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So oder so schwierige Sprache Leben, Wohnen und Arbeiten für Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf 2. Ausgabe 2016 In dieser Ausgabe: Neues aus der Werkstatt zum Bundesteilhabegesetz Berichte aus den Teilhabegruppen Informationen zur Persönlichen Assistenz

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Projektzeitung des Projekts Gut leben in NRW, So oder so, Ausgabe 02.2016, Schwierige Sprache

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So oder so

s c h w i e r i g e S p r a c h e

Leben, Wohnen und Arbeiten

für Menschen mit hohem

Unterstützungsbedarf

2. Ausgabe2016

In dieser Ausgabe:

Neues aus der Werkstat t zum Bundestei lhabegesetz

Berichte aus den Tei lhabegruppen

Informat ionen zur Persönl ichen Assistenz

LVKM NRW e.V.Gut leben in NRWBrehmstraße 5-740239 DüsseldorfTel.: 0211 / 612098Fax: 0211 / 613972Email: [email protected] www.gut-leben-in-nrw.de

Gefördert durch:Projektträger: Kooperationspartner:

Inhalt Seite

Einleitung 4

2016 möchte ich... 5

Die Steuerungsgruppe des Projektes “Gut leben in NRW” 6

Aktueller Stand der Projektevaluation 6

Fachtag „Freizeit im Leben von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf“ 7

Bücherliste 9

Teilhabegruppe Aachen: Menschen mit Behinderung werden auf dem Weg ins Arbeitsleben begleitet 10

Teilhabegruppe Bochum: „Wenn man Wohnträume backen könnte…“ 11

Rezept Schokomuffins 12

Teilhabegruppe Bielefeld: „Jeder soll die Möglichkeit haben, auszuprobieren, welche Arbeit zu ihm passt“ 13

Teilhabegruppe Köln: Erfahrungen mit Persönlicher Assistenz 14

Teilhabegruppe Krefeld: Was wir 2015 bewegt haben und noch bewegen wollen… 15

Teilhabegruppe Sieger-und Sauerland: Was Inklusion für uns bedeutet 16

Teilhabegruppe Soest: "Jeder kann sich wehren, auch aus dem Rollstuhl heraus" 17

Wie Inklusion in Zukunft gelingen kann 18

Neues aus der Werkstatt des Bundesteilhabegesetzes 20

Was sind Leistungen zur (Freizeit-)Assistenz und wo bekommt man sie? 23

2016 möchte ich…

Sebastian Kraus aus der Teilhabegruppe Krefeld

Susanne Schloms, Mitglied der Steuerungsgruppe „Gut leben in NRW“

… me h r Sp o r t

t re i b e n .

… Zeit zum Durchatmen haben und

Dinge mit Ruhe angehen.

… beruflich das Thema„Leichte Sprache“

vertiefen.

… mich dafüreinsetzen, dass es in

Krefeld mehr Fahrdienste gibt.

… zusammen mitder Teilhabegruppe Kontakt

zum Oberbürgermeister aufnehmen und mit ihmüber Barrierefreiheit in

Krefeld sprechen.

Janette Merkel, Teilhabegruppe Krefeld

Dirk Keppler, Teilhabegruppe Krefeld

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6

Das Projekt wird von einer Steuerungsgruppebegleitet. Sie steht dem Projektteam beratendzur Seite und behält „von außen“ die Umset-zung der vereinbarten Ziele im Blick. In der Steuerungsgruppe sind Vertreterinnen und Ver-treter aus allen für das Projekt relevanten Bereichen. Durch die übergreifende Zusam-menarbeit der verschiedenen Kooperationspart-ner und Kooperationspartnerinnen ist eineumfassende Reflexion des Prozesses möglich.

Die Steuerungsgruppe hat ein neues Mitglied: Anne MiddendorfFrau Schulte-Sienbeck musste die Steuerungs-gruppe des Projektes aus beruflichen Gründen lei-der verlassen. Wir bedanken uns herzlich für dieZusammenarbeit mit Frau Schulte-Sienbeck.

Ihre Nachfolge tritt Frau Anne Middendorf an.

Frau Middendorf ist Leiterin des KreissozialamtesWarendorf und dort unter anderem für den Bereichder Eingliederungshilfeleistungen, die Feststellung

einer Schwerbehinderung und die Ausstellung ent-sprechender Ausweise zuständig. Ebenfalls in ihrAufgabengebiet fällt die Arbeit in der Fachstelle„behinderte Menschen im Beruf“, die begleitendeHilfen im Berufsleben bewilligt und im Rahmen vonKündigungsschutzverfahren zu beteiligen ist.

Wir freuen uns darüber, dass Frau Middendorf ihrFachwissen in die Steuerungsgruppe einbringt undheißen sie herzlich willkommen!

Die Steuerungsgruppe des Projektes “Gut leben in NRW”

Das Ziel des Evaluationsprojektes ist, zu erfor-schen, wie eine partizipative Zusammenarbeit inBeratungssettings wie den Teilhabegruppen gutgelingen kann.

Zu Beginn des Projektes wurden die Gruppen zu-nächst in Ihrem Prozess der Themenfindung un-terstützt. Es wurden mit fast allen GruppenZukunftswerkstätten durchgeführt, in einigen Fäl-len wurden auch beispielhaft Instrumente der Per-sönlichen Zukunftswerkstatt vorgestellt. DieVideokamera war in dieser ersten Phase der Teil-habegruppenarbeit immer dabei! Inzwischenhaben alle Gruppen ihren thematischen Fahrplanund auch ihre eigene Gruppenkultur für sich ent-wickelt.

Nun geht es bis zum Sommer 2016 darum, denBeratungsprozess der Gruppen zu begleiten,indem einige Sitzungen auf Video aufgenommenwerden und die Gruppen eine Rückmeldung zuihrem Beratungsprozess bekommen. Gleichzeitigbeginnt die Auswertungsphase für das Evalua-tionsprojekt: Die Zukunftswerkstätten werden in-

haltsanalytisch ausgewertet, so dass zusammen-gefasste Aussagen dazu gemacht werden können,was sich die Gruppenmitglieder unter einem gutenLeben vorstellen, was aber auch ihrer Meinungnach Hinderungsgründe bei der Umsetzung sind.Außerdem werden die Beratungssitzungen unterdem Aspekt ausgewertet, welche Bedingungendazu beitragen, dass ein partizipativer Beratungs-prozess ermöglicht wird. Dabei interessieren unsvor allem die gelingenden Faktoren.

Die Ergebnisse aller Analyseschritte werden denTeilhabegruppen zur Verfügung gestellt, zum Ab-schluss des Projekts ist eine Gruppendiskussiongeplant, bei der eine Diskussion von Zwischener-gebnissen möglich ist.

Herzlichen Dank an alle Teilhabegruppen für diegute Zusammenarbeit. Wir freuen uns auf guteDiskussionen im Jahr 2016.

Malte Teismann Marta Schürmann

Angelo Schmidt Gudrun Dobslaw

Aktueller Stand der Projektevaluation

Anne Middendorf

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Der Fachtag am 29. September 2015 standunter dem Motto: „Freizeit im Leben von Men-schen mit hohem Unterstützungsbedarf“.Neben einem Einführungsvortrag zum Themawurden unterschiedliche Beispiele vorgestellt,die zeigen wie inklusive Freizeitgestaltung ge-lingen kann.

Als erster Gast konnte Herr Jun. Prof. Dr. IngoBosse begrüßt werden. Herr Bosse lehrt an derTechnischen Universität Dortmund am Fachbe-reich Rehabilitationswissenschaften. In seinemEinführungsreferat zum Thema Freizeitgestaltungmachte er zunächst auf die Wichtigkeit von Freizeitim Leben von jedem Menschen aufmerksam. Frei-zeit sei, neben Zeit die für eher unfreiwillige oderzweckgebundene Aufgaben aufgewendet wird,eben genau die Zeit im Leben, in der sich Men-schen frei entfalten können und diese Zeit sei fürMenschen mit und ohne Behinderung wichtig. Ausder Forschung ist sogar bekannt, dass die Teilhabean inklusiven Freizeitangeboten die physische,mentale und soziale Gesundheit fördert.

