden nachweisbar, und zwar in den meisten Regionen des Reiches. Bis

    zu seinem Tod 1167 auf dem vierten Italienzug ist er in 28 Prozent der

    deutschen Urkunden vertreten.34

    Herzog Matthäus von Oberlothringen ist bis zum Ende des vierten

    Italienzuges in 16 Prozent der Urkunden vertreten mit einem besonderen

    Schwerpunkt im Rheintal, von Aachen über Worms und Speyer bis nach

    Basel, sowie in Metz und Trier, wobei in seinem Gefolge zweimal Graf

    Folmar von Blieskastel, die Grafen von Salm und der Freie Kuno von

    Malberg an den Hof kamen.35

    Herzog Wladislaw von Böhmen, ab 1158 aufgrund seiner Militärhilfe

    gegen Mailand König von Böhmen, begleitete Friedrich I. nicht nur auf dem

    zweiten Italienzug, sondern ist als Zeuge auch in Bamberg, Regensburg und

    Altenburg nachweisbar, sein Bruder Theobald wird in Burgund als Zeuge

    heran gezogen. Bemerkenswert ist, dass der Prätendent auf den böhmischen

    Herzogstitel Ulrich, der Wladislaws Sohn Friedrich 1174 ersetzte, um dann

    wieder Friedrich Platz zu machen, mehrere Jahre am Hofe Friedrich I.

    Zuflucht fand und häufig mit in die Zeugenlisten aufgenommen wurde.36

    Herzog Heinrich V. von Kärnten ist nur 1152 in Würzburg und 1156 in

    Regensburg als Zeuge nachweisbar, beteiligt sich jedoch am ersten und

    zweiten Italienzug. Sein Nachfolger Hermann findet sich nur einmal in

    32 Ebd., S. 21f.33 Ebd., S. 36f.34 Ebd., S. 215f.35 Ebd., S. 126f.36 Ebd., S. 66f.

    12

  • Kärnten selbst und einmal in Regensburg auf einer Zeugenliste. Der Grund

    der geringen Hofpräsenz findet sich in der Randlage Kärntens.37

    Um die Frage beantworten zu können, in wie weit Fürsten des Reiches wie

    beispielsweise Herzog Heinrich der Löwe als aktivster Urkundenzeuge der

    ersten Jahre den Königshof nördlich der Alpen dauerhaft begleitet haben

    und somit mit ihrem eigenen Tross Teil des königlichen Hofes wurde, oder

    nur punktuell an einzelnen Aufenthaltsorten am Hof erschienen, ist es

    notwendig, die entsprechenden Itinerare zu vergleichen. Herangezogen

    werden hierfür das Itinerar von Friedrich Barbarossa, erstellt von Ferdiand

    Opll38, und das Itinerar von Heinrich dem Löwen, erstellt von Johannes

    Heydel39. Diese Aufstellung wird ergänzt mit anderen Fürsten des Reiches,

    soweit ihre Anwesenheit am Hof nachweisbar ist.40 Die Betrachtung beginnt

    im März 1152 bei der Königswahl Friedrichs I. und endet mit dem ersten

    Italienzug.

    Sowohl Friedrich als auch Heinrich begeben sich zur Königswahl am 4.

    März 1152 nach Frankfurt und reisen zur Krönung Friedrichs nach Aachen,

    wo sie mindestens vom 9. bis zum 12. März bleiben. Hier startet Mitte März

    der Umritt.41 Die Reise führt über Utrecht und Deventer nach Köln, wo

    beide vom 30. März bis zum 20. April verbleiben, um dann dem Hellweg

    folgend von Dortmund über Soest und Paderborn nach Goslar zu reisen,42

    wo sie auf Otto von Wittelsbach treffen. Auf dem Reiseabschnitt von

    Frankfurt bis Köln begleiten zudem Welf VI. und Markgraf Albrecht von

    Brandenburg den Hof. Ob sich Heinrich der Löwe die Reise über den

    Hellweg durchgehend am Hof befunden hat, ist umstritten, da seine

    Anwesenheit an den Zwischenstationen nicht nachweisebar ist.43 Beide

    verbringen den an Pfingsten anberaumten Hoftag in Merseburg.44 Ab diesem

    Zeitpunkt gibt es keine Informationen über den Verbleib Heinrichs.45

    Stattdessen schließt sich Markgraf Konrad von Meißen dem Hof an und

    37 Ebd., S. 93f.38 OPLL, Itinerar Barbarossas.39 HEYDEL, Itinerar Heinrichs.40 Wegweisend, leider aber nur für die ersten Jahre der Herrschaft Barbarossas ist PATZE, Barbarossa, S. 35-76. 41 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 18f.42 OPLL, Itinerar Friedrich Barbarossas, S. 165.43 PATZE, Barbarossa, S. 37.44 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas, S. 165.45 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 20f.

    13

  • folgt ihm bis nach Regensburg, ähnlich wie Albrecht von Brandenburg. Hier

    finden sich neben einer ganzen Reihe geistlicher und Laienfürsten aus dem

    südlichen Reichsgebiet auch wieder Otto von Wittelsbach mit seinen

    Söhnen Otto dem Jüngeren und Friedrich ein.46 Friedrich I. reist von

    Merseburg aus über Erfurt (Ende Mai) nach Regensburg (29.6.), Augsburg

    (Juli) bis nach Ulm (25.7.).47 Hier verlassen Albrecht von Brandenburg und

    Welf VI. den Hof wieder.48 Der Hof reist weiter nach Speyer (19.8.), Worms

    (24.8.), zurück nach Speyer (25.8.), Fulda (September) und dann am 13.

    Oktober zum Hoftag nach Würzburg,49 wo Welf IV. wieder zum Königshof

    stößt. Hier ist auch Heinrich der Löwe zwischen dem 17. und 24. Oktober

    nachweisbar. Der Weg des Hofes führt über Nürnberg (31.10.) und Mainz

    (12.12.) nach Trier, um dort das Weihnachtsfest zu feiern. Anwesend sind

    neben Heinrich dem Löwen50 die Erzbischöfe Hillin von Trier und Arnold

    von Köln und die Herzöge Welf VI., Matthäus von Oberlothringen und

    Gottfried von Löwen.51

    Am 10. Januar 1153 findet sich der Hof in Metz ein. Zusammen sind

    Friedrich I. und Heinrich der Löwe wieder nachweisbar in Hohenburg

    (27.1.), Colmar (30.1.), Mülhausen im Elsaß (4.2.), Besançon (15.2.) und

    Baume-les-Dames (18.2.).52 Otto von Wittelsbach, der in Würzburg zum

    Hof dazu gestoßen war, verlässt nun nach rund vier Monaten wieder den

    Königshof.

    Heinrich der Löwe urkundet am 29.4. in Königslutter in Sachsen, verlässt

    daher vermutlich nach dem 18.2. den Königshof und reist zurück in sein

    Herzogtum.53 Der Königshof verbringt in diesem Zeitraum einige Zeit in

    Konstanz (4.3. bis 28.3.), besucht über Ostern Bamberg (19.4. bis 24.4.) und

    trifft am 29.5. in Heiligenstadt (im Eichsfeld) wieder mit Heinrich

    zusammen. Beide verbringen Pfingsten in Worms (7.6. bis 14.6.).54 Ab

    diesem Zeitpunkt versammeln sich nach Otto von Freising die Bayrischen

    Großen in Regensburg aufgrund des Streites zwischen Heinrich dem Löwen

    und Heinrich von Bayern. Aufgrund der Thematik des Treffens liegt es 46 PATZE, Barbarossa, S. 37.47 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas, S. 16548 PATZE, Barbarossa, S. 37.49 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 165.50 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 21.51 PATZE, Barbarossa, S. 64.52 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 165f.53 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 127.54 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 167.

