443
Management-Prozess-Architektur (MPA) als Voraussetzung für Unternehmenserfolg Grundlagen, Theoriemodell und Anwendungskonzept DISSERTATION der Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG) zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften vorgelegt von Marius Klauser von Flums-Grossberg (SG) Genehmigt auf Antrag der Herren Prof. Dr. Jürg Manella und Prof. Dr. Fredmund Malik Dissertation Nr. 3570 Gutenberg AG, Schaan 2009

Management-Prozess-Architektur (MPA) als Voraussetzung für ...FILE/dis3570.pdf · A comparable approach to the MPA does not exist so far in either theory or practice. Existing approaches

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Management-Prozess-Architektur (MPA) als Voraussetzung für Unternehmenserfolg

Grundlagen, Theoriemodell und Anwendungskonzept

DISSERTATION der Universität St. Gallen,

Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG)

zur Erlangung der Würde eines Doktors der Wirtschaftswissenschaften

vorgelegt von

Marius Klauser von

Flums-Grossberg (SG)

Genehmigt auf Antrag der Herren

Prof. Dr. Jürg Manella und

Prof. Dr. Fredmund Malik

Dissertation Nr. 3570

Gutenberg AG, Schaan 2009

Die Universität St. Gallen, Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften (HSG), gestattet hiermit die Drucklegung der vorliegenden Dissertation, ohne damit zu den darin ausgesprochenen Anschauungen Stellung zu nehmen.

St. Gallen, den 21. November 2008

Der Rektor:

Prof. Ernst Mohr, PhD

Zusammenfassung

Diese Arbeit beantwortet die Frage, wie die Management-Prozess-Architektur (MPA) von Unternehmen konfiguriert werden muss, damit diese in ihrer komplexen Umwelt nachhaltig erfolgreich sind. Erfolgreiche Unternehmen stiften einen überlegenen Kundennutzen im Vergleich zur Konkurrenz. Langfristig ist ein überlegener Kundennutzen nur aufrecht zu erhalten, wenn das Unternehmen über einen komparativen Vorteil in der Transformation von Ressourcen in Resultate verfügt. Dieser Transformationsprozess kann mit Management bezeichnet werden. Nachhaltige Wettbewerbsvorteile gründen somit auf komparativen Managementvorteilen. Um erfolgreich zu werden und zu bleiben, ist folglich die Managementqualität zu verbessern. Im heutigen Komplexitätszeitalter hat die Verbesserung der Managementqualität primär bei der indirekten Lenkung anzusetzen, um entsprechende Selbstorganisationskräfte etablieren und nutzen zu können. Die in dieser Arbeit entwickelte MPA ermöglicht eine fundamentale Verbesserung der indirekten Lenkung und unterstützt die Manager von heute, die Herausforderungen von morgen zu bewältigen.

Ein mit der MPA vergleichbarer Ansatz fehlte bisher in Wissenschaft und Praxis. Bisherige Ansätze haben Defizite in ihrer Ganzheitlichkeit oder Praktikabilität. Diese Lücke wird mit der vorliegenden Arbeit geschlossen. Verschiedene Theoriebausteine werden erarbeitet, im Rahmen einer konkret-praktischen Anwendung getestet und für die Bildung der MPA-Theorie sowie die Erarbeitung des MPA-Konzepts genutzt. Die MPA-Theorie erlaubt es, ein Unternehmen in bestmöglich führbare ergebnisverantwortliche Einheiten aufzuteilen und diese mit durchdachten Managementprozessen auszustatten. Dabei führt die MPA-Theorie zu einem neuen Verständnis auf drei Ebenen: Erstens wird der Erfolg von Unternehmen resp. ergebnisverantwortlichen Einheiten als Total System Performance inter-pretiert, zweitens werden Managementprozesse als zirkuläre Problemlösungsprozesse zum Meistern von Komplexität genutzt und drittens wird dem Management der Management-prozesse aufgrund seiner Vorsteuerungskraft höchste Aufmerksamkeit geschenkt.

Das MPA-Konzept integriert in einem Rahmenkonzept die Eckpfeiler der MPA-Theorie und umfasst folgende sieben Konzeptmodule für das Management der Managementprozesse in den ergebnisverantwortlichen Einheiten: MPA-Zwecksetzung, MPA-Strategie, MPA-Organisation, MPA-Jahreszielprozess, MPA-Arbeitsmethodik, MPA-Education und MPA-Evaluation. Die Umsetzung dieser Konzeptmodule bringt mit dem MPA-Beauftragten ein neues Funktions- und Berufsbild hervor, zeigt mit der MPA-Syntegration eine äusserst wirksame Arbeitsweise im Umgang mit Managementprozessen auf und macht mit dem MPA-Assessment die Managementqualität konkret beurteilbar. Das MPA-Konzept bewirkt somit, dass die MPA-Theorie nicht nur einen Beitrag zur Wissenschaft leistet, sondern auch zur erfolgreichen Anwendung in der Praxis gelangen kann.

Summary

This work examines how an enterprise’s Management Process Architecture (MPA) needs to be configured in order to ensure success in a complex environment. It is premised that successful enterprises create superior customer value compared to their competitors. In order to maintain superior customer value in the long term, the enterprise must have a comparative advantage in the transformation of resources into results. This transformation can be called Management. As a consequence, sustainable competitive advantages are based on comparative management advantages. To become and remain successful, enterprises thus need to improve management quality. In today’s complex world, work on the improvement of management quality focuses primarily on indirect control, that allows the enterprise to establish and benefit from the forces of self-organisation. The MPA developed in this thesis generates a fundamental improvement of indirect control and helps today’s managers to cope with future challenges.

A comparable approach to the MPA does not exist so far in either theory or practice. Existing approaches lack in holism or practicability. This work attempts to close that gap. Several theoretical frameworks will be elaborated, tested in the context of a concrete practical application and used to build the MPA-Theory, and subsequently derive a practical and implementable MPA-Concept. The MPA-Theory segments enterprise sub-units in terms of best manageable units with result responsibility and provides them with sophisticated management processes. In doing so, the MPA-Theory yields insights on three levels: First, the success of enterprises or result responsible units respectively should be interpreted as total system performance. Second, management processes as circular problem solving processes should be used to master complexity. Third, highest attention should be paid to the management of management processes due to its pre-control ability.

The MPA-Concept integrates the cornerstones of the MPA-Theory in a conceptual framework and includes the following seven concept modules for the management of management processes: MPA-Purpose, MPA-Strategy, MPA-Organisation, MPA-Objectives, MPA-Work-Methods, MPA-Education, MPA-Evaluation. The implementation of these modules originates a new function and job description: the MPA-Officer. It develops and describes an effective work method to deal with management processes: the MPA-Syntegration. Finally, it allows for a concrete evaluation of the management quality through the MPA-Assessment. In sum, the MPA-Concept ensures that the MPA-Theory contributes not only to the science but can also be successfully applied in practice.

Vorwort

Meine Eltern haben mir Werte vermittelt und Rahmenbedingungen geboten, die mir früh ein unternehmerisches Denken und Handeln ermöglichten. Während meinem Studium an der Universität St. Gallen lernte ich aus Betriebs- und Volkswirtschaftslehre sowie aus Recht, Soziologie und Psychologie viel Wissenswertes. Im Rahmen einer Psychologie-Veranstaltung lernte ich Professor Jürg Manella und seine Überlegungen zum „relationalen Menschen“ kennen. Die an der Universität erworbenen „Wissensbausteine“ wandte ich parallel zum Studium im Rahmen unternehmerischer Tätigkeiten in der Praxis an. Gegen Ende des Studiums wollte ich daher wissen, wie man diesen Transfer von Theorie in Praxis bzw. von Wissen in Nutzen am wirksamsten leisten kann. Im Integrationsseminar an der Universität St. Gallen erhielt ich aufgrund der Ausführungen von Professor Fredmund Malik zum „Beruf des Managers“ Antworten auf diese Fragen.

Nach meinem Universitätsstudium arbeitete ich zunächst weiter als selbständiger Unter-nehmer, bevor ich Anfang 2002 zum Malik Management Zentrum St. Gallen wechselte. Dort konnte ich durch interne Aus- und Weiterbildungen mein Managementwissen laufend vertiefen und dieses im Rahmen von Kundenprojekten anwenden und weitervermitteln. Im Laufe der Jahre hatte ich dadurch Einblick in Unternehmungen verschiedenster Grössen und Branchen. Für mich war erstaunlich festzustellen, wie unterschiedlich Unternehmungen geführt werden und wie gross teilweise die Diskrepanz ist zwischen dem Wissen, was richtiges und gutes Management ausmacht, und dem beobachtbaren Managementhandeln. Das gab mir den Anstoss zu reflektieren, wie Managementprozesse wirksamer ablaufen könnten.

Diese Arbeit zu schreiben bedeutete für mich vorab, mir selber zu beweisen, dass ich – erstens – ein Thema nach wissenschaftlichen Kriterien bearbeiten und neues relevantes Wissen generieren kann und dass ich – zweitens – mich über eine längere Zeit wirksam selbst managen und dabei Sinn in der Erfüllung einer grossen Aufgabe finden kann. Das Endprodukt dieser „Beweisführung in eigener Sache“ halten Sie in Ihren Händen. Ohne wohlwollende Unterstützung von verschiedenen Seiten wäre dieses Endprodukt in der vorliegenden Art und Weise nicht entstanden. An dieser Stelle richte ich ein herzliches Dankeschön an Familie und Freunde, an meine beiden Referenten, an Arbeitskollegen und -kolleginnen sowie an das Malik Management Zentrum St. Gallen, welches mir eine Auszeit gewährte und Teile dieser Arbeit finanziell unterstützte.

Zollikerberg, August 2008

Marius Klauser

Inhaltsübersicht I

Inhaltsübersicht

Inhaltsübersicht ................................................................................................... I

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. III

Abbildungsverzeichnis .................................................................................. XIII

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................. XVI

1 Einleitung ...................................................................................................... 1

1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas ........................................................... 1

1.2 Forschungsfrage und Forschungsziel der Arbeit .................................................... 5

1.3 Forschungsmethodischer Ansatz und Aufbau der Arbeit ....................................... 8

1.4 Wissenschaftstheoretische Positionierung und Grundannahmen ......................... 16

2 Theoretische Grundlagen .......................................................................... 25

2.1 Systemorientiertes Denken ................................................................................... 25

2.2 Systemorientierte Managementlehre .................................................................... 51

2.3 Zwischenfazit ........................................................................................................ 75

3 Theoriebausteine zur MPA ....................................................................... 77

3.1 Vorgesteuerter Erfolg ........................................................................................... 78

3.2 Rekursive Architektur ........................................................................................... 98

3.3 Integriertes Management .................................................................................... 138

3.4 Zirkuläre Prozesse ............................................................................................... 170

3.5 Zwischenfazit ...................................................................................................... 196

4 Praxisfall einer Transformation der MPA ............................................ 199

4.1 Forschungsmethodische Erwägungen zum Praxisfall ........................................ 199

4.2 Aktionsforschungsergebnisse zur Vorphase ....................................................... 211

4.3 Aktionsforschungsergebnisse zur Projektphase ................................................. 226

4.4 Aktionsforschungsergebnisse zur Nachphase ..................................................... 271

4.5 Zwischenfazit ...................................................................................................... 278

II Inhaltsübersicht

5 Bildung der MPA-Theorie ...................................................................... 281

5.1 Interpretation der Aktionsforschungsergebnisse ................................................ 281

5.2 Thesen zur Konstitution der MPA-Theorie ........................................................ 302

5.3 Abgleich der MPA-Theorie mit der Forschungsfrage ........................................ 312

5.4 Zwischenfazit ...................................................................................................... 315

6 Erarbeitung des MPA-Konzepts ............................................................ 319

6.1 Das MPA-Rahmenkonzept ................................................................................. 319

6.2 Die sieben MPA-Konzeptmodule ....................................................................... 326

6.3 Abgleich des MPA-Konzepts mit der Forschungsfrage ..................................... 366

6.4 Zwischenfazit ...................................................................................................... 369

7 Zusammenfassung und Implikationen .................................................. 371

7.1 Zusammenfassung .............................................................................................. 371

7.2 Implikationen ...................................................................................................... 385

Literaturverzeichnis ....................................................................................... 393

Internetquellenverzeichnis ............................................................................ 413

Dokumentenliste Aktionsforschungsprojekt ............................................... 415

Inhaltsverzeichnis III

Inhaltsverzeichnis

Inhaltsübersicht ................................................................................................... I

Inhaltsverzeichnis ............................................................................................. III

Abbildungsverzeichnis .................................................................................. XIII

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................. XVI

1 Einleitung ...................................................................................................... 1

1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas ....................................................... 1

1.2 Forschungsfrage und Forschungsziel der Arbeit............................................... 5

1.2.1 Forschungsfrage ........................................................................................................... 5

1.2.2 Forschungsziel ............................................................................................................... 7

1.3 Forschungsmethodischer Ansatz und Aufbau der Arbeit ................................ 8

1.3.1 Forschungsmethodischer Ansatz ................................................................................. 8

1.3.2 Aufbau der Arbeit ...................................................................................................... 13

1.4 Wissenschaftstheoretische Positionierung und Grundannahmen ................. 16

1.4.1 Wissenschaftstheoretische Positionierung ................................................................ 16

1.4.2 Grundannahmen ......................................................................................................... 20

2 Theoretische Grundlagen .......................................................................... 25

2.1 Systemorientiertes Denken................................................................................. 25

2.1.1 Notwendigkeit des Umdenkens .................................................................................. 25

2.1.2 Die (Um-)Welt als ineinander verflochtene Systeme ............................................... 27 2.1.2.1 Das Ganze und die Teile ............................................................................... 27 2.1.2.2 Vernetztheit ................................................................................................... 28 2.1.2.3 Komplexität ................................................................................................... 29

2.1.3 Das Unternehmen als soziales produktives System ................................................. 30 2.1.3.1 Das System und seine Umwelt ...................................................................... 31 2.1.3.2 Ereignisse ...................................................................................................... 32 2.1.3.3 Ordnung ........................................................................................................ 34

2.1.4 Management als Gestalten, Lenken und Entwickeln von Systemen ...................... 35 2.1.4.1 Gestaltung ..................................................................................................... 35 2.1.4.2 Lenkung (Steuerung und Regulierung) ......................................................... 36 2.1.4.3 Entwicklung .................................................................................................. 39

2.1.5 Menschen als relationale Systeme ............................................................................. 41 2.1.5.1 Relationale Konstitution ................................................................................ 41 2.1.5.2 Multifunktionalität ........................................................................................ 43 2.1.5.3 Information und Kommunikation.................................................................. 44

IV Inhaltsverzeichnis

2.1.6 Umdenken braucht Zeit ............................................................................................. 47

2.1.7 Übersicht über die Bausteine des systemorientierten Denkens .............................. 49

2.2 Systemorientierte Managementlehre ................................................................ 51

2.2.1 Grundlagen der systemorientierten Managementlehre .......................................... 51 2.2.1.1 Objektbereich der systemorientierten Managementlehre .............................. 51 2.2.1.2 Entwicklung des St. Galler Management-Modells ....................................... 52 2.2.1.3 Originäre Managementfunktionen ................................................................ 53

2.2.2 Teilmodelle und Konzepte des St. Galler Management-Modells ........................... 54 2.2.2.1 Das Unternehmungsmodell ........................................................................... 54 2.2.2.2 Das Führungsmodell ..................................................................................... 55 2.2.2.3 Das Organisationsmodell .............................................................................. 56 2.2.2.4 Unternehmenspolitische Konzepte ................................................................ 58 2.2.2.5 Spätere Weiterentwicklungen des St. Galler Management-Modells ............. 60

2.2.3 Richtiges und gutes Management ............................................................................. 61 2.2.3.1 Grundüberlegungen zu richtigem und gutem Management .......................... 61 2.2.3.2 Eckpfeiler von richtigem und gutem Management ....................................... 64

2.2.3.2.1 Systemisches statt technomorphes Managementverständnis ................... 64 2.2.3.2.2 Customer Value statt Shareholder Value ................................................. 66 2.2.3.2.3 Beruf für jedermann statt Kunst für Genies ............................................. 68

2.2.3.3 Überblick über das malik management system® .......................................... 70 2.2.3.3.1 Der Grundaufbau des malik management system® ................................ 70 2.2.3.3.2 Das Management-Modell des malik management system® .................... 70

2.2.4 Einordnung des MPA-Themas ins malik management system® ........................... 74

2.3 Zwischenfazit ....................................................................................................... 75

3 Theoriebausteine zur MPA ....................................................................... 77

3.1 Vorgesteuerter Erfolg ......................................................................................... 78

3.1.1 Grundlagen ................................................................................................................. 78 3.1.1.1 Phänomen des vorgesteuerten Erfolgs .......................................................... 78 3.1.1.2 Intended purpose versus emerging purpose .................................................. 79 3.1.1.3 Lebensfähigkeit als oberste Erfolgsgrösse .................................................... 80

3.1.2 Vorstellung ausgewählter Ansätze ............................................................................ 82 3.1.2.1 Essential Variables ........................................................................................ 82 3.1.2.2 Performance eines Systems ........................................................................... 83 3.1.2.3 Navigationssystem ........................................................................................ 84 3.1.2.4 Profit Impact of Market Strategies ................................................................ 86 3.1.2.5 Central Performance Controls ....................................................................... 89 3.1.2.6 Vergleich der Ansätze ................................................................................... 92

3.1.3 Herleitung des „Model of Pre-controlled Success“ .................................................. 93 3.1.3.1 Grundüberlegungen ....................................................................................... 93 3.1.3.2 Customer Value Controlling ......................................................................... 94 3.1.3.3 Business System Controlling ........................................................................ 94 3.1.3.4 Management Process Controlling ................................................................. 95 3.1.3.5 Komplettierung zum Gesamtmodell ............................................................. 96

3.1.4 Implikationen .............................................................................................................. 97

Inhaltsverzeichnis V

3.2 Rekursive Architektur ........................................................................................ 98

3.2.1 Grundlagen ................................................................................................................. 99 3.2.1.1 Funktions-Heterarchie statt Positions-Hierarchie ......................................... 99

3.2.1.1.1 Architekturprinzipien ............................................................................... 99 3.2.1.1.2 Funktion und Wissen statt Position und Macht ..................................... 100 3.2.1.1.3 Heterarchie statt Hierarchie ................................................................. 101 3.2.1.1.4 Funktions-Heterarchie........................................................................... 102

3.2.1.2 Zusammenspiel von Management und Organisation .................................. 102 3.2.1.2.1 Grundlegende Sichtweisen auf Organisationen..................................... 102 3.2.1.2.2 Die MPA als Syntegrat von Management und Organisation ................. 103 3.2.1.2.3 Priorität der manageriellen Organisationsperspektive ......................... 104

3.2.1.3 Überblick über Organisationsansätze .......................................................... 105 3.2.1.3.1 Entwicklung der Organisationstheorien ................................................ 105 3.2.1.3.2 Entwicklung der Organisationspraxis ................................................... 106 3.2.1.3.3 Organisationsansätze für Komplexitätsmeisterung ............................... 108

3.2.2 Vorstellung ausgewählter Ansätze .......................................................................... 110 3.2.2.1 Die Profit Center-Organisation ................................................................... 110

3.2.2.1.1 Anforderungen an Profit Center ............................................................ 110 3.2.2.1.2 Kompetenzbedingte Abgrenzung von Profit Centern ............................. 111 3.2.2.1.3 Profit Center als autonome Grundeinheiten von Unternehmen ............ 111

3.2.2.2 Das fraktale Unternehmen ........................................................................... 112 3.2.2.2.1 Fraktales Unternehmen als Antwort auf turbulente Zeiten ................... 112 3.2.2.2.2 Die Prinzipien von fraktalen Einheiten ................................................. 113 3.2.2.2.3 Fraktale im Kontext der Unternehmensführung .................................... 114

3.2.2.3 Das Viable System Model ........................................................................... 115 3.2.2.3.1 Steuerungs- und Regulierungsprozesse für die Lebensfähigkeit ............ 115 3.2.2.3.2 Systemfunktionen ................................................................................... 116 3.2.2.3.3 Rekursivität ............................................................................................ 118

3.2.2.4 Vergleich der Ansätze ................................................................................. 119

3.2.3 Detaillierte Darlegung des Viable System Model .................................................. 121 3.2.3.1 Varietätsausgleich zwischen Basiseinheiten ............................................... 121 3.2.3.2 Mehrere Teile als Ganzes ............................................................................ 124 3.2.3.3 Operative Gesamtleitung ............................................................................. 127 3.2.3.4 Strategische Entwicklung ............................................................................ 130 3.2.3.5 Normative Grundlagen ................................................................................ 132 3.2.3.6 Komplettierung zum Gesamtmodell ........................................................... 133

3.2.4 Implikationen ............................................................................................................ 136

3.3 Integriertes Management ................................................................................. 138

3.3.1 Grundlagen ............................................................................................................... 139 3.3.1.1 Inhaltliche Grundcharakteristik von Managementprozessen ...................... 139 3.3.1.2 Zusammenspiel von Managementfunktionen und Managementebenen ..... 140 3.3.1.3 Komponenten von Managementsystemen .................................................. 142

3.3.2 Vorstellung ausgewählter Ansätze .......................................................................... 143 3.3.2.1 Balanced Scorecard ..................................................................................... 143

3.3.2.1.1 Die vier Dimensionen der Balanced Scorecard..................................... 143 3.3.2.1.2 Die Entwicklungsphasen der Balanced Scorecard ................................ 145 3.3.2.1.3 Beurteilung hinsichtlich integriertem Management .............................. 146

3.3.2.2 EFQM Excellence Model ............................................................................ 147 3.3.2.2.1 Herkunft und Grundstruktur des EFQM Excellence Model .................. 147 3.3.2.2.2 Managementbezogene Kriterien im Detail ............................................ 149 3.3.2.2.3 Beurteilung hinsichtlich integriertem Management .............................. 150

3.3.2.3 Integrated Management Model ................................................................... 152

VI Inhaltsverzeichnis

3.3.2.3.1 Grundaufbau des Integrated Management Model ................................. 152 3.3.2.3.2 Übersicht über das Integrated Management Model .............................. 153 3.3.2.3.3 Beurteilung hinsichtlich integriertem Management .............................. 155

3.3.2.4 Vergleich der Ansätze ................................................................................. 157

3.3.3 Detaillierte Darlegung des Integrated Management Model ................................. 159 3.3.3.1 Vorbemerkungen zu den Managementprozessen ........................................ 159 3.3.3.2 Langfristig-unternehmensbezogene Managementprozesse ......................... 161 3.3.3.3 Kurzfristig-mitarbeiterbezogene Managementprozesse .............................. 163 3.3.3.4 Langfristig-mitarbeiterbezogene Managementprozesse .............................. 165 3.3.3.5 Kurzfristig-unternehmensbezogene Managementprozesse ......................... 168

3.3.4 Implikationen ............................................................................................................ 169

3.4 Zirkuläre Prozesse ............................................................................................ 170

3.4.1 Grundlagen ............................................................................................................... 170 3.4.1.1 Management als sozialer Prozess ................................................................ 170 3.4.1.2 Unterscheidung der Managementprozesse von den Geschäfts- und Unterstützungsprozessen ............................................................................. 172 3.4.1.3 Besonderheiten von Managementprozessen ............................................... 173

3.4.2 Vorstellung ausgewählter Ansätze .......................................................................... 174 3.4.2.1 Ganzheitlicher Problemlösungsprozess ....................................................... 174 3.4.2.2 Ansatz der Logikdimensionen von Managementprozessen ........................ 178

3.4.2.2.1 Sach-Logik ............................................................................................. 178 3.4.2.2.2 Chrono-Logik ........................................................................................ 179 3.4.2.2.3 Psycho-Logik ......................................................................................... 181

3.4.2.3 Reflexion und Aktion .................................................................................. 184 3.4.2.4 Feedforward und Feedback ......................................................................... 186 3.4.2.5 Vergleich der Ansätze ................................................................................. 187

3.4.3 Herleitung des „Model of Circular Processes“ ...................................................... 188 3.4.3.1 Vier zirkuläre Hauptphasen von Managementprozessen ............................ 188 3.4.3.2 Parallele, rekursive und informationelle Logik der vier Hauptphasen ........ 190 3.4.3.3 Prozessmanagement – Management der Managementprozesse .................. 193

3.4.4 Implikationen ............................................................................................................ 195

3.5 Zwischenfazit ..................................................................................................... 196

4 Praxisfall einer Transformation der MPA ............................................ 199

4.1 Forschungsmethodische Erwägungen zum Praxisfall ................................... 199

4.1.1 Grundüberlegungen ................................................................................................. 199

4.1.2 Die Wahl und Charakteristik des Forschungsobjekts .......................................... 201

4.1.3 Die Funktion des Projektteams und des Forschers ............................................... 202

4.1.4 Grundstrukturierung des Aktionsforschungsprojekts ......................................... 203

4.1.5 Datenerhebung und -dokumentation ...................................................................... 205

4.1.6 Datenauswertung ...................................................................................................... 206

4.1.7 Limitationen .............................................................................................................. 207

4.1.8 Gütekriterien ............................................................................................................. 209

4.2 Aktionsforschungsergebnisse zur Vorphase .................................................. 211

Inhaltsverzeichnis VII

4.2.1 Kurzportrait des Malik Management Zentrum St. Gallen .................................. 211

4.2.2 Strukturelle Ausgangslage ....................................................................................... 213

4.2.3 Wesentliche ordnungserzeugende Führungsimpulse ............................................ 215 4.2.3.1 Das Leitbild des Malik MZSG .................................................................... 216 4.2.3.2 Die Regeln für Zusammenarbeit und Führung des Malik MZSG ............... 217 4.2.3.3 Die Strategie 2005 des Malik MZSG .......................................................... 218

4.2.4 Manifestationen einer zunehmenden Notwendigkeit der Umstrukturierung ..... 220 4.2.4.1 Jubiläumssyntegration ................................................................................. 220 4.2.4.2 Hürden des Wachstums ............................................................................... 221 4.2.4.3 VSM-Diagnosen .......................................................................................... 222

4.2.5 Unterstützungsfunktion Corporate Strategic Controlling .................................... 223

4.2.6 Initiierung des Transformationsprojekts ............................................................... 225

4.3 Aktionsforschungsergebnisse zur Projektphase ............................................ 226

4.3.1 Projekt-set-up als „Organisational Direttissima“ .................................................. 227 4.3.1.1 Ausgangslage, Ziele und Grundsätze .......................................................... 227 4.3.1.2 Chrono-Logik des Projekts ......................................................................... 228 4.3.1.3 Sach-Logik des Projekts .............................................................................. 229 4.3.1.4 Psycho-Logik des Projekts .......................................................................... 231

4.3.2 Grundgliederung in Unternehmensbereiche .......................................................... 233 4.3.2.1 Herleitung der Unternehmensbereiche ........................................................ 233 4.3.2.2 Die Unternehmensbereiche im Detail ......................................................... 235 4.3.2.3 Unterschiedliche Konkretisierung pro Unternehmensbereich .................... 237

4.3.3 Untergliederung des Unternehmensbereichs MCE ............................................... 238 4.3.3.1 Gliederungskriterien zur Herleitung von Organisationsvarianten ............... 238 4.3.3.2 Kriterien zur Beurteilung von Organisationsvarianten ............................... 239 4.3.3.3 Durchführung der Beurteilung der Organisationsvarianten ........................ 241 4.3.3.4 Die Grundlogik der MCE-Subeinheiten ...................................................... 242 4.3.3.5 Systemische Sicht auf die gewählte Organisationsvariante ........................ 243 4.3.3.6 Multiplikation von Customer Value Centers .............................................. 244

4.3.4 Startkonfiguration der Customer Value Centers .................................................. 245 4.3.4.1 Zuteilung von geografischen Räumen ......................................................... 245 4.3.4.2 Zuteilung von Pflichten (nicht Monopolen) ................................................ 246 4.3.4.3 Zuteilung von Mitarbeitern ......................................................................... 247 4.3.4.4 Zuteilung von Innovationsverantwortung ................................................... 248

4.3.5 Koordinations- und Unterstützungsmechanismen ................................................ 250 4.3.5.1 Institutionelle Koordinations- und Unterstützungsmechanismen ............... 250

4.3.5.1.1 Charakteristik von Unterstützungseinheiten .......................................... 250 4.3.5.1.2 Wesentliche Änderungen bzgl. der Unterstützungseinheiten ................. 251 4.3.5.1.3 Modulverantwortung und Expert Groups .............................................. 253

4.3.5.2 Instrumentelle Koordinations- und Unterstützungsmechanismen............... 253 4.3.5.2.1 Technische Informationssysteme ........................................................... 253 4.3.5.2.2 Customer Value Generator .................................................................... 254 4.3.5.2.3 Logik und Zielfelder der Selbststeuerung .............................................. 255 4.3.5.2.4 Honorierungsmodell .............................................................................. 256

VIII Inhaltsverzeichnis

4.3.5.3 Funktionelle Koordinations- und Unterstützungsmechanismen ................. 257 4.3.5.3.1 Policy-Rules ........................................................................................... 257 4.3.5.3.2 Interne Verrechnungspreise und Standardisierung ............................... 258 4.3.5.3.3 Informations- und Kommunikationsanlässe .......................................... 259 4.3.5.3.4 Real-time Informationen über das System selbst ................................... 259

4.3.6 Etablierung Metasystem und Projektabschluss ..................................................... 260 4.3.6.1 Metasystem ad rem ..................................................................................... 260

4.3.6.1.1 Rekursionsebenen-Betrachtung ............................................................. 260 4.3.6.1.2 Organe und Gremien auf Gruppenebene ............................................... 261

4.3.6.2 Metasystem ad personam ............................................................................ 263 4.3.6.3 Projektabschluss .......................................................................................... 265 4.3.6.4 Bisheriger Umsetzungsstand der CVC-Struktur ......................................... 266

4.3.7 Kommunikation während der Projektphase.......................................................... 267 4.3.7.1 Kommunikation innerhalb des Projektteams .............................................. 267 4.3.7.2 Erstmalige breite Kommunikation der neuen Organisation ........................ 268 4.3.7.3 Permanenter P07-Kommunikationsprozess ................................................ 270

4.4 Aktionsforschungsergebnisse zur Nachphase ................................................ 271

4.4.1 In-Kraftsetzung von Policy-Rules ........................................................................... 271 4.4.1.1 Policy zur Rekrutierung von Mitarbeitern .................................................. 271 4.4.1.2 Policy zu Qualifikation und Entwicklungsstufen von Mitarbeitern ............ 272 4.4.1.3 Policy zur Beförderung von Mitarbeitern ................................................... 273 4.4.1.4 Policy zum Staffing von Kundenprojekten ................................................. 273 4.4.1.5 Policy zu überbetrieblichen Seminaren (übS) ............................................. 274 4.4.1.6 Policy zur Kernleistung Profit Impact of Market Strategy (PIMS) ............. 274 4.4.1.7 Policy zu MCB bzgl. Kundenzugang und Kernleistungen.......................... 274 4.4.1.8 Policy zu Angebot, Preis und Fakturierung (APF)...................................... 275

4.4.2 „Transformation Controlling“ ................................................................................ 275

4.4.3 Jahres-Auftakt-Meeting ........................................................................................... 277

4.5 Zwischenfazit ..................................................................................................... 278

5 Bildung der MPA-Theorie ...................................................................... 281

5.1 Interpretation der Aktionsforschungsergebnisse .......................................... 281

5.1.1 Interpretation bezüglich Model of Circular Processes .......................................... 281 5.1.1.1 Analyse-Prozess .......................................................................................... 281 5.1.1.2 Optionen-Prozess ........................................................................................ 282 5.1.1.3 Gestaltungs-Prozess .................................................................................... 282 5.1.1.4 Wirkungs-Prozess ....................................................................................... 283 5.1.1.5 Prozessmanagement .................................................................................... 284

5.1.1.5.1 Gemeinsame „Managementsprache“ .................................................... 284 5.1.1.5.2 Breite und tiefe Informationslage .......................................................... 285 5.1.1.5.3 Evolutive Prozessmoderation ................................................................ 286 5.1.1.5.4 Involvement des Top-Managements ...................................................... 286

5.1.1.6 Schematische Übersicht über den Transformationsprozess ........................ 287

5.1.2 Interpretation bezüglich Integrated Management Model .................................... 289 5.1.2.1 Unternehmenspolitischer Zweck ................................................................. 289 5.1.2.2 Strategie und Planung ................................................................................. 290 5.1.2.3 Ablauf- und Aufbauorganisation ................................................................. 290

Inhaltsverzeichnis IX

5.1.2.4 Jahreszielprozess ......................................................................................... 291 5.1.2.5 Persönliche Arbeitsmethodik und -wirksamkeit ......................................... 291 5.1.2.6 Leistungs- und Führungsergebnisse ............................................................ 291 5.1.2.7 Führungskräfte- und Mitarbeiterentwicklung ............................................. 291 5.1.2.8 Controlling und operative Steuerungssysteme (Disposition) ...................... 292 5.1.2.9 Managementprozesse in den Unternehmens- und Geschäftsbereichen ....... 292

5.1.3 Interpretation bezüglich Viable System Model ..................................................... 293 5.1.3.1 Berücksichtigung der Selbstorganisationskraft ........................................... 293 5.1.3.2 Berücksichtigung der fünf Systemfunktionen ............................................. 294 5.1.3.3 Berücksichtigung der rekursiven Logik ...................................................... 295

5.1.4 Interpretation bezüglich Model of Pre-controlled Success ................................... 296 5.1.4.1 Customer Value Controlling ....................................................................... 297 5.1.4.2 Business System Controlling ...................................................................... 297

5.1.4.2.1 Marktstellung ......................................................................................... 297 5.1.4.2.2 Innovationsleistung ................................................................................ 298 5.1.4.2.3 Produktivitäten ...................................................................................... 298 5.1.4.2.4 Attraktivität für richtige und gute Leute ................................................ 299 5.1.4.2.5 Liquidität und Cashflow ........................................................................ 299 5.1.4.2.6 Gewinn(erfordernis) und Profitabilität ................................................. 300

5.1.4.3 Management Process Controlling ............................................................... 300

5.2 Thesen zur Konstitution der MPA-Theorie ................................................... 302

5.2.1 Thesen zum Resultat von Managementprozessen ................................................. 303

5.2.2 Thesen zur Ausführung von Managementprozessen ............................................ 305

5.2.3 Thesen zum Management der Managementprozesse ............................................ 306 5.2.3.1 Institutionalisierung des Managements der Managementprozesse ............. 306 5.2.3.2 Grundarchitektur des Managements der Managementprozesse .................. 309

5.2.4 Zusammenfassendes Theoriemodell der Management-Prozess-Architektur ..... 310

5.3 Abgleich der MPA-Theorie mit der Forschungsfrage .................................. 312

5.4 Zwischenfazit ..................................................................................................... 315

6 Erarbeitung des MPA-Konzepts ............................................................ 319

6.1 Das MPA-Rahmenkonzept............................................................................... 319

6.1.1 Basislogik des MPA-Konzepts ................................................................................. 319

6.1.2 Managementprozesse 1. und 2. Ordnung ............................................................... 321

6.1.3 Rekursive Komplettierung zum MPA-Rahmenkonzept ....................................... 323

6.2 Die sieben MPA-Konzeptmodule .................................................................... 326

6.2.1 MPA-Zwecksetzung.................................................................................................. 326 6.2.1.1 Notwendiger Grundsatzentscheid ............................................................... 326 6.2.1.2 Entscheid zur Einführung des MPA-Konzepts ........................................... 327 6.2.1.3 Evolutionäre Einführung und „In-Schwung-halten“ der MPA ................... 327

6.2.2 MPA-Strategie .......................................................................................................... 329 6.2.2.1 Festlegung der MPA-Grundstrategie .......................................................... 329 6.2.2.2 Bestimmung einer Roadmap zur (Weiter-)Entwicklung der MPA ............. 332 6.2.2.3 Planung und Durchführung von MPA-Projekten ........................................ 332

X Inhaltsverzeichnis

6.2.3 MPA-Organisation ................................................................................................... 333 6.2.3.1 „Organisational Direttissima“ zur Grundstrukturierung der Unternehmung ............................................................................................. 333

6.2.3.1.1 Der schnellste Weg zur richtigen Organisation..................................... 333 6.2.3.1.2 Aufteilung in ergebnisverantwortliche Einheiten .................................. 334 6.2.3.1.3 Organisatorische Verankerung von ergebnisverantwortlichen Einheiten ................................................................................................ 335

6.2.3.2 Organisatorische Verankerung von Managementprozessen ....................... 336 6.2.3.2.1 Grundüberlegung zur organisatorischen Verankerung ......................... 336 6.2.3.2.2 Funktionen hinsichtlich der Managementprozesse ................................ 337 6.2.3.2.3 Notwendiges Augenmass bei der personellen Besetzung ....................... 338 6.2.3.2.4 MPA-Beauftragter und MPA-Gremium ................................................. 339

6.2.3.3 MPA-Funktionendiagramm ........................................................................ 340

6.2.4 MPA-Jahreszielprozess ............................................................................................ 342 6.2.4.1 Individuelle Ziele für den MPA-Beauftragten ............................................ 342 6.2.4.2 Individuelle Ziele für Managementprozess-Verantwortliche und -Teammitglieder .......................................................................................... 343 6.2.4.3 MPA-Jahreskalender zur Koordination der Ziele ....................................... 343

6.2.5 MPA-Arbeitsmethodik ............................................................................................. 346 6.2.5.1 Syntegration als wirksame Arbeitsform ...................................................... 346 6.2.5.2 Konfiguration der MPA-Syntegration ......................................................... 348

6.2.5.2.1 Thematische Konfiguration der MPA-Syntegration .............................. 348 6.2.5.2.2 Personelle Konfiguration der MPA-Syntegration ................................. 350

6.2.5.3 Rekursive Anwendung der MPA-Syntegration ........................................... 351 6.2.5.4 Exkurs: Das individuelle MPA-Oktaeder ................................................... 353

6.2.6 MPA-Education ........................................................................................................ 355 6.2.6.1 Inhalte der MPA-Education ........................................................................ 356 6.2.6.2 Zielgruppen der MPA-Education ................................................................ 356 6.2.6.3 Kombinierte Wissensvermittlung und -anwendung .................................... 358

6.2.7 MPA-Evaluation ....................................................................................................... 359 6.2.7.1 Permanente Aufbereitung MPA-relevanter Informationen ......................... 360 6.2.7.2 MPA-Projektcontrolling .............................................................................. 361 6.2.7.3 Periodische MPA-Assessments ................................................................... 362

6.3 Abgleich des MPA-Konzepts mit der Forschungsfrage ................................ 366

6.4 Zwischenfazit ..................................................................................................... 369

7 Zusammenfassung und Implikationen .................................................. 371

7.1 Zusammenfassung ............................................................................................ 371

7.1.1 MPA-Grundlagen ..................................................................................................... 371

7.1.2 MPA-Theoriebausteine ............................................................................................ 373 7.1.2.1 Vorgesteuerter Erfolg (Total System Performance) dank dem Model of Pre-controlled Success................................................................. 374 7.1.2.2 Rekursive Architektur von ergebnisverantwortlichen Einheiten dank dem Viable System Model .................................................................................. 375 7.1.2.3 Notwendige und hinreichende Managementprozesse dank dem Integrated Management Model ................................................................... 376 7.1.2.4 Managementprozesse als zirkuläre Problemlösungsprozesse dank dem Model of Circular Processes ....................................................................... 377

Inhaltsverzeichnis XI

7.1.3 MPA-Transformation durch Aktionsforschung .................................................... 377

7.1.4 MPA-Theorie und MPA-Konzept ........................................................................... 381

7.2 Implikationen .................................................................................................... 385

7.2.1 Implikationen für die Wissenschaft ........................................................................ 385

7.2.2 Implikationen für die Praxis .................................................................................... 388

Literaturverzeichnis ....................................................................................... 393

Internetquellenverzeichnis ............................................................................ 413

Dokumentenliste Aktionsforschungsprojekt ............................................... 415

Abbildungsverzeichnis XIII

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit (eigene Darstellung) ......................................................... 14

Abbildung 2: Die vier Paradigmen der Sozialwissenschaften nach Burell/Morgan ............ 17

Abbildung 3: Die zwölf Bausteine im Konzept des Systemdenkens (eigene Darstellung) ....................................................................................... 50

Abbildung 4: Vergleich des technomorphen und systemischen Managementverständnisses nach Malik ......................................................... 65

Abbildung 5: Übersicht über die verschiedenen Corporate Governance Modelle (eigene Darstellung in Anlehnung an Malik) ................................................. 67

Abbildung 6: Das Corporate Management Model nach Malik ............................................ 72

Abbildung 7: Das People Management Model nach Malik ................................................. 73

Abbildung 8: Kundennutzen-Matrix nach Buzzell/Gale ...................................................... 88

Abbildung 9: Das "Model of Pre-controlled Success" (eigene Darstellung) ....................... 96

Abbildung 10: Lebensfähigkeit durch Wirksamkeit der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung) .................................................................. 109

Abbildung 11: Übersicht über die Systemfunktionen des Viable System Model (eigene Darstellung in Anlehnung an Beer) ................................................. 117

Abbildung 12: Schematische Darstellung des Rekursionsprinzips im Viable System Model (eigene Darstellung in Anlehnung an Beer) ..................................... 118

Abbildung 13: Zusammenfassende Beurteilung von Organisations-Ansätzen (eigene Darstellung) ..................................................................................... 120

Abbildung 14: Basiseinheiten und deren Varietätsausgleich (eigene Darstellung in Anlehnung an Beer) ................................................. 122

Abbildung 15: Grunddesign des Viable System Model (eigene Darstellung in Anlehnung an Beer) ................................................. 125

Abbildung 16: Gesamtbetrachtung des Viable System Model nach Beer ........................... 135

Abbildung 17: Zusammenhang von Managementfunktionen, -ebenen, -stufen (eigene Darstellung) ..................................................................................... 141

Abbildung 18: Die Balanced Scorecard nach Kaplan/Norton ............................................. 144

Abbildung 19: Das EFQM Excellence Model ..................................................................... 149

Abbildung 20: Übersichtsversion des Integrated Management Model nach Malik ............. 154

Abbildung 21: Zusammenfassende Beurteilung von Managementprozess-Ansätzen (eigene Darstellung) ..................................................................................... 157

Abbildung 22: Detailversion des Integrated Management Model nach Malik .................... 160

XIV Abbildungsverzeichnis

Abbildung 23: Buffering, Feedforward und Feedback ........................................................ 186

Abbildung 24: Grundlogik des Model of Circular Processes (eigene Darstellung) ............ 189

Abbildung 25: Parallelitäts- und Rekursivitätsprinzip des Model of Circular Processes (eigene Darstellung) ..................................................................................... 191

Abbildung 26: Informationsprinzip (Feedforward/-back) des Model of Circular Processes (eigene Darstellung) .................................................................... 192

Abbildung 27:Rekursive Logik von Feedforward/-back im Model of Circular Processes – beispielhaft dargestellt an den Hauptphasen „Analyse“ und „Optionen“ (eigene Darstellung) .................................................................. 193

Abbildung 28: Nutzung der drei Logikdimensionen durch das aus (A)nalyse, (O)ptionen, (G)estaltung und (W)irkung bestehenden Prozessmanagement (eigene Darstellung) ................................................... 195

Abbildung 29: „W-Fragen“, Modellbausteine und Kurz-Antworten zur MPA (eigene Darstellung). .................................................................................... 198

Abbildung 30: Charakteristik einer MPA-Transformation (eigene Darstellung) ................ 202

Abbildung 31: Phasen des Aktionsforschungsprojekts (eigene Darstellung) ...................... 204

Abbildung 32: Sieben sachlogische Dimensionen der MPA-Transformation des Malik MZSG ........................................................................................................... 230

Abbildung 33: Übersicht über die neuen Unternehmensbereiche des Malik MZSG .......... 235

Abbildung 34: Das Malik MZSG als Viable System Model ............................................... 262

Abbildung 35: Metasystem und Unterstützungseinheiten des Malik MZSG ...................... 263

Abbildung 36: Grundlogik der Transformation der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung) ..................................................................................... 287

Abbildung 37: Zeitliche Phasen der MPA-Transformation dargestellt anhand der zirkulären Grundlogik (eigene Darstellung) ................................................ 288

Abbildung 38: Das Theoriemodell der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung) ..................................................................................... 311

Abbildung 39: Rekursivität des Theoriemodells der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung) ..................................................................................... 312

Abbildung 40: Abgleich der spezifischen Forschungsfragen mit den Thesen des MPA-Theoriemodells (eigene Darstellung) ........................................................... 314

Abbildung 41: Basislogik des MPA-Konzepts (eigene Darstellung) .................................. 320

Abbildung 42: Management 1. und 2. Ordnung im MPA-Konzept (eigene Darstellung) ... 322

Abbildung 43: Beispielhaftes Zusammenspiel von Managementprozessen 2. mit jenen 1. Ordnung (eigene Darstellung) .................................................................. 323

Abbildung 44: Rekursives MPA-Rahmenkonzept (eigene Darstellung) ............................. 325

Abbildungsverzeichnis XV

Abbildung 45: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Zwecksetzung (eigene Darstellung) ..................................................................................... 326

Abbildung 46: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Strategie (eigene Darstellung) ..................................................................................... 329

Abbildung 47: Zeitliche Entwicklung der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung) ..................................................................................... 331

Abbildung 48: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Organisation (eigene Darstellung) ..................................................................................... 333

Abbildung 49: Beispiel eines MPA-Funktionendiagramms (eigene Darstellung). ............. 341

Abbildung 50: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Jahreszielprozess (eigene Darstellung) ..................................................................................... 342

Abbildung 51: Beispiel eines MPA-Jahreskalenders (eigene Darstellung) ......................... 345

Abbildung 52: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Arbeitsmethodik (eigene Darstellung) ..................................................................................... 346

Abbildung 53: Thematisch konfigurierte MPA-Syntegration (eigene Darstellung) ............ 349

Abbildung 54: Personell konfigurierte MPA-Syntegration (eigene Darstellung) ............... 351

Abbildung 55: Rekursive Anwendung des MPA-Syntegrations-Oktaeders zur Visualisierung der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung) ..................................................................................... 352

Abbildung 56: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Education (eigene Darstellung) ..................................................................................... 355

Abbildung 57: Zielgruppen der MPA-Education (eigene Darstellung) ............................... 357

Abbildung 58: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Evaluation (eigene Darstellung) ..................................................................................... 359

Abbildung 59: Betrachtungsperspektiven im Rahmen eines MPA-Assessments (eigene Darstellung) ..................................................................................... 363

Abbildung 60: Erfassungsbogen beispielhaft für den Prozess "Strategieentwicklung" (eigene Darstellung) ..................................................................................... 364

Abbildung 61: Zusammenfassung des MPA-Konzepts mit Hinweisen auf einschlägige Forschungsfragen (eigene Darstellung) ....................................................... 368

XVI Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Archiv MZSG Dokumentenarchiv des Malik Management Zentrum St. Gallen BSC Balanced Scorecard BU(C) Business Unit (Committee) bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise ca. circa CCD Corporate Consulting & Development CD(C) Corporate Division (Committee) CEO Chief Executive Officer CFO Chief Financial Officer CHRO Chief Human Resources Officer CIC Customer Information & Communication CIS Controlling & Information Systems COO Chief Operating Officer CRA Customer Reference Area CVC Customer Value Center d.h. das heisst DACH Deutschland (D), Österreich (A), Schweiz (CH) Dr. Doktor EFQM European Foundation for Quality Management etc. et cetera ev. eventuell EVE Ergebnisverantwortliche Einheit f. folgende Seite FA Finance & Accounting ff. folgende Seiten ggf. gegebenenfalls HR Human Resources Hrsg. Herausgeber i.e.S. im engeren Sinne i.w.S. im weiteren Sinne IMM Integrated Management Model insb. insbesondere ISO International Organization for Standardization

Abkürzungsverzeichnis XVII

IT Informationstechnologie LS Legal Services m.E. meines Erachtens Malik MZSG Malik Management Zentrum St. Gallen MCB Management Cybernetics & Bionics MCE Management Consulting & Education MCP Model of Circular Processes MED Management Education & Development MFI Management Formation & Information MMI Malik Management International MPA Management-Prozess-Architektur MPS Model of Pre-controlled Success MSP Malik Solution Partners OM Office Management P06 Perfektionierung2006 resp. Projekt2006 P07 Projekt2007 resp. Programm2007 P08 Precept2008 PIMS Profit Impact of Market Strategies Prof. Professor QMB Qualitätsmanagementbeauftragter nach ISO R-1/0/+1 Rekursionsebene -1 / 0 / +1 (gemäss VSM) resp. respektive S. Seite S1/2/3/4/5 System 1/2/3/4/5 (gemäss VSM) S3-A System 3-Ausschuss S4-A System 4-Ausschuss u.a. unter anderem UB (= CD) Unternehmensbereich (= Corporate Division) übS überbetriebliche Seminare USA United States of America vgl. vergleiche VR Verwaltungsrat vs. versus VSM Viable System Model z.B. zum Beispiel

Einleitung 1

1 Einleitung

In diesem Kapitel wird die Problemstellung und Relevanz des Themas dargelegt (Kapitel 1.1), um davon die Forschungsfrage und das Forschungsziel der Arbeit abzuleiten (Kapitel 1.2). Darauf aufbauend wird in Kapitel 1.3 der forschungsmethodische Ansatz und der Aufbau der Arbeit erklärt. Kapitel 1.4 umfasst die wissenschaftstheoretische Positionierung sowie die der Arbeit zugrundeliegenden Annahmen.

1.1 Problemstellung und Relevanz des Themas

Die zunehmende Vernetzung und Dynamik in Wirtschaft und Gesellschaft stellen hohe Anforderungen an Unternehmen der heutigen Zeit. Diese müssen sich in immer kürzeren Zeitintervallen vielfältigen Herausforderungen aus dem Umfeld stellen: Kein Unternehmen hat a priori eine gesicherte Zukunft vor sich. Unternehmen sind mehr den je dem Zwang ausgesetzt, Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen und wirksam zu behandeln. Dabei spielt Schnelligkeit eine immer grössere Rolle. Gerade in Zeiten der zunehmenden Globalisierung und erhöhten Transparenz ist es schwierig, sich im Wettbewerb nachhaltig erfolgreich abzuheben. Einigen Unternehmen gelingt es, in Branchen erfolgreich zu sein, in denen andere Unternehmen Konkurs gehen.1 Wenn Unternehmen potentiellen Zugang zu gleichen Ressourcen und den gleichen Kunden haben, dann schwingt letztlich jenes Unternehmen oben auf, dem es effektiver und effizienter gelingt, Ressourcen durch Wissen in Kundennutzen zu transformieren. Somit ist das Management einer Unternehmung ein entscheidender Wettbewerbsfaktor, denn Management lässt sich als die beschriebene Transformation von Ressourcen in Nutzen bezeichnen.2

Nicht nur die Komplexität des Umfelds hat sich erhöht, auch die Unternehmen selbst wurden notwendigerweise komplexere Gebilde, um in ihrem Umfeld erfolgreich bestehen zu können.3 Entscheidend für die Komplexität eines Unternehmens ist nicht primär dessen Grösse. Als wesentliche Komplexitätstreiber können beispielsweise Aspekte wie die zunehmende über- und innerbetriebliche Arbeitsteilung, hochtechnologische Fertigungs-prozesse und vergrösserte Sortimente genannt werden. Die dadurch entstehende Kom-

1 Vgl. z.B. die Lufthansa und die ehemalige Swissair in der Airline-Industrie. 2 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 33. 3 Vgl. hierzu auch Kapitel 2.1.2.3 (Komplexität) und Kapitel 3.2.3.1 (Varietätsausgleich zwischen Basiseinheiten).

2 Einleitung

plexität lässt sich nicht alleine durch interaktives Management (direkte Führung) bewältigen, sondern erfordert vermehrt auch strukturelles Management (indirekte Führung).4,5

Direkte Führung ist dadurch gekennzeichnet, dass Präsenz von Vorgesetzten, also ein interaktives Vorgehen, gefordert ist, indem z.B. mündlich Weisungen erteilt, Anordnungen gegeben und Handlungen kontrolliert werden. Indirekte Führung orientiert sich nicht am Einzelfall, sondern ist auf die Gestaltung von Rahmenbedingungen angelegt, welche im Normalfall kein Eingreifen in Einzelfallentscheidungen mehr notwendig macht. Es handelt sich dabei also um ordnende, strukturelle Aspekte, welche auch dann ihre Kraft entfalten, wenn der Vorgesetzte nicht gerade an Ort und Stelle ist.6 Dieses indirekte Einwirken ist für die heutige Zeit wesentlich geeigneter und wirkungsvoller als die direkte Einflussnahme.7,8 „Indirekte Systemlenkung durch allgemeine Regeln und Grundsätze erhöht den Lenkungseinfluss weit über die Kapazität des menschlichen Verstandes und der persönliche Präsenz hinaus.“9

Die Aktivitäten im Bereich des strukturellen Managements lassen sich anhand von Managementprozessen charakterisieren. Managementprozesse sind somit – unabhängig ob explizit oder implizit angewendet – unumgänglich für nachhaltig erfolgreiche Organisa-tionen. In der heutigen Welt der Organisationen10 wird Management zum Massenberuf11 und die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung 12 von Managementprozessen zu einer Managementaufgabe höchster Priorität. Der Erfolg einer Unternehmung hängt massgeblich vom Zusammenspiel der Managementprozesse ab. Damit dieses Zusammenspiel unab-

4 Ansoff/McDonnell bezeichnen Managementsysteme (im Sinne eines Zusammenspiels von Managementprozessen) als systematischen Ansatz, um Unvorhersehbarkeit, Neuigkeit und Komplexität zu bewältigen. Vgl. Ansoff und McDonnell, Strategic Management, 1990, S. 12 ff. 5 Die Begriffe Management und Führung werden in der gesamten Dissertation als Synonyme verwendet, gleiches gilt entsprechend für Begriffe wie Managementsysteme und Führungssysteme sowie Management-Prozess-Architektur und Führungs-Prozess-Architektur. 6 In der Politik werden für die Begriffe direkte und indirekte Führung oft die Begriffe interventionistisch und ordnungspolitisch verwendet. Dass eine Abkehr vom ordnungspolitischen Einwirken zum Untergang etablierter Systeme führt, lehrte uns bereits die Geschichte z.B. im Zusammenhang mit dem Untergang von Rom. Vgl. Lachmann, Interpendenzen, 1995, S. 47 f. 7 Je komplexer Unternehmen (und ihre Umwelt) sind, desto weniger ist direktes Einwirken zielführend. Vgl. Probst und Raisch, Gleichgewicht, 2005, S. 237. 8 Vorteile der strukturellen Führung sind insbesondere ihre hohe Akzeptanz, die Möglichkeit des organisationalen Lernens resp. das Nutzen der Intelligenz der Organisation, die hohe Effizienz sowie die Entlastung von Führungskräften resp. die Beschleunigung von Entscheidungen. Vgl. Link, Führungssysteme, 2004, S. 20 ff. 9 Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 65. 10 Vgl. Drucker, Management, 1974/2001, S. 23 und 126. 11 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 65 ff. 12 Zu den Begriffen Gestaltung, Lenkung und Entwicklung siehe Kapitel 2.1.4.

Einleitung 3

hängig von der Unternehmensart und -grösse möglichst reibungslos funktioniert, ist eine Management-Prozess-Architektur (MPA) zu etablieren.

Wirksame Management-Prozess-Architekturen helfen, Strategien festzulegen und in konkrete Resultate umzusetzen. Gerade damit aber tun sich viele Unternehmen schwer. Gemäss einer Studie von KAPLAN/NORTON, den Erfindern der Balanced Scorecard, sind Hauptgründe für die Schwierigkeiten bei der Strategieumsetzung, dass rund 60 % der Unternehmen ihre Budgets nicht mit der Strategie abstimmen und ca. 70 % der Manager auf mittlerer Führungsstufe Incentives bekommen, die keinen Bezug zur Strategieumsetzung haben. 13 Es scheint in vielen Unternehmen das Verständnis für richtiges und gutes Management 14 zu fehlen, und/oder Abteilungsgrenzen verunmöglichen ein Handeln im Sinne des Ganzen. Die Management-Prozess-Architektur soll helfen, dieses Problem zu lösen, etwa indem es gelingt, von der Strategie her abgeleitete Assignments15 und Ziele zu vereinbaren, Mitarbeiter auf diese Assignments und Ziele auszurichten, die Ziele effizient zu erreichen und Mitarbeitern die dazu notwendigen Fähigkeiten zu vermitteln.

Die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der Management-Prozess-Architektur ist eine herausfordernde Aufgabe für Unternehmen, da unterschiedlichste Fachbereiche und -abteilungen einbezogen werden müssen. Heutzutage wird z.B. die Strategieerarbeitung oftmals von der Strategie- und Planungsabteilung unterstützt, Veränderungen im Bereich des Human Resources Management werden von der Personalabteilung vorangetrieben und eine Vielzahl von Controllingtätigkeiten16 finden sich in der Controllingabteilung wieder. Diese Abteilungen sind je nach Organisation besser oder schlechter aufeinander abgestimmt. In der Folge erarbeiten und nutzen zwar einzelne Abteilungen Instrumente der strukturellen Führung, streben dabei jedoch - bewusst oder unbewusst - häufig ein Einzeloptimum statt ein Gesamtoptimum an. Gerade bei grösseren Unternehmen kommt neben der "horizontalen Abstimmung" auch noch die "vertikale Abstimmung" über Unternehmens- und Führungs-ebenen hinzu. So hat z.B. eine formulierte Strategie nicht nur konsistent zu sein mit der 13 Vgl. Kaplan und Norton, Strategien umsetzen, 2006, S. 25. 14 Zum Aspekt von richtigem (statt falschem) und gutem (statt schlechtem) Management siehe Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 57. Die Dimension "richtig-falsch" bezieht sich dabei auf die Effektivität, diejenige von "gut-schlecht" auf die Effizienz. Dass beide Dimensionen wichtig sind, lässt sich am Beispiel eines 100-Meter-Läufers erkennen, der nach dem Startschuss zwar extrem gut (schnell/effizient), aber leider in die falsche Richtung rennt. Richtiges Management ist nach Malik allgemein gültig, d.h. das "Was" ist überall gleich. Das "Wie" ist demgegenüber durchaus abhängig z.B. von Landeskultur und Art der Institution. Vgl. auch Kapitel 2.2.3.1 (Grundüberlegungen zu richtigem und gutem Management). 15 Assignments sind Schlüsselaufträge für Mitarbeiter für die nächste überschaubare Zeit. Sie leiten sich aus der Strategie ab und sind die Individualisierung der Strategie sowie ein bedeutendes dynamisches Organisationsinstrument. 16 Dabei handelt es sich um Tätigkeiten im Sinne eines "Controller-Dienstes". Das eigentliche Controlling, nämlich das "unter-Kontrolle-halten" eines Systems, ist eine undelegierbare Managementverantwortung.

4 Einleitung

nachgelagerten Prozessoptimierung, sondern es ist auch sicherzustellen, dass die Strategie der Muttergesellschaft konsistent ist mit den Strategien z.B. der Divisionen sowie der "darunterliegenden" Tochtergesellschaften. Dieses einfache Beispiel veranschaulicht bereits, wie komplex eine Management-Prozess-Architektur ist – ja sein muss, um ein Realsystem "Unternehmen" gestalten, lenken und entwickeln zu können.

Damit die Management-Prozess-Architektur ihre Wirksamkeit voll entfalten kann, sind somit eine horizontale und eine vertikale Abstimmung der einzelnen Managementprozesse äusserst wichtig. Im Gegensatz zu IT-Systemen bedeutet bei Managementprozessen eine fehlende Kompatibilität und Abstimmung einzelner Teile kein offensichtlicher "System-Stillstand". Dies mag vordergründig als Vorteil empfunden werden, ist aber insofern gefährlich, als Inkompatibilität und schlecht gemanagte Nahtstellen nicht direkt zum Vorschein kommen, jedoch die Leistungsfähigkeit des Unternehmens mittel- bis langfristig stark beeinträchtigen.

Die Problemstellung resp. die Forschungsidee einer wissenschaftlichen Arbeit kann unterschiedlichen Quellen entspringen.17 Als erste Quelle für die Forschungsidee diente mir ein paradoxes Phänomen, welches ich in der Praxis beobachtet habe. Das Paradoxon bezieht sich auf die Diskrepanz, dass obwohl Managementwissen theoretisch verfügbar wäre, dieses in den Unternehmen nicht ausreichend vorhanden ist und/oder umgesetzt wird. Als zweite Quelle hat mich eine funktionale Analogie bei der Schärfung der Forschungsidee unterstützt. In der Literatur wurde bisher viel geschrieben über die Optimierung von Geschäftsprozessen, nur äusserst wenig und oft sehr Abstraktes jedoch zum Thema der Managementprozesse. Eine differenzierte Übertragung von Geschäftsprozesswissen auf Managementprozesse kann hier interessante Aufschlüsse geben. Als wesentliche dritte Quelle diente die intensive Beobachtung eines Praxisfalls. Mir bot sich die Gelegenheit, über eine längere Zeit in der Praxis Managementprozesse selber mitzugestalten und zu reflektieren.

17 Bortz nennt als mögliche Quellen u.a. die Prüfung von widersprüchlichen Untersuchungsergebnissen oder Theorien, Analyse von Faustregeln und Sprichwörtern, die Evaluation von paradoxen Phänomenen, funktionale Analogien (Anwendung bekannter Prinzipien auf neuartige Probleme) oder die intensive Beobachtung (Selbstbeobachtung oder Beobachtung einer anderen Person oder Institution). Vgl. Bortz, Forschung, 1984, S. 14 f.