„Freizeit inklusiv gestalten“ bietet Fortbildungen für Anbieter und Interessierte In Kooperation mit dem LVR Zentrum für Medienund Bildung hat Herr Bosse mit seinem Team imRahmen des Projektes „Freizeit inklusiv gestalten“seit Anfang 2014 Experten und Expertinnen be-fragt, die entweder Erfahrung in der inklusiven Ge-staltung von Freizeitangeboten haben oderAngebote im Freizeitbereich machen. Ziel ist es,Wissen und Erfahrungen zu sammeln, wie Frei-zeitangebote für Menschen mit und ohne Behin-derung gestaltet werden können und diesesWissen an Anbieter weiter zu geben. Im Rahmen des Projektes sind inklusive Fortbil-

Herr Jun. Prof. Dr. Ingo Bosse von der TU Dortmund

dungen entwickelt worden, in denen Anbieter vonFreizeit– und Ferienangeboten und Interessiertegeschult werden. In den Fortbildungen wird z.B.Wissen über unterschiedliche Beeinträchtigungenvermittelt, dass Anbietern häufig fehlte.

Lesen Einmal Anders - Ein inklusiver Leseclubstellt sich vor Im Anschluss an den Vortrag von Herrn Bosse,stellte sich der LEA-Leseclub aus Essen vor. LEAsteht für Lesen Einmal Anders. Das Konzept desLeseclubs kommt ursprünglich aus den USA. Mitt-lerweile gibt es auch in Deutschland viele Lese-clubs. Ziel der Leseclubs ist es, Menschen Zugangzu Literatur zu verschaffen egal ob Sie lesen kön-nen oder nicht. In einem Leseclub soll der Spaßan Geschichten im Vordergrund stehen.

Christiane Lemke leitet den Leseclub in Essen.Gemeinsam mit sieben Mitgliedern stellte Sie denClub aus Essen vor. Vor der Gründung des Lese-clubs hat Frau Lemke eine Fortbildung des VereinsKubus e.V. gemacht und sich um Räumlichkeitengekümmert, in denen sich der Club in Essen tref-fen kann.

Der Leseclub trifft sich nun einmal in der Woche,um gemeinsam zu lesen oder Geschichten zuhören. Es werden Geschichten und Gedichte ge-lesen aber auch gerne Zeitungsartikel, die das ak-tuelle Tagesgeschehen behandeln. Es gibt zwar immer mehr Bücher in leichter Spra-che, trotzdem ist es nicht immer einfach, passendeLiteratur zu finden. Der Leseclub aus Essen warsogar schon einmal daran beteiligt, einfache Lite-ratur zu bewerten. In NRW gibt es neben demClub aus Essen noch einige andere Leseclubs.Wer mehr über Leseclubs erfahren möchte, findetunter folgendem Link weitere Informationen:www.kubus-ev.de/lea-leseklub

Beim LEA Leseclub steht der Spaß am Lesen im Mittelpunkt

Fachtag „Freizeit im Leben von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf“

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Nach der Vorstellung des Leseclubs erläuterteHerr Manuel Salomon in seinem Vortrag rechtlicheund finanzielle Fragen im Zusammenhang mitFreizeitassistenz. Herr Salomon ist Jurist beimKompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben West-falen in Dortmund. Auf Seite 23 finden Sie diewichtigsten Informationen zum Thema (Freizeit)Assistenz zusammengefasst.

„Fanclub All inclusive“- Der FC Uerdingen wirdvon allen angefeuertEin weiteres tolles Beispiel aus der Praxis habendie Mitglieder des Fanclubs "All Inclusive" aus Kre-feld vorgestellt. All inclusive ist ein Fußballfanclubund feuert den FC Uerdingen bei Heim- und Aus-wärtsspielen an. Olaf Jansen, Mitglied im Fanclub,berichtete, dass es in dem inklusiven Fußballfan-club zugeht, wie in jedem anderen Fanclub auch:Bei gemeinsam organisierten Auswärtsfahrtenwird jede Niederlage gemeinsam ertragen undjeder Sieg gefeiert.

Trotz der bisher vielen positiven Erfahrungen,kommt es für die Mitglieder auch immer noch zuunangenehmen Momenten: Leider sind nicht alleStadien auf Menschen mit einer Körperbeeinträch-tigung eingestellt, sodass der Fanclub trotz vorhe-riger Anmeldung der Gruppe, schonSchwierigkeiten hatte mit Rollstuhlfahrern ins Sta-dion zu kommen.

„Freizeit für alle“ – Ein Projekt für Menschenmit Behinderung und FreizeitanbieterRobert Schreiber stellte das Projekt „Freizeit füralle“ der Lebenshilfe Dortmund vor. Das Projekthat es sich zur Aufgabe gemacht, Freizeitangeboteso zu gestalten, dass Sie für alle Menschen zu-

gänglich sind. Innerhalb des Projektes werdenselbst Freizeitangebote durchgeführt (z.B. Fußball-turnier, Stadtteilspaziergang u.a.). Daneben wer-den Anbieter von Freizeitangeboten beraten, wieIhre Angebote inklusiv gestaltet werden können.Gleichzeitig findet aber auch eine Beratung fürMenschen mit Behinderung statt. Sie erhalten In-formationen zu Angeboten und Hilfestellung beider Wahrnehmung der Freizeitangebote. Wer mehrüber das Projekt erfahren möchte, kann das auf derInternetseite www.lebenshilfe-dortmund.de

Bei facebook informiert „Freizeit für alle“ über ak-tuelle Freizeitangebote:https://www.facebook.com/LebenshilfeDortmund

Selbstbestimmt Urlaub machen – Freizeit ohneBarrieren e.V. zeigt wie es gehen kannDer Verein Freizeit ohne Barrieren e.V. aus Pader-born unterstützt Menschen mit Behinderung dabeiIhren Urlaub so zu gestalten, wie sie es möchten.Insgesamt unterstützt ein Team aus 400 ehrenamt-lichen Begleitpersonen den Verein. Die Ehrenamt-lichen werden vom Verein geschult; z.B. imUmgang mit dem Rollstuhl oder bestimmten Er-krankungen. Die Verantwortung für eine Gruppen-reise übernimmt eine ausgebildete Reiseleitung.

Neben Gruppenreisen, können vom Verein auchEinzelreisen begleitet werden. Dabei ist es demVerein wichtig, dass der oder die Reisende und dieReisebegleitung ein gutes Team sind. Nur wennsich beide im Vorfeld der Reise kennengelernthaben und sich beide sicher fühlen, wird eineReise geplant. Die Reisebegleitung kann von pri-vaten Mitgliedern des Vereins in Anspruch genom-men werden. Informationen zum Verein gibt esunter: www.fob-paderborn.de

Marcel Thelen, Marlies und Olaf Jansen berichtetenbgeistert vom Fanclub „All inclusive“

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Die Mitglieder des Lea- Leseclubs aus Essen

Bücherliste

Der LEA-Leseclub aus Essen hat uns eine kleine Liste von Büchern zusammengestellt.Diese Bücher werden gerne im Leseclub gelesen und sind leicht verständlich oder sogarin leichter Sprache geschrieben.

„Mein allererster Märchenschatz“ von Grimm und Andersen

(Verlag ars Edition)

„Das kleine Gespenst“ von Otfried Preußler

(Thienemann-Verlag)

„Tina ist verliebt“ von Steffi Geihs

(Allitera-Verlag)

„Total verknallt“ von Kurt Wasserfall

(Verlag an der Ruhr)

„Ich bin schon wieder völlig pleite“ von Kurt Wasserfall

(Verlag an der Ruhr)

„Ziemlich beste Freunde“ von Philippe Pozzo di Borgo

(Spaß am Lesen-Verlag)

„Das Glück ist eine Katze“ von Eva Berberich

(dtv-Verlag)

„Ben liebt Anna“ von Peter Härtling

(Beltz und Gelberg-Verlag)

„Ich schenk dir eine Geschichte“

(Stiftung Lesen)

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Die Teilhabegruppe in Aachen möchte Men-

schen mit Behinderung auf dem Weg ins Ar-

beitsleben begleiten. Deshalb gab es in Aachen

eine „Azubi-Rundfahrt“ und die Möglichkeit

potentielle Arbeitgeber kennen zu lernen.