    14

  • nahe, dass auch Heinrich der Löwe vor Ort ist. Am 1.11. sind beide wieder

    zusammen in Köln nachweisbar und Anfang Dezember befinden sich beide

    in Speyer, wieder bei einer Unterredung zwischen Heinrich dem Löwen und

    Heinrich von Bayern. 55

    Friedrich Barbarossa ist am 17. Januar 1154 immer noch in Speyer und

    beide sind am 2.56 beziehungsweise 3. Februar in Bamberg. Die

    Anwesenheit Heinrichs am Hofe ist ab diesem Punkt unklar, Friedrich

    erreicht am 26.2. Ulm und zu Ostern, am 4. April, ist er in Magdeburg

    anzutreffen, um von dort nach Quedlinburg (11.4.) weiter zu reisen. Es ist

    hierbei möglich, dass Heinrich als Herzog von Sachsen den Hof während

    seiner Anwesenheit in Sachsen begleitet hat, dies ist jedoch nicht

    nachzuweisen. Erst in Worms (3.5.) ist Heinrich im Umfeld des Königs

    wieder nachweisbar.57 Auch ab hier ist wieder unklar, ob Heinrich auf

    direktem Wege zurück nach Sachsen gereist ist, während Friedrich über

    Göppingen und Batzenhofen bei Augsburg (17.5.) den Süden des Reiches

    aufsuchte, um dann wieder in Goslar (27.5.) zum Hoftag zu erscheinen.58

    Hier treffen die Wege Friedrichs und Heinrichs wieder aufeinander und hier

    wird auch aufgrund des wiederholten Nichterscheinens Heinrichs

    Jasomirgotts Bayern Heinrich dem Löwen zugesprochen. Während

    Friedrich vermutlich wieder dem Hellweg folgend nach Dortmund reist und

    dort am 17. Juni erscheint, urkundet Heinrich am 3. Juni in dem rund 40 km

    von Goslar entferntem Herzberg, soll jedoch auch am 17. Juni dort

    urkunden,59 während er gleichzeitig 220 km weiter in Dortmund in einer

    Zeugenliste eines königlichen Diploms für den Herzog Gottfried von

    Brabant auftaucht. Es ist wahrscheinlicher, dass er nach einem kurzen

    Abstecher nach Herzberg entweder mit dem Königshof oder diesem folgend

    über den Hellweg nach Dortmund gereist ist. Da Friedrich und Heinrich erst

    wieder nachweislich Anfang Oktober zur Heerschau auf dem Lechfeld bei

    Augsburg zusammen treffen, liegt die Vermutung nahe, dass Heinrich von

    Dortmund zurück nach Sachsen gereist ist, um seinen Teil des Heeres für

    den ersten Italienzug zusammen zu stellen. Den gesamten Italienzug

    begleitet Heinrich den König und verlässt den Hof erst wieder nach seiner

    55 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 24ff.56 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 168.57 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 26.58 OPLL,Itinerar Friedrich Barbarossas S. 12.59 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 26 und S. 127.

    15

  • Rückkehr aus Italien im Oktober 1155, nachdem sich das Heer auf dem

    Hoftag in Regensburg wieder auflöste.60

    Es zeigt sich bei diesem Abgleich also, dass grade in den ersten Jahren und

    besonders beim Umritt Friedrich I. nach seinem Herrschaftsantritt Heinrich

    der Löwe wie auch andere hochrangige weltliche und geistliche Fürsten des

    Reiches zum Teil über Monate hinweg im Umfeld des Königshofes

    anwesend waren, nicht zuletzt um aufgrund der durch die Krönung Friedrich

    I. neu gestaltbaren politischen Landschaft persönlich Einfluss auf die

    politische Ausrichtung des neuen Königs nehmen zu können. Da Heinrich

    der Löwe wiederholt vom Königshof über größere Strecken nach Sachsen

    und wieder zurück gereist ist, ist es wahrscheinlich, dass er nicht als

    Einzelperson mit dem Hof mitreiste, sondern, wie es auch die Zeugenlisten

    nahelegen, mit einigen seiner von ihm abhängigen Grafen und Ministerialen

    und auch dem nötigen Tross aus Notaren, Bediensteten und Pferden

    Friedrich Barbarossa begleitete. Ähnliches gilt auch für die anderen Fürsten,

    da auch ihre Herrschaftsausübung im 12. Jahrhundert trotz erster Anfänge

    von Territorialisierung und Residenzenbildung durch die Reiseherrschaft

    geprägt war.61

    Neben Erzbischöfen und Herzögen waren natürlich auch Bischöfe, Äbte,

    Markgrafen, Grafen und Ministeriale, besonders Reichsministeriale, mehr

    oder weniger regelmäßig zu Gast am Hofe, sowohl im Gefolge ihrer Herren

    als auch eigenständig. Besonders die großen Familien, die Ludowinger,

    Wettiner, Wittelsbacher, Babenberger, Welfen und Zähringer waren laut der

    Zeugenlisten regelmäßig am Hof vertreten, soweit dies nicht aufgrund von

    politischen Spannungen wie bei den Zähringern wegen Streitigkeiten in

    Schwaben und später der Verdrängung des Einflusses Bertholds von

    Zähringen auf Burgund durch die Heirat mit Beatrix62 eingeschränkt wurde.

    Nach 1167 nehmen die Hofbesuche allgemein merklich ab, was sich

    einerseits auf die starke Beanspruchung der Reichsfürsten auf den

    Italienzügen und dem Scheitern der Italienpolitik Friedrich I.63 und

    andererseits der wachsenden Fokussierung auf die eigenen Territorien und

    der geringeren Erwartung auf Belohnungen für Reichsdienste zurück führen

    60 HEYDEL, Itinerar Heinrichs, S. 29ff.61 BUMKE, Höfische Kultur, S. 75.62 PLASSMANN, Struktur, S. 139.63 KEUPP, Dienst, S. 342.

    16

  • lässt. Auf der Ebene der Grafen und Edelfreien macht sich dieser Schwund

    jedoch nicht bemerkbar, und grade in den späteren Jahren der Herrschaft

    Friedrich I. steigt die Zahl der Grafen, Edelfreien und Ministerialen am

    Hofe, die politischen Einfluss ausüben,64 was sich einerseits auf die

    Tatsache zurück führen lassen kann, dass aufgrund fehlender Reichsfürsten

    die Zeugenlisten mit den Personen aufgefüllt wurden, die ansonsten noch

    vor Ort sind, andererseits aber auch damit, dass die freiwerdenden Plätze in

    Königsnähe und damit der direktere Zugriff auf die königliche Huld eine

    immer stärkere Anziehungskraft auf diesen Personenkreis entwickelte.

    Statistisch betrachtet lässt sich zudem beobachten, dass die Quote von

    Urkunden, in denen überhaupt Ministeriale zeugen, von rund 20 Prozent in

    den Anfangsjahren der Herrschaft Friedrich I., davon rund 12 Prozent

    Reichsministeriale, auf bis zu 80 Prozent, davon 75 Prozent

    Reichsministeriale, im letzten Jahrzehnt seiner Herrschaft anwächst. Dieses

    Verhältnis findet sich bei Heinrich VI. mit 78 Prozent und Philipp von

    Schwaben mit 78 Prozent wieder, womit sich ein längerfristiger

    Politikwechsel abzeichnet. Zum Ende der Herrschaft Friedrich I. hatte sich

    somit der Hof von einem Sammelpunkt der Großen des Reiches zu einem

    Treffpunkt der ministerialischen familia des Kaiserhauses gewandelt.65

    Nicht aus den Augen zu verlieren ist, dass die Zeugenlisten keinen

    beständigen Querschnitt über die anwesenden Besucher am Hofe bieten.

    Während Reichsfürsten alle Angelegenheiten bezeugen konnten, wurden

    Zeugen von geringerem Rang nur heran gezogen, wenn sie in einem

    Zusammenhang zum entsprechenden Rechtsgeschäft stammten

    beziehungsweise aus der im Rechtsgeschäft Bezug genommenen Region

    standen, wobei die Höhe des Ranges mit der Weite des Zusammenhangs

    korreliert.66 Somit bedeutet zwar eine Zeugennennung, dass die jeweilige

    Person zu diesem Zeitpunkt am Hof weilte, jedoch weist das Fehlen der

    Nennung nicht zwingend auf deren Abwesenheit hin.

    Nichtsdestotrotz zeigen die Zeugenlisten, dass die Besucher zahlreich und in

    ihren Rängen weit gefächert waren. Grade bei längerer Anwesenheit wie

    beispielsweise bei Heinrich dem Löwen oder Otto von Wittelsbach ist zu

    erwarten, dass entsprechend hochrangige Besucher eine gewisse Zahl an

    64 PLASSMANN, Struktur, S. 226f.65 KEUPP, Dienst, S. 341f.66 PLASSMANN, Struktur, S. 222.

    17

  • Begleitern mit sich führten, von Verwandten und Beratern über Schreiber,

    Bedienstete und Lehnsmänner bis hin zu eigenen Bewaffneten, besonders

    wenn Ankunft am oder Abreise vom Hof in größerer Entfernung zu ihrem

    eigenen Einflussbereich stattfand und damit eine längere An- oder Abreise

    zu erwarten war.

    Neben den Zeugenlisten und Itineraren ermöglichen auch andere Quellen

    tiefere Einblicke auf die Anziehungskraft des Hofes für Ministeriale. Als

    Beispiel ist ein tragischer Unfall am 26. Juli 1184 in Erfurt zu nennen.

