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M. Graf ] C. Grill ] H.-D. Wedig ] (Hrsg.) Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule »HWS-Schleudertrauma«

M. Graf C. Grill H.-D. Wedig (Hrsg.) · 2013-07-19 · M. Graf C. Grill H.-D. Wedig (Hrsg.) Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule »HWS-Schleudertrauma« Mit einem Geleitwort

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M. Graf � C. Grill � H.-D. Wedig � (Hrsg.)

Beschleunigungsverletzung der Halswirbelsäule»HWS-Schleudertrauma«

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M. Graf C. Grill H.-D. Wedig (Hrsg.)

Beschleunigungsverletzungder Halswirbelsäule»HWS-Schleudertrauma«

Mit einem Geleitwort von Dietrich Grönemeyer

Mit Beiträgen von

H. Baltin, S. Baumann, B. Baviera, P. O. Behan, H.-K. Beyer, N. Biasca, N. Bogduk,P. Böhm, E. Bölke, K. Brieter, G. Bring, J. Bring, A. Chaudhuri, M. P. Coe,M. Curatolo, G. Dannert, T. Egner, U. Ehlert, J.M. Elliott, A. Ernst, H. Etzrodt,M. Frank, H. Friedburg, K. Fruth, J. Gaab, W. Gauß, H. Gelb, M. Graf,M. van Griensven, E. Hartwig, P. Henning, P. Henningsen, J.-B. Huber,M. Hülse, S. Ito, P. C. Ivancic, L. Jaeger, B.H. Johansson �, W. Kaiser, P. Kehr,H. Keller-Wossidlo, A. Kettler, H. Kraemer, M. Kramer, O. E. Krasney, R. Krücker,B. Kügelgen, P. Kuhn, W. Laubichler, B. Losert-Bruggner, D. Marincic, H. Merskey,A. Möllering, J. Naxera, A. B. Ndu, W. Neuhuber, U. Oppel, K. Orth, A. Otte,M.M. Panjabi, M. Peiper, M. Richter, E. Riederer, W. Rubin, K. Schaumberger,P. Schmidt, M. Schneider, P. Schöps, H.-P. Schwintowski, J. Senn, F. Singbartl,M. E. Sluijter, M. B. Sterman, T. Stokke, K. Takagi, S. Tempelhof, Y. Tominaga,D. Ungerer, A. J. Valenson, R. Verhasselt, E. Volle, H.-D. Wedig, H.-J. Wilke,G. Zahner

Mit 84 überwiegend farbigen Abbildungen

in 130 Einzeldarstellungen und 28 Tabellen

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Dr. med. Michael Graf

Gartenfeldstraße 654295 Trier

Christian Grill

Grasslergasse 183486 Ramsau

Hans-Dieter Wedig

Ass. jur., Kanzlei Dr. W.G. SchmidtBahnhofstraße 2187527 Sonthofen

ISBN 978-3-7985-1837-7 Steinkopff Verlag

Bibliografische Information Der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, desNachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmungoder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch beinur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder von Teilen dieses Werkes istauch im Einzelfall nur in den Grenzen der gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundesrepub-lik Deutschland vom 9. September 1965 in der jeweils geltenden Fassung zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungs-pflichtig. Zuwiderhandlungen unterliegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes.

Steinkopff Verlagein Unternehmen von Springer Science+Business Media

www.steinkopff.com

© Steinkopff Verlag 2009Printed in Germany

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auchohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Mar-kenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Produkthaftung: Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewährübernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literatur-stellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden.

Planung und Redaktion: Dr. med. Gertrud Volkert, Petra ElsterHerstellung: Klemens SchwindUmschlaggestaltung: Erich Kirchner, HeidelbergSatz: K+V Fotosatz GmbH, BeerfeldenDruck und Bindung: Stürtz GmbH, Würzburg

SPIN 12327072 105/7231-5 4 3 2 1 0 – Gedruckt auf säurefreiem Papier

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Geleitwort

Verletzungen der Halswirbelsäule nach Beschleunigungstraumata stellen angesichts derhohen Verkehrsdichte vor allem in Industrieländern ein erhebliches medizinisches undrechtliches Problem dar. Weichteilverletzungen der Halswirbelsäule (HWS) durch Be-oder Entschleunigungstraumata werden seit Jahrzehnten im In- und Ausland kontroversdebattiert.

Eine bei dieser Verletzungsform spezifische Schwierigkeit scheint in der Diskrepanzzwischen der Vielzahl an gesundheitlichen Beschwerden und den in der Vergangenheitmeist nur spärlich zu findenden objektivierbaren Körperschäden zu liegen.

Nach offiziellen Angaben des ADAC ereignen sich pro Jahr in Deutschland etwa 4,5–5Millionen Verkehrsunfälle, wobei davon ca. 10% Personenschäden zur Folge haben.Hiervon werden etwa 90%, also immerhin ungefähr 400.000 Menschen, an der Halswir-belsäule verletzt. Während die Zahl der Verkehrstoten insgesamt rückläufig ist, steigt dieZahl der HWS-Verletzten stetig an. Ursache hierfür sind die immer härter werdendenund somit unelastischer reagierenden Fahrzeugsitze und die Konstruktion von immerunnachgiebigeren Stoßstangen. Unabhängig hiervon treten noch unzählige HWS-Verlet-zungen aus Unfällen außerhalb des Straßenverkehrs auf.

Für etwa 60–70% der Betroffenen wird eine günstige Prognose gestellt. Sie werdentatsächlich innerhalb einiger Wochen beschwerdefrei. Erhebliche Probleme bereitet al-lerdings eine größere Zahl von Unfallgeschädigten, bei denen die Beschwerden oft einLeben lang zurückbleiben und bei denen die langwierigen Symptome häufig in keinenkausalen Zusammenhang gestellt werden. Diese Patienten erleiden häufig eine medizi-nische, versicherungstechnische und juristische Odyssee, bei der die Betroffenen häu-fig keine Anerkennung ihres Leidens finden, immer wieder als Simulanten diskredi-tiert werden und dabei oft längere soziale und finanzielle Benachteiligungen in Kaufnehmen müssen.

In dem vorliegenden Sammelwerk werden durch international ausgewiesene Exper-ten der neueste Forschungsstand, das aktuelle Wissen und die Lehrmeinungen aufdiesem kontrovers diskutierten Gebiet dargestellt. Dabei werden in einem interdiszipli-nären Ansatz medizinische, verletzungsmechanische und juristische Fragestellungenvon anerkannten Fachleuten diskutiert.

Ziel ist es dabei, Versicherungen, Anwälte, Ärzte und Betroffene in einen gemein-samen Dialog zu bringen, um konstruktive Lösungen für die beschriebene Problema-tik aufzuzeigen.

Das vorliegende Buch richtet sich primär an Ärzte, Juristen und Versicherungsfach-leute, dürfte aber auch für Betroffene durch die vorliegenden Behandlungsempfehlun-gen von großem Interesse sein.

Da Folgen nach HWS-Distorsionen therapeutisch meist sehr schwer zugänglichsind, werden im vorliegenden Werk Erfolg versprechende Therapieansätze erörtert.

Ich wünsche dem Buch eine hohe Akzeptanz und Verbreitung, um letztendlich al-len Betroffenen eine wirklich klare und zielführende, sinnvolle, diagnostische undtherapeutische Perspektive zu ermöglichen und ihnen in Zukunft einen oftmals lan-gen Leidensweg zu ersparen.

Bochum, im Sommer 2008 Univ. Prof. Dr. Dietrich Grönemeyer

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Vorwort

Im Jahr 2006 gab es in Deutschland 2.235.318 Verkehrsunfälle, davon 327.984 Unfäl-le mit Personenschaden. Hierbei gab es 422.337 Schwer- und Leichtverletzte [10].Konkrete Zahlen, wie viele Personen an der Halswirbelsäule verletzt wurden, liegennicht vor. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre dürfte es sich hierbei je-doch um die Hälfte der Verletzten handeln. HWS-Beschleunigungsverletzungen tre-ten überwiegend nach Autounfällen auf (in mehr als 90% der Fälle). Die Inzidenzvon HWS-Beschleunigungsverletzungen nach Auffahrunfällen dürfte – je nach Lite-raturstelle – zwischen 70 und 106 pro 100.000 Einwohnern und Jahr liegen.

Die Nomenklatur ist uneinheitlich und oft verwirrend. Der Verletzungstyp ist1928 erstmals von Crowe geschildert und als „Whiplash Injury“ (whiplash für Peit-schenschlag) beschrieben worden [1]. Crowe selbst hat aber später klar gestellt,dass diese Bezeichnung nur den Verletzungsmechanismus bezeichnen sollte, nichtdie Verletzung selbst [2]. Den nächsten Meilenstein haben Gay und Abbot, ein eng-lischer Chirurg und ein englischer Psychiater, 1954 gesetzt [6], die auch die Be-zeichnung „whiplash“ gewählt haben. In Deutschland ist man sich darüber einig,dass Begriffe wie „Schleudertrauma“, „Beschleunigungsverletzung“ etc. nur den Ver-letzungsmechanismus bezeichnen. Die Verletzung wurde früher hauptsächlich als„Distorsion“ bezeichnet, bis die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Trauma-tologie den Begriff „zervikozephales Syndrom nach Beschleunigungsverletzung“eingeführt hat (als zervikozephales Syndrom in der ICD-10 unter M 53.0 klassifi-ziert). Im englischsprachigen Raum wird weiter der Terminus „whiplash“ gebraucht;nach der Quebec Task Force werden die Verletzungsfolgen als „Whiplash AssociatedDisorders“ (kurz: WAD) bezeichnet [9]. Dieser Begriff wird auch teilweise in derSchweiz verwandt. Dort wird aber der Begriff „Schleudertrauma“ nicht nur für denVerletzungsmechanismus, sondern auch für die Verletzung selbst als Diagnose ge-braucht. Man spricht dort teilweise von akutem bzw. chronischem Schleudertrauma.In Österreich scheint der Begriff „Peitschenschlagverletzung“ nach wie vor ge-bräuchlich zu sein. Die unterschiedliche, von den jeweiligen Autoren verwandte Ter-minologie wurde in diesem Buch beibehalten.

