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Atriumhäuser Hofhäuser

Maison Atrium

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Atriumhäuser Hofhäuser

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Hans Weidinger

Atriumhäuser HofhäuserNeue Beispiele

Deutsche Verlags-Anstalt

München

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46 Stadtreparatur mit Winkelhofhäusern Wohnhäuser in Leipzig-ConnewitzHertrampf Niehus Architekten, Leipzig

52 Kasbah im Norden Wohnanlage in Krems (A) Ernst Linsberger Architekt, Wien

U-förmige Grundrisse

56 Höfe auf zwei Ebenen Wohnhaus in BattenbergThomas Fabrinsky/Architekten Lenzstraße Dreizehn,Karlsruhe

62 Bandförmige Spange mit Innenhof Wohnhaus in Hard (A)Junger_Beer Architekten, Wien/Lustenau

68 Ein erhabener Patio Wohnhaus in LudwigsburgBottega + Ehrhardt Architekten, Stuttgart

74 Minimierter Hof Wohnhaus in Wien (A)Thaler.Thaler Architekten, Wien

6 Hofhäuser: Mehr gefragt denn je 12 Planungsgrundlagen 20 Werkstattgespräche

25 Projekte

Winkelhofhäuser

26 Auftakt mit Gartenhof Wohnhaus in EichstättRoger Karbe Architekt, Berlin

32 Städtebaulicher Markstein Wohnhaus »Am Cöllenhof« in BonnUwe Schröder Architekt, Bonn

36 Regionale Bautypologie als Vorbild Hofhaus in Marmagen/EifelDenzer & Poensgen, Köln

42 Extreme Bedingungen Zwei Wohnhäuser in Stuttgart 2b architectes, Lausanne

Inhalt

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78 Ein Hof als Auftakt des Hauses Wohnhaus in NeumarktBerschneider Architekten BDA + InnenarchitektenBDIA, Pilsach

84 U-förmig gegabelter Grundriss Wohnhaus in Bergheim (A)Atelier Peter Ebner + Franziska Ullmann Architekten,Wien

88 Ein Hof zwischen Nebengebäuden Wohnhaus in WürzburgGrellmann Kriebel Teichmann Architekten, Würzburg

92 Drei Höfe hinter Rankgerüst Wohnhaus in Nürnbergnetzwerkarchitekten, Darmstadt

98 Überlagerte Patiowohnungen Wohnanlage in Bregenz (A)Lang + Schwärzler Architekten, Bregenz

Atriumhäuser

102 Atrium in der Spirale Wohnhaus am Petrisberg in TrierDenzer & Poensgen, Köln

108 Atrien mit mobilem Glasdach Wohnsiedlung in Allschwil (CH)amrein giger architekten, Basel

Sonderformen

112 Höfe zwischen zwei Schalen Wohnhaus in Marmagen/EifelDenzer & Poensgen, Köln

116 Ein Patio hinter Glas Wohnhaus in Wortel (B)dmvA architecten, Mechelen

122 Ein Hof zwischen Vorder- und Hinterhaus Wohnhaus in TrierMarcus Rommel Architekten, Stuttgart

127 Perspektiven und Varianten

128 Hofbildung im Altbestand 133 Verdichtetes Wohnen um Höfe als städtebauliches Ziel 140 Architekten- und Bildnachweis 141 Literatur 143 Dank 144 Impressum

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6 Hofhäuser: Mehr gefragt denn je

»Dreißig Speichen treffen die Nabe, die Leere dazwischenmacht das Rad. Lehm formt der Töpfer zu Gefäßen, die Lee-re darin ergibt das Gefäß. Fenster und Türen bricht man inMauern, die Leere darin macht die Behausung. Das Sichtbarebildet die Form eines Wertes, das Unsichtbare macht seinenWert aus.« Lao Tse, elfter Spruch aus dem Tao Tê King

Târma, Peristyl, Atrium, Patio, Gartenhof:Werdegang eines Bautypus

Das Hofhaus hat eine lange Tradition, die sich in vielen Vari-anten widerspiegelt. Vielleicht ist es die einzige erfolgreicheUrform der Behausung, welche anders als die »Urhütte«auch Lagen mit großer Gefährdung trotzte. Die Introvertiert-heit der Häuser gewährte in archaischen Zeiten Schutz vorwilden Tieren oder feindlichen Stämmen. Darüber hinaus bo-ten Höfe in ariden Wüstenzonen Schutz vor praller Sonne,im gemäßigten, nördlichen Klima dienten sie als Pufferzonegegen Wind und Wetter. Frühgeschichtliche Kulturen blüh-

ten in den zur Besiedlung günstigen Niederungen großerFlusstäler des Vorderen Orients auf: am Euphrat und Tigrisim heutigen Irak, am Nil in Ägypten oder am Indus im heu-tigen Pakistan (siehe Abb. 1). Der wertvolle, landwirtschaft-lich nutzbare Boden wurde weitgehend unbebaut belassen.Wenn dies nicht möglich war, wurde die Bebauung in engenGebäudeteppichen – sogenannten Clustern – dicht anein-andergedrängt. Neben wirtschaftlichen Zwängen standendamals auch kosmologische Vorstellungen hinter der Bau-typologie der Behausungen, wie dies in manchen afrikani-schen Kulturen heute noch nachvollzogen werden kann:Dort besteht das eigentliche »Haus« aus einer hohen Mauer,die den Wohnraum gewissermaßen als Ausschnitt aus derNatur »einhaust«. Demnach wartet ein Besucher auch andieser Außenmauer auf Einlass: Die Hoftüre ist gleichsam dieSchwelle des Hauses. Die Hütten der einzelnen Bewohnerstehen frei innerhalb dieser Begrenzung; unter einem gro-ßem Baum wird gekocht. Der ummauerte Freiraum fungiertnach innen als neutraler Puffer zwischen den privaten Sphä-ren und nach außen als Sinnbild für die Besetzung des Lan-des durch die Sippe (siehe Abb. 2). In den ersten Hochkul-turen, zum Beispiel im alten Ägypten, wurde der Hof wegender beschützten Intimität auch als Sinnbild des Weiblichenund damit als Symbol der Fruchtbarkeit mythisch überhöht.Mit fortschreitender Zivilisation wurden die losen Ansiedlun-gen komplexer und verlangten nach zusätzlicher Verdich-tung. Größere Wirtschaftshöfe bäuerlicher Familien kamenneben kleineren Höfen handwerklich tätiger Sippen zu lie-gen. Als Baumaterial benutzte man meist ungebrannteZiegel. In der mesopotamischen Stadt Ur wurde bereits imdritten Jahrtausend v. Chr. ein zweigeschossiger Hoftyp ent-wickelt, dessen Nachfolger im heutigen Irak als »Târma«(siehe Abb. 3), weiter westlich in der heutigen Türkei als»Hayat« bezeichnet wird. Die zum Hof hin geneigten Dächerentwässerten in ein offenes Atrium. Wie die vorderasiati-schen Flusstäler wurden auch Chinas fruchtbare Lössebenenund Stromniederungen immer wieder von nomadischen Völ-kern aus den mongolischen Steppen angegriffen, wovonheute noch die Chinesische Mauer ein wehrhaftes Zeugnis

Hofhäuser: Mehr gefragt denn je

1 Wohnhausviertel mit vielen Innenhöfen in der von Archäologen freige-

legten Stadt Mohenjo Dare am Indus aus dem dritten Jahrtausend v. Chr.