    Während eines Treffens, bei dem Heinrich VI. im Auftrag seines Vaters

    einen Zwist zwischen dem Erzbischof von Mainz und dem Landgrafen von

    Thüringen beilegen sollte, stürzte der Boden des Hauses, entweder ein Teil

    der Pfalz oder das Haus des Probstes der Kirche St. Marien von Erfurt, ein

    und riss einen Teil der Anwesenden in die darunter liegende Sickergrube.

    Zu Tode kamen dabei je nach Quelle fünf oder sechs Grafen und zwischen

    66 und 100 Ritter, die bei dieser Unterredung vor Ort waren. Da sich

    Heinrich VI., sein Kanzler, Erzbischof Konrad und der Landgraf von

    Thüringen zum Zeitpunkt des Unfalls in einer Fensternische aufhielten,

    konnten sie mit Leitern gerettet werden.67 In diesem Fall zeigt sich als kurze

    Momentaufnahme, dass sich alleine an diesem einen Ort zu diesem

    Zeitpunkt rund hundert Ministeriale eingefunden haben, 'nur' aufgrund der

    Anwesenheit des Erzbischofes und des Mitkönigs. Da kaum alle

    Ministeriale aus dem Umfeld Heinrich VI. in diesem Gebäude anwesend

    waren und auch nicht alle Anwesenden zu Tode gekommen sein werden,

    tritt die enorme Anziehungskraft des Hofes auf die Ministerialität in diesem

    Kontext besonders deutlich zu Tage.

    Ein ähnlich spannendes Bild zeichnet die Anwesenheit des Bischofs von

    Prag am Hof, der aufgrund einer zu erwartenden Entscheidung über einen

    sein Bistum betreffenden Rechtsstreit 1196 fast ein halbes Jahr am Hof des

    Königs verweilte. Er verblieb diese Zeit mit 70 Pferden und entsprechend

    einer ähnlichen Zahl Männern am Hof, wobei er ursprünglich die Kosten

    seines Aufenthaltes selbst tragen musste, jedoch Friedrich I. nominell die

    Hälfte der Kosten in Naturalien für ihn übernahm, und zwar in so einem

    großzügigen Maße, dass auch ein Gutteil des Auskommens seiner anderen

    67 VON GIESEBRECHT/VON SIMSON, Kaiserzeit, 607ff.

    18

  • Begleiter hierdurch bestritten werden konnte.68 Hieraus lassen sich zwei

    Schlüsse ziehen: Erstens war ein Bischof über längere Zeit mit 70 Personen

    am Hof vertreten, was ein Schlaglicht auf die Größe der Begleitung höher

    gestellter Persönlichkeiten am Hof wirft, und zweitens war er grundsätzlich

    zur Selbstversorgung verpflichtet, es war aber durchaus möglich, dass der

    königliche Hof dies zumindest zum Teil für ihn übernahm. Zu bedenken ist

    hierbei, dass die nötigen Nahrungs- und Futtermittel aus der Region

    angeliefert werden mussten, egal wer am Ende die Rechnung dafür bezahlen

    musste. Die Belastung für den jeweiligen Landstrich blieb damit gleich.

    3.2. Die Hofämter

    In kurzen Worten fasst Wolfram von Eschenbach die Funktionen der

    Hofämter zusammen: │ein marschalc solde vuoter geben; │ die des

    trinkens wolden leben, │ die solden zuo dem schenken gên; │ der truhsaeze

    solde stên │ bi dem kezzel, sô des waere zît; │ der kaemeraere sol machen

    quît │ pfant den, die´ twinget nôt.69 Im Bereich der Hofversorgung und –

    verwaltung sind so treffend die Aufgabenfelder abgesteckt, die die

    Hofämter einnehmen sollen. Der Marschall kümmert sich um die

    Versorgung der Pferde, die, wie später gezeigt wird, mit einem nicht

    unerheblichen Aufwand verbunden war, der Mundschenk versorgt den Hof

    mit Getränken, der Truchseß mit Nahrungsmitteln und der Kämmerer wacht

    über die Finanzen. Soweit mögen die ursprünglichen Aufgabenfelder der

    Hofämter umschrieben sein, wie sie im 10. Und 11. Jahrhundert durch

    Angehörige der unfreien familia ausgeübt wurden, aber seit dem Beginn des

    12. Jahrhunderts gesellt sich das Element der Repräsentation hinzu, das die

    Hofämter mit steigendem Prestige versah und so zu begehrenswerten

    Statussymbolen machte. Sie waren für die jeweiligen Ministerialen zudem

    auch wirtschaftlich profitabel, da ihre Inhaber gegenüber ihren

    Standesgenossen durch finanzielle Zuwendungen, Pferde und Zierrat in

    ihrem Status hervor gehoben wurden. Entsprechend waren die jeweiligen

    Ministerialenfamilien sehr motiviert, diese Ämter erblich werden zu lassen.

    68 Continuatio Gerlaci abbatis Milovicensis a. 1167-1198, in: MGH SS 17, Wilhelm WATTENBACH (hg.), S. 692.69 Wolfram von Eschenbach, Willehalm. Nach der Handschrift 857 der Stiftsbibliothek St. Gallen, Joachim HEINZLE (hg.) (Altdeutsche Textbibliothek 108), Buch IV, 212.

    19

  • Trotz dieser prestigeträchtigen Aufwertung zu Ehrenstellungen am Hofe

    mussten die ursprünglichen Aufgaben, die Aufrechterhaltung der

    Versorgung des Hofes, weiterhin erfüllt werden. Erst um 1300 wurde

    versucht der steigenden Zweckentfremdung entgegen zu wirken, indem die

    Hofmeisterämter (magister curiae) einführt wurden, die sich jedoch auch

    bald zu reinen Prestigerängen wandelten.70

    Kernaufgabe des zumeist als innerhalb des Hofes ranghöchster Amtsträger

    angesehenen Truchsesses blieb die Nahrungsmittelversorgung und am

    Herrscherhof allenfalls in Ausnahmefällen der persönliche Dienst an der

    Tafel des Königs. Der Marschall war neben der Versorgung der Pferde für

    die Quartiernahme und die Organisation des Hofes genauso zuständig wie

    für die Vorbereitung der Wege und Brücken und die Jurisdiktionsgewalt

    innerhalb des Lagers. Zudem musste er die Marschformation und die

    Positionierung der Schlachtreihen im Heer koordinieren und nach Gefechten

    die korrekte Aufteilung von Beutestücken und Pferden überwachen.71 Seit

    Konrad III. sind in diesem Amt Mitglieder der Ministerialenfamilie von

    Pappenheim belegt.72 Eine nähere Betrachtung der Facetten seines

    Aufgabenbereiches findet sich in Kapitel 5. Die Versorgung des Hofes mit

    Wein und Bier und die Überwachung der Kellereien fallen nominell in den

    Dienstbereich des Mundschenks, diese Arbeiten lassen sich im Umfeld des

    Stauferhofes jedoch nicht nachweisen. Ähnlich liegt es beim Kämmerer,

    dessen ursprüngliche Aufgabenfelder die Sorge um die Schlaf- und

    Schatzkammer seines Herren umfasste und ihn zu Strafmaßnahmen gegen

    Wucherer im Feldlager ermächtigte. In wie weit dieser Dienst die

    Überwachung der Einnahmen durch Regalien und andere Quellen umfasste,

    lässt sich anhand der Quellen nicht nachvollziehen. Andererseits werden

    auch diese Aufgaben ausgeführt worden sein, nicht zuletzt, da die Gier nach

    Gold beim königlichen Fiskus bereits unter Zeitgenossen für Unmut

    sorgte.73 Zudem fiel der Schutz der jüdischen Bevölkerung in seinen

    Bereich. Unter Friedrich I. machte sich hierbei besonderes der Kämmerer

    Cuno von Münzenberg verdient.74 Als Schlafkammer seines Herren kann

    nach Wolfram von Eschenbach auch das jeweilige Wohnzelt des Königs

    70 BRÜHL, Fodrum, S. 166.71 KEUPP, Dienst, S. 174.72 Ebd, S. 181.73 Ebd, S. 357ff.74 Ebd, S. 174.

    20

  • verstanden werden. Der Kämmerer ist auch für Auf-, Um- und Abbau dieser

    Unterkunft zuständig.75

    Für die Unterbringung des Hofes sind somit allgemein gesprochen primär

    der Marschall und der Kämmerer verantwortlich,76 während die Versorgung

    getrennt nach dem Versorgungsgut durch alle vier Hofämter sicher gestellt

    wird.