Einleitung 5

1.2 Forschungsfrage und Forschungsziel der Arbeit

1.2.1 Forschungsfrage

Eine wirksame Management-Prozess-Architektur zu etablieren und zu nutzen, ist eine Managementaufgabe erster Priorität. Wie unter 1.1 dargelegt, ist die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung einer wirksamen Management-Prozess-Architektur nicht einfach. Gerade die Orientierung an einem Gesamtoptimum im Interesse des Unternehmens und die dazu notwendige horizontale und vertikale Abstimmung von einzelnen Managementprozessen macht das Ganze zu einer äusserst herausfordernden Aufgabe. Entsprechend versucht sich die Praxis bestimmte Anhaltspunkte aus der Theorie zu Nutze zu machen. Allerdings sind viele Systeme, Modelle und Konzepte, welche mit „Management“ bezeichnet werden, gar nicht wirklich Managementsysteme, -modelle, resp. -konzepte. So fokussieren z.B. viele der theoretischen Arbeiten zum Thema Managementsysteme nicht auf Managementbereiche, sondern auf Sachbereiche (wie z.B. Qualitätssicherung, Umweltschutz, Arbeitssicherheit)18 und beziehen sich somit nicht primär auf zweckorientierte soziale Ganzheiten. Des Weiteren sind Begriffe der Informationstechnologie wie Content und Document Management Systems aus dem praktischen Alltag kaum mehr wegzudenken.19 Wenn man Management als die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von sozialen Systemen versteht 20 , dann handelt es sich bei den erwähnten Systemen nicht um wirkliche Managementsysteme. Nicht zuletzt um Missverständnisse mit dem weit verbreiteten und sehr schwammigen Verständnis von Managementsystemen zu vermeiden, verwende ich daher den Begriff der Management-Prozess-Architektur.

Um der Dynamik von Unternehmensinnenwelt und -umwelt gerecht zu werden, ist eine ausgeprägte Dynamisierung und Flexibilisierung der Organisation notwendig. Die Ablauforganisation (Prozessorientierung) gewinnt gegenüber der Aufbauorganisation (Strukturorientierung) vermehrt an Bedeutung. Eine an Kunden ausgerichtete Prozesslandschaft kann dabei unter Qualitäts-, Zeit- und Kostenaspekten bessere Resultate hervorbringen als eine primär an Aufbaustrukturen orientierte Unternehmung. Allerdings gilt es bezüglich der Unterscheidung in Prozesse und Strukturen zu beachten, dass "Prozesse

18 Vgl. u.a. Löbel, Schröger und Closhen, Managementsysteme, 2005, S. 91 ff., Käfer, ISO-Prozessmodell, 2006, S. 121 und Wallmüller, Informationsverarbeitung, 1995, S. 42 ff. 19 Vgl. u.a. Krcmar, Informationsmanagement, 2005, S. 497 f. sowie Laudon und Laudon, Management Information, 2004, S. 298 und 317. 20 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 223 f.

6 Einleitung

sich schnell verändernde Strukturen sind und Strukturen langsam ablaufende Prozesse".21 Sowohl Prozesse als auch Strukturen haben eine ordnende, organisierende Komponente, weshalb oft auch von Ablauforganisation (Prozesse) und Aufbauorganisation (Strukturen) gesprochen wird. ÖSTERLE beschreibt einen Prozess in diesem Zusammenhang als "Menge von Aufgaben, die in einer vorgegebenen Ablauffolge zu erledigen sind (…). Seine Wertschöpfung besteht aus Leistungen an Prozesskunden. Der Prozess besitzt eine eigene Führung, die den Prozess im Sinne der Geschäftsstrategie anhand der daraus abgeleiteten Führungsgrössen lenkt und gestaltet. Ein Unternehmen konzentriert sich auf die wenigen Prozesse, die über seine Wettbewerbsfähigkeit entscheiden."22

Wie in Kapitel 1.1 dargelegt, sind bei potenziellem Zugang zu gleichen Ressourcen und Kunden die Managementprozesse erfolgsentscheidend. Deshalb wären aus meiner Sicht insbesondere die Managementprozesse auch unter dem Gesichtspunkt des Prozess-managements genauer zu betrachten. Analog den Überlegungen von ÖSTERLE zum Thema Prozessarchitektur für operative Prozesse und deren Führung 23 , wäre demnach eine Prozessarchitektur für Managementprozesse und deren "Meta-Führung" – das Management der Managementprozesse – zu thematisieren.

Um auf Basis eines kybernetischen Verständnisses 24 Unternehmen wirksam gestalten, lenken und entwickeln zu können, sind Managementprozesse als Problemlösungsprozesse zu verstehen. Dies bringt mit sich, dass Managementprozesse nicht primär als materielle, sondern insbesondere auch als immaterielle Prozesse und Strukturen zu verstehen sind. In der vorliegenden Arbeit soll es nicht darum gehen, in grosser Tiefe auf die soziologisch und psychologisch geprägten immateriellen Prozesse im Allgemeinen einzugehen. Vielmehr ist beabsichtigt, das zirkuläre Abhängigkeits- und Beeinflussungs-Verhältnis von materiellen und immateriellen Prozessen zu thematisieren und zu nutzen. Vor diesem Hintergrund ist eine Management-Prozess-Architektur nur so gut, wie sie die relevanten Personen zur richtigen Zeit zu einem erfolgskritischen Thema wirksam interagieren lässt.

Der aktuelle Stand der Forschung, welcher namentlich in Kapitel 3 noch detaillierter dargelegt wird, lässt eine umfassende und gleichwohl anwendungsorientierte Antwort auf nachfolgende generelle Forschungsfrage vermissen:

21 Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 213. 22 Vgl. Österle, Engineering, 1995, S. 62. 23 Vgl. Österle, Engineering, 1995, S. 61 ff. 24 „Kybernetik ist die Wissenschaft von der (Selbst-)Lenkung und (Selbst-)Regulierung in komplexen Systemen durch Information und Kommunikation.“ Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 56. Zu weiteren definitionsähnlichen Beschreibungen der Kybernetik vgl. von Foerster und Poerksen, Understanding Systems, 2002, S. 101 f.

Einleitung 7

Wie muss die Management-Prozess-Architektur von Unternehmen konfiguriert werden, damit diese in ihrer komplexen Umwelt nachhaltig erfolgreich sind?

Aus dieser generellen Forschungsfrage lassen sich folgende acht spezifische Forschungs-fragen ableiten:

1. Wie müssen ergebnisverantwortliche Einheiten eines Unternehmens grundsätzlich gestaltet werden?

2. Welche Prozesse sind notwendig, um die ergebnisverantwortlichen Einheiten zu führen?

3. Wie spielen diese Managementprozesse in einer ergebnisverantwortlichen Einheit zusammen?

4. Wie kann in einer ergebnisverantwortlichen Einheit die Wirksamkeit des Zusammen-spiels der Managementprozesse und somit die Prozessqualität sichergestellt werden?

5. Wie ist eine Architektur der Managementprozesse zu gestalten, damit ergebnisver-antwortliche Einheiten unterschiedlicher Ebenen auf einen gemeinsamen Zweck hin funktionieren?

6. Wie lassen sich formelle Kompetenzen 25 für die Management-Prozess-Architektur organisatorisch verankern?

7. Wie lassen sich materielle Kompetenzen 26 für die Management-Prozess-Architektur dauerhaft in Unternehmen institutionalisieren?

8. Wie lässt sich anhand der Management-Prozess-Architektur der Erfolg eines Unter-nehmens ganzheitlich beurteilen und vorsteuern?

1.2.2 Forschungsziel

Zielsetzung der Dissertation ist es, durch die Beantwortung der aufgeführten spezifischen Forschungsfragen eine Theorie der Management-Prozess-Architektur herzuleiten. Die Güte dieser Theorie soll sich dabei sowohl an der logisch-argumentativen Herleitung als auch an 25 Mit formellen Kompetenzen sind Kompetenzen wie Entscheiden, Informieren, Ausführen, Verantworten gemeint. Die formellen Kompetenzen definieren somit, wer was darf, also das „Dürfen“. 26 Mit materiellen Kompetenzen sind die Fähigkeiten zur effektiven und effizienten Wahrnehmung der formellen Kompetenzen im Interesse des Unternehmens gemeint. Die materiellen Kompetenzen definieren somit, wer was kann, also das „Können“.

8 Einleitung

deren Nutzen für die Praxis messen lassen. Der Nutzen für die Praxis soll darüber hinaus durch ein Konzept der Management-Prozess-Architektur noch geschärft werden. Damit soll ganz im Sinne von Management als anwendungsorientierter Disziplin27 ein Beitrag sowohl für die Theorie als auch für die Praxis geleistet werden.

Ein Forschungsziel beschreibt, welches wissenschaftliche Resultat am Ende der Arbeit vorliegen soll. Gemäss BORTZ/DÖRING können wissenschaftliche Untersuchungen nach ihrer Zielsetzung idealtypisch in drei Kategorien eingeteilt werden: 1. Explorative Untersuchungen (Ziel: Bildung von Theorien und Hypothesen); 2. Explanative Untersuchungen (Ziel: Prüfung von Theorien und Hypothesen); 3. Deskriptive Untersuchungen (Ziel: Beschreibung von Populationen).

Die Exploration ist der Explanation logisch vorgeschaltet. Bevor man eine Theorie resp. Hypothesen prüfen kann, müssen solche gebildet werden. Etwas verschwommener ist der Zusammenhang zwischen bzw. die Unterscheidung von explorativen und deskriptiven Untersuchungen. Dies deshalb, weil deskriptive Untersuchungen nicht nur für die Beschreibung einer gesamten Population, sondern teilweise auch zu explorativen Zwecken durchgeführt werden können (z.B. die Einzelfallbeschreibung).28

Da zum Thema Management-Prozess-Architektur im hier vertretenen Sinne noch keinerlei umfassende Theorien und theoretisch-inhaltliche Hypothesen vorliegen, ist es das Ziel dieser Arbeit, diese Lücke zu schliessen. Der dazu notwendige Forschungsansatz ist somit auf die Exploration fokussiert. Aufbauend auf der vorliegenden Arbeit werden weiterführende Forschungsarbeiten im Bereich der Explanation sowie der Deskription möglich sein.

1.3 Forschungsmethodischer Ansatz und Aufbau der Arbeit

1.3.1 Forschungsmethodischer Ansatz

Hinsichtlich des Forschungsziels wurde unter 1.2.2 die Herleitung einer Theorie als Zielsetzung genannt. Gemäss den zuvor dargelegten Kategorien und Zielsetzungen von wissenschaftlichen Untersuchungen lässt sich eine Theorie am besten mittels einer explorativen Untersuchung herleiten. Im Bereich der explorativen Untersuchungen lassen

27 Vgl. hierzu auch Kapitel 1.4.1 (Wissenschaftstheoretische Positionierung). 28 Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 356 f.

Einleitung 9

sich nach BORTZ/DÖRING vier Explorationsstrategien unterscheiden: die theoriebasierte Exploration, die methodenbasierte Exploration, die empirisch-quantitative Exploration und die empirisch-qualitative Exploration. 29 Diese vier Explorationsstrategien werden nachfolgend auf ihre Eignung überprüft. Um dies im Dienste des Forschungsthemas tun zu können, sind einige themenspezifische Charakteristika zu bedenken.

Management im Komplexitätszeitalter ist mit verbreiteten herkömmlichen Theorien und Methoden nicht mehr zu bewältigen. Oder wie MALIK schreibt: Es braucht ein neues Management (nämlich kybernetisches Management) für das erfolgreiche Bestehen in einer neuen Zeit (dem Komplexitätszeitalter).30 Dies ist deshalb notwendig, weil der bisherige Erfolg sein eigenes Scheitern programmiert hat: „Noch nie war eine Erfolgsepoche von Dauer. Jeder Erfolg hat es in sich, dass er sich systematisch selbst überholt, weil er die Bedingungen seines eigenen Scheiterns selbst erzeugt. Das ist eine der vielen scheinbaren Paradoxien komplexer Systeme. Nur Wenige sind fähig, den bisherigen Erfolg als Ursache von aktuellen Problemen zu erkennen. Nur Wenigen gelingt es, zu verstehen, dass neue Lösungen gefordert sind, weil die bisherigen Erfolgsmethoden aufgrund ihres Erfolgs verpuffen, kontraproduktiv geworden sind und mit sich gebrachte Schwierigkeiten nur verstärken.“31

In Zeiten des Umbruchs, in denen bisherige Denk- und Handlungsweisen an Wirksamkeit und Bedeutung verlieren, erscheint es wenig sinnvoll, eine breit angelegte empirische Untersuchung anzustellen. Was man in der Praxis vorfinden würde, wären viele Arten von falschen und schlechten Management-Prozess-Architekturen, nicht aber von richtigen und guten Management-Prozess-Architekturen. Bei neuartigen Themen und in Zeiten des Umbruchs ist es sinnvoll, durch Theoriebildung normative Aussagen anzustreben, wie in Zukunft mit diesem Thema umgegangen werden soll.

Daraus folgt, dass sowohl die empirisch-quantitative als auch die methodenbasierte Exploration für den Forschungsansatz der vorliegenden Arbeit nicht in Frage kommen. Nicht nur würde die empirisch-quantitative Exploration sich an vielen Erscheinungsformen von falschen und schlechten Management-Prozess-Architekturen orientieren. Quantitative Forschungsverfahren sind auch zu komplexitätsreduzierend und daher nicht in der Lage, sozial komplexe Phänomene adäquat abzubilden.32 Die methodenbasierte Exploration kann

29 Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 358 ff. 30 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 61 ff. sowie Beer, Platform, 1975/1978, S. 15. 31 Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 19. 32 Diesem Umstand wird in der Forschung leider oft zu wenig Rechnung getragen, und es entstehen linear-reduktionistische Modelle mit vielen quantitativen Ergebnissen aber wenigen nutzenstiftenden Aussagen. Beispielhaft

10 Einleitung

ebenfalls nicht herbeigezogen werden, da für ihren Einsatz geeignete und bereits methodisch geprüfte Theorien notwendig wären, um mittels Methoden-Variation und -Modifikation zu neuen Erkenntnisse zu gelangen.

Von den vier Explorationsstrategien nach BORTZ/DÖRING bleiben somit deren zwei übrig – die empirisch-qualitative Exploration und die theoriebasierte Exploration.

Die theoriebasierte Exploration eignet sich auf alle Fälle, um die neuartige Thematik der Management-Prozess-Architektur im Komplexitätszeitalter zu bearbeiten. Bestehende Theorien können auf ihre Eignung hin überprüft und miteinander verglichen werden sowie gegebenenfalls als Bestandteile in einer neuen Theorie aufgehen. Die theoriebasierte Exploration wird somit eine tragende Säule in der Forschungskonzeption der vorliegenden Arbeit bilden. Bleibt noch die Frage zu klären, ob die theoriebasierte Exploration allenfalls sinnvoll ergänzt werden könnte durch die empirisch-qualitative Exploration.

Empirisch-qualitative Explorationsuntersuchungen werden mangels ihrer ausgefeilten Erhebungs- und Auswertungsmethoden fälschlicherweise oft als unwissenschaftlich abqualifiziert.33 In einer Zeit, in der statt dem erwähnten „entweder oder“-Denken vermehrt ein „sowohl als auch“-Denken gefragt ist und an die Stelle von linearen „Ursache-Wirkungszusammenhängen“ vernetzte Wirkungszusammenhänge treten, ist „Wissenschaft-lichkeit“ aber auch jenseits der makellosen Anwendung von Erhebungs- und Auswertungs-methoden zu sehen. Entscheidend für den Fortschritt unserer Gesellschaft wird bei wissenschaftlichen Arbeiten insbesondere die Kernfrage sein, ob innovative Impulse für Praxis und Forschung gegeben werden. 34 Dies stärkt die Position, dass empirisch-qualitative Explorationen gleichwertig sind mit empirisch-quantitativen Explorationen und es sich dabei um sich gegenseitig ergänzende Teile empirischer Sozialforschung handelt.35

Die empirisch-qualitative Exploration eignet sich aufgrund der besseren Erfassung von komplexen Phänomenen für die vorliegende Fragestellung wesentlich besser als die empirisch-quantitative Exploration. Allerdings ist auch sie mit dem Problem behaftet, dass bei einer breit angelegten Untersuchung häufig Daten zu überholtem Managementdenken

sei die Studie von Othman/Poon genannt, in deren Modell zu „Management Orientation“ und „Human Resources Management“ jeder Pfeil genauso gut in die entgegengesetzte Richtung zeigen resp. wirken könnte und auch sonst – von den Autoren ebenfalls genannte – beträchtliche Limitationen bestehen. Vgl. Rozhan und June, HRM, 2000, S. 471 und 477 f. 33 Vgl. Bortz, Forschung, 1984, S. 218. 34 Vgl. Bortz, Forschung, 1984, S. 218. 35 Extrempositionen mit Alleinvertretungsanspruch und entsprechender Ablehnung der anderen Position werden in den letzten Jahren immer seltener vertreten. Vgl. hierzu auch Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 296.

Einleitung 11

und -handeln erhoben würden. Dazu kommt, dass der Aufwand für eine breit angelegte empirisch-qualitativen Exploration den Rahmen einer Doktorarbeit bei weitem sprengen und zudem der Zugang zu aufschlussreichen Untersuchungsobjekten sich in der Forschungspraxis – u.a. aufgrund der Problematik der Offenlegung von Geschäfts-geheimnissen – als schwierig herausstellen würde. Im Umkehrschluss zu diesen potenziellen Einschränkungen wäre eine empirisch-qualitative Exploration dann erfolgsversprechend, wenn kumulativ

1. der Aufwand bewältigbar ist durch einen Fokus auf ein oder wenige Untersuchungs-objekte;

2. das eine Untersuchungsobjekt oder die ausgewählten wenigen Untersuchungsobjekte die Herausforderungen des Komplexitätszeitalters erkannt haben und diese Unternehmen bereit sind, Schritte zur Bewältigung dieser Herausforderungen einzuleiten resp. diese schon eingeleitet haben;

3. der Zugang zum Untersuchungsobjekt resp. zu den Untersuchungsobjekten nicht nur oberflächliche, sondern auch vertiefende Einblicke in das interessierende Phänomen zulässt, was ein Vertrauensverhältnis zwischen Unternehmen und Forscher voraussetzt.

Im Rahmen der theoriebasierten Exploration bot sich mir die Gelegenheit, aus den gewonnenen Erkenntnissen heraus ein Aktionsforschungsprojekt36 bei meinem Arbeitgeber, dem Malik Management Zentrum St. Gallen, durchzuführen. Der Ansatz der Aktions-forschung mit dem Malik Management Zentrum St. Gallen als Untersuchungsobjekt erfüllt die obigen drei Anforderungen an eine erfolgsversprechende empirisch-qualitative Exploration vollumfänglich: Der Aufwand ist aufgrund des singulären Untersuchungs-objekts im Rahmen einer Doktorarbeit verkraftbar, das Untersuchungsobjekt weist eine Vielzahl von Personen mit einem fundierten gemeinsamen Managementverständnis auf (welches dem Komplexitätszeitalter gerecht wird), und der Zugang zum Untersuchung-sobjekt ist aufgrund meiner langjährigen Mitarbeit beim Malik Management Zentrum St. Gallen in einer Form gegeben, wie er bei einem neu zu gewinnenden Untersuchungsobjekt kaum denkbar wäre. Die empirisch-qualitative Exploration lässt somit eine sehr hohe Qualität der Forschungsergebnisse erwarten.

Der für die empirisch-qualitative Exploration gewählte Ansatz der Aktionsforschung erfor-dert ein enges Zusammenarbeiten von Wissenschaftler und Betroffenen. Dies von der Phase

36 Der Ansatz der Aktionsforschung geht auf Arbeiten von Kurt Lewin zurück. Vgl. hierzu Walter-Busch, Organisationstheorien, 1996, S. 182 f. sowie McNiff und Whitehead, Action Research, 2000, S. 197 f.

12 Einleitung

der Definition der Problemstellung über das Erarbeiten von Theorien und Lösungsansätzen bis hin zu deren Umsetzung und Evaluation.37 „Anwendungsorientierte Forschung generiert ihre Forschungsthemen aus der Praxis und gelangt in deren Rahmen zu praktischen Problemlösungen.“38 Dabei verfolgt Anwendungsforschung (Aktionsforschung, Handlungs-forschung) eine doppelte Zielsetzung: Einerseits soll durch die reale Problemlösung ein Beitrag zur Praxis und anderseits ein Beitrag zur Theorie geleistet werden.39

Es ist mir bewusst, dass die aus der empirisch-qualitativen Exploration mittels Aktions-forschung hervorgehenden Erkenntnisse nur für den untersuchten Realitätsausschnitt Gültigkeit haben und eine Verallgemeinerung solange spekulativer Natur bleibt, als keine empirische Absicherung stattgefunden hat.40,41 Ich bin jedoch der Überzeugung, dass der skizzierte Forschungsansatz am geeignetsten ist, um eine Theorie hervorzubringen, welche sich erfolgreich der weiteren Bewährung in Forschung und Praxis wird stellen können. Dies wird auch mit nachfolgenden Überlegungen von BORTZ untermauert: „Theorieentwicklung darf nicht losgelöst von der Realität geschehen, sondern basiert auf einem ständigen Wechsel zwischen induktiver Verarbeitung einzelner Beobachtungen und Erfahrungen zu allgemeinen Vermutungen oder Erkenntnissen und deduktiver Überprüfung der gewonnen Einsichten an der konkreten Realität.“42

Der Forschungsmethodische Ansatz der vorliegenden Arbeit kombiniert aufgrund der dargelegten Überlegungen eine theoriebasierte Exploration mit einer empirisch-qualitativen Exploration. Dieser kombinierte Forschungsansatz widerspiegelt sich insbesondere in den Kapiteln 3, 4 und 5. Das konkrete Explorationsvorgehen wird jeweils in den entsprechenden Kapiteln dargelegt. So ist sichergestellt, dass der Explorationsprozess insgesamt dokumen-tiert ist im Sinne eines methodisch-strukturierten und kritisierbaren Vorgehens.43 Dies im Unterschied zum alltäglichen Erkenntnisgewinn, der keinen wissenschaftlichen Anspruch zu erfüllen hat.44

37 Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 50. 38 Probst und Raub, Managementforschung, 1995, S. 5. 39 Vgl. McNiff und Whitehead, Need, 2006, S. 1 und 45. 40 Vgl. hierzu auch 7.2.1 (Implikationen für die Wissenschaft). 41 Eine „empirische Absicherung“ führt nicht zu „endgültigem, wahrem Wissen“, sondern zu „mehr oder weniger bewährtem Wissen“. Theorien können daher per se nicht zu wissenschaftlicher Sicherheit, jedoch sehr wohl zu wissenschaftlichem Fortschritt führen. Vgl. Popper, Gesellschaft, 1958/2003, S. 19. 42 Bortz, Forschung, 1984, S. 218. 43 Vgl. Joye, Qualitative or Quantitative, 2004, S. 133 f. 44 Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 354.

Einleitung 13

1.3.2 Aufbau der Arbeit

Der Aufbau der Arbeitet richtet sich strikt nach den Anforderungen der zuvor dargelegten Problemstellung, Forschungsfrage, Zielsetzung und dem forschungsmethodischem Ansatz. Die Dissertation gliedert sich grob in drei Teile, einen einführenden Teil (bestehend aus Kapitel 1 & 2) einen Hauptteil (Kapitel 3-5) und einen abschliessenden Teil (Kapitel 6 & 7).

Im Rahmen der Einleitung (Kapitel 1) wird die Problemstellung und deren Relevanz skizziert, um davon die Forschungsfrage und die Zielsetzung der Arbeit abzuleiten. Weiter werden der forschungsmethodische Ansatz sowie der Aufbau der Arbeit dargelegt. Eine wissenschaftstheoretische Positionierung sowie die Nennung der Grundannahmen runden dieses Kapitel ab.

Kapitel 2 (Theoretische Grundlagen) hat ebenfalls noch einführenden Charakter. Hier geht es darum, das dieser Arbeit zugrunde liegende Managementverständnis aufzuzeigen. Dabei wird dem systemorientierten Denken und der systemorientierten Managementlehre besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Diese theoretischen Grundlagen dienen auch dazu, ein vertieftes Verständnis der in Kapitel 1 genannten Grundannahmen zu ermöglichen und den Weg für den Hauptteil der Arbeit zu bereiten.

Der Forschungsschwerpunkt der vorliegenden Arbeit widerspiegelt sich in den Kapiteln 3-5. Im Kapitel 3 (Theoriebausteine zur MPA) werden mittels theoriebasierter Exploration Theoriebausteine der Management-Prozess-Architektur erarbeitet. Dabei werden die Themen des vorgesteuerten Erfolgs, der rekursiven Architektur, des integrierten Manage-ments und der zirkulären Prozesse als vier Eckpfeiler der Management-Prozess-Architektur aufgearbeitet.

Kapitel 4 (Praxisfall einer Transformation der MPA) fokussiert auf den Praxisfall der Transformation der Management-Prozess-Architektur des Malik Management Zentrum St. Gallen. Dabei werden zuerst Erwägungen zur praktischen Untersuchung dargelegt, damit Ziel, Methode, Limitationen und Gütekriterien der durchgeführten Aktionsforschung transparent sind. Anschliessend werden – aufgeteilt in Vorphase, Projektphase und Nachphase – die Untersuchungsergebnisse der MPA-Transformation präsentiert.

Als Synthese von Kapitel 3 und Kapitel 4 wird im Kapitel 5 (Bildung der MPA-Theorie) die Theorie der Management-Prozess-Architektur hergeleitet. Dazu werden in einem ersten Schritt die Untersuchungsergebnisse aus unterschiedlichen Perspektiven interpretiert. Als Untersuchungsperspektiven werden dazu die vier im Kapitel 3 entwickelten Eckpfeiler der

14 Einleitung

Management-Prozess-Architektur genutzt. In einem zweiten Schritt werden Thesen formuliert, um die Theorie der Management-Prozess-Architektur zu konstituieren. Diese Thesen werden im abschliessenden dritten Schritt mit den spezifischen Forschungsfragen abgeglichen, um den theoretischen Erklärungsgehalt der vorliegenden Arbeit mit Blick auf die Forschungsfrage sicherzustellen.

Kapitel 6 (Erarbeitung des MPA-Konzepts) steht im Zeichen der Praxis und geht der Frage nach, wie, aufbauend auf der Exploration der Theorie der Management-Prozess-Architektur, deren Anwendung in der Praxis unterstützt werden kann. Dazu wird in einem ersten Schritte ein MPA-Rahmenkonzept erarbeitet, welches die wesentlichen Punkte der MPA-Theorie integriert. In einem zweiten Schritt werden darauf aufbauend sieben MPA-Konzeptmodule entworfen. Abschliessend werden das MPA-Rahmenkonzept und die sieben MPA-Konzeptmodule den spezifischen Forschungsfragen gegenüber gestellt, um neben dem theoretischen Erklärungsgehalt auch den praktischen Handlungsnutzen der vorliegenden Arbeit in Erfahrung zu bringen.

Mit einer Zusammenfassung und Implikationen (Kapitel 7) wird die vorliegende Arbeit abgerundet. In der Zusammenfassung sollen die wichtigsten Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit in kurzer Form dargelegt werden. Im Anschluss sollen sowohl die Implikationen für die Wissenschaft als auch jene für die Praxis aufgezeigt werden.

Die nachfolgende Darstellung fasst den Aufbau der Arbeit schematisch zusammen. Die verschiedenen Pfeile weisen dabei auf das iterative Entstehen und die wesentlichen Zusammenhänge der Bestandteile der Arbeit hin.

Abbildung 1: Aufbau der Arbeit (eigene Darstellung)

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen

3. Theorie-bausteinezur MPA

4. Praxisfall einer Transformation

der MPA

5. Bildung der MPA-Theorie

6. Erarbeitung des MPA-Konzepts

7. Zusammenfassung und Implikationen

Einleitung 15

Im Rahmen des Aufbaus und der Gestaltung der Arbeit wurde folgenden vier Punkten besondere Aufmerksamkeit geschenkt: 1. Logische Inhaltsstruktur und Querverweise 2. Klare Sprache und einheitliche Begriffsverwendung 3. Sinnvoller Einsatz von Abbildungen 4. Unterstützung verschiedener Zugänge zur Arbeit (Lesestrategien)

Der dargelegte Kapitelaufbau ist gewissermassen das Grundgerüst der Arbeit. Die Linearität, welche solchen klassischen Inhaltsstrukturen eigen ist, versuche ich möglichst sinnvoll mit (Quer)Verweisen auf Fussnoten, andere Textstellen und weiterführende Literatur zu ergänzen, ohne dabei den Lesefluss unnötig zu stören. Somit kann die Arbeit nicht nur linear gelesen, sondern auch über Querverweise "durchnavigiert" werden.

Darüber hinaus versuche ich, über die gesamte Arbeit hinweg eine möglichst einheitliche Begriffsverwendung aufrecht zu erhalten. Dies ist deshalb besonders angezeigt, weil in der Managementdisziplin keine einheitliche Begriffsverwendung vorherrscht. 45 Bei allem Bemühen, Begriffe möglichst konsistent anzuwenden, darf aber nicht ausser Acht gelassen werden, dass nicht einzelne Begriffe, sondern Aussagen und deren Kontext das wirklich Wichtige sind.46

Hinsichtlich des Einsatzes von Abbildungen bin ich mir bewusst, dass Abbildungen kontextlos meist nicht selbsterklärend sind. Dennoch dienen sie meiner Ansicht nach zur Visualisierung von wesentlichen Gedankengängen im Sinne einer Zusammenfassung und können somit für den Leser Orientierung schaffen und relevante Erinnerungen auslösen. Die Visualisierung des Aufbaus der Dissertation ist ein erstes Beispiel für eine derartige Abbildung.

Der Leser dieser Arbeit hat von hier aus verschiedene Möglichkeiten, die Arbeit näher kennen zu lernen, abhängig von seinen Vorkenntnissen, seinem Erkenntnisziel und der verfügbaren Zeit für die Lektüre. Im Wesentlichen lassen sich – wissend um die Einzigartigkeit jedes Lesers – folgende idealtypischen Lesestrategien angeben:

1. Der eilige Experte: Jemand mit wenig Zeit und grossen Vorkenntnissen in Systemt-heorie und Kybernetik sowie langjähriger Management-Praxiserfahrung kann direkt das zusammenfassende Kapitel 7 (Zusammenfassung und Implikationen) lesen. Somit

45 Vgl. hierzu auch Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 15. 46 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 548.

16 Einleitung

erfährt er die Kernaussagen der Arbeit und weiss in etwa, was von den anderen Kapiteln zu erwarten ist.

2. Der eilige Praktiker: Jemand mit wenig Zeit, der aber trotzdem aus dieser Arbeit einen „schnellen Gewinn“ für seine praktische Arbeit ziehen möchte, liest am besten Kapitel 6 (Erarbeitung des MPA-Konzepts) gefolgt von Kapitel 7.2.2 (Implikationen für die Praxis). Die Sprache in diesen Kapiteln ist nach Möglichkeit so gewählt, dass der Inhalt auch ohne Vorkenntnisse der Systemtheorie und Kybernetik verständlich und für die Praxis von Nutzen ist.

3. Der eilige Theoretiker: Jemand mit wenig Zeit, der aber trotzdem für seine wissenschaftliche Tätigkeit Erkenntnisse und Anregungen finden möchte, liest am besten Kapitel 5.2 (Thesen zur Konstitution der MPA-Theorie) und Kapitel 7.2.1 (Implikationen). Hierzu benötigt er aber Vorkenntnisse zu Systemtheorie und Kybernetik.

4. Der fundierte Praktiker und der fundierte Theoretiker nehmen sich die Zeit, die gesamte Arbeit zu lesen – dies abhängig von den Vorkenntnissen mehr oder weniger intensiv (studieren vs. überfliegen). Die Arbeit ist so aufgebaut, dass sie alle notwendigen und hinreichenden Ausführungen beinhaltet, damit selbst ein Leser ohne Vorkenntnisse einen Nutzen daraus ziehen kann.

1.4 Wissenschaftstheoretische Positionierung und Grundannahmen

1.4.1 Wissenschaftstheoretische Positionierung

Eine wissenschaftstheoretische Positionierung erfolgt über die Herausarbeitung des der Arbeit zugrundeliegenden wissenschaftstheoretischen Paradigmas. BURRELL/MORGAN verstehen unter Paradigma meta-theoretische Basisannahmen, die den Referenzrahmen, den "mode of theorising" und den "modus operandi" der Sozialwissenschaftler aufzeigen, welche mit dem jeweiligen Paradigma arbeiten.47 Dieses – auch der vorliegenden Arbeit zugrunde gelegte – Paradigma-Verständnis lässt in Abweichung vom Paradigma-Begriff nach KUHN48 in der Sozialwissenschaft mehrere parallel existierende Paradigmen zu. So

47 Vgl. Burrell und Morgan, Sociological Paradigms, 2003, S. 23. 48 Zum Paradigma-Begriff nach Kuhn vgl. Walter-Busch, Organisationstheorien, 1996, S. 59 und 73.

Einleitung 17

kann ein Forscher über die Zeit hinweg von einem Paradigma zu einem anderen gelangen. Eine Arbeit kann aber nur immer auf einem Paradigma basieren – paralleles Arbeiten in zwei oder mehr Feldern der nachfolgenden Darstellung ist demnach nicht möglich.49

Abbildung 2: Die vier Paradigmen der Sozialwissenschaften nach Burell/Morgan50

Die vier Felder der Matrix definieren vier komplett verschiedene Perspektiven für die Analyse von sozialen Phänomenen Die Matrix wird durch die Dimensionen „Veränderung/ Regulierung“ und „Subjektiv/Objektiv“ definiert.

Die vertikale Unterscheidung in „Veränderung“ und „Regulierung“ kann wie folgt umschrieben werden. Eine Soziologie der Regulierung befasst sich eher mit Aspekten wie sozialer Ordnung, sozialer Integration und Kohäsion, Solidarität und Tatsachen. Demgegenüber befasst sich eine Soziologie der radikalen Veränderung eher mit strukturellen Konflikten, Widersprüchen, Emanzipation und Möglichkeiten.51 Auch wenn eine Management-Prozess-Architektur im Rahmen eines Transformationsprojekts zu radikalen Veränderungen führen kann, so ist doch das Grundanliegen der Management-Prozess-Architektur der Regulierung und Selbstregulierung zuzuschreiben. In der vertikalen Dimension würde ich somit meine Arbeit eher in Richtung der Soziologie der Regulierung positionieren.

Die horizontale Unterscheidung in "Subjektiv" und "Objektiv" erfolgt über eine Positio-nierung hinsichtlich der vier Subdimensionen Ontologie (Nominalismus vs. Realismus), 49 Vgl. Burrell und Morgan, Sociological Paradigms, 2003, S. 25. 50 Vgl. Burrell und Morgan, Sociological Paradigms, 2003, S. 22 (eigene Übersetzung ins Deutsche). 51 Vgl. Burrell und Morgan, Sociological Paradigms, 2003, S. 18.

FunktionalistischInterpretativ

Radikal-strukturalistisch

Radikal-humanistisch

FunktionalistischInterpretativ

Radikal-strukturalistisch

Radikal-humanistisch

SOZIOLOGIE DER RADIKALEN VERÄNDERUNG

SOZIOLOGIE DER REGULIERUNG

SUBJEKTIV OBJEKTIV

18 Einleitung

Epistemologie (Anti-Positivismus vs. Positivismus), Menschenbild (Voluntarismus vs. Determinismus) und Methodologie (Ideographisch vs. Nomothetisch).52 In Anlehnung an BURRELL/MORGAN können die Begriffspaare der Subdimensionen von "Subjektiv-Objektiv" im Sinne von Extrempositionen wie folgt charakterisiert werden:53

1. Nominalisten sehen die Welt ausschliesslich als Konventionen wie Namen, Konzepte etc., während Realisten die reale Welt unabhängig von individueller Wahrnehmung als greifbar existent erachten.

2. Anti-Positivisten tendieren dazu, dass die Wissenschaft kein objektives Wissen generieren kann. Demgegenüber gehen die Positivisten davon aus, dass sie die soziale Welt erklären und voraussagen können.

3. Voluntaristen erachten den Menschen als vollständig autonom und mit freiem Willen ausgestattet, während die Deterministen den Menschen als komplett durch die Situation resp. die Umweltbedingungen bestimmt erachten.

4. Der ideografische Ansatz geht davon aus, dass man die soziale Welt nur verstehen kann durch das Beschaffen von Wissen aus erster Hand hinsichtlich des zu erforschenden Subjekts. Demgegenüber setzt der nomothetische Ansatz vergleichbar der Natur-wissenschaft insbesondere auf hypothesentestende, quantitative und meist standardisierte Methoden.

Noch mehr als bei der vertikalen Dimension (Veränderung/Regulierung) tritt hier zu Tage, wie limitiert eine derartige Kategorisierung insbesondere für die anwendungsorientierte Wissenschaft ist.54,55 Gerade ein systemorientiertes Managementverständnis, welches ich dieser Arbeit zugrunde lege, lässt sich nicht in „entweder-oder“-Kategorien abbilden, sondern ist zumeist ein „sowohl-als-auch“. Hinsichtlich der Ontologie kann z.B. ein infolge eines Sturms umgekippter Baum wohl mit unterschiedlichen Begriffen umschrieben werden, dass der Baum aber nicht mehr steht, ist eine Tatsache. Meine Arbeit weist sowohl eine nominalistische als auch eine realistische Positionierung auf. Hinsichtlich der Epistemologie positioniere ich meine Arbeit eher anti-positivistisch, da ich aufgrund von Komplexitäts-überlegungen das Voraussagen der Welt nicht für möglich halte. 56 Unklarer fällt die

52 Vgl. Burrell und Morgan, Sociological Paradigms, 2003, S. 3. 53 Vgl. Burrell und Morgan, Sociological Paradigms, 2003, S. 4 ff. 54 Vgl. hierzu auch von Foersters Ausführungen zur Gefährlichkeit von kategorisierenden „Labels“. Vgl. von Foerster und Poerksen, Understanding Systems, 2002, S. 42 ff. 55 Zum besonderen Charakter der anwendungsorientierten Wissenschaft vgl. Ulrich, Praxisbezug, 1998/2001, S. 463 f. 56 Vgl. hierzu auch die dritte Grundannahme auf Seite 21.

Einleitung 19

Positionierung bezüglich des Menschenbildes aus. Hier vertrete ich die Meinung, dass auf reduktionistische Menschenbilder verzichtet und kein Menschenbild resp. jenes des relationalen Menschen zugrunde gelegt werden sollte. 57 Bezüglich der Methodologie erachte ich nomothetische Ansätze für die vorliegende Forschungsfrage als ungeeignet und positioniere meine Arbeit daher in Richtung der ideografischen Ansätze. Zusammenfassend liegt meiner Arbeit somit eher ein subjektivistisches Verständnis zugrunde.

Kombiniert man nun die dargelegten Positionierungen auf der vertikalen und horizontalen Achse, so kommt man zum interpretativen Paradigma, welches meiner Arbeit zugrunde liegt. Dies ist mit ein Grund, weshalb auf quantitativ-empirische Forschungsmethoden zugunsten von qualitativen verzichtet wurde. Es sei hier darauf hingewiesen, dass die vorliegende Arbeit an diversen Stellen Erkenntnisse aus der Systemtheorie und Kybernetik aufgreift und nutzt. Somit werden Erkenntnisse von Grundlagenwissenschaften des Managements genutzt, die mit ihren Gesetzmässigkeiten und Prinzipien dem funktionalistischen Paradigma entsprechen.

Dass die vorliegende Arbeit nicht ohne weiteres auf den Dimensionen klar positioniert werden kann, hängt sicherlich auch damit zusammen, dass wir heute in einer Zeit leben, in der die generelle Bedeutung von früheren Paradigmen überdacht werden muss. MALIK weist darauf hin, dass heutzutage der Begriff Paradigma oft für Banalitäten benutzt wird und deshalb an Bedeutung verloren hat. Statt von Paradigmenwechsel spricht MALIK von einem kategorialen Wandel. „Was vor sich geht, ist nicht weniger, als eine Revolution der grundlegenden Kategorien, in denen Gesellschaft und Wirtschaft wahrgenommen werden müssen, um sie zu verstehen – vergleichbar mit der Kopernikanischen Wende vom geo- zum heliozentrischen Weltbild, aber in viel grösseren Dimensionen geschehend.“58

Im wissenschaftstheoretischen Zusammenhang wird auch die Frage nach Wahrheit thematisiert. Die Theorie der Management-Prozess-Architektur bietet strukturelle Ordnungsparameter, welche wirksames Management entstehen lassen. Wirksames Management ist kybernetisches Management und Kybernetik ist die Wissenschaft des Funktionierens.59 Etwas, das funktioniert, funktioniert wegen der Kybernetik. Bei etwas, das nicht funktioniert, ist das Nicht-Funktionieren ebenfalls kybernetisch bedingt (z.B. keine ausreichende Feedbackinformationen). Die Verifikation von etwas – also auch von Management – ist nie abschliessend möglich, jedoch können falsche Arten von Management durch Falsifikation erkannt werden. Dies entspricht der Grundidee des von 57 Vgl. hierzu auch die vierte Grundannahme auf Seite 21. 58 Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 32. Hervorhebung gemäss Original. 59 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 37.

20 Einleitung

POPPER begründeten kritischen Rationalismus, nach dem wissenschaftlicher Fortschritt nur mittels Eliminierung empirisch falsifizierter Theorien möglich ist. 60 Eine bisher nie falsifizierte Theorie ist aber nicht einfach wahr. Sie könnte nach wie vor falsifiziert werden und ein zukünftiges falsifizierendes Ereignis kann per se nie ausgeschlossen werden. Deshalb spricht man in diesem Fall nicht von einer wahren Theorie sondern von einer vorläufig bestätigten Theorie. Häufig bestätigte, also bewährte Theorien bekommen somit eine bessere Wahrheitsnähe.61

Die Falsifikations-Überlegungen von POPPER sollen auch dieser Arbeit zugrunde liegen. Diese Klärung ist deshalb wichtig, weil damit eine deutliche Abgrenzung zu „Beliebigkeit in Managementtheorie und -praxis“ möglich ist. Beliebigkeit kann z.B. in der Wahrheitstheorie von HABERMAS begründet sein. HABERMAS formulierte Wahrheit im Sinne einer Konsensustheorie, nach der eine Aussage wahr ist, wenn die Diskursteilnehmer gemeinsam überzeugt sind von der Übereinstimmung einer Aussage mit der Wirklichkeit.62 Dass dies aber regelmässig in die Irre führt, belegen historische Beispiele wie das lange Festhalten am geozentrischen Weltbild oder aber als neueres Beispiel das konsensierte Fokussieren auf den Shareholder-Value als primäre Steuerungsgrösse von Unternehmen.63

Die Güte einer Theorie basiert insbesondere auf deren logischer Konsistenz, auf Widerspruchsfreiheit und auf Nachvollziehbarkeit. Eine Theorie als wahr zu bezeichnen, ist nicht möglich. Hingegen kann man die Güte von Theorien anhand ihrer Bewährung in der Umsetzung und dem Ausbleiben von falsifizierenden Untersuchungen ableiten.64

1.4.2 Grundannahmen

Da Management hinsichtlich seiner grundsätzlichen Kategorie oft missverstanden wird, ist es meines Erachtens sinnvoll, bereits an dieser Stelle einige wesentliche Aspekte festzuhalten. Für den Zweck der vorliegenden Arbeit ist es im Sinne einer „Meta-

60 Vgl. Popper, Gesellschaft, 1958/2003, S. 19 sowie Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 18. 61 Zum Begriff „bewährt“ resp. zum „Grad der Bewährung“ vgl. Popper, Forschung, 1935/2002, S. 198 ff. 62 Vgl. Habermas, Theorie, 1984, S. 127 ff. 63 Ebenfalls kritisch zur Konsensustheorie äussert sich u.a. Albert. Vgl. Albert, Träumereien, 1975, S. 150. 64 Vgl. Stier, Forschungsmethoden, 1996, S. 10 f.

Einleitung 21

Grundannahme“ unerlässlich, hinsichtlich Management in die drei Ebenen Grundlagen-wissenschaft, Fachdisziplin und Praxis zu differenzieren.65

Die Ebene der Grundlagenwissenschaft kann auch bei engster Wissenschaftsdefinition als Wissenschaft bezeichnet werden. Ich spreche daher nachfolgend von Grundlagen-wissenschaft oder Wissenschaft i.e.S. Diese Ebene umfasst grundlegende Theorien von allgemeiner Gültigkeit – im Management sind dies die Transdisziplinen66 Systemtheorie und Kybernetik. Das Erkennen von Systemtheorie und Kybernetik als Grundlagenwissen-schaften von Management ist gleichzeitig ein Entscheid für eine Anzahl von spezifischen Grundannahmen:67

1. Das systemische Denken in Wirkungszusammenhängen (statt in linearen "Ursache-Wirkungsbeziehungen") und damit einhergehend die Einsicht, dass nie vollständige Information über eine Problemstellung vorliegen kann.68

2. Die Unternehmung verstanden als ein soziales produktives System, welches sich aus den Subsystemen Umwelt, Operation (Unternehmung i.e.S.) und Management konstituiert.69

3. Das Verständnis von Management als eine von vielen Personen wahrgenommene Funktion mit dem Ziel - trotz nie ausreichender Information - ein System "under control" zu halten und dadurch seine Lebensfähigkeit zu erhalten resp. zu erhöhen.70

4. Der Verzicht auf schubladisierende "Menschenbilder" zugunsten eines individual-kybernetischen Verständnisses des Menschen, nach dem dieser in einem zirkulären Verhältnis auf andere wirkt und von anderen beeinflusst wird.71

65 Eine ähnliche Kategorisierung findet sich bei Sander, Rüegg-Stürm und Wyss, Wissenschaft, 2004, S. 173 sowie bei Ulrich, Unternehmung, 1968/2001, S. 24 f. Krieg verwendet in Analogie zu den drei Ebenen die Begriffe Syntax, Semantik und Pragmatik (Abschiedsvorlesung Prof. Walter Krieg, 23.05.2006). 66 Von Transdisziplin kann deshalb gesprochen werden, weil die beiden Disziplinen ein eigenständiges Problem („Systemaufbau/-eigenschaften“ und „Systemlenkung") behandeln, welches für eine Vielzahl von anderen Disziplinen relevant ist. Somit stehen sie "quer" oder "übergeordnet" zu herkömmlichen Disziplinen. 67 Die Fachdisziplin Management beruht nicht auf einem einheitlichen Paradigma im Sinne von Kuhn, sondern ist durch einen theoretischen und erkenntnistheoretischen Pluralismus gekennzeichnet. Vgl. hierzu auch Sander, Rüegg-Stürm und Wyss, Wissenschaft, 2004, S. 214 sowie Walter-Busch, Organisationstheorien, 1996, S. 73 (Fussnote 1). Umso wichtiger ist im Forschungsprozess die Darlegung der Grundannahmen. 68 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 36 ff. 69 Unternehmungen im Speziellen resp. soziale Systeme im Allgemeinen können als Objektbereich der vorliegenden Arbeit bezeichnet werden. 70 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 36 ff.

22 Einleitung

Auf der Ebene der Fachdisziplin sind beispielsweise die Werke des St. Galler Ansatzes der systemorientierten Managementlehre anzusiedeln. 72 Die Fachdisziplin verbindet das Grundlagenwissen der Führung mit der Praxis der Führung von Institutionen und Menschen. Auch wenn diese Ebene formalwissenschaftlichen Kriterien nicht gerecht wird, so kann in Anlehnung an weit verbreitete Wissenschaftsdefinitionen dennoch von einer Wissenschaft gesprochen werden. Wissenschaft wird dabei einerseits als Institutionalisierung von Forschung und Lehre und anderseits als Diskurse, die sich nach ihrem Selbstverständnis wissenschaftlich mit bestimmten Fragestellungen auseinandersetzen, verstanden. 73 Um konsistent mit der Ebene der Grundlagenwissenschaft und der gängigen Sprachregelungen zu bleiben, werde ich daher die Ebene der Fachdisziplin als Ebene der anwendungs-orientierten Wissenschaft oder Wissenschaft i.w.S. bezeichnen. 74 Die Ebene der Fach-disziplin resp. der anwendungsorientierten Wissenschaft (Wissenschaft i.w.S.) unterscheidet sich vom Grundlagenwissen bezüglich Management (Wissenschaft i.e.S.) insbesondere dadurch, dass auf der Ebene der Fachdisziplin ein klares Bekenntnis zu normativen Aussagen besteht. Als Regulativ der Fachdisziplin kann deren Nützlichkeit in der Praxis angesehen werden. Als Fachdisziplin ist somit Management auch nicht eine Sache, die wenigen Talenten vorbehalten ist, sondern kann wie eine Sportart oder eine Sprache auf Basis von Grundsätzen, Aufgaben und Werkzeugen gelehrt und gelernt werden.75

Die Ebene der Praxis ist die dritte Ebene, und sie wird massgeblich von der Fachdisziplin und der Grundlagenwissenschaft von Management beeinflusst. Als Praxis ist Management ein Beruf und der einzelne Manager ein Berufsmann (resp. eine Berufsfrau), wie es der Arzt oder der Rechtsanwalt auch ist. Die Managementpraxis ist insofern transdisziplinär, als Erkenntnisse aus unterschiedlichen Wissenschaftsgebieten (Kybernetik, Betriebswirtschaft, Psychologie etc.) auf ein reales Problem appliziert werden, um dieses zu lösen. 76 Hinsichtlich der Beziehung zwischen Praxis und Wissenschaft (i.w.S. und i.e.S.) gibt es nach WALTER-BUSCH zwei grundlegend verschiedene Ansichten: eine komplementäre

71 Vgl. Manella, Mensch, 2003, S. 11 f. Der von Manella verwendet Begriff "Menschenbild" auf S. 12 darf dabei nicht gleich gesetzt werden mit dem herkömmlichen, schubladisierenden Begriff „Menschenbild“, wie er etwa im Zusammenhang mit der Theorie X und Theorie Y von McGregor verwendet wird. Vgl. McGregor, Mensch, 1970. 72 Vgl. hierzu Kapitel 2.2.1 (Grundlagen der systemorientierten Managementlehre) und 2.2.2 (Teilmodelle und Konzepte des St. Galler Management-Modells) und die dort zitierten Publikationen. 73 Vgl. Ulrich, Unternehmung, 1968/2001, S. 32; Sander, Rüegg-Stürm und Wyss, Wissenschaft, 2004, S. 167 sowie auch das Verständnis der Universität St. Gallen, welche von Wirtschaftswissenschaften spricht (siehe Deckblatt dieser Arbeit). 74 Der Begriff der "anwendungsorientierten Wissenschaft" wird z.B. auch von Ulrich verwendet. Vgl. Ulrich, Unternehmung, 1968/2001, S. 25. 75 Vgl. Ulrich, Unternehmung, 1968/2001, S. 27 ff. sowie Malik, Führen, 2000/2006, S. 60 ff. 76 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 206.

Einleitung 23

("nichts ist so praktisch wie eine gute Theorie") und eine konkurrierende ("das mag in der Theorie/Praxis richtig sein, taugt aber nichts für die Praxis/Theorie").77 Die Fachdisziplin Management orientiert sich immer an bestimmten Problemen der Praxis, wobei durch das Verfahren der fortschreitenden Typisierung auch Lösungen für bestimmte Problemarten erarbeitet werden können. Modelle, Konzepte und Instrumente der Fachdisziplin entfalten ihre Nützlichkeit immer erst in der praktischen Anwendung. Insofern ist eine komplementäre Beziehung zwischen Wissenschaft und Praxis anzustreben.

Die vorliegende Arbeit zur Management-Prozess-Architektur kann der Ebene der anwendungsorientierten Wissenschaft zugeordnet werden. Bei der Erarbeitung der Theorie der Management-Prozess-Architektur werde ich mich einerseits Erkenntnissen aus den Grundlagenwissenschaften von Management – Systemtheorie und Kybernetik – bedienen und anderseits Entwürfe von Theoriebausteinen in der Praxis im Rahmen der Aktionsforschung einem Anwendungstest unterziehen. Somit ist zwar der Hauptfokus der Arbeit auf der Ebene der anwendungsorientierten Wissenschaft, gleichzeitig werden aber die „übergeordnete Ebene“ (Grundlagenwissenschaft) und die „untergeordnete“ Ebene (Praxis) mit einbezogen und die Arbeit wird dem Anspruch einer komplementären Beziehung von Theorie und Praxis gerecht werden.78 Die dargelegten Überlegungen zu den drei Ebenen fasst BEER mit folgenden Worten zusammen: "if cybernetics is the science of control, management is the profession of control - in a certain type of system."79 Was für den Arzt die Medizin und für den Anwalt die Rechtswissenschaften sind, ist für den Manager die Kybernetik und die ihr zugrunde liegende Systemtheorie. DRUCKER streicht die Wichtigkeit der Fachdisziplin als verbindendes Element zwischen Berufsstand und Grundlagenwissenschaft wie folgt heraus: "Management is a practice rather than a science or a profession, though containing elements of both."80

Der Wissenschaftler selbst steht vor einem nicht trivialen Problem der Komplexitäts-bewältigung, welches er nach den Grundsätzen der optimalen Vereinfachung verständlich lösen sollte.81 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass Erkenntnisse aus Systemtheorie und Kybernetik der weiteren Konkretisierung bedürfen, um sie für die Praxis nutzbar zu machen. Nur in der Praxis auch angewendete theoretische Erkenntnisse führen zu einer realen Verbesserung der Managementqualität. Zwecks Anwendbarkeit sind gewisse

77 Vgl. Walter-Busch, Organisationstheorien, 1996, 36 ff. 78 Dadurch soll auch verhindert werden, was Ulrich mit der Kritik von Praktikern bzgl. des zu hohen Abstraktionsgrades der Managementdisziplin beschreibt, vgl. Ulrich, Unternehmung, 1968/2001, S. 26. 79 Beer, Decision, 1966, S. 239. 80 Drucker, Management, 1974/2001, S. 24. 81 Bzgl. "optimaler Vereinfachung" siehe auch Gomez, Vereinfachung, 2005, S. 23 ff.

24 Einleitung

Kompromisse hinsichtlich Begriffswahl, Wahl von Beispielen sowie mit Bezug auf konkrete Empfehlungen nicht vermeidbar. Jedes Beispiel hat seine Grenzen, nicht jede Formulierung kann semantischen Analysen standhalten, und nicht jede Empfehlung kann bis ins Detail begründet werden.82 Ich werde mich aber bemühen, mich nach bestem Wissen und Gewissen klar und verständlich auszudrücken und die Grundregeln des wissenschaft-lichen Arbeitens stets einzuhalten. Als Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens erachte ich in Anlehnung an SANDER / RÜEGG-STÜRM / WYSS insbesondere die intersubjektive Nachvollziehbarkeit, die Allparteilichkeit des Forschers und die relevante Neuartigkeit.83

82 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 9. 83 Vgl. Sander, Rüegg-Stürm und Wyss, Wissenschaft, 2004, S. 198. Die intersubjektive Nachvollziehbarkeit betrifft die Darlegung des gewählten Vorgehens sowie Angaben, die es erlauben, Aussagen auf deren Quelle zurückzuführen. Die Allparteilichkeit umfasst einen reflektierten Umgang des Forschers mit eigenen Werten, Interessen und Bezügen zum Forschungsgegenstand. Die "relevante Neuartigkeit" umfasst die Suche einer relevanten Fragestellung und deren Beantwortung mit einer klar erkennbaren Eigenleistung im Sinne der Neuartigkeit zu verstehen.

Theoretische Grundlagen 25

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen

3. Theorie-bausteinezur MPA

4. Praxisfall einer Transformation

der MPA

5. Bildung der MPA-Theorie

6. Erarbeitung des MPA-Konzepts

7. Zusammenfassung und Implikationen

2 Theoretische Grundlagen

Um das Thema der Management-Prozess-Architektur adäquat bearbeiten zu können, ist es unentbehrlich, sich vorab mit den Grundlagen von Management zu befassen. Management gibt es, seit es Menschen gibt; Management jedoch sinnvoll zu beschreiben und zu erklären, gelang erst im 20. Jahrhundert auf Basis von Erkenntnissen der Systemtheorie und Kybernetik 84 . Angesichts der zunehmenden Komplexität gegen Ende des 2.

Jahrtausends waren und sind dieses Erkenntnisse höchst willkommen. In diesem Kapitel geht es nicht darum, eine umfassende Darstellung von Erkenntnissen aus Systemtheorie und Kybernetik zu liefern, sondern die Punkte herauszugreifen, welche für die Ausarbeitung der Dissertation besonders relevant sind. In diesem Zusammenhang werden auch die in Kapitel 1.4 dargelegten Grundannahmen verdeutlicht. Kapitel 2.1 führt ins systemorientierte Denken ein. Darauf basierend werden in Kapitel 2.2 Eckpfeiler der systemorientierten Managementlehre und Grundgedanken von richtigem und gutem Management vorgestellt. Abschliessend werden die wichtigsten Erkenntnisse in Kapitel 2.3 zusammengefasst.

2.1 Systemorientiertes Denken

2.1.1 Notwendigkeit des Umdenkens

Ereignisse der letzten Jahre und Monate – wie z.B. die Kreditkrise der USA – haben einmal mehr gezeigt, dass Situationen aufgrund ihrer Komplexität oft nicht rechtzeitig ausreichend verstanden werden und die Folgen davon an verschiedenen Stellen zu spüren sind. Die Notwendigkeit eines radikalen Umdenkens erhärtet sich zunehmend, hat sich aber eigentlich schon seit längerem abgezeichnet. So formulierte ULRICH bereits 1988 diese Notwendigkeit wie folgt: "Misserfolge bei der Lösung schwieriger Probleme sind heute vorprogrammiert dadurch, dass wir eine Problemlösungsmethodik anwenden, die zwar in der Vergangenheit

84 Kybernetik kommt vom griechischen „kybernetes“, zu Deutsch Steuermann. Kybernetik ist somit die Steuermannskunst resp. die Kunst der Steuerung. Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 41. Präzise genommen müsste man von der Kunst der Steuerung und Regelung sprechen. Vgl. hierzu 2.1.4.2 (Lenkung). Im Sprachgebrauch wird mit "Steuerung" implizit oft beides gemeint, z.B. wenn man von Unternehmenssteuerung spricht.

26 Theoretische Grundlagen

lange Zeit erfolgreich war, den heutigen Problemsituationen aber nicht mehr angemessen ist. Die Welt, in der wir heute leben und handeln, ist nicht mehr dieselbe wie vor hundert und mehr Jahren, sondern in weiten Teilen eine von Menschen gemachte Welt. Unsere Kultur hat die Erde in einer Art und Weise umgeformt, dass auch die Schwierigkeiten, mit denen wir heute zu kämpfen haben, Ergebnisse dieses menschlichen Denkens und Handelns sind, aber nicht mit den Denk- und Handlungsweisen, die sie bewirkt haben, bewältigt werden können. Unsere ungelösten Probleme von heute sind sozusagen die Restposten unseres Problemlösens von gestern - nur dass dieser Rest immer grösser wird, je mehr wir versuchen, ihn mit einem Denken von gestern zu beseitigen."85

Diese Feststellung von ULRICH hat MALIK weiter konkretisiert, indem er die Erfolgs-methoden der westlichen Industriestaaten – freier Markt und technokratisches Management – studierte und beide in ihrer herkömmlichen Form für die zukünftigen Herausforderungen als nicht mehr geeignet bezeichnete. Zwar hat die Synthese dieser beiden Erfolgsmethoden zu einem stetig effizienteren Nutzen von Ressourcen und Verteilen von Ergebnissen geführt, parallel dazu wurde aber eine fortschreitende Verflechtung von immer mehr Systemen und dadurch eine gigantische Komplexifizierung in Kauf genommen. Beide Erfolgsmethoden basieren noch auf dem Wissen eines Zeitalters, in dem Materie und Energie und nicht diese enorme Komplexität zu meistern waren. 86 Die heutigen Herausforderungen sind kaum vergleichbar mit denen aus dem Industrie- und Dienstleistungszeitalter und nur teilweise identisch mit denen des Informations- und Wissenszeitalters. Im Vergleich zu früher steht nun im unmittelbaren Vordergrund der Umgang mit Komplexität – wir sind im Komplexitätszeitalter angelangt.87

In der heutigen Welt sind insbesondere aufgrund der Spezialisierung im Arbeitsprozess, der Globalisierung – im Sinne einer globalen Arbeitsteilung – und der Informationstechnologie Menschen, Märkte und Informationen vieldimensional miteinander vernetzt und in ihren Entwicklungen kaum vorhersehbar. Die rasant erhöhte Komplexität nehmen wir aufgrund der Fortschritte in der Wissenschaft auch zunehmend war. Unter dem Stichwort „Proliferierende Varietät“ umschreibt BEER die kognitive Komponente der wuchernden Komplexität wie folgt: “Every conceptual step which enriches the nature of a system under study increases the information about it, increases the uncertainty informing it, and proliferates its variety.”88

85 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 16. 86 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 20 f. 87 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 18 f. 88 Beer, Decision, 1966, S. 252.

Theoretische Grundlagen 27

Um Komplexität nicht nur zu erkennen, sondern auch wirksam meistern zu können, sind neue Denkweisen zur Welt (resp. zur Situation), zu Institutionen (resp. zu Unternehmen), zum Management sowie zu den Menschen notwendig. Diese veränderten Denkweisen basieren auf Überlegungen der Systemtheorie und Kybernetik und werden nachfolgend erläutert.

2.1.2 Die (Um-)Welt als ineinander verflochtene Systeme

Um die Herausforderungen der heutigen Zeit erkennen, einschätzen und bewältigen zu können, muss die Welt als System aus vernetzten Subsystemen verstanden werden. Durch diese Betrachtung lässt sich der Grundstoff der heutigen Zeit – die Komplexität – erfassbar machen.

2.1.2.1 Das Ganze und die Teile

Ein System kann nach ULRICH/PROBST als aus Teilen bestehendes Ganzes bezeichnet werden. Die allgemeine Beschreibung sagt weder über den Zweck des Systems noch über dessen konkreten Inhalt etwas aus. Dagegen wird durch diese Definition klar, dass das Ganze einerseits abgrenzbar gegen aussen ist und anderseits im Innern aus unterscheidbaren Teilen besteht. Was wir als System-Ganzheit und -Teile betrachten, hängt ab von der Wahrnehmung des Beobachters und dessen Untersuchungsinteresse. Auch die Grenzen des Systems gegenüber seiner Umwelt sind gedankliche Konstrukte.89

Wir können somit die Welt als Ganzes betrachten mit der gedanklichen Grenze zum Universum. Wir können dann auf dieser Welt verschiedene Teile betrachten. Die Teile können z.B. die Kontinente sein, es können aber auch politische Parteien, Unternehmens-netzwerke oder Sportverbände sein. Diese Teile sind für sich genommen Teilsysteme oder aber Ganzheiten von weiteren Teilen, je nach Betrachtungsperspektive. So kann ein Unternehmen Teil eines Unternehmensnetzwerkes sein, es kann aber auch als Ganzes betrachtet werden, welches z.B. aus Bereichen, Abteilungen, Teams und Mitarbeitern besteht.