Unser “Azubi-Projekt“

Neben der Tatsache, dass die staatliche Förde-

rung von Menschen mit Handicap auf dem 1. Ar-

beitsmarkt zeitlich begrenzt ist, treten immer

wieder Vorurteile und Unsicherheiten bei poten-

ziellen Arbeitgebern auf, die speziell mit Bewer-

bungen von Menschen mit psychischem Handicap

konfrontiert sind. Das Thema psychische Erkran-

kungen ist leider noch immer ein gesellschaftliches

Tabuthema und ruft viele Ängste und Unsicherhei-

ten in den Köpfen der Menschen hervor, da anders

als bei körperlichen Handicaps, psychische Han-

dicaps oftmals nicht sofort ersichtlich sind.

Unsere Teilhabegruppenmitglieder von “Gut leben

in NRW“ kennen diese arbeitsmarktpolitischen,

gesellschaftlichen und eigenen Hürden beim Ein-

stieg in das reale Arbeitsleben nur zu gut. Sie be-

gleiten während ihrer täglichen Arbeit bei der VIA

Integration gGmbH Azubis mit psychischen Han-

dicaps und waren zum Teil früher selbst einmal

Azubis, die nach ihrer Ausbildung einen Job finden

mussten.

Bei unserem ersten Treffen in der Teilhabegruppe

stellten wir uns die Frage: Was können wir als VIA

Mitarbeiter konkret für Menschen mit psychischen

Einschränkungen im Arbeitsleben tun? Eines un-

serer Ziele war und ist es, unsere VIA Azubis auf

den ersten Arbeitsmarkt zu begleiten und eben

diese Hürden abzubauen. So starteten wir als Teil-

habegruppe unser “Azubi-Projekt“.

Das erste Treffen – die VIA Rundfahrt

Um die Azubis aus den verschiedenen VIA Ausbil-

dungsbereichen in ein Boot zu holen, planten wir

als erstes eine Rundfahrt für alle Azubis zu unse-

ren VIA Ausbildungsstandorten: Gut Hebscheid,

dem Naturkostladen in der Aachener Innenstadt

und dem Stadttheater Aachen. Somit hatte jeder

Azubi die Möglichkeit, etwas zu seiner Ausbildung

bei VIA Integration gGmbH zu erzählen und seinen

eignen Arbeitsplatz vorzustellen.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der „Azubi-Rundfahrt“

Teilhabegruppe Aachen: Menschen mit Behinderung werden auf dem Weg ins Arbeitsleben begleitet

Anschließend wird der Mixer angeworfen und alleZutaten werden zu einem Teig verrührt. Sorgfältig wird der Teig in die Muffinförmchen ge-geben und dann heißt es warten.

Während die Muffins im Ofen bräunen, unterhaltensich einige Teilnehmerinnen darüber, wie sie gernewohnen möchten. Die Wünsche hierzu sind ganzunterschiedlich: Einige möchten gerne in einemWohnheim wohnen, weil dort immer jemand in derNähe ist, wenn mal Hilfe nötig ist. Andere habennoch keine genaue Idee, wie eine passende Woh-nung für Sie aussehen kann, aber bei den Elternausziehen- das wäre schon toll. Nur, dass man daneben backen auch den Abwasch alleine machenmüsste, lässt einige skeptisch werden. „Aber dafürgibt es ja auch eine Spülmaschine“ lacht Manuela.

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Das zweite Treffen – potentielle Arbeitgeber

Im zweiten Schritt wurden alle Azubis ab dem 2.

Lehrjahr von unseren Teilhabegruppenmitgliedern

zu einem Azubi-Treffen eingeladen. Das Azubi-

Treffen der VIA-Teilhabegruppe zum Thema Arbeit

und psychische Behinderung fand auf Gut Heb-

scheid statt.

Ziel sollte es sein, gemeinsam eine Auswahl an

potentiellen Arbeitsgebern für unsere fünf Azubis,

die im Sommer 2016 ihre Ausbildung beenden, zu

treffen. Nach einem Austausch in den Kleingrup-

pen und anschließend in der Großgruppe standen

die fünf potentiellen Arbeitgeber unserer fünf bal-

digen Absolventen fest.

Als nächsten Schritt plant die Teilhabegruppe ge-

meinsam mit den Azubis für Frühjahr 2016 einen

“Aachener Arbeitgebertag“ zu veranstalten, der mit

einer Führung durch die verschiedenen Bereiche

auf Gut Hebscheid und einem anschließenden ge-

meinsamen Essen verbunden ist. Die Zutaten wer-

den von unseren Gärtner-Azubis geerntet, von

unseren Küchen-Azubis zubereitet und unseren

Gastro-Azubis serviert wird.

Wir haben die Hoffnung, dass so ersichtlich wird,

dass unsere Azubis trotz der arbeitsmarktpoliti-

schen, gesellschaftlichen und eigenen Hürden,

ganz normale Azubis sind, die unsere tägliche Ar-

beit bei VIA Integration gGmbH mit ihren ganz be-

sonderen Talenten bereichern.

Ein Beitrag von Nadia Lalee. Frau Lalee ist Sozialar-beiterin bei der Via Integration gGmbH und Modera-torin der Teilhabegruppe in Aachen.

Ein Einblick in die Arbeit als Köchin: Auszubildende Sandra (l.) und Ihre AusbilderinFrau Hecklar

Der Duft von frisch gebackenen Muffins ziehtdurch das Wohnheim an der Wasserstraße inBochum, wo sich die Teilhabegruppe trifft, dasWasser läuft einem im Mund zusammen undman kann es kaum erwarten in einen frisch ge-backenen Muffin zu beißen…

Aber bevor man die kleinen Kuchen genießenkann, muss einiges erledigt werden. Während dieEltern der Teilhabegruppe Bochum sich an diesemMittwoch dazu austauschen, wie geeigneter Wohn-raum aussehen kann, in dem Menschen mit hohemUnterstützungsbedarf leben können, backen diejungen Menschen mit Behinderung Muffins.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Gruppestellen ohne Unterstützung die Zutaten zusam-men. Wenn sichergestellt ist, dass keine Zutatfehlt, kann es losgehen: Mehl wird in eine Schüs-sel mit Schokostreuseln geschüttet, dann werdenEier, Öl und Milch zugefügt.

Teilhabegruppe Bochum: „Wenn man Wohnträume backen könnte…“

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… i n Mu f f i n för mc h e n g e fü l l t

SchokomuffinsZutaten2 Esslöffel Kakao100 g Raspelschokolade250 ml Buttermilch 250 g Mehl125 g Zucker1 Ei

80 ml Öl1 Päckchen Backpulver1 Päckchen VanillezuckerZubereitungMehl und Backpulver in eine Schüsselgeben. Ei in eine andere Schüssel auf-schlagen und mit einer Gabel verquirlen.Zucker, Vanillezucker, Öl und Buttermilchzugeben und alles miteinander verrühren.Ei-Öl-Buttermilch- Masse zum Mehl gie-ßen und miteinander verrühren. Kakaound Raspelschokolade unterheben undTeig in eine Muffinform füllen. Im vorgeheizten Backofen bei 170 Grad ca. 20-25 Minuten backen.

… u n d n a c h de m Ba c k e n d a r f

e n d l i c h p r o b i e r t we rde n .

De r Te i g w i rd g e rüh r t…

Das Rezept ist im Rahmen des Projektes „Auf eigenen Füßen stehen - Koch- und Haushaltstipps für selbststän-diges Wohnen“ des Landesverbandes für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württembergentstanden.

Auf der Internetseite: www.kochen-kann-ich-auch.de findet man dieses und viele andere Rezepte in leichter Sprache. Die rund 150 Rezepte in leichter Sprache gibt es auch als CD. Die CD kann man beim Landesverbandfür Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung Baden-Württemberg zum Preis von 7,50 Euro beziehen (5 Euro ermäßigt für Menschen mit Behinderung).