    Diesen Ämtern untergeordnet waren eine Reihe von Untergebenen, die in

    Quellen punktuell als stratores, subofficiati, schaffaere und minnere

    diestmannen bezeichnet wurden. Es erscheint im ersten Moment trivial, dass

    für die Versorgung auch Köche, Bäcker, Schneider, Stellmacher und diverse

    Handwerker benötigt wurden, von Hof- und Kammerdienern ganz zu

    schweigen, jedoch sollte ihre Zahl, auch wenn sie in Chroniken oder

    Urkunden für gewöhnlich nicht erwähnt genannt werden, nicht unterschätzt

    werden.

    3.3. Hofkanzlei und Hofkapelle

    Die Ausfertigung von Kaiserurkunden und die Arbeit in der Kanzlei wurde

    durch Hofgeistliche, die Kapellane, vorgenommen. Die Ämter innerhalb der

    Kanzlei konnten dabei als Karrieresprungbrett für klerikale Karrieren im

    Reich gelten und wurden üblicherweise aus vornehmen Familien besetzt.

    Wie bei anderen Hofämtern ist es auch bei der Hofkanzlei nötig Titel und

    Funktion zu trennen. An der Spitze der Hierarchie stehen die Erzkanzler. Ihr

    nomineller Aufgabenbereich lässt sich wie folgt aufschlüsseln: Der

    Erzbischof von Mainz war gleichzeitig der Erzkanzler Deutschlands, der

    Erzbischof von Köln der Erzkanzler Italiens und mit der Heirat Friedrichs

    mit Beatrix wurde Erzbischof Stephan von Vienne der Erzkanzler von

    Burgund. Die Erzkanzlerwürde wurde als Pertinenz der Regalien des

    jeweiligen Erzbistums angesehen. Dies bedeutet nicht, dass die Erzkanzler

    tatsächlich beständig den Hof begleiteten und die Kanzlei beaufsichtigten,

    es handelt sich vielmehr um Ehren- bzw. Hofämter. Stattdessen erscheinen

    die Kanzler in Vertretung der Erzkanzler in der Rekognition. Einzig Rainald

    von Dassel nahm, motiviert durch sein reges Interesse an Italien, noch als

    Erzkanzler die Rekognition selbst vor.75 Wolfram von ESCHENBACH, Parzival, Peter KNECHT (Übers.), 799, 15ff.76 BRÜHL, Fodrum, S. 165.

    21

  • Die Kanzler (cancellarii) wiederum waren auch zu einem guten Teil als

    Legaten, Diplomaten, delegierte Richter und Heerführer unterwegs, konnten

    daher auch nur unregelmäßig das Tagesgeschäft der Kanzlei überwachen.

    Bemerkenswert hierbei ist, dass sieben von neun Kanzlern später Bischöfe

    oder Erzbischöfe wurden, und zwar Arnold von Selehofen (Erzbischof von

    Mainz), Reinald von Dassel (Erzbischof von Köln), Ulrich (Bischof von

    Speyer), Christian von Buch (Erzbischof von Mainz), Philipp von Heinsberg

    (Erzbischof von Köln), Godefrid von Helfenstein (Bischof von Würzburg)

    und Johannes (Erzbischof von Trier), die restlichen beiden, Zeizolf und

    Heinrich, verstarben vermutlich in ihrem Amt.77 Es zeigt sich hier, dass

    innerhalb der Kanzlei königstreue Kleriker ausgebildet wurden, die später in

    hohe Kirchenämter aufstiegen.

    Zusätzlich zum Kanzler wurde unter Konrad III. das Amt des Pronotars

    (protonotarius curie) eingeführt und mit Magister Heinrich besetzt, der

    zuvor Hofnotar (notarius curie) war. In diesem Amt war er für besondere

    Aufgaben wie die Erledigung finanzieller Angelegenheiten sowie

    diplomatischer Missionen und Korrespondenzen zuständig, genauso aber

    wie der jeweilige Kanzler nicht für das Tagesgeschäft der Kanzlei. In dieser

    Position wurde Magister Heinrich von Friedrich I. übernommen. Nach

    seiner Ablösung durch Wortwin wurde er Propst zu St. Stephan in Mainz.

    Wortwin war unter anderem 1177 der kaiserliche Bevollmächtigte beim

    Abschluss des Vertrages zwischen Friedrich I. und dem König Wilhelm II.

    von Sizilien und mundierte die kaiserliche Vertragsurkunde auch. Für seine

    Dienste wurde er mit mehreren Propsteien belohnt. Sein Nachfolger ab 1182

    wurde Rudolf, vorher Notar in der Reichskanzlei, der später zum Bischof

    von Verden aufstieg. Seit 1188 hatte dann Magister Heinrich von Utrecht

    das Amt inne, ehemals Mitglied der Kanzlei von Heinrich VI. und danach

    Bischof von Worms.

    Die eigentliche Arbeit wurde von Notaren erledigt, die aufgrund ihrer

    Stellung seltenst in Zeugenlisten genannt wurden und daher zumeist

    anonym bleiben.78 Zur besseren Unterscheidung werden sie daher, soweit

    ihr Name nicht bekannt ist, nach dem Konzept von Theodor Sickel mit dem

    Namen des jeweils im Amt befindlichen Kanzlers und einem Buchstaben

    benannt, der für die Anzahl der zuvor in dessen Diensten bekannten Notare 77 BRESSLAU, Urkundenlehre, S. 508f.78 APPELT, Kanzlei, S. 17ff.

    22

  • steht. So ist Rainald C (RC) der dritte Notar unter Kanzler Rainald von

    Dassel.

    Unter den verschiedenen Kanzlern dienten etwa 23 Notare innerhalb der

    Amtszeit Friedrichs I., zeitweise mehrere gleichzeitig. Eine chronologische

    Betrachtung ihrer Tätigkeit in den ersten 15 Jahren von Friedrichs

    Herrschaft sollte einen Überblick über ihre Anwesenheit am Hof

    ermöglichen.

    Nach seiner Königswahl im März 1152 übernahm Friedrich I. die drei

    Hauptnotare seines Vorgängers Konrad III., Wibald, Heribert und Arnold H.

    Da Wibald und Heribert oft aufgrund diplomatischer Missionen unterwegs

    waren, fasste Arnold H die meisten Diplome der ersten Wochen ab.79 Bei

    Wibald handelt es sich um Abt Wibald von Stablo und Corvey, dem

    Ersteller des Codes Wibaldi, einer Sammlung von Striftstücken, an deren

    Erstellung er auf verschiedene Weise beteiligt war. Der Notar Heribert ist

    mit Magister Heribert identisch, der Propst des Marienstiftes in Aachen

    wurde und damit Haupt der Hofkapelle und später Erzbischof von

    Besançon. Bei Arnold H handelt es sich möglicherweise um den

    königlichen Kaplan Albert.80 Im April 1152 ist zudem Arnold II. C

    nachweisbar, ein ehemaliger Kanzleimitarbeiter der römischen Kurie. Er ist

    bis Ende 1152 Hauptnotar und wird von Arnold II. D unterstützt, findet sich

    aber ab Anfang 1153 nur noch sporadisch in den Urkunden. Ab diesem

    Zeitpunkt übernimmt Arnold II. D, vermutlich vom Niederrhein stammend,

    seine Aufgaben und begleitet Friedrich I. auf seinem ersten Italienzug. Hier

    erscheint Arnold II. C gelegentlich als Mundator, um ab Beginn 1155

    wieder regelmäßig den Hof zu begleiten. Ab dem April 1154 arbeitet

    Zeizolf B als Notar in der Reichskanzlei und übernimmt ab August 1155 mit

    dem Verschwinden Arnolds II. die Hauptaufgaben, verlässt aber nach der

    Rückkehr des Hofes nach Deutschland im September 1155 die Kanzlei

    wieder. Zu diesem Zeitpunkt übernimmt Arnold H den Notardienst, ab

    Anfang 1156 unterstützt durch Arnold II. E, der möglicherweise aus dem

    Bistum Konstanz stammt. Dieser arbeitet als eine Art Sekretär in der

    Kanzlei für Arnold H. Arnold II. E mundiert zuvor 1152 als Notar ein

    Privileg.