Das Erkennen der Welt als System mit entsprechenden Teilsystemen erfordert eine neue Denkweise – systemisches Denken. Systemisches Denken bedeutet sowohl Analyse als auch Synthese auf unterschiedlichen Betrachtungsebenen. Die herkömmlichen Denkweisen haben

89 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 31 f.

28 Theoretische Grundlagen

uns vor allem das Analysieren gelernt; deshalb ist es beim systemischen Denken wichtig, dass wir in der Ebenen-Hierarchie von Systemen insbesondere auch den Weg nach oben zum umfassenderen System berücksichtigen und dadurch ein System in ein grösseres Ganzes integrieren.90

Um ein System zu verstehen, muss man dessen Teile in ihrem Zusammenhang erkennen. Dadurch lässt sich auch erkennen, dass das Ganze etwas anderes ist als die Summe seiner Einzelteile. VESTER stellte dieses Phänomen anschaulich anhand der Mustererkennung bei einem Computerbild von Abraham Lincoln dar.91 Die Mustererkennung ist unsere einzige Chance, mit Komplexität umgehen zu können. 92 Die Mustererkennung funktioniert aufgrund des von VESTER als Fuzzy-logic bezeichneten Prinzips durch Datenreduktion auf die wesentlichen Ordnungsparameter und deren Vernetzung.93

2.1.2.2 Vernetztheit

In allen Lebensbereichen merken wir, dass wir in einer zunehmend vernetzten Welt leben, in der es oft gar nicht mehr möglich ist, Ursache und Wirkung von einzelnen Phänomenen genau zu identifizieren. MANELLA zeigt dies mit folgendem Beispiel: "Verhalten sich alle Menschen in Erwartung einer Wirtschaftskrise derart sparsam, dass sie kaum mehr etwas konsumieren und kein Geld mehr investieren, so können sie prompt das auslösen, was sie befürchten. Doch die Krise hätte gar nie eintreten müssen, wenn sich nicht alle so verhalten hätten. Womit die Folge zur Ursache und diese wiederum zur Folge wird, sodass sich Wirklichkeiten zirkulär entwickeln."94

Da das Ganze aus dem Zusammenwirken seiner Einzelteile entsteht, sind statt Details zu den Elementen viel mehr die Beziehungen zwischen den Elementen von Interesse. Im noch weit verbreiteten technomorphen Denken wird auf lineare Kausalketten fokussiert. Nicht selten wird sogar monokausal gedacht, indem eine Wirkung (z.B. Projektmisserfolg) auf genau eine und nur eine Ursache zurückgeführt wird (z.B. Projektleiter). Wir versuchen, für eine heutige Wirkung die eine Ursache in der Vergangenheit zu suchen. Auch zukunfts-gerichtet agieren wir oftmals in linearen Kausalketten denkend: Eine heutige Handlung hat morgen eine bestimmte Wirkung. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass lineare Kausalketten keine geeigneten Lösungsansätze für Probleme in vernetzten Systemen sind,

90 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 36 f. 91 Vgl. Vester, Kunst, 2002, S. 54. 92 Vgl. Gomez, Denken, 2004, S. 95. 93 Vgl. Vester, Kunst, 2002, S. 54 f. 94 Manella, Mensch, 2003, S. 33.

Theoretische Grundlagen 29

da infolge zirkulärer Verknüpfungen Teile auf sich selbst zurückwirken. Vielmehr ist in solchen Situationen die Vorstellung eines Kreises resp. eines Netzwerkes passend, welches aus Teilen besteht, die durch zirkuläre Beziehungen verbunden sind.95

Jedes System kann als Netzwerk von relevanten Elementen/Variablen dargestellt werden. Um zu erkennen, welche Elemente/Variablen besonders vernetzt sind, kann eine Einfluss-matrix erstellt werden, welche eine potenzielle Wirkung eines Elements auf die anderen Elemente untersucht. So lassen sich relativ schnell die wesentlichen Beziehungen zwischen Elementen eines Systems herausarbeiten. 96 , 97 Ein System ist somit ein Netzwerk aus verschachtelten Regelkreisen. Sind die Beziehungen von Variablen eines Regelkreises multipliziert in der Summe positiv resp. gleichgerichtet, dann sprechen wir von einem aufschaukelnden Regelkreis, während dem bei Regelkreisen mit negativer Beziehungs-summe ein stabilisierender Regelkreis vorliegt. Lebensfähige Systeme müssen immer über aufschaukelnde und stabilisierende Regelkreise verfügen, wobei in der Wirksumme98 die stabilisierenden Regelkreise überwiegen müssen.

2.1.2.3 Komplexität

ULRICH unterscheidet zwischen den Begriffen Kompliziertheit, als Art der Zusammen-setzung eines Systems, und Komplexität, als Veränderlichkeit im Zeitablauf. Demnach ist Kompliziertheit abhängig von der Anzahl und Verschiedenheit der Elemente sowie der Beziehungen zwischen den Elementen. Komplexität ist abhängig von der Vielfalt der

95 Vgl. hierzu auch Gharajedaghi, Systems Thinking, 2006, S. 13 ff. 96 Vgl. hierzu das Sensitivitätsmodell von Vester; Vester, Kunst, 2002, S. 185 ff. 97 Hinsichtlich der Beziehungsarten unterscheiden Systemdenker wie z.B. Vester zwischen gleich- und entgegen-gerichteten Beziehungen zwischen zwei Elementen. Gleichgerichtete Beziehungen bedeuten, dass je grösser/kleiner Element A wird, desto grösser/kleiner wird Element B. Bei entgegengerichteten Beziehungen führt eine Veränderung des Elements A (grösser/kleiner) zu einer entgegengesetzten Veränderung von Element B (kleiner/grösser). Die Beziehungsrichtung kann sich im Zeitverlauf durchaus auch ändern. Neben der Richtung der Einwirkung ist aber auch der konkrete Wirkungsverlauf entscheidend. Im seltensten Falle ist es eine lineare Wirkung, bei dem Element B um eine Einheit zunimmt, wenn Element A um eine Einheit zugenommen hat. Viel häufiger treffen wir progressive/degressive oder Kurvenverläufe an (wie z.B. die S-förmige Sättigungskurve). Neben Wirkungsrichtung und -verlauf ist der Zeitaspekt ein dritter wichtiger Aspekt von Elementbeziehungen. Dabei gibt es grob gesagt eher langsame bzw. träge oder schnelle und gar beschleunigende zeitliche Wirkungsverläufe. Vgl. Vester, Kunst, 2002, S. 185 ff. 98 Mit dem Begriff „Wirksumme“ möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es nicht genügt, einfach die Anzahl positiver und negativer Regelkreise zu zählen. Entscheidend für die Beurteilung der Lebensfähigkeit ist die „gesamte Wirkung“ eines Regelkreises, also nicht nur die Wirkrichtung, sondern auch der Wirkungsverlauf (Zu/Abnahme pro Einwirkung) und die Wirkungshäufigkeit (Zeitaspekt).

30 Theoretische Grundlagen

Verhaltensmöglichkeiten der Elemente sowie von der Veränderlichkeit der Wirkungs-verläufe zwischen den Elementen.99

Eine ausführliche Bedienungsanleitung für ein technisches Gerät ist zwar unter Umständen schwer verständlich und muss deshalb mehrmals gelesen werden, die Anleitung per se ist aber "nur" ein kompliziertes System (mit vielen Kapiteln, Aussagen etc.), da ja keine Dynamik vorliegt. Liegt nicht nur Kompliziertheit sondern auch Dynamik vor, so sprechen wir von komplexen Systemen. Dynamik ohne Kompliziertheit liegt einfachen Systemen zugrunde, wie z.B. der trivialen Maschine. Bei trivialen Systemen ergibt ein bestimmter Input immer den gleichen Output. Demgegenüber kann ein nichttriviales System bei gleichem Input unterschiedliche Outputs hervorbringen.100

Diese Überlegungen fasst ULRICH wie folgt zusammen: "Komplexität ist die Fähigkeit eines Systems, in kurzen Zeiträumen eine grosse Zahl von verschiedenen Zuständen annehmen zu können. Maschinen sind nichtkomplexe, 'triviale' Systeme, deren Verhalten vorausbestimmt und voraussagbar ist. Ökologische und soziale Systeme sind komplexe, 'nichttriviale' Systeme, deren konkretes Verhalten zu bestimmten Zeitpunkten nicht voraussagbar ist."101 Die Masseinheit von Komplexität ist demnach Varietät, und Varietät ist die Anzahl möglicher Zustände eines Systems.

Von grosser Bedeutung im Zusammenhang mit Komplexität und deren Bewältigung ist das sogenannte ASHBY’S Law of Requisite Variety: "only variety can destroy variety"102. Oder wie es BEER nannte: "Only variety absorbs variety". 103 Varietät (eines zu lenkenden Realsystems) kann demnach mit nur ebenso viel Varietät (des Lenkungssystems) bewältigt werden. Auf diese Gesetzmässigkeit wird in der vorliegenden Arbeit noch mehrfach zurückzukommen sein.104

2.1.3 Das Unternehmen als soziales produktives System

Betrachtet man die Welt als System, so kann ein Unternehmen als Teil dieses Systems „Welt“ bezeichnet werden. Wir können aber auch den Fokus auf das Unternehmen legen. In dieser Situation wäre die Welt resp. relevante Bereiche davon die Umwelt des Unter-

99 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 61. 100 Vgl. von Foerster und Poerksen, Understanding Systems, 2002, S. 54 ff. 101 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 66. 102 Ashby, Cybernetics, 1956, S. 207. Hervorhebung gemäss Original, jedoch kursiv statt fett. 103 Beer, Heart, 1979/1994, S. 89. 104 Vgl. hierzu z.B. Kapitel 3.2.3.1 (Varietätsausgleich zwischen Basiseinheiten).

Theoretische Grundlagen 31

nehmens. Das Unternehmen selbst lässt sich auch wieder durch die zuvor dargestellten Punkte „Das Ganze und die Teile“, „Vernetztheit“ und „Komplexität“ charakterisieren. Des Weiteren werden mit Fokus auf das System Unternehmen drei weitere wichtige Bausteine des Systemdenkens vorgestellt. Es sind dies „Das System und seine Umwelt“, „Ereignisse" und „Ordnung“.

2.1.3.1 Das System und seine Umwelt

Systeme können immer in ein nächst "höheres", umfassenderes System integriert werden. Auch sind die Grenzen der Systeme nicht per se gegeben, sondern eine Konstruktion der Wahrnehmung durch den Beobachter. Wo es – wenn auch konstruierte – Grenzen gibt, da gibt es entsprechend auch ein "Aussen", eine Umwelt105 des Systems. Die Beziehung von System und dessen Umwelt ist in Anlehnung an die Überlegungen unter 2.1.2.2 wiederum eine zirkuläre. ULRICH spricht in diesem Zusammenhang von Systemen, welche gegenüber ihrer Umwelt offen sind und mit ihr in einer Wechselwirkung stehen. Die Offenheit ist dabei Grundlage für den Austausch von Daten (welche im System zu Informationen werden), Energie und Materie zwischen den beiden Systemen und daher notwendig für das Überleben.106

Das Verhalten eines Systems lässt sich nach ULRICH nur verstehen, wenn das System gedanklich in Verbindung mit seiner Umwelt, als Teil eines umfassenderen Systems, gesehen wird. ASHBY empfiehlt in diesem Zusammenhang, den frei lebenden Organismus in dessen Umwelt, zusammen betrachtet und unabhängig von physischen Grenzen, erst als eigentliches System zu bezeichnen.107,108

Oft – auch im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit – wird von der Unternehmung als System gesprochen109, implizit ist damit aber die Unternehmung in deren relevanter Umwelt gemeint. Selbst im umfassenden Verständnis von Unternehmung und relevanter Umwelt als

105 Umwelt wird hier in „Abgrenzung“ zur Inwelt verstanden und ist nicht rein ökologisch zu verstehen. Eine Umwelt umfasst neben der ökologischen Sphäre weitere Sphären. Gemäss dem St. Galler Management-Modell sind dies die technologische, die ökonomische und die soziale Sphäre. Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 24. 106 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 51 f. 107 Vgl. Ashby, Brain, 1952/1972, S. 36. 108 Vgl. hierzu auch nachfolgendes Beispiel von Beer: „The mouse and the plant may be physical objects, but they can be understood only as systems. Moreover, the boundaries of these systems are not the same as the boundaries of the physical objects themselves. If they could be entirely isolated from their environments they would no longer be things that they are”; Beer, Decision, 1966, S. 96. 109 Auch Ulrich verwendet diese sprachliche Vereinfachung in dem er von der "Unternehmung als produktives soziales System" spricht; vgl. Ulrich, Unternehmung, 1968/2001.

32 Theoretische Grundlagen

System hat dieses System auf höherer Betrachtungsebene wieder eine Umwelt, indem es wiederum nur Teil eines grösseren Ganzen ist. Gerade aufgrund der Vernetztheit unserer heutigen Welt ist es nicht vorstellbar, vollkommen materiell, energetisch und informationell geschlossene Systeme zu haben. VESTER unterscheidet im Rahmen seines Sensitivitäts-modells Variablen, welche das System durch Input resp. durch Einwirken von aussen öffnen (z.B. Niederschläge, Importe, Subventionen) und Variablen, welche das System durch Output öffnen, indem sie in umgebende Systeme hineinwirken (z.B. Abflüsse, Exporte, Werbung).110

Management kann als Komplexitätsbewältigung bezeichnet werden, in dem durch Komplexitätserhöhung und/oder -reduktion ein Fliessgleichgewicht zwischen den Sub-systemen Umwelt und Unternehmen hergestellt wird. Hat ein Unternehmen nicht ausreichende Varietät, dann wird die relevante Umwelt automatisch auch eine kleinere Varietät aufweisen. Bildlich gesprochen: Wenn an der Zürcher Bahnhofstrasse über die Mittagszeit in einem Schuhladen nur ein Verkäufer arbeitet, dann ist die Varietät (vereinfacht als Anzahl Verkäufer) relativ gering. Potenzielle Kunden werden nach einer gewissen Wartezeit den Schuhladen verlassen, weil sie nicht zeitgerecht bedient werden. Die relevante Umwelt (vereinfacht als Anzahl potenzieller Kunden) hat sich entsprechend verkleinert. 111 Der hier stark vereinfacht dargestellte Varietätsausgleich wird in Kapitel 3.2.3.1 näher erläutert.

2.1.3.2 Ereignisse

Soziale Systeme sind dynamische Systeme, welche durch irreversible Ereignisse geprägt sind. Dies führt dazu, dass jedes System eine Vergangenheit hat im Sinne der Summe aller bisherigen Ereignisse. Ereignisse in sozialen Systemen werden durch „menschliches" Verhalten hervorgebracht und durch Beobachten als solche erkannt. Die Menschen lassen sich daher als verhaltende und beobachtende Objekte in Systemen bezeichnen. Das Verhalten umfasst nicht nur aktives Agieren, sondern auch passives Nicht-Agieren, weshalb der Begriff Verhalten in diesem Zusammenhang zutreffender erscheint als der Begriff Handeln, der seinerseits aktives Agieren suggeriert. Beobachten soll in Anlehnung an WILLKE als „die Feststellung eines bedeutsamen Unterschiedes“112 verstanden werden. Die Verbindung zwischen Verhalten und Beobachten wird durch einzelne irreversible

110 Vgl. Vester, Kunst, 2002, S. 220. 111 Dieses stark vereinfachte Beispiel lässt sich um weitere Komplexitätstreiber erweitern wie z.B. nachgefragte und angebotene Bedienungs-Sprache, nachgefragte und angebotene Schuhgrössen etc. 112 Willke, Interventionstheorie, 1994, S. 12.

Theoretische Grundlagen 33

Ereignisse hergestellt, die zusammen als Ereignisstrom bezeichnet werden können.113 Die Unternehmung hat im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung dafür zu sorgen, dass Ereignisse gewählt werden, die in Zukunft stets weitere Ereignisse ermöglichen, andernfalls würde der Ereignisstrom und somit das soziale System untergehen.

Die das System Unternehmung konstituierenden, untereinander gekoppelten Ereignis-systeme erlangen ihre Geordnetheit aufgrund der Herausbildung von materiellen Strukturen (personenunabhängige, zeitüberdauernde Materialisierungen wie z.B. Gebäude, Anlagen und Dokumente) und immateriellen Strukturen (gedankliche Landkarten in Form von wechselseitig geteilten Werten, Erfahrungen, Ideen und Erwartungen).114 Die immateriellen Strukturen verkörpern die vorherrschende Wirklichkeitsordnung, die als Gesamtheit aller Verhaltens- und Beobachtungsmuster zu verstehen ist. Die Wirklichkeitsordnung hat Einfluss auf das Verhalten und Beobachten und somit auf die Fortsetzung des Ereignis-stroms sowie die damit verbundene Schaffung neuer Wirklichkeit. Sie wird also nicht nur durch die Wirklichkeitskonstruktion hervorgebracht, sondern beeinflusst diese auch, was zu einer zirkulären Verknüpfung von Wirklichkeitsordnung und Wirklichkeitskonstruktion führt.115

Durch das Zusammenspiel von materiellen und immateriellen Strukturen mit Verhalten und Beobachten entsteht Ordnung.116 Das Ändern der materiellen Strukturen durch Verhalten kann als „Restrukturierung“ im herkömmlichen Sinne 117 bezeichnet werden. Von „Systemlernen“118 kann gesprochen werden, wenn durch Beobachten und Interpretieren119 von Ereignissen veränderte immaterielle Strukturen entstehen. In sozialen Systemen ist die Ordnung oft nicht materialisiert, d.h. es liegen weniger materielle als vielmehr immaterielle

113 Vgl. Rüegg-Stürm, Theory of the firm, 1998, S. 4 ff. 114 Vgl. Rüegg-Stürm, Theory of the firm, 1998, S. 13. 115 Vgl. Rüegg-Stürm, Wandel, 2003, S. 251. 116 Vgl. hierzu auch Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 71. 117 Restrukturierung im herkömmlichen Sinne bezieht sich alleinig auf die Veränderung der materiellen Strukturen, auch wenn der Begriff Restrukturierung suggerieren könnte, dass sämtliche Strukturen - also sowohl immaterielle als auch materielle - verändert würden. 118 Anstelle von Systemlernen wird oft von organisationalem Lernen gesprochen. Beide Bezeichnungen beziehen sich auf ein Lernen der gesamten Organisation, welches individuelles Lernen voraussetzt. 119 Unter Interpretation eines beobachteten Zeichens ist derjenige Vorgang zu verstehen, bei dem Menschen das zu interpretierende Zeichen mit Kategorien der Wirklichkeitsordnung (immaterielle Strukturen) in Beziehung setzen, um den Ereignisstrom fortzusetzen. Vgl. Buschor, Baustellen, 1996, S. 237.

34 Theoretische Grundlagen

Strukturen der Ordnung zugrunde.120 Dies ist bei Ereignissen der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Management-Prozess-Architekturen zu berücksichtigen.

2.1.3.3 Ordnung

Wenn alle Systeme und deren Teile ihr gesamtes potenzielles Verhaltensrepertoire ausspielen würden, dann könnten wir uns überhaupt nicht mehr zu Recht finden. Die tatsächlichen Verhaltensweisen der Teile eines Systems sind aber zum Glück weit geringer als die potenziell möglichen. Dies hängt damit zusammen, dass nicht alle Teile mit allen verbunden sind, sondern nur viele mit vielen. Jedes Individuum hat für sich genommen bereits ein riesiges Verhaltensrepertoire. Dass bei der Interaktion mehrere Individuen das Verhaltensrepertoire nicht ins Unendliche steigt, ist gewissen ordnungschaffenden materiellen und immateriellen Strukturen zu verdanken. So kommen zu einem wichtigen Geschäftstermin beispielsweise alle Sitzungsteilnehmer adäquat gekleidet und beginnen nicht auf den Stühlen zu tanzen. Dies selbst dann nicht, wenn weder eine Kleiderordnung "Business" noch ein Tanzverbot schriftlich niedergeschrieben oder sprachlich formuliert wurde. Das Beispiel zeigt bereits, dass systembestimmende Regeln sehr unterschiedlich sein können. ULRICH nennt folgende drei Arten von Regeln:121

1. Regeln, welche bewusst formuliert, schriftlich festgehalten und formal in Kraft gesetzt werden (z.B. Gesetze, Organisationsvorschriften);

2. Regeln, welche sprachlich umschrieben werden, jedoch nicht formal in Kraft gesetzt oder bewusst entworfen worden sind (z.B. historisch gewachsene Gewohnheitsregeln, Sitten und Gebräuche);

3. Regeln, welche sprachlich kaum umschrieben werden, obwohl sie intuitiv befolgt werden (z.B. hat man im Gefühl, dass ein gewisses Verhalten nicht angebracht ist).

Solche Regeln sind wichtig, damit eine Organisation effektiv und effizient funktionieren kann. Sie beeinflussen, was man von einem Mitarbeiter in einer Situation grundsätzlich erwarten kann. Ordnungsmuster bestimmen nicht nur zulässige Handlungsfelder, sondern stiften auch Orientierung und koordinieren zu einem kohärenten Ganzen.

120 Während Rüegg-Stürm (vgl. Rüegg-Stürm, Theory of the firm, S. 11) von materiellen und immateriellen Strukturen spricht, unterscheiden Ulrich und Probst (vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, S. 74) in eine materielle Ebene sowie in eine symbolische und geistig-sinnhafte Ebene. Ich werde im weiteren Verlauf von materiellen und immateriellen Strukturen sprechen, da dieses Begriffspaar eine maximale Trennschärfe aufweist. 121 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 73 f.

Theoretische Grundlagen 35

Nach ULRICH bedeutet Ordnung, dass Ganzheiten ein Muster aufweisen, welches wahr-genommen und interpretiert werden kann. "Ordnung manifestiert sich aus statischer Sicht durch eine bestimmte Art der Verknüpfung der Teile zu einem Netzwerk oder durch die Struktur, aus dynamischer Sicht durch ein bestimmtes Verhaltensmuster des Ganzen. Strukturen und Verhaltensmuster dynamischer Ganzheiten sind nicht unabhängig von-einander, sondern stehen zueinander in Wechselwirkung."122

Komplexe Systeme weisen aufgrund ihrer ineinander verflochtenen Regelkreise gewisse Regelmechanismen auf, welche erkennbare System-Verhaltensmuster ergeben. Kennt man diese Regelmechanismen, kann durch die Veränderung derselben das Systemverhalten beeinflusst werden, damit inskünftig gewollte Verhaltensmuster erzeugt werden. 123 Die Management-Prozess-Architektur hilft, Regelmechanismen zu erkennen und zu verändern, damit gewünschte Verhaltensmuster der gelenkten Einheit entstehen.

2.1.4 Management als Gestalten, Lenken und Entwickeln von Systemen

Management ist nach ULRICH die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von komplexen, sozialen, zweckorientierten Systemen. 124 Gestaltung, Lenkung und Entwicklung ent-sprechen einer funktionellen Dimension von Management. Management kann auch als Summe der Organe einer Institution (institutionelle Dimension) oder als die Personen der entsprechenden Organe (personelle Dimension) verstanden werden.125 Die Ausführungen dieses Kapitels fokussieren auf die funktionelle Dimension von Management.

2.1.4.1 Gestaltung

Unternehmen sind gemäss ULRICH dazu da, eine bestimmte Funktion in der Gesellschaft zu erfüllen. Dadurch sind sie Teil eines umfassenderen Systems und in ihrer Existenz abhängig von der Akzeptierung ihrer Leistungen durch ihre Umwelt. Deshalb haben sich zweckorientierte Systeme gemäss ULRICH bewusst mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen und sich in ihrer Struktur zu verändern. Dies erfordert jedoch spezifische Fähigkeiten, welche nicht naturgegeben sind, sondern durch Menschen geschaffen und aufrechterhalten

122 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 75. 123 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 66. 124 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 223 f. 125 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 15 f.

36 Theoretische Grundlagen

werden müssen. 126 Grössere Veränderungen der materiellen und immateriellen Struktur können somit durch Gestaltungsmassnahmen von Menschen hervorgerufen werden.127

Komplexe Systeme versetzen den Beobachter insofern in einen Zustand der Ungewissheit, als dieser nie genau weiss, was für einen Output das komplexe System hervorbringt. Er hat somit nie ausreichende Informationen, um das System deterministisch verändern und vollständig beherrschen zu können. Dennoch müssen wir in komplexen Systemen leben können und sinnvoll mit Komplexität umgehen. Auch wenn wir komplexe Systeme nicht vollständig beherrschen können, so lassen sie sich doch in eine von uns gewünschte Richtung beeinflussen. "Wir können durch geeignete Massnahmen nämlich die Komplexität des Systems vergrössern oder verkleinern. Dies hängt damit zusammen, dass komplexe Systeme zwar zahllose Verhaltensmöglichkeiten haben, aber doch nicht einfach regellos funktionieren. Vernetzte Systeme weisen Regelkreise resp. Regelungsmechanismen auf, die bestimmte Verhaltensmuster wie zum Beispiel Wachstum oder Verharren erzeugen. Wir können nun versuchen, solche Mechanismen, die wir für gut befinden, zu verstärken, und andere ausser Funktion zu setzen. Und wir können zusätzliche Regeln einführen, die das Verhalten des Systems in der von uns bevorzugten Weise einschränken (…)."128

Bei der Gestaltung geht es nach BLEICHER um die „Gestaltung eines institutionellen Rahmens, der es ermöglicht, eine handlungsfähige Ganzheit über ihre Zweckerfüllung überlebens- und entwicklungsfähig zu halten“ 129 . Gestaltungsarbeit sollte wenn immer möglich darauf ausgerichtet sein, (Selbst-) Lenkung und (Selbst-) Entwicklung zu ermöglichen. Gestaltungsmassnahmen sind immer dann zu ergreifen, wenn Lenkungs- und Entwicklungsmassnahmen nicht ausreichend sind, um zeitgerecht das System an die Umweltanforderungen anzupassen.

2.1.4.2 Lenkung (Steuerung und Regulierung)

In Systemen lassen sich bestimmte Ordnungen resp. Verhaltensweisen erkennen. Lebende Systeme verhalten sich so, dass sie überleben. Technische Systeme erfüllen klar definierte Operationen und soziale Institutionen folgen einer bestimmten Zwecksetzung. ULRICH beschreibt dies wie folgt:"(…) Ganzheiten sind in der Lage, sich selbst unter Kontrolle zu

126 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 57. 127 So ist z.B. bei einem Start-up-Unternehmen das neue System dergestalt zu konfigurieren, dass eine zweckgerichtete Geschäftstätigkeit schnell möglich wird. Bei einer Fusion von zwei Systemen ist das neue Gesamtsystem insbesondere so zu konfigurieren, dass Mitglieder der bisherigen Institutionen neu auf ein gemeinsames Ziel hin wirken. 128 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 63. 129 Bleicher, Unternehmensführung, 1995, S. 20.

Theoretische Grundlagen 37

halten. Die Fähigkeit, sich selbst unter Kontrolle zu halten bezeichnen wir als Lenkung."130 BLEICHER konkretisiert den Begriff der Lenkung als „Bestimmen von Zielen und das Festlegen, Auslösen und Kontrollieren von zielgerichteten Aktivitäten des Systems und seiner Elemente“131.

Mit "unter Kontrolle halten" ist nicht ein technomorphes vollständiges Beherrschen eines Systems gemeint, sondern die Beeinflussung eines Systems dahingehend, dass es sich innerhalb gewisser Bandbreiten verhält. Ein System kann man nur insoweit beherrschen, wie wir z.B. von "eine Fremdsprache beherrschen" sprechen, und ein System lässt sich nur insoweit unter Kontrolle halten, wie wir z.B. von "die Skier unter Kontrolle halten" sprechen. Weder beherrschen wir im ersten Beispiel die Sprache im engen wörtlichen Sinne, noch haben wir unsere Skier je vollständig unter Kontrolle.132

Die Kybernetik versteht Lenkung als Steuerung und Regelung, wobei sich Steuerung und Regelung ergänzen können. 133 Nach ULRICH lassen sich die beiden Begriffe wie folgt umschreiben: "Steuerung ist darauf gerichtet, durch konkrete Anweisungen zukünftige Prozesse genau auf gegebene Ziele auszurichten. Sie erfolgt durch ein Steuerelement und setzt vollständiges Vorauswissen über Einflussfaktoren auf den Prozess voraus. (…) Regelung ist auf die Erreichung eines bestimmten zukünftigen Systemverhaltens innerhalb von Toleranzgrenzen gerichtet und erfolgt durch Rückkoppelungen, die bewirken, dass sich die Prozesse selbst unter Kontrolle halten."134

Illustrieren lässt sich das am Beispiel des Autofahrens. Ein Autofahrer will von A nach B fahren, hat also ein klares Ziel und eine davon abhängige Routen- resp. Strassenwahl (im Sinne von Unterzielen). Mit dem Steuerrad beeinflusst er sein Fahrzeug nun so, dass seine Richtungsziele erreicht werden. Allerdings wissen wir aus eigener Erfahrung, dass es gelegentlich vorkommt, dass wir in einer Kurve einen Radius einschlagen und dann merken, dass wir unter- oder übersteuert haben. Genau an diesem Punkt kommt nun die Regelung zum Zuge, denn wir wollen unser Fahrzeug in gewissen Toleranzgrenzen halten und nicht zulassen, dass wir auf einmal den Strassenrand touchieren. Das Beispiel des Autofahrens – verstanden als Mensch-Maschinen-System – macht auch deutlich, dass sehr viele

130 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 76. Hervorhebung gemäss Original. 131 Bleicher, Unternehmensführung, 1995, S. 20. 132 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 549. 133 Krieg spricht in diesem Zusammenhang auch von Mischlenkung, da in der realen Welt von sozialen Systemen die Kombination von Lenkungstypen der Normalfall ist. Vgl. Krieg, Unternehmensgestaltung, 1971, S.78. 134 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 87.

38 Theoretische Grundlagen

Regelungsmechanismen im System selbst integriert sind (z.B. Stossdämpfung, Motoreneinspritzung) und nicht einer "übergeordneten" Regelungseinheit bedürfen.

Lenkungsvorgänge können als Prozesse der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -weitergabe verstanden werden. Der Autofahrer wird nie ausreichende Informationen haben, um ein Fahrzeug vollständig steuern zu können. Er ist ergänzend immer auf Regelung basierend auf Abweichungsinformationen angewiesen. Der Kern der Regelung besteht darin, dass sie die Notwendigkeit vollständiger Information aufgibt und das Eintreten von Störungen bewusst zulässt, diese aber rasch möglichst korrigiert.135 Die Regelung kommt dabei mit viel weniger Informationen aus. Z.B. lässt sich die Raumtemperatur mit viel weniger Information zwischen 20 und 21 Grad durch Regulierung halten, als dies bei einer - letztlich unmöglichen - vorausschauenden Temperatursteuerung auf genau 20.5 Grad der Fall wäre.

Regelung basiert auf dem Prinzip der negativen Rückkopplung, das ich unter 2.1.2.2 im Sinne eines stabilisierenden Gleichgewichts bereits kurz angesprochen habe. Dieses Prinzip lässt sich bei lebenden, technischen und sozialen Systemen gleichermassen antreffen.136,137 Bei lebenden Systemen sei als Beispiel das Verhalten des menschlichen Körpers bei einem Anstieg der Aussentemperatur genannt. Durch Reduktion der körpereigenen Verbrennung sowie durch Schweissabsonderung wird sofort eine Regulierung angestrebt. Die Erfindung der selbstregulierenden Dampfmaschine von James Watt im 18. Jahrhundert ist ein Beispiel der Regulierung eines technischen Systems. 138 Die Marktwirtschaft ist ein Beispiel von Selbstregelung eines sozialen Systems über Mengen-/Preis-Zusammenhänge. Kein "übergeordnetes Steuerungsorgan" kann zu gegebener Zeit alles wissen, was zur planmässigen Steuerung der Wirtschaft notwendig wäre.139

135 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 80. 136 Vgl. Wiener, Kybernetik, 1948/1963, S. 145 ff. 137 Die Wahl der nachfolgenden Beispiele erfolgte analog zu Ulrich/Probst. Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 81 ff. 138 Sobald bei der Dampfmaschine der erzeugte Output die gewollte Grösse übersteigt, wird mittels Fliehkraftregler begonnen, das Inputventil zu schliessen. Unterschreitet danach der Output die gewollte Grösse, so bewirkt dies eine zunehmende Öffnung des Inputventils. Dank diesem negativen Regelkreis schwankt der tatsächliche Output ohne menschliches Dazutun um eine gewünschte Grösse. 139 "Die Entwicklung (von der 'reinen' Marktwirtschaft) zur 'sozialen Marktwirtschaft' ist nicht erfolgt, um die Produktivität zu steigern, sondern um andere Werte zu verwirklichen, die vom Regelmechanismus nicht berücksichtigt werden, weil sie nicht als prinzipielle Regeln gewissermassen in das System eingebaut sind. Dasselbe gilt heute in Bezug auf ökologische Werte, die von der Marktwirtschaft bisher in gravierender Weise nicht berücksichtigt worden sind." Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 83. Hervorhebung gemäss Original.

Theoretische Grundlagen 39

Lebende, technische und soziale Systeme können durch Lenkungsmechanismen, welche informationelle Prozesse darstellen, bestimmte gewünschte Systemzustände anstreben resp. gewissen Verhaltensrichtungen einschlagen, um sich bestmöglich ihrer Umwelt anzupassen. Allerdings gibt es zwischen diesen Systemarten auch wichtige Unterschiede hinsichtlich der Lenkung. So lässt sich bei technischen Systemen meist das Steuerungs- und Regelungs-system vom ausführenden System unterscheiden. Bei lebenden resp. ökologischen sowie bei sozialen Systemen ist die Lenkung jedoch über das ganze System verteilt. Zudem können sich lebende Systeme und soziale Systeme im Gegensatz zu technischen Systemen selbst schöpferisch verändern.

Bei den sozialen Systemen kann diese "schöpferische Fähigkeit" durch einen eigenen Willen geschehen, da soziale Systeme aus Menschen und deren Bewusstsein bestehen. ULRICH schreibt in diesem Zusammenhang: "(Soziale Systeme sind) nicht Systeme, in denen sich Lenkung vollständig von selbst vollzieht, sondern die Lenkungsfunktionen müssen auf die Zwecke und Ziele des Systems ausgerichtet, bestimmt und bewusst vollzogen werden. (…) Die grosse Zahl von Lenkungsvorgängen, die notwendig sind, damit das Ganze zweckorientiert funktionieren kann, ist das Resultat einer hochgradigen Arbeitsteilung, des auf viele Menschen verteilten Wissens und Könnens und der Vielfalt an Teilen und Beziehungen. Solche Systeme werden also nicht einfach durch eine isolierte Lenkungseinheit oder gar eine Person unter Kontrolle gehalten. Lenkung ist vielmehr selbst ein vernetztes System, das eine Eigenschaft des Ganzen ist. Sie ist über das System verteilt."140

Der Aspekt der Lenkung und die damit verbundenen Lenkungsfunktionen sind Kern-bestandteile der Management-Prozess-Architektur. In Analogie zu den Überlegungen zur Lenkungsfunktion ist auch die Management-Prozess-Architektur etwas, das sich nicht isoliert an der Unternehmensspitze befindet, sondern über das gesamte Unternehmen verteilt ist.

2.1.4.3 Entwicklung

„Entwicklung ist teils das Ergebnis von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen im Zeitablauf, teils erfolgt sie über sich selbst generierende Prozesse evolutorisch über die Veränderung von Einstellungen, Wissen und Können in kollektiven Lernprozessen.“ 141 Nach dieser Umschreibung von BLEICHER haben soziale Systeme die Möglichkeit, sich nicht nur

140 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 86 f. Hervorhebung gemäss Original. 141 Bleicher, Unternehmensführung, 1995, S. 20.

40 Theoretische Grundlagen

quantitativ sondern insbesondere auch qualitativ zu entwickeln. "Bei der Entwicklung geht es nicht einfach nur um die Auswahl von Verhaltensmöglichkeiten aus einem bestehenden Verhaltensrepertoire. Entwicklung umfasst ein bewusstes oder unbewusstes Erweitern des Verhaltenspotentials und eine Neugestaltung oder Neuwahl von Zielen und Zwecken. Die eigenen Möglichkeiten können aus freiem Willen heraus erweitert und verbessert werden." 142 Der von ULRICH/PROBST angesprochene Wille fehlt bei Entwicklungs-möglichkeiten von biologischen Systemen, welche mehr nach einem Versuchs-Irrtums-Prozess ablaufen. Noch eingeschränkter sind die Entwicklungsmöglichkeiten bei technischen Systemen.

Die Entwicklung sozialer Systeme führt zu einer qualitativen – und nicht zwingend zu einer quantitativen – Verbesserung. Die Qualität dieser Verbesserung ist dabei abhängig von den menschlichen Werten und den darauf basierenden Ereignisinterpretationen. ULRICH/PROBST charakterisieren Entwicklung wie folgt: "Entwicklung hat mit der Fähigkeit zu tun, sich neues Wissen und Können anzueignen, neue Möglichkeiten absichtsgeleitet zu nutzen, neue Wünsche und Bedürfnisse zu entdecken und aufzugreifen, den Ressourcenverbrauch zu mindern und das Angebot an Ressourcen sinnvoll auf neue Art zu nutzen."143 Entwicklung spielt sich als Lernprozesse ab und beruht somit massgeblich auf Reflexionsfähigkeit. Ziel des Lernens ist es, heutige Erfolgspotenziale noch effizienter nutzen zu können und neue Erfolgspotenziale aufzubauen. Letzteres kann zur Folge haben, dass ein System auch die ihm zugrunde liegenden Werte, Normen, Regeln etc. verändern muss. Die Fähigkeit der effizienteren Nutzung bestehender und dem Aufbau neuer Erfolgspotenziale folgt dem Ziel, die systemeigenen Bedürfnisse und die Bedürfnisse anderer noch besser zu erfüllen.144

Lernen kann einem System nicht von aussen aufgezwungen werden, sondern kommt nur in selbst organisierenden Systemen vor. Dabei bezieht sich Lernen aber nicht nur auf Individuen, sondern auch auf Systeme als Ganzes. Dies deshalb, weil die Entwicklungs-fähigkeit von sozialen Systemen massgeblich von der Qualität von kollektiven Interaktions- und Interpretationsprozessen sowie den damit verbundenen Regelmechanismen abhängt. Es gilt somit bei der Gestaltung und Lenkung von sozialen Systemen einen Kontext zu schaffen, der die Entwicklungsfähigkeit des gesamten Systems fördert und somit Lernen des Systems insgesamt zu mehr resp. etwas anderem macht als die Summe des Lernens der Individuen. Individuelles und kollektives Lernen sind Ereignisse, welche immaterielle Strukturen entstehen lassen. Letztere sind wiederum prägend für das Entstehen von neuen Ereignissen.

142 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 88. 143 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 89. 144 Vgl. Ackoff, Democratic Corporation, 1994, S. 65.

Theoretische Grundlagen 41

2.1.5 Menschen als relationale Systeme

Wir haben gesehen, dass durch Gestalten, Lenken und Entwickeln ein Unternehmen in seiner Umwelt erfolgreich gemacht und erfolgreich gehalten werden kann. Gestalten, Lenken und Entwickeln sind Managementfunktionen, welche in sozialen Systemen immer durch das Zusammenspiel von Menschen hervorgebracht werden. Nachfolgend soll deshalb der Mensch unter systemischen Gesichtspunkten betrachtet werden.

2.1.5.1 Relationale Konstitution

Der Mensch kann einerseits als Mitglied von umfassenderen Systemen wie Unternehmen, Familie, Sportverein etc. verstanden werden. Anderseits ist der Mensch selbst auch ein System. Das System Mensch kann je nach Kategorisierungsart als lebendes System oder als psychisches System bezeichnet werden. 145 Psychische Systeme verfolgen wie soziale Systeme einen Zweck resp. haben einen Sinn. Dieser Sinn muss durch den Menschen selbst erkannt und verfolgt werden.146

Das eigene Bewusstsein ermöglicht es dem Menschen, sich selbst als Mensch resp. als System zu erkennen. Mit dem Begriff relationale Konstitution umschreibe ich die Tatsache, dass der Mensch sich in Relation zu seiner Umwelt konstituiert resp. definiert nach dem Grundsatz: „things would not be the things that they are if they were not related to everything else in the way that they are.”147 Der Mensch wird somit in Relation zu seiner Umwelt zu dem, was er ist. Er steht in einem zirkulären Wirkungszusammenhang mit seiner Umwelt und anderen Menschen in dieser Umwelt.148

Diese Überlegungen liegen auch dem von MANELLA beschriebenen Menschenbild des „relationalen Menschen“ zu Grunde. Dies ist wie in Kapitel 1.4.1 und 1.4.2 erwähnt ein „offenes“ Menschenbild jenseits von bisherigen subjektivistischen oder objektivistischen

145 Die Kategorisierungsart ist abhängig von dem Untersuchungsinteresse. Die reine biologische Überlebensfähigkeit („Survival“) des Menschen kann studiert werden, in dem man den Menschen als lebendes System betrachtet. Die „Viability beyond Survival“ kann studiert werden, wenn der Mensch darüber hinaus als psychisches System verstanden wird. 146 Zur Frage des Sinns vgl. insb. Frankl, Sinn, 2006 und Schmid, Glück, 2007. 147 Beer, Decision, 1966, S. 242. Ableitung von Beer aus Hegel’s „Axiom of Internal Relations“. 148 Kirsch unterscheidet in seinen Überlegungen in System und Lebenswelt und argumentiert, dass ein System aus der Aussenperspektive eines Beobachters, die Lebenswelt dagegen aus der Binnenperspektive eines Teilnehmers konstituiert wird. Vgl. Kirsch, Kommunikatives Handeln, 1992, S. 119. Die in dieser Arbeit vorgestellte relationale Konstitution des Menschen versteht diesen selbst als System, wodurch die Aussensicht („des Erdenkens“) und die Innensicht („des Erlebens“) in einer Logik aufgehen.

42 Theoretische Grundlagen

Extrempositionen und ihren entsprechenden schubladisierenden Menschenbildern. MANELLA schreibt in diesem Zusammenhang, dass Menschen nur in Relation zu ihrer Umwelt verstanden werden können und dass ihr Handeln für die jeweilige Umweltsituation passend sein muss. Wertende Begriffe wie gut und schlecht gibt es demnach nur beziehungsbezogen. So können wir uns für richtige Managementprozesse und -instrumente entscheiden, diese sind jedoch nicht ein Vehikel, durch das etwas erreicht wird, sondern mit dem etwas erreicht werden kann.149

Der Mensch ist Dreh- und Angelpunkt des systemorientierten Denkens. Er ist es, der Systeme als solche wahrnimmt, und er ist es, welcher als Problemlöser Systeme verbessert. „(…) the detection of system in the world outside ourselves is a subjective matter”150. Diese kognitive Systembildung erfolgt nach BEER in drei Schritten: Erstens, dem Erkennen einer Ansammlung von Elementen mit Zusammenhang resp. Stimmigkeit (Coherence), zweitens, dem Erkennen eines Musters, wie die Elemente im wesentlichen zusammenhängen (Pattern), und drittens, dem Erkennen des Zwecks, welcher durch das beobachtete System erfüllt wird (Purpose).151,152

Um soziale Systeme zu verstehen, muss man insbesondere die Relationen zwischen den Menschen verstehen. Dies bringt uns wesentlich weiter als der Versuch, über die Eigenschaften von Menschen die Eigenschaften von sozialen Systemen herzuleiten.153 Dies hatte vor über 300 Jahren bereits der Philosoph LOCKE erkannt: „knowing the relation rightly is more valuable than knowing rightly which things are related“154. Die relationale Konstitution des Menschen bedeutet, dass Führung ebenfalls beziehungsabhängig zu erfolgen hat. Aus relationaler Sicht ist Führung das Entwickeln von gemeinsamen

149 Vgl. Manella, Mensch, 2003, S. 86. 150 Beer, Decision, 1966, S. 243. 151 Vgl. Beer, Decision, 1966, S. 242 f. 152 Der einzelne Mensch verfolgt ebenfalls einen Zweck. Das Verhalten von Menschen kann daher als System von zweckorientierten und somit sinnerfüllenden Ereignissen verstanden werden. Vgl. Ackoff und Emery, Purposeful Systems, 1972, S. 3 ff. 153 Um beispielsweise das Tennisspiel zu verstehen, ist es nicht notwendig, dass man die genaue Material-zusammensetzung eines Tennisrackets und die Eigenschaften der zwei Spieler kennt. Um die offiziellen Regeln und die Muster erfolgreichen Tennisspiels zu erkennen, muss man beobachten, wie die einzelnen Elemente zusammenwirken. Wie wird der Schläger gehalten, wenn ein Volley gespielt wird und wohin wird der Volley wie gespielt, wenn der Gegner auf dem Weg von links nach rechts ist? Wann bekommt ein Spieler einen Punkt gut geschrieben und wann nicht? Und wann wird ein Spieler als Sieger bezeichnet und das Spiel für beendet erklärt? Um solche Fragen und Beobachtungen geht es, wenn man das Tennisspiel und dessen explizite und implizite Regeln verstehen möchte. 154 Beer, Decision, 1966, S. 244 mit Verweis auf Locke.

Theoretische Grundlagen 43

Wirklichkeiten, was einem systemischen „Kultivieren“ und nicht einem technokratischen „Machen“ entspricht.155

2.1.5.2 Multifunktionalität

Zuvor habe ich erwähnt, dass Systeme nicht über die Eigenschaften von einzelnen Personen verstanden werden können. Es stellt sich somit generell die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, Menschen als Grundelemente von Systemen zu betrachten. Dies erscheint auch deshalb problematisch, weil ja ein und derselbe Mensch Funktionen in mehreren Systemen wahrnimmt. So ist jemand z.B. in einem Unternehmen tätig, ist Familienvater, ist Mitglied von zwei Sportvereinen und engagiert sich noch in der lokalen Politik. Zu welchem System gehört nun diese Person?

Personen können durch ihr Verhalten zu Ereignissen in unterschiedlichen Systemen beitragen. Gemäss ihren Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten kommen ihnen in den einzelnen Systemen unterschiedliche Funktionen zu. Es ist sogar häufig der Fall, dass einzelne Personen in einem Unternehmen über verschiedene Funktionen verfügen und z.B. im einen Meeting das Interesse eines Geschäftsbereichs und im nächsten Meeting jenes des Gesamtunternehmens vertreten müssen. Diese verschiedenen Funktionen kann man auch als „Hüte“ bezeichnen, welche man sich je nach Situation aufsetzt.156

Jeder Mensch ist somit ein „Multi-Funktions-Mensch“, er trägt durch unterschiedliche Funktionen, welche er in Personalunion wahrnimmt, zur Funktionsfähigkeit von mehreren sozialen Systemen bei. Aufgrund der dargelegten zunehmenden Komplexität unserer Gesellschaft wird es immer mehr Personen geben, die zu immer mehr Systemen einen Beitrag leisten. Klassische Beispiele sind etwa der Portfolio-Worker (z.B. ein Inhaber von mehreren Verwaltungsratsmandaten) oder die berufstätige Mutter von schulpflichtigen Kindern.

Die Wahrnehmung dieser Multifunktionalität erfordert ein wirksames Selbstmanagement. Es ist dabei wichtig, dass die Funktionswahrnehmung am jeweiligen Systeminteresse orientiert ist (im Unternehmen am Unternehmensinteresse, in der Familie am Familieninteresse usw.),

155 Vgl. Manella, Führungsverständnis, 2005, S. 129 f. 156 Kirsch spricht in diesem Zusammenhang von der Vielfalt von Rollen eines Organisationsmitglieds, welche sich durch verschiedene Rollengefüge, d.h. Organisationsschichten, ergeben. Vgl. Kirsch, Kommunikatives Handeln, 1992, S. 165. Weiter führt Kirsch aus, dass Management dann vorliegt, wenn operativ wirksame Reflexionen der jeweiligen Führungsrollen existieren. Vgl. Kirsch, Kommunikatives Handeln, 1992, S. 159.

44 Theoretische Grundlagen

gleichzeitig aber auch die eigene Identität und das Eigeninteresse eines ausbalancierten Lebens gewahrt bleiben.

2.1.5.3 Information und Kommunikation

Ein System verdankt seine Struktur der ihm zugrundeliegenden Information. Information ist das „in Form bringen“.157 Impulse aus der Umwelt führen dazu, dass das System über neue, zusätzliche Informationen verfügt und dadurch auch neue materielle und immaterielle Strukturen hervorbringen kann, welche wiederum zukünftiges Verhalten und damit zusammenhängende Ereignisse beeinflussen. BATESON definierte Information wie folgt: “Information is a difference that makes a difference in some later event.” 158 Diese Definition zielt in die gleiche Richtung wie die Aussage „information is what changes us“ von BEER.159 Entscheidend ist also die Veränderung des Systemzustands aufgrund der neuen Information.

Erst die Verbindung von Daten und die Wahrnehmung derselben führen zu Information.Und Information wird erst zu Wissen, wenn sie in Bezug zu bisherigen Informationen und bisherigem Wissen gesetzt wird. Wissen erachte ich daher als ein menschliches Produkt, welches durch Interpretationsprozesse entsteht. Dieses Wissen ist im Kopf des Menschen vorhanden, kann aber – im Gegensatz zu Daten und Informationen – nicht dokumentiert oder in IT-Systemen gespeichert werden. Im Sinne eines wirksamen Wissensmanagements geht es somit weniger um die Verknüpfung von Dokumenten als viel mehr um die Verknüpfung von Personen mit entsprechenden Wissenshintergründen.

Zur Entstehung von individuellem Wissen ist der Interpretationsvorgang im Bewusstsein des Menschen notwendig (Wissen im psychischen System). Für das Entstehen von kollektivem Wissen sind Interpretationsprozesse in Form von Interaktions- resp. Kommunikations-

157 Dies kann mit nachfolgendem Beispiel eindrücklich gezeigt werden: Wenn wir wissen, dass ein Gegenstand aus 44 kg Sauerstoff, 14 kg Kohlenstoff, 7 kg Wasserstoff, 2,1 kg Stickstoff, 1 kg, 700 g Phosphor, 170 g Kalium, 140 g Schwefel, 70 g Chlor, 70 g Natrium, 30 g Magnesium, 3 g Eisen, 300 mg Kupfer, 100 mg Mangan und 30 mg Jod besteht, was wissen wir dann wirklich? Die hier angegebenen Gewichte sind die (abgerundeten) Werte hinsichtlich der Elemente, aus denen ein 70 kg schwerer Mensch besteht. Was uns aber fehlt ist die Information, welche diese Elemente nach einem bestimmten Bauplan in Form bringt. Nur wenig mehr wissen wir, wenn wir die Verbindungen kennen, welche durch diese chemischen Elemente beim erwachsenen Organismus hervorgebracht werden. Es sind bei einem Menschen von 70 kg 46 Liter Wasser, 12 kg Eiweiß, 7,5 kg Fett, 0,7 kg Zucker und 3,8 kg verschiedene Salze. Doch auch diese Information ist noch lange nicht ausreichend. Die gesamte notwendige Information des Bauplans liegt im Erbgut des Menschen. Hinsichtlich der genutzten Zahlen in diesem Beispiel vgl. Wikipedia contributors, Mensch in Zahlen, http://de.wikibooks.org/wiki/ Mensch_in_Zahlen (01.04.2008). 158 Bateson, Ecology of Mind, 1972, S. 381. 159 Beer, Heart, 1979/1994, S. 337.

Theoretische Grundlagen 45

prozessen zwischen Menschen erforderlich (gemeinsam geteiltes Wissen/Verständnis im sozialen System). Kommunikation könnte man somit als den Austausch von Information zum Erzielen eines gemeinsamen Verständnisses definieren.

In der Geschichte der Information- und Kommunikationstheorie sind verschiedene Theorien entstanden. Ein umfassendes und doch pragmatisches Modell hat SCHULTZ VON THUN

entwickelt. Das Kommunikationsmodell von SCHULTZ VON THUN160 berücksichtigt Aspekte der Chrono-Logik, Sach-Logik und Psycho/Sozio-Logik der Kommunikation161, indem eine Nachricht nach den vier Dimensionen Selbstoffenbarung, Sachinhalt, Appell und Beziehung gedeutet werden kann.

Jeder Kommunikationsakt kann bezüglich Sender-Intention und Empfänger-Verständnis nach diesen vier Dimensionen analysiert werden. Die Aussage eines Vorgesetzten gegenüber seinem Mitarbeiter „Sie haben ihre Jahresziele nicht erreicht“ bedeutet vom Sachinhalt her, dass die erreichten Resultate nicht einer vollen Zielerreichung entsprechen. Die Dimension der Selbstoffenbarung kann nun aber z.B. aus Sicht des Vorgesetzten als „ich habe mir ihre Resultate genau angeschaut“ und aus Sicht des Mitarbeiters als „er mag mich nicht“ interpretiert werden. Hinsichtlich der Dimension des Appells wollte der Vorgesetzte z.B. sagen „sie müssen daher verstehen, dass sie nicht den vollen Bonus bekommen“ und der Mitarbeiter versteht als Appell z.B. „wenn dies noch einmal vorkommt, dann fliegen sie raus“. Auf der Beziehungsebene kommt z.B. aus Sicht des Vorgesetzten zum Ausdruck, „dass er als fairer Vorgesetzter begründet, warum der Bonus nicht ausbezahlt wird“ und aus Sicht des Mitarbeiters, „dass nur der Vorgesetzte die Resultate beurteilt und er selbst nichts zur Interpretation der Zielerreichung beitragen darf“. Ein und dieselbe Aussage kann also höchst unterschiedlich interpretiert werden. Es empfiehlt sich daher, den Kommunikationsprozess so zu gestalten, dass Diskrepanzen im Verständnis wenn möglich nicht entstehen oder aber explizit werden und geklärt werden können. Dies bedingt gegenseitiges Zuhören, Rückfragen und Respekt.

Das dargelegte Kommunikationsmodell hat Schultz von Thun durch die Integration von drei bisherigen Kommunikationstheorien erreicht. Es sind dies:162

1. Das Nachrichtenmodell von SHANNON/WEAVER, mit dessen Fokus auf die chrono-logische Abfolge von Quelle, Sender, Nachricht, Empfänger und Ziel.

160 Vgl. Schulz von Thun, Reden, 2001. 161 Die Begriffe Sach-Logik, Chrono-Logik und Psycho-Logik verwendet Malik als Beschreibungsdimensionen von sozialen Systemen. Vgl. Kapitel 3.4.2.2 (Ansatz der Logik-Dimensionen von Managementprozessen). 162 Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 362 mit Verweise auf Bühler, Sprachtheorie, 1982, Shannon und Weaver, Communication, 1967 sowie Watzlawick, Beavin und Jackson, Kommunikation, 2007.

46 Theoretische Grundlagen

2. Das Kommunikationsmodell von WATZLAWICK et al., welches eine Sach- und eine Beziehungsebene unterscheidet (also Sach-Logik und Psycho-Logik).

3. Das Sprachmodell von BÜHLER, welches die Dreiteilung in Symptom (Selbstoffen-barung), Symbol (Sachinhalt) und Signal (Appell) enthält.

Zur wirksamen Komplexitätsbewältigung sind der Mensch als psychisches System und das Unternehmen als soziales System auf funktionierende Informationsverarbeitungs- und Kommunikationsprozesse angewiesen. Ein Mangel an relevanter Information kann zur von PRUCKNER beschriebenen Komplexitätsfalle führen. Der Informationsmangel führt dabei zu Fehlleistungen und diese wiederum führen zu Stress. Der Stress verringert die Informationsverarbeitung, was den Informationsmangel noch grösser werden lässt. Dies kann sich bis zum kompletten Burn-out aufschaukeln. Wichtigste Gegenmassnahme, um dem Teufelskreis zu entkommen, ist Entspannung und Erreichen der notwendigen Information.163

Um in der Datenflut der heutigen Zeit relevante Informationen für das Management des Unternehmens ausreichend schnell filtern und verarbeiten zu können, sind geeignete Modelle als Relevanzfilter 164 resp. Landkarte notwendig. Diese Landkarten dienen als Denk- und Handlungsraster für individuelle und kollektive Problemlösungsprozesse. Die Einführung solcher Modelle in einem Unternehmen erleichtert die Zusammenarbeit und ist umso wichtiger, je mehr die Menschen nicht dasselbe gelernt haben und nicht dieselbe Problemlösungssprache sprechen.165

Die Wichtigkeit von Information wird im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit insbesondere in Zusammenhang mit Feedforward und Feedback sowie Input und Output von Managementprozessen noch vertiefend thematisiert. „Während Leistungen die Ein- und Ausgangsgrössen des Leistungssystems bilden, ist Information Input wie Output des Managementsystems. So wie sich das Leistungssystem aus Prozessen der Leistungs-erbringung zusammensetzt, wird das Managementsystem aus Prozessen der Informations-verarbeitung gebildet. Sie transformieren Information aus dem Umwelt- respektive dem Leistungssystem zu Entscheidungen.“166

163 Vgl. Pruckner, Komplexitätsfalle, 2005, S. 92 f. 164 Vgl. Beer, Decision, 1966, S. 342. 165 Vgl. Pruckner, Komplexitätsfalle, 2005, S. 220. 166 Christ, Organisation, 2006, S. 165.

Theoretische Grundlagen 47

2.1.6 Umdenken braucht Zeit

Für viele der Leserinnen und Leser mögen die vorangegangenen Überlegungen neu sein. Einige werden sie als nützlich empfinden, andere werden grosse Zurückhaltung ihnen gegenüber haben. Sie werden sich möglicherweise fragen, warum sich denn nichts geändert hat, obwohl diese systemorientierte Denkweise ja seit längerer Zeit bekannt ist.167 Andere werden denken, dass die dargelegte Denkweise im Grunde nichts anderes als gesunder Menschenverstand sei. Einige mögen auch den Eindruck erhalten haben, dass man in der Welt von komplexen Systemen per se gar nicht mehr sinnvoll handeln kann.

Dass eine neue Denkweise erforderlich ist, weiss man nicht erst seit heute. Ihr eigenes Denken aber tatsächlich zu ändern, fällt den Menschen schwer. Das ist nicht eine Frage der Intelligenz, vielmehr verharrt die menschliche Natur in eingeprägten Denkvorstellungen. Das analytische und isolierte Denken ist ein Produkt der Vergangenheit. ULRICH stellt in diesem Zusammenhang fest: "Je wissenschaftlicher ein Mensch gebildet ist, je länger er die Schule besucht hat, umso grösser sind die Barrieren, die er auf dem Weg zum ganzheitlichen Denken überwinden muss."168

Die Veränderung von Denkweisen braucht Zeit. Dies hat auch damit zu tun, dass grosse Systeme, wie z.B. die Bildungssysteme, eine gewisse Trägheit haben und es somit einige Zeit dauert, bis sich auf allen Ebenen eine neue Denkweise durchsetzt. Bei erwachsenen Menschen mit langjähriger Ausbildungs- und Berufserfahrung ist es nur zum Teil möglich, angestammte Denkweisen noch grundlegend zu ändern. Umso wichtiger ist es, dass wir der jungen Generation diese Denkweise zugänglich machen – sie wird noch mehr als unsere Generation auf dieses Wissen angewiesen sein, um später ihre Probleme zu lösen.

Eine neue Denkweise heisst noch nicht zwingend sichtbare Veränderungen. ULRICH schreibt in diesem Zusammenhang: "Erfahrungsgemäss besteht die Gefahr, dass zwar auf Grund einer ganzheitlichen Perspektive Einsichten in grössere Zusammenhänge gewonnen und bisherige Verhaltensweisen kritisiert werden, daraus dann aber Forderungen nach 'Massnahmen' abgeleitet werden, die alten Vorstellungen über die Machbarkeit aller Dinge folgen und gar nicht zum Ziel führen können. Das notwendige Bindeglied zwischen einer allgemeinen Umorientierung des Denkens und dem praktischen Handeln muss daher eine anwendbare Problemlösungsmethodik sein, die konsequent aus den grundlegenden Einsichten abgeleitet worden ist. Erst mit einem solchen methodischen Hilfsmittel wird 167 Immerhin gehen viele der aufgeführten Argumente auf Werke von Ulrich aus den 1970er und 1980er Jahren zurück. 168 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 17.

48 Theoretische Grundlagen

ganzheitliches Denken lernbar und als Leitlinie für ein vernünftiges praktisches Handeln anwendbar."169

Bei Kleinsystemen - wie z.B. einer Familie oder einer Abteilung - kommt man mit dem gesunden Menschenverstand und etwas Lebenserfahrung schon ziemlich weit. Bei Grosssystemen reicht dies aber nicht mehr. "Die echten Schwierigkeiten ergeben sich jenseits der Grenzen des kleinen Systems, dort, wo man es mit Organisationen zu tun hat, die aus Tausenden oder Hunderttausenden von Menschen bestehen. Systeme dieser Art sind der Sinneserfahrung nicht mehr zugänglich, und hier haben wir jene Dimensionen der Komplexität, die nun wirklich den Einsatz ganz anderer Denkweisen und Methoden - eben jene des systemischen Managements erfordern. Jedenfalls darf sich systemisches Management nicht in der Befassung mit kleinen und/oder einfachen Systemen erschöpfen und auf diese beschränken. Ganz sicher muss der Eindruck vermieden werden, dies sei der dominierende oder der bevorzugte oder der fruchtbarste Anwendungsbezug." 170 Der gesunde Menschenverstand muss deshalb um Bausteine eines systemorientierten Denkens erweitert werden. Diese Bausteine sind lehr- und lernbar.