Nicht nur das Problem als solches, sondern auch der Versuch, dieses Problemsin der Wissenschaft Herr zu werden, ist aber erheblich älter als die Arbeiten vonCrowe. Erste wissenschaftliche Untersuchungen zu posttraumatischen Wirbelsäulen-verletzungen stammen bereits aus dem vorletzten Jahrhundert anhand von Eisen-bahnunfällen. Damals nannte man diese Verletzungen „railway spine“ [5]. InDeutschland Furore gemacht hat ein Buch des Chirurgen und Radiologen Erdmann[4]. Die von Erdmann entwickelte Schweregradtabelle wurde über Jahrzehnte undauch heute teilweise noch in Gutachten herangezogen, um retrospektiv Aushei-lungszeiten nach einer Beschleunigungsverletzung zu bestimmen. Wenn manHandbücher zur Begutachtung außer Acht lässt, dürfte diese wohl überwiegend alsobsolet betrachtet werden (vgl. die Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Unfall-chirurgie, DGU [3]). Insgesamt ist die Literatur zum Buchthema inzwischenunüberschaubar. Die häufig zitierte Quebec Task Force (QTF) von 1995 hat über

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� VorwortVIII

10.000 Arbeiten zu diesem Thema ausgewertet und 62 Arbeiten als dem wissen-schaftlichen Standard entsprechende Arbeiten bewertet [9]. Dass auch die Studieder QTF methodologisch durchaus angreifbar ist, zeigt die Arbeit des KanadiersMerskey in diesem Buch. Inzwischen ist sicher eine vierstellige Zahl von Veröffent-lichungen hinzugekommen.

Warum also im Jahr 2008 (noch) ein Buch zum Thema „Schleudertrauma“?

Diese Frage beantwortet sich fast von allein, wenn man die eingangs genanntenZahlen einerseits betrachtet und andererseits verfolgt, wie in der einschlägigen Lite-ratur oft die Meinungen zu einzelnen Themen auseinanderdriften. Auch muss dieFrage erlaubt sein, weshalb bei einem immer noch großen Teil der Verletzten alleüber Jahre währenden Therapieversuche keinerlei Erfolge zeigen; weshalb so vieleGeschädigte nach einem Unfall mit HWS-Beteiligung aus dem Erwerbsleben aus-scheiden müssen und ihre Lebensqualität massiv reduziert ist.

„Die Schleuderverletzung ist ein z.Z. noch mangelhaft bewältigtes Problem: Die kli-nische Bewertung des anfänglichen Verletzungsbefundes ist umstritten, die Begut-achtung der späteren Unfallrückstände erschwert, vor allem, weil man sich hier mitröntgenologischen Mitteln nur wenig Auskunft vermitteln kann.“ [4]

Mit diesen Worten wurde vor nunmehr 35 Jahren die Schrift von Erdmann eingelei-tet. Wenn man die bis heute veröffentlichte Literatur liest, könnte man den Ein-druck gewinnen, dass hier nur wenig Fortschritt zu verzeichnen ist. Auch wenn wirheute noch weit davon entfernt sind, alle Fragen um das „Schleudertrauma“ beant-worten zu können, ja bis heute nicht einmal hinlänglich geklärt ist, was bei diesemVerletzungsmechanismus eigentlich passiert, warum die meisten Verletzungen aus-heilen, jedoch ca. 20% der Patienten in einen chronischen Verlauf einmünden, sosoll dieses interdisziplinäre Buch in allen relevanten Teilbereichen wenigstens einenLösungsversuch bieten.

Die in der Literatur vertretenen Meinungen sind nach wie vor äußerst kontro-vers. So wird z.B. sehr oft eine Arbeit zitiert, mit der belegt werden soll, dass dort,wo es keine Haftpflichtversicherungen, also für Verletzungen auch keine Entschädi-gung gibt, HWS-Verletzungen nach einem Unfall nicht auftreten sollen. Teilweisewird auch auf ein Buch verwiesen, in dem ausführlich dargelegt wird, dass „Whip-lash“ nichts Anderes ist als Ausfluss von Simulation oder Aggravation, also grund-sätzlich in die Nähe von Versicherungsbetrug gestellt wird („Whiplash and otheruseful illnesses“ = Schleudertrauma und andere hilfreiche Krankheiten). Nicht nurin Fachbüchern (wie im Jahr 2007 in einer Festschrift für einen Generalbundes-anwalt), sondern auch in der Laienpresse [8] wird das genannte Buch – zustim-mend – zitiert. Es erschien den Herausgebern daher geboten, das internationalexistente Wissen zu diesem Thema zusammenzutragen und die einschlägig tätigenWissenschaftler – jeweils zu ihrem Thema – zu Wort kommen zu lassen.

Die Zahlen in der Literatur darüber, in wie viel Fällen die Folgen einer Beschleu-nigungsverletzung ausheilen, divergieren. Selbst wenn man die günstigste in der Li-teratur genannte Prognose zugrunde legt, wonach in 80% der Fälle mit einer voll-ständigen Ausheilung in wenigen Wochen, höchstens in einigen Monaten, zu rech-nen ist (es gibt auch weit ungünstigere Studien), verbleiben immerhin noch 20%der Fälle mit Dauerfolgen, die eben nur sehr verzögert oder gar nicht ausheilen.Dies ist nach Auffassung der Herausgeber Grund genug, die Frage zu stellen, obund gegebenenfalls wie dieses Phänomen erklärt werden kann, welche diagnosti-schen Verfahren zum Nachweis und welche Therapiemöglichkeiten es heute gibt.

Die Herausgeber haben sich dabei bemüht, alle relevanten Experten, alle relevan-ten Meinungen zu Wort kommen zu lassen und alle Bereiche, in denen „Schleuder-trauma“ eine Rolle spielt, abzudecken. Neben vielen Fachleuten aus dem deutschenSprachraum konnten auch zahlreiche ausländische Autoren aus der Schweiz, Öster-

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Vorwort � IX

reich, den Vereinigten Staaten von Amerika, Kanada, Australien, Skandinavien,Frankreich, Belgien und Japan gewonnen werden.

Das „zervikale Syndrom nach Beschleunigungstrauma“ stellt ein medizinischesund/oder ein psychologisches Problem dar. Diesen Fragestellungen ist der größteTeil des Buches gewidmet. Oft haben die Verletzten aber noch die weitere Schwie-rigkeit, Unfallfolgen rechtlich durchsetzen zu müssen, z.B. wenn Schadensersatz-ansprüche gegen einen Schädiger geltend gemacht werden. Mit diesem Problem-kreis beschäftigt sich das Kapitel „Recht und Begutachtung“. In den rechtlichenBeiträgen werden einige, speziell bei Auseinandersetzungen nach „Schleudertrauma“immer wieder auftauchende Themen behandelt. Eine komplette Darstellung allerrechtlichen Zusammenhänge ist aus Platzgründen nicht möglich. Hier muss auf dieeinschlägige Literatur verwiesen werden, u. a. auf Wedig [11], der eine Reihe vonProblemen aus dem medizinisch-rechtlichen Grenzbereich schildert. Bei Fragenzum Schmerzensgeld wird auf die „ADAC-Schmerzensgeldtabelle“ und das hervor-ragende, umfassende Werk von Jaeger/Luckey [7] verwiesen.

Die Herausgeber sind sich bewusst, dass es wünschenswert wäre, wenn in allenBuchbeiträgen Literaturnachweise einheitlich aufgelistet würden. Da die Autoren je-doch aus gänzlich unterschiedlichen beruflichen Bereichen und Nationen kommen,hat es sich als sinnvoll erwiesen, die diversen Zitierweisen beizubehalten.

Abschließend ist es den Herausgebern ein Bedürfnis, den Autoren und all denenzu danken, die bei der Entstehung dieses Buches mitgewirkt haben. Ohne die Per-sonen, die Kontakte zu verschiedenen Autoren hergestellt haben und ohne die Un-terstützung durch Übersetzer fremdsprachiger Beiträge etc. wäre dies nicht möglichgewesen. Ganz besonderer Dank gebührt Frau Dr. med. Gertrud Volkert, Frau PetraElster und Herrn Klemens Schwind vom Steinkopff Verlag, die durch ihre Unter-stützung dazu beigetragen haben, dass dieses Buchprojekt so zügig und reibungslosverwirklicht werden konnte.