    79 ZEILLINGER, Notare, S. 551.80 APPELT, Kanzlei, S. 24.

    23

  • Ab Februar 1156 tritt Rainald C unter der Anleitung von Arnold H und

    Heribert in die Kanzlei ein. Ab diesem Zeitpunkt ist ein Wandel der

    Arbeitshierarchie zu beobachten. Während zuvor mehrere Notare

    unabhängig voneinander arbeiteten, werden nun neue Schreiber angelernt

    und mundieren zuerst nur nach dem Diktat des leitenden Notars, bevor sie

    selbstständig arbeiten dürfen. Dieser Wandel fällt nicht zufällig mit der

    Übernahme der Reichskanzlei durch Rainald von Dassel zusammen. Erster

    dieser leitenden Notare ist Arnold H, der Arnold II. E, Rainald C (in dessen

    erster Arbeitsperiode), Rainald D und Zeizolf B (in dessen zweiter

    Arbeitsperiode) anlernt. Arnold H scheidet 1158 aus und wird in seiner

    Position von Rainald G abgelöst.81

    Rainald C wird das erste Mal im Februar 1156 in der Kanzlei tätig und

    arbeitet kontinuierlich von Anfang 1157 bis Juli 1157. Die Ähnlichkeiten in

    seinen Formulierungen mit Arnold H lassen hier den Einfluss Arnolds

    deutlich werden. Ab Oktober 1157 bis zum März 1158 übernimmt Rainald

    D seine Aufgaben, wird dann jedoch von Rainald G abgelöst, der ab April

    1158 den zweiten Italienfeldzug über bis zum Sommer 1161 seinen Dienst

    in der Kanzlei versieht.82 Ab der Synode von Lodi im Juni 1161 findet sich

    auch Rainald C wieder in der Kanzlei ein. Einige wenige Diplome werden

    seit Anfang 1161 zudem von Rainald H und gelegentlich auch von Ulrich B

    mundiert. Zu Rainald H wurde im Übrigen die Theorie aufgestellt, es handle

    sich um Gunther den Dichter, den Verfasser des Ligurinus. In diesem

    Rahmen werden auch Parallelen zwischen Arnold II C und Gottfried von

    Viterbo gezogen. 83 Ab 1162/63 bis zum Herbst 1163 ist wieder nur Rainald

    C nachweisbar. Dies ändert sich erst wieder mit dem dritten Italienfeldzug,

    während dem die Kanzleinotare Rainald C, Rainald G, Ulrich B und Rainald

    H, primär im Zusammenhang mit dem Wirken von Rainald von Dassel, in

    der Kanzlei arbeiten. Hinzu kommt noch Christian E, der unter der

    Anleitung von Rainald G seinen notariellen Dienst in der Reichskanzlei

    aufnimmt. Nach der Rückkehr nach Deutschland 1164 bis 1166 ist wieder

    Rainald G der dominierende Notar und zeichnet auch bei von anderen

    Mitgliedern der Kanzlei geschriebenen Urkunden das Monogramm, wobei

    ab der ersten Hälfte 1165 auch Ulrich B als Notar nachweisbar ist. Ab dem

    81 ZEILLINGER, Notare, S. 551f.82 RIEDMANN,, Reichskanzlei I. Teil, S. 395f.83 BERNHARD, Gunther, S. 42.

    24

  • September 1165 beginnt zusätzlich zu diesen der aus Würzburg stammende

    Notar Wortwin seine Arbeit und mundiert bis zum vierten Italienfeldzug im

    Oktober 1166 zusammen mit Rainald G, Ulrich B und vereinzelt Rainald C.

    Bemerkenswert ist, dass diese Notare nur für die Urkunden des Königs

    zuständig waren, während Mandate, Rundschreiben, Briefe und Manifeste,

    die im Übrigen häufiger anzunehmen sind als es der Überlieferungsstand

    suggeriert,84 eher von Schreibern der Hofkapelle verfasst wurden.85 Wie

    schon gezeigt wurde, wurden die Notare zumindest zum Teil von ihren

    älteren Kollegen angeleitet. Es bestand keine strikte Trennung der Aufgaben

    wie Abfassung und Ausführung der Reinschrift oder Verteilung der

    Schreibaufgaben nach der Bedeutung der Dokumente, selbst dass an ein und

    derselben Urkunde mehrere Notare arbeiteten war keine Seltenheit. Auch

    finden sich Flüchtigkeitsfehler, Korrekturen und Rasuren. Eine genauere

    Kontrolle der Reinschriften wurde somit nicht immer vorgenommen. Zudem

    wurden auch Reinschriften von den Empfängern der Urkunden

    angenommen und nur durch Siegel oder Teile des Eschatokolls ergänzt.

    Das Zusammenspiel von Kanzlei und Hofkapelle war unter Friedrich I.

    ähnlich eng wie das unter seinen Vorgängern, jedoch sind die urkundlichen

    Nennungen kaiserlicher Kapellane selten. Als Kapellane genannt werden

    unter anderem Kanzler Ulrich, Nachfolger Rainalds von Dassel, zudem der

    erste Pronotar Heinrich, und Magister Heribert, der bereits unter Konrad III.

    als Notar in der Kanzlei tätig war. Hinzu kommen noch einige zum Teil nur

    schwer einzuordnende Nennungen. Neben capellani curiae führen sie

    häufig den Titel Magister, was auf ihre gehobene Ausbildung verweist, und

    waren wie Kanzler und Pronotare auch für den Kaiser als Diplomaten und

    Legaten unterwegs.86 Somit zeigt sich auch hier wieder die Trennung von

    Titel und Funktion. Neben Erzkanzlern, Kanzlern, Pronotaren und

    Kapellanen sind für das Tagesgeschäft Notare und andere Geistliche von

    Nöten, die auch im Falle der Hofkapelle meist anonym bleiben. Außerdem

    stellte die Hofkapelle den Hofarzt, den Hofarchitekten und die Lehrer für

    die Söhne des Königs.87 Zu erwarten sind zudem Hilfskräfte und

    Auszubildende genauso wie persönliche Diener der soweit identifiziert oft

    84 KÖLZER, Hof, S. 14.85 RIEDMANN,, Reichskanzlei II. Teil, S.99ff.86 APPELT, Kanzlei, S. 28f.87 BUMKE, Höfische Kultur, S. 76.

    25

  • aus hochrangigen Familien stammenden und aufgrund ihrer Position nicht

    selten mit kirchlichen Pfründen bedachten Mitarbeiter von Kanzlei und

    Kapelle.

    3.4. Gesandte und Boten

    Sowohl zum Informationsaustausch als auch für Verhandlungen und

    herrschaftliche Korrespondenz sind Gesandte von Nöten. Einen Einblick in

    das Gesandtenwesen, wenn auch für das 11. Jahrhundert, bietet die

    Eskalation des Investiturstreits zwischen Ende 1075 und Anfang 1077. In

    diesem Zeitrahmen sind die Reisebewegungen verschiedener

    Gesandtschaften von Papst Gregor VII., König Heinrich IV. und

    verschiedenen Bischöfen gut dokumentiert und verschiedentlich akribisch

    erforscht worden. So interessant der Inhalt dieser Aktivitäten für die

    Forschung sein mag, fokussiert sich unser Interesse mehr auf die

    Gesandtschaften. Gregor VII. schickte am 8. Dezember 1075 drei Gesandte

    zu Heinrich IV., die ihn am 1. Januar 1076 in Goslar erreichten. Nach Erhalt

    des Briefes und der mündlich vom Papst den Gesandten aufgetragenen

    Botschaft verschickte Heinrich IV. Einladungen an seine Bischöfe zu einer

    Synode, die am 24. Januar in Worms stattfinden sollte. Zwei Erzbischöfe

    und vierundzwanzig Bischöfe erschienen daraufhin rechtzeitig in Worms.

    Von der Synode in Worms aus wurden drei Botschaften verschickt, und

    zwar von Heinrich an den Papst, von Heinrich an die Römer und von den

    Bischöfen an den Papst. Als Gesandte wurden die Bischöfe Huzmann von

    Speyer, Burkhard von Basel und Graf Eberhard über die Alpen nach

    Piacenza geschickt. Dort sollte eine Synode stattfinden, die auch von

    Worms aus einberufen worden war. Diese Aktivitäten kulmulierten später

    im Gang nach Canossa, jedoch sind in unserem Falle eher der Umfang und

    die Aktivität der Gesandtschaften von Interesse. Mindestens zwei Dutzend

    Boten waren nötig, um die Einladungen an die Bischöfe zur Synode in

    Worms zu überbringen, die sowohl die Wege zu ihren Zielen kannten als

    auch wussten, wo sie auf der eiligen Reise Unterkunft, Verpflegung und

    frische Pferde vorfinden konnten. Die Gesandtschaften des Königs und des

    Papstes wiederum benötigten die unentbehrlichen Pferdeknechte,

    26

  • bewaffnete Begleiter, Bedienstete und soweit benötigt ortskundige Führer,

    alles in allem mindestens 6-15 Reiter pro Gesandtschaft.88

    Ähnliche Beispiele finden sich natürlich auch in der Regierungszeit

    Friedrichs I., so schreibt der Magdeburger Annalist zum Jahresbeginn 1176,

    dass der Kaiser Briefe an alle Erzbischöfe, Bischöfe und Äbte sowie

    Herzöge, Markgrafen und Grafen verschickte, damit diese ihm zu Hilfe

    kommen mögen,89 während der Ministeriale Anselm 1152 neben einem

    Privatbrief Abt Wibalds den neuen königlichen Siegelstempel, zwei

    Goldbullen und die Wahlanzeige Friedrich Barbarossas an den Papst vom

    Hof zum Sitz des Bamberger Bischofs Eberhard überstellte.90 Der Bischof

    von Straßburg wiederum verfügte über 24 eigene Gesandte aus städtischen

    Kaufmannsfamilien, die innerhalb des Bistums den Kontakt zwischen

    Bischof und seinen Lehnsleuten aufrecht erhalten sollten und verpflichtet

    waren dreimal jährlich eine entsprechende Gesandtschaft auf Kosten des

    Bischofs durchzuführen.91

    Zur Kommunikation in vorindustrieller Zeit waren Boten und Gesandte also

    unverzichtbar. Jeder Briefkontakt, jede nicht am Ort des Geschehens

    ausgefertigte Urkunde und jedes herrschaftliche Wirken über Distanz

    hinweg benötigten sie, von allgemeinen Aufrufen zur Heeresfolge, Hoftagen

    und anderen überregionalen Angelegenheiten ganz zu schweigen, was sie

    auch für die nähere Betrachtung der Hofgröße relevant erscheinen lässt.