In der herkömmlichen Denkweise lässt sich alles auf lineare Ursachen-Wirkungs-beziehungen zurückführen, entsprechend scheint auch alles direkt machbar resp. ver-änderbar zu sein. Im Gegensatz dazu bedeutet systemisches Denken keineswegs, dass nichts mehr machbar ist. "Die Kenntnis der Gesetzmässigkeiten komplexer Systeme erlaubt es in hohem Masse zu beurteilen, was ein System nicht kann, was nicht funktionieren wird und das eliminiert den naiven Machbarkeitsglauben. Aber es ist damit auch möglich zu beurteilen, was ein System kann und was funktionieren wird. Nur weil man den naiven Machbarkeitsglauben aufgegeben hat, braucht man also noch lange nicht jenem anderen, genauso naiven Glauben zu verfallen, man könne überhaupt nichts oder fast nichts tun. Mann kann das als den naiven Unmöglichkeitsglauben bezeichnen, der leider gerade unter jenen weit verbreitet zu sein scheint, die sich für systemisches Management einsetzen."171

Die Transformation von Ressourcen in Nutzen kann nur durch aktives Handeln erfolgen. Gerade in grösseren Organisationen reicht dazu der "gesunde Menschenverstand" nicht mehr aus. Der Aufbau von neuen Denkweisen und deren Umsetzung in adäquates Handeln sind somit Aufgaben, welche von einer Management-Prozess-Architektur unterstützt werden müssen.

169 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 26. 170 Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 10. 171 Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 14 f. Hervorhebung gemäss Original, jedoch kursiv statt fett.

Theoretische Grundlagen 49

2.1.7 Übersicht über die Bausteine des systemorientierten Denkens

In diesem Kapitel wurden die Notwendigkeit eines systemorientierten Denkens und dessen Bausteine herausgearbeitet. Systemisches Denken basiert auf klaren Begriffen und damit verbundenen Vorstellungen. Diese Begriffe stammen insbesondere aus der Systemtheorie und Kybernetik. Die Bausteine lassen sich meist nicht in einem Satz treffend beschreiben, weshalb in diesem Kapitel weniger Wert auf "Definitionen" als auf "Erläuterungen" gelegt wurde.172 Die hier vorgestellten Begriffe werden im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder verwendet – es sind Bausteine des nachfolgenden Bauwerks.

In der nachfolgenden Abbildung 3 werden die Bausteine im „Konzept des System-denkens“ zusammenfassend dargestellt. In dieser Abbildung finden sich die Kapitel 2.1.2-2.1.5 als vier Quadranten wieder. Es sind vier Perspektiven auf das Systemdenken. Jede Perspektive umfasst drei Bausteine. Der Kreis schliesst sich bei der Notwendigkeit des Umdenkens (Kapitel 2.1.1) und der Beobachtung, dass ein Umdenken beim einzelnen Menschen beginnen muss und Zeit braucht (Kapitel 2.1.6).

Mit Bezug auf das Thema der vorliegenden Arbeit war es wichtig zu zeigen, in welcher Welt (Komplexitätszeitalter) sich Unternehmen (als soziale Systeme) heutzutage befinden. Das dargestellte Konzept kann nicht nur für die Betrachtung eines Unternehmens genutzt, sondern auch auf andere „System-Fälle“ übertragen werden, z.B. auf „Umwelt-Projekt-Projektmanagement-Menschen“, wenn es um die systemorientierte Betrachtung eines Projekts geht.

172 Zu den Grenzen von Begriffsdefinitionen siehe auch Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 30 und Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 548.

50 Theoretische Grundlagen

Abbildung 3: Die zwölf Bausteine im Konzept des Systemdenkens (eigene Darstellung)

Die lineare Charakteristik eines Buches zwingt dazu, die Überlegungen sequenziell darzulegen, obwohl sie miteinander vernetzt und ineinander eingebettet sind. Wie oben erläutert, sind die vier Quadranten vier Perspektiven auf das Gleiche. In der Mitte ist das Systemdenken, welches alle einzeln aufgeführten Bausteine „synthetisiert“. Dies ist deshalb notwendig, weil Menschen Auslöser von Management (-denken und -handeln) sind und dieses wiederum Bestandteil des Unternehmens ist, welches seinerseits in die Umwelt eingebettet ist. 173 Umwelt, Unternehmen, Management und Mensch sind als vier Subsysteme des gleichen Systems zu sehen. Bildlich gesprochen muss das Rad in Schwung gebracht werden, damit die einzelnen Speichen nicht mehr ersichtlich sind und alles in einem Ganzen aufgeht.

173 Dies wird in der Fachsprache als „Embedding“ bezeichnet. Embedding ist konstitutiv für Systeme und bedeutet einen Abschied vom klassischen Hierarchiedenken – durch Einbetten statt Einreihen. Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 128 f. Embedding ist auch in Bezug auf Beziehungen zwischen Unternehmen resp. zwischen den einzelnen Unternehmen und dem entstandenen Unternehmensnetzwerk von hoher Relevanz. Vgl. Jäger, Koordinationsstrukturen, 2004, S. 69.

Notwendigkeit des UmdenkensUmdenken braucht Zeit

System-denken

(Um-)Welt als ineinander verflochtene Systeme

Menschenals relationaleSysteme

Unternehmen als soziales produktives

System

Managementals Gestalten,

Lenken und Entwickeln von

Systemen

Theoretische Grundlagen 51

2.2 Systemorientierte Managementlehre

2.2.1 Grundlagen der systemorientierten Managementlehre

2.2.1.1 Objektbereich der systemorientierten Managementlehre

Grundsätzlich lassen sich Systeme in gedankliche und reale Systeme unterteilen. Letztere sind für die weiteren Überlegungen von Interesse, da als Objektbereich der Management-lehre reale Systeme verstanden werden, in denen die zu behandelnden Probleme entstehen.174 Die realen Systeme lassen sich weiter aufteilen in natürliche und in künstliche Systeme. Die natürlichen Systeme bestehen ihrerseits aus unbelebten Systemen sowie aus Lebewesen (Tiere und Menschen). Die künstlichen Systeme lassen sich weiter aufteilen in technische Systeme und soziale Systeme.175

Im Fokus der systemorientierten Managementlehre stehen die sozialen Systeme. In Anlehnung an ULLRICH können darunter ein Vielzahl von Institutionen, Organisationen, Unternehmungen verstanden werden, welche von Menschen zu einem mehr oder weniger klar bestimmten Zweck errichtet worden sind und aus Menschen bestehen, die zum zweckorientierten Handeln über Hilfsmittel verschiedenster Art verfügen. 176 Soziale Systeme sind sowohl der Objektbereich der systemorientierten Managementlehre als auch der Objektbereich der vorliegenden Arbeit resp. der Management-Prozess-Architektur.177

In Anlehnung an ULRICH kann die Systemtheorie als Wissenschaft vom Aufbau und der Klassifikation von Systemen verstanden werden. Demgegenüber ist die Kybernetik die Wissenschaft von der Gestaltung und Lenkung dynamischer Systeme. Die Systemorientierte Managementlehre bezieht sich auf Systemtheorie und Kybernetik gleichermassen und kann nach ULRICH als Lehre von der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von komplexen, sozialen, zweckorientierten Systemen beschrieben werden.178

174 Vgl. Ulrich, Unternehmung, 1968/2001, S. 37. 175 Vgl. Ulrich, Unternehmensführung, 1978, S. 14. 176 Vgl. Ulrich, Unternehmung, 1968/2001, S. 37. 177 Die Überlegungen der vorliegenden Arbeit sind in den meisten Punkten für sämtliche komplexe, produktive, soziale Systeme von Gültigkeit. Mit zunehmendem Fortschritt und Konkretisierungsgrad der Arbeit werden zwecks Umsetzbarkeit in die Sprachwelt der Praxis die für Unternehmen üblichen Begriffskategorien verwendet. Diese Begriffe lassen sich aber meist mit minimalen begrifflichen Änderungen auch für Institutionen jenseits von Unternehmen verwenden. 178 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 223 f.

52 Theoretische Grundlagen

2.2.1.2 Entwicklung des St. Galler Management-Modells

Die Entwicklung der systemorientierten Managementlehre an der Universität St. Gallen (damals Hochschule St. Gallen) brachte 1972 als Grundlagenmodell das St. Galler Management-Modell hervor. 179 Im Rahmen dessen Entwicklung wurde darauf geachtet, dass das St. Galler Management-Modell:180

1. ein umfassender Ansatz für die Führung von Unternehmen (und nicht nur von Menschen) ist,

2. auf einem klaren Begriffsverständnis und einer verständlichen Grundstruktur aufbaut,

3. ein Bezugsrahmen für das Beschreiben, Analysieren und Bewältigen von Führungs-problemen praktisch handelnder Menschen im Kontext sozialer Systeme ist,

4. offen für inhaltliche Ergänzungen ist, ohne dass dabei die geschlossene Logik aufge-geben wird.

Mit dem St. Galler Management-Modell gehen gemäss ULRICH/KRIEG einige Grundauf-fassungen zu Management einher. Es sind dies insbesondere:181

1. Management ist nicht nur Menschenführung, sondern die Führung einer Institution (mit Menschen) in deren Umwelt. Somit sind system-/institutions-/unternehmensbezogene Aspekte gleichermassen von Bedeutung wie menschen-/mitarbeiterbezogene Aspekte.

2. Management ist nicht nur Aufgabe der obersten Führungsorgane, sondern verteilt sich über die gesamte Institution und die entsprechenden Kaderfunktionen. Mit Bezug auf Selbstmanagement sowie Management von Vorgesetzten und Kollegen182 wird Manage-ment zu einer Funktion, welche von allen Mitarbeitern wahrgenommen wird.

3. Management ist keine Sachaufgabe. Es ist zu unterscheiden zwischen Führungsaufgaben (z.B. Organisieren) und Sachaufgaben (z.B. Produktvertrieb). Führung gibt es nicht isoliert, sondern nur immer in Bezug auf zu lösende Sachaufgaben.183

179 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001. 180 Vgl. Ulrich und Krieg, Führungsmodelle, 1987/2001, S. 463 f. 181 Vgl. Ulrich und Krieg, Führungsmodelle, 1987/2001, S. 464 f. 182 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 383. 183 Ein Ausnahme- resp. Spezialfall bildet diesbezüglich das Management der Managementprozesse, bei dem sich Führung auf die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Führungsaufgaben/-prozessen bezieht.

Theoretische Grundlagen 53

4. Management ist nicht Genies vorbehalten. Das Wissen um Management ist lehr- und lernbar. Die aus Systemtheorie und Kybernetik abgeleiteten Grundprinzipien sind dabei von zeitlich und geografisch universeller Gültigkeit. Das St. Galler Management-Modell bildet zudem ein Ordnungsgerüst für die Aufnahme und Integration von neuem Wissen sowie auch für die Beurteilung von immer wieder neuen „Management-Modetrends“.184

5. Management basiert nie auf vollständigen Informationen. Vielmehr heisst Management ein Umgehen mit komplexen Situationen und ein Entscheiden bei unvollkommener Information. Das St. Galler Management-Modell unterstützt mit einem mehrdimen-sionalen Bezugsrahmen bei der Lösung dieser Aufgabe.

In sozialen Systemen werden Managementfunkionen durch Menschen erfüllt. Die Qualität von Management ist somit abhängig vom Denken und Handeln der Menschen. Der Aus- und Weiterbildung von Menschen in Bezug auf systemorientiertes Management kommt somit grösste Bedeutung zu. Dies umso mehr, als das bisherige Bildungssystem sehr stark auf vermeintliche Allgemeinbildung und fachliches Basiswissen fokussiert hat185 und in vermeintlichen Führungsausbildungen ein falsches Führungsverständnis vermittelt wurde.186 Die Wichtigkeit der Management-Aus- und Weiterbildung wurde damals auch von ULRICH/KRIEG erkannt. Im Rahmen des Ansatzes des St. Galler Management-Modells wurde daher auch das St. Galler Ausbildungs-System entwickelt.

Das St. Galler Ausbildungs-System hatte zum Ziel, Führungskräften und Nachwuchs-führungskräften eine umfassende Managementausbildung zu bieten. Die Ausbildung sollte berufsbegleitend möglich sein und ein einheitliches Grundwissen und einen gemeinsamen Bezugsrahmen vermitteln. Die Führungskräfte sollten so befähigt werden, Führungs-probleme eigenständig zu erkennen und zu lösen.187

2.2.1.3 Originäre Managementfunktionen

Wie wir unter 2.1.4 gesehen haben, ist Management die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung einer Institution in ihrer Umwelt. Diese Grundlogik entspricht jener der systemorientierten Managementlehre resp. des St. Galler Management-Modells. Gestalten, Lenken und Entwickeln werden von ULRICH/PROBST als Managementfunktionen oder Managementprozesse bezeichnet, auf deren Erfüllung das Denken und Handeln von

184 Vgl. hierzu auch Höllermann, Management-Moden, 2004. 185 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 48. 186 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 67 ff. 187 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 49 ff.

54 Theoretische Grundlagen

Führungskräften auszurichten ist.188 ULRICH/PROBST schreiben in diesem Zusammenhang: "Da Unternehmungen nicht evolutionär entstandene Ökosysteme sind, sondern mensch-lichen Absichten und Zielen dienen sollen, müssen diese Funktionen auch bewusst von Menschen konzipiert und wahrgenommen werden."189

Da die Zukunft nicht vorhersehbar ist, kann ein System nicht im Detail gestaltet werden. Jedoch können Institutionen so gestaltet werden, dass sie innerhalb von bestimmten Verhaltensfeldern kurzfristig agieren können. Das konkrete Handeln innerhalb dieser Verhaltensfelder muss dann durch die Systemlenkung bewirkt werden. Lenkung ist dabei nur zu einem geringen Teil durch die interaktive Mitarbeiterführung gekennzeichnet, sondern erfolgt insbesondere durch Lenkungssysteme, welche eine Vielzahl von Handlungen bestimmen, in Gang setzen und überwachen.190 Dies lässt sich in Unternehmungen der heutigen Zeit z.B. daran erkennen, dass das Verhalten vieler Mitarbeiter durch computerisierte Prozesse weitestgehend gelenkt wird.191 Um in der dynamischen Umwelt bestehen und den gesellschaftlichen Zweck erfüllen zu können, muss sich eine Unternehmung auch weiterentwickeln können im Sinne einer qualitativen Verbesserung.192

Das St. Galler Management-Modell bietet Teilmodelle und unternehmenspolitische Konzepte, welche mit ihrem mehrdimensionalen Bezugsrahmen aufzeigen, wie die genannten originären Managementfunktionen konkret erfüllt werden können. Nachfolgend sollen daher die Teilmodelle und die unternehmenspolitischen Konzepte kurz vorgestellt werden.

2.2.2 Teilmodelle und Konzepte des St. Galler Management-Modells

2.2.2.1 Das Unternehmungsmodell

Das Unternehmungsmodell nimmt die in Kapitel 2.1 skizzierten Überlegungen zum System-denken auf und charakterisiert Unternehmen als komplexe, soziale und zweckorientierte Systeme, welche aus den drei Komponenten Umwelt, Unternehmung und Management bestehen. Die Umwelt besteht dabei aus unterschiedlichen sozialen Systemen und Gruppierungen (insb. Arbeitnehmer, Lieferanten, Kunden, Kapitalgeber, Konkurrenten, staatliche und nicht staatliche Institutionen). Auf einer höheren Abstraktionsebene kann 188 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 255 (Managementprozesse) und S. 258 (Managementfunktionen). 189 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 258. 190 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 255. 191 Dieser Sachverhalt wird oft auch mit dem Begriff des Workflow-Managements bezeichnet. 192 Siehe auch Kapitel 2.1.4.2 (Entwicklung).

Theoretische Grundlagen 55

man auch von Umweltsphären sprechen (soziale, ökonomische, technologische und die allumfassende ökologische Sphäre). Die Unternehmung steht in intensivem informa-tionellem, energetischem und materiellem Austausch mit ihrer Umwelt. Besonders hervorzuheben sind die Leistungs- und Geldflüsse zwischen der Unternehmung und den Beschaffungs- resp. Absatzmärkten.193

Die Unternehmung lässt sich in die grundsätzlichen Tätigkeitsbereiche Vollzugsbereich (Forschung & Entwicklung, Produktion, Absatz), Versorgungsbereich (Personal-, Anlagen-, Material-, Finanz- und Informationswesen) sowie den Führungsbereich untergliedern. Letzterer überlagert und durchdringt den operationellen Bereich (Vollzugs- und Versorgungsbereich). 194 Weitere Dimensionen des Unternehmungsmodells sind die Gestaltungsebenen (technologische, ökonomische und soziale) sowie die Unterteilung in repetitive und innovative Aufgaben.195

2.2.2.2 Das Führungsmodell

Unternehmensführung wird im Führungsmodell als informationsverarbeitendes Lenkungs-system verstanden. Der Begriff Lenkung ist hier in einem umfassenden Sinne zu verstehen als Sammelbegriff für Gestaltung, Lenkung und Entwicklung. Um diesbezügliche Missver-ständnisse zu vermeiden, werde ich in der Folge anstelle von Lenkungssystemen von Führungssystemen 196 sprechen. Das Führungssystem hat vor dem Hintergrund von Wertvorstellungen und auf Basis von Unternehmungs- und Umweltinformationen sowie Kontrollinformationen aus den Vollzugs- und Versorgungssystemen entsprechende Entscheidungen im Sinne von Führungsvorgaben an Vollzugs- und Versorgungssysteme hervorzubringen.197

Für die inhaltliche Analyse der Aufgaben und Probleme der Unternehmensführung wird in Führungsstufen, -phasen und -funktionen unterschieden.198 Unter Führungsstufen werden die Bereiche der Willensbildung und -durchsetzung nach zunehmender Konkretisierung resp. abnehmender zeitlicher Reichweite aufgeführt (Unternehmenspolitik, Planung, Disposition). Um Missverständnisse mit den (hierarchischen) Führungsstufen zu vermeiden,

193 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 22 ff. 194 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 26 f. 195 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 28 ff. 196 Zur Erinnerung: Der Begriff Managementsystem wird stets synonym mit Führungssystem verwendet. 197 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 32. 198 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 35 ff.

56 Theoretische Grundlagen

spreche ich in diesem Zusammenhang im Weiteren von Führungskomponenten. 199 Als Führungsphasen werden die drei Phasen Ziele (was?), Mittel (Womit?) und Verfahren (Wie?) unterschieden. Als Führungsfunktionen werden schliesslich Entscheiden, Ingang-setzen und Kontrollieren aufgeführt. Um Missverständnisse mit dem bereits für Gestalten, Lenken und Entwickeln verwendeten Begriff der Funktionen zu vermeiden, werde ich den Begriff der Führungstätigkeiten verwenden.

2.2.2.3 Das Organisationsmodell

Im Rahmen des Organisationsmodells sind Ablauf- und Aufbaustrukturen zu konzipieren. Bei dieser Strukturierung kann man sich der Unterscheidung von Unternehmungs- und Führungsmodell bedienen. Aus dem Unternehmungsmodell lassen sich Umwelt-/ Markt-bereiche, Marktleistungsbereiche (Produkte-/Dienstleistungsgruppen), Funktionsbereiche und repetitive/innovative Aufgaben als vier Strukturierungsdimensionen ableiten. Aus dem Führungsmodell lassen sich insbesondere die Führungskomponenten (Unternehmenspolitik, Planung, Disposition) und Führungstätigkeiten (Entscheiden, Ingangsetzen, Kontrollieren) als Strukturierungsdimension nutzen. Diese so entstandene Vielzahl von Strukturierungs-möglichkeiten muss noch erweitert werden um die Gegebenheiten bestimmter Unternehmen. Die Zahl der sich überlagernden Strukturen ist theoretisch unbegrenzt.200

Bei dieser Vielzahl sich überlagernder Strukturen und der damit verbundenen Unsicherheit in komplexen Verhältnissen ist es praktisch notwendig, sich auf einige wenige Dimensionen zu beschränken. 201 ULRICH schlägt in diesem Zusammenhang vor, sich auf vier Strukturdimensionen zu beschränken. Die primäre Struktur unterteilt dabei das Unter-nehmen in möglichst selbständige Einheiten. Idealerweise sind dies operationelle Einheiten, welche ihre eigene relevante Umwelt haben. 202 Im Zusammenhang mit dieser ersten Strukturierung muss auch festgelegt werden, welche zentralen Dienste die Unternehmung haben soll und wie die zentrale Unternehmensleitung gestaltet sein soll, damit sie die operationellen Einheiten und die zentralen Dienste bestmöglich führen kann. Die primäre Strukturierung ist jeweils jene, die sich in Organisationsdarstellungen (Organigrammen)

199 Der Begriff Führungsstufe wird von Ulrich in Publikationen unterschiedlich verwendet. Die jeweilige Bedeutung des Begriffs ergibt sich jedoch aus dessen Kontext. Im Sinne von Managementkomponenten wird der Begriff in Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 73 verwendet, im Sinne von hierarchischen Führungsstufen wird er in Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 259 verwendet. 200 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 40 f. 201 Vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 415. 202 Vgl. hierzu auch 3.2.3.2 (Mehrere Teile als Ganzes) sowie Drexel, Geschäftsfelder, 1987 zur organisatorischen Verankerung solcher Einheiten im Sinne von strategischen Geschäftsfeldern.

Theoretische Grundlagen 57

niederschlägt. Sie gilt immer dann, wenn nicht eine der anderen überlagernden Strukturen vorübergehend in Kraft tritt.203

Eindimensionale Strukturen sind nach dem Varietätsgesetz von ASHBY204 wenig geeignet, um in komplexen Umwelten bestehen zu können. Die primäre Strukturierung ist denn auch immer eine Kompromisslösung. Deshalb sollen mit einer sekundären Strukturierung die grössten Nachteile der primären Strukturierung aufgehoben werden. Bei einer funktionalen Primärstruktur ist insbesondere der Ablauf des Leistungsprozesses über die sekundäre Struktur einzuführen. Umgekehrt kann bei einer divisionalen Primärstrukturierung eine Ergänzung um eine funktionale Sekundärstruktur sinnvoll sein. In beiden Fällen können auch Mitarbeiter zentraler Dienste in die Sekundärstruktur mit eingebunden werden. Um Probleme der klassischen Matrixorganisation zu vermeiden, bleibt das "Vorfahrtsrecht" immer bei der primären Strukturierung, verbunden mit einer Eskalationsmöglichkeit zur Unternehmensleitung.205

Als tertiäre Struktur schlägt ULRICH die Ebene der Projektorganisation vor, um auch dem Charakter von innovativen (im Vergleich zu repetitiven Aufgaben) ausreichend gereicht zu werden. Diese Struktur wird nur insofern konkret ausgebildet, als jeweils ein oder mehrere Projekte für eine bestimmte Zeitdauer am Laufen sind. Die Projekte können mit Mit-arbeitern aus den unterschiedlichsten Primär- resp. Sekundärbereichen besetzt werden. Innovative Aufgaben können aber auch in den Primär- und Sekundärstrukturen wahrge-nommen werden. Z.B. kann über das Organisationskonzept definiert werden, dass wieder-kehrende innovative Aufgaben im Bereich der Forschung und Entwicklung in einer relativ selbständigen Organisationseinheit erledigt werden. 206

Jeder Mitarbeiter ist im Normalfall einer Einheit der Primärstruktur zugeordnet, kann jedoch gleichzeitig auch Mitarbeiter in Einheiten anderer Strukturierungsdimensionen sein. Dies gilt insbesondere auch für Beiträge zur quartären Struktur. Die quartäre Struktur ist insofern eine unerlässliche Strukturierung, als sie auf die führungsmässige Integration aller Organi-sationselemente gerichtet ist und in diesem Zusammenhang den unternehmensweiten Führungsprozess regelt. Dass dieser Führungsprozess nicht lediglich entlang den Befehls-wegen der Primärstruktur ablaufen kann, wurde u.a. von BEER nachgewiesen.207 Ziel der quartären Struktur ist es, das Führungssystem und die damit verbundenen Führungsprozesse

203 Vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 415. 204 Vgl. Kapitel 2.1.2.3 (Komplexität). 205 Vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 416. 206 Vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 416 f. 207 Vgl. Beer, Brain, 1972/1988.

58 Theoretische Grundlagen

zu institutionalisieren. Die quartäre Struktur muss dazu auch ein adäquates Informations-versorgungs- und Kontrollsystem enthalten.208

Die Wichtigkeit einer quartären Struktur fasst ULRICH wie folgt zusammen: "Die hier vertretene Vorstellung, dass die koordinierende Gesamtführung der Unternehmung als eine eigene Struktur betrachtet werden kann, ist nicht üblich, obwohl vielerorts für Teile der hier gemeinten, übergreifenden Führungsprozesse wie etwa die Budgetierung oder Gebiete des 'internen Berichtswesens' sogenannte Ablaufvorschriften bestehen. Meines Erachtens ist dies ein Grund dafür, dass die Koordination zwischen den organisatorischen Bereichen oft nur mühsam gelingt und die zentrale Unternehmungsleitung, entgegen den von ihr selbst proklamierten Prinzipien der Dezentralisation und Delegation, häufig disponierend in die Aktivitäten der einzelnen operativen Einheiten eingreifen muss."209 Es sind Feststellungen wie diese von ULRICH, welche den Bedarf einer Management-Prozess-Architektur unterstreichen. Managementprozesse können und müssen somit zu einer wesentlichen Strukturierungsdimension von Unternehmen werden.

2.2.2.4 Unternehmenspolitische Konzepte

Die dargelegten drei Teilmodelle des St. Galler Management-Modells befassen sich mit allen drei Grundkomponenten – Umwelt, Unternehmung, Management – allerdings jeweils aus einer teilmodell-spezifischen Perspektive (Unternehmungs-, Organisations-, Führungs-perspektive). Von den Grundkomponenten her hat ULRICH drei unternehmenspolitische Konzepte abgeleitet: Von der Umwelt her das Umweltkonzept, von der Unternehmung her das Unternehmungskonzept und vom Management her das Führungskonzept. Für die Gliederung der einzelnen Konzepte hat er sich dabei ausgewählten Dimensionen der Teilmodelle bedient.

Die Analyse von sozialen Systemen und Gruppierungen (institutionelle Perspektive) sowie der übergeordneten Sphären (sphärische Perspektive) mündet in unterschiedliche Umwelt-szenarien, welche letztlich das Umweltkonzept konstituieren.

Die unter 2.2.2.1 erwähnte technologische, ökonomische und soziale Gestaltungsebene bildet drei Teilkonzepte: Das leistungswirtschaftliche, das finanzwirtschaftliche und das

208 Vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 417 ff. 209 Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 421.

Theoretische Grundlagen 59

soziale Konzept. 210 Diese drei Teilkonzepte werden mit der unter 2.2.2.2 dargelegten Dimension der Führungsphasen (Ziele, Mittel, Verfahren)211 zum Unternehmungskonzept212 kombiniert. Die daraus entstehende 9-Felder-Matrix wird mit Entscheidungen gefüllt, welche auf Basis einer Umwelt- und Unternehmensanalyse und in Abstimmung mit den eigenen Wertvorstellungen getroffen wurden.213

Neben dem Umwelt- und dem Unternehmungskonzept gibt es noch das Führungskonzept.Dieses besteht erstens aus einem umfassenden Führungssystem, welches sich auf die normative, strategische und operative Ebene ausdehnt und somit Unternehmenspolitik, Planung und Disposition umfasst. Zweitens besteht es aus dem unter 2.2.2.3 bereits thematisierten Organisationskonzept. Darüber hinaus kommen noch zwei bisher nicht beleuchtete Aspekte hinzu: Es sind dies, drittens, die Führungsmethodik (bestehend aus Aspekten wie Führungsverfahren, Führungshilfsmitteln, Führungsstil und Führungsver-halten) sowie, viertens, das Führungspotenzial (bestehend aus Aspekten wie Führungs-kräftepotenzial- und Führungskräftebedarfserfassung sowie Führungskräfterekrutierung, -beurteilung, -entlohnung und -entwicklung).214

Die vier Teile des Führungskonzepts – Führungssystem, Organisationskonzept, Führungs-methodik und Führungspotenzial – sind eng miteinander verbunden. So werden z.B. die Prozesse des Führungssystems in quartären Strukturen des Organisationskonzepts verankert. Auch die drei Konzepte – Umwelt-, Unternehmungs- und Führungskonzept – sind miteinander verbunden. So ist es z.B. je nach aktuellem Stand des Arbeitsmarktes (Umweltkonzept) einfacher oder schwieriger, gute Führungskräfte von aussen zu rekrutieren (Führungskonzept).

210 Dass diese Begriffliche Überführung von technologisch, ökonomisch und sozial in leistungswirtschaftlich, finanzwirtschaftlich und sozial zulässig ist, lässt sich an den jeweiligen Begriffsumschreibungen erkennen. Siehe dazu Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 29 sowie Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 205. 211 Bezüglich den Führungsphasen werden bewusst die Begriffe Ziele, Mittel und Verfahren beibehalten und nicht durch die später dazugekommenen Begriffe Ziele, Leistungspotenziale und Strategien (vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 371) ersetzt. Dies deshalb, weil Ziele, Mittel und Verfahren ein breiteres Anwendungsfeld haben und weniger zu Missverständnissen führen z.B. im Rahmen einer Konkretisierung einer Strategie durch Ziele, Mittel und Verfahren/Massnahmen (ansonsten würde die Strategie durch Strategien konkretisiert). 212 Bei Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 37 wurde diesbezüglich von einem Führungskonzept gesprochen. Ich werde jedoch den Begriff Unternehmungskonzept aus Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 205 verwenden, um den Begriff Führungskonzept noch "frei zu halten" (siehe nächster Abschnitt). 213 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 35 ff. 214 Vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 438 ff.

60 Theoretische Grundlagen

2.2.2.5 Spätere Weiterentwicklungen des St. Galler Management-Modells

Das dargelegte ursprüngliche St. Galler Management-Modell von ULRICH/KRIEG wurde über die Jahre oft verwendet, konkretisiert und als Basis neuer Modelle und Konzepte genommen. Die Konkretisierungen erfolgten in Hinblick auf spezielle Zwecksetzungen von Systemen resp. Anforderungen von damit zusammenhängenden Sachbereichen. Als Beispiel dafür sei das Management-Modell für die öffentliche Hand erwähnt.215 Bekannteste neue Modelle und Konzepte, welche auf dem St. Galler Management-Modell beruhen, sind das Konzept des integrierten Managements (auch St. Galler Management-Konzept genannt) von BLEICHER216, das neue St. Galler Management-Modell von RÜEGG-STÜRM217 und das malik management system® von MALIK218.

Das Konzept von BLEICHER verbindet die Ebenen des normativen, strategischen und operativen Managements mit Strukturen, Aktivitäten und Verhalten. Allerdings wird meiner Ansicht nach nicht ausreichend klar, wie diese neun Felder zusammenwirken. Zudem sind z.B. die zwei Felder Unternehmensverfassung und Unternehmenspolitik nicht genügend trennscharf formuliert. Der 9-Felder-Raster kann somit zu einer falschen Komplexitäts-reduktion führen. Managementsysteme sind z.B. dem strategischen Management und der Struktur-Dimension zugeordnet. Die Gestaltung eines Managementsystems kann als strategisch-strukturelle Aufgabe verstanden werden. Dessen Nutzung (im Sinne der Ausführung von Managementprozessen) umfasst aber sehr wohl auch Aspekte des normativen und des operativen Managements. Ein Feld des 9-Felder-Rasters muss somit jeweils unbedingt in Verbindung mit den anderen Feldern interpretiert werden.

Das neue St. Galler Management-Modell verfolgt im Vergleich zum ursprünglichen St. Galler Management-Modell eine vermehrte Prozessperspektive. Es werden dabei Management-, Geschäfts- und Unterstützungsprozesse unterschieden. Des Weiteren werden die Ordnungsmomente Strategie, Struktur und Kultur thematisiert. Die Management-prozesse werden dabei in einem zirkulären Zusammenhang mit den Ordnungselementen gesehen. 219 Dieser Zusammenhang ist aus meiner Sicht der Kern eines Management-Modells. Die Darlegungen im neuen St. Galler Management-Modell bezüglich Geschäfts- und Unterstützungsprozessen führen jedoch dazu, dass das neue Modell insgesamt wesentlich mehr einem Unternehmungs-Modell als einem Management-Modell entspricht.

215 Vgl. Ulrich und Sidler, Öffentliche Hand, 1977/2001. 216 Vgl. Bleicher, Integriertes Management, 1991/2004. 217 Vgl. Rüegg-Stürm, Management-Modell, 2004. 218 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008 sowie Kapitel 2.2.3 (Richtiges und gutes Management). 219 Vgl. Rüegg-Stürm, Management-Modell, 2004, S. 121.

Theoretische Grundlagen 61

Die konsequenteste Weiterentwicklung des ursprünglichen St. Galler Management-Modells ist meiner Ansicht nach MALIK gelungen. Im Unterschied zu BLEICHER blieb er den zirkulären Wirkungszusammenhängen im Management-Modell in Herleitung und Darstellung des malik management system® und den darin enthaltenen Modellen treu. Anders als RÜEGG-STÜRM hat er nicht vermehrt ein Unternehmungs-Modell, sondern ein fundiertes Management-Modell entwickelt. Im Unterschied zum ursprünglichen St. Galler Management-Modell von ULRICH/KRIEG ist das malik management system® neben einem „Leerstellengerüst für Sinnvolles“ auch verstärkt ein normativer Orientierungsraster. Dies aus der Erkenntnis heraus, dass eine anwendungsorientierte Wissenschaft wie die Managementlehre nicht wertfrei sein kann und darf. 220 Nach MALIK muss sich die Managementlehre in den Dienst der Frage stellen, was richtiges und gutes Management ist.

2.2.3 Richtiges und gutes Management

2.2.3.1 Grundüberlegungen zu richtigem und gutem Management

Aufbauend auf dem St. Galler Management-Modell ist MALIK und sein Unternehmen, das Malik Management Zentrum St. Gallen 221 , seit über dreissig Jahren in der Weiterent-wicklung, Vermittlung und Anwendung von richtigem und gutem Managementwissen tätig. Nach MALIK ist Management „(…) die Schlüsselfunktion einer modernen Gesellschaft. Von Management hängt fast alles ab, was für eine Gesellschaft wichtig ist. Weder die Gesellschaft als Ganzes noch ihre Institutionen kommen ohne Management aus. Immer mehr Menschen benötigen Managementwissen und Managementkönnen."222 Neben dem fundierten Wissen der systemorientierten Managementlehre haben sich aber über die letzten Jahrzehnte viele insbesondere auch amerikanisch geprägte Management-Modetrends verbreitet. In den letzten 50 Jahren ist geradezu eine exponentielle Zunahme dieser Management-Modetrends auszumachen.223 Dies getrieben durch die Aktivität von grossen, oftmals opportunistisch agierenden Beratungsunternehmen amerikanischen Ursprungs einerseits224 sowie die Unsicherheit von Managern anderseits. Das St. Galler Management-Modell ist hier willkommenes Leerstellengerüst für Sinnvolles, wie es ULRICH nannte. Als

220 Vgl. hierzu Ulrich, Praxisbezug, 1998/2001, S. 464 und Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 62 inkl. seinen Verweis auf Hans Albert (siehe auch Albert, Rationale Praxis, 1978). 221 Weiterführende Informationen zum Unternehmen Malik Management Zentrum St. Gallen sind in Kapitel 4.2.1 (Kurzportrait des Malik Management Zentrum St. Gallen) aufgeführt. 222 Archiv MZSG, Doc-01, Leitbild, S. 3. 223 Vgl. Höllermann, Management-Moden, 2004, S. 3. 224 Vgl. Leif, Beraten und verkauft, 2006.

62 Theoretische Grundlagen

mehrdimensionales Ordnungssystem hilft es bei der Ermittlung des notwendigen Managementwissens.225 MALIK war bestrebt, über all die Jahre dieses Leerstellengerüst auch mit theoretisch fundierten und gleichermassen praktisch bewährten Inhalten zu füllen. Dies erscheint deshalb wichtig, weil nur dadurch deutlich wird, was richtiges und gutes Management ist.

Die Unterscheidung in richtiges und gutes Management wurde erstmals von MALIK

vorgenommen. Er orientierte sich dabei an Überlegungen der Wirksamkeit und zweck-orientierten Funktionsfähigkeit von sozialen Systemen und unterschied hinsichtlich der Effektivität zwischen richtig und falsch und bezüglich der Effizienz zwischen gut und schlecht. Diese zwei Dimensionen zusammengeführt ergeben vier Felder: Das richtige Management gut betrieben ist die wirksamste Art, gefolgt von richtigem Management schlecht betrieben. Falsches Management ist sowohl gut als auch schlecht betrieben ein Desaster.226

In der erwähnten Vielfalt von Managementkonzepten, -methoden, -empfehlungen etc. ist es unerlässlich, das Falsche zu erkennen und zu eliminieren resp. zu ersetzen durch bessere Theorien und Konzepte. Diese müssen sich selbstverständlich ebenfalls wieder der Bewährung stellen. Es ist nicht so, dass man für jede Fragestellung schon im Voraus weiss, was richtig ist. Richtiges kann sich z.B. auch über „Trial and Error“ herausstellen. Dort wo aber aufgrund der Historie Falsches aufgedeckt wurde und sich viel versprechende richtige Ansätze etabliert haben, wäre es fahrlässig, weiter mit „Trial and Error“ nach dem Richtigen suchen zu wollen. Im alltäglichen Sprachgebrauch werden häufig Begriffe wie „wahr“ und „richtig“ verwendet, jedoch damit streng wissenschaftlich „vorläufig bestätigt“ oder „nahe an der Wahrheit“ gemeint. „Richtiges und gutes Management ist kybernetisches Management“ 227 . In Anlehnung an TARSKI könnte man im übertragenen Sinne sagen: „Richtiges und gutes Management ist kybernetisches Management“ ist eine wahre Aussage dann und nur dann, wenn richtiges und gutes Management kybernetisch ist, d.h. unter Nutzung kybernetischer Prinzipien Komplexität optimal meistert.228 Um einen konkreten

225 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 19. 226 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 56 f. 227 Malik, Führen, 2000/2006, S. 27. 228 Tarski ist Begründer einer semantischen Theorie der Wahrheit. Er formulierte allgemein: „die Aussage x ist wahr dann und nur dann, wenn p, wo „p“ durch eine beliebige Aussage der untersuchten Sprache und „x“ durch einen beliebigen Einzelnamen dieser Aussage zu ersetzen ist, wobei dieser Einzelname zu dem Gebiet der Metasprache gehört“ und konkret: „die Aussage „es schneit“ ist dann und nur dann wahr, wenn es schneit“. Tarski, Semantik, 1973, S. 353. Die Wahrheitstheorie von Tarski unterscheidet somit in eine Metasprache und eine Objektsprache. Die Bezeichnung „wahr“ ist der Metasprache vorbehalten, welche diese Bezeichnung einer Aussage auf der Ebene der

Theoretische Grundlagen 63

Satz als wahr zu bezeichnen, hat man sich gemäss TARSKI auf Fundamentalaussagen zu berufen resp. ist der konkrete Satz aus diesen Aussagen abzuleiten. Diese Fundamental-aussagen sind anerkannte Aussagen, die aus Axiomen und/oder Beobachtungen bestehen.229 Im oben genannten Beispiel von „richtigem und gutem Management“ können die kybernetischen Prinzipien von den Management-Axiomen von BEER abgeleitet werden.230

Die Bedeutung von „richtig“ und „gut“ kann man nur verstehen, wenn man sich der Perspektive resp. der Betrachtungsebene bewusst ist.231 Gleiches gilt für die Begriffe der Effektivität und Effizienz. Es kann richtig (effektiv) sein, eine Workshop-Reihe mit 5 Workshops einzuplanen, die Durchführung der Workshop-Reihe ist auf dieser Betrachtungsebene dann mehr oder weniger gut (effizient). Eine Betrachtungsebene „tiefer“ geht es um den einzelnen Workshop, dort ist ev. richtig (effektiv), dass man erst um 9 Uhr startet und um 12 Uhr eine gemeinsame zweistündige Mittags- und individuelle Reflexionspause einschaltet. Der Nutzen der drei Stunden von 9-12 Uhr hängt dann von der guten (effizienten) Durchführung des Vormittagsprogramms ab. Auf der Betrachtungsebene des Vormittagsprogramms gibt es natürlich auch wieder Aspekte der Effektivität (welche Inhalte) und der Effizienz (wie vermittelt) zu berücksichtigen.

Managementwissen ist der invariante Wissenskern. 232 Je nach Sachaufgabe, Situation, Institution und Umwelt ist das Managementhandeln – im Sinne einer Erscheinungsform – unterschiedlich. Richtiges und gutes Management berücksichtigt die invarianten Prinzipien und ist der Sachaufgabe, der Situation und der Umwelt angepasst. Was richtiges und gutes Management ist, basiert auf Überlegungen der Systemtheorie und Kybernetik. Das „Was“ ist dabei invariant, d.h. es muss z.B. in Institutionen unabhängig von der jeweiligen Landeskultur für Ziele gesorgt werden. Das „Wie“ hat angepasst an den Kontext zu

Objektsprache zuweist. Als Wahrheit einer Aussage wird deren Übereinstimmung mit der Wirklichkeit aufgefasst. Vgl. Tarski, Wahrheitsbegriff, 1973, S. 450 und 548. 229 Vgl. Tarski, Semantik, 1973, S. 352 ff. sowie Tarski, Wahrheitsbegriff, 1973, S. 548. 230 Vgl. Beer, Heart, 1979/1994, 566 f. 231 Man kann zum Beispiel sagen, jemand hat richtig Golf gespielt, in der Meinung, er hat nach den Regeln gespielt. Gut hat er gespielt, wenn er nicht nur nach den Regeln gespielt, sondern möglichst wenige Schläge für den 18-Loch-Kurs benötigt hat. Auf der nächst „tieferen“ Betrachtungsebene lässt sich beispielsweise erkennen, dass der Golfspieler bei Loch 7 richtig gespielt hat, indem er den Ball taktisch vor das Wasserhindernis und von dort auf das Green gespielt hat. Er hat dies nicht nur taktisch richtig, sondern auch von der Ausführung her gut gemacht. Auf allen Betrachtungsebenen gilt, dass „richtig“ jeweils für richtungsweisend, entscheidend und/oder Ziel festlegend steht. Demgegenüber hat „gut“ jeweils eher einen Bezug zur Durchführung resp. zum Weg der Zielerreichung innerhalb der richtig oder falsch getroffenen Rahmenbedingungen. Bevor man über richtig und gut nachdenkt, ist es also wichtig, den Betrachtungsfokus zu definieren. Im obigen Beispiel also die Klärung der Frage, ob ich mich mit der Beurteilung von richtig und gut auf das Golfspiel als Ganzes oder auf das Golfspiel am Loch 7 beziehe. 232 Zum Konzept der Invarianz vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 87.

64 Theoretische Grundlagen

erfolgen. Diesem Umstand wird MALIK gerecht, in dem er sein General Management Modell einbettet in die anwendungsbezogenen Kontextsphären der Sachaufgabe, der Situation, der Institution und der Umwelt.233 MALIK fokussiert in seinen Ausführungen zu Management primär auf das Verallgemeinerbare von Management. Erst bei der Anwendung von Managementwissen kommt die Information über den Kontext zum Tragen.

2.2.3.2 Eckpfeiler von richtigem und gutem Management

Eine umfassende Darlegung von richtigem und gutem Management würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen und ist mit Bezug auf die Forschungsfrage auch nicht notwendig. Es sei an dieser Stelle auf die relevante Literatur von MALIK verwiesen.234 Für die vorliegende Arbeit relevante Eckpfeiler von richtigem und gutem Management werden hier kurz vorgestellt und später in der Arbeit noch vertieft.

2.2.3.2.1 Systemisches statt technomorphes Managementverständnis

Als ehemaliger Schüler von ULRICH versteht MALIK Management ebenfalls als die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von komplexen, zweckorientierten, produktiven, sozialen Systemen. Des Weiteren bezeichnet MALIK Management als Transformation von Wissen in Nutzen.235 Die Betrachtung eines Unternehmens als System ist eine Absage an simplifizierende Ursachen-Wirkungsbeziehungen und basiert somit nicht auf einer technomorphen, sondern auf einer systemischen Managementtheorie.236 MALIK fasst die Prämissen dieser beiden Theorien wie nachfolgend dargestellt als dichotomische Behauptungen zusammen. Dabei weist er darauf hin, dass bei dieser Darstellung Differenzierung verloren geht, jedoch Eindeutigkeit gewonnen wird. 237 Die gewonnene

233 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 385 ff. 234 Für das Studium von richtigem und gutem Management sei insbesondere auf die lancierte Buchreihe „Management: Komplexität meistern“ verwiesen, von der bereits Band 1 (Malik, Handwerk, 2005/2007) und Band 2 (Malik, Unternehmenspolitik, 2008) erschienen sind. Weiter sind Malik, Führen, 2000/2006 und Malik, Corporate Governance, 2002 wichtige Werke. Wer an den relevanten grundlagenwissenschaftlichen Prinzipien aus Systemtheorie und Kybernetik interessiert ist, dem sei zudem das Studium von Malik, Strategie des Managements, 1984/2003 empfohlen. 235 Vgl. Malik, Corporate Governance, 2002, S. 117. 236 In leichter Abweichung zu den Begriffen gemäss Malik wird von einem technomorphen (statt technomoph-konstruktivistischen) und einem systemischen (statt systemisch-evolutionären) Managementverständnis gesprochen. Dies, um zu verhindern, dass konstruktivistisch mit dem in seiner Bedeutung diametral entgegenstehenden Begriff des sozial-psychologischen Konstruktivismus in Beziehung gebracht wird. „Evolutive“ und „kybernetische“ Aspekte erachte ich implizit im Begriff „systemisches Managements“ enthalten. „Systemisch“ verstehe ich zudem als Synonym zu „systemorientiert“. 237 Vgl. Malik, Systemisches Management, 1993/2000, S. 119.

Theoretische Grundlagen 65

Eindeutigkeit überwiegt dabei im Kontext der vorliegenden Arbeit die verlorene Differenzierung klar. Darüber hinaus fasst diese Gegenüberstellung die obigen Gedanken zu systemischem Denken sowie zur systemorientierten Managementlehre in einem guten Überblick zusammen.

Technomorphes Managementverständnis Systemisches Managementverständnis

Management…

• … ist Menschenführung

• … ist Führung weniger

• … ist Aufgabe weniger

• … ist direktes Einwirken

• … ist auf Optimierung ausgerichtet

• … hat im Grossen und Ganzen ausreichende Information

• … hat das Ziel der Gewinn- maximierung

Management…

• … ist Gestaltung und Lenkung ganzer Institutionen in ihrer Umwelt

• … ist Führung vieler

• … ist Aufgabe vieler

• … ist indirektes Einwirken

• … ist auf Lenkbarkeit ausgerichtet238

• … hat nie ausreichende Information

• … hat das Ziel der Maximierung der Lebensfähigkeit

Abbildung 4: Vergleich des technomorphen und systemischen Managementverständnisses nach Malik239

MALIK versteht Management nicht nur als Menschenführung ("to manage people"), sondern insbesondere auch als Unternehmensführung ("to manage a business"). Es handelt sich dabei um eine Aufgabe, die in der heutigen Wirtschaft und Gesellschaft von vielen wahr-genommen werden muss. Ziel des Managements ist es - trotz nie ausreichender Information - ein System "under control" zu halten und seine Lebensfähigkeit zu maximieren. Nach BEER lässt sich "control" wie folgt umschreiben: "The control function is spread through the architecture of the system. It is not an identifiable thing at all, but its existence in some form is inferred from the systems behaviour."240 Das Englische "control" ist dabei im Deutschen weniger als Kontrolle als vielmehr im Sinne von Steuern und Regulieren, also dem "unter-

238 In Abweichung der Begriffe gemäss Malik wird von Lenkbarkeit statt Steuerbarkeit gesprochen. Dies vor dem Hintergrund der unter 2.1.4.2 dargelegten Charakterisierung von Lenkung als Steuerung und Regelung. 239 Vgl. Malik, Systemisches Management, 1993/2000, S. 119. 240 Beer, Brain, 1972/1988, S. 25.

66 Theoretische Grundlagen

Kontrolle-halten", zu verstehen.241 MALIK formuliert dies wie folgt: „'Control' ist weniger etwas, was man tut, sondern etwas, was das System hat oder ist."242,243

2.2.3.2.2 Customer Value statt Shareholder Value

Corporate Governance wurde in den letzten Jahren - nicht zuletzt aufgrund zahlreicher spektakulärer Unternehmenszusammenbrüche (z.B. Enron, Worldcom, Swissair) - zu einem viel verwendeten Begriff. MALIK hatte bereits vor dem Börsen-Crash Ende der 1990er Jahre mehrfach auf den falschen und irreführenden Corporate Governance-Ansatz vieler Firmen hingewiesen. Auch hatte er bereits damals anstelle einer Fokussierung auf die Maximierung des Gewinns eine Maximierung des Kundennutzens vorgeschlagen. 244

Nach dem Börsencrash wurde vielerorts der Shareholder-Value Ansatz zwar als unzulänglich entlarvt; statt aber auf einen neuen Ansatz zu setzen, ist man in der Entwicklung teilweise wieder auf den Stakeholder-Value Ansatz zurückgefallen. Dies geschah, obwohl es die Unzulänglichkeiten des Stakeholder-Value Ansatzes selbst waren, die überhaupt erst zum Shareholder-Value Ansatz geführt hatten. MALIK hat stattdessen die drei in der Vergangenheit beobachtbaren Corporate Governance-Modelle nochmals aufgegriffen und um ein viertes Modell – das einzige, das systemisch-evolutionäre Lebensfähigkeit sichert – ergänzt. Die Überlegungen von MALIK zu den vier Modellen (Eigentümer-Modell, Stakeholder-Modell, Shareholder-Modell und Corporate-Modell) habe ich in der nachfolgenden Abbildung 5 zusammengefasst.245

241 Vgl. hierzu auch Kapitel 2.1.4.2 (Lenkung (Steuerung und Regulierung)). 242 Malik, Systemisches Management, 1993/2000, S. 36. 243 Das dargelegte systemische Managementverständnis macht auch deutlich, dass Management etwas anderes ist als Betriebswirtschaftslehre und somit klassische MBA-Programme keine „Master of Management“-Programme (d.h. Managementausbildung), sondern „Master of Business Administration“-Programme (d.h. Betriebswirtschafts-ausbildungen) sind. Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 22 ff. 244 Vgl. hierzu u.a. Malik, Kundennutzen, 1994, S. 49. 245 Vgl. Malik, Corporate Governance, 2002, S. 135 ff.

Theoretische Grundlagen 67

Modell Entstehungs-zeitpunkt

Erfinder Charakteristik Führung im Interesse…

Eigen-tümer- Modell

Bereits vor dem zweiten Weltkrieg

Diverse Unternehmer

Wenige Eigentümer kontrollieren das Unternehmen; langfristige Orientierung

…der Eigen-tümer

Stake-holder-Modell

Mitte der 50er Jahre

Ralph Cordiner; damaliger CEO von General Electric

Unternehmen versucht es allen recht zu machen und wird zum Spielball unterschiedlichster Interessen

…aller Stake-holder

Share-holder- Modell

Mitte der 80er Jahre

Alfred Rappaport

Fokussierung auf Shareholder-Interessen; Gewinnmaximierung, kurzfristige Orientierung

…der Share-holder

Corporate-Modell

90er Jahre, Verbreitung erst später

Fredmund Malik

Befriedigung unterschiedlicher, z.T. widersprüchlicher Ansprüche stets im Interesse des Unter-nehmens; Fokus auf Kunden-nutzen und Lebensfähigkeit

…des Unter-nehmens

Abbildung 5: Übersicht über die verschiedenen Corporate Governance Modelle (eigene Darstellung in Anlehnung an Malik)

Die Schlüsselfrage der Corporate Governance auf oberster Führungsebene lautet, in welchem Interesse das Unternehmen geführt werden soll. Im Corporate-Modell wird das Unternehmen nicht im Interesse einer oder aller Anspruchsgruppen geführt, sondern im Interesse des Unternehmens selbst. Konkret heisst das, dass das oberste Ziel die Maximierung der Lebensfähigkeit des Unternehmens ist. Um diese zu gewährleisten, werden die unterschiedlichen Interessen stets nur im Rahmen des "interest of the company" erfüllt. Im Fokus des Managements steht die Steigerung des Kundennutzens sowie der Produktionseffizienz; der Gewinn ist dann lediglich noch eine "Resultierende". In einem seiner M.o.M.-Letter schreibt MALIK "Unternehmen müssen Gewinne machen, um zu existieren; aber sie existieren nicht, um Gewinne zu machen – so wie man atmen muss, um zu leben, aber nicht lebt, um zu atmen."246 Diese Erkenntnis führt unweigerlich auch zu einem anderen Unternehmenszweck: Statt der primären Orientierung am Shareholder-Value sollte eine Orientierung am Customer-Value erfolgen.

Die Erkenntnis, dass der Kunde im Mittelpunkt stehen soll, ist per se nicht neu, und in vielen Unternehmen gibt es auch entsprechende Aussagen in Leitbildern etc. Oft sind es aber oberflächliche Lippenbekenntnisse. Im Geschäftsalltag richtet man sich dann wieder nur nach finanziellen Messgrössen und der geschaffene Kundennutzen wird nicht 246 Malik, Unternehmer, 2000, S. 172.

68 Theoretische Grundlagen

nachverfolgt. "Messung des Kundennutzens ist inzwischen aber möglich geworden und kann in jedem Unternehmen, jedem Geschäftsbereich und jeder Produktgruppe auf relativ einfache Weise betrieben werden."247 Die aus Kundensicht wahrgenommene Erfüllung von kaufentscheidenden Kriterien im Vergleich zu den Konkurrenten bildet dabei die Dimension der relativen Qualität. Die wahrgenommene Preisposition – ebenfalls aus Kundensicht und im Vergleich zur Konkurrenz – bildet die Dimension des relativen Preises. Die Kombination der beiden Dimensionen führt zum Kundennutzen oder – wie umgangs-sprachlich oft verwendet – zum "Preis-/Leistungsverhältnis".248

2.2.3.2.3 Beruf für jedermann statt Kunst für Genies

Führungskräfte249 haben ihren Beitrag zum Gestalten, Lenken und Entwickeln von sozialen Systemen zu leisten. Oft fehlt ihnen dazu aber die geeignete Qualifikation. Viele Führungs-kräfte haben einiges aus der Betriebswirtschaftslehre, aber nur weniges von der Manage-mentlehre im Rahmen von Qualifizierungsmassnahmen gelernt. Versteht man Unternehmen in ihrer Umwelt aber als Systeme, welche als Zweck das Schaffen von Kundennutzen haben und deren Lebensfähigkeit zu maximieren ist, dann kommt man mit den klassischen Betriebswirtschaftskenntnissen nicht weit. Viel eher geht es darum, auf Basis von Systemtheorie und Kybernetik Management als Komplexitätsbewältigung zu verstehen.

Dabei ist Management keine nur wenigen Leuten vorbehaltene Kunst, sondern ein lernbarer Beruf.250 "Die in diesem Zusammenhang erforderlichen Kenntnisse können von den meisten Menschen mit gewöhnlicher Intelligenz erworben werden." 251 MALIK weist aber auch darauf hin, dass man für die kompetente Erfüllung der allerschwierigsten Management-tätigkeiten mehr benötigt, als sich im Rahmen einer Aus-/Weiterbildung erlernen lässt. Zur Erfüllung der allerschwierigsten Managementtätigkeiten "sind auch noch Talent, Begabung, wahrscheinlich auch etwas Glück und vor allem Erfahrung erforderlich" 252 . Wie jeder andere Beruf ist auch Management im Wesentlichen durch die vier Elemente Aufgaben, Werkzeuge, Grundsätze und Verantwortung gekennzeichnet. Aufgaben, Werkzeuge und Grundsätze können gelehrt und gelernt werden. Anders verhält es sich mit dem vierten Berufselement, der Verantwortung. Zur Verantwortung, zum Einstehen für sein Tun und

247 Malik, Kundennutzen, 1994, S. 49. 248 Vgl. hierzu auch Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989, S. 89 ff. 249 Zur Erinnerung: Der Begriff Führungskräfte wird synonym zu Manager verwendet (analog zu Führung und Management). 250 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 73. 251 Malik, Führen, 2000/2006, S. 73. 252 Malik, Führen, 2000/2006, S. 73.

Theoretische Grundlagen 69

Lassen, muss sich eine Führungskraft entscheiden. Nur wer diesen Entscheid zur Über-nahme der Verantwortung für sich getroffen hat, ist ein Manager und nicht ein Karrierist.253

Im Rahmen des in Kapitel 2.1. aufgezeigten systemisch-evolutionären Unternehmens-verständnisses hat eine Führungskraft nie vollständige Information. Dies verleitet Führungskräfte oft dazu, an hart quantifizierbaren Grössen Halt zu suchen. Entsprechend werden z.B. bei den Mitarbeiterzielen nur im engeren Sinne messbare Ziele formuliert, und es wird im Rahmen des Controllings ausschliesslich auf Grössen des finanziellen Rechnungswesens fokussiert. MALIK weist bezüglich der Messbarkeit von Zielen darauf hin, dass man alles, was man messen kann, selbstverständlich misst. Dinge, die man aber nicht messen kann, sollten deswegen nicht einfach weggelassen oder nicht kontrolliert werden. Wo nicht gemessen werden kann, muss beurteilt werden. Dazu bedarf es bei rechtlichen Prozessen eines erfahrenen Richters, bei Managementproblemen eines erfahrenen Managers.254 Manager werden gerade dort gebraucht, wo man nicht mehr messen kann. Alles was einfach messbar ist, kann heute ein Computer erledigen. DRUCKER bringt es wie folgt auf den Punkt: "Nichts unterscheidet ein fähiges Management so sehr von einem unfähigen, wie die Kunst, widersprüchliche Ziele gegeneinander zu balancieren..."255

Jede Führungskraft hat bezüglich des von ihr verantworteten (Sub-) Systems Management-aufgaben zu erfüllen. Dabei hat sie darauf zu achten, dass sie nicht einer strategischen Irreführung durch finanzielle operative Zahlen erliegt.256 Neben einer operativen Führung ist auch eine strategische Führung notwendig. Letztere kann erst entstehen, wenn man sich an strategischen Führungs- und Steuerungsgrössen orientiert. Entsprechende Messgrössen müssen die Beurteilung eines Unternehmens hinsichtlich dessen Gesundheit und Lebens-fähigkeit zulassen. Als Messgrössen nennt MALIK: 1. Markstellung, 2. Innovationsleistung, 3. Produktivitäten, 4. Attraktivität für richtige und gute Leute, 5. Liquidität und Cash-Flow sowie 6. Gewinn(erfordernis) und Profitabilität.257 Bezüglich der genannten Messgrössen weist MALIK darauf hin, dass nicht immer ein Messen im engeren Sinn gemeint ist, da numerische Quantifizierung leider nicht immer möglich ist.258

253 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 70 ff. 254 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 238 ff. 255 Peter F. Drucker zitiert in Malik, Irreführung, 1998, S. 12. 256 Vgl. hierzu auch Malik, Irreführung, 1998, S. 13. 257 Vgl. Malik, Corporate Governance, 2002, S. 149 ff. 258 Vgl. Malik, Corporate Governance, 2002, S. 150.

70 Theoretische Grundlagen

2.2.3.3 Überblick über das malik management system®

2.2.3.3.1 Der Grundaufbau des malik management system®

Aufbauend auf seinem Buch „Management – das A und O des Handwerks“ publizierte MALIK in seinem Werk „Unternehmenspolitik und Corporate Governance“ in umfassender Form das malik management system®, welches aus Modellen und Teil-Modellen der Malik Managementlehre besteht. Die Modelle dienen dem Manager als Relevanzfilter für sein Denken und Handeln zum Meistern der Komplexität. Meistern der Komplexität kann je nach Situation Erhöhen, Reduzieren oder Nutzen der Komplexität bedeuten. Das malik management system® verbindet erstmalig und umfassend Systemik, Inhalt und Form von richtigem und gutem Management. Während Systemik sich auf die Struktur resp. Architektur eines Modells bezieht, hängt die Richtigkeit von den Inhalten ab. Die Form im Sinne der grafischen Darstellung kann situationsabhängig variiert werden, solange Systemik und Inhalt unverändert bleiben. 259 Hinsichtlich einer einfach zugänglichen Form der Modelle hat sich insbesondere die Webtechnologie mit ihrer Hyperlink-Logik bewährt.260

Die Malik Managementlehre steht für richtiges und gutes Management und unterscheidet sich in diversen Punkten von weitverbreiteten Managementmeinungen. Das malik management system® gründet in der Systemtheorie und Kybernetik und ist eine konsequente Weiterentwicklung der systemorientierten Managementlehre. Es basiert daher auch auf dem zuvor dargelegten Basissystem von „Umwelt-Unternehmen-Management“. Zu den drei Subsystemen Umwelt, Unternehmen und Management gibt es entsprechende Modelle und Teil-Modelle. Im Rahmen der Überlegungen zu Unternehmenspolitik und Corporate Governance leitet MALIK vom Umwelt-Modell Master Controls für das Umweltkonzept, vom Unternehmens-Modell Master Controls für das Unternehmenskonzept und vom Management-Modell Master Controls für das Führungskonzept ab. Umwelt-, Unternehmens- und Führungskonzept sind jeweils spezifisch für das konkrete Unternehmen auszuarbeiten.

2.2.3.3.2 Das Management-Modell des malik management system®

Von den drei Modellen – Umwelt-, Unternehmens- und Managementmodell – ist für die vorliegende Arbeit insbesondere das Management-Modell von Interesse. Dieses umfasst 259 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 58. 260 Das malik management system® wurde daher vom Malik Management Zentrum St. Gallen in ein Web-Modell umgesetzt. Eine Kurzversion dieses Web-Modells kann kostenlos eingesehen werden unter www.malik-mzsg.ch (16.04.2008).