Trier, Berchtesgaden und Sonthofen,im Sommer 2008

M. Graf

C. Grill

H.-D. Wedig

� Literatur

1. Crowe H (1928) 8 cases of neck injuries resulting from traffic road accidents. Report,Western Orthopedic Association, San Francisco

2. Crowe H (1964) A new diagnostic sign in neck injuries. California Medicine, 12–133. Deutsche Gesellschaft für Unfallchirurgie, DGU (2004) Empfehlungen zur Begutachtung,

26. Jahrg. Supplement, Stuttgart4. Erdmann H (1973) Schleuderverletzung der Halswirbelsäule, Erkennung und Begutach-

tung. Die Wirbelsäule in Forschung und Praxis, Bd. 56. Hippokrates, Stuttgart5. Erichsen JE (1867) On Railway and other Injuries of the Nervous System. Henry C. Lea,

Philadelphia6. Gay JR, Abbot KH (1953) Common whiplash injuries of the neck. JAMA, 1698–17047. Jaeger L, Luckey J (2008) Schmerzensgeld, 4. Aufl. Münster8. Blech J (2004) Krankheiten, die der Himmel schickt. Der Spiegel 2004/32, 1309. Spitzer WO, Skovron ML (1995) Scientific Monograph of the Quebec Task Force on Whip-

lash-Associated Disorders: Redefinding “Whiplash” and its Management. Spine (Suppl)85:34–73

10. Statistisches Bundesamt (2007) Unfallgeschehen im Straßenverkehr 200611. Wedig HD (2004) HWS-Distorsionen aus juristischer Sicht. In: Schmidt H, Senn J (Hrsg)

Schleudertrauma – neuester Stand: Medizin, Biomechanik, Recht und Case Management.Expertenwissen für Juristen, Ärzte, Betroffene und Versicherungsfachleute, Zürich, 281–292, als Auszug bei www.dr-schmidt.net

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Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

� Anatomie, Physiologie, Neurobiologie

1 Propriozeption im kraniozervikalen Übergang und Schleudertrauma . . . 5W. Neuhuber

2 Reflektorische Muskelkontraktion als Verletzungsmechanismus . . . . . . . . 10P. Henning

3 Neurobiologie der Schmerzchronifizierungnach HWS-Distorsionstrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14M. Curatolo

4 Zentralnervöse Störungennach kraniozervikalem Beschleunigungstrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18K. Orth, M. Peiper, E. Bölke, M. van Griensven, K. Takagi

5 Grundlagen zum Schmerzgeschehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24B. Baviera

� Biomechanik

6 Bandverletzungen als Folge einer Distorsion der Halswirbelsäule . . . . . . 39P. C. Ivancic, Y. Tominaga, A. B. Ndu, M. P. Coe, S. Ito, W. Rubin,

A. J. Valenson, M. M. Panjabi

7 Beschwerden nach Beschleunigung der HWSbei gurtgeschützten Pkw-Insassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48M. Richter

8 Einfluss kollisions- und insassenbezogener Faktorenauf das Verletzungsrisiko der Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59A. Kettler, E. Hartwig, K. Fruth, H.-J. Wilke

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� InhaltsverzeichnisXII

� Technik – Unfallrekonstruktion

9 Rekonstruktion eines Verkehrsunfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67P. Schmidt, G. Zahner

10 Um Kopf und Kragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74K. Brieter

11 Unfallrekonstruktion und biomechanische Begutachtungbei HWS-Verletzungen durch Heckaufprall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78W. Gauß

Diagnostik

� Klinische und technische, nicht bildgebende Diagnostik

12 Kraniozervikales Beschleunigungstrauma(„Whiplash-Associated Disorder“=WAD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97P. Böhm

13 Hör- und Gleichgewichtsstörungen nach HWS-Weichteildistorsion . . . . 103F. Singbartl, A. Ernst

14 Funktionsstörungen des posturalen Kontrollsystems nach HWS-Beschleunigungstrauma und das „Late Whiplash Injury“-Syndrom . . . . 111D. Marincic

15 Kinesiologisches Fine-Wire EMG des M. semispinalis capitiszur Darstellung muskulärer Dysfunktionennach HWS-Beschleunigungsverletzungen QTF II� . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121M. Kramer

16 Das posttraumatische zervikale Syndromund die Arteria vertebralis-Läsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124P. Kehr

� Bildgebende Diagnostik

17 Bildgebende Diagnostik bei HWS-Beschleunigungsverletzungen unterbesonderer Berücksichtigung funktioneller Untersuchungsmethoden . . . 133H. Friedburg

18 Die Verletzung des kraniozervikalen Übergangs (KZÜ) . . . . . . . . . . . . . 141E. Volle

19 Besonderheiten der Untersuchungstechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150J. Naxera

20 Diagnostik von Schleudertrauma-Folgen mit Hilfeder funktionalen Kernspintomographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156B. H. Johansson�

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Inhaltsverzeichnis � XIII

21 Magnetresonanztomographie bei Langzeitbeschwerdennach HWS-Distorsion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163J. M. Elliott

22 Kernspintomographische Funktionsdiagnostikbei HWS-Schleudertrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172H.-K. Beyer

23 Langzeitfolgen des HWS-Schleudertraumas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184A. Otte

Therapeutische Ansätze

24 Radiofrequenzbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201M. E. Sluijter, T. Stokke

25 Schleudertrauma und Schmerzen in den Wirbelbogengelenken . . . . . . . . 210N. Bogduk

26 Zahnärztliche Behandlung kraniozervikaler mandibulärerFunktionserkrankungen nach HWS-Beschleunigungsverletzung . . . . . . . 216H. Gelb, H. Baltin

27 Neurofeedback . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220M. B. Sterman, T. Egner, H. Baltin

28 Das leichte Schädel-Hirn-Trauma im Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227N. Biasca

29 Physikalische Therapie nach Beschleunigungsverletzungder Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242P. Schöps

30 Osteopathie nach HWS-Schleudertrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246S. Tempelhof

31 Atlastherapie nach Arlen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250K. Schaumberger

32 Alternative Behandlungsansätze nach Beschleunigungsverletzungder Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253H. Baltin

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� InhaltsverzeichnisXIV

„Sonderprobleme“ bei Schleudertrauma

33 Schleudertrauma und Kiefergelenk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261M. Hülse, B. Losert-Bruggner

34 Aktivität, Reaktivität und negative Feedback-Sensitivitätder Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achsebei Patienten mit chronischem HWS-Syndrom . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271J. Gaab, S. Baumann, U. Ehlert

35 Hormonstörungen durch Schleudertrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275H. Etzrodt

36 HWS-Distorsion und Multiple Sklerose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279P. O. Behan, A. Chaudhuri

Psychologie – Psychiatrie – Psychosomatik

37 Psychische Störungen nach einem Schleudertraumader Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287E. Riederer

38 Das sog. HWS-Schleudertrauma als somatoforme Störung . . . . . . . . . . . 292P. Henningsen

39 Schleudertrauma und Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) . . . . 296A. Möllering

40 Neurostressfragmentierung (NSF) bei Schleudertrauma: Ein Ausweg . . . 303H. Kraemer

41 Neuropsychologische Beeinträchtigungennach HWS-Beschleunigungsverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310W. Kaiser

42 Gestörter Nachtschlaf und schwere Tagesschläfrigkeitnach milder Schädelhirnverletzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317H. Keller-Wossidlo

43 Das Risiko der Stressnachschlageffekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323D. Ungerer

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Inhaltsverzeichnis � XV

Recht und Gutachten

� Recht

44 Entwicklung der Rechtsprechung zum HWS-Schleudertrauma . . . . . . . . 331L. Jaeger

45 Schleudertrauma – Recht der gesetzlichen Unfallversicherung . . . . . . . . . 342O. E. Krasney

46 Die sog. Harmlosigkeitsgrenze für Verletzungen der Halswirbelsäule . . . 347G. Dannert

47 Haftungsverteilung bei zwei Unfällen mit Verletzung der Halswirbelsäule– Auswirkung von Vorschädigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361P. Kuhn

48 Unfallbedingte Distorsionsschädigungeiner degenerativ vorgeschädigten Halswirbelsäule . . . . . . . . . . . . . . . . . 366R. Krücker

49 Wenn die Seele Schaden nimmt: Psychische Unfallfolgenin der Rechtsprechung und deren „Bewertung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370H.-D. Wedig

50 Der Anspruch auf angemessene Schadensregulierung . . . . . . . . . . . . . . . 381H.-P. Schwintowski

51 Entwicklung der Rechtsprechung zu HWS-Distorsionen in der Schweiz . 386J. Senn

� Gutachterliche Probleme

52 Der „Peitschenschlag“-Bericht des EEVC 2005,die Sozialisierung der Kosten für Langzeit-Schädenund die Barrieren gegen Entschädigungszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . 397M. Frank

53 Kuriosum HWS-Schleudertrauma . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406W. Laubichler

54 Handwerkliche Fehler in Gutachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409R. Verhasselt

55 Krankheit – Schmerz – Behinderung:Klassifikationssysteme in der Medizin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415H.-D. Wedig, M. Graf

56 Das sog. Schleudertrauma – warum wir uns so schwer tun . . . . . . . . . . 423B. Kügelgen

57 Die Leugnung von Schleudertrauma-Folgen: Cui bono? . . . . . . . . . . . . . . 429H. Merskey

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� InhaltsverzeichnisXVI

58 Primärschaden – kollisionsbedingte Geschwindigkeitsänderung –Schweregradtabellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 436U. Oppel

59 Das leichte Schleudertrauma – ein Irrtum des Gutachters? . . . . . . . . . . . 441M. Schneider

60 Die RAND-Studie, oder als es das Schleudertrauma noch gab . . . . . . . . 447J.-B. Huber

61 Wie das Unwahrscheinliche zum Wahrscheinlichen wird . . . . . . . . . . . . 453G. Bring, J. Bring

Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

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Adressverzeichnis

Dr. med. Hartmut Baltin

Zellerhornstraße 383229 Aschau

Dr. phil. Susanne Baumann

Rehaklinik BellikonCH-5454 BellikonSwitzerland

Dr. med. Bruno Baviera

Schule für PhysiotherapieAargau Schinznach-BadBadstraße 59CH-5116 Schinznach-BadSwitzerland

Peter O. Behan, MD, DSc., FRCP, FACPDepartment of NeurologyInstitute of Neurological SciencesSouthern General HospitalGlasgow G51 4TFGreat Britain

Prof. Dr. med. Hans-Konrad Beyer

Privatpraxis für KernspintomographieMaternusstraße 4450996 Köln

Dr. med. Nicola Biasca

Medical Consultant desInternationalen Eishockeyverbandes IIHFChirurgische KlinikSpital OberengadinCH-7503 SamedanSwitzerland

Nikolai Bogduk, MD, PhD, DSc.Newcastle Bone and Joint InstituteRoyal Newcastle HospitalDavid Maddison BuildingNewcastle, NSW 2300Australia