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Hofhäuser: Mehr gefragt denn je 7

ablegt. Früh wurden Einzelgehöfte zur Abwehr von Eindring-lingen mit übermannshohen Mauern umzingelt (siehe Abb. 4).Aus der konfuzianischen Denkweise leitet sich eine ethisch-moralische Verbundenheit des Einzelnen gegenüber demGanzen ab, was sich bildhaft am Ordnungsschema der Bau-ten ablesen lässt. Das Hofhaus ist gewissermaßen der Ur-Baustein, das Atom der Stadt. Darin symbolisiert der Hof dasZentrum der Welt, das Tao. Während der Sockel des Gebäu-des für das dunkle, erdige Prinzip Yin steht, symbolisiert dasDach das leichte, himmlische Yang. Die frühen bedeutendenStädte der Han- oder Chou-Dynastien wie Peking oder Kan-ton wurden mit einem Orthogonalraster nach den Haupt-

Himmelsrichtungen angelegt. Die teilweise bis zu 70 m tie-fen Baublöcke wurden durch parallel hintereinander liegendeGebäuderiegel – lediglich unterbrochen von Gartenhöfen –bebaut, die viel Platz für die großen Sippen schufen. WernerBlaser, Architekt und Schüler Mies van der Rohes, hat in sei-nem Buch Hofhaus in China komplexe Grundrisse veröffent-licht, die zum Beispiel den Alleehaustyp des Hu-T’ung-Hauses aus Peking dokumentieren, der leider als Folge deswirtschaftlichen Booms durch Planierraupen zunehmenddezimiert wird. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sechs wesentlicheKriterien zur frühkulturellen Erfolgsgeschichte des Hofhausesbeigetragen haben: Erstens konnte die zentrale Feuerstättewirkungsvoll entraucht werden; zweitens war bereits mit 5 bis 10 m2 Größe eine relativ gute Belichtung der angren-zenden Räume zu gewährleisten; drittens dienten Höfe als»Drehscheibe« der internen Erschließung; viertens wurde ein geschützter Arbeitsraum im Freien geschaffen; fünftenskonnte dank der Kaminwirkung eine effektive Luftzirkulationerreicht werden und sechstens konnte im Windschatten einzeitweiliges Wärmepolster bei ungünstiger Witterung erzieltwerden. Da die ersten europäischen Kulturen – erst die Mi-noer, dann die Griechen, die Etrusker und später die Römer –über Handelsbeziehungen zu kleinasiatischen Kulturen ver-fügten, adaptierten sie die dort üblichen Häuser mit säulen-umstandenen Höfen – den bereits erwähnten Târmas. Ausdiesem Typus entwickelten die Griechen das Peristyl (sieheAbb. 5), einen Hof mit umlaufender Arkade, so dass mantrockenen Fußes von einem Zimmer zum nächsten gelangenkonnte. In der weiteren Folge taucht das etruskische Atriumauf, dessen Umfassung aus geschlossenen Wänden wie beieinem Zimmer ohne Dach besteht. Atriumhäuser wie das derpatrizischen Vettier im römischen Pompeji, das durch denVulkanausbruch des Vesuv für die Nachwelt konserviert wur-de, zeigen eindrucksvoll, welch innenräumliche Qualität diese

2 Das kosmologische Weltverständnis afrikanischer Kulturen – wie hier

der Banani – spiegelt sich in der anthropomorphen Form des Hauses

wider. Der Hof ist der Bauch, um den sich die Hütten der einzelnen

Bewohner scharen. Das runde Kopfgebäude am Ende ist – nomen est

omen – dem »Häuptling« vorbehalten.

4 Stich einer Darstel-

lung von ländlichen

Wohngehöften in

China um 1900.

3 Isometrie eines Hofhauses mit doppelgeschossigem Säulenumgang

(Târma) in Bagdad.

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8 Hofhäuser: Mehr gefragt denn je

Bauweise bot. Die Mischung von größeren Villen von ein-flussreichen Familien mit kleineren, einfachen Häusern vonAckerbauern oder Handwerkern war gang und gäbe. Wohl-habende besaßen größere Häuser mit zwei und mehr Höfen.Die Vorteile eines römischen Atriums (siehe Abb. 6) liegenauf der Hand: Einerseits diente die Wasserfläche, das Implu-vium, in den heißen Sommermonaten der Kühlung, anderer-seits konnte Regenwasser sauber gefiltert und in Reservoirsabgeleitet werden. Dadurch waren die Hausbesitzer in was-serarmen Gegenden unabhängig von öffentlichen Brunnen. Im Machtvakuum, das sich in Vorderasien durch die Auflö-sung des Römischen Reichs auftat, konnten sich ab demsechsten Jahrhundert islamische Nomadenkulturen ausbrei-ten, die im Laufe der Zeit, sobald sie sesshaft wurden, dieBautypologie des Hofhauses weiter verfeinerten. Nomadi-sche Kultur ist eng mit Textilien verwoben, die als Zelt oderTeppich auch in unsere Kultur Eingang fanden. Textilien ste-hen im Islam symbolisch für das Verhüllende, Bergende. InReminiszenz an das Nomadenzelt wurde das Haus zur ge-schützten Sphäre der Frauen und Kinder. Strenge Tabus fürmännliche Besucher kennzeichnen diesen Charakter. Deshalbweist das arabische Hofhaus auch zwei getrennte Bereicheauf: einen öffentlichen und einen verschlossenen, den Ha-rem. Textilähnlich ziselierte Holz- oder Steingitter schirmendie Zonen optisch voneinander ab. Nach außen hin wurdendie ursprünglich nur der Belichtung und Belüftung dienen-den Höfe durch hohe Mauern geschützt. Stefano Bianca,Städteplaner und Orientalist, benennt in seinem Buch Hof-haus und Paradiesgarten einen weiteren Faktor arabischerUrbilder, der auch die Ausformung der Höfe beeinflusste:»Das fließende Wasser ... spielt in der islamischen Kultur einebesondere Rolle: Seine Unentbehrlichkeit als lebensspenden-des Element war für die Wüstenrandbewohner eine täglicheund sehr reale Erfahrung; die schattige Oase und der bewäs-

serte Garten waren die irdischen Wunschbilder, die ihnen vorAugen schwebten.« Wenn man dieses Leitmotiv der islami-schen Kultur vom Standpunkt ehemaliger Wüstenbewohnerweiterverfolgt, wird deutlich, dass »die beherrschende Vor-stellung, die Zelt, Haus und Stadt verbindet, ... jene des Ge-gensatzes von Natur und Architektur« ist und damit »jedeVerwischung der Grenzen im Sinne des Ineinanderfließensbeider Sphären ... vermieden wird. Zwar wird auch das Au-ßen oft wieder ins Innen hereingeholt, doch ist es dann einStück verwandelter und gehobener, oft auch sublimierterNatur, das innerhalb der schützenden Mauern der Architek-tur neu hergestellt wird, wie es in so vielen Innenhöfen undGartenhöfen der islamischen Architektur der Fall ist.« Diefeine Gestaltung und plastische Ausformung von Höfen lässtsich am besten in Andalusien, das beinahe 700 Jahre langvon den arabischen Mauren beherrscht wurde, im Löwen-oder im Myrtenhof (siehe Abb. 7) der Alhambra vor Augenführen. Aber auch in den ehemals maurischen Altstädtenvon Granada, Sevilla und Cordoba finden sich hervorragendeBeispiele von einfachen Innenhöfen, die in Spanien nachdem katalanischen Wort pati (= Hof) Patios heißen. Im Zugeder portugiesisch-spanischen Conquista im 14. und 15. Jahr-hundert verbreitete sich mit den Eroberern in Süd- und Mit-telamerika auch das Konzept des Patios. Im 19. Jahrhundertwurde dieser Wohnhaustyp von den mexikanischen Einwan-derern in den nordamerikanischen Grenzregionen Kalifor-nien, Arizona und New Mexico »eingebürgert«. NachdemKalifornien 1895 als Bundesstaat zu den Vereinigten Staatenhinzukam, begannen die neuen Ansiedler aus dem Ostender USA, die ihnen fremden Patio-Grundrisse zu adaptieren,und leiteten somit ein Revival des »Spanischen Kolonialstils«ein. Hier schließt sich unser Kreis: Das Hofhaus hatte seinenSiegeszug rund um den Erdball vollendet. Bis auf eine kurzeBlütezeit um 1960, bei der in Europa und Nordamerika ins-

6 Einfaches römisches Atriumhaus mit einem zusätzlichen kleinen

Gartenhof. Nach innen geneigte Dächer entwässerten in ein Auffang-

becken.