    Entsprechend war eine gewisse Menge an Boten nötig, die jederzeit an

    verschiedene Höfe geistlicher wie weltlicher Herrscher entsandt werden

    konnten oder von diesen entsandt am Hof auf Antwort warteten. Solche

    Dienste wurden entweder vom Hofklerus oder der königlichen

    Dienstmannschaft ausgeführt,92 nicht zuletzt auch, da die Bedeutung und

    Authentizität der Nachricht direkt mit Rang und Namen des Boten

    korrelierte.93 Da am Hof erscheinende Gesandtschaften, gerade wenn sie aus

    entfernten Regionen stammten, ihren Begleitzug nicht in heimatliche

    88 ELZE, Gesandtschaften, S. 7.89 Annales Magdeburgensis a. 1-1188. 1453-1460, in: MGH SS 16, Georg Heinrich PERTZ (hg.), S. 193: Imperator misit epistolas per omnes partes regni Teutonici, archiepiscopis, episcopis, et abbatibus, ducibus, marchionibus, comitibus, imperiali auctoritate mandans eos venire sibi in adiutorium.90 KEUPP, Dienst, S. 363.91 Urkunden und Akten der Stadt Straßburg, Band 1, Wilhelm WIEGAND (hg.), Nr. 616, S. 473.92 KEUPP, Dienst, S. 363.93 HOFFMANN, Brieftechnik, S. 145.

    27

  • Gefilde zurück schicken konnten, um sie nach Abschluss ihrer Aufgabe

    wieder zum Hof zu beordern, sollte auch die sich hieraus generierende Zahl

    an Besuchern nicht außer Acht gelassen werden. Während einfache Boten

    und Bittsteller nur als Einzelpersonen oder Kleingruppen ins Gewicht fallen,

    ist zu erwarten, dass Würdenträger wie Bischöfe und päpstliche Legaten mit

    einem eigenen kleinen Hofstaat anreisten.

    3.5. Die Ministerialität

    Wie schon angesprochen wurden für Hofämter und Botendienste beständig

    Ministeriale benötigt. Zudem gehört ihre Anwesenheit zur Repräsentation

    des Herrschers, denn die Menge der mitreisenden Panzerreiter war, neben

    Burgen, Städten und finanziellen Mitteln, ein deutliches Zeichen für

    Reichtum und Macht des Königshauses, wie es König Philipp 1206

    gegenüber dem apostolischen Stuhl feststellte.94 Grade bei wichtigen

    Verhandlungen und Festivitäten zeigt sich dieses Element überdeutlich. So

    waren zu den Vertragsverhandlungen zum Frieden von Venedig 1177 8420

    Mann Gefolge in die Serrenissima gereist, davon alleine 1000 als Begleiter

    der Erzbischöfe von Köln, Mainz und Magdeburg, was vom Mainzer

    Pfingstfest 1184 noch deutlich überboten wurde. Hier reisten mit dem

    Kölner Erzbischof je nach Quelle eine Begleitmannschaft von 1700 bis

    4000 Reitern an, nicht zuletzt um den Stellenwert des Kölner Erzbischofs

    gegenüber dem Abt von Fulda zu unterstreichen, der wiederum immerhin

    mit 500 milites angereist war.

    Ein ähnliches Bild ergibt sich bei den anderen weltlichen wie geistlichen

    Fürsten des Reiches, die mit Zahl und Ausstattung ihrer Reiter und deren

    Unterkünften ihre Stellung im Reich und am Hofe unterstreichen wollten.95

    94 Philippi Regis constitutions, in: Ludwig WEILAND (ed.), Monumenta Germaniae Historica Constitutiones et acta publica imperatorum et regnum, Band II, S. 12: Habuimus etiam tot ministeriales, quod nos sub aliquo certo numero vix comprehendere potuimus. Habuimus castella, civitates, villas, burgenses ditissimos. Habuimus pecuniam multam nimis in autro et in argento et in multis gemmis preciosis.95 KEUPP, Dienst, S. 383.

    28

  • Die je nach Quelle zwischen 40.00096 und 70.000 Ritter97 symbolisierten

    hierbei nicht nur militärische Macht, sondern auch territoriale und

    wirtschaftliche Potenz des einzelnen Fürsten, denn jeder Panzerreiter stand

    symbolhaft für die Fähigkeit, Personen, die in ihrem Dienst nicht

    wertschöpfend produktiv waren, durch Land und Bauern zu versorgen und

    entsprechend auszustatten.

    Diese besonderen Feierlichkeiten zogen also die Ministerialität, zum Teil als

    Begleitung ihrer Lehnsherren, aus dem ganzen Reich an, es stellt sich

    jedoch die Frage, in welchem Maße sie als Begleitung und

    Repräsentationselement Friedrich I. beständig am Hof verweilten. Einerseits

    ist es wirtschaftlich unvernünftig allzu viele Ritter beständig mit sich zu

    führen, andererseits ist eine große Zahl entsprechend gerüsteter und

    berittener Krieger ein zentrales Herrschaftssymbol. Walter Map legt zu

    diesem Thema dem französischen König in den Mund, dass der Reichtum

    des indischen Königs aus exotischen Tieren und Edelsteinen bestände, der

    des Kaisers von Konstantinopel und des Königs von Sizilien aus Gold und

    Seide, während der Kaiser der Deutschen zwar weder Gold noch

    Geschmeide besitze, dafür aber Krieger und Streitrösser.98

    Im Zusammenspiel mit den Zeugenlisten, in denen in den späteren Jahren

    Friedrich I. immer mehr Ministeriale auf tauchten, und dem Zwang sich mit

    Ministerialen zu umgeben, lässt sich erwarten, dass der Hof jederzeit mit

    einigen hundert Ministerialen reiste. Ein ähnliches Bild zeichnet der

    Konflikt zwischen Heinrich IV. und seinem Sohn Heinrich V. Letzterer

    überredete seinen Vater bei einem Zusammentreffen bei Mainz, dass beide

    Seiten ihr Heer auf ein kleines Gefolge reduzieren sollten, um eine

    Verwüstung der Region durch die beiden Heere zu vermeiden. Als

    96 Giselberti chronicon Hanoniense a. 1070-1197, in: MGH SS 21, Georg Heinrich PERTZ und Wilhelm ARNDT (hg.), S. 538: Congregatis equidem de toto imperio ex hac parte Alpium ad curiam principibus, achiepiscopis, abbatibus, ducibus, marcionibus et comitibus palatinis et aliis comitibus et viris nobilibus et ministerialibus fuerunt numero iuxta veram extimationem milites in curia illa 70 milia, ebenda S. 539: Satis autem constat in curia illa, sicut supra dictum est, 70 milia milites fuisse.97 Sächsische Weltchronik, MG. Deutsche Chroniken und andere Geschichtsbücher des Mittelalters, Band 2, S. 232: De hertoge Heinric quam wider to der groten hochtit to Megenze, dar de koning Heinric unde de hertoge Vrederic van Swaven, des keiser Vrederikes sone, riddere worden. Dat was de groteste hochtit en, de ie an Dudischeme lande ward. Dar worden geachtet de riddere uppe viertich dusent ân ander volk.98 Walter Map, De nugis curialium, Montagque Rhodes JAMES, Christopher N. L. BROOKE und Roger A. B. MYNORS (hg.), S. 450.