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In der Teilhabegruppe Bielefeld steht dasThema „Arbeit“ im Fokus der Treffen. Um sicheinen Überblick zu verschaffen, welche Ar-beitsmöglichkeiten es gibt, hat die Teilhabe-gruppe Kerstin Raimann eingeladen. FrauRaimann arbeitet bei proWerk in Bielefeld, inder Abteilung für ausgelagerte Arbeitsplätze.

Das Ziel von proWerk in Bielefeld ist es, Men-schen zu unterstützen auf dem Arbeitsmarktselbstbestimmt und eigenverantwortlich tätig zusein. Frau Raimann berichtete bei Ihrem Besuchder Teilhabegruppe von Ihrer Tätigkeit bei pro-Werk: Hier unterstützt und berät Sie Menschenmit Behinderung, die Interesse haben, auf einemso genannten „ausgelagerten Arbeitsplatz“ tätig zuwerden. Ausgelagerte Arbeitsplätze bieten dieMöglichkeit in einem ganz normalen Unterneh-men tätig zu werden. Eine so genannte „Job-As-sistenz“ stellt sicher, dass die Arbeit denBedürfnissen des Menschen mit Behinderung ent-spricht und ist gleichzeitig Ansprechpartner für dasUnternehmen.

Frau Raimann berichtet aus der Praxis, dass Un-ternehmen vor einer Einstellung häufig unsicherseien, wenn es darum geht, einen Praktikums-oder Arbeitsplatz bereit zu stellen, da die Arbeitge-ber oft nicht einschätzen könnten was auf Siezukommt. Unsicherheiten, wie ein Arbeitsplatz be-hinderungsgerecht gestaltet werden kann und objemand die Arbeit auch schafft, könne man ambesten ausräumen, indem Menschen mit Behinde-rung „mit dem was sie können, vor Ort überzeu-gen“, so Frau Raimann.

Dennoch sei es wichtig, dass sich Menschen mitBehinderung zum Beispiel vor Beginn eines Prak-tikums sehr genau über die Arbeit informieren, umeinschätzen zu können, ob Sie den Anforderungengewachsen sind. Frau Raimann macht in Ihrer Be-ratung auch darauf aufmerksam, dass eine Über-schätzung der Fähigkeiten zu Beginn einer Arbeitauf einem ausgelagerten Arbeitsplatz zu einer gro-ßen Enttäuschung führen kann, wenn jemandetwa auf Grund der körperlichen Einschränkungnach einigen Tagen merkt, dass die Arbeit doch zuanstrengend ist.

Frau Raimann machte jedoch Mut, etwa durch einPraktikum mal einen anderen Arbeitsbereich ken-nen zu lernen. Es gebe in Bielefeld aktuell mehrPraktikumsplätze als Interessenten.

Für die Teilhabegruppe aus Bielefeld bot der Be-such von Frau Raimann einen guten Einblick in Ar-beitsmöglichkeiten außerhalb der Werkstatt und eskonnten viele Fragen beantwortet werden.

Innerhalb der Gruppe war man sich einig über denErfolg des Treffens und so wurde der Abend in derGruppe treffend kommentiert: „Das geht hier richtigsteil in Bielefeld“.

Kerstin Raimann (hinten; Mitte) nahm sich Zeit für die Fragen der Gruppe

Teilhabegruppe Bielefeld: „Jeder soll die Möglichkeit haben, auszuprobieren, welche Arbeit zu ihm passt“

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Persönliche Assistenz kann für Menschenmit Behinderung ein selbstbestimmtes Lebenermöglichen. Aber wie sehen konkrete Erfah-rungen von Assistenznehmern und Assis-tenzdiensten aus? Um das zu erfahren, hatsich die Teilhabegruppe Expertinnen einge-laden.

Vanessa Steinert hat als Nutzerin von Assistenz-leistungen bereits unterschiedliche Erfahrungengemacht: In Köln berichtete Sie davon, dass Ihreersten Erfahrungen mit Persönlicher Assistenznicht sehr gut waren: Beim damals zuständigenDienst waren die Assistenzkräfte für ihre Bedürf-nisse nur unzureichend verfügbar und teilweisenicht zuverlässig. So fehlte das für Assistenz sowichtige Vertrauensverhältnis.

Beim Assistenzdienst 23Grad in Köln ist nun end-lich alles so, wie Vanessa Steinert es sich ge-wünscht hat: Die junge Frau konnte Ihre Wünschean die Assistenzkräfte äußern und erst dann wurdeein für sie passendes Team zusammengestellt.Dabei wurden Wünsche wie das Alter der Assis-tenzkräfte oder das Geschlecht selbstverständlichberücksichtigt.

Assistenz ersetzt keine Freundschaften, aberein Vertrauensverhältnis ist wichtigShirley Bieg, Gründerin und Geschäftsführerin desAssistenzdienstes 23Grad in Köln weiß, wie wich-tig es ist, dass sich Assistenznehmerin und Assis-tenzkraft kennen und vertrauen können. Deshalbgibt es, bevor ein Assistenzverhältnis zustandekommt, ein Treffen zwischen Assistenznehmeroder -nehmerin und den Assistenzkräften.

Entscheiden sich alle für eine Assistenz, wird einAssistenzteam mit Teamleitung zusammengestellt. Die Teamleitung stellt den Dienstplan zusammenund koordiniert, falls nötig, die Regelung für eineErsatzassistenzkraft, z.B. im Krankheitsfall.

Für Vanessa Steinert ist Persönliche Assistenzeine große Bereicherung: Sie ist viel unterwegsund kann mit Hilfe der Assistenzkräfte viele Inte-ressen wahrnehmen: Disco- und Konzertbesuchesind zusammen mit einer Assistenzkraft kein Hin-dernis mehr. Sogar Reisen hat sie schon mit As-sistenzkräften unternommen. Aber auch dieUnterstützung im Alltag ist für sie eine große Be-reicherung: Die Assistenzkräfte ersetzen VanessasArme und Beine und sie kann so leben, wie Sie essich vorstellt. Doch auch wenn die Assistenzkräftein der Wohnung sind, braucht Sie mal Momente fürsich allein. Ebenso brauchen die Assistenzgeben-den zwischendurch Pausen. In diesen Fällen kön-nen sich die Assistenzgebenden in ein Zimmer inder Wohnung zurückziehen. Sie bleiben für denNotfall für Vanessa aber per Handy erreichbar.

Falls es Probleme zwischen Assistenzkräften undAssistenznehmenden gibt, vermittelt Shirley Biegvom Assistenzdienst natürlich. In der Regel lassesich aber vieles innerhalb des Assistenzteamsselbstständig klären. Persönliche Assistenz ersetztzwar keine Freundschaften und Bekanntschaften,kann aber, wie im Fall von Vanessa Steinert, einegroße Bereicherung sein und Selbstständigkeit er-möglichen.

Vanessa Steinert (rechts) mit der Gründerin des Assistenzdienstes 23Grad, Shirley Bieg

Teilhabegruppe Köln: Erfahrungen mit Persönlicher Assistenz

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Unsere Teilhabegruppe beschäftigte sich schonlänger mit den Voraussetzungen für ein barriere-freies Leben in Krefeld. Das Hauptaugenmerkwurde dabei auf den Bereich Freizeitgestaltunggelegt. Aber auch Erledigungen des täglichen Be-darfs spielten eine Rolle. So haben wir uns dannin Gruppen aufgeteilt und unterschiedliche Orte inder Stadt aufgesucht. Im Vorfeld legten wir Bewer-tungskriterien fest und haben diese, ähnlich einerAmpel, vereinfacht dargestellt.

Die Ergebnisse daraus sind immer noch Gegen-stand unserer Arbeit und werden weiter einfließen.Direkter Handlungsbedarf wurde bei städtischenVerwaltungsgebäuden und der städtischen Bau-stellenplanung gesehen.