Theoretische Grundlagen 71

drei wesentliche Teil-Modelle. Die Grundbasis aus institutionaler Perspektive bildet das „General Management Model“261, welches im Zentrum „Führungskräfte“ aufweist. Diese Führungskräfte verfolgen aus personaler Perspektive das „Modell der wirksamen Führung“262. Die institutionale und die personale Perspektive wird in einem dritten Teil-Modell als „Integriertes Management System®“263 zusammengeführt.

Das General Management Modell fokussiert primär auf die institutionsbezogenen Aspekte. Ich nenne es im weitern Verlauf daher Corporate Management Model. In diesem Modell werden jene Elemente resp. Aufgabenkomplexe dargestellt, welche es ermöglichen, eine Ganzheit in ihrer Umwelt wirksam zu managen. Dazu sind neben der Unternehmenspolitik und Governance auch die drei Ordnungselemente Strategie, Struktur und Kultur in ihren gegenseitigen Abhängigkeiten zu berücksichtigen. In der Grundvariante des Modells stehen im Zentrum die Führungskräfte. Aufbauend auf dieser Grundvariante können in der Mitte je nach Untersuchungs- und Handlungsinteresse das für Führungskräfte wichtige Modell der wirksamen Führung stehen264 oder aber wiederum das gesamte Corporate Management Modell zur Darlegung von dessen Rekursivität 265 . Die Grundvariante des Corporate Management Model ist aus nachfolgender Abbildung 6 ersichtlich.

261 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 117 ff. 262 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 67 ff. 263 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 98 ff. 264 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 252 und 255. 265 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, 256.

72 Theoretische Grundlagen

Abbildung 6: Das Corporate Management Model nach Malik266

Das Standard-Modell für wirksame Führung fokussiert primär auf die mitarbeiterbezogenen Aspekte. Ich nenne es im Folgenden daher People Management Model. Dieses Modell umfasst die Grundsätze, Aufgaben und Werkzeuge wirksamer Manager. Im Zentrum des Modells steht die Verantwortung der Führungskraft. Als „Schmiermittel“ zwischen allen Grundsätzen, Aufgaben und Werkzeugen dient die Kommunikation. Die dargelegten Aufgaben und Werkzeuge kommen sowohl beim Management von Bekanntem als auch beim Management von Neuem zum Einsatz. Ist der Anwendungskontext das Neue, ist jedoch eine umso höhere Professionalität im Umgang mit den Aufgaben und Werkezeugen gefordert.267 Nachfolgende Abbildung 7 zeigt das People Management Model.

266 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 245. Im Vergleich zur Abbildung nach Malik habe ich zum besseren Verständnis des Modells im Zusammenhang mit den Subsystemen (Umwelt, Unternehmen, Management) „Unternehmen“ explizit im Modell aufgeführt und die eng verzahnten Aspekte der Unternehmenspolitik und Governance zu einem Bereich zusammengeführt. Die explizite Nennung des Unternehmens scheint mir deshalb wichtig, weil Management sich mit der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung des Unternehmens in seiner Umwelt befasst und Management nie losgelöst von den Sachbereichen des Unternehmens erfolgen kann. Vgl. hierzu auch Ulrich und Krieg, Führungsmodelle, 1987/2001, S. 465. 267 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 379 f.

Umwelt

Unternehmen

U-Politik & Governance

Struktur Kultur

Strategie

Führungs-kräfte

Theoretische Grundlagen 73

Abbildung 7: Das People Management Model nach Malik268

Das People Management Model hat fünf wesentliche Anwendungssituationen: Die Anwendung durch den Vorgesetzten mit Bezug auf seine Mitarbeiter (Management von Mitarbeitern), die Anwendung auf sich als Vorgesetzten selber (Selbstmanagement), die Anwendung mit Bezug auf den eigenen Chef (Management des Chefs), die Anwendung auf Kollegen (Management von Kollegen) und die Anwendung auf Dritte in der Umwelt (Management von Kunden, Lieferanten etc.). Das gleiche Modell bildet somit die Basis dafür, wie man führt und wie man von anderen geführt wird. Dadurch kann eine gemeinsame „Managementsprache“ entstehen, welche die Basis für richtiges und gutes Management ist.269

268 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 378. Die in der Abbildung nicht einzeln aufgeführten Grundsätze wirksamer Führung sind: Resultatorientierung, Beitrag zum Ganzen, Konzentration auf Weniges, Stärken nutzen, Vertrauen und Positiv denken. Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 75 ff. 269 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 383 ff.

74 Theoretische Grundlagen

Das Integrierte Management System® nenne ich nachfolgend Integrated Management Model. Dies einerseits um Verwechslungen mit dem Integrierten Management System der ISO270 zu vermeiden und anderseits um darauf hinzuweisen, dass es ein integriertes Modell ist, welches sich aus dem Corporate Management Model und dem People Management Model konfigurieren lässt. Diese Konfiguration erfolgt im Hinblick auf die Frage, welche Elemente resp. Managementprozess notwendig und hinreichend sind, um ein Geschäft, also eine ergebnisverantwortliche Einheit, integriert zu führen. Es geht dabei um eine integrierte Unternehmens- und Mitarbeiterführung. Wichtig ist anzumerken, dass es sich nicht um eine deduktive Herleitung aus den zuvor genannten Modellen handelt. Vielmehr geht es darum, die wesentlichen unternehmens- und mitarbeiterbezogenen Aspekte in integrierter Weise darzustellen, damit das Modell als Denk- und Handlungswerkzeug dienen kann. Die Ordnungselemente Strategie und Struktur, welche eher direkt beeinflussbar sind, finden sich beispielsweise im Integrated Management Model explizit wieder, währenddem Kultur bewusst kein explizites Element ist, sondern als systememergentes Phänomen verstanden wird. D.h. dass durch die Art der inhaltlichen Gestaltung und das Zusammenspiel der anderen Elemente eine Kultur entsteht.271 Weiterführende Überlegungen zum Integrated Management Model inkl. einer Übersichts- und einer Detail-Abbildung finden sich in den Kapiteln 3.3.2.3 und 3.3.3.

2.2.4 Einordnung des MPA-Themas ins malik management system®

Das Systemdenken bringt es mit sich, dass eine gewisse nützliche Redundanz durch das Einnehmen verschiedener Perspektiven entsteht. Entsprechend lässt sich das vorliegende Thema der Management-Prozess-Architektur (MPA) denn auch mehrfach in das malik management system® einordnen:

1. Im Basissystem Umwelt-Unternehmen-Management ist das Thema der MPA dem Subsystem „Management“ zuzuordnen. Dies unter Berücksichtigung der bereits früher erwähnten „Embedding“-Logik und entsprechenden Beziehungen zu den Subsystemen Unternehmen und Umwelt.

270 IMS steht im ISO-Kontext steht dabei für ein integriertes Managementsystem, welches Qualitätsmanagementsystem (QMS), Umweltschutzmanagementsystem (UMS) und Arbeitsschutzmanagementsystem (AMS) umfasst. Vgl. Löbel, Schröger und Closhen, Managementsysteme, 2005, S. 42 f. 271 Dies entspricht einem interpretativen Kulturansatz, der Kultur nicht als direkt steuerbares Phänomen versteht. Vgl. Kasper und Heimerl-Wagner, Struktur und Kultur, 1996, S. 81 f. und 106 f. Aufgabe des Managements ist es, sich die Kultur bewusstzumachen („Aufklärung“) und sie im Zusammenhang mit z.B. strategischen und strukturellen Entscheidungen zu berücksichtigen. Zu diesem „Aufklärungs-Aspekt“ vgl. Bögel, Unternehmenskultur, 1999, S. 738.

Theoretische Grundlagen 75

2. Im Rahmen der Unternehmenspolitik und Corporate Governance ist das Thema der MPA dem Führungskonzept zuzuordnen. Dies unter Berücksichtigung der entspre-chenden Wirkungszusammenhänge mit den zwei anderen unternehmenspolitischen Konzepten, dem Umweltkonzept und dem Unternehmenskonzept.

3. Im Corporate Management Model ist das Thema der MPA primär dem Ordnungselement „Struktur“ zuzuordnen. Dabei sind die Wirkungszusammenhänge mit den anderen Ordnungsmomenten – Strategie und Kultur – sowie die Beziehungen zu den Führungs-kräften und der Unternehmenspolitik und Corporate Governance zu berücksichtigen.

4. Im Integrated Management Model ist das Thema der MPA schwerpunktmässig „Unternehmenspolitik und Corporate Governance“, „Unternehmensentwicklung“ und „Organisation, Struktur und Prozesse“ zuzuordnen.272 Wie aber noch gezeigt werden wird, sind darüber hinaus sämtliche anderen Modell-Elemente vom MPA-Thema ebenfalls betroffen.

Die im weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit herzuleitende Management-Prozess-Architektur hat dieser Vieldimensionalität gerecht zu werden. Dadurch kann sie sich auch positiv abgrenzen gegenüber vielen der herkömmlichen Management-, Prozess- und Architekturkonzepte.

2.3 Zwischenfazit

Unternehmen sind komplexe, zweckorientierte, produktive, soziale Systeme. „Sozial“ sind sie, da stets Menschen die wesentlichen Akteure sind und Ereignisse durch ihr Verhalten auslösen und durch ihr Beobachten wahrnehmen. „Produktiv“ sind sie, weil sie Wissen in Nutzen transformieren und somit Kundennutzen produzieren. Dies geschieht im Hinblick auf die Erfüllung des Zwecks eines Systems; daher sind Unternehmen „zweckorientiert“.„Komplex“ sind Unternehmen, weil sie aus einer Vielzahl von untereinander dynamisch verbundenen Komponenten bestehen. Im systemorientierten Denken werden Menschen ebenfalls als System verstanden, das sich in Beziehung zu seiner Umwelt definiert und sowohl von der Umwelt beeinflusst wird als auch die Umwelt beeinflusst. Durch sein

272 Diese thematische Einordnung der Management-Prozess-Architektur wird dem Umstand gerecht, dass die Gestaltung eines Systems von Managementprozessen eine Daueraufgabe mit strategisch-langfristigem Zeithorizont ist, wobei die Managementprozesse selbst nicht nur strategischer, sondern auch normative und operativer Natur sind. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 49.

76 Theoretische Grundlagen

Verhalten nimmt der Mensch als Manager Einfluss auf die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Unternehmen. Damit dies wirksam erfolgen kann, hat er das Unternehmen in dessen Umwelt als System zu verstehen und zu beeinflussen.

Die systemorientierte Managementlehre basiert auf den Überlegungen des system-orientierten Denkens und hat dieses Denken auf die Frage des Managements von Institutionen jeglicher Art angewandt. Das daraus entstandene St. Galler Management-Modell stellt einen Bezugsrahmen dar für das Erkennen und Lösen von Führungsproblemen der Praxis sowie für die Aus- und Weiterbildung von angehenden und derzeitigen Führungskräften. Das systemorientierte Management betrachtet Unternehmungen und deren Management zunächst wesentlich abstrakter. Führungssysteme werden demnach auf Basis von Modellen entwickelt und nicht mehr bloss durch Systematisierung von Praxis-erfahrungen hervorgebracht.273

Die konsequenteste und für die vorliegende Arbeit fruchtbarste Weiterentwicklung des ursprünglichen St. Galler Management Modells ist das malik management system®. Dieses umfasst ein Umwelt-, ein Unternehmens- und ein Management-Modell. Das für die vorliegende Arbeit besonders relevante Management-Modell besteht seinerseits aus drei wesentlichen Teil-Modellen: Das Corporate Management Model, das People Management Model und das aus diesen beiden Modellen konfigurierte Integrated Management Model. Richtiges und gutes Management auf Basis dieser Teil-Modelle orientiert sich konsequent an der Lebensfähigkeit von Institutionen und der Wirksamkeit von Personen und wird als lern- und lehrbarer Beruf verstanden.

Die unter 2.2.3.4 vorgenommene Einordnung des Themas der vorliegenden Arbeit in das malik management system® macht deutlich, dass die Management-Prozess-Architektur ein Strukturthema ist, welches Leitplanken der Unternehmenspolitik und Vorgaben der Strategie berücksichtigen und insbesondere die Wirksamkeit von Führungskräften und eine zweckdienliche Kultur unterstützen resp. hervorbringen muss. Im folgenden Kapitel herauszuarbeitende Theoriebausteine der Management-Prozess-Architektur haben diesem Umstand gerecht zu werden.

273 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 19.

Theoriebausteine zur MPA 77

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen

3. Theorie-bausteinezur MPA

4. Praxisfall einer Transformation

der MPA

5. Bildung der MPA-Theorie

6. Erarbeitung des MPA-Konzepts

7. Zusammenfassung und Implikationen

3 Theoriebausteine zur MPA

Das hier gewählte Vorgehen zur theoriebasierten Exploration von Bausteinen der Management-Prozess-Architektur lässt sich grob in drei Schritte aufteilen. Diese drei Schritte sollen einleitend kurz dargelegt werden.

Im ersten Schritt habe ich mir – abgeleitet von der Forschungsfrage – überlegt, zu welchen Gebieten ich theoretische Aussagen benötige. Dabei liess ich mich von vier „W-Fragen“ zur Management-

Prozess-Architektur leiten: Wozu, Wo, Was, Wie. Jeder dieser Fragen ist ein Abschnitt gewidmet. Zu Beginn wird in Kapitel 3.1 aufgezeigt, wozu die Management-Prozess-Architektur dient. Kapitel 3.2 klärt die Frage, wo im Unternehmen die Management-Prozess-Architektur benötigt wird. Was für Prozesse im Rahmen der Management-Prozess-Architektur ablaufen, wird im Kapitel 3.3 erläutert. Kapitel 3.4 fokussiert auf die Frage, wie die in Kapitel 3.3 herausgearbeiteten Managementprozesse vom Grundprinzip her ablaufen.

In einem zweiten Schritt habe ich verschiedene bestehende theoretische Modelle und Konzepte reflektiert. Die Breite des vorliegenden Dissertationsthemas bringt es mit sich, dass ich die untersuchten Modelle und Konzepte nur von ihren Grundprinzipien her und mit Fokus auf das vorliegende Dissertationsthema darlegen werde. Dabei geht es insbesondere um die Begründung, weshalb eines der Modelle resp. Konzepte präferiert wird oder aber die Notwendigkeit besteht, ein neues Modell zu konzipieren.

Als dritter Schritt erfolgt in jenen Fällen, in denen auf ein bestehendes Modell resp. Konzept gesetzt wird, dessen detaillierte Darlegung. Dies ist wichtig, um das Modell auch in seiner Tiefe für die weitere Ausarbeitung der Dissertation nutzen zu können. In Fällen, in denen nicht auf ein bestehendes Modell resp. Konzept zurückgegriffen werden kann, wird auf Basis von theoretischen Überlegungen ein solches selbst hergeleitet.

Nach diesen drei Schritten der theoriebasierten Exploration werden somit für die vier „W-Fragen“ entsprechend vier Modelle vorliegen. Diese vier Modelle werden in Kapitel 3.5 im Sinne eines Zwischenfazits zusammengefasst und können als Entwürfe von Theoriebau-steinen der Management-Prozess-Architektur verstanden werden.

78 Theoriebausteine zur MPA

3.1 Vorgesteuerter Erfolg

In diesem Kapitel wird dargelegt, wozu eine Management-Prozess-Architektur dient und welches Erfolgsmodell diesen Überlegungen zugrunde liegt.

3.1.1 Grundlagen

3.1.1.1 Phänomen des vorgesteuerten Erfolgs

Der Begriff „Vorsteuerung“ meint, dass es im Management Aspekte gibt, welche im Sinne von Stellhebeln frühzeitig gesteuert werden können, wohlwissend, dass im weiteren Verlauf zusätzliche Regulierungs- und Steuerungsmassnahmen notwendig sind. 274 Es wird also keinesfalls unterstellt, dass man zu einem frühen Zeitpunkt t-1 alle Weichen stellen kann und nachher nur noch zuschauen muss, wie sich ein gewünschter Zustand zum Zeitpunkt t0

einstellt. Vielmehr geht es darum, das, was man vorkehren kann, zu einem frühen Zeitpunkt auch zu tun und im Nachgang dessen Wirkung zu prüfen, um rechtzeitig neue Massnahmen einleiten zu können. Ziel der Vorsteuerung ist es, das System von Vornherein so zu beein-flussen, dass Nachregelungen bei Abweichungen nur noch in viel geringerem Ausmasse notwendig sind. Im Englischen würde man hinsichtlich des Phänomens des vorgesteuerten Erfolgs wahrscheinlich am treffendsten von „pre-controlled success“ sprechen.

Der Titel dieser Arbeit bezeichnet die Management-Prozess-Architektur (MPA) als Voraussetzung für Unternehmenserfolg und deutet somit auf deren vorsteuernde Wirkung hin. Die Management-Prozess-Architektur schafft die Voraussetzung, damit sich umfassender Erfolg einstellen kann. Das Erreichen dieser Vorsteuerung ist der innere Grund resp. das „Wozu“ einer Management-Prozess-Architektur. Um den Aspekt der Vor-steuerung zu erörtern, ist es unumgänglich, sich zu überlegen, welchen Erfolg man vorsteuern und realisieren möchte. Das Erfolgsverständnis hat somit Einfluss resp. ist Bestandteil der Management-Prozess-Architektur. Um den Erfolg eines Systems beurteilen zu können, muss man dessen Zweck kennen. Deshalb lohnt es sich, vorab einige Gedanken zum Zweck eines Systems anzustellen.

274 Zu den Begriffen Steuerung und Regulierung vgl. Kapitel 2.1.4.2 (Lenkung (Steuerung und Regulierung)).

Theoriebausteine zur MPA 79

3.1.1.2 Intended purpose versus emerging purpose

Ein System hat einen Zweck und reproduziert durch zweckerfüllendes Verhalten permanent diesen Zweck. BEER umschrieb dies wie folgt: "The purpose of a system is what it does."275 Angenommen, das System macht aus Sicht des Beobachters immer den gleichen Fehler; dann sollte der Zweck des Systems so entwickelt werden, dass es den Fehler nicht mehr macht. Es ist daher sinnvoll, dass man sich überlegt, was der Zweck sein sollte. Danach lässt sich der tatsächliche Zweck (das, was das System derzeit tut) und der gewünschte Zweck (das, was das System tun sollte) miteinander stetig abgleichen und eine Entwicklung hin zu einem „Kompromiss-Zweck“ („compromise purpose“) wird möglich.276

Das Systemverhalten bringt den Zweck des Systems hervor. Ich spreche deshalb nach-folgend in diesem Kontext von einem „emerging purpose“. Der „emerging purpose“ eines sozialen Systems ist zwar das Resultat von menschlichem Handeln, nicht jedoch von menschlicher Absicht.277 Im Gegensatz zum „emerging purpose“ gibt es einen Zweck, den der Beobachter von einem System resp. ein übergeordnetes System gerne erfüllt sehen würde. Es handelt sich um entsprechende Zweckbeschreibungen, wie man sie in Mission Statements und Leitbildern von Unternehmungen findet. Ich nenne diese Form nachfolgend „intended purpose“.

„Emerging purpose“ und „intended purpose“ stimmen nur mehr oder weniger überein. Es kann sein, dass man bewusst über eine veränderte Zwecksetzung – also einem neuen „intended purpose“ – das System in seiner Zweckerfüllung und dem „emerging purpose“ verändern möchte und kann. In Fällen, wo das System etwas anderes macht, als man eigentlich ursprünglich wollte, dies aber durchaus erfolgreich tut, ist es auch denkbar, dass man den „intended purpose“ an den „emerging purpose“ anpasst. Eine zu grosse Diskrepanz zwischen „emerging purpose“ und „intended purpose“ sollte nicht über längere Zeit bestehen, da ansonsten der u.a. in Mission Statements festgehaltene Zweck (intended purpose) zunehmend zur Farce wird.

Sowohl der „emerging purpose“ als auch der „intended purpose“ können sich im Zeitablauf verändern. Dies macht es notwendig, dass man von Zeit zu Zeit im Führungsteam einen Vergleich und Abgleich von „intended“ und „emerging purpose“ vornimmt. Dieser Ab-gleich stellt sicher, dass Führungs- und Vollzugshandlungen zu einer langfristigen Zweck-erfüllung und Lebensfähigkeit des Systems führen. Als Extremform einer Zweckver-

275 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 99. 276 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 99. 277 Vgl. hierzu von Hayek, Human Action, 1967, S. 96 ff.

80 Theoriebausteine zur MPA

änderung kann wohl die Situation bezeichnet werden, in der einem System als Zweck die Auflösung resp. der eigene Untergang als „intended purpose“ auferlegt wird. Dies kann deshalb Sinn machen, weil man aus übergeordneten Überlegungen (Gesamtunternehmung) z.B. einen Geschäftsbereich (untergehendes System) aufgibt, um dessen finanzielle und personelle Ressourcen für andere, erfolgreichere Geschäftsbereiche zu verwenden.

Dieser Extremfall ist deshalb interessant, weil hier das aus systemischer Sicht oberste Ziel der Lebensfähigkeit eines Systems zugunsten der Lebensfähigkeit eines übergeordneten Systems aufgegeben wird. Im Zweifel muss das übergeordnete Interesse dem unter-geordneten Interesse vorgehen. Andernfalls läuft über die Zeit hinweg das übergeordnete System Gefahr unterzugehen, was dann automatisch auch den Untergang des unter-geordneten resp. des eingebetteten Systems zur Folge hätte. Im Falle des Untergangs des übergeordneten Systems kann es für erfolgreiche Teilsysteme die Möglichkeit geben, sich als System loszulösen und eigenständig weiter zu existieren oder aber sich mit anderen Systemen zusammenzuschliessen und in neuen Systemen aufzugehen.

Die beschriebenen Extremfälle ausgenommen, kann man von der Lebensfähigkeit als oberste Zielsetzung eines Systems sprechen.

3.1.1.3 Lebensfähigkeit als oberste Erfolgsgrösse

In Kurzform kann die Lebensfähigkeit als die Fähigkeit der Aufrechterhaltung einer unabhängigen Existenz in einer spezifischen Umwelt bezeichnet werden. Ein System kann stets nur in seiner relevanten Umwelt als System verstanden werden; erst das Zusammenspiel von Umwelt und System im engeren Sinne macht das Gesamtsystem aus. BEER umschreibt dies wie folgt: "(…) a viable system is capable of independent existence (…) within a specified environment. Human beings are perfect examples of viable systems - BUT suck all the air out of the room, and then see how viable they are."278

Diese noch sehr allgemeine Definition von Lebensfähigkeit als „Aufrechterhaltung einer unabhängigen Existenz in einer spezifischen Umwelt“ lässt sich nach BEER wie folgt konkretisieren: „Viable Systems have the ability to make a response to a stimulus which was not included in the list of anticipated stimuli when the system was designed. They can learn from repeated experience what is the optimal response to that stimulus. Viable systems grow. They renew themselves – by, for example, self-reproduction. They are robust against internal breakdown and error. Above all, they continuously adapt to a changing environment,

278 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 8. Hervorhebung gemäss Original.

Theoriebausteine zur MPA 81

and by this means survive – quite possibly in conditions which had not been entirely foreseen by their designer.279

Lebensfähigkeit setzt somit das Ausbalancieren von kurzfristigen und langfristigen sowie von aussen- und innenorientierten Aspekten voraus. Systeme müssen in der Lage sein, sich Umweltveränderungen frühzeitig anzupassen. Dazu ist Weitsicht und Aussenorientierung notwendig. Gleichzeitig müssen sie aber auch in der Lage sein, im hier und jetzt erfolgreich und gegenüber Fehlern robust zu sein, damit sie überhaupt ein Morgen erleben. Die Gewinnorientierung und die alleinige Ausrichtung des Unternehmens an den Interessen der Shareholder hatten in den letzten Jahren bei vielen Unternehmen dazu geführt, dass Umweltveränderungen nicht frühzeitig wahrgenommen und bewältigt wurden und die langfristige Existenz des Unternehmens in grosse Gefahr geriet.

Die Balance zwischen heute und morgen sowie innen und aussen ist etwas, dass nicht durch kurzfristig denkende Anleger resp. Shareholder, sondern durch unternehmerisch denkende Manager erreicht werden muss. Dieser doppelte Spagat (heute/morgen, innen/aussen) zeigt zudem auf, dass Lebensfähigkeit nicht nur heutiges Überleben meint, sondern auch Aspekte der zeitlichen Entwicklung und der Entwicklungsfähigkeit umfasst. Um Missverständnisse zu vermeiden, werde ich deshalb im weiteren Verlauf der Arbeit zum Teil auch von Lebens- und Entwicklungsfähigkeit sprechen. SCHWANINGER spricht in diesem Zusammenhang von einer „Viability beyond survival", also einer Lebensfähigkeit, die über die kurzfristige Auf-rechterhaltung einer bestimmten Identität hinausgeht.280 Lebens- und Entwicklungsfähigkeit spielt sich in Interaktion mit der Umwelt ab. Letztere umfasst gemäss dem St. Galler Mana-gement-Modell neben der ökologischen, technologischen und ökonomischen auch eine soziale resp. gesellschaftliche Sphäre, welche ein ethisch-normatives Regulativ281 bildet.

Die oberste resp. umfassendste Erfolgsbeschreibung ist nach dem Gesagten eine zweck-orientierte Lebens- und Entwicklungsfähigkeit als Beitrag zu einem grösseren Ganzen. Ein Mitarbeiter erbringt Resultate für den Erfolg einer Geschäftseinheit, diese für den Erfolg eines Unternehmensbereichs, dieser für den Erfolg des Gesamtunternehmens, jenes für den Erfolg einer Gesellschaft. Nachfolgend sollen Ansätze der Erfolgsbeurteilung vorgestellt werden, welche in der Lage sind, einen Beitrag zum Verständnis von Erfolg als gesteigerter Lebens- und Entwicklungsfähigkeit zu leisten. 279 Beer, Decision, 1966, S. 256. 280 Vgl. Schwaninger, Distributed Control, 2000, S. 153. 281 Vgl. hierzu auch die Überlegungen von Christ zu kybernet(h)ischem Management im Allgemeinen und zu den ethisch-normativen Metakriterien „Lebensdienlichkeit“ und „Legitimität“ im Speziellen. Christ, Organisation, 2006, S. 44 ff.

82 Theoriebausteine zur MPA

3.1.2 Vorstellung ausgewählter Ansätze

3.1.2.1 Essential Variables

Die Lebensfähigkeit erreicht und hält ein System nicht durch Maximierung einer einzelnen Variablen aufrecht (wie z.B. Shareholder Value), sondern durch das Erreichen einer stabilen Balance im oben aufgezeigten Spannungsfeld von innen und aussen und heute und morgen.Diese Balance kann nicht auf deterministische Weise erreicht werden, sondern es ist ein fortlaufender Balancierungs-Akt. BEER schreibt in diesem Zusammenhang: „(…) the primary characteristics of viable systems is that they try to optimize a whole set of conflicting objective functions at once. They cannot do this (…) but they try to do it. The result is that their method of control is essentially one of contriving a stable balance, and not of seeking some unique maximum.”282

Wenn Stabilität und das Erreichen von immer wieder neuen stabilen Zuständen den Erfolg eines Systems ausmacht, dann liegt es auf der Hand, nach entsprechenden Stabilitäts-kriterien zu suchen. Für ein System wichtige Stabilitätskriterien nannte ASHBY “Essential Variables”. 283 Essential Variables sind Variablen, die sich beobachten lassen und die innerhalb einer gewissen Bandbreite bleiben müssen, um die Lebensfähigkeit des Systems aufrecht zu erhalten. Beim Menschen sind beispielsweise der Blutdruck oder die Körpertemperatur Essential Variables.

Es stellt sich somit die Frage, wie die Essential Variables von sozialen Systemen hergeleitet werden können. Mit Blick auf Unternehmungen als soziale Systeme kann man sich dabei z.B. an den Umweltsphären und Umweltanspruchsgruppen orientieren. Ein soziales System erbringt eine Leistung für die verschiedenen Anspruchsgruppen. Allerdings wäre es falsch, wenn sich ein Unternehmen zu einem Opfer der oft auch widersprüchlichen Interessen von Anspruchsgruppen machen liesse. Vielmehr hat das Unternehmen im eigenen Interesse zu handeln. Im Interesse des Unternehmens stehen die Kunden an erster Stelle. Die Kunden sind im engeren Sinne gar keine Anspruchsgruppen, da sie eine definierte Leistung beziehen, dafür zahlen und danach keine weiteren Ansprüche mehr bestehen.284

Ein in dessen eigenem Interesse geführtes Unternehmen definiert Erfolg also nicht über irgendwelche Anspruchsgruppen, sondern über für die Kunden geschaffenen Nutzen und somit über Wettbewerbsfähigkeit nach aussen und Funktionsfähigkeit nach innen.

282 Beer, Decision, 1966, S. 98 f. 283 Vgl. Ashby, Brain, 1952/1972, 41 ff., 58 ff. und 80 ff. 284 Vgl. hierzu auch Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 122 und 156.

Theoriebausteine zur MPA 83

Hinsichtlich der Umwelt eines Unternehmens ist der „Customer Value“ somit sicherlich eine „Essential Variable“. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Zweck eines Unternehmens konkret das Schaffen von Kundennutzen und generell-abstrakt die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit ist. Dies umschrieb DRUCKER wie folgt: „There is only one valid definition of business purpose: to create a customer.“285

Kundennutzen ist zweifelsohne eine wichtige Erfolgsgrösse; allerdings hat sie mehr (in der Umwelt des Unternehmens) resultierende als vorsteuernde Wirkung. Es ist im weiteren Verlauf zu sehen, welche Essential Variables ergänzend zum Kundennutzen notwendig sind.

3.1.2.2 Performance eines Systems

BEER orientiert sich bei der Definition der Performance eines Systems an dessen Funktionsfähigkeit. Er etabliert dazu verschiedene Grössen, welche alsdann in Kombination wichtige Indikatoren bilden. 286 Als Aktualität wird angegeben, was mit aktuellen Mitteln und Rahmenbedingungen die tatsächliche Leistung ist (z.B. Anzahl produzierte Einheiten). Mit Kapabilität umschreibt BEER, was – ebenfalls bei gegebenen Mitteln und Rahmenbedingungen – erreicht werden könnte, wenn alle Möglichkeiten ausgeschöpft würden. Unter Potenzialität versteht er schliesslich jenes potenzielle Resultat, welches erreicht werden könnte, wenn eigene Mittel bestmöglich ausgenutzt und weiterentwickelt sowie hindernde Rahmenbedingungen beseitigt würden.

Aktualität dividiert durch Kapabilität ergibt Produktivität. Diese Masszahl liegt zwischen 0 und 1. Je näher sie bei 1 liegt, desto besser werden die bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft. Kapabilität dividiert durch Potenzialität ergibt die sogenannte Latenz. Auch diese Masszahl liegt zwischen 0 und 1. Je näher sie bei 1 liegt, desto besser ist es gelungen, eigene Mittel weiterzuentwickeln und hindernde Rahmenbedingungen zu beseitigen. Aktualität dividiert durch Potenzialität (oder Latenz multipliziert mit Produktivität) ergibt die Performance. Performance ist somit die „Gesamt-Masszahl“, die ebenfalls zwischen 0 und 1 liegt und das heutige IST mit dem zukünftig möglichen SOLL vergleicht. Je näher sich diese Masszahl 1 angleicht, desto besser sind alle Potenziale bereits ausgeschöpft.

Auch wenn die Indikatoren von BEER in der Praxis häufig nicht quantitativ messbar sind, so sind sie doch beurteilbar. Z.B. lässt sich beurteilen, ob die Latenz zu- oder abgenommen hat. Interessant an der Performance-Definition von BEER ist zudem, dass sie nicht nur die Produktivität, die man als operative Grösse bezeichnen kann, sondern auch die Latenz, die 285 Drucker, Management, 1974/2001, S. 56. Hervorhebung gemäss Original. 286 Vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 162 ff. sowie Beer, Heart, 1979/1994, S. 293.

84 Theoriebausteine zur MPA

als strategische Grösse betrachtet werden sollte, umfasst. Die als Performance ausge-wiesene Gesamtleistung umfasst somit sowohl das Arbeiten im System (Produktivität) als auch das Arbeiten am System (Latenz).

3.1.2.3 Navigationssystem

Um die Lebens- und Entwicklungsfähigkeit auf möglichst lange Sicht zu sichern, reicht es nicht, sich an operativen, kurzfristigen finanziellen Kenngrössen zu orientieren.287 Worauf es darüber hinaus wirklich ankommt, hat GÄLWEILER in seinem Navigationssystem dargestellt.288 Er unterscheidet dabei vier wesentliche Steuerungsgrössen, welche sich in Komplexität und Zeithorizont fundamental unterscheiden. Von geringster Komplexität und am kurzfristigsten Zeithorizont orientiert ist die Steuerungsgrösse Liquidität. Mit zunehmender Komplexität und erweitertem Zeithorizont folgen die Erfolgsgrössen (finanzieller) Erfolg289 , bestehende Erfolgspotenziale und neue Erfolgspotenziale. Diese Erfolgsgrössen mit ihren Orientierungsgrundlagen werden nachfolgend kurz dargelegt.

Die Liquidität ist erforderlich für das unmittelbare Überleben eines Unternehmens, analog wie der Sauerstoff für das Überleben des Menschen notwendig ist. Im Rahmen der finanziellen Führung ist entsprechend die Liquidität zu planen und jederzeit sicherzustellen. Als Orientierungsgrundlagen der Liquidität dienen Einnahmen und Ausgaben. Eine gute Liquiditätssituation bedeutet aber nicht, dass auch finanzieller Erfolg vorliegen wird. Ein Unternehmen kann Verluste schreiben, aber trotzdem noch liquide sein. Umgekehrt ist aber finanzieller Erfolg die Voraussetzung für eine gute Liquidität.

Der (finanzielle) Erfolg kann auch als Gewinn bezeichnet werden. Es ist die Aufgabe der operativen Führung sicherzustellen, dass ein Unternehmen Gewinne erzielt. Als Orientierungsgrundlagen dienen dabei Aufwand und Ertrag und die daraus resultierende Bilanz. Wie erwähnt hat Gewinn eine vorsteuernde Wirkung auf Liquidität. Gewinn und Liquidität als Steuerungsgrössen des operativen Managements sind aber nicht ausreichend, um die Lebensfähigkeit einer Unternehmung langfristig zu erhalten. Es braucht somit zusätzliche Orientierungsgrundlagen und Steuerungsgrössen.

287 Die Fokussierung auf operative, kurzfristige finanzielle Grössen geht einher mit der Fixierung der Aufmerksamkeit auf die gerade aktuellen Probleme. Dieses Verhalten ist eine wesentliche Ursache für Misserfolg in komplexen Situationen. Vgl. Dörner, Logik, 1989, S. 295. 288 Vgl. Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 34. 289 Mit Erfolg ist hier der rein finanzielle Erfolg, also der Gewinn gemeint. Nicht gemeint ist damit der umfassende, vorgesteuerte Erfolg resp. die Performance, wie sie in diesem Kapitel 3.1 hergeleitet wird. Ich werde teilweise deshalb bei dieser Steuerungsgrösse von Gälweiler bewusst von finanziellem Erfolg oder Gewinn sprechen.

Theoriebausteine zur MPA 85

Die bestehenden Erfolgspotenziale sind produkt-markt-spezifische Potenziale 290 , deren Realisierung in finanziellen Erfolg mündet. Es ist die Aufgabe des strategischen Managements dafür zu sorgen, dass bestehende Erfolgspotenziale in ausreichender Zahl vorhanden sind. Als Orientierungsgrundlagen dienen dazu die Erfahrungskurve291 und die Marktposition. Diese Orientierungsgrundlagen sind die Messlatte für „das in einem Unternehmen über eine längere Zeit hinweg angesammelte produkt- und marktspezifische Know-how“292. Bestehende Erfolgspotenziale haben eine vorsteuerende Wirkung auf den finanziellen Erfolg. Allerdings sind bestehende Erfolgspotenziale kein Garant für zukünftige Lebensfähigkeit. Wie schnell bestehende Erfolgspotenziale an Wirkung verlieren, ist abhängig von der Substitutionszeitkurve. 293 Der Substitutionsprozess erfordert neue Erfolgspotenziale.

Die neuen Erfolgspotenziale sind ebenfalls produkt-markt-spezifische Potenziale. Mit zunehmender Substitution von alten Produkten/Leistungen werden neue Erfolgspotenziale zu bestehenden Erfolgspotenzialen. Im Rahmen des strategischen Managements ist dafür zu sorgen, dass Substitutionstendenzen ausreichend früh erkannt und neue Erfolgspotenziale rechtzeitig aufgebaut werden. Als Orientierungsgrundlagen dienen dazu neben der Substitutionszeitkurve neue technische Lösungen (neue Lösungstechnologien294) und das lösungsinvariante Kundenproblem. Unter dem lösungsinvarianten Kundenproblem ist jenes Problem des Anwenders zu verstehen, welches völlig neutral ist in Bezug auf in Frage

290 Die Umsetzung der Erfolgspotenziale basiert auch auf der Nutzung von Leistungspotenzialen. Während sich Erfolgspotenziale organisatorisch eher in Geschäftseinheiten widerspiegeln, sind Leistungspotenziale auch in Unterstützungseinheiten (Funktionsbereiche, Anlagestruktur etc.) und in Managementeinheiten (Steuerungssysteme, Organisation etc.) vorhanden. Vgl. hierzu auch Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 111. 291 Die Erfahrungskurve besagt, dass mit jeder Verdoppelung der kumulierten Mengen eines Produktes oder einer Leistung ein Kostensenkungspotenzial von rund 20-30 % entsteht. Vgl. Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 37. Dabei ist zu beachten, dass es sich nur um ein Potenzial handelt und nicht um einen Automatismus. Das Potenzial muss also erst noch durch geeignete Massnahmen realisiert werden. 292 Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 40. 293 Die Substitutionskurve besagt, dass Substitutionsprozesse, bei denen alte Produkte/Leistungen durch neue Produkte/Leistungen verdrängt werden auch bei unterschiedlicher Gesamtdauer der Substitution doch immer nahezu gleichförmig ablaufen und zwar nicht linear, sondern in Form einer S-Kurve. Vgl. Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 49 f. 294 Aus meiner Sicht ist der Begriff neue Lösungstechnologien treffender als der Begriff der neuen technischen Lösungen von Gälweiler. Der ursprüngliche Begriff suggeriert zu stark, dass neue Lösungstechnologien immer technischer Natur sind. Dies mag für die Industrie eher zutreffen als für den stark an Bedeutung gewinnenden Dienstleistungssektor, bei dem neue Lösungstechnologien eher im Sinne von neuen Verfahren zu verstehen sind.

86 Theoriebausteine zur MPA

kommende Lösungstechnologien.295 Neue Erfolgspotenziale haben somit eine vorsteuernde Wirkung auf bestehende Erfolgspotenziale.

Die vier Steuerungsgrössen Liquidität, Erfolg, bestehende Erfolgspotenziale und neue Erfolgspotenziale bilden eine Systemhierarchie, wobei alle Systeme in der Gegenwart beginnen und einen unterschiedlich weiten Zeithorizont und somit eine unterschiedliche Vorsteuerungskraft haben. „Das heisst, der jeweils kürzere Zeithorizont ist mit seiner Steuerungsgrösse und deren Orientierungselementen stets ein Subsystem des weiter reichenden Zeithorizonts, weil die kurze Frist stets ein Teil der längeren ist.“296 Diese „System-Logik“ bringt es mit sich, dass umfassendere Systeme Voraussetzungen schaffen für eingebettete Subsysteme, dass aber letztere bei eigenem Versagen als Subsystem den Untergang des Gesamtsystems herbeiführen können.297 Ein Unternehmen kann noch so gute neue Erfolgspotenziale aufgebaut haben; wenn es über keine Liquidität mehr verfügt, geht es trotzdem unter. Die Steuerungsgrössen haben eine ermöglichende und bedingende Logik. Nur wer neue Erfolgspotenziale kreiert, hat langfristig auch bestehende Erfolgspotenziale, und nur wer bestehende Erfolgspotenziale richtig nutzt, hat langfristig finanziellen Erfolg, und nur wer finanziellen Erfolg hat, hat langfristig eine gesicherte Liquidität. Umgekehrt braucht man Liquidität, um im Geschäft zu bleiben und finanziellen Erfolg, um bestehende Erfolgspotenziale noch besser zu nutzen und neue Erfolgspotenziale aufzubauen.

Das Navigationssystem von GÄLWEILER definiert auf Basis der genannten Überlegungen zu den vier Steuerungsgrössen auch zwei wesentlichen Aufgabenbereiche der Unternehmens-führung, das operative Management (mit Bezug auf Liquidität und Erfolg) und das strategische Management (mit Bezug auf bestehende und neue Erfolgspotenziale).298

3.1.2.4 Profit Impact of Market Strategies

Dass für die Gesamtleistung eines Systems nicht nur operative, sondern vor allem auch strategische Faktoren entscheidend sind, konnte in einem breit angelegten empirischen Projekt namens „Profit Impact on Market Strategy“ (PIMS) in den 1970er Jahren nachgewiesen werden.299 Nach PIMS definieren rund ein Dutzend Kernfaktoren hinsichtlich 295 Ein Beispiel für ein lösungsinvariantes Kundenproblem ist das Problem, dass man den Rasen immer gerne in einer Höhe von 5 cm hat. Lösungstechnologien sind z.B. Elektro-Rasenmäher, Benzin-Rasenmäher, Gärtner, Schafe, gentechnisch veränderte Rasensamen etc. Das Problem des schön aussehenden Rasens bleibt invariant. Die Lösung des Problems kann über verschiedenen Lösungstechnologien erfolgen. 296 Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 33. 297 Vgl. Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 33 f. 298 Vgl. Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 34. 299 Vgl. Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989, S. V ff.

Theoriebausteine zur MPA 87

der Wettbewerbsposition, der Kapital- und Kostenstruktur sowie der Marktattraktivität ca. 70% des Erfolgs, gemessen am Return on Investment. Im Gegensatz zur weit verbreiteten Meinung, dass die Marktattraktivität das Wichtigste sei, haben die Faktoren bezüglich Wettbewerbsposition300 und die Faktoren bezüglich der Kapital- und Kostenstruktur301 je eine Erklärungskraft von 30%, die Faktoren bezüglich Marktattraktivität302 jedoch lediglich eine Erklärungskraft von 15% der erwähnten 70%.303 Der Return on Investment oder andere Gewinngrössen sollen dabei aber nicht als vordringliches Ziel, sondern als Ergebnis von unternehmerisch erfolgreichem Denken und Handeln verstanden werden.

Wie das Navigationssystem von GÄLWEILER zeigt auch PIMS die Bedeutung des strategischen Managements auf. Dieses hat sich auf einzelne strategische Geschäftseinheiten zu beziehen. Strategische Geschäftseinheiten sind denn auch das Untersuchungsobjekt des PIMS-Forschungsprojekts. Über 3‘000 strategische Geschäftseinheiten aus unterschied-lichsten Branchen wurden untersucht. Dadurch konnten strategische Prinzipien abgeleitet werden, welche von branchenübergreifender Gültigkeit sind. Zu diesen strategischen Prinzipien gehört z.B. die Erkenntnis, dass die relative Qualität auf lange Sicht der wichtigste strategische Einzelfaktor ist, Marktanteil und Rentabilität eng mit einander verbunden sind, jedoch eine hohe Investmentintensität ein Hemmschuh ist für die Rentabilität.304,305

Als wichtigster Einzelfaktor gilt die relative Qualität. Kombiniert man diese mit dem relativen Preis eines Produkt- resp. Dienstleistungsangebots, kommt man zum relativen Kundennutzen. Der relative Kundennutzen beschreibt das Preis-Leistungsverhältnis des eigenen Angebots relativ zu den Angeboten der Hauptkonkurrenten, beurteilt aus Sicht der Kunden und Nicht-Kunden. Wie in der nachfolgenden Abbildung 8 dargestellt, können in der Kundennutzenmatrix fünf generelle Produkt-/Dienstleistungspositionen unterschieden werden. Die diagonale Linie steht für ausgeglichene Preis-Leistungsverhältnisse resp. einen

300 Faktoren bzgl. Wettbewerbsposition sind: Marktanteil, relativer Marktanteil, relativer Kundennutzen, Innovations-rate, relative Kostenposition. 301 Faktoren bzgl. Kapital- und Kostenstruktur sind: Investmentintensität, Kapitalbindung in Anlagevermögen, Produktivität, Kapazitätsauslastung, vertikale Integration. 302 Faktoren bzgl. der Marktattraktivität: Marktwachstum Marktkonzentration, Kundenverhandlungsmacht, Kunden-konzentration, Marketingintensität. 303 Vgl. Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989, S. 45 ff. sowie Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 205 ff. 304 Vgl. Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989, S. 7 ff. 305 Weiter konnte nachgewiesen werden, dass „Dogs“ und „ Question marks“ nach dem Portfolio-Ansatz der Boston Consulting Group in über 50% einen positiven Cash-Flow bringen und daher z.B. die Normstrategie „Desinvestieren bei Dogs“ keine robuste Empfehlung ist. Vgl. Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989, S. 11.

88 Theoriebausteine zur MPA

ausgewogenen Kundennutzen.306 Ein positiver Kundennutzen hat einen positiven Einfluss auf den relativen Marktanteil (und dadurch auf niedrigere relative Kosten aufgrund des Erfahrungskurveneffekts) sowie auf den erzielbaren relativen Preis. Niedrigere Kosten und höhere Preise wirken beide auf eine erhöhte Rentabilität des Geschäfts. Umgekehrtes gilt für Geschäfte, welche einen negativen Kundennutzen aufweisen.307

Abbildung 8: Kundennutzen-Matrix nach Buzzell/Gale308

Die Analyse des Kundennutzens eines Geschäfts erfolgt in nachfolgenden Schritten: Erstens ist eine Marktsegmentierung ist notwendig, um relevante Konkurrenten, Kunden und Nicht-Kunden zu identifizieren. Zweitens sind von Managern (Eigenbild) sowie Kunden und Nicht-Kunden (Fremdbild) kaufentscheidende produkt- und dienstleistungsbezogene Qualitätskriterien zu nennen. Drittens sind diese von den jeweiligen Ansprechpartnern zu gewichten, und viertens sind das eigene Angebot sowie die Angebote der wichtigsten Konkurrenten aus Sicht der Kunden und Nicht-Kunden zu beurteilen. Fünftens ist der Preis des eigenen Angebots und des Angebots der Konkurrenten anzugeben. Sechstens ist abzuschätzen, wie das Verhältnis der Beeinflussung der Kaufentscheidung durch Qualität und Preis ist.309

306 Vgl. Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989, S. 97. 307 Vgl. Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989, S. 73 und S. 92. 308 Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989, S. 97. 309 Mit diesen Angaben lässt sich die Kundennutzen-Matrix auf Basis der PIMS-Erkenntnisse erstellen. Weiter lässt sich aus diesen Angaben ein Qualitätsprofil ableiten. Aus diesem ist ersichtlich, wie die einzelnen kaufentscheidenden Kriterien aus Kundensicht gewichtet werden und wie gut das eigene Angebot im Vergleich zur Konkurrenz hinsichtlich dieser Kriterien ist. Kriterien mit hoher Gewichtung und schlechter eigener Position müssen dringend verbessert werden.

Relative Qualität

RelativerPreis

höher

niedriger

unterlegen überlegen

Kurve ausgeglichenerPreis-Leistungs-verhältnisse

1. Luxus-position

5. Schlechtes Preis-Leistungs-verhältnis

4. GutesPreis-Leistungs-verhältnis

3. Billig-position

2. Durch-schnitts-position

Theoriebausteine zur MPA 89

Vor dem Hintergrund des Kundennutzens als wichtiger Essential Variable und dem Schaffen von Kundennutzen als originärer Zweck von richtig und gut geführten Unternehmen kommt einer regelmässigen Beurteilung des Kundennutzens eine hohe Bedeutung zu.

3.1.2.5 Central Performance Controls

Aufbauend auf dem Navigationssystem von GÄLWEILER und den Erkenntnissen aus dem PIMS-Forschungsprojekt ist es MALIK gelungen, möglichst wenige aber äusserst wesentliche „Essential Variables“ herzuleiten. MALIK spricht in diesem Zusammenhang von den sechs „Central Performance Controls“. Diese sind Marktstellung, Innovationsleistung, Produktivitäten, Attraktivität für richtige und gute Leute, Liquidität (Cash-Flow) und Gewinn (Gewinnerfordernis und Profitabilität).310 Nachfolgend sollen diese sechs „Central Performance Controls“ kurz vorgestellt werden.311

Die Markstellung bezieht sich insbesondere auf die Orientierungsgrösse Marktposition des Navigationssystems von GÄLWEILER sowie auf die Grössen absoluter und relativer Markt-anteil und relativer Kundennutzen aus dem PIMS-Forschungsprojekt. Markenbekanntheit und Image wären weiter Beispiele für Subvariablen der Markstellung. Wie bei allen sechs Central Performance Controls gilt auch hinsichtlich der Marktstellung, dass deren konkrete Beurteilungsgrössen im Einzelfall zu bestimmen sind, da nicht bei jedem Unternehmen dieselben Grössen die Markstellung ausreichend gut beschreiben.

Die Innovationsleistung bezieht sich vorwiegend auf die Orientierungsgrössen invariantes Kundenproblem, neue Lösungstechnologien und Substitutionszeitkurve des Navigations-systems von GÄLWEILER. Von den PIMS-Kernfaktoren sind insbesondere die Innovations-rate und der relative Kundennutzen betroffen. Im Gegensatz zur Invention ist bei einer Innovation nicht nur eine neue Idee gemeint, sondern eine erfolgreich umgesetzte Idee. Innovationen können sowohl aussengerichtet (produkt-/markt-bezogen) als auch innengerichtet (Prozesse, Fähigkeiten etc.) sein. Situationsspezifisch ist zu klären, was bei jeweiligen Unternehmen die Innovationsleistung wirklich ausmacht. Neben den bereits

Kriterien mit hoher Gewichtung und guter eigener Position müssen beibehalten werden. Demgegenüber ist bei Kriterien mit tiefer Gewichtung und guter eigener Position entweder über Kommunikationsmassnahmen die Gewichtung aus Kundensicht zu beeinflussen oder aber die „Überqualität“ sollte aus Kostengründen abgebaut werden. Bei Kriterien mit geringer Gewichtung und schlechter eigener Position besteht der geringste Handlungsbedarf. 310 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 172 ff. 311 Eine detaillierte Darlegung findet sich bei Malik, Corporate Governance, 2002, S. 149 ff., Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 176 ff. und Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 175 ff.

90 Theoriebausteine zur MPA

genannten Beurteilungsgrössen können z.B. die Erfolgswahrscheinlichkeit von Innovations-projekten unter Gesichtspunkten von Qualität, Kosten und Zeit herangezogen werden.

Die Produktivitäten bilden den dritten Performance Control. Mit Produktivitäten sind die Produktivität des Geldes, der Arbeit, der Zeit und des Wissens gemeint. Gemeinsam bilden sie die Total Factor Productivity, welche massgeblich verantwortlich ist für die Effizienz eines Unternehmens. Die Produktivitäten beziehen sich insbesondere auf GÄLWEILER’s Orientierungsgrösse der Erfahrungskurve und helfen letztlich, bestehende Erfolgspotenziale möglichst effizient in finanziellen Erfolg umzusetzen. Aus dem PIMS-Ansatz betreffen sie alle Faktoren der Kapital- und Kostenstruktur sowie – daraus resultierend – die wettbewerbsbezogene relative Kostenposition. Während für die Produktivität des Geldes (Return on Investment) und die Produktivität der Arbeit (Wertschöpfung pro Mitarbeiter) allgemein bekannte und auch bei PIMS verwendete Grössen vorliegen, sind Beurteilungsgrössen hinsichtlich der Produktivität der Zeit und der Produktivtät des Wissens höchst unternehmensindividuell zu definieren.

Die Attraktivität für richtige und gute Leute ist für die Beurteilung der Performance von sozialen Systemen unerlässlich. Sie gewinnt im Komplexitätszeitalter und bei einem zunehmenden Anteil von Wissensarbeitern und Wissensorganisationen noch verstärkt an Bedeutung. Nur wer richtig ausgebildete und gut arbeitende Leute gewinnen, entwickeln und auch halten kann, wird in der Lage sein, nachhaltige Wettbewerbsvorteile zu erzielen.312 Was richtige und gute Leute sind, ist abhängig vom jeweiligen Unternehmen und den benötigten Fähigkeiten. Generell lässt sich festhalten, dass ein Unternehmen attraktiv ist für Leute, wenn es über bestehende und neue Erfolgspotenziale verfügt, Mitarbeiter stärkenorientiert für grosse Aufgaben als Beitrag zum Ganzen einsetzt und sie leistungsorientiert entlohnt. Attraktivität für richtige und gute Leute bezieht sich im Navigationssystem von GÄLWEILER insgesamt auf die bestehenden und neuen Erfolgspotenziale. Die PIMS-Kernfaktoren sprechen diesen Aspekt nur indirekt an. 313 Beurteilungsgrössen können z.B. Zusage-Rate bei Neueinstellungen, Fluktuationsrate, marktbezogener Lohn-Benchmark oder ein Index einer Mitarbeiterbefragung sein.

Liquidität (Cash-Flow) ist der fünfte Central Performance Control. Er bezieht sich eins zu eins auf die Steuerungsgrösse der Liquidität und deren Orientierungsgrössen Einnahmen und Ausgaben gemäss dem Navigationssystem von GÄLWEILER. Da es bei diesem Central

312 Zum Kernerfolgsfaktor „Mensch“ vgl. auch Collins, Good to Great, 2001, S. 17 ff. und 41 ff. 313 Es gibt allerdings ergänzend zum Kernprojekt von PIMS auch entsprechende Daten, Untersuchungen und Erkenntnisse zu Aspekten wie Personal, Organisation, Kultur und Anreize. Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 206.

Theoriebausteine zur MPA 91

Performance Control um eine operative finanzwirtschaftliche Grösse geht, gibt es keinen entsprechenden PIMS-Kernfaktor dazu. Wie bereits weiter vorne hinsichtlich des Navi-gationssystems von GÄLWEILER erwähnt, ist Liquidität im Sinne der Zahlungsbereitschaft unabdingbar für das Überleben eines Unternehmens. Entsprechend gut muss die Liquiditätssteuerung sein. Zur Liquiditätsanalyse dienen u.a. die Liquiditätsgrade I – III (auch bekannt als Cash-Ratio, Quick-Ratio und Current-Ratio)314 oder aber die cashflow- und die liquiditätsorientierte Erfolgsrechnung315.

Der Gewinn (resp. das Gewinnerfordernis und die Profitabilität) wird von MALIK bewusst an letzter Stellt der sechs Central Performance Control genannt. Dies soll zum Ausdruck bringen, dass der Gewinn nicht als primäres Unternehmensziel gelten und maximiert werden soll, sondern dass der Gewinn eine Resultierende ist aus richtigem und gutem unternehmerischem Denken und Handeln. Die Kernfrage lautet somit nicht, wie maximiere ich meinen Gewinn, sondern wie profitabel muss ich sein, damit ich das Gewinnerfordernis, um auch morgen im Geschäft zu bleiben, erreiche. Der Cemtral Performance Control Gewinn bezieht sich im Navigationssystem von GÄLWEILER auf die Steuerungsgrösse Gewinn mit den Orientierungsgrössen Aufwand und Ertrag resp. der Bilanz. Da es sich wie bei der Liquidität auch beim Gewinn um eine operative finanzwirtschaftliche Grösse handelt, widerspiegelt er sich nicht in den strategischen PIMS-Faktoren. Stattdessen ist der Return on Investment (ROI) eine Profitabilitätsgrösse, welche aus dem Zusammenspiel der strategischen PIMS-Faktoren resultiert.

Diese sechs Central Performance Controls stellt MALIK in einer Abbildung dar, aus der ersichtlich ist, dass alle mit allen in Beziehung stehen.316 So hat z.B. eine hohe Attraktivität für richtige und gute Leute sicherlich eine positive Wirkung auf deren Arbeitsproduktivität und diese wiederum auf den Gewinn. Eine gute Innovationsleistung ist demgegenüber etwa abhängig von einer guten Produktivität des Wissens und Produktivität der Zeit (Stichwort Time to market). Eine Unternehmung, welche diese sechs Central Performance Controls untereinander balanciert unter Kontrolle hält, ist lebens- und entwicklungsfähig. Managementprozesse müssen einen Beitrag zu diesen sechs Central Performance Controls

314 Cash-Ration = Zahlungsmittel x 100 / kurzfristiges Fremdkapital, Quick-Ration = ((Zahlungsmittel + Forderungen) x 100) / kurzfristiges Fremdkapital, Current-Ratio = Umlaufvermögen x 100 / kurzfristiges Fremdkapital. Vgl. Siegwart, Kennzahlen, 1998, S. 65 ff. und Rüegg-Stürm, Controlling, 1996, S. 103. 315 Die cashflow-orientierte Erfolgsrechnung bezieht sich üblicherweise auf Veränderungen des Nettoumlaufvermögens, während sich die liquiditätsorientierte Erfolgsrechnung auf Geldzuflüsse und -abflüsse mit Auswirkung auf Konten des Geldvermögens bezieht. Vgl. Siegwart, Erfolgsrechnung, 2001, S 81 ff. und International Group of Controlling, Controller-Wörterbuch, 2001, S. 32 ff. 316 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 176.

92 Theoriebausteine zur MPA

leisten. Die sechs Central Performance Controls sind beispielsweise Leistungsfelder in der Strategie sowie Ziel- und Beurteilungsfelder im persönlichen Führungsprozess (Management by Objectives) und im Controlling. Die sechs Central Performance Controls resp. deren Subvariablen sind mit Bezug auf die konkrete Situation mit Beurteilungsgrössen zu hinterlegen. Nicht jede Grösse lässt sich quantitativ messen, jedoch muss jede Grösse kontrollier- und beurteilbar sein.317

3.1.2.6 Vergleich der Ansätze

Bei den vorgestellten Ansätzen wurde deutlich, dass es sich nicht um konkurrierende Ansätze handelt, sondern vielmehr um sich ergänzende Ansätze. Spätere Ansätze umfassen dabei die Grundüberlegungen der früheren Ansätze, wie am Beispiel der Central Performance Controls aufgezeigt wurde.

Der Ansatz der Essential Variables von ASHBY besagt, dass man ein soziales System „under control“ halten kann, indem man wenige aber wesentliche Grössen in gewissen Bandbreiten hält. BEER’s Ansatz der Performance eines Systems zeigt auf, dass zur Beurteilung der Gesamtperformance eines Systems nicht nur operative Vergleiche von Aktualität und Kapabilität auf Basis bestehender Rahmenbedingungen angestellt werden dürfen. Stattdessen ist auch die Kapabilität (im Sinne von bestehenden Möglichkeiten) mit der Potenzialität (im Sinne von neuen Möglichkeiten) zu betrachten. Dieser zukunftsgerichtete strategische Aspekt findet sich auch bei GÄLWEILER’s Navigationssystem, indem GÄLWEILER grundsätzlich zwischen operativem und strategischem Management unter-scheidet und hinsichtlich letzterem bestehende und neue Erfolgspotenziale als wesentliche Steuerungsgrössen nennt. Im PIMS-Forschungsprojekt wurden strategischen Kernfaktoren ermittelt, welche bestehende und neue Erfolgspotenziale gleichzeitig begründen und operationalisieren. Diese PIMS-Kernfaktoren haben eine empirisch nachgewiesene hohe Erklärungskraft bezüglich Return on Investment sowie Return on Sales als wesentlichen Profitabilitätsgrössen. MALIK verdichtete die Erkenntnisse aus diesen verschiedenen Ansätzen zum Komplex des Central Performance Control.

317 Insofern ist der häufig verwendete Satz „only what gets measured gets done“ zu relativieren resp. in den Satz „only what gets controlled gets done“ überzuführen. Gerade bei schwierigen Dingen, ist messen meist nicht möglich. Die Liebe zwischen zwei Menschen kann man nicht messen, aber sie lässt sich beurteilen. Zum Thema Beurteilen siehe auch Malik, Führen, 2000/2006, S. 238 ff. In ähnlicher Weise halten Ackoff/Addison kritisch fest: „Managers who don’t know how to measure what they want settle for wanting what they can measure“; Ackoff und Addison, f-LAWS, 2007, S. 101.

Theoriebausteine zur MPA 93

Allen vorgestellten Ansätzen ist gemeinsam, dass sie einen wesentlichen Beitrag leisten zur Vorsteuerung eines sozialen Systems und dass sie sich dabei an der obersten resp. umfassendsten Erfolgsgrösse, der Lebensfähigkeit, orientieren. Offen bleibt jedoch die Frage, wie in sozialen Systemen Managementprozesse aussehen müssen, um Kerngrössen wie die Central Performance Controls in gewünschter Weise zu beeinflussen. Wissen und Können hinsichtlich dieser Managementprozesse wären eine noch ausgeprägtere Form der Vorsteuerung. Diesem Gedanken soll nachfolgend mit Blick auf das vorliegende Dissertationsthema nachgegangen werden. Es geht dabei nicht um eine noch detailliertere Darlegung eines der vorgestellten Ansätze, sondern um die Herleitung eines neuen Ansatzes auf Basis von Erkenntnissen der vorgestellten Ansätze.

3.1.3 Herleitung des „Model of Pre-controlled Success“

3.1.3.1 Grundüberlegungen

Das Anliegen dieses Kapitels ist es, auf Basis der vorherigen Überlegungen einen zusammenfassenden Theoriebaustein zu entwerfen, welcher die Frage nach dem „Wozu”der Management-Prozess-Architektur beantwortet. Ich nenne diesen Theoriebaustein „Model of Pre-controlled Success” (MPS). Das „Model of Pre-controlled Success” begründet die Gesamtperformance eines Systems (Total System Performance). Das Modell basiert auf den in Kapitel 2 dargelegten Überlegungen zur Unternehmung als komplexes, zweckorientiertes, produktives, soziales System, auf Erkenntnissen des damit einher-gehenden systemorientierten Managements und den in Kapitel 3.1.2 vorgestellten Ansätzen zur Beurteilung des Erfolgs einer Unternehmung.