Dr. med. Peter Böhm

Praxis für NeurochirurgieGoltsteinstraße 3040211 Düsseldorf

PD Dr. Edwin Bölke

Klinik und Poliklinik für Strahlentherapieund radiologische OnkologieUniversitätsklinikum DüsseldorfHeinrich-Heine-UniversitätMoorenstraße 540225 Düsseldorf

Klaus Brieter

Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e.V.– ADAC Motorwelt –Am Westpark 881373 München

Gunilla Bring, MD, PhDUniversity of UmeåSE-90187 UmeåSweden

Johan Bring

Adjunct professorDalarna UniversitySE-79188 FalunSweden

Abhijit Chaudhuri

DM, MD, PhD, FACP, FRCPEssex Centre for Neurological SciencesQueen’s HospitalEssex-RM7 0AGGreat Britain

Marcus P. Coe, MDDepartment of Orthopaedic SurgeryDartmouth-Hitchcock Medical Center1 Medical Center DriveLebanon, New Hampshire NH 03756USA

Prof. Dr. med. K. Michele Curatolo

Zentrum für SchmerztherapieInselspitalCH-3010 BernSwitzerland

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� AdressverzeichnisXVIII

Dr. jur. Gerhard Dannert

Richter am OLG a.D.An der Baumschule 929223 Celle

Thomas Egner, PhDCognitive Neurology &Alzheimer’s Disease CenterNorthwestern University320 East Superior, Searle 11-569Chicago, IL 60611USA

Prof. Dr. rer. nat. Ulrike Ehlert

Klinische Psychologie und PsychotherapieUniversität ZürichBinzmühlestraße 14CH-8050 ZürichSwitzerland

James M. Elliott, PhDAssociate ProfessorDepartment of Physical TherapyRueckert-Hartman School for Health ProfessionsRegis University3333 Regis Blvd, G-4Denver, CO 80221-1099USA

Prof. Dr. med. Arne Ernst

Unfallkrankenhaus BerlinWarener Straße 712683 Berlin

Dr. med. Ziauddin Esmail

Weseler Straße 85A47169 Duisburg

Dr. med. Harald Etzrodt

Bahnhofplatz 789073 Ulm

Dr. jur. Markus Frank

RechtsanwaltNeustiftgasse 3/5A-1070 WienAustria

Dr. med. habil. Hartmut Friedburg

Zeppelinstraße 276185 Karlsruhe

Dr. med. Kai Fruth

Institut für UnfallchirurgischeForschung und BiomechanikUniversität UlmHelmholtzstraße 1489081 Ulm

PD Dr. phil. Jens Gaab

Klinische Psychologie und PsychotherapieUniversität ZürichBinzmühlestraße 14CH-8050 ZürichSwitzerland

Dipl. Physiker Wolfgang Gauß

Sautierstraße 7579104 Freiburg

Harold Gelb, D.M.D.635 Madison AvenueNew York, NY 10022USA

Dr. med. Michael Graf

Gartenfeldstraße 654295 Trier

Prof. Dr. med. Martijn van Griensven

Ludwig Boltzmann Institut für experimentelleund klinische TraumatologieDonaueschingenstraße 13A-1200 WienAustria

Christian Grill

Grasslergasse 183486 Ramsau

Prof. Dr. med. Dietrich Grönemeyer

Lehrstuhl für Mikrotherapie und RadiologieUniversität Witten/HerdeckeUniversitätsstraße 14244799 Bochum

Prof. Dr. med. Erich Hartwig

Klinik für Orthopädie und UnfallchirurgieDiakonissenkrankenhaus Karlsruhe-RüppurrDiakonissenstraße 2876199 Karlsruhe

Dr. med. Peter Henning

Ehem. D-ArztArzt für Orthopädie, Physik. Therapieu. Rehab. Med.Chirotherapie, Spez. SchmerztherapieGalle-Berger-Weg 1229640 Schneverdingen

Prof. Dr. med. Peter Henningsen

Klinik u. Poliklinik für PsychosomatischeMedizin u. PsychotherapieLangerstraße 381675 München

Jean-Baptiste Huber

RechtsanwaltAnwaltskanzleiBundesplatz 6CH-6304 ZugSwitzerland

Prof. Dr. med. Manfred Hülse

Universitäts-Klinikum MannheimFakultät für Klinische MedizinTheodor-Kutzer-Ufer 1-363135 Mannheim

Shigeki Ito, MDDepartment of Orthopaedic SurgerySt. Marianna University School of MedicineKanagawaJapan

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Adressverzeichnis � XIX

Paul C. Ivancic, PhDBiomechanics Research LaboratoryDepartment of Orthopaedics and RehabilitationYale University School of Medicine333 Cedar St. P.O. Box 208071New Haven, CT 06520-8071, ConnecticutUSA

Lothar Jaeger

Vors. Richter am OLG a.D.Mechtildisstraße 350678 Köln

Bengt H. Johansson �, MDBengt H. Johansson Medical ClinicVasavagen 10SE-18278 StocksundSweden

Dipl. Psych. Walter Kaiser

Klinik Wollmarshöhe GmbHWollmarshofen 1488285 Bodnegg

Prof. Dr. med. Pierre Kehr

Editor in Chief – Ejost(European Journal of OrthopaedicSurgery and Traumatology)25, rue SchweighaeuserF-67000 StrasbourgFrance

Dr. med. Harriet Keller-Wossidlo

Kompetenzzentrum für SchlafmedizinKlinik Barmelweid AGCH-5017 BarmelweidSwitzerland

PD Dr. med. Annette Kettler

Institut für UnfallchirurgischeForschung und BiomechanikUniversität UlmHelmholtzstraße 1489081 Ulm

Horst Kraemer

Diplom System TherapeutIPAS AGSäntisstraße 2CH-9500 Wil SGSwitzerland

PD Dr. Michael Kramer

Klinik für Unfall-, Hand-, Plastischeund WiederherstellungschirurgieUniversitätsklinikum UlmSteinhövelstraße 989075 Ulm

Prof. Dr. jur. Otto E. Krasney

Vizepräsident des BSG a.D.Im Eichenhof 2834125 Kassel

Rolf Krücker

Vors. RiOLGOberlandesgericht DüsseldorfCecilienallee 340474 Düsseldorf

Dr. med. Bernhard Kügelgen

Therapiezentrum KoblenzEmil-Schüller-Straße 2956068 Koblenz

Paul Kuhn, JVRJuristische Zentrale ADACAm Westpark 881373 München

Prof. Dr. med. Werner Laubichler

Vollerhofstraße 682A-5412 Puch bei HalleinAustria

Dr. med. Brigitte Losert-Bruggner

Lorscher Straße 268263 Lampertheim-Hüttenfeld

Dr. med. Damir Marincic

Marktplatz 25CH-9000 St. GallenSwitzerland

Harold Merskey

MA, DM, FRCP (c), FRC Psych.71 Logan AvenueLondon, Ontario N5Y 2P9Canada

PD Dr. med. Jürgen Mertin

Klinik Wollmarshöhe GmbHWollmarshofen 1488285 Bodnegg

Dr. med. Andrea Möllering

Klinik für Psychosomatische Medizinund PsychotherapieInstitut der Universität Duisburg-EssenVirchowstraße 17445147 Essen

Dr. med. Jaroslav Naxera

fmri ZentrumBaslerstraße 30CH-8048 ZürichSwitzerland

Anthony B. Ndu, MDBiomechanics Research LaboratoryDepartment of Orthopaedics and RehabilitationYale University School of Medicine333 Cedar St. P.O. Box 208071New Haven, CT 06520-8071, ConnecticutUSA

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� AdressverzeichnisXX

Prof. Dr. med. Winfried Neuhuber

Institut für AnatomieUniversität Erlangen-NürnbergKrankenhausstraße 991054 Erlangen

Dr. med. Uwe Oppel

Laarstraße 2–458636 Iserlohn

Prof. Dr. med. Klaus Orth

Klinik für Allgemein-, Thorax-und GefäßchirurgieKlinikum EmdenHans-Susemihl-Krankenhaus GmbHBolardusstraße 2026721 Emden

Prof. Dr. med. Andreas Otte

Institut für NuklearmedizinUniversitätsklinik GentDe Pintelaan 185BE-9000 GentBelgium

Manohar M. Panjabi, PhDBiomechanics Research LaboratoryDepartment of Orthopaedics and RehabilitationYale University School of Medicine333 Cedar St. P.O. Box 208071New Haven, CT 06520-8071, ConnecticutUSA

PD Dr. med. Matthias Peiper

Klinik für Allgemein-, Viszeral-und KinderchirurgieHeinrich-Heine Universität DüsseldorfMoorenstraße 540225 Düsseldorf

Prof. Dr. med. Martinus Richter

II. Chirurgische Klinik (Unfallchirurgie,Orthopädie, Fußchirurgie)Klinikum CoburgKetschendorfer Straße 3396450 Coburg

Dr. med. Erich Riederer

Facharzt FMH für NeurologieBleicherweg 52CH-8002 ZürichSwitzerland

Dr. Helga Roth

Stauffenbergstraße 380797 München

Dipl. Ing. (FH) Wolfgang Rubin

Biomechanics Research LaboratoryDepartment of Orthopaedics and RehabilitationYale University School of MedicineNew Haven, ConnecticutUSA

Dr. med. Klaus Schaumberger

Hauptstraße 187561 Oberstdorf

Dipl. Ing. Peter Schmidt

Büro für VerkehrsunfallrekonstruktionenPettenkoferstraße 16–1810247 Berlin

Prof. Dr. med. Dipl. Ing. Manfred Schneider

Friedrichstraße 95 (IHZ)10117 Berlin

PD Dr. med. Peter Schöps

Abteilung für Physikalischeund Rehabilitative MedizinStädtisches KrankenhausMünchen-HarlachingSanatoriumsplatz 281545 München

Prof. Dr. jur. Hans-Peter Schwintowski

Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Handels-,Wirtschafts- u. EuroparechtHumbold-Universität zu BerlinJuristische FakultätUnter den Linden 610099 Berlin