Dort fühlen wir uns noch zu wenig berücksichtigtund es werden zusätzliche künstliche Barrierengeschaffen, die man mit einfachen Hilfsmittelnoder einer besseren Planung umgehen könnte.Aus diesem Anlass wurde ein Brief an die StadtKrefeld verfasst. Eine Antwort steht bisher abernoch aus.

Besuch des Fachtages zum Thema Freizeitge-staltung war ein Erfolg Am 29.09.15 fand in Dortmund die Fachtagungzum Thema „Freizeit im Leben von Menschen mithohem Unterstützungsbedarf“ statt. Zu dieserFachtagung leistete die Teilhabegruppe einen Bei-trag. Herr und Frau Jansen sind Mitglieder unsererTeilhabegruppe und gleichzeitig auch Mitgliederdes ersten inklusiven Fanklubs in Krefeld. Unter-stützt von Herrn Thelen, der auch Mitglied desFanklubs ist, stellten sie diesen gemeinsam vor.

Die Idee hinter „KFC all inklusive“ ist es, fußball-begeisterte Menschen mit und ohne Behinderungzusammen zu führen und Spiele gemeinsam zusehen. Unserer Ansicht nach verbindet Sport alle.Es findet einmal im Monat ein Klubtreffen statt, wosich die Möglichkeit bietet, sich auszutauschen.Auch versuchen wir die nicht inklusiven Fanklubszu treffen, um weitere Barrieren abzubauen.

Der Tag in Dortmund war für unsere Teilhabe-gruppe ein voller Erfolg!

Teilhabegruppe Krefeld: Was wir 2015 bewegt haben und noch bewegen wollen…

Ein Beitrag von Marcel Thelen. Herr Thelen ist Mode-rator der Teilhabegruppe in Krefeld.

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Die Teilhabegruppe im Sieger- und Sauerland hatsich intensiv damit auseinandergesetzt, was In-klusion bedeutet. Die Teilnehmerinnen und Teil-nehmer haben einen Text verfasst, der für Sieausdrückt, was Inklusion bedeutet. Dieser Textsoll in mehreren Zeitungen veröffentlicht werdenund demnächst soll ein Film gedreht werden, indem der folgende Text vertont und in Gebärden-sprache übersetzt wird.

Der Text wird in leicht verkürzter Fassung hier abge-druckt.

„Dumm ist der, der Dummes tut“- So sehen wir Inklusion

Inklusion ist ein komisches Wort. Aber es bedeutetuns so viel. Inklusion sagt, wie es sein könnte. Einebunte Gesellschaft. Alle leben gemeinsam. Jeder istwillkommen. Wir finden, das hört sich toll an. Vielesmuss dafür aber noch passieren.

„Ich wünsche mir leichte Sprache überall!“ (James)

„Ich möchte gerne trotz meines Rollstuhls das Kino in

unserer Stadt besuchen!“ (Lindemann)

Inklusion startet im Kopf aber leider ist es noch nichtin allen Köpfen angekommen. Inklusion ist nicht nurdas, was man sieht, sondern wie Menschen handeln,was sie sagen und denken über Menschen mit einerBehinderung.

„Häufig braucht man viel Geld und helfende Men-

schen, damit tolle Sachen entstehen. „Mein Vermieter

hat die ganze Wohnung für mich umgebaut. Jetzt

komme ich mit meinem Rollstuhl überall hin.“

(Lindemann)

Ich habe einen tollen Arbeitsplatz auf dem ersten Ar-

beitsmarkt, aber das hat mich viel Kraft gekostet und

ich brauchte Menschen, die mir geholfen haben.“

(James)

Häufig scheint es ganz klar, dass wir (Menschen miteiner Behinderung) nach dem Besuch einer Schulein einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung ar-beiten. Wir fühlen uns dadurch ausgesondert. Wirwünschen uns mehr Möglichkeiten. Dafür brauchenwir aber mehr Wissen, z.B. Nachrichten und Ausbil-dungen in leichter Sprache.

Wir möchten keine Sozialhilfeempfänger sein. Wirwollen auch mal etwas sparen können. Wir möchtenuns nicht mehr alles gefallen lassen. Wir möchtennicht als etwas Besonderes gelten, sondern als ganznormale Menschen. Wir wünschen uns Kontakt mitMenschen, zum Beispiel bei Single-Partys oderSportvereinen, wo Menschen mit Behinderung will-kommen sind.

Wir wünschen uns ein nettes „Hallo“ und neugierigeMenschen, die Fragen stellen. Wir möchten Gemein-samkeiten entdecken, voneinander lernen, Begeg-nungen möglich machen. Es wäre toll in einer offenenStadt zu wohnen. Wir wollen mehr und sind bereit,etwas zu wagen!

Wir wollen Inklusion im Kopf starten und in die Tat um-setzen. Machst Du mit? Dann melde Dich! Wir freuenuns! Wer bei der Teilhabegruppe im Sieger- und Sau-erland mit machen möchte, kann an folgendeAdresse eine Mail schicken: [email protected]

Die Gruppe trifft sich abwechselnd in Siegen undOlpe.

Die Teilhabegruppe im Sieger-und Sauerland hat gemeinsam darüber gesprochen, was Inklusion bedeutet.

Teilhabegruppe Sieger-und Sauerland: Was Inklusion für uns bedeutet

17

"Wirklich gelungen" so lautete das Fazit der Teil-nehmer beim Selbstbehauptungsseminar in derAkademie Timmers in Soest. Über drei Stundenlernten die Teilnehmenden, wie sie sich in einer ge-fährlichen Situation wehren können. Dabei ist HerrTimmers besonders auf die individuellen Ein-schränkungen der Teilnehmenden eingegangen.Humorvoll fördernd und fordernd hat er sich derTeilnehmenden angenommen.

Alle haben sich sehr engagiert und waren konzen-triert bei der Sache.Herr Bunte als freier Journalist hat viele Fotos ge-macht und wird einen Artikel in der Zeitung veröf-fentlichen.

Interessant war die Tatsache, dass sich zu demSeminar auch Menschen ohne Behinderung (abernicht ohne Einschränkungen) angemeldet hatten.Hier dreht sich gerade der Inklusionsgedanke ein-mal um 180 Grad. Denn es scheint wohl so zu

sein, dass diese Teilnehmer hier einen wohlwollen-den, geschützten Rahmen vorzufinden hofften. Ichbin begeistert von dieser Entwicklung und sehr ge-spannt, wie das weitergehen wird.

Einen weiteren Bericht über den Kurs findenSie im Stadtanzeiger Soest in der Ausgabevom 25.11.2015. Die Ausgabe ist unterwww.stadtanzeiger-soest.de unter der RubrikE-Paper abrufbar. Die Mitglieder der Teilhabegruppe beim Selbstbe-

hauptungskurs

Menschen mit und ohne Behinderung haben im Kursgelernt, sich besser zu verteidigen.

Teilhabegruppe Soest: "Jeder kann sich wehren, auch aus dem Rollstuhl heraus"

Ein Beitrag von Michael Keeve. Herr Keeve ist Mode-rator der Teilhabegruppe in Soest.

Fotos: Klaus Bunte

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Die Neuausrichtung der Behindertenhilfe mitdem geplanten Bundesteilhabegesetz wirdAuswirkungen auf die Situation von Menschenmit hohem Unterstützungsbedarf haben. Inklu-sion braucht deshalb auch in Zukunft Ideen,Fachlichkeit und Engagement auf vielen Ebe-nen.

Das Ausbleiben der Reform der Eingliederungs-hilfe hätte gravierende FolgenDie Neuausrichtung von der institutionellen zurpersonenzentrierten Behindertenhilfe wird sichgravierend auf die Situation von Menschen mitkomplexem Unterstützungsbedarf auswirken.Menschen mit schweren und mehrfachen Behin-derungen, die umfassend und lebenslang auf Ein-gliederungshilfe angewiesen sind, können durchdie Reform einen Zuwachs an Gestaltungsmög-lichkeiten für ihr Leben, mehr Teilhabe und Selbst-bestimmung gewinnen. Sie tragen aber auch eindoppeltes Risiko. Es besteht die Gefahr einer halb-herzigen Reform, die ohne Geld und ohne eine un-mittelbare Entlastung der Eingliederungshilfeträgergestemmt werden muss. Sie tragen aber auch dasRisiko einer Eingliederungshilfe, die in ein ambu-lantes System für Menschen mit überschaubaremUnterstützungsbedarf und ein stationäres Systemfür Menschen mit hohem Unterstützungsbedarfzerfällt. Menschen mit schweren und mehrfachenBehinderungen droht, dass am Ende nur diePflege übrig bleibt. Das ist zu befürchten, wenn dieReform ausbleibt.