5 Griechisches Hofhaus in Priene mit einem säulenumstandenen Peristyl,

das sich auf vorderasiatische Frühformen zurückführen lässt und ursprüng-

lich im Tempelbau angewendet wurde.

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Hofhäuser: Mehr gefragt denn je 9

besondere Gartenhofhäuser etwas in Mode kamen, führtder Haustypus derzeit eher ein Aschenputteldasein, da aufden meisten Baugrundstücken Grenzabstände und Brand-wände die Anwendung einschränken, wenn nicht gar un-möglich machen. Nach diesem kleinen bauhistorischen Aus-flug soll im Weiteren die heutige Situation näher beleuchtetwerden.

Verdichtetes Wohnen – Ein ökologisches Muss

Der ungebrochene Wunsch nach den eigenen vier Wänden,nach einer frei stehenden »Villa« im Grünen (siehe Abb. 8)bewirkt zum einen die Flucht vor der Stadt, zum anderen inden Städten selbst deren Entdichtung. Lösungsansätze dazuwerden seit langem diskutiert. Positive Vorschläge, diesenTrend, der neben anderen Faktoren zum ökologischen Desas-ter der Moderne beiträgt, zu stoppen, werden von Entwick-lungen am Wohnungsmarkt unterlaufen. Zur EXPO 2000wurde deshalb im Auftrag des Bundesministeriums für Ver-kehr, Bau und Wohnen eine Studie zur Zukunft der Städteunter dem Titel »Urban 21« erstellt. Tenor dieses Experten-

berichts: »Die Stadtplanung muss ... mit dem Immobilien-markt Hand in Hand arbeiten, um sowohl den Bedarf anstädtischem Bauland als auch den nach offener Landschaftbefriedigen zu können ... Die Spannung zwischen räumli-chem Städtewachstum, der Notwendigkeit, Ökosysteme zurespektieren, und der immer gravierenderen Knappheit anRessourcen ist einer der grundlegendsten Widersprüche derMenschheit.« Gerade unbebauter Boden ist zu einer derwertvollsten Ressourcen geworden. Obwohl in Europa dieGeburtenzahlen schwinden und damit in einigen Regionenerstmalig das Phänomen von schrumpfenden Städten auf-taucht, bleibt auch hier der weltweite Trend der Urbanisie-rung bestimmend. Der Anteil der Bevölkerung, der in Städ-ten lebt, wird von 47% (Stand 1995) auf 61% im Jahr 2025ansteigen. Angesichts der sich ins Umland ausweitendenStadtagglomerationen – einige Fachleute sprechen von der»Zwischenstadt« – gilt es also, über zusätzlich mögliche Ver-dichtungen nachzudenken, wie sich unbebaute Bodenflä-chen schonen lassen. In den Ballungsräumen wurde Grundund Boden neben weiteren Faktoren wie niedrige Krimina-lität oder geringe Lärmbelästigung zu einem Luxusartikel.Die spekulative Bewertung des Bodens bei Immobilien hatsich zu einem Kernkonflikt städtischen Wachstums ent-wickelt. Bereits um 1967 verunsicherte der Architekturkriti-ker Marshall McLuhan Befürworter einer urban orientiertenStädtebaupragmatik mit dem damals in Fachkreisen vielzitierten Satz: »Die Stadt existiert nicht mehr, es sei denn alskulturelles Trugbild für Touristen.« Zehn Jahre später beklagtAlexander Mitscherlich »die Unwirtlichkeit unserer Städte«.Illusionslos konstatierte unlängst der international renom-mierte, holländische Architekt Rem Koolhaas: »Die euro-päische Stadt gibt es nicht mehr.« Nach dem Ableben desUrbanismus, gäbe es »nur noch Architektur und Architekturund nochmals Architektur«. Die Unzufriedenheit mit dermodernen Stadt hat eine ebenso lange Tradition wie ihreEntstehungsgeschichte. Der Bruch zwischen den »Ideolo-gen« der Gartenstadt und den »Nostalgikern« der traditio-nellen Stadt ist schon lange nicht mehr zu kitten. Die Binde-glieder zwischen den einzelnen Gebäudesolitären sind dem

7 Myrtenhof in der Alham-

bra: Wasser spielt eine

bedeutende Rolle in den

arabischen Hofhäusern.

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10 Hofhäuser: Mehr gefragt denn je

Chaos des Verkehrs und dessen Infrastruktur aus Brücken,Auffahrten, Parkplätzen und anderen Leitsystemen geopfertworden. Das Dilemma, den Spagat zwischen optimaler Mo-bilität und beherrschbaren Stadträumen zu meistern, scheintalso kaum lösbar zu sein. Ökologisch nachhaltiges Handelnverpflichtet uns aber gegenüber den nachfolgenden Genera-tionen, die Überlebensfähigkeit städtischer Komplexe zu si-chern. Dazu werden auch ausgereifte Überlegungen zur Ver-dichtung des Wohnraums erforderlich werden: Die vertikaleAddition durch Stapelung von Wohnungen in Hochhäusernoder deren lineare Addition zu Reihenhäusern werden sichernicht die einzig möglichen Konzepte sein, obwohl die bau-technischen und wirtschaftlichen Vorteile nicht von der Handzu weisen sind. Während in Hochhäusern oder Wohnblö-cken oft die Anonymität beklagt wird, vermissen die Bewoh-ner von eng bebauten Reihenhaussiedlungen private Intimi-tät im Garten. Dagegen bietet sich als Gegenmittel jeglicheForm von Hofbildung (siehe Abb. 9) in mehr oder wenigerkleinteiligen Baukomplexen an. Das oberste Prinzip dieserBauform darf dabei nicht verletzt werden: uneinsehbare Pri-vaträume selbst bei minimalem Platzbedarf. Nach der weit-gehenden Trennung von Wohnung und Arbeitsplatz in derindustriellen Revolution vor 150 Jahren löst sich die damalsforcierte Funktionalisierung der Stadtviertel heute wiederauf. Da diese Evolution nicht nur in den entwickelten Län-dern zu beobachten ist, werden Städte informeller werdenmüssen, um Dienstleistungen und den dafür aufzuwenden-den Zeitaufwand an Transport und Entsorgung möglichsteffektiv und kleinräumig abzuwickeln. Der Privatsphärewächst daher die Aufgabe zu, den räumlichen Rückzug desEinzelnen vor dem komplexen Alltag immer besser bewerk-stelligen zu müssen. Der Wohnraum wird vor dem zuneh-mend schnelleren und lauteren Verkehr zu schützen sein.

Das Hauptinteresse wird aber in Zukunft nicht dem Kern derStädte gelten, sondern deren Randzonen, die fortschreitendins Umland diffundieren. Die Diskrepanz zwischen Stadtkernmit hoher Baudichte bei geringer Bewohnerzahl und Stadt-rand mit geringer Baudichte bei relativ hoher Bevölkerungs-anzahl wird überwunden werden müssen. Einer der mög-

8 Im Luftbild einer Senioren-Enklave in Florida/USA werden die Aus-

blühungen unserer allein auf Individualität abzielenden Wohnform

Nummer eins sichtbar: Das Überhandnehmen von frei stehenden

Einfamilienhäusern ruft neben einem städtebaulichen Einheitsbrei

auch eine ökologische Belastung hervor.

9 Baumeistercarrée von GJL Architekten/Karlsruhe: Durch die Anordnung

von Nebengebäuden und die Umwehrung durch eine hohe Mauer kann

auch bei engen Reihenhausgrundstücken eine relativ intime Wohnatmo-

sphäre geschaffen werden.