Jürg Senn

RechtsanwaltKanzlei Kieser, Senn und PartnerUlrichstraße 14CH-8032 ZürichSwitzerland

Dr. med. Fabian Singbartl

Unfallkrankenhaus BerlinWarener Straße 712683 Berlin

Prof. Dr. med. Menno E. Sluijter

Schweizer Paraplegiker ZentrumGuido A. Zäch-StraßeCH-6207 NottwilSwitzerland

M. Barry Sterman, PhDDepartment of NeurobiologySchool of MedicineUCLA Medical CenterLos AngelesCA 90085-1763USA

Dr. med. habil. Trond Stokke

H. Ibsensgt. 4NO-3724 SkienNorway

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Adressverzeichnis � XXI

Kiyoshi Takagi, PhDDepartment of NeurosurgeryFujita Health UniversityOgura Hospital, 4-2-5Nakamachi, SetagayaTokyo 158-8585Japan

Dr. med. Siegbert Tempelhof

Zentrum für KomplementärmedizinLortzingstraße 2681241 München

Yasuhiro Tominaga, MD, PhDDepartment of Orthopaedic SurgerySt. Marianna University School of MedicineKanagawaJapan

Prof. Dr. med. Dietrich Ungerer

Universität BremenBibliothekstraße 128359 Bremen

Arnold J. Valenson, MDDepartment of Orthopedic SurgeryRush University Medical CenterRush Professional Office Building1725 W. Harrison StreetChicago, Illinois, IL 60612USA

Dr. jur. Rüdiger Verhasselt

Rechtsanwalt und ArztDüsseldorfer Straße 4140545 Düsseldorf

Dr. med. Eckhard Volle

Ketterschwangerstraße 3987668 Rieden

Hans-Dieter Wedig

Ass. jur., Kanzlei Dr. W.G. SchmidtBahnhofstraße 2187527 Sonthofen

Prof. Dr. Hans-Joachim Wilke

Institut für UnfallchirurgischeForschung und BiomechanikUniversität UlmHelmholtzstraße 1489081 Ulm

Dipl. Ing. Gerd Zahner

Ingenieurbüro für Kraftfahrzeugtechnikund VerkehrsunfallanalyseBrucknerallee 6941236 Mönchengladbach

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Grundlagen

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Anatomie, Physiologie,Neurobiologie

1 Propriozeption im kraniozervikalen Übergang und Schleudertrauma

2 Reflekorische Muskelkontraktion als Verletzungsmechanismus

3 Neurobiologie der Schmerzchronifizierung nach HWS-Distorsionstrauma

4 Zentralnervöse Störungen nach kraniozervikalem Beschleunigungstrauma

5 Grundlagen zum Schmerzgeschehen

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Einleitung

Läsionen der Halswirbelsäule im Sinne einesSchleudertraumas schädigen den aktiven undpassiven Bewegungsapparat des kraniozervika-len Übergangs in einer Weise, die zu einem Be-schwerdebild führen kann, das in seiner Schwe-re oft in krassem Missverhältnis zur Geringfü-gigkeit des Traumas selbst steht. Das weitgehen-de Fehlen objektiver, insbesondere Bildgebungs-befunde bzw. die Schwierigkeit, solche Befunde[19] vor dem Hintergrund individueller Varia-bilität bei asymptomatischen Probanden [17] zuinterpretieren, letzten Endes das Auftreten „zer-vikogener“ Symptomatik auch ohne Trauma [6],machen das „Schleudertrauma“ zu einem diag-nostischen, therapeutischen und gutachterlichenTreibsandgebiet. Aufgrund von manualmedizi-nischer Erfahrung und funktionell-anato-mischen Überlegungen wurde die Vorstellungentwickelt, dass eine wesentliche Ursache fürdie bunte Symptomatik bei manchen Schleuder-traumapatienten nicht in der „Distorsion“ deskraniozervikalen Übergangs, sondern in einernachhaltigen Störung des propriozeptiven undnozizeptiven Einstroms aus ihm liegt [7]. Sosoll im Folgenden kurz die funktionelle Neuro-anatomie des kraniozervikalen Übergangs dar-gestellt werden.

� Motorische und sensorische Innervation

Die Muskulatur von Kopf und Hals wird vom N.trigeminus (Kaumuskeln, Mundbodenmuskula-tur), N. facialis (hinterer Digastricusbauch undM. stylohyoideus zur Stabilisierung des Zungen-beins), N. hypoglossus (Zungenmuskulatur, M.geniohyoideus), N. accessorius (Radix spinalisfür Mm. sternocleidomastoideus und trapezius)und den zervikalen Spinalnerven C1–5 (dorsale

Äste für suboccipitale Muskeln, M. semispinaliscapitis und M. splenius capitis; ventrale Äste fürprävertebrale Muskulatur und über Ansa cervica-lis profunda zur infrahyalen Muskulatur; N. dor-salis scapulae aus dem Plexus brachialis zum M.levator scapulae) koordiniert. Bedenkt man denZusammenhang mit dem Pharynx, kommt auchder N. vagus ins Spiel.

Die zugehörigen Motorneurone liegen immotorischen Trigeminuskern und Fazialiskernder Brücke, im vagalen Ncl. ambiguus und Hy-poglossuskern der Medulla oblongata und imVorderhorn der zervikalen Rückenmarksegmen-te. Diese motorischen Kerne sind eingebettet inPools von Interneuronen, die im Hirnstammzur kleinzelligen, lateralen Formatio reticularisgerechnet werden und im Vorderhorn des Rü-ckenmarks den Raum zwischen den Motorneu-ronen ausfüllen [4].

Kaumuskeln (mit Ausnahme der Mundöffner)und die meisten der genannten Hals- und Na-ckenmuskeln sind reich an Muskelspindeln [3,20]. Diese Propriosensoren finden sich auch inder Zunge. Die gamma-Motorneurone für die in-trafusalen Muskelfasern liegen in den jeweiligenMotorneuronpools, die Zellkörper der Spindelaf-ferenzen aus Hals- und Nackenmuskeln findensich in den Spinalganglien C2–4. Da der erste zer-vikale Spinalnerv meist über keine Hinterwurzelverfügt, werden die Spindelafferenzen aus densuboccipitalen Muskeln über eine Anastomosezwischen N. suboccipitalis und N. occipitalis ma-jor und über die Hinterwurzel C2 dem Rücken-mark zugeleitet. Die Zellkörper der Spindelaffe-renzen der Kaumuskulatur und höchstwahr-scheinlich auch der Mundbodenmuskeln liegenals Besonderheit im mesenzephalen Trigeminus-kern. Dieser Kern enthält auch die Zellkörperder Afferenzen aus dem Zahnhalteapparat. Erprojiziert z.T. direkt, z.T. indirekt über Interneu-rone zu den Motorneuronen der Kaumuskeln.Spindelafferenzen aus M. stylohyoideus und hin-

Propriozeption im kraniozervikalen Übergang

und SchleudertraumaW. Neuhuber

1

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terem Digastricusbauch haben ihre Zellkörper imGgl. geniculi. Da weder der N. hypoglossus nochder N. accessorius über ein sensorisches Gangli-on verfügen, werden Afferenzen aus der Zungen-muskulatur, dem M. geniohyoideus, dem M. ster-nocleidomastoideus und dem M. trapezius überAnastomosen zum Plexus cervicalis und die obe-ren zervikalen Hinterwurzeln zum Rückenmarkgeführt [16].

Neben den propriozeptiven Afferenzen aus derMuskulatur, denen im Rahmen der Bewegungs-kontrolle vor den Afferenzen aus den Gelenkendie Hauptrolle zukommt, gibt es eine große Scharvon dünnkalibrigen, langsam leitenden Afferen-zen der Klassen III (A delta) und IV (C), die alsChemo-, Thermo- und Nozizeptoren fungieren.Manche dieser afferenten Neurone werden erstim Rahmen von Entzündungen aktiviert undgern als „schlafende“ Nozizeptoren bezeichnet.Die Hauptaufgabe dieser dünnen Afferenzen istdie Registrierung des inneren Milieus in Muskelnund Gelenken, und bei Störungen der Homöosta-se die Auslösung entsprechender motorischer,kardio-respiratorischer und metabolischer Reak-tionen zu deren Korrektur [11, 12]. Die Zell-körper dieser dünnkalibrigen Afferenzen liegenebenfalls in den Spinalganglien; im Trigeminus-bereich nimmt das Ggl. semilunare GASSERI ihreZellkörper auf [14]. Nicht zu vergessen ist die af-ferente Innervation der Kopf- und Hirngefäße so-wie der Dura durch Äste des Trigeminus und derzervikalen Spinalnerven [8, 9].

� Prä-Motorneurone und Weiterleitungdes afferenten Einstroms

Die Interneuronpools der lateralen Formatio re-ticularis und des Rückenmarkvorderhorns stel-len den größten Teil der unmittelbaren Prä-Mo-torneurone dar. In ihnen sind jene detailliertenBewegungsprogramme repräsentiert, die vondeszendierenden Bahnen aus der großzelligen,medialen Formatio reticularis, den Vestibularis-kernen, dem Ncl. ruber, den Colliculi superioresder Vierhügelplatte und natürlich der Großhirn-rinde getriggert und von Afferenzen aus der Pe-ripherie moduliert werden.