Das Projekt “Gut leben in NRW” greift dieThematik der Veränderung der Eingliederungs-hilfe aufMit dem Projekt „Gut leben in NRW“ greift der Lan-desverband diese Thematik auf und leistet damiteinen zukunftsweisenden Beitrag dazu, dass auch

Menschen mit schweren und mehrfachen Behin-derungen nach ihren Vorstellungen und gut ver-sorgt am Leben in unseren Städten undGemeinden teilnehmen können. Dazu werdenMenschen mit Behinderung konkret auf ihrem Wegzu gleichberechtigtem und inklusivem Leben,Wohnen und Arbeiten begleitet. Es werden Instru-mente und Methoden erprobt und Bedingungenbeschrieben, die diesen Weg ermöglichen. In zehnStädten und Kreisen sind Teilhabegruppen ent-standen, die Beispiele dafür liefern, dass niemandauf dem Weg in eine inklusive Gesellschaft zurück-gelassen wird.

Für eine inklusive Gesellschaft sind eine barriere-freie Umwelt im weitesten Sinne, rechtliche und fi-nanzielle Rahmenbedingungen und eingesellschaftliches Klima gegenseitiger Anerken-nung und Wertschätzung erforderlich. Daraus er-geben sich nicht nur die Handlungsaufträge für dieGesetzgeber auf der Bundes- und Landesebeneund die Verwaltungen des Bundes, der Länder undder Kommunen. Das sind auch die Herausforde-rungen, denen sich die Organisationen der Behin-dertenhilfe und -selbsthilfe stellen müssen.Teilhabe und Inklusion sind unteilbar. Das ist dieZielsetzung und der Auftrag für den Bundesver-band, seine Landesverbände und Orts- und Kreis-vereine, die eine besondere Verantwortung geradefür Menschen mit schweren und mehrfachen Be-hinderungen tragen.

Inklusion verwirklicht sich in der Begegnung derMenschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten undInteressen, Lebenslagen und -geschichten. Sie fin-det dort statt, wo die Menschen leben, arbeiten,ihre Freizeit verbringen. In der Gemeinde, imStadtteil, eben im Sozialraum. Es gibt nicht nurbauliche Barrieren, auch die kulturellen, kommu-nikativen und materiellen Hürden bestimmen überTeilhabe und Ausgrenzung. Fehlende Barrierefrei-heit, eine unzureichende Infrastruktur, fehlendeBegegnungsmöglichkeiten, Verarmung oder eineeinseitige Zusammensetzung der Bewohnerschaftkönnen einen Sozialraum zu einer menschenfeind-lichen Umgebung werden lassen. Es ist zynisch,wenn auf die Forderung nach Inklusion mit demHinweis auf den Sozialraum geantwortet wird.

Wie Inklusion in Zukunft gelingen kann

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Inklusion ist ein vielfältiger ProzessSo wie die Menschen von den Bedingungen ihrerUmgebung geprägt werden, so prägt die Art undWeise, wie die Menschen zusammenleben, denSozialraum. Einiges geschieht von allein, dasmeiste braucht Anstöße, Ressourcen, Unterstüt-zung, Vernetzung und Engagement.

Inklusion braucht Vernetzung, möglichst mit vie-len Akteuren im Sozialraum. Es kommt darauf an,ein Netz zu schaffen und für Menschen mit Behin-derung nutzbar zu machen, das unterschiedlicheAnbieter, allgemeine Dienstleister, reguläre Ange-bote für alle Bürger und Bürgerinnen, aber unterUmständen auch familiäre oder ehrenamtliche Un-terstützung miteinander verbindet. Entscheidendsind allein der Wille und das Interesse des behin-derten Menschen und seiner Familie.

Inklusion braucht Barrierefreiheit im Sinne desZugangs zu den Ressourcen und Angeboten, dieallen Bürgern und Bürgerinnen zugänglich sind.

Inklusion braucht neue Ideen und Konzepte

beim Wohnen, in Sport, Bildung, Freizeit, Kultur,Arbeitswelt, Alltag und Kommunikation.

Inklusion braucht Fachlichkeit. Das heißt behin-dertenspezifische Kenntnisse müssen in die inklu-siven Zusammenhänge der Regelversorgung, indie Kindertagesstätten, Schulen, ins Gesundheits-wesen oder in die Arbeitswelt getragen werden.

Inklusion braucht Begegnung in Kultur,

Sport, Freizeit und Alltag. Dazu müssen An-lässe nach Möglichkeit mit langfristiger Perspek-tive geschaffen werden. Gemeinsame Ferien-und Freizeitaktivitäten, Sport-, Bildungs- und Kul-turveranstaltungen können solche Orte der Be-gegnung werden.

Inklusion braucht Empowerment. BehinderteMenschen und ihre Angehörigen müssen darin un-terstützt werden, ihre Interessen wahrzunehmen,Vorstellungen über ihr Leben zu entwickeln undumzusetzen. Menschen mit Behinderung brau-chen die Befähigung, die Ressourcen im Gemein-wesen für sich zu nutzen. Befähigung heißtBildung, nach Möglichkeit in den üblichen Lebens-zusammenhängen und gemeinsam mit anderen.

Inklusion braucht Veränderung der bestehen-

den Einrichtungen und Angebote der Behin-

dertenhilfe, die so weiterentwickelt werdenmüssen, dass sie separierende Tendenzen über-winden.

Um die Gesellschaft wirksam weiterentwickeln zukönnen, brauchen wir auch in Zukunft die Leiden-schaft und die Phantasie von Eltern behinderterKinder, den Willen und den Mut behinderter Men-schen, das Engagement von Fachkräften und dieVerantwortung vieler, möglichst aller Bürgerinnenund Bürger. Wir werden auch in Zukunft mit Ihnenan den gemeinsamen Zielen arbeiten. Vertrauens-voll, mit hohem Respekt und großer Wertschät-zung werden wir mit Ihnen um die bestenLösungen für Menschen mit Behinderung und ihreFamilien ringen.

Helga Kiel, Vorsitzende des Bundesverbandes fürkörper- und mehrfachbehinderte Menschen e.V.

Ein Beitrag von Helga Kiel. Frau Kiel ist Berufsschul-lehrerin und Mutter dreier Kinder, von denen zwei miteiner Behinderung leben. Sie ist Vorsitzende des Bun-desverbandes für körper-und mehrfachbehinderteMenschen e.V.

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Nach Abschluss des Beteiligungsverfahrensund der Veröffentlichung des Abschlussberichts(www.gemeinsam-einfach-machen.de) am14.07.2015 wird im Bundesministerium für Arbeitund Soziales an der Konkretisierung des Bundes-teilhabegesetzes (BTHG) gearbeitet. Begleitet wirddiese Arbeit von zwei Arbeitsgruppen, die in ge-trennten Sitzungen jeweils die gleiche Tagesord-nung und die gleichen Vorlagen des Ministeriumsberaten. Eine sogenannte Fachexpertengruppesetzt sich aus den Beauftragten des Bundes undder Länder für die Belange behinderter Menschenund Vertretern der Verbände der Behindertenhilfeund -selbsthilfe zusammen. An der zweiten, derLänder-AG, nehmen neben Vertretern aus allenBundesländern die Kommunalen Spitzenverbändeund die BAGüS teil. Die beiden Sitzungen derFachexpertengruppe, an denen der bvkm beteiligtwar, fanden am 15.07. und 23.09.2015 in Berlinstatt. Grundzüge der neuen Eingliederungshilfewurden erkennbar, aber auch eine Reihe offenerFragen.