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Hofhäuser: Mehr gefragt denn je 11

lichen Ansätze könnte darin bestehen, gering verdichteteStadträume partiell mit hoch verdichteten Inseln »aufzufor-sten«, dabei aber bestehende Grünbereiche als schnell er-reichbare Erholungszonen zu schonen. Und was böte sichzur »Reparatur« undefinierter Stadtränder besser an als Hof-häuser, die wenig Platz beanspruchen, aber dennoch groß-zügig und luxuriös sein können (siehe Abb. 10)? Auch ver-meiden sie die aufdringliche und marktschreierische Aura,wie sie die städtebauliche Dominanz erheischenden, auf-wendig gestalteten Villen und architektonischen Ikoneneinfordern. Doch Unterordnung ohne Gesichtsverlust ist ein-facher gesagt als getan. Auch Hofhäuser unterliegen Pla-nungsprinzipien, auf die im nächsten Kapitel eingegangenwerden soll.

10 1928 formulierte

Mies van der Rohe

seine tektonische

Prämisse so: »Von

innen nach außen

und von außen nach

innen.« Dieser Ent-

wurf mit drei Hof-

häusern als Wohn-

gruppe lebt vom

Spiel aus geschlosse-

nen Mauerscheiben

und Glasflächen.

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Page 12: Maison Atrium

12 Planungsgrundlagen

Das Korsett der Bebauungspläne

In allen Kommunen besteht für das gesamte, also auch dasnicht bebaute, Gemeindegebiet ein Flächennutzungsplan,der die Art der Bodennutzung wie Wohn- oder Industriege-biete, Erholungs- oder Ackerflächen für langfristige Zeiträu-me festschreibt. Darin lassen sich Möglichkeiten der Nachver-dichtung von bestehenden Siedlungen oder die Präferenzvon bestimmten Siedlungsformen konkretisieren. Jenseitsdieses politischen Kontrollmediums sind städtebauliche Rah-menpläne dafür verantwortlich, dass die Zielvorstellungen ei-ner Kommune entlang von verbindlichen Leitlinien definiertwerden können, die in künftige Regularien einfließen. In Vor-bereitung öffentlicher Diskussionsforen greifen viele Kommu-nen auf externe Gutachter zurück, die die noch informellePlanung in kontroversen Szenarios und Planungsschrittenausarbeiten und dann unparteiisch beurteilen. Im Zuge derweiteren Planung können damit im Rahmen eines städtebau-lichen Wettbewerbs alternative Lösungsmöglichkeiten unter-sucht werden. Gerade bei schwierigen Baugebieten lassensich so die Handlungsspielräume abtasten. Im Rahmen derAuslobung und Durchführung dieser Wettbewerbe werdenBürger und sonstige Beteiligte für Vor- und Nachteile flächen-sparenden Bauens sensibilisiert. Dieser demokratische unddaher auch langwierige Prozess mündet nach den vorange-gangenen Gutachten und Wettbewerben in rechtsverbind-lichen Festlegungen in Bebauungsplänen. Diese liegen vorVerifizierung öffentlich aus, damit auch Gegenstimmengehört werden können. In strittigen Fällen muss dieser Planmehrmals überarbeitet werden. In diesen Bebauungsplänenwerden die Art der baulichen Nutzung, die maximalen Ge-bäudeabmessungen, die Dachneigung, die Anzahl der vollnutzbaren Geschosse und vieles mehr fixiert. Hier liegt aber

das Problem, wenn diese Festlegungen schon Jahrzehnte altsind. Da früher die meisten Bebauungspläne in Wohngebietenfrei stehende Gebäude favorisierten – ja fest zementierten –ist die Wahrscheinlichkeit, dort ein Hofhaus unter Berücksich-tigung entsprechender Baulinien errichten zu können, gleichnull. Die üblichen Baufenster, das heißt die möglichen Flächen,wo das Gebäude stehen kann, sind eingeengt durch Grenz-abstände, die nach den jeweiligen Landesbauvorschriften ge-regelt werden. Nur in begründeten Einzelfällen werden Aus-nahmen erlaubt. Gerade also am Stadtrand und in geringbebauten Stadträumen ist eine Verdichtung mit den bau-typologisch dafür bestens geeigneten Hofhäusern rechtlichschwierig, aber nicht unmöglich- wie einige der in diesemBuch dargestellten Projekte unter Beweis stellen können. Insogenannten Kerngebieten, also hoch verdichteten Stadttei-len, gelten dagegen andere Abstände. Hier wird eine urbaneDichte gewünscht und daher die Abstandsregelung erleich-

Planungsgrundlagen

11 Doppelhaus in Stuttgart von Lederer-Ragnarsdottir-Oei: Zwischen

Garage und Wohnhaus ergibt sich ein geschützter, kleiner Vorhof, der

im Sommer den Kindern als willkommene Erweiterung des Hauses dient.

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Page 13: Maison Atrium

Planungsgrundlagen 13

das Atrium umlaufenden Flur. Diese Grundrisstypologie löstsich in heutigen Häusern zugunsten von direkt an das Atri-um angrenzenden Räumen auf. Ein Baumeister, der sich inunseren Tagen dem Atriumhaus verschrieb, muss hier ge-nannt werden. Der unlängst verstorbene Architekt Heinz Bie-nefeld beschäftigte sich ausgiebig mit griechisch-römischenBauten, untersuchte deren Bauweise, deren Proportionenund Raumqualitäten. So entdeckte er das Atrium und dasPeristyl als heute noch entwicklungsfähige Konzepte imWohnungsbau. Nach dem Tod des Vaters führt dessen SohnNikolaus das Büro kongenial fort. In den Gebäuden aus derFeder des Büros (siehe Abb. 12, 13) wird deutlich, dass dieArbeit dort ansetzt, wo die Römer aufgehört haben. Jenseitsvon billigen Kopien erheben die Gebäude nicht nur als Bau-werk an sich, sondern auch von den theoretischen Wurzelnher einen Anspruch auf eine lange Halbwertszeit. Feine De-tailarbeit, die Auswahl traditioneller Materialien bezeugen,

tert. In eng zusammengewachsenen Zentren können selbstdicht bebaute Grundstücke (siehe Abb. 11) mit Umfassungs-mauern und gezielt platzierten Nebengebäuden eine typolo-gisch nur dem Hofhaus eigene Qualität gewinnen: Privatheittrotz engem Raum.

Typologische Unterschiede bei Hof- und Atrium-häusern

Wer dem Vorspann dieses Buchs aufmerksam gefolgt ist,wird eine Begriffsvielfalt festgestellt haben, die sich an dentypischen Hofhausgrundrissen festmachen lässt. VereinfachteGrafiken und Symbole sollen im Folgenden die wesentlichenMerkmale darstellen. Zusätzlich werden ihre Vor- und Nach-teile kurz erläutert. Es werden nur die gängigsten Typen ge-zeigt: Beispiele mit terrassierten Anordnungen an steilenHängen bleiben hier daher unerwähnt. Gemeinsames Merkmal aller beschriebenen Hoftypen: Siegehorchen der von Adolf Loos in seiner Schrift Heimatkunstgeforderten Maxime: »Das Haus sei außen verschwiegen, imInneren offenbare es seinen ganzen Reichtum.«

Atrium (Abb. 14)

Das Atriumhaus in seiner reinen Form existiert bei uns kaummehr, da allseits von Türen geschlossene Höfe nicht mehr alsVerkehrsfläche dienen. In unseren unbeständigen Klimazo-nen sind Grundrisse notwendig, die den Hof wetterfest vonden umliegenden Räumen abschotten. Ursprünglich dientedas Atrium nicht nur der Belichtung, sondern auch der Er-schließung. Heute werden Hallen mit festen Dachverglasun-gen ebenso als Atrien bezeichnet, was sie aber – genau ge-nommen – gar nicht sind. Dennoch wollen wir den BegriffAtrium beibehalten. Unter einer Größe von etwa 10 m2 istein Atrium nicht mehr als Aufenthaltsraum geeignet unddient als sogenannter »Lichthof« ausschließlich der Belich-tung tiefer Gebäudegrundrisse. Atriumhäuser besaßen ur-sprünglich einen von einer auskragenden Traufe gedeckten,

12 Modell eines Atri-

umhauses mit zwei

Höfen von Nikolaus

Bienefeld.