Die Propriozeptoren, deren Projektionen insZentralnervensystem in Abbildung 1.1 zusam-mengefasst sind, werden einerseits direkt aufdie Motoneurone verschaltet, was die Grundlagefür die Eigenreflexe der betreffenden Muskelndarstellt. Andererseits finden sie aber Eingang

in den Interneuronapparat des Rückenmarksund der Formatio reticularis, was di- und poly-synaptische Reflexe ermöglicht und über des-zendierende und aszendierende Bahnen der Ko-ordination der verschiedenen Muskelgruppen,insbesondere der Extremitäten dient [1, 2]. Vonbesonderem Interesse sind propriozeptive Pro-jektionen zu „spezifischen“ Kerngebieten. Dazuzählen die Hinterstrangkerne, über die spinaleAfferenzen dem Thalamus und weiter der Groß-hirnrinde zugeführt werden, aber auch der Ncl.cuneatus externus in der Medulla oblongata alsRelais von propriozeptiven Afferenzen aus Halsund Arm zum Kleinhirn, und der Ncl. cervicaliscentralis des oberen Halsmarks, der Afferenzenaus den Halsmuskeln und der Zungenmuskula-tur erhält und ebenfalls zum Kleinhirn pro-jiziert. Dieser Kern leitet Spindelafferenzen aus

� W. Neuhuber6

Sympathikus

C2

COCH VEST

ECN

Cbl

HalsmuskelnPropriozeptoren

unteres Zervikal-und Lumbalmark

CCN

PH

Abb. 1.1. Schema der primären und sekundären propriozep-tiven Projektionen aus C2. Propriozeptive Afferenzen ausHalsmuskeln treten über die Hinterwurzel C2 ins Rückenmarkein und gelangen einerseits zum Vorderhorn, wo sie homo-nyme Motoneurone und verschiedene propriospinale Neuronekontaktieren. Andererseits endigen sie im Ncl. cervicalis cen-tralis (CCN), von dem eine gekreuzte Bahn zum Kleinhirn(Cbl) aufsteigt. Kollateralen dieser spinozerebellären Projekti-on zweigen zu den Vestibulariskernen (VEST) ab. Die ipsilate-ral im Hinterstrang aufsteigenden propriozeptiven Afferenzenprojizieren massiv zum Ncl. cuneatus externus (ECN), derwiederum eine Bahn zum Kleinhirn entsendet. Kollateralender Primärafferenzen gelangen aber auch direkt zu den Vesti-bulariskernen, die somit direkte und indirekte (sekundäre)propriozeptive Afferenzen aus den Halsmuskeln erhalten. DieEmpfindlichkeit der Propriozeptoren wird neben dem gam-ma-System auch vom Sympathikus beeinflusst. COCH – Coch-leariskerne; PH – Ncl. praepositus hypoglossi. (Modifiziertnach [16]).

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Hals- und Nackenmuskeln vor allem aber auchzu den Vestibulariskernen, wo sie mit Afferen-zen aus dem Labyrinth konvergieren und so ei-ne wichtige Grundlage für die Kontrolle vonKopf- und Körperstellung im Raum bilden [16].

Von den propriozeptiven Fasern, die zum Nu-cleus cuneatus externus ziehen, gelangen Kolla-teralen nach medial, vor allem zum ipsilateralendeszendierenden und medialen Vestibulariskern.Die anderen Vestibulariskerne, der laterale undder superiore, erhalten kaum direkten Einstromvon zervikalen Propriozeptoren, werden aller-dings auf indirektem Weg erreicht, insbesondereüber den Nucleus cervicalis centralis und vesti-buläre Interneurone. An dieser propriozeptivenProjektion zum Vestibulariskernkomplex, direktund indirekt, zeigt sich am deutlichsten die Be-sonderheit der Afferenzen der Segmente C2 undC3, also aus dem kraniozervikalen Übergang,da sie aus kaudaleren Segmenten zunehmendspärlicher wird. Aus lumbosakralen Segmentengelangen überhaupt keine direkten Primäraffe-renzen und nur wenige indirekte spinovestibulä-re Projektionen zu den Vestibulariskernen. ImGegensatz dazu projizieren Muskelafferenzenauch kaudaler Zervikal- und rostraler Thorakal-segmente massiv zum Nucleus cuneatus exter-nus und somit zum Kleinhirn. Die Projektionaus C2/3 ins Vestibulariskerngebiet ist nur fürMuskelafferenzen nachweisbar und fehlt beiHautafferenzen. Diese Besonderheit der oberenHalspropriozeptoren könnte eine Rolle bei derPathogenese des zervikalen Schwindels spielen[16].

Thermo-, chemo- und nozizeptive dünnkalib-rige III- und IV-Afferenzen, werden im Hinter-horn des Rückenmarks bzw. im spinalen Trigemi-nuskern umgeschaltet. Die Trennung von Trige-minuskern und zervikalem Hinterhorn hinsicht-lich des trigeminalen bzw. spinalen Einstromsist keineswegs scharf. Vielmehr beobachtet mandie Verzahnung und Überlappung der Endi-gungsfelder, was als morphologische Basis fürdie Konvergenz insbesondere von nozizeptivenAfferenzen aus Kopf- und Halsregionen an den-selben sekundären Neuronen und das daraus re-sultierende Phänomen des fortgeleiteten Schmer-zes gelten kann [18]. Die Weiterleitung dieser Af-ferenzen erfolgt aufsteigend über den Thalamuszu verschiedenen Arealen der Großhirnrinde,wo einerseits im Gyrus postcentralis lokalisato-risch-diskriminative Aspekte der Schmerzwahr-nehmung verarbeitet werden, andererseits in„limbischen“ Arealen vor allen an der medialen

Hemisphärenfläche eine affektive Bewertung desSchmerzgeschehens erfolgt. Nozizeptive Muskel-afferenzen sind auch insbesondere in der Lage,langfristige plastische Veränderungen im Rü-ckenmark und Gehirn einzuleiten, die als einewesentliche Grundlage für Hyperalgesie undChronifizierung von Schmerzen gelten [12]. Auflokaler Ebene, segmental im Rückenmark bzw.in der Formation reticularis des Hirnstamms, fin-den dünnkalibrige Afferenzen Eingang in Reflex-verschaltungen, wobei oft ihre besondere Affini-tät zum gamma-motorischen System betont wird:Nozizeptoren als Aktivatoren der gamma-Moto-neurone, was zu gesteigerten Aktivität der Mus-kelspindelafferenzen und erhöhtem Muskeltonusführen soll. Dabei ist kritisch anzumerken, dasstierexperimentelle Studien sowohl eine Erhöhungals auch Erniedrigung der gamma-Motoneuron-aktivität durch Nozizeptoren gezeigt haben [10,13]. Neuerdings gibt es Hinweise, dass die Emp-findlichkeit der Spindelafferenzen auch unterUmgehung das gamma-Systems beeinflusst wer-den kann, etwa durch eine Stimulation des Sym-pathikus [5].

� Koordination von Kau- und Halsmuskeln

Das Kiefergelenk ist das erste Glied einer kine-matischen Kette, die sich nach kaudal über dieKopfgelenke buchstäblich bis zur kleinen Zehefortsetzt. Somit ist klar, dass Bewegungen imKiefergelenk mit jenen in den Kopfgelenken feinabgestimmt werden müssen. Ein wichtiger Me-chanismus für diese Koordination dürfte dieAuslösung gemeinsamer motorischer Program-me über deszendierende kortiko-bulbäre bzw.kortiko-spinale Bahnen sein. Doch muss die Ab-stimmung von Kau- und Halsmuskeln auch aufsubkortikaler Ebene gesichert sein. Studien mitneuronalen Markierungsmethoden bei der Rattekonnten zeigen, dass Neurone des mesenzepha-len Trigeminuskerns, die propriozeptive Infor-mation aus den Kaumuskeln und dem Zahnhal-teapparat vermitteln, absteigend zum zervikalenRückenmark projizieren, zum Teil über eineUmschaltung im spinalen Trigeminuskern (Sub-nucleus oralis und interpolaris) und in der For-matio reticularis, zum Teil sogar direkt [15]. Ei-ne solche Verbindung wäre für eine Abstim-mung von Kau- und Kopfbewegungen prädesti-niert. Eine vergleichbare reziproke Verbindungvon Propriozeptoren der Nackenmuskeln zummotorischen Trigeminuskern über den spinalen

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Trigeminuskern ist denkbar, obwohl detaillierteanatomische Daten noch fehlen.

Eine Störung dieser Koordination wird alsGrund für Probleme im Kieferbereich nachSchleudertrauma angenommen. Diese Störungkönnte an jeder der beschriebenen Schaltstellenwirksam werden. Diese wechselseitige Abhän-gigkeit kann auch eine „zervikogene“ Sympto-matik mit Kopfschmerzen und Schwindel beiFehlen eines Schleudertraumas erklären, näm-lich als fortgeleiteten Effekt einer kraniomandi-bulären Dysfunktion [6]. Neben einem gestörtenpropriozeptiven Einstrom dürfte aber vor allemnozizeptiven Afferenzen eine wichtige Rolle zu-kommen. Untersuchungen an Probanden undtierexperimentelle Daten konnten zeigen, dasseine Injektion algogener Substanzen wie Brady-kinin oder Glutamat in Kaumuskeln oder insKiefergelenk zu einer Tonuserhöhung der Na-ckenmuskulatur führte. Umgekehrt reagierte dieKaumuskulatur mit einer Tonuserhöhung aufInjektion dieser Stoffe in die Nackenmuskulatur.Sowohl Nozizeptoren aus den Kaumuskeln unddem Kieferbereich als auch solche aus den Na-ckenmuskeln und Halsgelenken projizieren zumspinalen Trigeminuskern, der einen wichtigenKnotenpunkt im Koordinationsnetzwerk vonKau- und Halsmuskeln darstellt. Für nozizeptiveStörsignale aus der Peripherie wäre es so einLeichtes, die Koordination von Kopf- und Kie-ferbewegungen aus der Balance zu bringen [15].

Zusammenfassung

Der oberen Halswirbelsäule kommt aufgrundder enormen Beweglichkeit der Kopfgelenkeund der Rolle der Nackenmuskulatur als Sensorder Kopf-zu-Rumpf-Stellung eine besondere Be-deutung zu. Über die Zungenbeinmuskulatur istdarüber hinaus das Kiefergelenk mit den Kopf-gelenken zu einer kinematischen Kette ver-knüpft, zu deren Steuerung ein komplexesneuronales Netzwerk zur Verfügung steht. Zahl-reiche neuroanatomische, funktionelle undklinische Befunde untermauern die Vorstellung,dass Störungen an einem der Knotenpunkte die-ses Netzwerkes, z.B. als Folge eines Schleuder-traumas, Ursachen für die bunte, meistschmerzhafte Symptomatik im Bereich des kra-niozervikalen Übergangs oder des Kauapparatsdarstellen.