    29

  • Konsequenz daraus zog Heinrich IV. nur mit 300 Männern weiter.99 Aus

    dem Kontext lässt sich zwar erkennen, dass Heinrich IV. mit mehr als nur

    seinem normalen Hof anreisen wollte, die Reduzierung auf 300 Begleiter

    lässt jedoch den Schluss zu, dass dies die untere Grenze einer

    standesgemäßen Begleitung darstellt.

    3.6. Der inoffizielle Tross

    Bei einer so umfassenden Ansammlung von zum Großteil männlichen

    Adeligen und Ministerialen ist es nicht überraschend, dass auch Anbieter

    von officia inhonesta angezogen wurden. Nach Peter von Blois, einem

    Kenner des englischen Hofes, fanden sich am Hofe König Heinrichs II. von

    England eine ganze Reihe verschiedener Dienstleister wie „Schauspieler,

    Sängerinnen, Würfelspieler, Weinverkäufer, Narren, Possenreißer,

    Bartscherer und Schwätzer“, zudem Prostituierte und Kammerdiener.100

    Auch wenn dieser Personenkreis kaum regulär mit versorgt wurde, wurden

    sie finanziell oder mit Naturalien entlohnt und wurden so direkt oder

    indirekt an den regional vom Hof bezogenen Versorgungsgütern beteiligt.

    Ihre Anzahl zu erfassen ist aufgrund der Quellenlage unmöglich, aber

    angesichts der Tatsache, dass die Anwesenheit am Hof sicherlich sehr

    profitabel war und die Nachfrage nach Unterhaltung und Zerstreuung ein

    entsprechendes Angebot anzog, erscheint es nicht allzu abwegig eine

    beständige Anwesenheit einiger Dutzend dieser Dienstleister, wenn auch

    mit wechselndem Personal, anzunehmen, während auf Hoftagen zusätzlich

    lokale und regionale Schausteller ihre Künste darboten. Dass dieser

    Trossteil sich zu einem echten Problem auswachsen konnte, zeigt Arnold

    von Lübeck auf. Er erwähnt, dass während des zweiten Kreuzzuges

    Friedrich I. in Wien 500 Prostituierte, Diebe und Taugenichtse zur

    Heimkehr gezwungen werden mussten, da sie den Heerzug zu übermäßiger

    Unsittlichkeit und Unzucht ermunterten.101 Ein Vorgehen im Übrigen, dass

    auch während des zweiten Italienzuges durchgeführt wurde, um die Horde

    99 Vita Heinrici IV. imperatoris (MGH SS rer. Germ. 58) , Wilhelm EBERHARD (hg.), c. 10, S. 33.100 Peter von Bois, Epistolae, in: Migne PL 207, Jacques Paul MIGNE (hg.), Sp. 1-560, Nr. 14, Sp. 49: Regis enim curiam sequuntur assidue histriones, candidarices, aleatores, dulcorarii, caupenes, nebulatores, mimi, barbartores, balatrones, hoc genus omne.101 Arnoldi abbatis Lubecensis chronica a. 1172 – 1209, in: MGH SS 21, Georg Heinrich PERTZ und Johann Martin LAPPENBERG (hg.), S. 171.

    30

  • von Troßknechten, Dirnen und Marketender los zu werden, die nach

    Rahewin das Heer zu verweichlichen drohte.102

    3.7. Zusammenfassung

    Es zeigt sich, dass sich ganz unterschiedliche Personenkreise am Hof

    einfanden, von der königlichen Familie,103 Herzögen und Erzbischöfen über

    Bischöfe und Äbte, Grafen und Edelfreie bis zu einer Vielzahl von

    Ministerialen mit oder ohne Hofämtern, Notaren und Schreibern, Gesandten

    und Boten, Knappen, Knechten und Mägden und zu guter Letzt

    Schaustellern und Prostituierten. Sie alle gehören zum Hof, und ihr

    beständiges Kommen und Gehen hält den Hof genauso in beständigem

    Fluss wie seine immer währende Reisetätigkeit, wie Zeitgenossen der

    Staufer wie Walther von der Vogelweide oder Walter Map104 pointiert

    festgestellt haben. Es ist daher nicht überraschend, dass es unmöglich ist

    eine genaue Zahl der anwesenden Personen anzugeben, weder für einen

    festen Hoftag noch für seinen Umfang während der Reise.

    Auch wenn das Risiko der Mutmaßung nicht unbedeutend ist, sollte es an

    dieser Stelle hilfreich sein zumindest eine grobe Zahl der anwesenden

    Personen am Hof zu ermitteln. Hierzu wird der Hof in die curia minor aus

    beständig anwesenden Personen und der curia maior aus unregelmäßig

    erscheinenden und abreisenden Besuchern aufgegliedert. Die curia minor

    besteht aus dem König und seiner Familie, der Hofkapelle und Kanzlei und

    den Ministerialen, die die Hofämter ausüben und als militärischer Geleitzug

    und Repräsentationsinstrument den Hof begleiten. Als ausführende Organe

    der Hofämter kommen die Diener und Handwerker hinzu, die für das

    alltägliche Funktionieren des Hofes nötig sind. 105 Die curia maior besteht

    aus den unregelmäßig am Hof verweilenden Beratern, Gesandten und

    Boten, Bittstellern und dem geschäftstüchtigen inoffiziellen Tross, also dem

    Teil des Hofes, der sich in beständigem Kommen und Gehen befindet und

    der theoretisch zumindest in bestimmten Zeiträumen komplett am Hofe

    fehlen kann.

    102 Rahewin, Gesta Friderici III, 52, Georg WAITZ (ed.), Monumenta Germaniae Historica, Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatism editi 46, S. 228.103 BUMKE, Höfische Kultur, S. 77.104 Zusammenfassend KEUPP, Dienst, S. 344f.105 RÖSENER, Hoftage, S. 377.

    31

  • Der König und seine Familie umfassen eine bis neun Personen (je nach

    Jahreszahl mit Frau und Kindern). Werden konservativ pro Person nur drei

    Kammerdiener und Zofen hinzu gerechnet, ergibt sich eine Maximalzahl

    von 45 anwesenden Personen, inklusive persönlicher Köche, Schneider und

    anderer Dienstleister.106 Nicht aus den Augen zu verlieren ist, dass auch

    Königin Beatrix über eine eigene Hofhaltung verfügte mit eigenem Gefolge,

    Notaren, Gelehrten, einem Arzt und einem Schatzmeister, begleitet von

    ihren eigenen Rittern, auch wenn einige dieser Personen auch Funktionen

    am Hof ihres Mannes innehatten.107

    Die Hofkapelle und Kanzlei umfasst neben Kanzler und Pronotaren, die

    aufgrund ihres Aufgabenbereiches häufig unterwegs sind und daher eher

    zum Rand des Hofes gerechnet werden können, bis zu drei Notare und bis

    zu vier Kapelläne,108 dazu entsprechende Hilfskräfte und Bedienstete,

    insgesamt wiederum bei drei unterstützenden Personen pro Notar und

    Kapellan bis zu 28 Personen. Einen Großteil des Hofes machen die

    Ministerialen aus, sowohl in ihrem Dienst in den Hofämtern und als Boten,

    als auch „nur“ als Repräsentationselement und zum Schutz des Hofes. Wird

    von von einem dauerhaft anwesenden Kontingent aus 200 Rittern

    ausgegangen, was angesichts der Truppenstärken von verschiedenen

    Reichsfürsten bei Feldzügen oder repräsentativen Ereignissen eher als zu

    gering erscheint, ergibt sich neben den genannten Rittern ungefähr die

    gleiche Anzahl an Knappen. Angesichts des Wohlstandes zumindest einiger

    Reichsministerialer wie der, die die Hofämter inne hatten, lassen sich

    weitere Knappen und Bedienstete hinzu rechnen.109 Insgesamt ergibt sich

    daraus eine Zahl von rund 500 Personen. Dies ergibt sehr konservativ

    gerechnet bereits einen Kreis von über 550 Personen, die quasi den harten

    Kern um den König ausmachen und ihn beständig als reisender Hof

    begleiten.

    Hinzu kommen nun Teile des inoffiziellen Trosses, die sich mit Sicherheit

    die meiste Zeit in der Nähe des Hofes aufhalten, auch wenn sich ihre

    106 Werner Rösener verweist hierzu auf zahlreiche Knechte und Mägde für Dienste am Hof, siehe RÖSENER, Hoftage , S. 377.107LAUDAGE, Barbarossa , S. 105.108 In einer Urkunde vom 29. Mai 1153 werden als Zeugen die Kapelläne Hartwich, Reinbert, Jordan und Heribert aufgezählt, wobei es möglich ist, dass besagter Heribert der Notar Heribert ist. Siehe hierzu MGH DF. I. 56.109LAUDAGE, Barbarossa , S. 159.