13 Blick in das Atri-

um eines Hauses in

Lohmar: Die Archi-

tektur von Nikolaus

Bienefeld führt die

klassische Sprache

des Vaters fort.

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Page 14: Maison Atrium

14 Planungsgrundlagen

dass der Erfolg nicht in plakativen Avantgarde-Moden ge-sucht wird.

Hofhaus in U-Form (Abb. 15)

Nur dreiseitig geschlossene Höfe haben den Nachteil, dassdie Abschirmung des Hofes und der umliegenden Gebäude-flügel lediglich durch eine Wand oder wandähnliche Kon-struktionen wie Gitter oder semitransparente Gläser erreichtwird. Die Wirksamkeit, Lärm und Schall zu absorbieren, istgegenüber den allseits geschlossenen Varianten einge-schränkt. Gegenüber dem Atriumhaus, dessen Hof ohne Be-achtung der Himmelsrichtung sich im Zentrum des Gebäudesbefindet, kann diese Variante auf eine bevorzugte Himmels-richtung orientiert werden, um entweder einen Ausblick indie Landschaft zu gewähren oder Sonnenlicht einzufangen.

Winkelhofhaus (Abb. 16)

Bei engsten Bauparzellen unter 300 m2 Fläche ist diese Formgut geeignet, da eine Hofgröße von 25 bis 40 m2 ausreicht,um die in den Hof weisenden Räume ausreichend zu belich-ten. Durch serielle Anordnung, siehe dazu auch das nachfol-gende Kapitel, lassen sich diese Hofhaustypen zu großen»teppichartigen« Siedlungen kombinieren. Für die Orientie-rung der Hoffassaden ist beinahe ausschließlich Südost oderSüdwest zu empfehlen, sofern eine ungünstige Lärmbeein-flussung nichts anderes nahelegt.

Hofhaus mit zwei Höfen in H-Form (Abb. 17)

Dieser Typ kommt hauptsächlich dort zur Anwendung, wodie Eingangssituation exakt gegenüber einem kleinen Gartenliegt. Durch den Querflügel werden zwei Höfe voneinandergetrennt, die in der Regel auch in ihrer Nutzung und Funk-tion verschieden geprägt sind. Während der vordere Hof da-zu dient, Licht in die straßenseitigen Räume zu bringen undgleichzeitig den Eingang zu akzentuieren, belichtet der hin-tere Hof die vom Lärm abgeschotteten Schlafräume und bil-

det zum Beispiel den Auftakt zu einem weiteren Garten. DieDimensionierung der Höfe ist wesentlich von der Himmels-richtung und den Gebäudehöhen abhängig. Auf diese Ab-hängigkeit wird später noch eingegangen.

Hofhaus mit zwei Höfen in T-Form (Abb. 18)

Im Unterschied zum Winkelhofhaus lässt sich dieser Typschlecht zu größeren Komplexen addieren, da die gegenseiti-ge Lärmbeeinträchtigung über die Hofmauern hinweg eineerhebliche sein kann. Bei größeren Parzellen bietet sich die-ser Typ an, um zwei unterschiedliche Funktionsbereichevoneinander zu scheiden und mit separat zu nutzenden Frei-bereichen zu umgeben. So könnte ein Hof mehr den Schlaf-räumen zugeordnet sein und der andere mehr den allgemei-nen Lebensbereichen. Denkbar wäre auch eine Unterteilungin Kinderhof und Erwachsenenhof. Wenn die Höfe als Zu-gangsbereich dienen, können auch voneinander getrennteEinheiten mit Einliegerwohnungen unter einem Dach ihrejeweilig privaten Zonen erhalten.

Addition von Hofhäusern zu Gruppen

Das wesentliche Merkmal von Hofhäusern besteht darin,dass sie sich anders als frei stehende Gebäude potenziellganz nach innen orientieren. Somit können die Außenwändebis auf die Zugangsfassade als geschlossene Brandwändeausgebildet werden, wodurch Reihungen und flächenhafteAnordnungen möglich werden. Die Abschirmung nach au-ßen wiegt die Öffnung nach innen auf, wenn uneinsehbare»Zimmer ohne Dach« gewonnen werden. Man könnte diesauch als »Igel-Prinzip« bezeichnen: außen harte Stacheln,innen weicher Kern. Die hermetisch geschlossenen Außen-wände von Atrien- oder Patiohäusern erlauben deren Grup-pierung zu kleinen Haus-Gruppen (siehe Abb. 19) oder sogargrößeren Wohngebieten, die nach dem englischen Fachbe-griff »Cluster« genannt werden. Ab 1960 entstanden in denUSA, in Skandinavien und Mitteleuropa viele solcher Garten-

15 Schema eines U-

förmigen Hofhauses.

16 Schema eines

Winkelhofhauses.

17 H-förmiger

Grundriss mit zwei

Höfen.

18 T-förmiger Grund-

riss mit zwei Höfen.

14 Schema eines

Atriumhauses.

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Planungsgrundlagen 15

hofsiedlungen, die zum Teil sogar autofrei waren. EngeWohngassen spiegeln die maghrebinischen Vorbilder (sieheAbb. 22) wider. Während bei der Addition von Atrien Tep-pichsiedlungen leicht möglich sind, solange die Zugänglich-keit gesichert ist, sind die Hofhäuser mit Mittelhöfen (sieheAbb. 21) nur durch Versatz der Höfe gegen Lärmbelästigungund Einblicke der Nachbarn untereinander zu schützen. Da-durch ergeben sich unbefriedigende Vorgärten, sofern diesenicht als halböffentliche Flächen zu Weg- oder Platzausbuch-tungen umgewidmet werden. Die mit Sicherheit am meisten

angewandte Form der Addition ist diejenige von Winkelhof-häusern zu sogenannten Kettenhäusern: Gartenhöfe wech-seln sich mit Wohnflügeln ab (siehe Abb. 20). Aus der spie-gelbildlichen Koppelung mit einer zweiten KettenhofreiheRücken an Rücken resultieren einerseits geschlossene Stra-ßenfronten und andererseits intime Wohnhöfe. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts führten städtebau-liche Fragen zu regelrechten Disputen zwischen den damali-gen Wortführern der Moderne. Neben der Standardisierung,Reihung und Stapelung von Wohnungen wurden auch eben-erdige Hofhäuser diskutiert. Walter Gropius vom Bauhausäußerte sich darüber sehr kritisch und behauptete, sie wärenfür den Massenwohnungsbau untauglich, da ihre Einge-schossigkeit »die Verneinung und Auflösung der Stadt« be-deute. Weniger dogmatisch argumentierte dagegen LudwigHilbersheimer, der mit seinem Freund Hugo Häring an Unter-suchungen über die Wirtschaftlichkeit von Einfamilienhäu-sern arbeitete. Er antwortete auf Gropius’ Bedenken: »Es istfalsch, dies als Entweder-Oder-Position darzustellen. Zielmuss es sein, jedermann seine eigene Wohnung wählen zulassen ... Niedrige Häuser mit Garten sind besser geeignetfür Familien mit Kindern, während Paare ohne Kinder oderAlleinstehende Hochhäuser mit Gemeinschaftseinrichtungenbevorzugen.« Er sprach sich deshalb – auch aus ästhetischenGesichtspunkten – für gemischte Siedlungen mit hohen undniedrigen Baukörpern aus. Die gegenseitige Beeinträchti-gung nebeneinander stehender Häuser führte Hilbersheimerletztlich zu winkelförmigen Grundrissen (siehe Abb. 23), dieVorbild für alle folgenden Lösungen in dieser Richtung wur-den. Ein südorientierter Flügel mit dem Wohntrakt beher-bergt in der schlecht zu belichtenden Winkelecke Nassräu-me. Die Küche ist nordwärts zum Eingang orientiert. Über

19 Schematische An-

ordnung von Atrien

zu Teppichsiedlungen.