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� W. Neuhuber8

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Die traumatisch ausgelöste reflektorische Mas-senkontraktion eines Muskels oder einer Mus-kelgruppe kann so heftig sein, dass sie zu struk-turellen Läsionen führen kann. Bei einer Viel-zahl von Unfallmechanismen hat dieser Vorgangden Wert einer wesentlichen Ursache für Artund Umfang der Verletzung. Nicht nur beiknöchernen Ausrissen und „Muskelfaserrissen“kann dieser Mechanismus eine Rolle spielen,sondern auch beim „Schleudertrauma“, bei derRotatorenmanschettenruptur, bei Querfortsatz-abrissen von Lendenwirbeln und etlichen wei-teren Verletzungen. Auch schon bei geringereräußerer Gewalteinwirkung führt dieser Mecha-nismus gegebenenfalls zu segmentalen und/oderperipher-articulären Bewegungsstörungen (Blo-ckierungen), die einen wesentlichen Anteil anden subjektiven, oft lange andauernden Be-schwerden haben können.

In diesem Beitrag soll der Mechanismus vonVerletzungen durch reflektorische Muskelkon-traktionen bewusst gemacht und zur Diskussiongestellt werden. Auf die Konsequenzen für dieBegutachtung wird hingewiesen.

Anlass für diesen Beitrag ist die Diskrepanzzwischen physikalisch-technischen Untersuchun-gen und Richtlinien bei „Beschleunigungsverlet-zung“ der HWS durch Heckaufprall und andereUnfallmechanismen einerseits und den Auswir-kungen auf die Unfallverletzten andererseits, so-wie deren gutachterliche Bewertung.

Standardisierte Untersuchungen wurdendurchgeführt an Dummies oder Leichen. DieVersuche an lebenden Personen erfolgten unternicht realistischen Bedingungen. Die Beschaf-fenheit lebenden Gewebes und dessen Reaktio-nen auf äußere Gewalteinwirkung konnten dabeinicht in vollem Ausmaß berücksichtigt werden[2, 5]. Aus diesem Grund sind auch die Ergeb-nisse und die daraus resultierenden Empfehlun-gen für die Begutachtung nur begrenzt verwert-bar. Die durch äußere Gewalteinwirkung aus-

gelöste reflektorische Muskelkontraktion ist einwesentlicher Faktor im Verletzungsgeschehen,der für das Verständnis der biomechanischenAbläufe und der Auswirkungen auf das lebendeGewebe unverzichtbar ist. Dies gilt nicht nurfür die Verletzungen der Halswirbelsäule, son-dern auch für die Rotatorenmanschettenruptur,knöcherne Ausrisse wie Abrissfrakturen des Tu-berculum majus humeri, der Querfortsätze vonLendenwirbelkörpern, der Spitze des Trochantermajor, der Basis des fünften Mittelfußknochensund eine Reihe weiterer Verletzungen.

Verletzungsbegriff

In der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV)wird Verletzung definiert als die „Folge einervon außen auf den Organismus einwirkendenGewalt“. Einbezogen werden in der Regel auchHebelwirkungen wie z.B. das Supinationstraumades oberen Sprunggelenkes (OSG) oder Distor-sionen wie „Zerrungen“ der HWS oder „Verdre-hungen“ des Kniegelenkes.

Art und Umfang einer Verletzung sind ab-hängig von externen und internen Einflüssen.

Die externen Einflüsse bestehen aus Intensi-tät, Dauer und Richtung der Gewalteinwirkung(Tabelle 2.1). Die internen Einflüsse ergebensich aus dem Zustand der betroffenen Struk-turen (Strukturbeschaffenheit und/oder Funk-tionszustand) und aus der funktionellen Reak-tion auf den äußeren Reiz.

Ein weiterer Faktor der internen Einflüsse istder Ort der Neutralisierung der Gewalteinwir-kung. Beispiel: ein Sturz auf die Hand kann zurFolge haben: Bruch des Kahnbeines, des körper-fernen Anteiles des Unterarmes (typ. Radiusfrak-tur), des Speichenköpfchens, des körpernahen

Reflektorische Muskelkontraktion

als VerletzungsmechanismusP. Henning

2

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Anteils des Oberarmes (subcapitale Humerus-fraktur, Oberarmkopffraktur) oder des Schlüssel-beines (Tabelle 2.1).

Eine Gewalteinwirkung kann direkt oder indi-rekt sein:� Direkte Gewalteinwirkung führt ggf. zu Prell-

marken, Hämatomen, Hautverletzungen,Weichteilquetschungen, Knochenbrüchen etc.

� Indirekte Gewalteinwirkung führt ggf. überKnochen/Gelenk- und Weichteilbrücken zuentfernter liegenden Strukturläsionen.

Beispiel: Zentrale Hüftgelenkluxationsfraktur beiKnieanpralltrauma.

Eine Sonderform der indirekten Gewalteinwir-kung, bzw. deren Auswirkung ist die reflektori-sche Kontraktion von Muskeln.

Beispiel: durch reflektorische Kontraktion vonMuskeln hervorgerufene� teilweise oder vollständige Selbstzerreißung

eines Muskels (Quadriceps) oder seiner Sehne(Achillessehne, lange Bizepssehne),

� Ablösung seiner Insertion (Biceps brachii,distal),

� insertionsnahe Ruptur (Supraspinatus) oder� knöcherner Ausriss seiner Insertion (Basis

Metatarsale 5., Tub. maj. hum.)

Diese reflektorische, also durch äußere Gewalt-einwirkung hervorgerufene Eigenkontraktionder Muskulatur als Verletzungsmechanismusfindet bisher wenig Beachtung. Die – wie beiPrüfung der Eigenreflexe mit dem Reflexham-mer ausgelöste, nur viel massivere – Kontrakti-on des Muskels erfolgt dabei gegen Widerstand.D.h. der sich reflektorisch massiv kontrahieren-de Muskel kann wegen des Trägheitsmomentes

oder einer mechanischen Behinderung des Er-folgsorganes nicht seine ihm physiologisch zu-gedachte Bewegung durchführen. Die Aktivie-rung der Antagonisten unterbleibt, die Kontrak-tion verläuft ungebremst!

HWS-Distorsion bei Heckaufprall

Die aufprallbedingte Beschleunigung des Rump-fes nach vorn bei massenträgheitsbedingtemZurückbleiben des Kopfes führt zu einem Deh-nungsreiz der ventralen Halsmuskeln.

Es kommt zu einer reflektorischen, unge-bremsten Kontraktion. Sie erfolgt gegen Wider-stand, weil sich der Kopf noch in Reklinations-bewegung befindet [3].

Die Intensität dieser Kontraktion ist nicht un-bedingt abhängig von der Masse oder Ge-schwindigkeit des auffahrenden Fahrzeuges,sondern eher von der Stellung des Kopfes wäh-rend des Aufpralles und vom Überraschungs-effekt. Befindet sich der Kopf nicht in Neutral-stellung, so sind bestimmte Muskeln und Bän-der in Vorspannung, bzw. in Dehnstellung. DieKontraktion gegen Widerstand kann zu unter-schiedlich starken intramuskulären Läsionenführen und bei unphysiologischen, weil un-geschützten Bewegungsabläufen auch ligamentä-re Läsionen verursachen. Dabei spielt der M.sternocleidomastoideus eine besondere Rolle: erinkliniert die HWS, wenn der Insertionspunktam Mastoid/Occiput vor der Körperachse steht;er rekliniert, wenn der Insertionspunkt hinterder Achse steht. Im ersten Fall verhält er sichwie die anderen ventralen Halsmuskeln, imzweiten verstärkt er die Reklinationsbewegungund zieht den Hinterkopf nach ventral in Ver-bindung mit einer heftigen Rücknickbewegungin den Kopfgelenken und einer kräftigen Hyper-lordosierung der HWS, verbunden mit extremerBelastung der Bandscheiben im unteren HWS-Bereich.

Eine besondere Rolle spielen die Mm. rectuscapitis anterior und lateralis. Ihre Ausstattungmit einer sehr großen Zahl an Nervenrezeptorenund ihre Verschaltung mit intracraniellen Struk-turen machen ihren großen Einfluss auf dieneuromuskuläre Fehlsteuerung bei diesem Ver-letzungsmechanismus plausibel. Weitere wichti-ge Muskeln sind die Mm. longus colli und lon-gus capitis sowie die Scalenusgruppe, die zur

2 Reflektorische Muskelkontraktion als Verletzungsmechanismus � 11

Tabelle 2.1. Faktoren des Verletzungsmechanismus

� Externe Faktoren

– Intensität der Gewalteinwirkung– Dauer der Gewalteinwirkung– Richtung der Gewalteinwirkung

� Interne Faktoren

– Zustand der betroffenen Strukturen(Strukturbeschaffenheit, Funktionszustand)

– Funktionelle Reaktion auf äußeren Reiz(Muskelkontraktion)

– Ort der Neutralisierung der Gewalteinwirkung(lokal und/oder fortgeleitet)

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Funktionsumkehr tendiert [3]. Die Beteiligungder hyoidalen Muskeln erklären die häufig ge-klagten Schluckbeschwerden. Auch die Bedeu-tung des Platysma und der Halsfaszien solltenicht unterschätzt werden.

Saternus [4] beschreibt Selbstzerreißung bzw.Insertionsablösungen des M. sternocleidomastoi-deus bei tödlich verlaufenen Unfällen. Außerdemberichtet er von muskelkontraktionsbedingtenringförmigen knöchernen Ausrissen des Randesdes Foramen magnum.