    32

  • Zusammensetzung beständig ändern mag. Mangels näherer Angaben

    schätzen wir diese reisenden Dienstleister auf zwischen 30 und 50 Personen.

    Zur curia maior werden an dieser Stelle die unregelmäßig, wenn auch

    teilweise über längere Zeit am Hof verweilenden Berater, Gesandte, Boten

    und Bittsteller gezählt. Ihre Zahl kann sehr stark fluktuieren. Wenn

    hochrangige Fürsten wie Heinrich der Löwe, Reinald von Dassel oder Otto

    von Wittelsbach längere Zeit den reisenden Hof begleiten, führen sie ihren

    eigenen Tross aus Bediensteten und von ihnen abhängigen Lehnsmännern

    mit sich. Genauso ist die Anwesenheit von Gesandten und Boten kaum zu

    kalkulieren, jedoch erscheint es in diesem Kontext die Annahme nicht

    abwegig, dass der Hof um die 1000 bis 1500 Personen umfasste, auch wenn

    diese Zahl tagtäglich schwanken konnte.

    Eine besondere Situation sind die Hoftage, in denen sich die höchsten

    Kreise des Reiches um die Person des Kaisers scharen. Diese Hoftage sind

    das soziale Zentrum für geistliche und weltliche Fürsten. Im Zusammenspiel

    mit der curia minor und der curia maior des täglichen Hofes bildet sich hier

    das „kaleidoskopische Gemeinwesen“ heraus,110 das es Zeitgenossen wie

    Walter Map oder Walther von der Vogelweide so schwer gemacht hat, den

    Hof näher zu beschreiben. Hier kann die Zahl der anwesenden Personen in

    die Zehntausende ansteigen, wie es als Extremfall das Mainzer Pfingstfest

    gezeigt hat. Dies sind aber Sonderfälle, die kaum den tagtäglichen Betrieb

    des Hofes widerspiegeln.

    Basierend auf den bisherigen Schätzungen soll im weiteren Verlauf der

    Bedarf des Hofes in den Fokus gerückt werden.

    4. Der Bedarf des Hofes

    4.1. Die Zielsetzung

    Ein Kernelement des Reisekönigtums ist das Reisen. Die Gründe für die

    beständige Reiseaktivität wurden schon vielfach dargelegt111, jedoch sind für

    uns grundlegendere Fragen relevant. Besonders die Frage nach der

    Reisegeschwindigkeit stellt sich, wenn es darum geht, wo Material und

    Unterkünfte bereit stehen mussten und in welchem Umfang sie benötigt

    wurden. Die Geschwindigkeit ist nicht nur vom Zustand der genutzten 110 LEYSER, Barbarossa , S. 523.111Unter anderem BRÜHL, Fodrum, S. 74 und KÖLZER, Hof, S. 13.

    33

  • Wegstrecke, dem gewählten Transportmittel und dem Wetter abhängig,112

    sondern auch von der Größe der Reisegruppe und den Gütern, die

    mitgeführt werden mussten sowie der Motivation, also der Eile, die an den

    Tag gelegt wurde. Gerade die Größe der Gruppe verringert die

    Reisegeschwindigkeit, denn sie lässt den Austausch von Pferden an

    Rastpunkten aufgrund ihrer schieren Zahl kaum praktikabel erscheinen,

    benötigt mehr Zeit und Aufwand zur Versorgung mit Nahrungsmitteln und

    bremst durch den Tross, der sowohl die Güter des täglichen Bedarfs als auch

    die für Repräsentation und Herrschaft nötigen Materialien mit sich führt und

    daher auf Packpferde oder Karren zurückgreifen muss.113 Aufgrund dieser

    Einschränkungen und basierend auf verschiedenen Untersuchungen114 gehen

    wir im Folgenden von einer durchschnittlichen Reisestrecke über Land von

    ca. 35-40 Kilometern pro Tag aus.115

    4.2. Der Bedarf des Personals

    Wie dargelegt kann mit 1000 oder mehr sich am Hof befindlichen Personen

    gerechnet werden, und diese wollen versorgt werden. Um einen Einblick zu

    erlangen, wie viele Nahrungsmittel für eine solche Menge Menschen

    benötigt wurden, ist ein Blick auf ihren Energiebedarf zielführend. Bei

    einem Menschen, der tagtäglich schwere körperliche Arbeit verrichtet,

    beispielsweise längere Strecken auf schlechtem Untergrund reitet, kann ein

    Bedarf von 3200 kcal angenommen werden.116 Erschwerend kommt hinzu,

    dass der Nahrungsmittelverbrauch am Hof zumindest zum Teil aufgrund des

    inszenierten Überflusses an der Herrentafel höher als das nötige Maß liegt

    und Grundnahrungsmittel wie Rüben, Sauerkraut, Hafer oder Kohl als nicht

    standesgemäß für Adel und Ministerialität angesehen wurden.117 Die

    Ernährung war entsprechend ausgesprochen fleischlastig.118 Werden

    basierend auf diesen Grundannahmen die im Tafelgüterverzeichnis, einer

    der wenigen Quellen zur Versorgung des Hofes in der Stauferzeit,

    112 REINEKE, Reisegeschwindigkeit , S. 244113 BOYER, Journey, S. 599.114 ELZE, Gesandtschaften, S. 9f. und BOYER, Journey, S. 606.115 Etwas geringere Schätzungen finden sich bei BRÜHL, Fodrum, S. 163 und REINEKE, Reisegeschwindigkeit , S. 250.116 ABEL, Landwirtschaft, S. 24. 117 BUMKE, Höfische Kultur, S. 240ff.118BRÜHL, Fodrum, S. 177.

    34

  • beschriebenen Servitien näher betrachtet und wird der Annahme gefolgt,

    dass es sich hierbei um Tageslieferungen für den Hof handelt, zeigt sich,

    dass ein solches Servitium je nach Region zwischen 1200 und 1600

    Personen ernähren konnte, wobei Getreide, Obst und Gemüse noch nicht

    eingerechnet sind.119 Wird der Hof also regelmäßig ähnlich den Angaben im

    Tafelgüterverzeichnis mit diesen Mengen beliefert, ist seine Versorgung mit

    Nahrungsmitteln sicher gestellt. Etwas komplizierter stellt sich hingegen die

    Frage nach dem Bedarf von Tierfutter am Hofe dar.

    4.3. Der Bedarf der Tiere

    Das häufig genutzte Zitat „ros, schilt, sper, hûbe unde swert – diu machent

    quoten ritter wert“120 deutet bereits das nächste wichtige Themenfeld an, das

    Pferd. Jede Gleve, also eine Einheit aus Ritter und Knappe, verfügt über

    zwei bis vier Pferde, und zwar zwingend über ein Streitroß (dextrarius), das

    für die Gegebenheiten während Gefecht und Turnier ausgewählt und

    ausgebildet wurde, und ein Marschpferd (palefridus), das für Reisen genutzt

    wurde, während das Streitroß bei Überlandreisen vom Knappen geführt

    wurde. Hinzu können noch ein Lastpferd (runcinus) zum Transport von

    Rüstung und anderem Material und gegebenenfalls ein Marschpferd für den

    Knappen kommen, was gerade bei größeren Reisestrecken sinnvoll

    erscheint.121 Diese Differenzierung von Pferden findet sich unter anderem in

    Albertus Magnus’ De animalibus, in der er die vier Arten der Pferde

    aufzählt. Als erste skizziert er die erwähnten dextrarii oder bellici, die Lärm

    und schnelle Bewegungen gewöhnt waren und darauf trainiert wurden auf

    Schenkeldruck und Pfiffe zu reagieren und mit Sprüngen, Tritten und Bissen

    am Kampfgeschehen teilzunehmen. Die hierzu ausgebildeten Hengste

    wurden nicht kastriert. Das gleiche galt für die nachfolgenden palefridi,

    damit sie nicht träge oder fett wurden. Nachfolgend nennt Albertus Magnus

    noch Rennpferde (curriles equi) und Lastpferde (runcinus). Als Futter

    empfiehlt er Hafer und Weizen und gegebenenfalls Dinkel, als zweite Wahl

    119ULLRICH, Randnotizen, S. 141f.120 Fridankes Bescheidenheit, Heinrich Ernst BEZZENBERGER (hg.), 93, Vers 6 f.121 LEIVERKUS, Erscheinungsbild, S.196f.

    35

  • auch Gerste, während er von Roggen abrät, da dieser die Produktion von

    Verdauungsgasen fördert.122

    Die Unterscheidung von dextrarius und palefridus ist hierbei nicht nur ein

    rein technischer, sondern auch ein rechtlicher, wie sich nach Rahewin beim

    ersten I