Wir haben als Basissystem einer Unternehmung die Komponenten resp. Subsysteme Umwelt, Unternehmen und Management kennen gelernt. Diese drei Subsysteme bilden „Verankerungspunkte“ für Kernelemente des „Model of Pre-controlled Success“. An dieser Stelle sei nochmals erwähnt, dass diese drei Komponenten lediglich gedankliche Unterscheidungen darstellen und in Tat und Wahrheit das Management eingebettet ist im Unternehmen und dieses in seiner relevanten Umwelt. Entsprechend verhält es sich auch mit den Elementen des „Model of Pre-controlled Success“. Sie sind einem dieser drei Komponenten zugeordnet, jedoch systemisch mit den anderen vernetzt.

94 Theoriebausteine zur MPA

3.1.3.2 Customer Value Controlling

Bezugspunkt des Customer Value Controlling ist die Umwelt des Basissystems einer Unternehmung. Die Resultate einer Unternehmung zeigen sich erst in der Umwelt, nämlich beim Kunden. Oder wie es DRUCKER formulierte: „(…) there are no results inside the firm. Up to the point where the customer reorders, there are only costs.”318 Selbstverständlich könnte man in der Umwelt unterschiedlichste Dinge beurteilen, das wichtigste ist jedoch der geschaffene Kundennutzen. Dies ergibt sich aus dem einzig richtigen Corporate Governance-Ansatz, der das Interesse des Unternehmens an oberste Stelle setzt und sich als Unternehmenszweck das Schaffen von Kundennutzen resp. zufriedener Kunden setzt. Andere Aspekte, wie z.B. neue technologische Entwicklungen oder neue Wettbewerber, sind indirekt und/oder direkt Bestandteil einer umfassenden Analyse des Kundennutzens.

Dass Kundennutzen mittels der Kundennutzenanalyse und -matrix auch tatsächlich messbar ist, wurde in Kapitel 3.1.2.4 aufgezeigt. Entscheidend ist, dass ein Customer Value Controlling im Unternehmen institutionalisiert ist. Neben klassischen Kundennutzen-analysen mit Eigenbild- und Fremdbilderhebungen mittels mündlicher Befragung können auch weitere Informationsquellen genutzt werden. So können z.B. erhobene Gründe für nicht erhaltene Aufträge oder systematisch eingeholte Feedbacks bei abgeschlossenen Aufträgen ein Mittel sein, um Kundennutzenanalysen nicht nur periodisch, sondern laufend durchzuführen.

3.1.3.3 Business System Controlling

Das Business System Controlling bezieht sich auf die Operation des Basissystems einer Unternehmung. Während beim Customer Value Controlling die Resultate, d.h. der Kunden-nutzen, im Vordergrund steht, geht es beim Business System Controlling um die Funktions-fähigkeit der Operation. Ziel ist es, dass durch ein fortlaufendes Funktionieren der Operation auch entsprechend fortlaufend ein überlegener Kundennutzen gestiftet werden kann.

Um die Funktionsfähigkeit und die Lebensfähigkeit eines Business System zu beurteilen, können die zuvor vorgestellten sechs Central Performance Controls von MALIK heran-gezogen werden. Für das jeweilige Unternehmen sind diese sechs Central Performance Controls mit Beurteilungsgrössen zu hinterlegen. Im Rahmen der Markstellung kann dabei u.a. der Kundennutzen des Customer Value Controlling als Beurteilungsgrösse heran-gezogen werden.

318 Drucker, Future, 1992, S. 277.

Theoriebausteine zur MPA 95

Der Kundennutzen ist gewissermassen das explizite systemische Bindeglied zwischen Customer Value Controlling und Business System Controlling. Darüber hinaus gibt es noch diverse implizite Verbindungen. Z.B. hat die Innovationsleistung massgeblichen Einfluss auf die Erschliessung von neuen Marktsegmenten oder aber auf eine fundamentale Ver-besserung der Qualitätsposition in bestehenden Marktsegmenten. Von den Produktivitäten hängt es darüber hinaus ab, zu welchem Preis man langfristig profitabel eine Leistung am Markt anbieten kann.

So wie es diverse Verbindungen vom Business System Controlling zum Customer Value Controlling gibt, so gibt es auch Verbindungen zwischen dem Business System Controlling und dem Management Process Controlling. Auffälligstes Bindeglied ist dabei die Attraktivität der Unternehmung für richtige und gute Leute, welche sich im Navigations-system von GÄLWEILER auf bestehende und neue Erfolgspotenziale bezieht. Die richtige und gute Durchführung von Managementprozessen hält bestehende Erfolgspotenziale aufrecht und schafft neue Erfolgspotenziale. Dazu sind aber richtige und gute Leute notwendig, denn wie wir später noch sehen werden, sind Managementprozesse massgeblich vom Denken und Handeln der jeweiligen Manager geprägt.

3.1.3.4 Management Process Controlling

Der Kundennutzen ist gewissermassen Output eines funktionierenden Business System Controlling. Letzteres hat somit eine vorsteuernde Wirkung. Noch weitreichender ist die vorsteuernde Wirkung der Managementprozesse. Als Output der Managementprozesse kann die Business System Performance hinsichtlich der sechs Central Performance Controls interpretiert werden.

In Anbetracht dieser vorsteuernden Kraft ist es umso erstaunlicher, dass Management-prozesse und ein darauf aufbauendes Management Process Controlling bisher nicht in der beschriebenen Form Eingang in die Literatur gefunden haben. Beim Management Process Controlling hinsichtlich eines sozialen Systems ist sowohl institutionalen als auch personalen Aspekten Rechnung zu tragen. Das Controlling hat sich somit auf Management-prozesse der Unternehmens- und Mitarbeiterführung zu beziehen.

Bezugspunkt des Management Process Controlling ist das Management als Subsystem einer Unternehmung. Die Managementprozesse müssen zweck- und zielsetzende Kraft haben und für ein Fliessgleichgewicht zwischen den anderen zwei Subsystemen, der Operation und der Umwelt, sorgen. Im Gegensatz zum Customer Value Controlling und dem Business System Controlling gibt es hinsichtlich dem Management Process Controlling in Theorie und Praxis

96 Theoriebausteine zur MPA

keine weit verbreiteten Methoden und Instrumente zur Beurteilung des Erfolgs. Im weiteren Verlauf der Arbeit ist daher zu erörtern, was genau unter Managementprozessen zu verstehen ist und wie diese charakterisiert und letztlich auch beurteilt werden können.

3.1.3.5 Komplettierung zum Gesamtmodell

In der nachfolgenden Darstellung werden die drei Komponenten des „Model of Pre-controlled Success“ – das Customer Value Controlling, das Business System Controlling und das Management Process Controlling – schematisch dargestellt. 319 Zu den drei Komponenten wird jeweils auch das betroffene Subsystem (Umwelt, Operation oder Management) grafisch angedeutet. Aus der Darstellung ist ersichtlich, dass das Management Process Controlling stark zwecksetzenden und vorsteuernden Charakter hat, währenddem das Customer Value Controlling am anderen Ende des Kontinuums anzusiedeln ist und somit zweckerfüllenden und resultierenden Charakter aufweist.

Abbildung 9: Das "Model of Pre-controlled Success" (eigene Darstellung)

Die Einbettung des Customer Value Controlling ins Business System Controlling und die Einbettung von letzterem ins Management Process Controlling verdeutlichen grafisch, dass selbstverständlich alle drei Komponenten für sich genommen auch Managementprozesse sind und zudem über inhaltliche Bindeglieder miteinander vernetzt sind. Darüber hinaus kennzeichnen die gestrichelten Linien wichtige Informationsflüsse im Sinne des Feedforward und Feedback.

319 Das „Model of Pre-controlled Success“ habe ich mit leicht anderer Darstellung und dem Namen „systemorientiertes Controlling“ erstmals im Rahmen der 20. St. Galler Controllertage (19. – 23. März 2007) einer breiteren Öffentlichkeit vorgestellt.

Zwecksetzend Zweckerfüllend

Vorsteuernd Resultierend

ManagementProcessControlling

BusinessSystemControlling

Customer ValueControlling

Feedforward

Feedback

Theoriebausteine zur MPA 97

Der umfassende Erfolg einer Unternehmung besteht aus der Customer Value Performance, der Business System Performance und der Management Process Performance, welche in Summe die Total System Performance ergeben. Diese umfasst auch die drei wesentlichen Fähigkeiten einer Unternehmung: Die Wettbewerbsfähigkeit (basierend auf der Customer Value Performance), die Funktionsfähigkeit (basierend auf der Business System Performance) und die Entwicklungsfähigkeit (basierend auf der Management Process Performance).

3.1.4 Implikationen

Theorie und Konzept der Management-Prozess-Architektur verfolgen nicht einen Selbstzweck, sondern dienen Managern beim erfolgreichen Führen ihres Unternehmens. In Kapitel 3.1 wurde der Frage, wozu eine Management-Prozess-Architektur benötigt wird, näher nachgegangen und mangels in der Theorie bereits bestehender umfassender Modelle dazu ein eigenes Modell – das „Model of Pre-controlled Success“ hergeleitet.

Im Komplexitätszeitalter nachhaltig wettbewerbsfähige Unternehmen definieren Erfolg nicht bloss als betriebswirtschaftlich-finanziellen Erfolg, sondern als Total System Performance. Das „Model of Pre-controlled Success“ definiert ein so verstandenes umfassendes Erfolgsverständnis und enthält gleichzeitig Komponenten eines Controllings zu dessen Beurteilung und Lenkung. Die drei wesentlichen Komponenten des „Model of Pre-controlled Success“ sind das Customer Value Controlling, das Business System Controlling und das Management Process Controlling.

Der Management-Prozess-Architektur liegt ein Erfolgsverständnis zugrunde, dass sich an der Lebensfähigkeit des Unternehmens orientiert. Corporate Governance-Aktivitäten haben somit immer im Interesse des Unternehmens zu stehen (und nicht im einseitigen Interesse der Shareholder und auch nicht in den widersprüchlichen Interessen der Stakeholder). Der Zweck des Unternehmens ist generell das Schaffen von Kundennutzen. Um die Zweckerfüllung, also das konkrete Schaffen von Kundennutzen in der Umwelt des Unternehmens, beurteilen zu können, bildet das Customer Value Controlling eine erste wesentliche Komponente des „Model of Pre-controlled Success“.

Das Schaffen von Kundennutzen sichert aber noch keine Lebensfähigkeit, denn der überlegene Kundennutzen könnte z.B. aus einem viel zu tiefen Pricing resultieren, welches nicht langfristig aufrecht erhalten werden kann, da mit jedem verkauften Produkt der Verlust steigt. Es stellt sich somit die Frage, ob das Unternehmen funktionsfähig ist, um

98 Theoriebausteine zur MPA

über längere Zeit immer wieder seine Zweckerfüllung zu bewerkstelligen. Nur wenn dies möglich ist, kann von einem gesunden Unternehmen gesprochen werden. Die Beurteilung des Unternehmens erfolgt diesbezüglich durch das Business System Controlling als zweiter Komponente des „Model of Pre-controlled Success“. Es umfasst die Beurteilung der sechs Central Performance Control Markstellung, Innovationsleistung, Produktivitäten, Attraktivität für richtige und gute Leute, Liquidität (Cashflow) und Gewinn (Gewinnerfordernis und Profitabilität).

Im Sinne einer möglichst weit gehenden Vorsteuerung ist von Interesse, wie die sechs Central Performance Controls des Business System Controlling langfristig in gewünschten, die Lebensfähigkeit maximierenden Bandbreiten gehalten werden können. Dies sicher zu stellen, ist die Aufgabe von richtig und gut durchgeführten Managementprozessen. Das Management Process Controlling als dritte Komponente des „Model of Pre-controlled Success“ fasst diese Vorsteuerungsüberlegung zusammen.

Im Rahmen der Management-Prozess-Architektur geht es darum, geeignete Management-prozesse zu institutionalisieren und zu nutzen, um die erwähnte Vorsteuerung bestmöglich zu unterstützen. Wozu dies gemacht wird, dürfte mittlerweile klar sein: Es geht um das Schaffen der Voraussetzungen für einen umfassenden Erfolg von Unternehmen im heutigen Komplexitätszeitalter. Dieser umfassende Erfolg kann als Total System Performance bezeichnet werden und entspricht der Summe aus Customer Value Performance, Business System Performance und Management Process Performance. Jeder dieser drei Perfor-mance-Bestandteile impliziert auch eine Kernfähigkeit. Es sind dies Wettbewerbsfähigkeit, Funktionsfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit.

3.2 Rekursive Architektur

In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, wo Managementprozesse im Unternehmen organisatorisch zu verankern sind und welches Architekturmodell sich dazu besonders eignet.

Theoriebausteine zur MPA 99

3.2.1 Grundlagen

3.2.1.1 Funktions-Heterarchie statt Positions-Hierarchie

3.2.1.1.1 Architekturprinzipien

Der Architekturbegriff wird in der Organisationslehre und -praxis insbesondere im Zu-sammenhang mit Unternehmensorganisation und Informatik verwendet. Bei Publikationen im Informatik-Kontext wird zwar oft allgemein von Unternehmensarchitektur gesprochen, aber praktisch ausschliesslich die Informatikarchitektur gemeint. 320 Im Kontext der Unternehmensorganisation ist im Zusammenhang mit Prozessmanagement oft von Prozessarchitekturen die Rede.321

Im heutigen Sprachgebrauch wird der Architekturbegriff somit nicht nur in seiner baulichen, raumschaffenden Bedeutung verstanden. Vielmehr geht es darum, Architekturen nicht nur für physische resp. materielle Gebäude, sondern auch für gedankliche resp. immaterielle Gebäude zu konzipieren und zu nutzen. In beiden Fällen geht es darum, für den strukturierten Aufbau eines komplexen Ganzen zu sorgen. Etymologisch kann man, hergeleitet aus dem Griechischen und Lateinischen, Architektur bezeichnen als grundlegendes Gebäude und Handwerk zur Erschaffung desselben.322

Wie nachfolgende Beispiele zeigen, gelten alt-bewährte Architekturprinzipien sowohl für physische Gebäude als auch für Gedankengebäude. So nannte VITRUVIUS POLLIO bereits im 1. Jh. v. Ch. die drei Architektur-Prinzipien Stabilität (Firmitas), Nützlichkeit (Utilitas) und Anmut (Venustas).323 Eine ähnliche Trilogie beschreibt MALIK mit Systemik (Stabilität), Inhalten (Richtigkeit/Nützlichkeit) und Form (Anmut).324 Für BATTISTA ALBERTI wird bei Architektur Harmonie und Einklang der Teile erreicht, indem nichts weggenommen, zugefügt oder verändert werden kann, ohne das Ganze zu zerstören.325,326

320 Vgl. z.B. Braun, Unternehmensarchitektur, 2007 zur Modellierung der Unternehmensarchitektur und Hafner, Informationsarchitektur, 2005 zum Management der Informationsarchitektur. 321 Vgl. z.B. Rüegg-Stürm, Management-Modell, 2004, S. 111. 322 Vgl. Wikipedia contributors Architektur, http://de.wikipedia.org/wiki/Architektur (18.04.2008). 323 Vgl. Wikipedia contributors, Vitruv, http://de.wikipedia.org/wiki/Vitruv (18.04.2008) und Wikipedia contributors, Architektur, http://de.wikipedia.org/wiki/Architektur (18.04.2008). 324 Malik, Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 58. 325 Vgl. Wikipedia contributors, Leon Battista Alberti, http://de.wikipedia.org/wiki/Leon_Battista_Alberti (18.04.2008) und Wikipedia contributors, Architektur, http://de.wikipedia.org/wiki/Architektur (18.04.2008). 326 Für jene, welche mit diesem mathematischen Grundsatz der notwendigen und hinreichenden Bedingungen nicht vertraut sind, hier ein kleines Beispiel: Was ist a) eine notwendige (aber nicht hinreichende),b) eine hinreichende (aber

100 Theoriebausteine zur MPA

3.2.1.1.2 Funktion und Wissen statt Position und Macht

Im Zusammenhang mit dem Architekturbegriff und dessen Stabilitätsaspekt wird häufig auch der Begriff Hierarchie aufgeworfen, sei dies für personell-organisatorische und/oder für logisch-funktionelle Überlegungen im Zusammenhang mit der Unternehmenslenkung. Die Management-Prozess-Architektur ist primär losgelöst von personell-organisatorischen Hierarchien zu definieren. Entscheidend für die Logik der Management-Prozess-Architektur ist hingegen die logisch-funktionelle Hierarchie im Sinne von Rekursionsebenen. Diese Hierarchie darf aber keinesfalls als personell-organisatorisch missverstanden werden.327 Die Hierarchie der Lenkung orientiert sich an Funktionen und an Wissen resp. Information, währenddem sich die personell-organisatorische Hierarchie an Positionen und Macht orientiert.

Die Notwendigkeit einer zusätzlichen Steuerungshierarchie resp. -ebene (auch Metaebene genannt) wurde bereits von HEGEL und GÖDEL erkannt.328 Unternehmungen müssen zur Bewältigung der Komplexität als hierarchische Systeme von Regelkreisen konzipiert sein. „Begreift man Unternehmen als ein System von Regelkreisen, so muss jeder dieser Regelkreise über einen Vorrat von Verhaltensweisen verfügen, der es ihm ermöglicht, alle denkbaren Umwelteinflüsse zielgerichtet zu verarbeiten. Im Allgemeinen wird ein einzelner Regelkreis nur eine begrenzte Kapazität zur Informationsverarbeitung und zur Umsetzung in zielgerichtete Verhaltensweisen haben. Auch ohne die formale Beweisführung AHBYS (…) ist es unmittelbar einleuchtend, dass Komplexität sehr effektiv über ein hierarchisches System von Regelkreisen verarbeitet werden kann.“329 In diesem Zusammenhang kommt das sogenannte Law of Requisite Hierarchy zur Geltung, nach dem zu einem gewissen Grad nicht notwendige) und c) eine notwendige UND hinreichende Bedingung für die Teilbarkeit einer Zahl n € N (aus natürlichen Zahlen) durch 25? Antwort zu a): z.B. Zahl ist durch 5 teilbar; Antwort zu b): z.B. Zahl ist durch 50 teilbar; Antwort zu c): z.B. die letzten Ziffern der Zahl lauten 00, 25, 50 und 75 oder die Zahl ist zweimal durch 5 teilbar. Beispiel von http://www.matheboard.de/thread.php?threadid=7401 (18.04.2008). 327 Zur Hierarchie der Steuerung im Sinne der logischen Stufung der Führung vgl. Bachmann und Michel, Komplexitätsbewältigung, 2001, S. 46 f. 328 Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770-1831) und Kurt Gödel (1906-1978) im Zusammenhang mit formal unentscheidbaren Sätzen zitiert in Bachmann und Michel, Komplexitätsbewältigung, 2001, S. 24. Hegel und Gödel haben in ihren Studien herausgearbeitet, dass in einem System niemals über die Vollständigkeit seiner Elemente entschieden werden kann und dies dazu führt, dass im System formulierte wahre Sätze nicht im gleichen System beweisbar sind. „Der hier in Anführungszeichen gesetzte Satz ist falsch“ lässt sich nicht als richtig oder falsch bezeichnen, wenn dies auf der gleichen Aussageebene geschehen soll. Würde man ihn als richtig bezeichnen, wäre er falsch und wenn man ihn als falsch bezeichnen würde, wäre er eigentlich richtig. Erst die Unterscheidung in die Aussageebene des Beispielsatzes und in die Aussageebene, auf der zwischen richtig und falsch unterschieden wird, lässt erkennen, dass es sich um einen Satz handelt, der über sich selbst spricht. Diese Erkenntnis auf der Metaebene ist ihrerseits widerspruchsfrei. Vgl. Bachmann und Michel, Komplexitätsbewältigung, 2001, S. 46 f. 329 Mirow, Führungsstrukturen, 2005, 39.

Theoriebausteine zur MPA 101

fehlende Lenkungskapazität durch Hierarchie kompensiert werden kann.330 Diese Hierarchie ist primär eine funktionell-logische und nicht eine organisatorische Hierarchie.

3.2.1.1.3 Heterarchie statt Hierarchie

Neben der oben genannten Unterscheidung zwischen logisch-funktioneller und personell-organisatorischer Hierarchie ist eine zweite wichtige Unterscheidung zu machen. Es ist zu unterscheiden zwischen Hierarchie und Heterarchie. Ein und dasselbe System kann nämlich in verschiedene rekursive Dimensionen eingebettet sein.331 Eine Geschäftseinheit kann Bestandteil einer Division und diese Bestandteil eines Konzerns sein. Die gleiche Geschäftseinheit kann zu 30% einem anderen Unternehmen gehören und deshalb auch Bestandteil von diesem anderen Unternehmen sein. Im Weiteren hat die Geschäftseinheit ev. eine Vertriebskooperation mit einem Unternehmen für den amerikanischen Raum und ist dadurch noch in eine weitere rekursive Logik eingebettet. Die Geschäftseinheit ist somit auch in mehrere hierarchische Systeme von Regelkreisen eingebunden, womit ein heterarchisches System an Regelkreisen vorliegt.

Die Geschäftseinheit ihrerseits muss im Rahmen der ihr vorgegebenen Leitplanken und Zielvorgaben versuchen, eine bestmögliche Performance zu erzielen. In der Heterarchie entstehende allfällige Zielkonflikte sind im Interesse des eigenen Systemzwecks zu klären.332 Das Streben nach unternehmerischem Denken und Handeln sowie die Autonomie der Geschäftseinheiten führen automatisch zu heterarchischen Zuständen, indem die Unter-nehmensleitung nicht mehr Knotenpunkt sämtlicher Informationen und Entscheidungen ist.333,334

330 Vgl. Arvid Aulin, Cybernetic Laws of Social Progress, S. 115 zitiert von Joslyn; Joslyn, Law of Requisite Hierarchy, http://pespmc1. vub.ac.be/REQHIER.html (14.05.2008). 331 Vgl. hierzu auch Schwaninger, Distributed Control, 2000, S. 167. 332 In der gleichen „heterarchischen Situation“ wie die erwähnte Business Unit befindet sich z.B. ein Familienvater, der gleichzeitig angestellter der obigen Business Unit ist und in einem Sportverein im Vorstand aktiv ist. Auch er befindet sich in einer Heterarchie von Regelkreisen aus Familie, Beruf und Sportverein und muss allfällige Interessenkonflikte austarieren. Vgl. hierzu auch 2.1.5.2 (Multifunktionalität). 333 Vgl. Probst, Organisation, 1992, S. 589. 334 Das Grundprinzip von heterarchischen Zuständen wurde von McCulloch im Zusammenhang mit neuronalen Netzen entdeckt und beschrieben. Vgl. McCulloch, Heterarchy, 1989, S. 467 ff.

102 Theoriebausteine zur MPA

3.2.1.1.4 Funktions-Heterarchie

Das für die Management-Prozess-Architektur notwendige Architektur-Modell hat somit aus individueller Sicht statt auf Positionen auf Funktionen und aus institutioneller Sicht statt auf Hierarchie auf Heterarchie aufzubauen. Dies ist nicht eine Forderung, welche aus der Luft gegriffen ist, sondern eine Forderung, welche den Realitäten von Unternehmen im Komplexitätszeitalter bestmöglich gerecht wird. Untersucht man nämlich die eigentlichen Funktionsweisen von Unternehmen, dann lässt sich feststellen, dass diese nur sehr wenig mit den hierarchischen Organigrammen zu tun haben. BEER hat aufgrund empirisch erhobener Daten ein Diagramm der Funktionsweise einer Organisation erstellt. Dabei stellte er folgendes fest: “Very often a man will accept instructions from someone who is not his nominal superior, and equally he may be able to influence people of senior rank to whom he does not nominally report. Thirdly, (…) this diagram does not represent merely a chain of command, but a flow of information and decision. Consequently this is (…) a dynamic picture of stochastic interaction.”335

Heterarchie darf aber nicht zu Willkür führen. So ist es bezüglich der Grundstruktur eines Unternehmens z.B. wichtig, das klare Einheiten gebildet und Informations- und Entscheidungswege definiert sind. DRUCKER beschreibt diese Notwendigkeit wie folgt: „In the information-based organization of tomorrow, people will very largely have to control themselves. This does not mean we shall all be working in free-form organizations. That is nonsense. A land animal on this earth cannot be more than six inches high without having a skeleton. Companies are the same. Above a very small size, every company needs the skeleton of a formal command structure.“ 336 Entscheidend ist daher, welche Einheiten gebildet werden und wie sich diese selbst lenken resp. von übergeordneter Ebene gelenkt werden.

3.2.1.2 Zusammenspiel von Management und Organisation

3.2.1.2.1 Grundlegende Sichtweisen auf Organisationen

Gemäss GOMEZ/ZIMMERMANN gibt es drei Sichtweisen organisatorischer Zusammenhänge: eine institutionale, eine instrumentale und eine funktionale. 337 Die institutionale Betrachtungsweise versteht eine Organisation als Institution im Sinne eines Systems eingebettet in seiner Umwelt. Der Fokus liegt auf der Gesamtführung mit dem Ziel der 335 Beer, Decision, 1966, S. 194 f. 336 Drucker, Future, 1992, S. 279. 337 Vgl. Gomez und Zimmermann, Unternehmensorganisation, 1999, S. 16.

Theoriebausteine zur MPA 103

Sinnvermittlung. Die instrumentale Perspektive legt den Fokus auf die Organisation als Mittel resp. Führungsinstrument zur Zielerreichung. Sie umfasst somit alle Regeln, welche das Verhalten der Organisationsmitglieder auf die Zielerreichung und Wirtschaftlichkeit ausrichten. Unter einem funktionalen Organisationsverständnis ist Organisation eine Funktion der Organisationsgestaltung, welche Arbeitsteilung (Differenzierung) und Koordination (Integration) unter Berücksichtigung von Komplexitätsgesichtspunkten in Übereinstimmung bringt.338 Im Sinne einer systemischen Betrachtungsweise erachte ich die Kombination dieser drei Betrachtungsweisen als zielführend.

Auch die Management-Prozess-Architektur (MPA) kann aus diesen drei Perspektiven betrachtet werden. Entsprechend kann man sagen, dass eine Unternehmung eine Management-Prozess-Architektur ist (institutional), eine Management-Prozess-Architektur hat (instrumental) oder dass ein Unternehmen „management-prozess-architekturisiert“ wird (funktional). Bei der institutionalen Betrachtung steht der Aspekt im Vordergrund, dass eine Institution als Ganzes durch die MPA gegliedert und auch als MPA grafisch dargestellt werden kann.339 Die instrumentale Perspektive legt den Fokus auf die vorsteuernde Kraft der MPA. 340 Das Augenmerk der funktionalen Betrachtung liegt auf tiefgreifenden Transformationen der MPA und nachfolgende Prozesse der Selbstgestaltung, -lenkung und -entwicklung. Mit anderen Worten: Wenn die MPA erst einmal richtig in Schwung ist, hält sie sich von selbst in Schwung. Eine richtige und gute Management-Prozess-Architektur wird so zu einem Programm, welches nach vordefinierten „Algorithmen“ für eine stetige Entwicklung der Management-Prozess-Architektur sorgt.

3.2.1.2.2 Die MPA als Syntegrat341 von Management und Organisation

Die Organisation muss gemanagt werden und das Management muss organisiert werden. Oder anders formuliert, eine wirksame Organisation sorgt auch für ein wirksames Management und ein wirksames Management sorgt auch für eine wirksame Organisation. BEER hat in diesem Zusammenhang geschrieben, dass Organisation das Medium des Control, also des Management, ist und deshalb Kybernetik – als die Lehre von Control – auch als die Wissenschaft von effektiven Organisationen bezeichnet werden kann.342 Die

338 Vgl. Gomez und Zimmermann, Unternehmensorganisation, 1999, S. 16 ff. und Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 1 ff. 339 Zur grafischen Darstellung von Unternehmungen als MPA siehe insbesondere Kapitel 6.2.5.3. 340 Vgl. hierzu Kapitel 3.1 im Allgemeinen und Kapitel 3.1.3 im Speziellen. 341 Syntegrat verwende ich als Bezeichnung für den Output eines Syntegrationsprozesses, also der Kombination von Synergie und Integration. Bzgl. Syntegration siehe auch Kapitel 6.2.5.1 (Syntegration als wirksame Arbeitsform). 342 Vgl. Beer, Decision, 1966, S. 425.

104 Theoriebausteine zur MPA

Management-Prozess-Architektur ist das Syntegrat von Management und Organisation.Oder anders formuliert: Die Management-Prozess-Architektur ist die Medaille, und Organisation und Management sind je eine Seite dieser gleichen Medaille. Somit erstaunt auch nicht, dass vermeintliche Re-Organisationsprojekte auch MPA-Projekte sind und umgekehrt vermeintliche MPA-Projekte auch Re-Organisationsprojekte.

Die Architekturpinzipien für die MPA müssen also Prinzipien sowohl der Organisations- als auch der Management-Architektur sein. Diesem Umstand wurde in der gesamten Organisationsliteratur bis anhin wenig Beachtung geschenkt. Häufig wurde der Fokus auf die Oberflächenstruktur der Organisation gelegt, indem eine Organisationsdimension hervorgehoben wurde. Diese eindimensionale Betrachtungsweise basierte auf einem entsprechend einfachen, technomorphen Managementverständnis und stiess deshalb immer wieder an unüberwindbare Grenzen. Nur wenige Ansätze werden der Vieldimensionalität und Dynamik von Organisationen gerecht. Zu dieser Kategorie können – wie später noch gezeigt wird – die Profit-Center-Organisation, das fraktale Unternehmen und das Viable System Model gezählt werden.

3.2.1.2.3 Priorität der manageriellen Organisationsperspektive

Neben den dargelegten grundlegenden Sichtweisen (institutional, instrumental, funktional) gibt es auch fachliche Perspektiven auf die Organisation. Zu diesen fachlichen Perspektiven gehört u.a. die umweltrechtliche, die steuerrechtliche und die managerielle Perspektive. Die managerielle Organisationsperspektive hat als oberstes Ziel die Lebensfähigkeit von Organisationen. Dabei geht es um die Organisation als funktionierende Ganzheit.Demgegenüber verfolgen die anderen fachlichen Perspektiven nur Teilziele der Organisation. Ein Steuerexperte möchte z.B. unter steuerrechtlichen Gesichtspunkten eine Unternehmung so organisieren, dass die Unternehmung als Ganzes möglichst wenig Steuern zahlen muss. Ein Umweltexperte möchte wiederum eine Organisation, welche eine möglichst gute Ökobilanz aufweist.

Die hier vertretene und empfohlene Priorität der manageriellen Organisationsperspektive besagt nicht, dass z.B. im Rahmen einer Reorganisation andere Organisationsperspektiven nicht auch Berücksichtigung finden sollen. Sie haben jedoch im Vergleich zur manageriellen Organisationsperspektive immer nachrangig behandelt zu werden. Eine manageriell gute Organisation lässt sich immer auch steuerlich noch optimieren. Eine nur unter steuerlichen Gesichtspunkten erstellte Organisation (z.B. ein übertrieben verschach-telter Konzern) lässt sich jedoch oft kaum mehr führen und der originäre Zweck der Unternehmung wird gefährdet.

Theoriebausteine zur MPA 105

Die weiteren Ausführungen dieser Arbeit beziehen sich deshalb auf die managerielle Perspektive von Organisationen. Spezialgebiete werden den jeweiligen Spezialisten überlassen. Diese können sich jedoch mit ihrer Arbeit an der Logik der Management-Prozess-Architektur orientieren resp. diese als Leitplanken ihrer Spezialistenarbeit betrachten. Diese Leitplanken sind auf das manageriell Wesentliche beschränkt, sodass ausreichend Spielraum für die Spezialistenarbeit bleibt und somit auch deren Existenzberechtigung vollends gewahrt bleibt.

3.2.1.3 Überblick über Organisationsansätze

3.2.1.3.1 Entwicklung der Organisationstheorien

In den letzten 100 Jahren haben sich unterschiedliche Theorien entwickelt, welche sich mit der Organisation von Institutionen beschäftigen. In Anlehnung an HILL/FEHLBAUM/ULRICH seien hier die wichtigsten Ansätze im Überblick dargestellt.343 Bereits in den 1910er Jahren wurde das Scientific Management als physiologisch-technischer Ansatz bekannt. Hauptbegründer war TAYLOR, weshalb man zum Teil auch von Taylorismus spricht. In den 1920er Jahren entwickelten sich der bürokratische Ansatz von WEBER sowie der administrative Ansatz von FAYOL und von URWICK. Als motivationsorientierte Ansätze wurden in den 1930er Jahren der Human-Relation Ansatz (Hauptvertreter: MAYO) und der Human Resources Ansatz mit den Hauptvertretern MASLOW, MC GREGOR, LIKERT, AGYRIS und HERZBERG bekannt. Der entscheidungsorientierte Ansatz mit seiner formal-entscheidungstheoretischen Variante (Hauptvertreter: MARSCHAK u.a.) und seiner verhaltenswissenschaftlichen Variante (BARNARD, SIMON, MARCH) kam in den 1940er Jahren auf. Die 1950er und 1960er Jahre brachten den systemorientierten Ansatz in drei unterschiedlichen Varianten hervor: Die Organisationssoziologische Variante (Haupt-vertreter: PARSONS, ETZIONI, PUGH ET AL.), die systemtheoretisch-kybernetische Variante (BERTALANFFY, ACKOFF, BEER) sowie die soziotechnische Variante (EMERY, TRIST,KATZ/KAHN, LAWRENCE/LORSCH, J.D. THOMPSON). Ab den 1970er Jahren sind im Rahmen des interaktionsorientierten Ansatzes die organisationskulturelle Variante (Hauptvertreter: PONDY, WEICK, SCHEIN), die mikropolitische Variante (BURNS, CROZIER/FRIEDBERG,PFEFFER, MINTZBERG) und die transaktionskostenökonomische Variante (COASE,WILLIAMSON, OUCHI) entstanden.

Wie jede Kategorisierung ist auch die obige nur ein Ausschnitt aus einer vielschichtigen Entwicklungsgeschichte der Organisationstheorie und somit keineswegs als abschliessend 343 Vgl. Hill, Fehlbaum und Ulrich, Organisationslehre, 1992, S. 407.

106 Theoriebausteine zur MPA

zu betrachten.344 An dieser Stelle geht es lediglich darum zu zeigen, in welchem Kontext der systemorientierte Ansatz entstanden ist und wie er sich von den anderen Ansätzen im Grundsatz unterscheidet. Später aufgekommene Ansätze haben frühere jeweils nicht abgelöst, vielmehr entstanden eine Vielzahl von Ansätzen, die - auch heute noch – neben-einander existieren. So hat z.B. McDonalds seine erfolgreiche Globalisierung zu grossen Teilen dem Taylorismus zu verdanken. Allen Ansätzen ausser dem systemorientierten Ansatz ist jedoch gemeinsam, dass sie sich nur auf einen Teilaspekt der Führung von und in sozialen Systemen fokussieren. Der systemorientierte Ansatz in seiner systemtheoretisch-kybernetischen Variante ist auf die Bewältigung von komplexen Problemen ausgerichtet. Dies lässt ihn für die heutige Zeit, die geprägt ist von Problemsituationen, welche durch eine grosse Zahl sich ständig verändernder Elemente und deren Interpendenzen gekennzeichnet sind, besonders hilfreich erscheinen. Die in Kapitel 2.2 dargelegten Eckpfeiler der system-orientierten Managementlehre machen deutlich, dass die Anwendung von Erkenntnissen, Methoden und Begriffen aus der Systemtheorie und Kybernetik auf reale Führungs-probleme fruchtbar ist. Systemorientiertes Management als „Inbegriff von Gestaltungs- und Lenkungsprozessen erscheint aus kybernetischer Sicht als informationsverarbeitendes Teilsystem, welches in ständiger Auseinandersetzung mit einer sich wandelnden Umwelt Ziele setzt, Bedingungen festlegt, das Realsystem Unternehmung zielentsprechend gestaltet und die zur Zielerreichung notwendigen Prozesse einleitet, beeinflusst und kontrolliert."345

3.2.1.3.2 Entwicklung der Organisationspraxis

Nur teilweise durch die vorgenannten Organisationstheorien beeinflusst, haben sich in der Praxis unterschiedliche Konzepte für die (Oberflächen)-Struktur einer Unternehmung herausgebildet. Diese grundlegende Form der Primärorganisation lässt sich nach Gliederungskriterien herleiten. Bilden Funktionen das Gliederungskriterium, ergibt sich eine funktionale Organisation. Bei Objekten (Produkte, Regionen, Kunden) ergibt sich entsprechend die Spartenorganisation, die Regionalorganisation oder die Markt-/ Kundengruppen-Organisation. 346 Kombiniert man funktionsorientierte Entscheidungs-kompetenzen mit objektbezogenen Entscheidungskompetenzen, so liegen zwischen der eindimensionalen funktionalen Organisation und der eindimensionalen objektbezogenen Organisation nach GALBRAITH drei zweidimensionale Organisationsformen. Es sind dies die funktionale Organisation mit einer Sekundärstruktur nach Objekten, die zwei-

344 Ergänzend seien z.B. die Klassifizierungen von Ansätzen der Organisationstheorie I und II bei Walter-Busch erwähnt: Vgl. Walter-Busch, Organisationstheorien, 1996, S. 58 und 60. 345 Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 18 f. Hervorhebung gemäss Original. 346 Vgl. Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 259.

Theoriebausteine zur MPA 107

dimensionale Matrixorganisation (mit gleichberechtigten Dimensionen) und die objekt-orientierte Organisation mit Sekundärstruktur nach Funktionen.347 Des Weiteren können bei der funktionalen Organisation und der objektorientierten Organisation neben der jeweiligen Sekundärstruktur noch weitere Dimensionen als Tertiär-, Quartärstruktur etc. hinzukommen. Im Falle von gleichberechtigten Dimensionen spricht man drei und mehr Dimensionen von einer Tensor-Organisation. 348 Weitere Dimensionen sind z.B. die Dimension der Projektorganisation und die Dimension der Führungsorganisation.349 Als Formen der Primärorganisation sind insb. noch die Holdingorganisation als Organisation nach rechtlichen Einheiten und die Netzwerkorganisation als Organisation nach wirtschaftlich selbständigen Einheiten zu nennen.350

GOMEZ/ZIMMERMANN haben verschiedene Organisationsformen einzelnen Entwicklungs-phasen von Unternehmen zugeordnet. Während Pionier-Unternehmen noch mit der einfachen Linienorganisation und der Stab-Linienorganisation auskommen, setzen Wachstumsunternehmen insbesondere die funktionale Organisation, die Projektorganisation oder die Matrixorganisation ein. Die divisionale Organisation, die Tensor-Organisation und die Holdingorganisation werden vorwiegend von Reife-Unternehmen genutzt. Wende-Unternehmen verwenden vorab die Allianz- und die Clusterorganisation.351 So hilfreich diese Einordnung auf den ersten Blick erscheint, so viele Fragen wirft sie beim zweiten Hinsehen auf. Ist diese Entwicklung ev. ein Phänomen der 1960er-, 1970er-, 1980er- und 1990er-Jahre? 352 Also eher ein Zeichen der Zeit (zunehmende Komplexität, nahendes Komplexitätszeitalter) und nicht primär eines der Lebensphase eines Unternehmens? Wie weiss ein Unternehmen (nicht erst ex post), in welcher Lebensphase es sich befindet? Wie hängt die Lebensphase eines Unternehmens mit der geeigneten Organisationsform zusammen? Hängt Ersteres von Letzterem oder Letzteres von Ersterem ab? Oder vielleicht eben Beides von Beidem?

347 Vgl. Galbraith, Designing, 1973, S. 114. 348 Vgl. Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 273. 349 Vgl. hierzu die Ausführungen unter 2.2.2.3 zum Organisationsmodell nach dem St. Galler Management-Modell. 350 Vgl. Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 277 ff. und S. 285 ff. 351 Vgl. Gomez und Zimmermann, Unternehmensorganisation, 1999, 176 ff. 352 Dieses zeitliche Phänomen wird von Gomez/Zimmermann ebenfalls thematisiert, jedoch nicht im direkten Zusammenhang mit der erwähnten Klassifikation der Organisationsformen nach Lebensphasen. Gomez und Zimmermann, Unternehmensorganisation, 1999, S. 189 ff.

108 Theoriebausteine zur MPA

3.2.1.3.3 Organisationsansätze für Komplexitätsmeisterung

Die im Anschluss an die Überlegungen von GOMEZ/ZIMMERMANN aufgeworfenen Fragen lassen sich nicht alle abschliessend beantworten; aber sie lassen sich auflösen, so dass man sie gar nicht beantworten muss. Stattdessen muss man sich einer anderen Frage stellen. Wichtiger als die Lebensphase für die Wahl der geeigneten Organisationsform ist nämlich die Frage nach der Komplexität der Umwelt und davon abgeleitet der notwendigen Komplexität des Unternehmens.353 Diese Komplexität ist massgeblich für die Beurteilung einer geeigneten Organisationsform und des notwendigen Managements. Dabei sind nicht nur das Alter oder die Grösse des Unternehmens Komplexitätstreiber, sondern insbesondere Aspekte wie Internationalisierung, Technologisierung, Diversifikation, Anteil Wissens-arbeiter etc. Unter Berücksichtigung der steigenden Komplexität hat das Management für ein dynamisches Fliessgleichgewicht zwischen Umwelt und Unternehmen zu sorgen.354

Eine wirksame Management-Prozess-Architektur verbindet Management- und Organisa-tionsanforderungen im Hinblick auf eine erfolgreiche Komplexitätsbewältigung. Ent-sprechend ist die Lebensfähigkeit einer Unternehmung massgeblich von der Wirksamkeit der Management-Prozess-Architektur abhängig. In der nachfolgenden Abbildung 10 wird der vertikalen Achse der „Umwelt-/Unternehmens-“Komplexität eine horizontale Achse gegenüber gestellt. Diese steht für die Wirksamkeit der Management-Prozess-Architektur.Die Diagonale zeigt, abgeleitet von der „Umwelt/Unternehmens“-Komplexität, die minimal erforderliche Wirksamkeit der Management-Prozess-Architektur. Unternehmungen, welche in der Fläche rechts von der Diagonale positioniert werden können, sind lebensfähig, diejenigen links von der Diagonale nicht.

353 Die Komplexität der relevanten Umwelt ist aufgrund des Fliessgleichgewichts gleich der Komplexität des Unternehmens. Die vertikale und horizontale Achse stehen ihrerseits auch in einem gegenseitgien Beeinflussungs-verhältnis, d.h. eine wirksame Management-Prozess-Architektur hat logischerweise Einfluss auf die Varietät des Unternehmens (und dessen Umwelt) und umgekehrt wirkt dieses auf die Management-Prozess-Architektur. 354 Vgl. hierzu auch Probst und Raisch, Gleichgewicht, 2005, S. 233 ff.

Theoriebausteine zur MPA 109

Abbildung 10: Lebensfähigkeit durch Wirksamkeit der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung)

Die Wirksamkeit der Management-Prozess-Architektur hängt von deren Fähigkeit zur Komplexitätsmeisterung ab. Diese wiederum ist abhängig von der Grundgliederung des Unternehmens in möglichst eigenständige Einheiten und der Qualität der Managementprozesse zur metasystemischen Lenkung dieser Einheiten. Generell lässt sich festhalten, dass wir in der Abbildung links von der Diagonale von reduktionistischen, eindimensionalen Organisationsformen auf Basis einer Positions-Hierarchie-Denkweise sprechen. Diese können nur Unternehmen lebensfähig halten, welche sich durch eine tiefe „Umwelt-Unternehmens“-Komplexität auszeichnen. Demgegenüber sprechen wir auf der rechten Seite der Diagonale von kybernetischen, mehrdimensionalen Organisationsformen auf Basis von Funktions-Heterarchie. Diese halten Unternehmen auch dann lebensfähig, wenn eine hohe „Umwelt-Unternehmens“-Komplexität vorherrscht.

Es ist somit zu klären, welcher Organisations-Ansatz für Unternehmen des Komplexitätszeitalters besonders geeignet ist, indem das Ganze (die Unternehmung) in möglichst selbstlenkende Einheiten unterteilt wird, welche intern und extern mit anderen Einheiten interagieren. 355 Besonders geeignet erscheinen Formen der netzwerkartigen modularen Organisation. 356 Nachfolgend werde ich diesbezüglich drei Organisations-

355 Intra- und interorganisationale Netzwerke bieten wirksame Koordinationsformen im Spannungsfeld von Markt und Hierarchie. Vgl. Jäger, Koordinationsstrukturen, 2004, S. 126 sowie im Kontext der Konzernentwicklung Ringlstetter, Konzernentwicklung, 1995, S. 137 ff. 356 Vgl. Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S 286 sowie Riggers, Value System, 1998, S. 88 f.

Wirksamkeit der Management-Prozess-

Architektur

„Umwelt-/ Unternehmens-“

Komplexität

höher

niedriger

niedriger höher

Nicht lebens-fähig

Lebens-fähig

110 Theoriebausteine zur MPA

Ansätze näher vorstellen. Es sind dies die Profit-Center-Organisation, das fraktale Unternehmen und das Viable System Model.

3.2.2 Vorstellung ausgewählter Ansätze

3.2.2.1 Die Profit Center-Organisation

3.2.2.1.1 Anforderungen an Profit Center

Konzepte der Center-Organisation und die damit verbundene Dezentralisierung konnten sich in den 1960er-Jahren in den USA und in den frühen 1970er-Jahren in Europa weitgehend durchsetzen.357 Das bekannteste Konzept ist dabei jenes des „Profit Center“.358 Dieses steht einerseits für eine abrechnungstechnische Einheit (accounting entity) und zum anderen für einen Verantwortlichkeitsbereich (responsibility entity). 359 Mit dieser Umschreibung sind jedoch sowohl funktionale Profit Centers als auch objektorientierte/ divisionale Profit Centers denkbar. Damit die Konsistenz von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten gewahrt bleibt, müssen Profit Center nach MENZ vier Anforderungen erfüllen:360 1. Operationelle Unabhängigkeit 2. Freier Zugang zum Bezugs- und Absatzmarkt 3. Genau zurechenbare Gewinnkomponenten 4. Genügende Grösse (um sich ein ausreichendes Führungsteam zu leisten)

Anhand dieser vier Beurteilungsgrössen lässt sich erkennen, dass tatsächlich funktionierende Profit Center im Regelfall nur nach objektorientierten und nicht nach funktionsorientierten Überlegungen gebildet werden können.361

357 Vgl. Bechmann-Malioukova, Flexibilisierung, 1998, S. 122 sowie Gomez und Zimmermann, Unternehmens-organisation, 1999, S. 189 ff. 358 Dessen Erfindung geht auf Überlegungen von Eugen Schmalenbach Anfang des 20. Jahrhunderts zu Verrechnungspreisen in grossindustriellen Betrieben zurück. Vgl. Wolf, Erfahrungen, 1985, S. 9. 359 Vgl. Menz, Profit-Center, 1973, S. 1. 360 Vgl. Menz, Profit-Center, 1973, S. 8 f. 361 Vgl. Menz, Profit-Center, 1973, S. 23 f. Ein wesentliches und kaum befriedigend lösbares Problem von funktionsorientierten Profit Centern ist nach Menz die Bestimmung optimaler interner Verrechnungspreise.

Theoriebausteine zur MPA 111

3.2.2.1.2 Kompetenzbedingte Abgrenzung von Profit Centern

Neben dem Profit Center gibt es noch andere Center-Ansätze, welche sich aufgrund der ihnen zugeteilten Kompetenzen unterscheiden. Besonders verbreitet sind Cost-Center (mit Kostenverantwortung), Revenue-Center (mit Erlösverantwortung), Profit-Center (mit Gewinnverantwortung) und Investment-Center (mit Investmentverantwortung).362 Das Profit Center kombiniert Erlös- und Kostenverantwortung. Indem ihm für sein Segment sowohl Produktionsbereich als auch Absatzbereich unterstellt sind, wird eine Balance zwischen dem Fokus auf Erlösgrössen und dem Fokus auf Kostengrössen erreicht. 363 Das Profit Center betreibt sein Geschäft als autonome organisatorische Einheit im Rahmen gewisser Restriktionen (z.B. vorgegebener Investitionsentscheide) eigenverantwortlich. Noch weiter-gehend sind die Kompetenzen beim Investmentcenter, bei dem das Center nicht nur die Verantwortung für den Gewinn hat, sondern auch weitgehend über Einsatz und Nutzung von Kapital entscheidet. So kann ein Investment Center z.B. über zumindest einen Teil des erwirtschafteten Gewinns verfügen oder aber auch Fremdkapital aufnehmen.

3.2.2.1.3 Profit Center als autonome Grundeinheiten von Unternehmen

Für die Grundgliederung einer Organisation in möglichst eigenständige und direkt am Markt agierende Unternehmen eigenen sich Profit- und Investment-Center besser als die einseitig ausgerichteten Cost- resp. Revenue-Center. Letzere können jedoch als weitere Subeinheiten von Profit Centern, z.B. als Support-Einheiten (wie IT, Personal etc.) oder als reine Verkaufseinheiten, von Bedeutung sein. Auch Profit- und Investment-Center in der oben skizzierten Form eignen sich nicht vorbehaltslos als Einheiten der Grundgliederung einer Gesamtunternehmung. Die Vorbehalte richten sich insbesondere gegen die starke Fokussierung auf kurzfristige finanzielle Erfolgsgrössen des operativen Managements bei gleichzeitiger Vernachlässigung von Erfolgsgrössen des strategischen Managements.

Eine wesentliche Eigenschaft der Profit-Center-Konzeption ist der Versuch, durch die Realisierung des Prinzips des „self-containment“ relativ autonome Teilbereiche zu strukturieren, die über Zielvorgaben gelenkt werden und so die horizontalen Inter-dependenzen resp. Konfliktpotenziale (im Gegensatz zu funktionsorientierten Strukturen) signifikant reduzieren und Substabilitäten schaffen.364 Damit dies aber gelingen kann, sind Profit Center divisional (und nicht funktional) zu bilden und neben objektbezogenen

362 Vgl. Meissner, Center-Konzepte, 2000, S. 104 ff. sowie Bechmann-Malioukova, Flexibilisierung, 1998, S. 124 ff. 363 Vgl. Welge, Profit-Center, 1975, S. 65. 364 Vgl. Welge, Profit-Center, 1975, S 66.

112 Theoriebausteine zur MPA

Sachleistungszielen sind auch entwicklungsbezogene Führungsziele durch das jeweilige Center zu verfolgen. Die oberste Orientierung von wirklich lebensfähigen Centern hat somit nicht auf kurzfristigen Gewinn, sondern auf nachhaltigen überlegenen Kundennutzen ausgerichtet zu sein.365 Wie die Praxis zeigt, wird aber das „Profit-Center“-Konzept auch in anderer Art und Weise angewandt, z.B. zur Organisation von internen Kernfunktionen366,weshalb im weiteren Verlauf dieser Arbeit eine andere, unmissverständliche Center-Konzeption angestrebt wird.

3.2.2.2 Das fraktale Unternehmen

3.2.2.2.1 Fraktales Unternehmen als Antwort auf turbulente Zeiten

Das Konzept des fraktalen Unternehmens entwickelte WARNECKE in den frühen 1990er-Jahren 367 als Antwort auf die zunehmende Komplexität der Umwelt und der damit verbundenen Unzulänglichkeit bisheriger Sichtweisen.368 Auch wenn sich der Ursprung des Konzepts des fraktalen Unternehmens im Kontext von Produktionsbetrieben finden lässt369,so sind doch die genannten Prinzipien sehr wohl auch für andere Unternehmen relevant. Flexibilisierungsdruck, u.a. aufgrund spezifischer Kundenanforderungen, erhöhter Varietät des Leistungsangebots und der Notwendigkeit der situativen Ressourcenzuteilung, ist heutzutage längst nicht mehr nur ein Thema von produzierenden Industrieunternehmen, sondern z.B. auch von Wissensorganisationen der Dienstleistungsbranche. Im Unter-nehmenskontext geht es bei Fraktalen und deren Zusammenspiel nach WARNECKE insbesondere um Kommunikation auf der horizontalen Leistungsebene anstelle von Weisungen über vertikale Hierarchieebenen.370

Der Begriff „Fraktal“ wurde geprägt durch Beschreibungen von Organismen und Gebilden der Natur, die durch Kombination von sich wiederholenden Bausteinen komplexe Lösungen

365 Vgl. hierzu die Überlegungen unter 2.2.3.2.2 (Customer Value statt Shareholder Value). 366 Vgl. Bechmann-Malioukova, Flexibilisierung, 1998, S. 125. 367 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993. Die erste Auflage dieses Buches ist 1992 unter dem Titel „Die Fraktale Fabrik“ erschienen. Der in „Revolution der Unternehmenskultur – Das Fraktale Unternehmen“ geänderte Titel widerspiegelt die Relevanz des Ansatzes über den eigentlichen Produktionsbetrieb hinaus. Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 5. 368 Vgl. Warnecke, Aufbruch, 1995, S. 9 ff. und S. 460 ff. 369 Flexible Produktionssysteme müssen sich an verändernde Umweltbedingungen anpassen können und kosteneffizient eine hohe Produktvarietät mit relativ kleinen Losgrössen produzieren können. Mit Bezug auf das Produktionslayout wurde die Maschinenquantität in Abhängigkeit der Transportdistanz für Materialien durch eine fraktale Zellstruktur optimiert. Vgl. hierzu Saad und Lassila, Fractal Organizations, 2004, S. 3529 ff. 370 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 9.

Theoriebausteine zur MPA 113

durch Selbstorganisation, Selbstoptimierung und Dynamik hervorbringen.371 Der Durch-bruch in der Beschreibung von derartigen Organismen und Gebilden gelang der Mathematik mit der durch MANDELBROT begründeten Theorie der fraktalen Geometrie. 372 Fraktale Objekte zeichnen sich durch ihre Selbstähnlichkeit aus, bei der wie bei Schneeflocken oder einem Blumenkohl vergrösserte Ausschnitte immer wieder eine ähnliche Struktur aufweisen wie das gesamte Objekt. WARNECKE definiert Fraktal im Unternehmenskontext wie folgt: „Ein Fraktal ist eine selbständig agierende Unternehmenseinheit, deren Ziele und Leistung eindeutig beschreibbar sind.“ 373 Mit den Eigenschaften resp. Prinzipien der Selbst-ähnlichkeit, der Selbstorganisation, der Selbstoptimierung, der Zielorientierung und Dyna-mik wird das einzelne Fraktal zum zentralen Gestaltungselement von Organisationen.374

3.2.2.2.2 Die Prinzipien von fraktalen Einheiten

Die Selbstähnlichkeit fraktaler Einheiten bezieht sich nicht nur auf strukturelle Eigen-schaften, sondern insbesondere auch auf die Art und Weise der Leistungserstellung und den Umgang mit Zielvereinbarung und -erreichung. Auch bei gleichen Zielen sowie gleichen Input- und Output-Grössen kann sich die interne Struktur von Fraktalen unterscheiden. Wie bei den Strukturen der fraktalen Geometrie lassen sich immer nur ähnliche, nicht jedoch gleiche Strukturen ausmachen. Fraktale betreiben ein internes und externes Netzwerk-management. Währenddem sich das externe Netzwerkmanagement auf Kunden, Kooperationspartner und Lieferanten bezieht, geht es beim internen Netzwerkmanagement um das Zusammenspiel mit anderen Fraktalen oder zentralen Funktionen (Support Units).375

Durch das fraktale Unternehmen soll auch das unternehmerische Denken und Handeln gefördert werden. Selbstorganisation bezieht sich daher nicht nur auf die operativen, sondern auch auf die strategischen Aufgaben. Operative Aufgaben werden eigenständig wahrgenommen, und die Mitarbeiter tragen zu Selbstregulation und Selbstbestimmung bei. Neben der operativen Tätigkeit erfordert die komplexe Umwelt aber auch einen dynamischen Strukturbildungsprozess. D.h. ein Fraktal muss eigenständig in der Lage sein, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.376

371 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 9. 372 Vgl. Mandelbrot, Fraktale Geometrie, 1987. 373 Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 152. 374 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 152. 375 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 154 ff. 376 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 157 ff.

114 Theoriebausteine zur MPA

Eine weitere Aufgabe der strategischen Ebene ist das aktive Mitwirken eines Fraktals bei der Vereinbarung der eigenen Ziele. 377 Dies ist wesentlicher Bestandteil der Selbst-optimierung durch das Fraktal. 378 Jedes Fraktal zeichnet sich durch eine ausgeprägte Zielorientierung aus. Neben der Mitsprache bei der Zielvereinbarung obliegt dem Fraktal die volle Freiheit, geeignete Vorgehen und Mittel zu wählen, um die Ziele zu erreichen. Die verschiedenen Ziele der Fraktale müssen auf übergeordneter Ebene in ein Zielsystem zur Erreichung der Gesamtunternehmensziele fliessen.379

Damit die dargelegten Prinzipien auch wirklich funktionieren können, muss eine aus-reichende Dynamik vorhanden sein. Diese wird erreicht durch ein wirksames Informations- und Kommunikationssystem. Wesentlicher Inhalt der Information und Kommunikation sind die laufenden Bewertungen der Leistungen der Fraktale.380

3.2.2.2.3 Fraktale im Kontext der Unternehmensführung

Die eigenständigen Fraktale müssen auf den Systemzweck des grösseren Ganzen ausgerichtet werden. Eine entsprechende Koordinationsfunktion muss dafür sorgen, dass die einzelnen Fraktale sinnvolle Handlungen vollziehen. Die Fraktale selbst müssen zudem in der Lage sein, ihre Entwicklungsposition zu bestimmen und Massnahmen der Weiter-entwicklung einzuleiten. Generell lässt sich festhalten, dass im Konzept der fraktalen Organisation ein partizipatives Führungssystem mit weitgehender Delegation zur Anwendung kommt.381 Durch die Nähe der Fraktale zum Kunden und das unternehmerische Denken und Handeln kann eine Erhöhung der Führungsqualität vermutet werden. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass in der fraktalen Organisation der Bedarf an Mitarbeitern mit Führungsfähigkeiten nicht geringer, sondern grösser wird.382

ZAHN weist darauf hin, dass das Konzept der fraktalen Organisation neue Heraus-forderungen an die Unternehmensführung stellt. Aus seiner Sicht ungelöste Probleme sind insbesondere der Weg hin zu einer fraktalen Struktur, die zweckmässige Ausgestaltung der Fraktale, geeignete Koordinationsmechanismen sowie der strategische Fit der Fraktale und deren Gesamtführung. Wie ZAHN selbst anmerkt, kann der Weg zur fraktalen Struktur nicht 377 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 157 ff. 378 Im Sinne der Selbstoptimierung ist ein Fraktal bestrebt, sich aufgrund von internen und externen Beziehungen laufend umzubilden, in neuer Form zu entstehen oder sich auch aufzulösen. Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 153. 379 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 153 sowie Wagner, Fraktale Organisation, 2001, S. 145 ff. 380 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 153. 381 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 189. 382 Vgl. Warnecke, Unternehmenskultur, 1992/1993, S. 200.

Theoriebausteine zur MPA 115

umfassend bestimmt werden, sondern er muss mit entsprechenden Gewöhnungs- und Lernphasen gegangen werden. Die Ausgestaltung der Fraktale muss individuell im Einzelfall betrachtet werden, kann sich jedoch gemäss ZAHN an gewissen Eckpfeilern orientieren (Aufgabengestaltung, -verteilung, Kompetenzen). Hinsichtlich der Koordinationsform schlägt er eine Kombination von Hierarchie-, Markt- und Clan-Mechanismen vor.383 Hinsichtlich der Beurteilung des strategischen Fits nennt ZAHN die Kenntnisse strategischer Erfolgsfaktoren, Überlegungen zu Synergien, Nähe zum Kerngeschäft und Einschätzung des finanziellen Erfolgs als wesentliche Aspekte. Ganzheitliche Steuerungssysteme können sich nach ZAHN an den Dimensionen der Balanced Scorecard von KAPLAN/NORTON ausrichten, wobei die vier Dimensionen als Abbildungen desselben Realsystems, dem einzelnen Fraktal, verstanden werden müssen.384

3.2.2.3 Das Viable System Model

3.2.2.3.1 Steuerungs- und Regulierungsprozesse für die Lebensfähigkeit

Das Viable System Model (VSM) von BEER ist ein Managementmodell im Sinne einer invarianten Funktionsstruktur von lebensfähigen Systemen. Im Gegensatz zu techno-morphen Vorstellungen der Gewinnmaximierung steht beim systemisch-kybernetischen Ansatz die Lebensfähigkeit eines Systems im Vordergrund. Die Kybernetik als Wissenschaft der Steuerung und die mit ihr verwandte Systemwissenschaft sowie die Informationstheorie haben es ermöglicht, Information neben Materie und Energie als dritte Grundgrösse der Natur zu verstehen.385 In seinen Überlegungen hält BEER fest: "the degree of control ... is proportional to the ... amount of effective information available to the system."386 Das Mass an Information in einer Organisation bestimmt somit das Mass an Steuerung und Kontrolle sowie die Leistungsfähigkeit der Struktur resp. die Funktionsweise der Organisation.

Nach BEER geht es um einen Paradigmenwechsel weg vom "Modell der Maschine" hin zum "Modell des Organismus".387 Während nach dem "Mechanistischen Modell" Organisation als Organisieren von Tätigkeiten, als Kraftverstärker und als Organisieren im Detail

383 Zu Zwischenformen von marktlicher und hierarchischer Koordination siehe auch Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 287. 384 Vgl. Zahn, Unternehmensführung, 1995, S. 157 ff. 385 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 41. 386 Beer, Decision, 1966, S. 357. 387 Vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 119 ff.

116 Theoriebausteine zur MPA

verstanden wird, steht im "Organismischen Modell" 388 das Organisieren von Informationsflüssen und Wissen, die Organisation zwecks Intelligenzverstärkung sowie das Schaffen von günstigen Rahmenbedingungen für Selbstorganisation im Vordergrund.