Das BTHG wird als Teil 2 ins SGB IX integriert.Das Schwerbehindertenrecht, heute Teil 2, rücktnach hinten. Behinderung wird für alle Rehabilita-tionsträger im 1. Teil des SGB IX definiert und derZugang zu der (neuen) Eingliederungshilfe aufPersonen eingeschränkt, die aufgrund einer Be-hinderung wesentlich in ihrer Teilhabe beschränktsind. Der Personenkreis wird sich weitgehend mitdem der heutigen Bezieher der Eingliederungshilfedecken. Das Zugangskriterium „drohende Behin-derung“ soll erhalten bleiben.

Die Zuständigkeitsklärung soll für alle Rehaträ-ger einheitlich in einem weiterentwickelten und ge-schärften § 14 SGB IX geregelt werden. KommenLeistungen mehrerer Rehaträger in Frage, koordi-

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niert der zuständige Leistungsträger die Bedarfs-

feststellung und erlässt einen Gesamtbescheidauch für andere Leistungsträger, soweit er berech-tigt ist, Leistungen der gleichen Leistungsgruppenach § 5 SGB IX zu erbringen. Doppelbegutach-tungen sollen so vermieden werden und die leis-tungsberechtigte Person soll es nur mit einemAnsprechpartner zu tun haben. Es gibt erheblicheZweifel, dass alle Rehaträger dies widerstandslosakzeptieren werden. Erwogen wird, für die Teilha-beleistungen der Eingliederungshilfe zusätzliche,verbindliche Regeln zu schaffen.

Nach den Vorstellungen des BMAS soll es einequalitative Unterscheidung zwischen Fachleistun-

gen und Assistenzleistungen im Sinne einerÜbernahme von Handlungen für den Menschenmit Behinderung geben. Dies soll auch vergü-tungstechnisch im BTHG geregelt werden. Derbvkm setzt sich dafür ein, dass Leistungen zur Teil-habe sowohl in der vollständigen oder teilweisenÜbernahme von Handlungen zur Alltagsbewälti-gung oder Begleitung des Menschen mit Behinde-rung, als auch in der Befähigung des Menschenmit Behinderung zu einer eigenständigen Alltags-bewältigung bestehen können. Eine gesetzlicheUnterscheidung nach hoch- und weniger hochwer-tigen Leistungen erscheint nicht zielführend. Deroffene Leistungskatalog der Eingliederungshilfebleibt erhalten.

Durch das Budget für Arbeit und „Alternative An-bieter“ sollen die Leistungen zur Teilhabe am

Arbeitsleben flexibilisiert werden und zukünftigauch außerhalb der WfbM möglich sein. Zur De-ckung des zusätzlich durch die Personenzentrie-rung entstehenden Beratungsbedarfs will dasBMAS ein Bundesprogramm zur flächendecken-den und dauerhaften Finanzierung von Beratungs-stellen auflegen. Dies soll qualitätsgesichert undin enger Abstimmung mit den Ländern erfolgen,um vorhandene Strukturen zu stärken. Die Bera-tung soll parteilich für den Menschen mit Behinde-rung sein und das Peer-Prinzip berücksichtigen.

Die Trennung von Fach- und Existenzsiche-

rungsleistungen ist eine wesentliche Vorausset-zung für die Personenzentrierung beim Wohnenund gehört damit zu den Kernelementen der Re-form. Daran ist die Erwartung geknüpft, mehr Ent-scheidungsmöglichkeiten für den Einzelnen undpassgenauere individuelle Leistungsgestaltung zuermöglichen und vorrangige Leistungsträger wie

Neues aus der Werkstatt des Bundesteilhabegesetzes

Norbert Müller-Fehling, Geschäftsführer beimBundesverband für körper-und mehrfachbehin-derte Menschen e.V.

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gebote zu einem neuen „Mehrkostenvorbehalt“führt und damit das Wahlrecht einschränkt.

Beim Leistungserbringer- und Vertragsrecht

soll es, begrenzt auf die Teilhabeleistungen, beidem Dreiecksverhältnis zwischen Leistungsbe-rechtigtem, Leistungsträger und Leistungserbrin-ger bleiben. Zur Sicherstellung der Qualität undWirksamkeit sollen den Leistungsträgern mehrSanktionsmöglichkeiten an die Hand gegebenwerden. Im Unterschied zum geltenden Recht sol-len sowohl die Vergütungs- als auch die Leistungs-vereinbarung schiedsstellenfähig werden. DasVergaberecht soll keine Anwendung finden.Bei der Frage, ob Dienstleistungen von Leistungs-erbringern, mit denen keine Leistungsvereinba-rung besteht, aus einem Persönlichen Budgetgezahlt werden können, gibt es nach wie vor un-terschiedliche Auffassungen zwischen dem Minis-terium und den Verbänden. Hier besteht weiterhinKlärungsbedarf, der seinen Niederschlag im BTHGfinden muss.

Die bestehende Kosten- und Unterhaltsheran-

ziehung für die Teilhabeleistungen soll von einemBeitragssystem abgelöst werden. Wie z.B. bei denKindergartenbeiträgen löst ein bestimmtes Ein-kommen einen Kostenbeitrag, unabhängig von derHöhe der tatsächlichen Kosten, aus. Zugrundege-legt wird der Einkommensteuer- bzw. der Renten-bescheid. Dieses Konzept hat zur Folge, dassEltern nicht mehr zu den Teilhabeleistungen (z.Z.31,07 €) herangezogen werden. Das soll sichauch auf minderjährige Leistungsberechtigte be-ziehen. Die Kosten- und Unterhaltsheranziehungfür die existenzsichernden Leistungen bleiben un-verändert.

Der bvkm setzt sich dafür ein, dass für minderjäh-rige Leistungsberechtigte die häusliche Ersparnisbei sogenannten privilegierten Leistungen (z.B.Schulinternat) erhalten bleibt. Die Vermögensfrei-grenzen sollen so angepasst werden, dass An-sparbeträge, z.B. zur Alterssicherung, möglichwerden. Es soll sichergestellt werden, dass dieVerbesserungen bei der Einkommens- und Vermö-gensheranziehung bei gleichzeitigem Bezug vonHilfe zur Pflege nach dem SGB XII nicht einkas-siert werden, Zahlen sind noch nicht bekannt.

Sehr vage Vorstellungen bestehen in Bezug aufdie Schnittstelle zwischen Eingliederungshilfe

und Pflege. Das BMAS setzt offensichtlich aufeine klare Abgrenzung von gegenwärtigen und zu-künftigen sozialen Betreuungsleistungen der Pfle-geversicherung von den Teilhabeleistungen durcheine eindeutige Definition der Pflegeversiche-

die Pflege- und Krankenversicherung stärker inAnspruch zu nehmen. Sie ist auch eine Vorausset-zung dafür, dass sich die Kostenheranziehung fürTeilhabeleistungen ändern kann.

Das Referenzsystem für die zukünftige Leistungs-gestaltung ist das System des ambulant betreutenWohnens. Nun ist allen Beteiligten klar, dass diephysisch existierenden Wohneinrichtungen vonheute auch morgen noch von Menschen mit Be-hinderung bewohnt werden. Sie sind ihre Heimat,in der sie ihre sozialen Bezüge haben und in dersich die meisten wohlfühlen. Nach den Vorstellun-gen des BMAS sollen die heute stationären Ein-richtungen, soweit sie nicht in klar abgegrenzteWohneinheiten umgewandelt werden können, als„gemeinschaftliche Wohnformen“ weitergeführtwerden. Auch hier sollen die existenzsicherndenLeistungen des Lebensunterhalts und der Unter-kunft einschließlich der Heizung, nach den Regelndes vierten Kapitels des SGB XII geleistet werden,während die Fachleistungen zur Teilhabe nachdem BTHG erbracht werden.

Bedarfe, die mit den Sätzen der Regelbedarfsstufeund der maßgeblichen Mehrbedarfe nicht gedecktwerden können, sollen als Teilhabeleistungennach dem BTHG erbracht werden. Für die Kosten

der Unterkunft und der Heizung wird ein Durch-schnittsbetrag aus den Wohnkosten im ambulantbetreuten Wohnen gebildet, der den existenzsi-chernden Leistungen zugeordnet wird.