22 Luftbild der alge-

rischen Oasenstadt

El Oued.

20 Schema einer

Kettenhaus-Siedlung.

21 Schema mit ver-

setzten Häusern mit

Mittelhöfen.

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16 Planungsgrundlagen

einen Stichflur werden ostseits zum Hof ausgerichteteSchlafräume angedient. Dass die Gartenhofsiedlungen der1960er-Jahre heute in Misskredit geraten sind, liegt vermut-lich daran, dass deren stereotype Anordnung in den Bebau-ungsplänen den erhofften Erfolg konterkariert. Einer derdamals renommierten Architekten, Ot Hofmann, der vieleGartenhofsiedlungen gebaut hat, kritisiert in seinem BuchNeue urbane Wohnformen die Leichtgläubigkeit derjenigen,die meinen, in der arabischen Kasbah läge alleine die Lö-sung: »Wenn die Gebiete zu groß werden, stellt sich oftMonotonie ein, da den eingeschossigen HofhausteppichenMonumentalität im positiven Sinne fehlt.« Er weist fernerdarauf hin, dass ein »wesentlicher Nachteil der Teppichbe-bauung ... ihre Starrheit ist«, und fügt ergänzend hinzu, dass»überhaupt viel Fingerspitzengefühl dazu gehört, eine ge-lungene Gartenhofsiedlung zu bauen.« Zum Schluss diesesKapitels soll eine Möglichkeit nicht verschwiegen werden,die aus dem städtischen Kontext seit Einführung der Passa-gen im 19. Jahrhundert nicht mehr wegzudenken ist: dieAneinanderreihung von Innenhöfen zu einem Verbund (sieheAbb. 24). Sicher ist dieser Typus bei Einfamilienhäusern kaumanzutreffen, da die üblichen Grundstücksparzellen dafürschlicht zu klein sind. Sinn machen solche Anordnungen beigrößeren zusammenhängenden Wohnkomplexen, wenn diegegenseitige Öffnung der Höfe zueinander kein Problemdarstellt.

Besonderheiten bei der Gestaltung

Bei zwei- oder mehrgeschossigen Gebäuden lassen sich Hof-haussiedlungen zusätzlich durch Höhenstaffelung berei-chern. Die wohl einfachste Art der höhenversetzten Anord-nung bietet sich an Südhängen an (siehe auch Seite 52),wobei die Höfe sich hangwärts abtreppen, während diezweigeschossigen Querriegel jeweils einen Talblick über dieGartenhöfe hinweg bieten. Alternative Möglichkeiten zurGestaltung ergeben sich durch skulpturale Einschnitte amBaukörper selbst. Weit verbreitet sind bei Hanghäusern obenebenerdige Dachhöfe oder winkelförmig geschlossene Dach-terrassen (siehe Abb. 25). Ihr Vorteil liegt in der exponiertenPosition der Bewohner, die sich förmlich aus den niederen»Gefilden« abheben. Oft werden unterhalb des Dachhofessekundäre Nebenräume oder Garagen angeordnet. Baukon-struktiv sind ebenerdige Austritte vom Wohngeschoss aufdie Hofebene nur durch höhenversetzte Rohbaudecken zuerkaufen. Ruhige Pufferzonen schaffen auch abgesenkteTiefhöfe (siehe Abb. 26) in zentralen städtischen Lagen,wenn Souterrains oder Kellergeschosse als Wohnräume ge-nutzt werden sollen und diese auskömmlich belichtet wer-

23 Isometrie von Lud-

wig Hilbersheimers

Winkelhaus, Typ E

von 1931.

24 Eine sehr urbane

Form ist die serielle

Anordnung von

mehreren Höfen

hintereinander, die

eine interne Passage

bilden.

25 Schematische Darstellung eines

höher liegenden Hofes in Form

einer geschützten Dachterrasse.

26 Schema eines abgesenkten

Hofes.

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Planungsgrundlagen 17

den müssen. Meist ist dafür neben einer Genehmigung derNutzungsänderung eine Abgrabungserlaubnis einzuholen.Nicht zu empfehlen sind diese Varianten in unmittelbarerNähe von Straßen, da absinkende Auspuffgase mit Schwer-metallen die Atemluft beeinträchtigen, sofern dies nichtdurch eine Luftumwälzung unterbunden wird. Aus allen vor-genannten Bausteinen lassen sich unzählige Varianten kombi-nieren, die jedoch an einer gemeinsamen Marche gemessenwerden: Hofhäuser brauchen die Sonne. Anders formuliert:Die Sonneneinstrahlung definiert die optimale Größe einesHofes (siehe Abb. 27, 28). Da die maximal zur Belichtungmögliche Fassadenfläche eingeschränkt ist, steht – selbst beioptimaler Orientierung des Hofes – die Hoffläche in Abhän-gigkeit von den umliegenden Bauten oder Gebäudeflügeln,die diesen verschatten. Je steiler der Einstrahlungswinkel seinmuss, um den Gebäudesockel zu besonnen, desto breitermuss der Hof sein. Diese Regel wird allerdings nur dort gel-ten, wo die Sonneneinstrahlung zum allgemeinen Wohlbe-finden beiträgt. In südlichen Ländern dienen Höfe mehr derklimatischen Regulierung als der optimalen Belichtung. Dortwerden Höfe, die ohnehin kleiner als in nördlichen Ländernsind, durch zusätzliche Beschattungen – in Spanien heißendiese toldos – dazu benutzt, einen kühlen Windhauch zuerzeugen. Vereinfacht lässt sich sagen, je südlicher ein Hof-haus liegt, desto kleiner darf die Hoffläche sein. Aus der op-timalen Sonneneinstrahlung scheint auch noch ein weiteresgestalterisches Merkmal zu resultieren, das sofort ins Augefällt: Die meisten Hofhäuser besitzen ein Flachdach. Bei ge-nauerem Hinsehen stellt sich heraus, dass nicht nur Belich-tungsvorteile der Grund dafür sein können, sondern auchdie komplizierten und damit unwirtschaftlichen Dachver-schneidungen, die sich bei Steildächern ergeben. Einen Vor-teil aus nach innen geneigten Dachflächen zogen dagegenAtriumhäuser, da so das abfließende Regenwasser aufge-fangen und in Zisternen gespeichert wurde. Auch die Formdes Hofes muss nicht zwingend orthogonal sein, wie dasHaus Stein aus der Feder des bereits erwähnten Heinz Biene-feld beweist (siehe Abb. 29). Ein anderer Versuch soll einhartnäckiges Fehlurteil ausräumen, das bis heute geltend ge-

macht wird: dass sich Hofhäuser wegen ihres spezifischenTypus nicht als Fertighäuser eignen würden. Aus der Federdes jungen Architekten James Stirling, der später die Archi-tekturgeschichte der Postmoderne mitprägte, entstand 1969im Rahmen eines Wettbewerbs des CIAM (Congrès Interna-tional d’Architecture du Monde) mit dem Ziel, kostengünsti-gen und flächensparenden Siedlungsbau für Landflüchtige inder peruanischen Hauptstadt Lima zu entwickeln, ein inter-essantes Pilotprojekt. Der Entwurf zielt ab auf ein Fertighaus,das mit den Bewohnerfamilien mitwachsen und im Endzu-stand ein Hofhaus bilden sollte (siehe Abb. 30, 31). Wer schon einmal ein Hofhaus betreten hat, wird wissen,dass nicht nur die umfassenden Wände, sondern auch dieGestaltung des Bodens großer planerischer Aufmerksamkeitbedarf. Im Unterschied zum frei stehenden Haus, welches imIdealfall als Villa oder Landhaus einen allseits weiten Blick aufdie umgebende Landschaft ermöglicht, umgrenzt das Hof-haus nur einen kleinen Ausschnitt der Natur. Dennoch gilt»My home is my castle« nicht für alle frei stehenden Häuser,immer aber für Hofhäuser. Gerade die Tatsache, dass der Hofüber die fehlende Decke Bezug zum Himmel und damit zurNatur hat, zugleich aber nicht Teil dieser Natur ist, da er ausdieser ausgegrenzt wurde, räumt ihm eine Zwitterstellung imGrundriss ein. Je mehr er als »Wohn«-Raum genutzt werdensoll, desto eher wird der Boden des Hofes versiegelt sein.Pflasterflächen – in Patios gehören sie zum Standard – ver-mitteln eine andere Atmosphäre als ein begrünter Garten-

27 Der Einstrahlungs-

winkel der Sonne be-

stimmt auch die Größe

des Hofes.