Das Viable System Model wird dem Umstand gerecht, dass Organisation und Management untrennbare Aspekte sind und gemeinsam die Management-Prozess-Architektur begründen. Die Grundgliederung einer Organisation sollte demnach so sein, dass Steuerungs- und Lenkungsprozesse bestmöglich ablaufen können. Die Natur hat mit dem menschlichen Zentralnervensystem weltweit die derzeit beste Steuerung und Regelung entwickelt. Zur Entwicklung des Viable System Model übertrug deshalb BEER den Aufbau und die Funktionsweise von Zentralnervensystemen auf ein allgemeines Modell zur Steuerung und Regelung von Systemen.389

3.2.2.3.2 Systemfunktionen

Im Viable System Model (VSM) treten anstelle von fachlichen Funktionen (Finanzen, Human Resources, Marketing, Vertrieb, etc.) systemische Funktionen (Operieren, Koordinieren, Optimieren, Aufklären und Werte setzen). Nachfolgende Abbildung 11 gibt einen Überblick über die fünf VSM-Systemfunktionen.

388 Unternehmen werden dabei nicht gleichgesetzt mit lebenden Organismen. Es geht „lediglich“ darum, was Organisationen von lebenden Organismen resp. der Biologie lernen können. Vgl. Malik, Corporate Governance, 2002, S. 174. 389 Vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 99 und 130 f. und die dortigen Erläuterungen zur Übertragung der Funktionseinheiten/-weisen des Zentralnervensystems auf die Funktionseinheiten/-weisen im Viable System Model.

Theoriebausteine zur MPA 117

VSM-Grafik VSM-Systemfunktionen Analogie beim Menschen

5 Normative Corporate Management (u.a. Identität/Werte und letzte Autorität bei Konflikten System3/4)

Der Cortex (Hirnrinde), welcher für Bewusstsein, Identität und Moral sorgt

4 Strategic Corporate Management. Fokus auf “aussen und morgen”. (u.a. Strategie, Aufklärung)

Das Zwischenhirn, welches für Wahrnehmung und Anpassung an die Umwelt sorgt

3 Operative Corporate Management. Fokus auf “innen und heute”. (u.a. Ressourcenallokation, Optimierung)

Das Kleinhirn und das vegetative Nerven-system, welche für die Stabilisierung und Optimierung des Ge-samtkörpers sorgen

2 Koordination der operativen Einheiten (durch Spielregeln, Planungs-/ Kontroll-systeme etc.)

Das Rückenmark, welches für Koordination der autonomen Organe sorgt

1a-1...

Operative Einheiten / Divisionen (stehen in direkter Verbindung mit Umwelt/Kunde)

Die Organe, welche für Aktionen, Handeln, Bewegen, Tun sorgen

Abbildung 11: Übersicht über die Systemfunktionen des Viable System Model (eigene Darstellung in Anlehnung an Beer)390

Ein Unternehmen besteht nach dem Viable System Model aus mehreren 1er-Systemen resp. „Operations“ (Divisionen, ergebnisverantwortliche Einheiten), welche über System 2 koordiniert und unterstützt werden (Support Functions). Systeme 3-5 sind metasystemisch für das operative, das strategische und das normative Management zuständig. Die Erfüllung dieser Funktionen erfolgt durch mehrere Personen, und eine Person trägt meistens zu mehreren Systemfunktionen bei. Dies nach dem unter 3.1.1.1.2 aufgezeigten Unterschied von Funktionen zu Positionen und der unter 2.1.5.2 dargelegten Multifunktionalität.

"Das Modell des lebensfähigen Systems darf (…) keineswegs so verstanden werden, dass die entsprechenden Systemfunktionen durch jeweils gigantische Abteilungen in der Unternehmung ausgeübt würden, und dass die zwischen ihnen bestehenden Verbindungen durch formalisierte Kommunikationskanäle zu gestalten wären." 391 Das Viable System 390 Vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 167 ff. 391 Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 97 f.

23*

4

5

3

1a

1b

1c

1..

118 Theoriebausteine zur MPA

Model ist kein Organigramm. Entsprechend lässt sich eine Person auch nicht einem VSM-Kästchen zuordnen, sondern übernimmt oft mehrere Systemfunktionen. Organigramme manifestieren eine eindimensionale oberflächliche Sicht auf SOLL-Führungsstrukturen von Organisationen, sind jedoch untauglich, wenn es um die tatsächliche Funktionsweise und das Verhalten von Systemen geht. Das Viable System Model legt die Tiefenstrukturen der Organisation offen, die hinter dem Organigramm liegen.392

3.2.2.3.3 Rekursivität

Lebensfähige Systeme bestehen ihrerseits wieder aus lebensfähigen Systemen. Das Recursive System Theorem von BEER besagt: "In a recursive organizational structure, any viable system contains, and is contained in, a viable system."393 Die Rekursivität des Viable System Model macht es möglich, z.B. das Gesamtsystem von der einzelnen Filiale bis zur Zentrale eines Unternehmens mit allen Produkten, Kundengruppen und Regionen in einem einheitlichen Modell abzubilden, zu optimieren und zu steuern. "Die gegenseitigen Beziehungen von Systemen auf jeweils anschliessenden Rekursionsebenen sind (…) nicht vorwiegend solche der Super- oder Subordination im Sinne der Möglichkeit, Macht auszuüben, sondern (…) metasystemischer Natur." 394 Diese rekursive Logik mit den Prinzipien des „Embedding“ und der „Selbstähnlichkeit“ ist in der nachfolgenden Abbildung schematisch mit Bezug auf die bekannten Babuschka-Puppen dargestellt.

Abbildung 12: Schematische Darstellung des Rekursionsprinzips im Viable System Model (eigene Darstellung in Anlehnung an Beer)395

392 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 96. 393 Beer, Heart, 1979/1994, S. 118. 394 Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 101. 395 Vgl. Beer, Heart, 1979/1994, S. 317 ff.

23*

45

3

1a

1b

1c

1d

23*

4

5

3

1a

1b

1c

1d

23*

45

3

1a1b1c1d

23*

4

5

3

1a

1b

1c

1d

Theoriebausteine zur MPA 119

Die Tragweite des rekursiven Prinzips bringt BEER wie folgt zum Ausdruck: "It is worth reflecting on the potency of this arrangement, and on the fact that recursions of the viable system can be extended upward to the terrestrial globe (within the Universe) and downward to the cell (containing molecules, containing …)."396 Im Unternehmenskontext sind die Rekursionsebenen Mitarbeiter, Team, Abteilung, Bereich, Unternehmen und Unternehmensgruppe ein Beispiel für eine "Kette von Systemen". Das Rekursionsprinzip ist allerdings mehrdimensional, d.h. ein System ist nicht nur in eine "Kette von Systemen" eingebunden. "You belong to a family, which belongs to a village, and so on (…). But you also have a job - which embeds you in a firm or a service or whatever. The chain of systems is now a different one. You belong perhaps to a church, to a sports club, to an 'old school' - and so forth. Each of these chains of systems, which embed each other an ultimately you, we can call a recursive dimension." 397 Im Rahmen der Diagnose und Gestaltung von Systemen ist es wichtig, dass man abhängig vom Untersuchungsinteresse und dem „System in focus“ sich für eine primäre rekursive Dimension entscheidet, welche dann auch im Sinne der Oberflächenstruktur dargestellt werden kann.

3.2.2.4 Vergleich der Ansätze

Die dargelegten Ansätze Profit-Center-Organisation, fraktales Unternehmen und Viable System Model werden nachfolgend auf deren Eignung zur Beschreibung einer Manage-ment-Prozess-Architektur beurteilt. Diese Beurteilung erfolgt anhand von Kriterien, die für eine richtige und gute Management-Prozess-Architektur relevant sind. Diese Kriterien und die jeweilige Bewertung pro Ansatz398 sind in der nachfolgenden Abbildung 13 dargestellt.

396 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 4. 397 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 6. Hervorhebung gemäss Original, jedoch kursiv statt fett. 398 Bei den Bewertungen handelt es sich um meine Einschätzung aufgrund der zitierten und studierten Literatur. Die Bewertungen habe ich horizontal und vertikal validiert, um die Relationen der Bewertungen sicherzustellen. Die sechs Kriterien habe ich gleich gewichtet. Bei einer unterschiedlichen Gewichtung müssten die inhaltlichen Kriterien 1-3 eher höher gewichtet werden als die Kriterien 4 und 5, da es nichts bringt resp. sogar schadet, etwas (inhaltlich) Falsches gut zu verstehen und gut umzusetzen. Bei einer überdurchschnittlichen Gewichtung der Kriterien 1-3 würde das Viable System Model noch deutlicher an erster Stelle des Vergleichs erscheinen.

120 Theoriebausteine zur MPA

Abbildung 13: Zusammenfassende Beurteilung von Organisations-Ansätzen (eigene Darstellung)

Das Viable System Model ist für den weiteren Verlauf der vorliegenden Arbeit der geeignetste Ansatz. Auf Basis einer fundierten wissenschaftlichen Herleitung verbindet der Ansatz in einem Modell Organisations- und Managementaspekte auf verschiedenen Rekursionsebenen und mit einer Orientierung an Lebensfähigkeit und Kundennutzen. Schlechter als die beiden anderen Ansätze schneidet das Viable System Model hinsichtlich Verständlichkeit und Anwendbarkeit ab.399 Hier sei daran erinnert, dass komplexe Probleme nur mit ebenso komplexen Problemlösungen bewältigt werden können. 400 Um diese Limitationen aber für den weiteren Verlauf der Arbeit nicht zu stark wiegen zu lassen,

399 Stellt man sich die Frage, weshalb denn das Viable System Modell in Theorie und Praxis bisher nicht weitere Verbreitung gefunden hat, dann findet sich die Antwort in Grundprinzipien des Viable System Model selbst, nämlich dem Variety Engineering. Das Modell ist zu komplex, als dass es von einer Vielzahl von Personen schnell ausreichend tief verstanden werden könnte. Die Verbreitung des Viable System Model kann somit mit Massnahmen zweier unterschiedlicher Kategorien vorangetrieben werden. Einerseits sind möglichst viele heutige und zukünftige Manager anhand des Viable System Model auszubilden, was zu einer Varietätserhöhung bei den Anwendern des Viable System Model führt. Anderseits ist das Viable System Model in Visualisierung und Anwendungs-Instrumentierung noch zu verbessern. In diesem Punkt bringen die neuen Technologien (3-D, Hyperlinks etc.) willkommene Unterstützung. Das Malik Management Zentrum St. Gallen hat denn auch ein „Viable System Model Interactive“ bereits im erfolgreichen Piloteinsatz. Weitere konkrete VSM-Anwendungen – wie diejenige der vorliegenden Arbeit – dürften zudem zu Anwendungskonzepten und wertvollen Anwendungserfahrungen führen. 400 Richtig verstanden und angewendet ist das Viable System Model eine äusserst wirksame Diagnose-Methode, welche x-fach erfolgreich angewendet worden ist und dabei sowohl für die Diagnose als auch für das Design von Organisationen wertvolle Impulse brachte. Hinsichtlich praktischer Anwendungen siehe auch Schwaninger, Viable Organizations, 2006, S. 955 ff.

Profit Center-Organisation

FraktalesUnter-nehmen

ViableSystem Model

1. Orientierung an Lebensfähigkeitund Customer Value

2. Verbindung von Organisations-und Managementaspekten

3. Rekursivität als wesentlicher Bestandteil

4. Anwendbarkeit für Praktiker

5. Verständlichkeit für Praktiker

6. Wissenschaftliche Herleitung

Gesamtbeurteilung

Theoriebausteine zur MPA 121

enthält Kapitel 3.2.3 eine detaillierte und dennoch komprimierte Darlegung des Viable System Model.

Abschliessend sei darauf hingewiesen, dass das Viable System Model der umfassendste Ansatz ist. Sowohl eine Profit Center-Organisation als auch ein fraktales Unternehmen können anhand des Viable System Model dargestellt werden. Umgekehrt lässt sich das Viable System Model aber nicht durch die beiden anderen Ansätze darstellen.

3.2.3 Detaillierte Darlegung des Viable System Model

3.2.3.1 Varietätsausgleich zwischen Basiseinheiten

Wir haben in Kapitel 2.1.3.1 gesehen, dass ein System immer erst im Zusammenspiel mit seiner Umwelt verstanden werden kann resp. dieses Zusammenspiel das eigentliche System ausmacht. Die Unterscheidung in Umwelt und Operation ist eine rein definitorisch-gedankliche Unterscheidung und nicht eine reale Trennung. Beschäftigt man sich mit dem Management von Systemen, dann ist neben der Umwelt und der Operation das Management als dritte Basiseinheit zu unterscheiden. Unter der Operation versteht man das, was ein System tut, also die Zweckerfüllung. Das Management hat die Operation in ihrer Umwelt zu gestalten, zu lenken und zu entwickeln.401,402

Im Rahmen des Viable System Model können wir nicht irgend einen Teil eines Ganzen als Umwelt-Operation-Management skizzieren, sondern nur lebensfähige Systeme. Im Unternehmenskontext sind dies Einheiten wie z.B. strategische Geschäftsfelder oder Divisionen. Entscheidend ist, dass es ergebnisverantwortliche Einheiten (EVE) 403 mit entsprechender Verantwortung sowohl für ausführende Leistungsergebnisse als auch für lenkende Führungsergebnisse sind. Eine EVE muss ein wirtschaftliches Resultat erzielen, prinzipiell selbständig bilanzieren können und die eigene Lebensfähigkeit aufrecht erhalten.

Für EVEs ist der direkte Marktzugang (als Interaktion zur Umwelt und zu Preis-/Mengen-Mechanismen) entscheidend. Rein interne Funktions- resp. Sachbereiche sind demnach

401 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 21. 402 Die Unterscheidung in diese Basiseinheiten wurde nicht nur von Beer im Viable System Model so gemacht, sondern auch von Ulrich/Krieg im St. Galler Management-Modell. Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001. 403 Der Begriff der ergebnisverantwortlichen Einheit (EVE) geht auf Arbeiten am Malik Management Zentrum St. Gallen zurück und findet sich z.B. auch in Publikationen von Malik und Stöger. Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 101 und Stöger, Strategieentwicklung, 2007, S. 55.

122 Theoriebausteine zur MPA

nicht EVEs, sondern Unterstützungsfunktionen für EVEs. 404 Wird aber z.B. eine Personalabteilung zu einem Personaldienstleister transformiert, welcher für sein "Stammhaus", aber auch für andere Unternehmen Personaldienstleistungen erbringt, wird aus einer ursprünglichen Unterstützungsfunktion eine ergebnisverantwortliche Einheit.405

Wie wir unter 2.1.2.3 gesehen haben, ist Komplexität die Grösse, mit der sich Management zu beschäftigen hat. Darstellen lässt sich Komplexität als Varietät, welche gemessen oder zumindest geschätzt werden kann. "Variety is a measure for complexity, because it counts the number of possible states of a system."406 Eine genaue Bestimmung der Varietät ist meist nicht möglich, aber auch gar nicht notwendig. Es reicht, wenn vergleichende Aussagen getroffen werden können.407

Die drei Einheiten Umwelt-Operation-Management bilden zusammen ein lebensfähiges Basissystem und stehen in einem stetigen Varietätsausgleich – auch als Homöostase bezeichnet. Dieser Varietätsausgleich wird in der nachfolgenden Abbildung 14 mit den Symbol-Konventionen nach BEER dargestellt.408

Abbildung 14: Basiseinheiten und deren Varietätsausgleich (eigene Darstellung in Anlehnung an Beer)

Die dargestellten Pfeile stehen stellvertretend für eine Vielzahl von Kanälen, welche die Einheiten miteinander verbinden. Intuitiv wird man annehmen, dass die Umwelt eine höhere Varietät hat als die Operation, und dass die Operation ihrerseits eine höhere Varietät hat als das Management. Das Management kann beispielsweise nicht jedes Detail kennen, welches

404 Vgl. hierzu auch Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 12. 405 Zum möglichen Übergang einer Service-Funktion von einem 2er-System zu einem 1er-System vgl. Vidgen, Architecture, 1998, S. 127. 406 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 21. 407 Vgl. hierzu auch Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 22. 408 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 27 und 47.

Varietäts-dämpfer

Varietäts-dämpfer

Varietäts-verstärker

Varietäts-verstärker

(Sub-)SystemEmbedding

Umwelt Operation Management

Theoriebausteine zur MPA 123

in der Fabrik abläuft. Allerdings haben wir unter 2.1.2.3 AHBY's Law of requisite variety ("only variety can destroy variety") kennen gelernt, welches selbstverständlich nach wie vor Gültigkeit hat. Eine für die empfangende Einheit zu hohe Varietät wird deshalb gedämpft. Beispielsweise wird ein hoher Varietätsinput der Operation auf jenes Varietätsniveau gedämpft, welches der Empfänger (die Management-Einheit) bewältigen kann.

Varietätsdämpfung kann bewusst „designt“ werden, z.B. durch Market Research bezüglich der Umwelt-Varietätsdämpfung oder durch konsolidierte Kennzahlen bezüglich der Operation-Varietätsdämpfung. Wenn die Varietätsdämpfung nicht bewusst vorgenommen wird, findet sie automatisch statt. 409 Das gleiche gilt für die Varietätsverstärker. Veränderung der Varietät durch Gestaltung wird von BEER als "Variety Engineering" bezeichnet. Der Sinn des Variety Engineering lässt sich anhand des ersten Organisationsprinzips von BEER wie folgt umschreiben: "Managerial, operational and environmental varieties, diffusing trough an institutional system, tend to equate; they should be designed to do so with minimum damage to people and to cost".410

Verschiedene von BEER genannte Beispiele411 weisen darauf hin, dass nicht nur die Varietät der Einheiten Umwelt-Operation-Management entscheidend ist, sondern dass auch der Varietät der Kanäle im Sinne der Kanalkapazität eine wichtige Rolle zukommt. BEER fasst dies in seinem zweiten Organisationsprinzip zusammen: "The four directional channels carrying information between the management unit, the operation, and the environment must each have a higher capacity to transmit a given amount of information relevant to variety selection in a given time than the originating subsystem has to generate it in that time."412 Die Kanalkapazität kann als Mass bezeichnet werden für die Informationsmenge, die in einer gewissen Zeit übermittelt werden kann. Information wird über Kanäle von einem Subsystem (z.B. Operation) zum anderen (z.B. Management) transportiert.413

409 Vgl. hierzu auch das Schuhladen-Beispiel in Kapitel 2.1.3.1 (Das System und seine Umwelt). 410 Beer, Heart, 1979/1994, S. 97. Hervorhebung gemäss Original, jedoch kursiv statt fett. 411 Bzgl. "Operational Loop"(Zusammenspiel Management mit Operation) werden in einem Beispiel von Beer detaillierte Produktionspläne als Varietätsverstärker und Produktionsberichte als Varietätsdämpfer genannt, und es wird darauf hingewiesen, dass diese Informationskanäle ausreichende Kapazität und eine gewisse Redundanz zwecks Funktionssicherheit aufweisen müssen. Bzgl. "Environmental Loop" (Zusammenspiel Operation mit Umwelt) nennt Beer das Erfordernis, die Varietät einer Produktstrategie gegenüber dem Markt zu verstärken, indem Produkte und Informationen Kanäle brauchen (z.B. Vertriebssysteme, Werbung), welche ihrerseits ausreichende Varietät aufweisen müssen. Als Beispiele für Varietätsdämpfer werden Garantiefälle und Beschwerdeschreiben genannt, da durch sie in der unendlich komplex erscheinenden Umwelt gewisse Muster erkennbar werden. Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 43 ff. 412 Beer, Heart, 1979/1994, S. 99. 413 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 53. Siehe auch Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 192 f.

124 Theoriebausteine zur MPA

Ein möglicher Informationskanal ist z.B. ein Bericht. Wenn die Information des Berichts die Grenze eines Systems überschreitet, wird sie gewandelt. In Abbildung 14 symbolisieren die Punkte die dazu notwendigen Wandler. Der eine Wandler kodiert die Mitteilung für den Empfänger in seiner Sprache ("Sendersprache"), der andere Wandler dekodiert die Mitteilung in seiner Sprache ("Empfängersprache"). Damit diese Übersetzungsleistung der Mitteilung gerecht wird, gilt auch hier das Law of Requisite Variety von ASHBY. BEER fasst diese Überlegungen in seinem dritten Organisationsprinzip zusammen: "Wherever the information carried on a channel capable of distinguishing a given variety crosses a boundary, it undergoes transduction; the variety of the transducer must be at least equivalent to the variety of the channel."414

Ein Beispiel für eine nicht adäquate Varietät des "Input-Wandlers" (Input für Management) ist z.B. ein Nicht-Eingehen auf einen Bericht, weil dieser vom Titel und Umfang her als sinnlos erachtet wird. Ein Fragebogen, der vom Design her die wirklichen Meinungen von befragten Kunden nicht erhebt, wäre ein Beispiel für einen "Output-Wandler" (Output der Umwelt im Sinne von Antworten auf den Fragebogen) mit nicht ausreichender Varietät.

Die in diesem Kapitel genannten drei Organisationsprinzipien von BEER sind von universeller Gültigkeit. Sie können durch Menschen im Sinne des Varietätsmanagements genutzt, nicht aber ausgeschaltet werden. Die stattfindende Homöostase im Sinne eines Fliessgleichgewichts ist als stetiger, zirkulärer Prozess zu verstehen. Dies ist im vierten und letzten Organisationsprinzip von BEER wie folgt dokumentiert: "The operation of the first three principles must be cyclically maintained through time without hiatus or lag."415

3.2.3.2 Mehrere Teile als Ganzes

Eine Unternehmung besteht in der Regel aus mehreren Teilen, die für sich genommen wiederum die drei zuvor erläuterten Basiseinheiten umfassen. Zusammen bilden die Teile eine Operation auf der übergeordneten Rekursionsebene. Wie in nachfolgender Abbildung 15 dargelegt, haben diese Systeme 1a, 1b, 1c, 1… überlappende Umwelten (z.B. infolge teilweise gleicher Kunden, Lieferanten, Technologien) und stehen auch bezüglich ihrer Operations in Kontakt zueinander (dargestellt als verschnörkelte Linie). Die dargestellten Beziehungen zwischen 1a, 1b, 1c, 1… sind nur schematischer Natur, denn es sind selbstverständlich nicht nur Beziehungen zwischen den benachbarten Teilen (1a mit 1b, 1b mit 1c) möglich, sondern alle 1er-Systeme haben entsprechende mehr oder weniger starke

414 Beer, Heart, 1979/1994, S. 101. 415 Beer, Heart, 1979/1994, S. 258.

Theoriebausteine zur MPA 125

Beziehungen zu allen anderen 1er-Systemen (also z.B. auch 1a zu 1c). Auch sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die Reihenfolge der Systeme (1a, b, c, …) keine Über- oder Unterordnung bedeutet – alle diese Systeme sind gleichberechtigt auf der gleichen Rekursionsebene angesiedelt.

In den gegenseitigen Beziehungen zwischen 1a, 1b, 1c, 1… liegen je nach Situation Synergie- und/oder Konfliktpotenziale. Meist gilt es eine Balance zu finden zwischen Konkurrenz und Kooperation, was z.T. auch als Coopetition bezeichnet wird. Selbst wenn alle Teile mit besten Absichten harmonisch agieren wollen, kommt es zu Missverständnissen, weil sie gegenseitig zu wenig von einander wissen und deshalb ein gewisses Verhalten auch nicht voraussehen oder verstehen können. Stehen die einzelnen Teile untereinander in Beziehung (z.T. auch im Sinne von Lieferanten-Kunden-Beziehungen) oder aber bearbeiten sie ähnliche Märkte, dann ist das Koordinationserfordernis noch um einiges höher.

Abbildung 15: Grunddesign des Viable System Model (eigene Darstellung in Anlehnung an Beer)416

416 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 67 (bzgl. System 2-Aspekte), S. 57, 83. (bzgl. System 3-Aspekte), S. 108, 111, 119 (bzgl. System 4-Aspekte) und S. 125, 129, 133 (bzgl. System 5-Aspekte). Die vereinfachten Verbindungslinien und

23*

4

5

3

1a

1b

1c

1..

126 Theoriebausteine zur MPA

In der Terminologie des Viable System Model werden 1a, 1b, 1c, 1… als 1er-Systeme des "System in focus" bezeichnet. Die notwendige Koordinationsfunktion zwischen den 1er-Systemen erfolgt durch System 2. BEER schreibt zu System 2: "The fact is that System Two - the viable system's anti-oscillatory device for System One - is almost totally misunderstood and under-represented in contemporary management technique. It is always present, or the organization would shake itself to pieces. But because it is not properly handled, enterprises come very close to disintegration (…)."417 System 2 wirkt koordinierend, indem es die 1er-Systeme zu einem Ganzen zusammenfasst und übermässige Schwingungen anti-oszillato-risch zu regeln weiss. Schwingungen oder eben Oszillation entsteht, wenn ein Ganzes nicht in ein homöostatisches Gleichgewicht kommt, sondern sich ständig "überkorrigiert".

Beispiele für System 2 sind Produktionssteuerungssysteme oder Flugleitsysteme resp. Fluglotsen auf einem Flughafen. Betrachtet man die abfliegenden und landenden Flugzeuge als 1er-Systeme, so haben die Fluglotsen die Aufgabe, einen reibungslosen Flugverkehr sicherzustellen. 418 An diesem Beispiel wird deutlich, dass System 2 nicht hierarchisch-übergeordnet ist. Der Fluglotse ist nicht der direkte Vorgesetzte des Piloten. In bestimmten Situationen hat er aber aufgrund seines Informationsvorsprungs eine sachlogische Weisungskraft. Die einzelnen Piloten verlassen sich auf die Weisungen des Fluglotsen, weil dieser neben ihrer eigenen auch die Positionen der anderen Flugzeuge kennt; der Fluglotse hat den Blick fürs Ganze.

Viele der Mechanismen von System 2 werden aber nicht zwingend von einer Person wie dem Fluglotsen ausgeübt. Dies lässt sich zum Beispiel bei Familien sehen. Dort hat z.B. eine gemeinsame Sprache oder ein Putzplan koordinierende Wirkung (2er-System) zwischen den Familienmitgliedern (1er-Systeme). Bei Schulen ist es z.B. der Stundenplan. Der Stundenplan widerspiegelt zwar Führungspolitiken und -entscheidungen, aber gestaltet resp. trifft diese nicht. Der Stundenplan ist deshalb in Schulen ein weit verbreitetes und akzeptiertes Koordinationsinstrument, welches auch nicht den Eindruck von autoritärer Verhaltensrestriktion aufweist.419

Das in Abbildung 15 als Dreieck dargestellte System 2 ist das Regulationszentrum des "System in focus". Wie von BEER erwähnt, wird in den meisten Organisationen die Natur des koordinierenden Systems 2 schlecht verstanden und sind daher die dafür notwendigen

Pfeile in der Vertikalen sind ebenso im Sinne des Varietätsmanagements zu verstehen wie dies unter 3.1.3.1 als Varietätsausgleich zwischen den Basiseinheiten dargestellt wurde. 417 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 66. Hervorhebung gemäss Original, jedoch kursiv statt fett. 418 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 500. 419 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 69.

Theoriebausteine zur MPA 127

Systeme und Instrumente schlecht ausgestaltet. Dies führt dazu, dass das Management des Ganzen mehr als notwendig über andere Mechanismen erfolgen muss. Dass dies nicht optimal ist, wird nachfolgend aufgezeigt.

3.2.3.3 Operative Gesamtleitung

Die Freiheit der einzelnen Teile wird, wie oben dargelegt, durch Umweltüberschneidungen und Beziehungen zwischen den Operations sowie durch Anti-Oszillation (System 2) eingeschränkt. Als vierte und fünfte Form der vertikalen Varietätsbewältigung können zwischen System 3 und den 1er-Systemen der Interventionskanal und der Kanal des „Resource Bargain“ (mit Ressourcenallokation und Verantwortung) genannt werden.420 Der Interventions-Kanal umfasst die Durchsetzung von rechtlichen und anderen Befehlen. Bei der Ressourcenallokation werden in Verhandlungsprozessen entlang von Regeln und Programmen Ressourcen (neben Geld insbesondere auch Zeit, Aufmerksamkeit, Lenkungs-kapazität/-intelligenz) unter den 1er-Systemen verteilt.421 Die 1er-Systeme ihrerseits über-nehmen die Verantwortung für die ihnen zugeteilten Ressourcen. In Abbildung 15 sind der Interventionskanal (als Einfachpfeil) sowie der Resource Bargain-Kanal (als Doppelpfeil für Ressourcenallokation und Verantwortungsübernahme) ersichtlich. Es ist wichtig, dass diese Pfeile als Verbindung vom System 3 zu den einzelnen Managementeinheiten der 1er-Systeme verstanden wird und nicht etwa – wie man aufgrund der vereinfachten Darstellung meinen könnte – als Verbindungen zwischen den einzelnen 1er-Systemen.

Dass das Ganze mehr resp. etwas anderes ist als die Summe der einzelnen autonomen Teile (1er-Systeme), wird durch das reine Zusammenwirken von Teilen nicht gewährleistet. Auch die Koordinationsmechanismen von System 2 können diese Aufgabe nicht vollständig erfüllen. Es bedarf also einer Funktion, welche in Kenntnis und im Interesse des Ganzen gewisse steuernde Funktionen wahrnimmt. Diese Funktion wird als System 3 dargestellt und wird im Unternehmenskontext oft als "Operative Corporate Management" bezeichnet.422 Sie umfasst alle operativen Leitungsfunktionen. Solche Eingriffe über die vertikale Befehlsachse (Intervention und Ressourcen-Bargain) sind indessen überlegt und nicht im Übermass zu vollziehen, denn die Aktionen werden von den nach Unabhängigkeit strebenden 1er-Systeme oft als unzulässige Eingriffe in ihre Autonomie interpretiert. 420 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 56 f. Original in Englisch als Resources, Accountability, Intervention bezeichnet. An anderer Stelle (z.B. ebenfalls in „Diagnosing“, S. 81) werden Resources und Accountability zusammengefasst als „Resource Bargain“ dargestellt. Ich folge letzterer Variante, um Konsistenz mit der nachfolgenden Darlegung der sechs vertikalen Varietätskanäle zu erzielen. 421 Dies ist die Aufgabe eines richtig verstandenen Portfolio-Managements. 422 Vgl. hierzu auch Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 502.

128 Theoriebausteine zur MPA

Es gilt der Grundsatz, dass die vertikale Befehlsachse umso weniger zur Varietätsdämpfung genutzt werden muss, je besser, d.h. logischer, das Ganze in Teile abgegrenzt ist und dadurch Umweltüberschneidungen, Beziehungen der Operationen und Anti-Oszillation (durch System 2) auf Varietätsdämpfung hin optimiert sind. Nichtsdestotrotz wird es oft vorkommen, dass System 3 steuernd eingreifen muss. Die Optimierung des Ganzen kann es zum Beispiel durchaus erforderlich machen, dass einzelne 1er-Systeme weit entfernt von ihrem "lokalen" Optimum einreguliert werden.

Damit das System 3 die richtigen Entscheidungen fällen kann, ist es auf Informationen aus den 1er-Systemen sowie aus System 2 angewiesen. Die Qualität von Entscheidungen ist immer von der Qualität der Informationslage abhängig. Entscheidungen sollen Probleme lösen und Probleme lassen sich nur mit ausreichender Komplexität bewältigen. 423 Die Informationen aus den 1er-Systemen werden immer eine gewisse "Färbung" aufweisen. Auch wenn der Leiter eines 1er-Systems nach bestem Wissen und Gewissen objektiv zu berichten versucht, so ist es eben doch nur die "Objektivität seines 1er-Systems". Die Informationen von System 2 sind hier eine willkommene Ergänzung, da sie mehr im Sinne des Ganzen aufbereitet sind. Allerdings sind „System 2“-Informationen auch nur eine bestimmte Art von Informationen, nämlich jene über anti-oszillatorische Aspekte. In der Unternehmung sind es meist standardisierte Informationen der Planung und des Controlling, aufbereitet von Stabsleuten, die nicht wirklich nahe am Tagesgeschäft dran sind. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sowohl die Berichterstattung durch die 1er-Systeme als auch jene durch das System 2 eine gewisse Informationsfilterung darstellen, womit sich folgende Frage stellt: "(W)hat happens if what management most needs to know is FILTERED OUT (by the use oft totals, averages, and so on)?"424 Die Antwort darauf ist System 3* als sechster Varietätskanal.

Bisher haben wir folgende fünf vertikalen Varietätskanäle kennen gelernt, welche routinemässig stattfinden:425 I. Umweltüberscheidungen (der 1er-Systeme) II. Beziehungen zwischen Operationen (der 1er-Systeme) III. Anti-Oszillation durch System 2 IV. Intervention durch System 3 (auf zentraler Befehlsachse) V. Ressourcenaushandlung durch System 3 (auf zentraler Befehlsachse)

423 Vgl. hierzu auch 3.4.2.1 (Ganzheitlicher Problemlösungsprozess). 424 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 82. Hervorhebung gemäss Original. 425 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 81 ff.

Theoriebausteine zur MPA 129

Darüber hinaus ist System 3* als sechster vertikaler Kanal notwendig, welcher nur sporadisch zum Einsatz kommt. System 3* kann als Auditierungskanal bezeichnet werden und füllt die Lücke für das erste Management-Axiom nach BEER: "The sum of horizontal variety disposed by n operational elements equals the sum of vertical variety disposed on the six vertical components of corporate cohesion."426 Davon lässt sich die erforderliche Varietät des Auditierungskanals wie folgt logisch herleiten: Varietät des Auditierungskanals = (Varietät generiert durch System 1) - (Varietäten von I. + II. + III. + IV. + V.)

Je besser die Varietät von System 1 durch die verfügbare Varietät von I.-V. bewältigt werden kann, desto weniger ist man auf den Auditierungskanal angewiesen. Die erforderliche Varietät kann der Auditierungskanal einerseits durch die klassische (interne/ externe) Auditierung aufbauen, anderseits aber auch durch das, was man im Sprachgebrauch als "management by walking around" bezeichnet. Der Auditierungskanal verschafft direkten Zugang zu den Operations und lässt einen somit ein unverfälschtes Bild der Realität erhalten. In kleineren Organisationen mit Geschäftsaktivitäten an einem Standort ist das "management by walking around" leicht möglich, bei grösseren Organisationen wird dies hingegen schwierig. Doch auch dort sollten die oberen Führungskräfte versuchen, "den direkten Draht zur Basis" nicht zu verlieren, sei dies durch das Beibehalten gewisser operativer Aufgaben (wenn möglich mit Kundenkontakt) und/oder durch das Mitwirken in Projekten. Richtig und authentisch durchgeführt, wird dies von der Basis nicht als Beschnüffelung, sondern als "Interesse des Chefs für seine Mitarbeiter" positiv aufgenommen.

Über die sechs vertikalen Kanäle soll ausreichend Kohäsion hervorgebracht werden, damit das Ganze mehr resp. etwas anderes ist als die Summe der Einzelteile und nicht in Einzelteile zerfällt. Unter Autonomie wird die verbleibende Freiheit bezeichnet, welche dem Management auf der horizontalen Achse zum Managen zur Verfügung steht. Organisationen unterscheiden sich aus einer kybernetischen Sicht insbesondere durch folgende zwei Aspekte:427

426 Beer, Heart, 1979/1994, S. 217. In „Heart“ wurden als die sechs vertikalen Komponenten im Unterschied zu „Diagnosing“ IV. und V. als eine Komponente dargestellt, dafür wird im Rahmen der 1er-Systeme neben den Umweltüberschneidungen und den Beziehungen der Operations noch die Beziehungen der Managementeinheiten als dritter vertikaler Varietätskanal dargelegt. Ich folge hier jedoch bewusst der Logik in „Diagnosing“, da varietätsbewältigende Überschneidungen der Managementeinheiten auch als System 2-Anti-Oszillation durch z.B. gemeinsames Verständnis und gemeinsame Spielregeln interpretiert werden können. 427 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 101.

130 Theoriebausteine zur MPA

1. Die Varietätsmenge, welche insgesamt vertikal zu lenken ist (abhängig von der Anzahl 1er-Systeme, von der Art der 1er-Systeme und von der Fähigkeit der 1er-Systeme, ihre eigene Varietät zu bewältigen).

2. Die Verteilung der Lenkungsvarietät über die oben beschriebenen sechs vertikalen Kanäle.428

Die bisherigen Darlegungen zu Systemen und Komponenten haben sich auf das Gegenwartsgeschäft bezogen und sich mit der Frage beschäftigt, wie man das Ganze im hier und jetzt unter Kontrolle halten kann. "System Three (…) is responsible fort he internal and immediate functions of the enterprise: its 'here-and-now', day-to-day management. (…) it is responsible for, although it does not conduct, the anti-oscillatory functions of System Two."429 Das "unter-Kontrolle-halten" des Gegenwartsgeschäfts genügt aber nicht für die Aufrechterhaltung der Lebensfähigkeit und damit verbunden die Entwicklungsfähigkeit einer Organisation. Dies soll im folgenden Kapitel näher erläutert werden.

3.2.3.4 Strategische Entwicklung

Aus Abbildung 15 sind die einzelnen Umwelten der 1er-Systeme und deren Über-schneidungen ersichtlich. Die Summe aller gegenwärtig bearbeiteten Märkte entspricht jedoch nicht ausreichend der relevanten Umwelt des "System in focus". Einerseits gibt es hinsichtlich der derzeitigen 1er-Systeme oft sich verändernde Kundenbedürfnisse, neue Technologien sowie Substitutionsgefahr bezüglich der von den 1er-Systemen produzierten Leistungen. Anderseits werden passend zur bisherigen Gesamtstrategie neue Märkte erschlossen, welche ggf. durch neue 1er-Systeme bearbeitet werden. Ein Fixieren auf aktuell relevante Teilumwelten und somit eine unzureichende Beantwortung der Frage "what is our business and what should it be?"430 hat sich in vielen Branchen als ruinös erwiesen.431

System 4 ist zuständig für das "aussen und morgen". Es steht in Kontakt zur Gesamtumwelt, um jene Informationen sammeln zu können, welche möglicherweise auch zu einer sehr

428 Lässt man die Verteilung der Lenkungsvarietät auf die sechs Kanäle durch Personen der 1er-Systeme sowie durch Personen des Corporate Managements schätzen, nennen erstere insbesondere Interventionen und Ressourcenallokation als wesentliche Kanäle, währenddem zweitere angeben, dass sie insbesondere über System 2 lenken. Vgl. bzgl. dieser kognitiven Dissonanz Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 96. 429 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 86. Hervorhebung gemäss Original, jedoch kursiv statt fett. 430 Drucker, Management, 1974/2001, S. 68. 431 So haben beispielsweise die Schreibmaschinenhersteller zu lange an ihrem Produkt, d.h. ihrer spezifischen Lösung für das lösungsinvariante Kundenproblem "Dokumente verfassen", festgehalten und den Umstieg auf den Computer (Desktop und Laptop) verschlafen.

Theoriebausteine zur MPA 131

grundsätzlichen Veränderung des Systems führen. Im Unternehmenskontext wird diese Funktion als "Strategic Corporate Management" bezeichnet. Zu diesem System tragen jene Stäbe und Personen bei, welche sich mit langfristigen Überlegungen auseinandersetzen und in diesem Zusammenhang z.B. Marktforschung betreiben und neue Produkte entwickeln.

Die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen von System 3 und System 4 ist oft nicht besonders gut. Dies rührt daher, dass die System-3-Angehörigen kurzfristig und innenorientiert, die System-4-Angehörigen dagegen langfristig und aussenorientiert denken und handeln. Die Angehörigen von System 3 sind sich bewusst, dass sie für die aktuellen Cash-Flows verantwortlich sind und ohne sie gar kein Geld für strategische Initiativen vorhanden wäre. Auf der anderen Seite sind sich Angehörige des Systems 4 bewusst, dass Unternehmen, welche sich zu stark am Tagesgeschäft orientieren, untergehen. Diese verschiedenen Sichtweisen gilt es durch den Drei-Vier-Homöostat auszubalancieren.

Im ersten Management-Axiom von BEER ist verankert, dass die Summe der horizontalen Varietät in System 1 durch die Summe der vertikalen Varietät (in den sechs Kanälen) absorbiert werden muss und dass letztere ein Mass für die Varietät in System 3 ist. Wenn nun also ein Drei-Vier-Homöostat erreicht werden muss, dann lässt sich das zweite Management-Axiom wie folgt ableiten: "The variety disposed by System Three resulting from the operation of the First Axiom equals the variety disposed by System Four."432

Damit System 4 ausreichend Varietät vorhält, ist es wesentlich mehr als nur ein Organ. Unterschiedlichste Personen können Beiträge zu System 4 leisten, z.B. indem sie aktiven Aussenkontakt zu Verbänden und anderen Organisationen halten oder an Entwicklungs-projekten mitwirken. System 4 stellt den Kontakt zur Aussenwelt her und enthält ein Modell des gesamten "System in focus" und somit auch ein Modell von sich selbst. Das System 4 ist somit ein gutes Beispiel für Selbstreferenz.433

Um das Drei-Vier-Gleichgewicht möglichst gut aufrecht zu erhalten, sind Investitionen im Sinne von Geld, aber auch von Zeit, Aufmerksamkeit, Steuerungsintelligenz und Belohnung möglichst ausgewogen auf Beiträge zu System 3 und System 4 zu verteilen. Für die Lösung von Konflikten zwischen System 3 und System 4 wurde von BEER eine Methodik namens Syntegration entwickelt. Mittels des optimalen Kommunikationsdesigns einer Syntegration kann eine Vielzahl von Personen auf wirksame Weise an komplexen Fragestellungen arbeiten. Trotz der problemlösungsorientierten Interaktion von System 3 und 4 verbleibende

432 Beer, Heart, 1979/1994, S. 298. 433 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 116.

132 Theoriebausteine zur MPA

grundsätzliche Konflikte (zwischen „Innen und Aussen“ oder „Gegenwart und Zukunft“) sind durch System 5 als oberste Instanz mittels Normen und Entscheidungen zu lösen.

3.2.3.5 Normative Grundlagen

Das System 5 ist die logische Schliessung des Viable System Model und somit Zeichen der Selbstreferenz: Das System schliesst sich in sich selbst. Diese Selbstreferenz stiftet einerseits Identität und macht klar, dass es nichts Weiteres gibt, also kein System 6 oder 7.434 Ein logisch geschlossenes System ist ein logisch geschlossener Lenkungsmechanismus, der aber gegenüber Materie, Energie und Daten (als Basis für Informationen im System) sehr wohl offen ist. Die logische Schliessung kommt auch im dritten Management-Axiom zum Ausdruck: "The variety disposed by System Five equals the residual variety generated by the operation of the Second Axiom."435 Die spezielle Funktion von System 5 umschreibt BEER wie folgt: “The metasystem of the viable system consists of Systems Three, Four, and Five. Within this metasystem, System Five is itself metasystemic (…).”436

Oft wird dem Gremium des Topmanagements (Verwaltungsrat, Geschäftsleitung) oder gar einer einzigen Person - dem „Boss“ - die System 5-Funktion zugesprochen. Zwar nimmt das Topmanagement resp. der „Boss“ einen Teil der System 5-Funktion wahr, doch damit ausreichend Varietät vorhanden ist, gibt es noch eine Vielzahl von weiteren Komponenten im System 5. Dies können materielle Komponenten sein wie z.B. ein Leitbild oder eine Marke. Sehr häufig handelt es sich aber auch um immaterielle Komponenten. Diese können z.B. durch Ansichten von Mitarbeitervertretungen oder generell durch Werte, Normen und Einstellungen der Organisation gekennzeichnet sein.437

Interventionen von System 5 in die Balancierung von System 4 und System 3 sind oft Entscheidungen, welche angesichts einer aktuellen Situation und vor dem Hintergrund von fast unendlich vielen Varianten getroffen werden müssen. Es ist dabei nicht möglich, alle Varianten im Sinne einer mathematisch-analytischen Entscheidungsfindung durchzuspielen oder gar real auszutesten. Es gilt auf Basis des "Organisations-Ethos" Muster zu erkennen und zu entscheiden. In der Vergangenheit wurden diverse Studien durchgeführt zu vergleichbaren Entscheidungssituationen durch Mustererkennung in Schachpartien. Spieler, 434 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 130. 435 Beer, Heart, 1979/1994, S. 298. 436 Beer, Heart, 1979/1994, S. 298. Hervorhebung gemäss Original. 437 Oft kennt man in Unternehmen die Reaktion z.B. des Top-Managements auf eine völlig neue Idee bereits vorab, obwohl das Topmanagement die Idee bis jetzt nicht gekannt hat und somit auch noch nie Stellung genommen hat zu ihr. In solchen Situation sind es die geteilten Werte und Normen, welche die Varietät dämpfen und gewisse neue Ideen von vorne herein als durch die betreffende Organisation realisierbar oder nicht realisierbar erscheinen lassen.

Theoriebausteine zur MPA 133

welche unzählige Partien der Vergangenheit analysiert hatten, konnten ihre Fähigkeit zur Mustererkennung erhöhen. 438 Mustererkennung ist deshalb wichtig, weil neben der Erfüllung des Law of Requisite Variety auch die Erfüllung des Law of Requisite Knowledge notwendig ist.439 Es braucht Wissen darüber, welcher der Zustände nun als „Antwort“ auf einen Umweltzustand gewählt werden soll. Je grösser die Varietät und somit die Zahl an Zuständen, umso wichtiger wird das Wissen um die Wahl des passenden Zustands.440

Wissen kann als akkumulierte „Trial and Error“-Erfahrungen in gleichen oder aber viel-mehr in ähnlichen Situationen beschrieben werden. Auf Basis dieses Wissens erfolgt das, was BEER als biased randomness umschreibt: “(…) the mutations of an adapting should not be entirely hazardous, but should be biased, for positive feedback can be relied upon to steer the progressive bias toward viable behavior – once the bias exists. This is what the self-organizing capability means. (…) The world is self-organizing, and it must have `biased randomness` as a raw material.”441 Biased randomness ist beim lernenden Menschen ein Prozess im Hirn und bei der sich entwickelnden Spezies Bestandteil der Desoxyribonuklein-säure (DNS).442

3.2.3.6 Komplettierung zum Gesamtmodell

Die Systemstruktur 3-4-5, also das Metasystem, beschäftigt sich mit dem "outside-and-then". Die Systemstruktur 3-2-1 beschäftigt sich demgegenüber mit dem "inside-and-now". System 3 wird somit zum eigentlichen Drehpunkt des "System in focus". Das Zusammenspiel von Metasystem (5-4-3) und Gegenwartsgeschäft (3-2-1) ist auch im Zusammenhang mit der Frage nach dem Zweck eines Systems von Bedeutung: "(B)oth the nature and the purpose of a System are recognized by an observer within his perception of WHAT THE SYSTEM DOES."443 Oder in Kurzform: "The purpose of a system is what it does."444

438 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 124. 439 Vgl. Heylighen, Principles, 1992, S. 8 f. sowie Heylighen und Joslyn, Cybernetics and Second-Order Cybernetics, S. 18 f., http://pespmc1.vub.ac.be/Papers/Cybernetics-EPST.pdf (02.05.2008). 440 Beer, Decision, 1966, S. 368 f. 441 Beer, Decision, 1966, S. 368. 442 Beer, Decision, 1966, S. 363. Beer führt weiter aus, dass ein menschliches Hirn ungefähr 10 hoch 10 Nervenzellen hat, die binär funktionieren (ein/kein Puls). Somit hat das Hirn 2 hoch 10 hoch 10 mögliche Zustände. Zustandsänderungen des Hirns erfolgen ca. jede Zehntelsekunde. Eine komplette Exploration aller möglichen Gehirnzustände würde somit 2 hoch 10 hoch 10 Zehntelsekunden dauern. In Jahren wäre das eine Zahl mit 3‘000‘000‘000 Nullen. Mit analogen Schätzrechnungen hat Beer nachgewiesen, dass die menschliche Evolution (durch genetisches Lernen) viel zu lange gedauert hätte, wenn sie lediglich auf Basis von „Trial and Error“ stattgefunden hätte. Vgl. Beer, Decision, 1966, S. 363 ff. 443 Beer, Heart, 1979/1994, S. 9. Hervorhebung gemäss Original.

134 Theoriebausteine zur MPA

Das Metasystem (5-4-3) ist nichts anderes als die Managementeinheit eines 1er-Systems auf der übergeordneten Rekursionsebene. Für multiple Rekursionen des Viable System Model gilt deshalb das Law of Cohesion von BEER: "The System One variety accessible to System Three of Recursion x equals the variety disposed by the sum of the metasystems of Recursion y [below x] for every recursive pair."445 Studiert man dieses Gesetz der Kohäsion, dann merkt man, dass wir hier indirekt wieder vom ersten Management-Axiom446 sprechen, diesmal jedoch aus anderer Perspektive. Der Kreis hat sich geschlossen – nichts anderes wäre von einem kybernetisch-rekursiven Design zu erwarten gewesen.

Eine letzte Eigenschaft des Viable System Model ist noch zu erläutern. Es handelt sich um den alkedonischen Kanal.447 System 5 erhält metasystemisch gefilterte Informationen von System 3 und System 4. Damit darüber hinaus auch ungefilterte Informationen zum System 5 gelangen können, gibt es den alkedonischen Kanal, welcher direkt aus System 1 Informationen zum System 5 übermittelt. Damit wird es der Organisation möglich, bei Gefahr möglichst schnell Informationen an die „letzte Instanz“ zu bringen.

In Abbildung 16 werden die bisherigen Überlegungen nochmals in einer detaillierten Grafik von BEER dargestellt. In dieser Gesamtdarstellung lassen sich die sogenannten "cross-recursion linkages" gut erkennen. Jedes der Systeme 5, 4, 3, 3* und 2 einer Rekursionsebene ist mit dem jeweiligen System auf der nächst höheren und tieferen Rekursionsebene verbunden. Die Art und Weise der Verbindungen hat einen wesentlichen Einfluss auf die Autonomie der Teile und ist im Rahmen einer Management-Prozess-Architektur von grosser Bedeutung.

444 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 99. 445 Beer, Heart, 1979/1994, S. 567, weiter ausgeführt von Beer auf S. 354 f. im gleichen Werk. 446 "The sum of horizontal variety disposed by n operational elements equals the sum of vertical variety disposed on the six vertical components of corporate cohesion", dargelegt unter 3.2.3.3 (Operative Gesamtleitung). 447 Alkedonisch ist abgeleitet aus den griechischen Wörtern für Schmerz und Genuss. Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 134.

Theoriebausteine zur MPA 135

Abbildung 16: Gesamtbetrachtung des Viable System Model nach Beer448

448 Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 136.

136 Theoriebausteine zur MPA

3.2.4 Implikationen

Kapitel 3.2 hat sich mit der Frage befasst, wo Managementprozesse ansetzen und ihre Wirkung entfalten. Das „Wo“ ist abgesehen von Kleinstunternehmen für alle Unternehmen relevant, da bei letzteren die Managementfunktionen gezwungenermassen auf mehrere Personen und Organisationseinheiten verteilt werden müssen.

Grössere Unternehmen unterliegen oft Hierarchisierungstendenzen, indem bei zunehmender Grösse auch die Anzahl Hierarchiestufen und die Schwerfälligkeit von Informationsflüssen und Entscheidungswegen zunehmen. Entgegenwirken lässt sich dieser Tendenz durch einen bewussten Fokus auf Funktions-Heterarchie statt Positions-Hierarchie. Die Management-Prozess-Architektur ist ein Syntegrat aus Management und Organisation resp. wird dem Umstand gerecht, dass Management und Organisation zwei Seiten der gleichen Medaille, nämlich der Komplexitätsbewältigung, sind. Organisation schafft Komplexitätsbewältigung durch Ordnung, während Management dies durch Problemlösung erreicht. Im Zusammenhang mit der Frage, wo Managementprozesse stattfinden, ist primär die Frage nach der Organisation im Sinne der Grundarchitektur relevant.

Organisationstheorie und -praxis haben eine Vielzahl von Ansätzen hervorgebracht, von denen allerdings die meisten für das aktuell herrschende Komplexitätszeitalter wenig geeignet sind. Ausgewählt für eine Vorstellung wurden Ansätze, welche Komplexität meistern helfen, indem das Ganze (Unternehmen) in möglichst selbstlenkende Einheiten unterteilt wird, welche intern und extern mit anderen Einheiten netzwerkartig interagieren. Es sind dies die Profit Center Organisation, das fraktale Unternehmen und das Viable System Model.

Von den drei Ansätzen hat sich das Viable System Model als umfassendster und mit Bezug auf die Thematik der Management-Prozess-Architektur als geeignetster Ansatz heraus-gestellt. Das Viable System Model orientiert sich primär an der Lebensfähigkeit des Unternehmens und dem Schaffen von Customer Value. Das Modell verbindet dabei sowohl Organisations- als auch Managementaspekte auf eine rekursive Art. In einer detaillierten Darlegung des Viable System Model wurden dessen wesentliche Eckpfeiler erläutert, damit das Modell für den weiteren Verlauf der Arbeit genutzt werden kann.

Das Viable System Model setzt sich umfassend mit den Funktionen des Managements einer Organisation und den damit zusammenhängenden Grundfragen des Organisierens auseinander. Die drei Grundfragen des Organisierens, welche auf Überlegungen von

Theoriebausteine zur MPA 137

DRUCKER zurückgehen, umschreibt MALIK wie folgt: „Im Kern gilt es genau drei Fragen zu beantworten …:

1. Wie müssen wir uns organisieren, damit das, wofür der Kunde uns bezahlt, im Zentrum der Aufmerksamkeit steht und von dort nicht wieder verschwinden kann?

2. Wie müssen wir uns organisieren, damit das, wofür wir unsere Mitarbeiter bezahlen, von diesen auch wirklich getan werde kann?

3. Wie müssen wir uns organisieren, damit das, wofür die … [Führungskräfte] bezahlt .. [werden], von .. [diesen] wirklich getan werden kann?“449

Jede der drei Grundfragen bezieht sich auf ein Basis-Subsystem eines lebensfähigen Systems. Grundfrage 1 bezieht sich auf die Umwelt, Grundfrage 2 auf die Operation und Grundfrage 3 auf das Management. In der ersten Grundfrage ist zudem auch ein Hinweis auf die Organisationsdynamik enthalten, indem gesagt wird, dass das, wofür der Kunde bezahlt, im Zentrum der Aufmerksamkeit stehen soll und von dort nicht wieder verschwinden darf.

Das Viable System Model und die entsprechende Diagnosemethodik450 erlauben es, mittels Komplexitätsüberlegungen vom Kunden her ein System zu durchdenken. Dabei werden aus der Umwelt Rückschlüsse auf die Operation und das Management möglich. In diesem Zusammenhang kann auch die Gesamt-Operation in einzelne für sich lebensfähige Teile gegliedert werden. Diese operationell unabhängigen Einheiten haben eigenen Marktzugang und Verantwortung für ganzheitlichen Erfolg im Sinne der „Total System Performance“. Die Gliederung in operationelle Einheiten sollte aufgrund des Autonomie- und Subsidiaritäts-Prinzips so erfolgen, dass sich möglichst viel Selbstorganisation entfalten kann und dadurch möglichst wenig metasystemische Lenkung notwendig wird. Zur Untergliederung des Gesamtunternehmens in operationell unabhängige Einheiten, d.h. in ergebnisverantwortliche Einheiten, eigenen sich Kriterien, welche zur Bestimmung von Geschäftsbereichen und strategischen Geschäftsfeldern verwendet werden. So gestaltete

449 Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 218. In leichter Anpassung zum Original spreche ich von Führungskräften (statt von Firmenspitze und Top-Management). Dies, um dem Management als über mehrere Personen und Ebenen verteilter Funktion bestmöglich gerecht zu werden. 450 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988.

138 Theoriebausteine zur MPA

Sub-Einheiten sind kundenorientiert und bilden die organisatorische Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung der Unternehmensstrategie.451

Ergebnisverantwortliche Einheiten sollten im Idealfall die primäre Strukturierungs-dimension der Organisation darstellen und ergänzt werden um unterstützende Einheiten. Die ergebnisverantwortlichen Einheiten haben eigenständig nicht nur operative, sondern auch strategische und normative Managementprozesse zu verantworten. Aufgrund der im Viable System Model dargelegten Rekursivität kommen dabei auf allen Rekursionsebenen die gleichen Managementprozesse zum Tragen. Die so angelegten Managementprozesse haben jeweils nicht nur für die eigene, sondern auch für die nächstniedrigere und nächsthöhere Rekursionsebene Auswirkungen. Die Möglichkeit einer bestimmten Rekursionsebene, in die Verhaltensfreiheit der nächstniedrigeren Rekursionsebene einzugreifen, kommt meistens einer Reduzierung von Verhaltensvarietät gleich, welche sowohl Einschränkung (z.B. keine zusätzlichen Ressourcen) als auch Unterstützung (Zielvorgaben als Orientierung) sein kann.452 Darüber hinaus kann eine Intervention auch zu einem Varietätsaufbau führen, z.B. wenn das übergeordnete System den Teilsystemen die Teilnahme an einem Schulungs-programm ermöglicht und dieses das individuelle und institutionelle Lernen wirksam unterstützt.

3.3 Integriertes Management

In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, was für Managementprozesse in einem Unternehmen zu einem integrierten Management notwendig sind und welches Managementprozessmodell sich dazu besonders gut eignet.

451 Zur Orientierung der Organisation an der Strategie vgl. auch die Ausführungen zu „Structure follows strategy“ von Chandler; Chandler, Strategy and Structure, 1962. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass selbstverständlich auch die Struktur auf die Strategie zurückwirkt. So bestimmen häufig bisherige Strukturen und Verantwortlichkeiten, wer bei der Strategieerarbeitung involviert wird und bisherige Strukturen, Ressourcen und Kapazitäten haben je nach Situationen einen ermöglichenden oder aber auch limitierenden Einfluss auf die Wahl einer realisierbaren Strategie. 452 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 106 f.

Theoriebausteine zur MPA 139

3.3.1 Grundlagen

3.3.1.1 Inhaltliche Grundcharakteristik von Managementprozessen

Unter Prozessen können im weiteren Sinne Funktionen, Aufgaben, Tätigkeiten etc. verstanden werden. Entsprechend gibt es eine Vielzahl von Managementprozessen, welche sich nur schon aus dem St. Galler Management-Modell und dem Viable System Model ableiten lassen.

Das ursprüngliche St. Galler Management-Modell unterscheidet die originären Manage-mentfunktionen Gestalten, Lenken und Entwickeln. Als Tätigkeitsbereiche werden Vollzugs-bereich, Versorgungsbereich und Führungsbereich genannt.453 Diese entsprechen im neuen St. Galler Management-Modell den Geschäftsprozessen, Unterstützungsprozessen und Managementprozessen. Die Managementprozesse werden weiter untergliedert in normative Orientierungsprozesse, strategische Entwicklungsprozesse und operative Führungs-prozesse. 454 Im ursprünglichen St. Galler Management-Modell wird weiter von den Führungskomponenten 455 Unternehmenspolitik, Planung und Disposition, von den Führungsphasen Ziele, Mittel und Verfahren sowie von den Führungstätigkeiten 456 Entscheiden, Ingangsetzen und Kontrollieren gesprochen. Im Viable System Model können die systemischen Grundfunktionen Operieren, Koordinieren, Optimieren (operatives Management), Aufklären (strategisches Management) und Werte setzen (normatives Management) unterschieden werden. Das operative, strategische und normative Management können dabei in Anlehnung an SCHWANINGER als logische (nicht hierarchische) Managementebenen bezeichnet werden.457 Diese Managementebenen und die Managementfunktionen (Gestalten, Lenken, Entwickeln) sind die grundlegendsten inhaltlichen Kategorien von Managementprozessen.

Oft werden vermeintlich Prozesse als Managementprozesse bezeichnet, die gar keine Managementprozesse im hier vertretenen Sinne sind. SCHWANINGER unterscheidet in

453 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 26 f. Siehe auch Kapitel 2.2.2 (Teilmodelle und Konzepte des St. Galler Management-Modells). 454 Vgl. Rüegg-Stürm, Management-Modell, 2004, S. 111. Der operative Führungsprozess umfasst seinerseits die Führung von Mitarbeitenden, den Prozess der finanziellen Führung und das Qualitätsmanagement. 455 Zum Begriff Führungskomponenten anstelle von Führungsstufen in der Originaldiktion des St. Galler Management-Modells siehe Fussnote 199. 456 An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass bewusst von Tätigkeiten und nicht wie in der ursprünglichen Diktion von Funktionen gesprochen wird, um Missverständnisse mit den originären Funktionen des Gestaltens, Lenkens und Entwickelns zu vermeiden. Siehe auch 2.2.2.2 (Das Führungsmodell). 457 Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 36.

140 Theoriebausteine zur MPA

diesem Zusammenhang das Management von Mitarbeitern, Information, Geld, Waren, Energie und Anlagen. 458 Hier nehme ich in Bezug auf die vorliegende Arbeit eine entscheidende Themeneingrenzung vor, indem ich – in Analogie zu Management als die Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von sozialen Systemen – bei Managementprozessen von Prozessen spreche, welche sich ebenfalls auf soziale Systeme beziehen. Dies heisst, dass es Prozesse sein müssen, die sich auf Aspekte des Systems als Institution und/oder auf Aspekte der Menschen als prägendes Element von sozialen Systemen beziehen. Dies im Gegensatz zu sachbezogenen Aspekten wie Management von Waren, Geld etc.

Der Begriff „Managementsysteme“ wird nur selten als System aus tatsächlichen Managementprozessen verstanden. Viel häufiger werden sachbezogene Themen angesprochen wie z.B. „Warenmanagementsystem“ oder in der Informationstechnologie sogenannte „Document Management Systems“ und „Content Management Systems“. Neben sachbezogenen Themen stehen oft auch Einzelthemen im Vordergrund, wie z.B. Qualität bei Qualitätsmanagementsystemen, Kosten bei Kostenmanagementsystemen, Zeit bei Zeitmanagementsystemen oder Risiko bei Risikomanagementsystemen. Dieser Wildwuchs an Managementsystemen mit Bezug auf Sach- resp. Einzelthemen ist nicht weiter Gegenstand dieser Arbeit. Vielmehr geht es im folgenden darum, Managementprozesse zu finden, welche ein System der integrierten Institutions- und Menschenführung resp. im Sprachgebrauch der Unternehmung ein System der integrierten Unternehmens- und Mitarbeiterführung bilden.