Selbstverständlich gelten die Gedanken zudem Verletzungsmechanismus nicht nur für Be-schleunigungsverletzungen der Halswirbelsäulebei Heckaufprall, sondern auch bei allen ande-ren Zerrungen und Stauchungen der Halswir-belsäule, sowie Schädel-Anpralltraumen.

Die Folgen der HWS-Distorsion sind alsonicht so sehr geprägt von der passiven Zerrungder Halsmuskeln, sondern eher durch die reflek-torische Massenkontraktion gegen Widerstand.Diese Vorgänge können logischerweise bei Un-tersuchungen mit Dummies oder Leichen keineBerücksichtigung finden.

„Blockierungen“

Die sehr häufigen leichteren Gewalteinwirkun-gen auf den Körper von außen führen nicht zueiner Strukturzerstörung, in vielen Fällen ent-stehen dabei aber Funktionsstörungen. Wie ein-gangs angeführt, wird die einwirkende Energieüber die Struktur-Barrieren (Haut, Unterhaut-Fettgewebe, Knochen, Gelenke, Bänder, Sehnenund Muskeln) fortgeleitet und in Form einerDehnung von Kapsel/Bandstrukturen, vor allemaber von Muskeln neutralisiert, die ihrerseitsmit einer reflektorischen Kontraktion reagieren.

Wenn es z.B. beim Sturz auf die Hand nichtzu einem Knochenbruch oder zu einer Zerrei-ßung von Bändern oder Muskeln kommt, wirddie Energie fortgeleitet bis in die Muskeln, diedas Schulterblatt am Rumpf stabilisieren undden Schultergürtelkomplex bilden. Kontrahiertsich also z.B. einer der Sägemuskeln (Serratusant., Serratus post. sup. und inf.), so wird einMuskelzug einerseits auf das Schulterblatt, ande-rerseits auf die Rippen ausgeübt. Kontrahiertsich der Schulterblattheber (Levator scapulae),so erfolgt der Zug am oberen Schulterblattwin-kel und an Halswirbeln.

Eine kräftige und ruckartige Kontraktionkann eine unphysiologische Bewegung einerRippe oder eines Wirbels bewirken und zu einerIrritation von Nervenrezeptoren des Kapsel/Bandapparates eines Wirbel- oder eines Rippen-Wirbelgelenkes und damit zu einer segmentalenoder artikulären Bewegungs- und Funktions-störung (sog. Blockierung) führen.

Dies gilt besonders auch für den kraniozervi-kalen Übergang; dort sind Blockierungen häufiggekoppelt mit mehr oder weniger stark aus-geprägten vegetativen Erscheinungen (Übelkeit,Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Konzentra-tionsstörungen, Schlafstörungen etc.), Kopf-schmerzen und auch Tinnitus. ReflektorischeFolge- und Begleitverspannungen anderer Mus-kelgruppen können im Sinne des Circulus vitio-sus das gesamte Bewegungssystem, einschließ-lich Zwerchfell in den Dysfunktionskomplexeinbeziehen.

Das Zwerchfell hat in diesem Komplexgesche-hen eine herausragende Bedeutung. Es ist inder Lage, emotionale Affektionen wie Schreck,Angst, Trauer, belastende Erlebnisse wie z.B.Unfälle, auch „Beinaheunfälle“ (z.B. Vollbrem-sung ohne Kollision) etc. in Form von Verspan-nungen zu speichern. Die Dysfunktion desZwerchfells hat aber eine Funktionsstörung dergesamten Atemmuskulatur zur Folge, dazugehört eben auch besonders die ventrale Hals-muskulatur.

Im eigenen Patientengut wurden etliche Fällebeobachtet, in denen nach entsprechenden Er-eignissen massive Verspannungszustände desgesamten Bewegungssystemes auftraten, diedurch Lösen der Zwerchfellverspannung zu be-heben waren. Hier sind möglicherweise auchdie Ergebnisse der Placebo-Nullversuche vonCastro und Becke einzuordnen [1].

So sind die häufig nach einer Gewalteinwir-kung nachweisbaren Blockierungen und musku-lären Dysbalancen auch ohne objektivierbarestrukturelle Veränderungen als Unfallfolge anzu-sehen.

Schlussbemerkung

Starkstromverletzungen und Begleiterscheinun-gen bei epileptischen Anfällen [6] mit Muskel-zerreißungen, Luxationen und Knochenbrüchenvermitteln eine Vorstellung davon, welche Kräftebei passiv induzierten, physiologisch unkontrol-

� P. Henning12

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lierten Muskelmassenkontraktionen auftretenkönnen. Die traumatisch induzierte, reflektori-sche, massive Muskelkontraktion erfolgt in derRegel ohne Aktivierung des gesamten Muskel-Nerven-Funktionskomplexes (Agonisten/Antago-nistensystem). Das bedeutet, dass die üblicher-weise vor der geplanten Bewegung des Agonis-ten aktivierte Bremsfunktion des Antagonistenausbleibt. Die selbst bei kräftigsten willkürli-chen Bewegungsabläufen durch nervale Impulsegesteuerte Koordination des arthro-neuro-myo-fascialen Funktionskomplexes wird überraschtund zumindest teilweise außer Kraft gesetzt. Sokann die traumatisch induzierte, reflektorischeKontraktion eines Muskels oder einer Muskel-gruppe ungehemmt und ungebremst ablaufenund zu den genannten Verletzungen führen.

Die Aufzählung hier genannter Verletzungenkann nicht vollständig sein. Letztlich kann fastjeder Muskel unter bestimmten Bedingungenbetroffen sein.

Da reflektorische, unphysiologische Muskel-kontraktionen und ihre Folgen „durch von au-ßen auf den Körper einwirkende Gewalt“ aus-gelöst werden, stellen sie Verletzungen im Sinneder GUV dar. Dies sollte auch bei Begutachtun-gen von Zusammenhangsfragen entsprechendberücksichtigt werden.

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Einleitung

Der Grund warum Distorsionstraumata derHalswirbelsäule (HWS) zu chronischen Schmer-zen führen, bleibt bei vielen Patienten ein Rät-sel. Besonders verwirrend ist die Tatsache, dassoft keine oder geringe objektive Anhaltspunktegefunden werden, die das Ausmaß der Be-schwerden und Behinderungen erklären kön-nen. Ein möglicher Grund der Diskrepanz zwi-schen Feststellung von peripheren Verletzungenund Beschwerden kann darin liegen, dass dieheute zur Verfügung stehenden diagnostischenMittel ungenügend sind, um periphere Verlet-zungen auszuschließen. Ein Beispiel dafür istdie Tatsache, dass Facettengelenksverletzungenbei Obduktionen an Unfallopfern nicht mitComputertomographie (CT) festgestellt werden[19].

Zahlreiche tierexperimentelle Studien habengezeigt, dass periphere Verletzungen zu tiefenVeränderungen der zentralen Verarbeitung dersensorischen Signale führen. Unter anderemwerden Neuronen auf folgende Reize überemp-findlich, die Schmerzareale verbreiten sich auf-grund der Ausbreitung dieser Sensibilisierungauf andere neuronale Gebiete, und inhibito-nische Neuronen sterben ab [18]. Diese Daten –zusammen mit der obenerwähnten Tatsache,dass häufig periphere Verletzungen nicht nach-gewiesen werden können – haben zu neuen Hy-pothesen bezüglich Entstehung der chronischenSchmerzen nach peripheren Traumata geführt.Es ist nämlich denkbar, dass initiale Gewe-beschäden zu einer Sensibilisierung des zentra-len Nervensystems führen, so dass gering-gradi-ge nozizeptive Impulse aus minimal verletztemGewebe zu übertriebenen Schmerzreaktionenführen würden.

Ziel dieses Kapitels ist, anhand der zur Verfü-gung stehenden Daten die mögliche Beteiligung

von neurobiologischen Mechanismen in derChronifizierung der Schmerzen nach einemHWS-Distorsionstrauma zu erläutern.

Mechanismen der zentralen Plastizität

� Spinale Mechanismen

Es ist schon lange bekannt, dass die Sensibilisie-rung der spinalen Neuronen nach peripherenVerletzungen durch Aktivierung der NMDA-Re-zeptoren erfolgt [4]. Verbunden mit der Aktivie-rung der NMDA-Rezeptoren, ist die Exprimie-rung der COX-2-Enzymen im Rückenmark [10].Von großer Bedeutung ist der Befund, dass dieExprimierung der COX-2 nicht auf die Rücken-marks-Neuronen – die mit dem geschädigtenGebiet verbunden sind – beschränkt ist, son-dern im ganzen Rückenmark erfolgt [10]. Ver-antwortlich für die Ausbreitung der zentralenSensibilisierung im ganzen Rückenmark ist dieAusschüttung von Cytokinen aus dem geschä-digten Gewebe, welche dann durch die systemi-sche Zirkulation das ganze zentrale Nervensys-tem erreichen. Dieser Befund ist insofern sehrwichtig, indem er eine neurobiologische Basisfür eine generalisierte Überempfindlichkeit deszentralen Nervensystems nach regionalen Gewe-beschädigungen erklärt.

Als rezeptive Felder bezeichnet man die peri-pheren Areale, die nach entsprechender Reizungeinen spinalen Neuron aktivieren. Die rezepti-ven Felder der Rückenmarks-Neurone verbreitensich nach peripheren Gewebeschädigungen [9].Als Folge darauf kann eine periphere Reizungeine höhere Anzahl von Rückenmarks-Neuronenaktivieren. Somit kann Hyperalgesie durch Rei-zung von peripherem Gewebe hervorgerufenwerden, die sich um den Ort der Verletzung be-finden und selber nicht geschädigt sind (sekun-

Neurobiologie der Schmerzchronifizierung

nach HWS-DistorsionstraumaM. Curatolo

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