28 Bei doppelgeschossigen Hofhäusern ist die Ausrichtung der höheren

Gebäudeflügel zur Sonne zu berücksichtigen.

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18 Planungsgrundlagen

29 Der ovale Gartenhof des Hauses Stein, geplant von Heinz Bienefeld.

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Planungsgrundlagen 19

hof. Interessant bei der Gestaltung ist darüber hinaus dieFrage, inwieweit die gewählte Bepflanzung mit der zur Ver-fügung stehenden Hoffläche in Konkurrenz tritt. Ein paarbewusst platzierte Kübelpflanzen in einem kleinen Hof kön-nen leicht den Vergleich mit einem englischen Rasen antre-ten, wenn Pflanzenauswahl und Platzierung gärtnerischesGeschick beweisen. Hofhäuser zeigen – wenn sie richtig ge-plant sind –, dass Raum als solcher nicht messbar ist. Oft

sticht die Qualität eines Raumes seine Quantität aus. Jekomplexer das angebotene Bauvolumen (siehe Abb. 32) imVerhältnis zu seinem Baugrundstück steht, desto reichhalti-ger wird die atmosphärische Wirkung der Räume empfun-den. Daher gilt: Je kleiner der Hof, desto mehr Detailgespürwird der Planer mitbringen müssen.

30, 31 Wachsendes Hofhaus von James Stirling von 1969.

32 Die Komplexität – aber auch die Hüllfläche –

vergrößert sich mit zunehmend horizontaler

Verteilung des Bauvolumens: Von links begin-

nend mit einem herkömmlichen Reihenhaus bis

hin zu Häusern mit zwei Höfen bleibt das

Raumangebot gleich, die Attraktivität nimmt

zu.

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Page 20: Maison Atrium

20 Werkstattgespräche

Herr Poensgen, seit 1998 führen Sie zusammen mit IhrerPartnerin Andrea Denzer ein Architekturbüro in Köln. Sie ha-ben auch einige Anerkennungen für Ihre Arbeiten erhalten.Wie würden Sie in ein paar Sätzen Ihre Arbeitsweise und IhreIntention beim Bauen beschreiben?

Unsere Architektur setzt sich in erster Linie mit dem Ort undseiner Umgebung auseinander. Für uns ist es wichtig, vonAnfang an nicht auf irgendeine Idee zu setzen, sondern ausder Analyse heraus ein ganz individuelles Haus zu schaffen,welches nicht beliebig versetzbar, für irgendeinen neutralenOrt gemacht ist, sondern für diesen ganz bestimmten Platz,unverrückbar und eingebunden in die Umgebung. Währenddes Entwurfsprozesses werden die Baukörper proportioniert,die Wege, die durch das Innere verlaufen, geprüft, Räumeihren Funktionen zugeordnet und zum Schluss der Umgangmit dem Licht untersucht. Die Architekten werden sich darangewöhnen müssen, dass sie mit Orten umgehen, in denenviele Erinnerungen, Träume und Wünsche verborgen sind.Hier gilt es, ihr geistiges Werk in einen Dialog mit der Geschichte zu stellen.

Sie betonen, dass Ihre Arbeiten immer mit dem Ort zu tunhaben, an dem sie entstehen. Meist engen aber Bauvor-schriften, die just für jenen Ort gelten, eine Großzahl vonMöglichkeiten ein. Sehen Sie das eher als positiven Aspektoder als Hemmschuh für die Qualität guter Architektur? An-ders herum gefragt: Wenn Sie – rein theoretisch – die Mög-lichkeit hätten, etwas an den Baugesetzen zu verändern, wowürden Sie den Hebel ansetzen?

Grundsätzlich sind Bauvorschriften dann gut, wenn sie dieWertigkeit eines Ortes schützen. Unserer Meinung nach hatsich die Mehrzahl der Architekten von der grundsätzlichenAufgabe ihres Berufes verabschiedet. Das Ziel ihrer Projekteist nicht mehr der Ort als Ganzes, sondern ihr architektoni-sches Objekt an sich, das Fragment, losgelöst vom Kontext.Hätte ich die Möglichkeit, hier etwas zu ändern, müsste manmeines Erachtens nach die Basis für dieses Denken verän-

dern. Dies beginnt aber nicht bei den Bauvorschriften, son-dern in der Lehre an den Hochschulen und Universitäten.

In diesem Buch sind drei Wohnhausprojekte Ihres Büros ver-treten, alle beinhalten einen Innenhof. Warum hat es Ihnengerade dieser Grundrisstyp angetan?

Wir hatten uns nie direkt für einen Innenhof entschieden,dies kam aus der Analyse heraus. Beim Haus Nelles fandenwir bei der Analyse einen römischen Haustypus mit überbau-tem Atrium, welcher ehemals in dieser Region auftauchte.Dies haben wir in unserem Haus in moderner Form über-nommen. In Trier haben wir uns mit den Raumfolgen desklassischen Atriumhauses beschäftigt und kamen somit zuunserem heutigen Ergebnis, den Hof in Verbindung zumWohnbereich zu setzen. Bei Haus Denzer war dies etwas an-ders. Hier wurde der Innenhof von den historischen Wirt-schaftshöfen abgeleitet und in unser »neues Haus« transfor-miert. Entstanden ist ein ganz besonderer Raum zumVerweilen, der aber auch gleichzeitig die Mitte des Hausesbildet.

Rückzug in die Städte und Verdichtung von Stadtrandlagensind seit Jahren zu beobachten. Ist Altbaumodernisierungebenfalls ein Thema für Sie? Entstehen hier neue Arbeitsge-biete für Architekten oder werden die Architekten gegenü-ber anderen Immobilienverwertern auf Dauer den Kürzerenziehen?

Hier stellt sich doch die Frage, warum passiert das und wa-rum kann der Altbau nicht genau so viel Wohnqualitätschaffen wie das Reihen- oder Zeilenhaus an den Stadtrand-lagen. Dazu ist natürlich ein Umdenken erforderlich, welchessich mit den Stadträumen, dem öffentlichen Raum sowie mitdem privaten Territorium befasst. Natürlich entstehen hierauch wieder neue Arbeitsgebiete für uns, das setzt voraus,dass wir uns wieder mit den wesentlichen Inhalten der Archi-tektur befassen: den Räumen, den Wegen im Inneren, denProportionen der Räume und Öffnungen und übergeordnet

WerkstattgesprächeInterview mit Georg Poensgen von Denzer & Poensgen

Georg Poensgen und

Andrea Denzer

RZ_Weidinger hoefe_QX4_BEL 20.02.2007 9:30 Uhr Seite 20

Page 21: Maison Atrium

Werkstattgespräche 21

der Auseinandersetzung mit dem Licht – nicht zu verwech-seln mit den totalen Glasfassaden. Das sind doch die Stär-ken, die wir als Planer den Vermarktern voraushaben, hiermüssen wir Architekten wieder eine neue Basis schaffen.

Ökologische Nachhaltigkeit und Energieeinsparung im Hin-blick auf das Kyoto-Protokoll, dem sich fast alle europäischenLänder unterworfen haben, werden zukünftig Bauweise undGestaltung ebenso gravierend verändern, wie dies die Ein-führung des Eisens oder des Betons in die Architektur im 19.Jahrhundert taten. Wo sehen Sie Chancen und Positionenfür Ihre eigene Arbeit in diesem Themenbereich?