Übersteigen die Wohnkosten diesen Betrag, wer-den sie im Einzelfall als Teilhabeleistung erbracht.Der zusätzliche Barbetrag und die Bekleidungs-pauschale gehen in der Regelbedarfsstufe auf.Um verfügbare Mittel für den persönlichen Bedarfdes Einzelnen zu gewährleisten, soll das vomTräger der Wohneinrichtung bereitgestellte Ge-samtpaket der existenzsichernden Leistung sobegrenzt werden, dass ein frei verfügbarer Betragübrig bleibt. Nach der vorgestellten Systematikwürden dann die ungedeckten Kosten des Trägersder Wohneinrichtung zu Leistungen der neuen Ein-gliederungshilfe werden. Ein nicht unerheblichesRisiko für behinderte Menschen besteht darin,dass der Bedarf nicht vollständig erfasst wird und,dass ein Verweis auf kostengünstigere Wohnan-

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rungsleistungen. Der bvkm hält diesen Ansatz fürnicht praktikabel und nicht im Interesse der Bezie-her von Betreuungsleistungen nach dem SGB XI.

Die begrenzten Mittel der Pflegeversicherung kön-nen nur dann die Pflegesituation verbessern undunterstützen, wenn sie flexibel und bedarfsgerechteingesetzt werden können. Eine abgrenzende De-finition entwertet diese Leistungen.

Die zweite Phase des Beteiligungsprozesses istdamit beendet. Die Fachverbände für Menschenmit Behinderung, zu denen auch der bvkm gehört,haben zum Abschluss dieser Phase der Erarbei-tung des BTHG detaillierte Stellungnahmen zuallen Fragen erarbeitet und dem Bundesministe-rium zugeleitet. Die Sammlung ist sehr empfeh-lenswert und auf der Internetseite derFachverbände www.diefachverbaende.de zu fin-den.

Eine neue ernstzunehmende Baustelle wird zurzeitmit der „Inklusiven Lösung“ eröffnet. Unter dieserÜberschrift wird die Zusammenführung der Leis-tungen für alle Kinder und Jugendlichen mit Behin-derung unter dem Dach des SGB VIII geführt undlöst damit das Bemühen um die sogenannte„Große Lösung“ ab. Durch die erkennbare Ab-kopplung des Themas vom BTHG-Prozess unddas kleiner werdende Zeitfenster für große Geset-zesvorhaben war dieses Vorhaben aus dem Blickgeraten. Das Tempo und die Konkretion, mit denendie „Inklusive Lösung“ nun vom BMFSFJ und derKinder- und Jugendhilfe betrieben wird, überrasch-ten.

Durch die Verknüpfung der Zusammenführung derLeistungen für alle Kinder und Jugendlichen miteiner umfassenden Reform des SGB VIII, das indiesem Jahr 25 Jahre wurde, hat das Vorhabeneine neue Heimat gefunden. Wesenskern der Re-form ist ein Ansatz, der vom Kind und dem Unter-stützungsbedarf für seine Teilhabe undEntwicklung ausgeht. Es geht nicht mehr nur umdie Zusammenführung der Leistungen der Einglie-derungshilfe und der Hilfe zur Erziehung, sondernum eine inklusive Weiterentwicklung der Kinder-und Jugendhilfe. Dieses Vorhaben wirft ähnlichviele Fragen auf. Die Verbände fordern dahereinen ähnlichen Beteiligungsprozess wie beimBundesteilhabegesetz.

Die 92. Arbeits- und Sozialministerkonferenz hatam 18. und 19.11.2015 in Erfurt noch einmal ihrFesthalten an dem Reformvorhaben bekräftigt. www.asmkintern.rlp.de/beschluesse/2015-92-asmk/Sie fordern die Stärkung von Autonomie und

Selbstbestimmung der auf die Eingliederungshilfeangewiesenen Menschen. Sie fordern auch Ge-staltungsmöglichkeiten für die Länder und die Träger der Eingliederungshilfe. Leistungsverbes-serungen sollen durch das Heben von Wirtschaft-lichkeits- und Qualitätsreserven über verbesserteStruktur- und Fallsteuerung ermöglicht werden.Die Ausgabenentwicklung soll nachhaltig ge-dämpft und neue Ausgabendynamiken sollen ver-mieden werden. Neue Leistungen und Strukturen,z. B. bei der Beratung, sollen vom Bund bezahltwerden.

Seit dem die im Koalitionsvertrag mit der Reformder Eingliederungshilfe verknüpfte Entlastung derEingliederungshilfeträger in Höhe von 5 Mrd. Euroeinen anderen Weg in die kommunalen Haushaltegefunden hat, ist das Interesse an der Reform er-kennbar zurückgegangen. Die Gestaltungsspiel-räume sind ohne Geld sehr eingeschränkt und dieRisikobereitschaft für eine grundlegende Reformbei den Leistungsträgern, die nun nicht um einDrittel Ihrer Kosten entlastet werden, nicht sehrgroß. Vieles deutet darauf hin, dass der Bund sicheher auf eine schlanke Reform ausrichtet und denLändern größere Spielräume für die Ausgestaltungder Reform eröffnet.

Der Referentenentwurf zum Bundesteilhabegesetzwird in der Woche nach den Landtagswahlen inRheinland-Pfalz und Baden Württemberg am13.03.2016 erwartet. Das Bundeskabinett soll am04.05.2016 über den Gesetzentwurf entscheiden.Danach wird das parlamentarische Verfahren er-öffnet. Bis dahin werden zu einzelnen Fragen wei-tere Gespräche geführt. An der Verabschiedungdes BTHG noch in dieser Legislaturperiode wirdfestgehalten. Das Gesetz soll am 31.12.2016 imBundesgesetzblatt veröffentlicht werden.

Ein Beitrag von Norbert Müller-Fehling. Herr Müller-Fehling ist Geschäftsführer beim Bundesverband für körper-und mehrfachbehinderte Menschen e.V.

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Menschen mit Behinderung haben Anspruch aufPersönliche Assistenz, wenn dadurch die Behin-derung oder deren Folgen gemildert werden kön-nen. Persönliche Assistenz soll die selbstständigeLebensgestaltung und die Teilhabe am gesell-schaftlichen Leben ermöglichen und kann in unter-schiedlichen Lebensbereichen erfolgen. Zum Beispiel:

- Assistenz im Studium/am Arbeitsplatz- Assistenz im Bereich Wohnen/Alltagsgestaltung

Freizeitassistenz

Aufgaben persönlicher Assistenz richten sich nachdem individuellen Unterstützungsbedarf. Assis-tenzleistungen im Bereich Freizeitgestaltung kön-nen beispielsweise sein:

- Begleitung bei Veranstaltungen wie z.B. Kino/Theater/Sportveranstaltung

- Unterstützung bei Ausflügen

Welcher Kostenträger für die Finanzierung vonAssistenzleistungen zuständig ist, hängt von derUrsache der Behinderung und der Art der Unter-stützungsleistung ab.

Für Leistungen der Freizeitassistenz ist in derRegel das Sozialamt zuständig. Sozialhilfe istgrundsätzlich einkommens- und vermögensab-hängig. Für Eltern volljähriger Kinder mit Behinde-rung gilt aber eine Sonderregelung: Sie müssenlediglich einen pauschalen Kostenbeitrag von32,08 Euro pro Monat für die Freizeitassistenz leis-ten.

Was sind Leistungen zur (Freizeit-)Assistenz und wo bekommt man sie?

Impressum

Landesverband für Menschen mit Körper- und Mehrfachbehinderung NRW e.V.

Brehmstraße 5-7 40239 DüsseldorfTelefon 0211 [email protected]

Kontakt

Projekt: “Gut leben in NRW”Ansprechpartnerinnen: Julia Ohmes und Doro [email protected]

Wir danken Anne Leichtfuß für die Übersetzungen in leichte Sprache und Sara Kuroczikfür Layout und Gestaltung des Heftes. Titelbild: Mitglieder der Teilhabegruppe Krefeld

2. AusgabeJanuar 2016