Die Nachhaltigkeit wird auch in Zukunft von enormer Bedeu-tung sein, aber die technische Ausstattung sollte nicht vor-dergründig die Gestalt des Hauses bestimmen. Wir müsseneinerseits versuchen, eine Grundlage zu schaffen für innova-tive Konzepte. Andererseits muss eine schöpferische Ausein-andersetzung zwischen der Architektur und dem jeweiligenOrt, an dem sie entstehen soll, stattfinden.

Viele Architekten in Deutschland sind arbeitslos gewordenoder drohen dies zu werden, da sich die Nachfragesituationauf Grund einschlägiger globaler und lokaler Randbedingun-gen drastisch verändert hat. Wenn Sie die gesellschaftlicheEntwicklung aus einer größeren zeitlichen Distanz beobach-ten könnten, sehen Sie Möglichkeiten oder Ansatzpunkte,auch in Zukunft gute Architektur auf einer breiten Basis zuetablieren?

Angebot und Nachfrage stehen seit langer Zeit in einem Un-gleichgewicht. Zu viele Architekten für eine zu kleine Bau-herrenschaft haben zur Folge, dass sich die Marktlage dras-tisch verändert hat. Hinzu kommt die Nachfrage nach deminternationalen Markt, bis hin in ländliche Regionen. Der Bil-bao-Effekt wird gerne als Leitbild angesehen. Für solche Vor-haben werden die schönsten Landstriche geopfert. Es gehtoft nur noch um die Vermarktung eines Projektes anstatt umdie architektonischen Inhalte. Zu viele Architekten sehen sichnur noch als Dienstleister. Dies erschwert die breite Basis»guter Architektur« enorm, dennoch sind wir der Überzeu-gung, uns durch unsere Inhalte auch weiterhin auf demMarkt behaupten zu können.

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Page 22: Maison Atrium

22 Werkstattgespräche

Herr Niehus, Herr Hertrampf, seit 2001 führen Sie ein ge-meinsames Architekturbüro in Leipzig. Können Sie kurz IhreArbeitsweise und Ihre Intention als Architekten beschreiben?

Das sind für uns komplexe Fragen. Wir sind bislang mit Bau-aufgaben hier in Leipzig betraut. Dadurch können wir, wasunsere Architektur anbetrifft, alles, vom Entwurf bis zur Nut-zungsaufnahme, begleiten. Vielleicht findet sich dieser klas-sische, generalistische Ansatz auch in unserer Art, über Orteund Projekte nachzudenken, wieder. Wir verstehen politische,soziale, ökonomische und bauliche Strukturen und fokussie-ren unterschiedlichste Interessen auf ein Ergebnis. Dieses Fo-kussieren ist eine Fähigkeit, die wir als entwerfende Architek-ten ausgebildet haben. Zu unserer Intention als Architektenfällt uns ein: unseren Bauherren Bauten zu liefern, denen dasNachdenken anzusehen ist. Kurz gesagt: guter Städtebau,gute Architektur.

In einem Interview, das in der Zeitschrift Bauwelt im März2006 abgedruckt war, wurden Sie gefragt, wie Sie Ihr Projektin Leipzig-Connewitz ohne konkrete Bauherren und ohneGrundstück in Angriff genommen haben. Können Sie IhreMotive und Zielvorstellungen, die über die einschlägigenAufgaben eines Architekten hinausgingen, hier noch einmalkurz darstellen?

Die Motivation für dieses Projekt war vielfältig. Um 2002kam die Diskussion in Leipzig in den Vordergrund, der Um-landabwanderung auch mit der Bebauung von innerstädti-schen Brachflächen mit Einfamilienhäusern zu begegnen.Die üblichen Antworten auf die Frage: »Wie sehen urbaneEinfamilienhäuser aus?« waren nach unserer Auffassungwenig überzeugend. Wir hatten zu der Zeit nichts andereszu tun und wollten mit einer überzeugenden Antwort aufdiese Frage unsere Zukunft als Büro absichern. So zogen wiraus, fanden mit Hilfe des Stadtplanungsamtes und unseremSinn für Orte eine innerstädtische Brachfläche, klärten dieVerfügbarkeit der Grundstücke und entwarfen ein Konzeptmit Hofhäusern. Dieses städtebaulich motivierte Konzept

sollte einen brauchbaren Straßenraum erzeugen. Wir produ-zierten Bilder und Exposés, die als Gesprächsgrundlage mitden beteiligten Grundstücksbesitzern, Ämtern oder Bauher-renkandidaten dienten. Zwischendurch ließen wir mit Hilfedes zuständigen Amtes für Stadterneuerung und Wohnungs-bauförderung – kurz: ASW – der Stadt Leipzig ein fehlge-plantes Fernwärmerohr entfernen und organisierten die Um-parzellierungen. Wir initiierten einen Zeitungsartikel, der unshalf, den ersten Bauherrn zu finden, und dann, nach einemJahr ging das erste Haus in Bau und erst dann verdienten wiretwas Geld …Heute, also 2006, ist das vorläufig letzte Einfamilienhausdieses Projektes im Bau.

Was hat man sich unter einer »Selbstnutzerinitiative« vorzu-stellen? Wer steht hinter der Initiative und wie läuft die kon-krete Organisation ab?

Die Selbstnutzerinitiative ist eine Idee des eben erwähntenASW der Stadt Leipzig, geboren aus dem Willen, etwas ge-gen die Umlandabwanderung zu tun. Die »immothek« istvon der Stadt Leipzig mit der Ausgestaltung dieser Initiativebeauftragt. Dies geschieht mit der Bewerbung von Projektenüber das Internet unter www.selbstnutzer.de und mit Aus-stellungen, Beratungen und anderen Veranstaltungen, sodass die künftigen Selbstnutzer – also der privat bauendeLeipziger – mit den Projekten und deren Initiatoren zu-sammenkommen können. Zum Teil sind durch diese begrü-ßenswerte Initiative die Bauherren auf uns aufmerksam ge-worden.

Als Grundrisskonzept der seriellen Einzelhäuser wählten Sieeinen Winkelhoftyp. Warum haben Sie sich gerade für dieseGrundrissorganisation entschieden?

Wir erreichen mit diesen Häusern ein hohes Maß an städte-baulicher Dichte. Wir sind der Überzeugung, dass bei dieserDichte die Privatsphäre der Bewohner geschützt sein muss.Durch den Hof und die sichtgeschützte Dachterrasse ent-

Interview mit Thoralf Niehus undDieter Hertrampf von HertrampfNiehus Architekten

Dieter Hertrampf und

Thoralf Niehus

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Page 23: Maison Atrium

UNVERKÄUFLICHE LESEPROBE

Hans Weidinger

Atriumhäuser HofhäuserNeue Beispiele

Gebundenes Buch, 144 Seiten, 21,5 x 28,0 cmISBN: 978-3-421-03561-5

DVA Architektur

Erscheinungstermin: März 2007

Mehr Licht, mehr Luft, mehr Wohnraum Hof- und Atriumhäuser sind höchst aktuell, sie bieten dem Architekten und Bauherrn eine Füllevon Möglichkeiten: Schon durch die intelligente Anordnung von Nebengebäuden kann einattraktiver, ruhiger Innenhof entstehen. Auch in dicht besiedelten Gebieten lassen sich mit gutgeplanten Hofhäusern schlichte bis raffiniert komplexe Wohnräume gestalten, die Privatsphäreund nachbarschaftliche Nähe zugleich gewährleisten und schützen. Mehr als zwanzig Gebäudeaus der jüngsten Zeit werden anhand von Fotos, umfangreichem Planmaterial sowie Textendokumentiert und zeigen den besonderen Reiz dieses Haustyps. • Traditionsreiche Bauform von höchster Aktualität• Geschützte Privatsphäre im Freien• Neue Entwürfe von einfach bis komplex