3.3.1.2 Zusammenspiel von Managementfunktionen und Managementebenen

Die grundlegendsten Kategorien von Managementprozessen sind jene der originären Managementfunktionen (Gestalten, Lenken und Entwickeln) und jene der logischen – nicht hierarchischen – Managementebenen (operatives, strategisches und normatives Manage-ment). Die drei Managementfunktionen finden sich in unterschiedlicher Intensität bei den Managementebenen wieder. In der nachfolgenden Abbildung 17 werden geringe und hohe Intensitäten mit entsprechender Kreisgrösse angedeutet. Am stärksten korrespondiert somit operatives Management mit Lenkung, strategisches Management mit Gestaltung und normatives Management mit Entwicklung. Darüber hinaus wird mit dem Pfeil in der Abbildung die zunehmende Vorsteuerung und Fristigkeit angedeutet. Entsprechend finden Lenkungsaktivitäten des operativen Managements kurzfristig statt und haben kurzfristige Auswirkungen, währenddem Entwicklungen durch normatives Management viel Zeit in Anspruch nehmen und längerfristig wirken. Der Pfeil steht neben der zunehmenden 458 Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 40 f.

Theoriebausteine zur MPA 141

Fristigkeit auch noch für den zunehmenden Abstraktionsgrad von entsprechenden Zielen, Aufgaben und Beurteilungsgrössen. In umgekehrter Pfeilrichtung können wir somit von einem zunehmenden Konkretisierungsgrad sprechen.

Abbildung 17: Zusammenhang von Managementfunktionen, -ebenen, -stufen (eigene Darstellung)

Bezieht sich "Management" bei operativem, strategischem und normativem Management auf das System als Ganzes, dann kommen entsprechend bei jeder Managementebene (operativ, strategisch, normativ) alle drei Managementfunktionen (Lenken, Gestalten, Entwickeln) zum Tragen. Bezieht man operatives Management insb. auf das Management von Prozessen, dann kommt der Lenkung eine besonders hohe Bedeutung zu. Demgegenüber kann strategisches Management stark mit Gestaltung im Sinne von Generierung neuer und Optimierung bisheriger Erfolgspotenziale in Verbindung gebracht werden. Bezieht sich normatives Management auf qualitatives Wachstum im Sinne einer Veränderung von materiellen und immateriellen Systemstrukturen, dann korrespondiert es stark mit Entwicklung.

Die hierarchischen Führungsstufen (obere, mittlere, untere Führungskräfte) sind nicht deckungsgleich mit den logischen Managementebenen (operatives, strategisches, norma-tives Management). In Abbildung 17 wird dies schematisch mit einer Nummerierung der "Intensitätskreise" angedeutet, wobei "1" für 1. Führungsstufe resp. obere Führungskräfte,

Normatives Management

Strategisches Management

Operatives Management

Lenkung Gestaltung Entwicklung

2

3

1

3

1

2

2

3

1

Hohe Korre-spondierung

Mittlere Korre-spondierung

1 = obere Führungsstufe (Top/Senior Management)2 = mittlere Führungsstufe ((Middle) Management)3 = untere Führungsstufe (Junior Management)

Zunehmende:- Abstraktion- Fristigkeit- Vorsteuerung

142 Theoriebausteine zur MPA

"2" für mittlere und "3" für untere Führungskräfte steht. Entsprechend befassen sich obere Führungskräfte insbesondere mit langfristigen abstrakten Aspekten, währenddem sich untere Führungskräfte überwiegend mit kurzfristigen und konkreten Angelegenheiten beschäftigen. Wichtig ist der Hinweis, dass dies jeweils nur für die betrachtete Rekursions-ebene ("System in focus") gilt. D.h. dass auf jeder Rekursionsebene im Normalfall untere, mittlere und obere Führungsstufen und -kräfte notwendig sind. Aufgrund der systemischen Multifunktionalität 459 kann es jedoch sein, dass eine Führungskraft, welche auf einer Rekursionsebene Junior Management-Aufgaben erfüllt, auf darunterliegenden Rekursions-ebenen Senior Management-Aufgaben verantwortet.

Management ist ein zu vielschichtiges Phänomen, als dass man z.B. operatives Management als Synonym für Lenken und strategisches Management als Synonym für Gestalten verwenden könnte. Mit der in Abbildung 17 dargestellten Systematisierung ist es aber gelungen, die Kategorien Managementfunktionen, -ebenen, -stufen und die Fristigkeit von Denken und Veränderbarkeit in eine gleichgerichtete Logik zu bringen, in der hinsichtlich einer betrachteten Rekursionsebene für den Normalfall Aussagen nach der Logik "je mehr/höher…, desto mehr/höher" möglich sind. Also z.B. je mehr eine Aufgabe dem strategischen Management zuzuordnen ist, desto mehr hat sie gestaltenden Charakter.

3.3.1.3 Komponenten von Managementsystemen

Managementprozesse sind untereinander vernetzt und bilden ein Managementsystem. Ein Managementsystem bezieht sich auf die gesamthafte Gestaltung, Lenkung und Entwicklung eines Leistungssystems. Somit bietet sich bei der Suche nach Managementprozessen der Weg über einzelne Prozesse und Prinzipien460 oder aber der Weg über ganzheitliche Ansätze von Managementsystemen an. Letzterer scheint wesentlich fruchtbarer, weil damit eine Vielzahl von inhaltlich-konkreten Managementprozessen in einem systemischen Gesamt-zusammenhang gefunden und genutzt werden können. Managementsysteme bestehen aus Komponenten, welche nicht zwingend immer explizit Managementprozesse genannt, aber als solche verstanden werden können.

459 Vgl. Kapitel 2.1.5.2 (Multifunktionalität). 460 Aufgrund einer lange Zeit fehlenden systematischen Beschäftigung mit dem Thema Managementsysteme wurden jeweils situationsspezifische Prinzipien aufgestellt und das Rad oft neu erfunden. Einzelprinzipien (Management by Objectives, Management by Delegation etc.) und deren Vertiefung resp. Kombination bildeten die ersten Entwicklungsstufen von Managementsystemen, gefolgt von funktionalen Ansätzen (Planungsprozess, Entscheidungsprozess etc.). Erst später wurde eine vermehrte Integration von unternehmens- und mitarbeiterbezogenen Aspekten hin zu integrierten Managementsystemen erreicht. Vgl. Malik, Management-Systeme, 1981/1994, S. 10 ff.

Theoriebausteine zur MPA 143

Für die Wahl der Managementsystem-Ansätze wird darauf geachtet, dass sich diese nicht auf eine Sache (z.B. Warenmanagementsystem) oder ein Spezialthema (z.B. Qualitäts-managementsystem) beziehen, sondern Komponenten für ein integriertes Management enthalten. Die Adäquatheit des jeweiligen Ansatzes ergibt sich einerseits aus dessen Unterstützung des Customer Value als Unternehmenszweck, anderseits aus dessen Integration von aussen- und innenorientierten, langfristigen und kurzfristigen sowie institutions- und mitarbeiterbezogenen Aspekten in deren Wirkungszusammenhang. Des Weiteren hat das Modell Reflexions- und Aktionsprozesse zu unterstützen und somit ein Denk- und Handlungswerkzeug für Führungskräfte zu sein. Um die praktische Anschlussfähigkeit zum Aktionsforschungsprojekt und zum anwendungsorientierten Konzept der Management-Prozess-Architektur herzustellen, werden nachfolgend nur Ansätze vorgestellt, die nicht nur in der Wissenschaft thematisiert, sondern auch schon mehrfach mit Erfolg in der Praxis umgesetzt wurden.

3.3.2 Vorstellung ausgewählter Ansätze

3.3.2.1 Balanced Scorecard

3.3.2.1.1 Die vier Dimensionen der Balanced Scorecard

Die Balanced Scorecard (BSC) gliedert sich in folgende vier wesentliche Perspektiven: Die Finanz-Perspektive, die Kunden-Perspektive, die Geschäftsprozess-Perspektive (Interne Perspektive) sowie die Lern- und Entwicklungsperspektive. Für die erfolgreiche Umsetzung der Strategie werden hinsichtlich dieser vier Perspektiven – wie in der nachfolgenden Abbildung 18 dargestellt – Ziele, Kennzahlen, Vorgaben und Massnahmen festgelegt. Dabei geht es immer darum, aus der jeweiligen Perspektive Kennzahlen mit der Vision und der Strategie des Unternehmens zu verknüpfen.461

Hinsichtlich der Verknüpfung der BSC-Kennzahlen mit der Unternehmensstrategie gelten nach KAPLAN/NORTON drei Prinzipien: Ursache-Wirkungsbeziehungen, Leistungstreiber und Finanz-Verknüpfung. Nach dem ersten Prinzip hat die BSC die Strategie als eine Kette von Ursache-Wirkungsbeziehungen im Sinne von „Wenn-dann“-Beziehungen darzulegen. Gemäss dem zweiten Prinzip hat eine BSC sowohl Ergebniskennzahlen („Spätindikatoren“) als auch Leistungstreiber („Frühindikatoren“) zu beinhalten. Während der Katalog an Ergebniskennzahlen in verschiedenen Unternehmen sehr ähnlich aussieht, gibt es grosse

461 Vgl. Kaplan und Norton, Balanced Scorecard, 1997, S. 9.

144 Theoriebausteine zur MPA

unternehmensspezifische Unterschiede bei den geschäftsabhängigen Leistungstreibern. Im dritten Prinzip wird eine starke Betonung auf die Finanzergebnisse gelegt, indem vornehmlich Massnahmen eingeleitet und umgesetzt werden sollen, die einen Kundenbezug und somit eine Auswirkung auf die Finanzergebnisse haben.462

Abbildung 18: Die Balanced Scorecard nach Kaplan/Norton463

Wie erwähnt sind Ergebniskennzahlen (im Gegensatz zu den Leistungstreibern) nicht sehr unternehmensspezifisch. Auf Scorecards erscheinen die nachfolgenden Kennzahlen besonders oft:464 • Finanz-Perspektive: ROI/ROCE/EVA465, Umsatzwachstum/-mix, Kostensenkung • Kunden-Perspektive: Marktanteil, Kundenakquisition, Kundentreue,

Kundenzufriedenheit, Kundenanteil, Kundenrentabilität • Geschäftsprozesse-Perspektive: Qualität, Zeit, Kosten, Einführung neuer Produkte • Lern- und Entwicklungsperspektive: Mitarbeiterzufriedenheit, -treue, -produktivität

462 Vgl. Kaplan und Norton, Balanced Scorecard, 1997, 143 ff. 463 Kaplan und Norton, Balanced Scorecard, 1997, S. 9 als deutsche Übersetzung der Abbildung in Kaplan und Norton, Management System, 1996, S. 76. 464 Vgl. Kaplan und Norton, Balanced Scorecard, 1997, S. 42 und 295 f. 465 ROI = Return on Investment, ROCE = Return on Capital Employed, EVA = Economic Value Added.

Visionund

Strategie

Finanziell

Interne GeschäftsprozesseKunde

Lernen und Entwicklung

„Wie sollen wir gegenüber Teilhabern auf treten, um f inanziellen Erfolg zu haben?“

„Wie sollen wir gegenüber Kunden auftreten, um unsere Vision zu verwirk-lichen?“

„In welchen Ge-schäf tsprozessenmüssen wir die besten sein, um unsere Teilhaber und Kunden zu bef riedigen?“

„Wie können wir unsere Verän-derungs- und Wachstums-potentiale fördern, um unsre Vision zu verwirklichen?“

Theoriebausteine zur MPA 145

3.3.2.1.2 Die Entwicklungsphasen der Balanced Scorecard

Am Anfang der Balanced Scorecard-Geschichte stand die Idee, ein neues Modell für das Performance-Management zu entwickeln. Resultat dieser ersten Phase war 1990 das Konzept der Balanced Scorecard. Dieses soll eine Balance schaffen zwischen internen und externen Aspekten, kurz- und langfristigen Zielen, monetären und nicht monetären Kennzahlen sowie Spät- und Frühindikatoren.466 Auch wenn sich die Balanced Scorecard weiterentwickelt hat in den nachfolgend dargelegten Phasen, so blieb der ursprüngliche Namen immer erhalten.

In einer zweiten Phase (ab 1993) wurde die Wichtigkeit der Verknüpfung des neuen Kennzahlensystems mit der Unternehmensstrategie aufgegriffen. Es wurde erkannt, dass die Balanced Scorecard nur etwas bringt, wenn die Massnahmen und Kennzahlen an den strategisch wichtigen Punkten ansetzen. Die Balanced Scorecard wurde so zu einem Instrument der Strategieumsetzung. Die Strategiekommunikation wird dabei unterstützt durch sogenannte „Strategy Maps“, welche die Eckpfeiler der Strategie als miteinander verbundene Elemente im Sinne von Zielen und Kennzahlen (zur Überprüfung der Zielerreichung) der vier Dimensionen der Balanced Scorecard festhalten.467

Aufbauend auf den Erfahrung der dargelegten ersten und zweiten Entwicklungsphase hat sich die Balanced Scorecard in der dritten Phase (ab 1996) immer mehr von einem verbesserten Kennzahlensystem über ein Instrument zur Klärung, Kommunikation und Umsetzung der Strategie hin zu einem eigentlichen Führungssystem entwickelt, das den organisatorischen Rahmen bildet für wesentliche Managementprozesse. 468 Die Balanced Scorecard wird in diesem Zusammenhang auch eingesetzt für das Alignment von verschiedenen Geschäfts- und Unterstützungseinheiten.469 Diese umfassende Bedeutung der Balanced Scorecard fasst HORVÁTH wie folgt zusammen: „Die Balanced Scorecard ist nicht – wie manchmal missverstanden – ein neues Kennzahlensystem, das auch nicht finanzielle Kennzahlen integriert, sondern ein Managementsystem. Es hat die Funktion, den gesamten Planungs-, Steuerungs- und Kontrollprozess der Organisation zu gestalten. Durch die vernetzte Mehrdimensionalität der Steuerungsgrössen werden finanzielle Symptome mit den dahinterliegenden Ursachen verknüpft.“470

466 Vgl. Kaplan und Norton, Balanced Scorecard, 1997, S. VII. 467 Vgl. Kaplan und Norton, Strategy Maps, 2004. 468 Vgl. Kaplan und Norton, Management System, 1996. 469 Vgl. Kaplan und Norton, Alignment, 2006. 470 Péter Horváth im Vorwort von Kaplan und Norton, Balanced Scorecard, 1997, S. V.

146 Theoriebausteine zur MPA

3.3.2.1.3 Beurteilung hinsichtlich integriertem Management

Der Erfolg der Balanced Scorecard liegt in deren Einfachheit, in deren Fokussierung des Managements und in deren Systematisierung. Allerdings ist hier die Frage zu stellen, ob nicht bereits eine übermässige Vereinfachung stattfand, welche der Komplexität im Management nicht mehr gerecht wird, und ob dadurch die Manager nicht auf das falsche fokussiert werden. Sie würden dann zwar sehr effizient, aber leider an den falschen Dingen arbeiten.

Wohlwollend könnte man argumentieren, dass man auch mit der Balanced Scorecard richtiges und gutes Management unterstützen kann, obwohl man damit genauso gut auch falsches Management gut machen kann. Diese These wird unterstützt durch Erkenntnisse von KÖRNERT/WOLF, welche die theoretisch-konzeptionellen Grundlagen zur Balanced Scorecard beleuchtet haben. Dabei haben sie das Shareholder-Value-Konzept, das Stakeholder-Value-Konzept und die Systemtheorie als drei verschiedene theoretisch-konzeptionelle Bezugsrahmen für die Ausgestaltung der Balanced Scorecard geprüft. Fazit ist, dass sich die Balanced Scorecard in jedem der drei Ansätze verankern lässt resp. zu deren Umsetzung beitragen kann und dass diese Flexibilität der Balanced Scorecard ein wesentlicher Grund für ihre weite Verbreitung ist.471,472

Weniger wohlwollend, aber durchaus realistisch ist die Argumentation, dass die Balanced Scorecard insbesondere das Shareholder-Value-Denken und -Handeln unterstützt und somit nach dem dieser Arbeit zugrunde gelegten Managementverständnis nicht geeignet ist für die Verwendung im Rahmen der Management-Prozess-Architektur. Der Fokus auf den Shareholder Value spiegelt sich auch in der nachfolgenden Aussage eines profunden Kenners der Balance Scorecard: „Die Konzeption der Balanced Scorecard füllt eine Lücke, die sich zwischen dem Shareholder Value-Ansatz und dem Instrumentarium des Kosten- und Erlösmanagements auftut.“473 Übermässiger Reduktionismus und Shareholder-Value-Orientierung spiegeln sich auch in den oben aufgeführten drei Prinzipien der Balanced Scorecard (meist lineare Ursache-Wirkungsbeziehungen, Leistungstreiber und Finanz-Verknüpfung), in etlichen Aussagen nach dem Muster „Die Balanced Scorecard betont zwar die finanziellen Ziele, beinhaltet jedoch auch die Leistungstreiber dieser finanziellen

471 Vgl. Körnert und Wolf, Balanced Scorecard, 2006, S. 15 f. 472 Zum Beitrag der BSC zur Umsetzung systemtheoretischer Überlegungen ist anzumerken, dass die BSC für sich allein genommen nicht in der Lage ist, sämtliche Funktionen von lebensfähigen Systemen zu unterstützen. Vgl. Achterberg, Beeres und Vriens, Viability, 2003, S. 1403. 473 Péter Horváth im Vorwort von Kaplan und Norton, Balanced Scorecard, 1997, S. VI.

Theoriebausteine zur MPA 147

Ziele“474 und in diversen Darstellungen und Aufzählungen, bei denen wohl kaum zufällig immer die Finanz-Perspektive an erster Stelle kommt. 475 , 476 Bei der Priorisierung der finanziellen Ziele wird unterschlagen, dass diese eben auch auf andere Art und Weise beeinflusst werden können als in den linearen Ursachen-Wirkungsketten der BSC-Abbildungen dargestellt, dass damit ein kurzfristiges „Quartalsdenken“ gefördert wird und dass der Shareholder Value zwar eine viel verwendete Grösse der Finanzwirtschaft ist, jedoch nur bedingt etwas zu tun hat mit der realwirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens.

3.3.2.2 EFQM Excellence Model

3.3.2.2.1 Herkunft und Grundstruktur des EFQM Excellence Model

Die European Foundation for Quality Management (EFQM) wurde 1988 gegründet als eine „not for profit membership foundation“ mit europäischen Firmen als Mitgliedern und bildet so das europäische Pendant zum amerikanischen Malcom Baldrige National Quality Award und zum Japanischen Deming Prize.477 Seit Anfang der 1990er Jahre vergibt die EFQM den European Quality Award. 478 Im Gegensatz zu den damals schon bestehenden Zertifizierungen nach der Euronorm EN 29000 – später ISO 9000/9001/9004479, versuchte die EFQM Qualität umfassender zu verstehen und nicht zu stark auf Geschäftsprozesse zu fokussieren.

Aufbauend auf diesen Überlegungen wurde 1992 das EFQM Excellence Model als Modell für die Beurteilung von Organisationen in Hinblick auf den European Quality Award konzipiert. Das EFQM Excellence Model ist ein Tool zur Selbstbewertung480, ein Weg für ein Benchmarking mit anderen Organisationen, eine Unterstützung für das Identifizieren von Bereichen mit Verbesserungspotenzial, eine Basis für eine gemeinsame Sprache zu

474 Kaplan und Norton, Balanced Scorecard, 1997, S. 2. 475 Vgl. Kaplan und Norton, Balanced Scorecard, 1997, z.B. S. 29 und 295. 476 Auch in der Praxis der BSC-Anwendungen ist eine Dominanz der Finanz-Perspektive feststellbar. Vgl. Stöger, Balanced Scorecard, 2007, S. 28 f. Dies könnte mit ein Grund sein, weshalb die Erwartungen von Anwendern an die BSC selten erfüllt werden. Zur Erwartungserfüllung der BSC vgl. Klauser und Löw, Produktivität, 2006, S. 10. 477 Vgl. Löbel, Schröger und Closhen, Managementsysteme, 2005, S. 111, Kume, TQM in Japan, 1998, S. 157 ff. und Seghezzi und Caduff, Führungssysteme, 1997, S. 26. 478 Vgl. EFQM, Assessing, 2003, S. 2 und Löbel, Schröger und Closhen, Managementsysteme, 2005, S. 111. 479 Die ISO 9000 klärt Begriffe und Grundlagen zum Qualitätsmanagementsystem (QMS) im Sinne eines Leitfadens, während die ISO 9004 eine Anleitung zur ständigen Verbesserung des QMS ist. Beide Normen sind nicht zertifizierbar. Zertifizierbar ist hingegen die revidierte ISO 9001, welche die früheren 9002er und 9003er-Normen vollständig ersetzt. 480 Vgl. EFQM, Selbstbewertung, 1996 und EFQM, Assessing, 2003.

148 Theoriebausteine zur MPA

wesentlichen Excellence-Themen und eine Struktur für das Managementsystem von Organisationen.481 Excellence wird dabei definiert als „outstanding practice in managing the organisation and achieving results”482, wobei exzellente Organisationen ihre Stakeholder zufriedenstellen durch die Resultate, welche sie erzielen („Was“), und durch die Art der Zielerreichung („Wie“).

Die Grundstruktur des Excellence Model nimmt diese Gedanken des „Wie“ und „Was“ auf und beruht auf einem Input-Throughput-Output-Ansatz, bei dem Befähiger (Input) über Leistungsprozesse (Throughput) in Ergebnisse (Output) transformiert werden. 483 In der Darstellung des EFQM-Modell werden die Leistungsprozesse zu den Befähigern gezählt womit sich das Modell grundsätzlich in Befähiger und Ergebnisse aufteilt. Die Befähiger-Kriterien sind Führung, Mitarbeiterorientierung, Politik und Strategie, Partnerschaften und Ressourcen sowie Prozesse. Die Ergebnis-Kriterien sind mitarbeiterbezogene, kunden-bezogene und gesellschaftsbezogene Ergebnisse sowie die Schlüsselergebnisse des Geschäfts. Wie aus der nachfolgenden Abbildung 19 ersichtlich, sind für die Bewertung der Excellence einer Organisation die einzelnen Kriterien mit einer Gewichtung hinterlegt. Die Befähiger-Kriterien und die Ergebnis-Kriterien machen je 50% der Gesamtbewertung aus.

Grundlage des EFQM Excellenc Model bilden folgende acht Basiskonzepte: Resultat-orientierung, Kundenorientierung, Leadership und dauerhafter Zweck, Führung durch Prozesse und Fakten, Mitarbeiterentwicklung und -involvierung, permanentes Lernen/ Verbessern/Innovieren, Entwicklungen von externen Partnern/Kooperationen sowie gesellschaftliche Verantwortung.484

481 Vgl. EFQM, The EFQM Excellence Model, http://www.efqm.org/Default.aspx?tabid=35 (10.05.2008). 482 EFQM, Excellence, http://www.efqm.org/Default.aspx?tabid=24 (10.05.2008). 483 Vgl. Wunderer, Business Excellence-Modell, 1998, S. 57. 484 Vgl. EFQM, Assessing, 2003, S. 6.

Theoriebausteine zur MPA 149

Abbildung 19: Das EFQM Excellence Model485

3.3.2.2.2 Managementbezogene Kriterien im Detail

Das Kriterium „Prozesse“ des EFQM Excellence Model bezieht sich auf Leistungsprozesse (Geschäfts- und Unterstützungsprozesse). Da in meiner Arbeit der Fokus auf Management-prozessen liegt, werden nachfolgend nicht primär das Kriterium „Prozesse“, sondern sämtliche Befähiger-Kriterien kurz dargelegt.

Das Befähiger-Kriterium Führung beschreibt, wie Führungsteam und Führungskräfte eine Qualitätskultur und umfassendes Qualitätsmanagement 486 fördern. Subkriterien bilden Führungskultur, institutionalisierter Verbesserungsprozess, Pflege von Aussenbeziehungen und Leistungsorientierung.487

Das Befähiger-Kriterium Politik und Strategie beschreibt, wie Politik und Strategie formuliert, stufenweise heruntergebrochen (inkl. Pläne und Massnahmen), umgesetzt und überprüft werden. Als Subkriterien werden Informationsaufbereitung, Entwicklung,

485 EFQM, Assessing, 2003, S. 26. Übersetzung ins Deutsch gemäss Uehlinger und von Allmen, Quality, 2001, S. 53. 486 Der Begriff „Umfassendes Qualitätsmanagement“ bezieht sich auf Grundüberlegungen des Total Quality Managements (Total = Alle Bereiche/Teile und Kunden/Mitarbeiter/Gesellschaft-orientiert; Quality = Qualität von Strukturen, Prozessen und Ergebnisse; Management = Führungsaufgabe Qualität sowie Führungsqualität) und wird in der Norm ISO 9000 umschrieben als „Auf der Mitwirkung aller ihrer Mitglieder beruhende Führungsmethode einer Organisation, die Qualität in den Mittelpunkt stellt und durch Zufriedenstellung der Kunden auf langfristigen Geschäftserfolg sowie auf Nutzen für die Mitglieder der Organisation und für die Gesellschaft zielt“. Vgl. EFQM, Selbstbewertung, 1996, S. 11 und Löbel, Schröger und Closhen, Managementsysteme, 2005, S. 119. 487 Vgl. EFQM, Selbstbewertung, 1996, S. 15 f. und Uehlinger und von Allmen, Quality, 2001, S. 65.

BEFÄHIGER (50%) ERGEBNISSE (50%)

INNOVATION UND LERNEN

Führung(10%)

Mitarbeiter-orientierung

(9%)

Politik und Strategie

(8%)

Partnerschaftenund Ressourcen

(9%)

Prozesse(14%)

Mitarbeiter-bezogene

Ergebnisse (9%)

Kunden-bezogene

Ergebnisse (20%)

Gesellschafts-bezogene

Ergebnisse (6%)

Schlüssel-ergebnisse

(15%)

150 Theoriebausteine zur MPA

Umsetzung (Kommunikation, Einführung) und Integration (regelmässige Aktualisierung, Verbesserung) genannt.488

Das Befähiger-Kriterium Mitarbeiterorientierung beschreibt, wie eine Organisation das gesamte Potenzial ihrer Mitarbeiter freisetzt und nutzt. Subkriterien sind hier Personal-planung, Mitarbeiterförderung, Zielvereinbarung und Leistungsbeurteilung, Initiative und Verantwortung, Dialog und Kommunikation sowie Mitarbeiterbetreuung.489

Das Befähiger-Kriterium Partnerschaften und Ressourcen beschreibt, wie Ressourcen effektiv und effizient eingesetzt werden. Subkriterien bilden Lieferanten- und Material-management, Finanzmanagement, Nutzung von Anlagevermögen (Gebäude, Maschinen etc.), Technologiemanagement und Informationsmanagement. 490

Das Befähiger-Kriterium Prozesse beschreibt, wie eine Organisation ihre Leistungsprozesse identifiziert, führt, überprüft und verbessert. Entsprechende Subkriterien sind: Prozess-gestaltung, Prozessführung, Prozessüberprüfung, Prozessinnovation und Prozessver-änderung.491

Im Rahmen einer (Selbst)-Evaluation nach dem EFQM Excellence Model werden die jeweiligen Subkriterien einer Beurteilung nach dem RADAR-Ansatz unterzogen. RADAR steht für Results-Approach-Deployment-Assessment-Review. Ergebnis-Subkriterien werden bezüglich „Results“ (Trend/Ziele/Vergleich/Ursachen der Ergebnisse sowie deren Umfang), Befähiger-Subkriterien bezüglich „Approach“ (Vorgehen), „Deployment“ (Umsetzung) und „Assessment/Review“ (Bewertung/Überprüfung) beurteilt.492

3.3.2.2.3 Beurteilung hinsichtlich integriertem Management

Die weite Verbreitung des EFQM Excellence Model ist insbesondere auf die mit dem Modell verbundene Selbstevaluation und Fremdevaluation durch Assessoren im Zusammenhang mit der Vergabe des European Quality Awards zurückzuführen. Mitglieder-Unternehmen der EFQM-Organisation stehen des Weiteren verschiedene Möglichkeiten des Erfahrungsaustauschs bis hin zu Benchmarking-Möglichkeiten mit anderen Mitglieder-Unternehmen zur Verfügung.

488 Vgl. EFQM, Selbstbewertung, 1996, S. 17 f. und Uehlinger und von Allmen, Quality, 2001, S. 65. 489 Vgl. EFQM, Selbstbewertung, 1996, S. 19 f. und Uehlinger und von Allmen, Quality, 2001, S. 65. 490 Vgl. EFQM, Selbstbewertung, 1996, S. 21 f. und Uehlinger und von Allmen, Quality, 2001, S. 65. 491 Vgl. EFQM, Selbstbewertung, 1996, S. 23 f. und Uehlinger und von Allmen, Quality, 2001, S. 65. 492 Vgl. EFQM, Assessing, 2003, S. 25 und Uehlinger und von Allmen, Quality, 2001, S. 53 ff.

Theoriebausteine zur MPA 151

Wie bei der Balanced Scorecard (Ergebniskennzahlen und Leistungstreiber) wird auch beim EFQM Excellence Model zwischen Ergebnissen und Befähigern im Sinne von Spät- und Frühindikatoren unterschieden. Zwar sind alle Ergebnisse und Befähiger untereinander mit Linien verbunden, der eigentliche Wirkungszusammenhang lässt sich daraus aber nicht wirklich erkennen. Noch mehr trifft dies auf die in den Publikationen aufgeführten Subkriterien zu, welche eher einer unsystematischen Auflistung als einer integrierten Darstellung gleichen.493

Die Gewichtung der Kriterien wird nicht im Detail begründet.494 Es stellt sich die Frage, ob die vorgegebene Gewichtung wirklich für alle Unternehmen die gleiche sein sollte. Z.B. könnte man sich vorstellen, dass ein Start-up-Unternehmen vielleicht den Befähiger-Kriterien und den kundenbezogenen Resultaten mehr Bedeutung zukommen lässt, wogegen ein Unternehmen in einer Krisensituation wahrscheinlich kurzfristig vor allem auf die Geschäftsergebnisse fokussiert. Darüber hinaus scheint es, dass das EFQM Excellence Model insbesondere im Industriekontext seine Bewährung erfahren hat. Anders ist es kaum erklärbar, dass die (Leistungs-)Prozesse mit 14% wesentlich höher eingestuft werden als die Mitarbeiterorientierung (mit 9%). In Wissensorganisationen des Dienstleistungsbereichs sind die mitarbeiterbezogenen Managementprozesse wesentlich entscheidender, da Leistungsprozesse auch nicht gleichermassen standardisierbar, routinisierbar und automatisierbar sind wie bei Industrieunternehmen.

Zur Präzisierung und Abrundung des Modells wären zudem folgende Punkte bedenkenswert. Das Kriterium „Prozesse“ würde im vom EFQM verwendeten Kontext besser mit Prozessmanagement bezeichnet. Ergänzend zu Prozessen sollten zudem auch Strukturen als wesentliche Organisationdimension thematisiert werden. Da sich alle Befähiger-Kriterien auf Aspekte der Führung beziehen, sollte es nicht noch ein einzelnes Kriterium „Führung“ geben resp. sollte dieses, passend für die Verwendung im EFQM-Kontext, eher als Führungsteam bezeichnet werden.

Das EFQM Excellence Model orientiert sich am Stakeholder-Ansatz. Dass dies hinsichtlich eines auf die Maximierung der Lebensfähigkeit einer Institution ausgerichteten Managements gefährlich sein kann, wurde in dieser Arbeit bereits früher aufgezeigt.495 Immerhin ist „Kundenbezogene Ergebnisse“ mit 20% das am höchsten gewichtete Ergebnis-Kriterium. Allerdings ist dessen Beurteilung mittels der Subkriterien nach dem

493 Vgl. EFQM, Selbstbewertung, 1996, S. 15 ff. 494 Vgl. Wunderer, Business Excellence-Modell, 1998, S. 58. 495 Vgl. 2.2.3.2.2 (Customer Value statt Shareholder Value).

152 Theoriebausteine zur MPA

EFQM Excellence Model weit weniger stringent und wettbewerbsorientiert, als dies z.B. die Kundenutzenanalyse nach PIMS ist.496

3.3.2.3 Integrated Management Model

3.3.2.3.1 Grundaufbau des Integrated Management Model

Wie in Kapitel 2.2.3.3.2 dargelegt, kann aus dem Corporate Management Model und dem People Management Model von MALIK mit Bezug auf Managementfragen einer ergebnisverantwortlichen Einheit das Integrated Management Model497 gebildet werden. Das Integrated Management Model ist im Basissystem Umwelt-Unternehmen-Management dem Subsystem Management zuzuordnen und unterstützt Führungskräfte bei der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung des Unternehmens in seiner Umwelt. Der Fokus liegt somit auf Managementprozessen und nicht auf Leistungsprozessen des Unternehmens (Geschäfts- und Unterstützungsprozesse) oder auf der Umwelt. Umwelt und Unternehmen sind insofern aber wichtig für das Integrated Management Model, als im Rahmen von Managementprozessen Problemstellungen unter Nutzung von Informationen aus der Umwelt und dem Unternehmen gelöst werden.498 Der in der Umwelt realisierte Systemzweck (Schaffen von Kundennutzen) ist dabei in Systemergebnisse (bezüglich der sechs Central Performance Controls) zu transformieren, welche ihrerseits im Sinne von Kontrollinformationen wiederum in die weitere Informationsverarbeitung des Managementsystems einfliessen.

Das Integrated Management Model unterstützt diese aufgezeigte Transformation des Zwecks eines Unternehmens in die konkreten Führungs- und Leistungsergebnisse der Mitarbeiter.499 Die dazu notwendigen und hinreichenden Managementprozesse500 werden im Integrated Management Model in ihrem Wirkungszusammenhang dargestellt. Für die

496 Vgl. EFQM, Selbstbewertung, 1996, S. 25 f. bzgl. Kundenzufriedenheit nach EFQM und Kapitel 3.1.2.4 bzgl. der Kundennutzenanalyse nach PIMS. 497 Zur Erinnerung: Malik spricht in seinen Publikationen vom Integrierten Management System®. Ich habe mich im Rahmen der vorliegenden Arbeit bewusst für den Namen Integrated Management Model entschieden, um einerseits die Herleitung aus Corporate und People Management Model noch stärker zu verdeutlichen und anderseits die Verwechslungsgefahr mit dem integrierten Managementsystem im Zusammenhang mit den ISO-Normen zu beseitigen. Vgl. hierzu auch Fussnote 270. 498 Vgl. hierzu auch die Überlegungen zu Führung als informationsverarbeitendes Lenkungssystem in Kapitel 2.2.2.2 (Das Führungsmodell) sowie Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 32. 499 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 101. 500 Bzgl. den Begriffen „notwendig“ und „hinreichend“ vgl. Fussnote 326.

Theoriebausteine zur MPA 153

Einordnung der Managementprozesse werden zwei Dimensionen der Integration unterschieden:501 1. Unterscheidung in unternehmensbezogen und mitarbeiterbezogenen 2. Unterscheidung in langfristig (> 1 Jahr) und kurzfristig (< 1 Jahr)

Die erste Unterscheidung bezieht sich auf das System und seine Akteure. Die generellste Bezeichnung dafür wäre „system- und menschenbezogen“. Im Kontext des Unternehmens kann von „unternehmens- und mitarbeiterbezogen“ gesprochen werden, wobei unter Mitarbeiter sowohl „normale“ Mitarbeiter als auch Führungskräfte gemeint sind.502 Je nach dem, was das Ganze ist, kann statt von unternehmensbezogen auch von organisations-bezogen, geschäftseinheitsbezogen etc. gesprochen werden.

Die zweite Unterscheidung bezieht sich auf den Zeithorizont. Die Unterscheidung in die Fristigkeit ermöglicht es, normative, strategische und operative Managementprozesse als Bestandteile des Integrated Management Model darzustellen.

3.3.2.3.2 Übersicht über das Integrated Management Model

Die zwei dargelegten Integrationsdimensionen bilden ein Fadenkreuz und somit vier Quadranten. Aufbauend auf diesem Ordnungsrahmen leitete MALIK alle notwendigen und hinreichenden Elemente für die Führung einer ergebnisverantwortlichen Einheit her und publizierte das so entstandene Modell erstmals 1981.503 Alle Elemente wurden seither auf Basis langjähriger Anwendungserfahrung mit bewährten Inhalten und Instrumenten hinterlegt. 504 Eine detaillierte Darlegung der einzelnen Elemente – welche für das systemische Verständnis des Integrated Management Model notwendig ist – wird im späteren Verlauf der Arbeit noch geleistet. Nachfolgend geht es vorab darum, einen Überblick über die Kernpunkte der vier Quadranten des Integrated Management Model zu geben.505 Die nachfolgende Abbildung 20 dient dabei als Orientierung.

501 Vgl. Malik, Management-Systeme, 1981/1994, S. 26 ff. 502 Mitarbeiter und Führungskräfte sind zwei Gruppen, die rein definitorischer Natur sind und in Tat und Wahrheit sich zunehmend vermischen. Bzgl. seiner selbst, Kollegen und Vorgesetzten sollte nämlich auch ein „Mitarbeiter“ (Selbst-) Managementaufgaben wahrnehmen und könnte daher auch als „Führungskraft“ bezeichnet werden. 503 Vgl. Malik, Management-Systeme, 1981/1994. 504 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 240. 505 Zur „Übersichtsversion“ des Integrated Management Model vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 103 ff.

154 Theoriebausteine zur MPA

Abbildung 20: Übersichtsversion des Integrated Management Model nach Malik506

Der unternehmenspolitische Zweck des Unternehmens bildet das langfristigste unterneh-mensbezogene Element des Integrated Management Model. Abgleitet vom Zweck des Unternehmens ist die Strategie und Planung zu gestalten und deren Umsetzung durch eine strategiegerechte Ablauf- und Aufbau-Organisation zu unterstützen. Die Individualisierung von Strategie und Organisation erfolgt über entsprechende Assignments und Zielvorgaben im Rahmen der Jahreszielvereinbarung.

Der Jahreszielprozess ist zentraler Transformationsmechanismus von den langfristig-unter-nehmensbezogenen Aspekten hin zu den kurzfristig-mitarbeiterbezogenen Aspekten. Die Jahresziele werden durch den einzelnen Mitarbeiter auf Monats-, Wochen- und Tagesziele heruntergebrochen und durch die persönliche Arbeitsmethodik und -wirksamkeit in individuelle Leistungs- und Führungsergebnisse umgesetzt. Die persönliche Arbeits-

506 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 101 und 104. Die Darstellungen auf Seite 101 und 104 wurden kombiniert und die Begrifflichkeiten leicht angepasst resp. erweitert. Mit Blick auf die vorliegende Arbeit am wichtigsten ist die Begriffliche Anpassung von „Führungsprozess“ auf „Jahreszielprozess“. Führungsprozess wäre aufgrund der in dieser Arbeit synonymen Verwendung von Führung und Management gleich zu setzen mit Managementprozess. In dieser Arbeit werden aber mit Ausnahme des Elements „Leistungs- und Führungsergebnisse“ alle in der Abbildung aufgeführten Elemente als Managementprozesse verstanden, weshalb der Begriff Managementprozess resp. Führungsprozess nicht für ein einzelnes Element verwendet werden sollte.

Strategie und Planung

Ablauf-und Aufbau-Organisation

PersönlicheArbeitsmethodikund -wirksamkeit

MitarbeiterbezogenUnternehmensbezogenLa

ngfri

stig

(>1

Jahr

)K

urzf

ristig

(<1

Jahr

)

Unternehmens-politischer Zweck

Führungskräfte-und Mitarbeiter-

entwicklung

Controlling und operative

Steuerungssysteme

Jahresziel-prozess

Leistungs-undFührungsergebnisse

Theoriebausteine zur MPA 155

methodik und -wirksamkeit umfasst auch eine Selbstkontrolle der Ergebnisse, um zeitnah entsprechende Korrekturmassnahmen einzuleiten und umzusetzen.

Periodische Leistungsbewertungen durch den Vorgesetzten und die Ableitung von Entwicklungsmassnahmen in Übereinstimmung mit dem von der Strategie abgeleiteten quantitativen und qualitativen Führungskräftebedarf bilden einen wesentlichen Bestandteil der Führungskräfte- und Mitarbeiterentwicklung. 507 Zu diesem langfristig-mitarbeiter-bezogenen Aspekt gehören auch die Personalhonorierung und der Personaleinsatz (Stellengestaltung und -besetzung).

Die Leistungs- und Führungsergebnisse sind als individueller Beitrag an das Ganze zu verstehen. Um die gesamte Wirksamkeit des individuellen Handelns mit Bezug auf die unternehmensbezogenen Absichten (Zweck und Strategie) beurteilen und für weiteres Handeln nutzen zu können, sind ein entsprechendes Controlling und operative Steuerungssysteme (Disposition) 508 notwendig. Die Controlling-Informationen fliessen einerseits zu den langfristig-unternehmensbezogenen Managementprozessen zurück und sind anderseits wesentlicher Input für die operative mitarbeiterbezogene Steuerung.

3.3.2.3.3 Beurteilung hinsichtlich integriertem Management

Das Integrated Management Model ist kybernetisch begründet und orientiert sich an der Maximierung der Lebensfähigkeit eines Unternehmens. Unternehmenspolitisch wird daher das Interesse des Unternehmens vor das Interesse verschiedenster Anspruchsgruppen oder das isolierte Interesse der Shareholder gestellt. Das Erzielen von Kundennutzen ist in der Zwecksetzung verankert und wird bei den Ergebnissen über die Beurteilungsgrösse „Markstellung“ (als wichtigste der sechs Central Performance Controls) beurteilt. Jedes Element des Integrated Management Model, d.h. jeder Managementprozess richtet sich nach dieser obersten Maxime des Kundennutzens.

Der logische Grundrahmen mit den zwei Dimensionen ermöglicht, alle relevanten normativen, strategischen und operativen Managementprozesse von sozialen Systemen in einem einzigen Bezugsrahmen abzubilden und eine integrierte Unternehmens- und Mitarbeiterführung sicherzustellen. Diese Integration ist kybernetisch herausgearbeitet, wobei das Zusammenspiel der Managementprozesse über entsprechende Verbindungspfeile

507 Dieses Verständnis der Führungskräfte und Mitarbeiterentwicklung ermöglicht eine Verbindung der Strategieentwicklung mit der Managemententwicklung wie sie z.B. auch von McClelland gefordert wird. Vgl. McClelland, Development, 1994, S. 6 ff. 508 Unter Disposition wird die operative Steuerung von Ressourcen und Prozessen verstanden.

156 Theoriebausteine zur MPA

dargestellt wird. Das organisierte Zusammenspiel der Managementprozesse ist wesentlich wichtiger als deren dokumentierte Detailtiefe.509 Dieses Phänomen geht auf Aspekte der Mustererkennung bei vorhandenen Unschärfen zurück und wird als "Fuzzy logic" bezeichnet.510 Das Zusammenspiel der Managementprozesse bringt neue Eigenschaften des Systems hervor, welche in den einzelnen Managementprozessen nicht vorhanden sind. Diese Eigenschaften werden als systememergente Eigenschaften bezeichnet. Klassisches Beispiel dafür ist die Kultur eines Unternehmens. Die Kultur ist kein eigener Managementprozess, sondern das Resultat des Zusammenspiels der aufgezeigten Managementprozesse.

Da sich das Integrated Management Model konsequent als Managementmodell (und nicht etwa als Unternehmensmodell) versteht, können die relevanten Managementprozesse in hoher Detaillierung definiert werden und haben Gültigkeit für alle Arten von Institutionen, Organisationen und Unternehmen. Diese hohe Konkretisierung mit normativem Anspruch ist deshalb möglich, weil die – sehr wohl unternehmensspezifischen – Sachaufgaben (wie Einkauf, Produktion, Vertrieb) bewusst keine Berücksichtigung finden im Modell. Statt-dessen wird das Integrated Management Model dem Umstand gerecht, dass Komplexitäts-bewältigung durch Managementprozesse erfolgt (verstanden als Problemlösungsprozesse)und dass die Qualität der Managementprozesse und der damit verbundenen Komplexitäts-bewältigung massgeblich von den problemlösenden Menschen abhängt. Der Förderung des Wissens- und Informationsstands der Führungskräfte und Mitarbeiter kommt daher im Integrated Management Model eine hohe Bedeutung zu. Dabei wird nicht isoliert auf die Institution oder auf das Individuum fokussiert, sondern es werden Individuen in Institutionen als Bezugspunkt genommen.

Die verglichen mit der Balanced Scorecard und dem EFQM Excellence Model noch unterdurchschnittliche Verbreitung des Integrated Management Model511 dürfte neben den vergleichsweise geringen Vermarktungsaktivitäten inhaltlich insbesondere mit dem bewussten Fokus auf Managementprozesse („Befähiger-Kriterien“) zusammenhängen. Bei der Balanced Scorecard und dem EFQM Excellence Model war nicht zuletzt die Kombination der „Befähiger-Kriterien“ mit den „Ergebnis-Kriterien“ verantwortlich dafür,

509 Die Detailtiefe der Dokumentation ist insb. von der Unternehmensgrösse und der Anzahl der in die Management-prozesse involvierten Personen abhängig. 510 Vgl. Vester, Kunst, 2002, S. 54 f. Fuzzy resp. Fuzziness steht für Unschärfe. 511 Vgl. Klauser, Lips und Wicky, Konzeptlos (Manager führen oft nicht zukunftsfähig), http://www.business-wissen.de/fuehrung/leadership/fachartikel/konzeptlos-manager-fuehren-oft-nicht-zukunftsfaehig.html (05.05.2008).

Theoriebausteine zur MPA 157

dass das jeweilige Modell schnell Eingang gefunden hat in Überlegungen zu Controlling und Selbst-/ Fremd-Evaluation.

3.3.2.4 Vergleich der Ansätze

Die dargelegten Ansätze Balanced Scorecard, EFQM Excellence Model und Integrated Management Model werden nachfolgend auf ihre Eignung zur Beschreibung einer Management-Prozess-Architektur zusammenfassend beurteilt. Diese Beurteilung erfolgt anhand von Kriterien, die für eine richtige und gute Management-Prozess-Architektur relevant sind. Letztere und die jeweilige Bewertung pro Ansatz512 sind in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.

Abbildung 21: Zusammenfassende Beurteilung von Managementprozess-Ansätzen (eigene Darstellung)

Die drei Ansätze sind alle pragmatischer Natur, wobei das Integrated Management Model wissenschaftlich gesehen fundierter erscheint als die beiden anderen Ansätze. Die Verständlichkeit ist bei den drei Ansätzen in ähnlicher Weise gegeben. Die Anwendbarkeit 512 Bei den Bewertungen handelt es sich um meine Einschätzung aufgrund der zitierten und studierten Literatur. Die Bewertungen habe ich horizontal und vertikal validiert, um die Relationen der Bewertungen sicherzustellen. Die sechs Kriterien habe ich gleich gewichtet. Bei einer unterschiedlichen Gewichtung müssten die inhaltlichen Kriterien 1-3 eher höher gewichtet werden als die Kriterien 4 und 5, da es nichts bringt resp. sogar schadet, etwas (inhaltlich) Falsches gut zu verstehen und gut umzusetzen. Bei einer überdurchschnittlichen Gewichtung der Kriterien 1-3 würde das Integrated Management Model noch deutlicher an erster Stelle des Vergleichs erscheinen.

Balanced Scorecard

EFQM Excellence Model

Integrated Management Model

1. Orientierung an Lebensfähigkeitund Customer Value

2. Komponenten für ganzheitliche Unternehmens- und Mitarbeiterführung vorhanden

3. Komponenten zu integriertem Ganzen logisch verbunden

4. Anwendbarkeit für Praktiker

5. Verständlichkeit für Praktiker

6. Wissenschaftliche Herleitung

Gesamtbeurteilung

158 Theoriebausteine zur MPA

für den Praktiker ist bei der Balanced Scorecard und dem EFQM Excellence Model insofern noch etwas höher einzustufen, als diese Modelle von ihrer Logik her einfacher sind. Dies geht jedoch einher mit einem geringeren Komplexitätsbewältigungs-Potenzial dieser beiden Ansätze. Bezüglich der inhaltlichen Kriterien 1-3 kommt die Überlegenheit des Integrated Management Model klar zum Ausdruck. Im Vergleich mit den anderen Ansätzen fokussiert es primär auf den Customer Value (und nicht wie die BSC primär auf Shareholder-Value und das EFQM Excellence Model auf Stakeholder-Value) und enthält alle notwendigen und hinreichenden Komponenten für eine ganzheitliche Unternehmens- und Mitarbeiterführung. Dass trotz der hohen „Erklärungs- und Problemlösungspotenz“ des Integrated Management Model dessen Verständlichkeit und Anwendbarkeit für den Praktiker ebenfalls gegeben ist, ist der logisch-verbundenen Darstellung der einzelnen Komponenten zu verdanken.

Hinsichtlich der Vorstellung und des Vergleichs der drei Ansätze ist anzumerken, dass die Suche nach geeigneten Managementprozessen für die Management-Prozess-Architektur im Vordergrund steht. Diesbezüglich ist das Integrated Management Model der ergiebigste Ansatz. Es lassen sich in den anderen beiden Ansätzen keine Komponenten resp. Managementprozesse ausmachen, welche im Integrated Management Model nicht berück-sichtigt wären. Insofern braucht es auch keine Kombination von zwei oder drei der vorgestellten Ansätze, sondern es reicht, wenn hinsichtlich der Frage, was notwendige und hinreichende Managementprozesse der Management-Prozess-Architektur sind, im weiteren Verlauf der Arbeit auf das Integrated Management Model referenziert wird. Dieser Schluss soll nicht darüber hinweg täuschen, dass die Balanced Scorecard und das EFQM Excellence Model insbesondere zwei wichtige Überlegungen beinhalten, welche für die vorliegende Arbeit durchaus genutzt werden können:

1. Die Verbindung der Ergebniskennzahlen und Leistungstreiber (in der Balanced Scorecard) resp. der Ergebnis- und Befähiger-Kriterien (im EFQM Excellence Model).

2. Die stringente Nutzung dieser Grössen als Ziel- und Beurteilungsgrössen und somit als Bestandteil von Controlling und Reporting sowie von Selbst- und Fremdevaluationen.

Der erste Punkt wird durch eine Kombination des Model of Pre-controlled Success und des Integrated Management Model im Zuge der Herleitung der Management-Prozess-Architektur aufgegriffen. Der zweite Punkt wird im Rahmen des MPA-Konzepts resp. genauer bei dessen Konzeptmodul „MPA-Assessment” weiterverfolgt.

Theoriebausteine zur MPA 159

3.3.3 Detaillierte Darlegung des Integrated Management Model

3.3.3.1 Vorbemerkungen zu den Managementprozessen

Der Grundaufbau und die Übersichtsversion des Integrated Management Model wurden in Kapitel 3.3.2.3 vorgestellt. Nachfolgend soll die Detailversion vorgestellt werden. Dabei geht es insbesondere darum, die einzelnen Managementprozesse in ihrem Zusammenhang mit anderen Managementprozessen darzustellen. Die Verbindungspfeile zwischen den Managementprozessen im Integrated Management Model (gemäss der nachfolgenden Abbildung 22) sind nicht Wirkungszusammenhänge im Sinne von „je mehr, desto mehr/weniger“, sondern Informationszusammenhänge. „( …) a control system (…) consists of a structure, that is some kind of network through which information is passed, an a set of parameters that characterize this network – each of which determines (for instance) the transfer function governing the transmission of information at each node.”513 Jedes Element des Integrated Management Model kann als Managementprozess verstanden werden, bei dem anhand von Informations-Inputs über einen Problemlösungsprozess ein jeweiliger Informations-Output generiert wird. Managementprozesse sind „Daueraufgaben“ im Sinne von nie abbrechenden Problemlösungsprozessen resp. Ereignisströmen, welche mit Rückgriff auf bestehende materielle und immaterielle Strukturen immer wieder aufs Neue entsprechende Ereignisse hervorbringen.

Die Ausführungen zur Detailversion des Integrated Management Model erfolgen in den Kapiteln 3.3.3.2 - 3.3.3.5 auf Basis der vier Quadranten der nachfolgenden Abbildung 22.514,515

513 Beer, Decision, 1966, S. 260 f. 514 Im Vergleich zur Abbildung des Integrated Management Model in Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 240, wurden die Bezeichnungen der Elemente im Hinblick auf deren Verständnis als Managementprozesse teilweise etwas aufgabenorientierter formuliert (z.B. Strategieentwicklung statt Strategie). Zweitens wurde die Nummerierung von Element 3 und 4 getauscht, um die „Umsetzungsstrasse“ durchgängig als Input-Output-Fluss zu ermöglichen. Drittens wurden die Elemente 8, 9, 21 und 22 – welche keine Managementprozesse darstellen – durch gestrichelte Linien gekennzeichnet. Viertens wurden zwecks Stringenz gegenseitige Beeinflussungen zwischen Managementprozessen durchgängig mit zwei Pfeilen dargestellt (statt teilweise mit zwei Pfeilen und teilweise mit Doppelpfeil). 515 Elemente/Managementprozesse, welche genau auf der Linie zwischen den Quadranten liegen werden im Rahmen der nachfolgenden Darlegung pragmatisch einem der Quadranten resp. Kapitel zugeordnet und dort hinsichtlich ihrer besonderen Nahtstellenfunktion erläutert.

160 Theoriebausteine zur MPA

Abbildung 22: Detailversion des Integrated Management Model nach Malik

Sum

me

derL

eist

ungs

-un

dFü

hrun

gser

gebn

isse

mita

rbeit

erbe

zoge

nun

tern

ehm

ensb

ezog

en

Unte

rneh

men

s-po

litik

und

Corp

.Gov

erna

nce

1

Orga

nisa

tion

(Stru

ktur

en+P

roze

sse)

3

Jahr

espla

nung

und

Budg

ets

5

Stel

lenge

stalt

ung

(Job

Desig

n)un

dSt

ellen

bese

tzung

18St

ellen

bewe

rtung

undE

ntloh

nung

19

Indiv

iduell

eMi

tarb

eiter

-en

twick

lung

13

Indivi

duel

lePo

tenz

ialbe

urte

ilung

undL

aufb

ahnp

lanun

g

12

Leist

ungs

-be

wer

tung

11

Kont

rolle

(Selb

stko

ntro

lle)

10

Indivi

duel

leLe

istu

ngs-

und

Führ

ungs

erge

bnis

se

9Ha

ndel

n/Au

sfüh

ren

8

Cont

rollin

gun

dBe

richt

swes

en

24

Mon

atsz

iele

7.1W

oche

nzie

le7.2

Tage

szie

le7.3

Pers

önlic

heAr

beits

met

hodik

Aufg

aben

und

Schlü

ssel

prob

lemed

erSt

elle

(Ass

ignm

ents

)

20

Zeithorizont mehrals ein Jahr

Zeithorizont wenigerals ein Jahr

22

7

Pers

önlic

her

Jahr

eszie

lproz

ess

(MbO

)

6

Proje

kteu

ndAu

fträg

e21

Man

agem

ent-

entw

icklu

ngs-

und

-nac

hwuc

hspla

nung

Führ

ungs

kräf

te-

beda

rfser

mitt

lung

15 14

Funk

tione

n-zu

teilu

ngun

d-d

iagr

amm

(AKV

)

17

Oper

ative

Steu

erun

gs-

syst

eme(

Disp

ositio

n):

•Cus

tom

erRe

latio

nM

anag

emen

t•O

rder

Proc

essin

g•P

rodu

ction

Cont

rol

•…23

Unte

rneh

men

s-en

twick

lung

16St

rate

gie-

entw

icklu

ng2

Oper

ative

Plan

ung

4

Theoriebausteine zur MPA 161

Die formale Darlegung der Managementprozesse alleine ist noch nicht ausreichend, um in der Praxis einen Anwendungserfolg zu erzielen. Richtiges und gutes Management ist abhängig von den jeweiligen Inhalten. So ist z.B. das Verständnis des Management-prozesses der Strategieentwicklung in seinem Zusammenspiel mit anderen Management-prozessen noch nicht ausreichend. Es ist auch das Richtige unter Strategieentwicklung zu verstehen.516 Es würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, die einzelnen Management-prozesse auch inhaltlich im Detail auszuleuchten. Es werden daher nachfolgend bei der Beschreibung der Detailversion des Integrated Management Model nur die wichtigsten inhaltlichen Grundsätze bezüglich der Managementprozesse erwähnt.517 Die nachfolgenden Darlegungen orientieren sich an MALIK’s Publikationen zum Integrated Management Model.518

3.3.3.2 Langfristig-unternehmensbezogene Managementprozesse

Der Managementprozess „Unternehmenspolitik und Corporate Governance“ 519 definiert Zweck, Identität und Funktionsweise der Unternehmung und in diesem Zusammenhang auch Leitplanken für die Strategie- und die Unternehmensentwicklung. Neben dem Leitbild sind Policy Rules (unternehmenspolitische Regelungen) ein prägendes Instrument. Leitbild und Policy Rules haben normativen Charakter, sind kurz und klar formuliert und haben eine langfristige Gültigkeit. Sie können verglichen werden mit der Verfassung eines Landes oder den 10 Geboten der Bibel. Im Rahmen der Unternehmenspolitik und Corporate Governance werden die Weichen gestellt für die Orientierung am Kundennutzen und die Etablierung einer Management-Prozess-Architektur.

Unter Nutzung der Inputs aus „Unternehmenspolitik und Corporate Governance“ sowie dem „Controlling und Berichtswesen“ findet die „Strategieentwicklung“ statt. Im Rahmen der

516 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 113. 517 Für eine detaillierte Darlegung der inhaltlichen Dimensionen sei auf die Publikationen von Malik verwiesen, insb. auf Malik, Führen, 2000/2006 und die neue Buchreihe „Management: Komplexität meistern“, von der Band 1 und 2 bereits publiziert sind; vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007 und Malik, Unternehmenspolitik, 2008. 518 Vgl. Malik, Management-Systeme, 1981/1994, S. 26 ff., Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 98 ff. und Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 239 ff. 519 Unternehmenspolitik bestimmt das Unternehmensgeschehen in die Zukunft hinein auf längere Frist in den wesentlichen Grundlinien. Vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 179 sowie Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 96 und 276. Corporate Governance wird in der Praxis teilweise als Synonym für Unternehmenspolitik verwendet, teilweise als Teilmenge mit Fokus auf rechtliche Aspekte und leider erst selten als umfassenderes Konstrukt bestehend aus Corporate Policy, Bestimmung Modus Operandi (Change, Normalbetrieb, Wachstum etc.), Corporate Issues und Aufgaben der Top-Management-Organe (Aufsichtsrat/Verwaltungsrat und oberstes Exekutivorgan). Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 42 f. und S. 276.

162 Theoriebausteine zur MPA

Strategieentwicklung werden mit Blick auf die Zukunft strategische Stossrichtungen festgelegt. Neben Produkt-/Markt-Optionen sind dabei auch Wertschöpfungs-Optionen zu bedenken. Neben einer Unternehmensstrategie sind Geschäftsfeld-Strategien (für Divisionen/Geschäftsbereiche/Profit Center) und Funktionalstrategien (für Support-Units wie z.B. Marketing, HR, Finanzen, IT) zu erarbeiten. Diese Strategien sind jeweils mit Zielen, Mitteln und Massnahmen hinsichtlich der sechs Central Performance Controls zu hinterlegen.

Zur Umsetzung der Strategie ist eine geeignete „Organisation“ (Strukturen und Prozesse) notwendig. Diese lässt sich durch die Ablauf- (Geschäfts-, Unterstützungs-, Management-prozesse) und die Aufbauorganisation (etablierte und innovative Geschäftseinheiten, Unterstützungseinheiten, Projektorganisation, Organe, Gremien, etc.) charakterisieren. Die Oberflächenstruktur einer Unternehmung wird zumeist mit einem Organigramm dargestellt. Hinsichtlich der Funktionsweise der Unternehmung ist jedoch die Tiefenstruktur wesentlich entscheidender. Diese lässt sich mittels Viable System Model diagnostizieren und über entsprechende Gestaltungsmassnahmen beeinflussen. Eine wirksame Organisation stellt den Kunden in den Mittelpunkt und ermöglicht den Mitarbeitern und Führungskräften auch wirklich das zu tun, wofür sie bezahlt werden.520

Die „Operative Planung“ (teilweise auch Mehrjahresplanung genannt) orientiert sich an den Zielen/Eckwerten und Schlüsselmassnahmen der Strategie und „übersetzt“ diese ins Tagesgeschäft der einzelnen Organisationseinheiten. Die operative Planung darf daher niemals eine Extrapolation (lineare Hochrechnung) von Vergangenheitswerten sein, sondern die Planzahlen müssen einen argumentativen Hintergrund haben. Die operative Jahresplanung ist deshalb ein wichtiges Bindeglied zwischen Strategie und Jahresplanung, weil gewisse Vorhaben und Investitionen (z.B. Akquisition einer Unternehmung, Bau eines neuen Firmengebäudes) einen längeren Zeithorizont als ein Jahr haben und daher auf Basis operativer Grössen über mehrere Jahre geplant werden müssen (inkl. Investitionsrechnung).

„Jahresplanung und Budgets“ sind nicht nur ein Instrument des Finanz- und Rechnungswesens, sondern insbesondere ein „To-do“- resp. Management-Werkzeug für Leiter von Organisationseinheiten. Sie sind keine Hochrechnungen aus der Vergangenheit, sondern stellen eine zukunftsgerichtete Willensbekundung dar. Das Erarbeiten von Jahresplänen und Budgets verlangt ein gewissenhaftes Durchdenken der erwarteten und gewollten Resultate/Wirkungen sowie deren Beziehungen zu den erforderlichen Mitteln und

520 Vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.4 (Implikationen) zu den Grundfragen des Organisierens nach Drucker im Kontext des Viable System Model.

Theoriebausteine zur MPA 163

Massnahmen. Die Kategorien der Jahresplanung und Budgets sollten inhaltlich (nach Produkten, Kunden, Regionen etc.) und vom Detailierungsgrad her ähnlich sein wie jene des unterjährigen Budgetcontrollings. Jahresplanung und Budgets müssen so konkret sein, dass sie ausreichenden Input für den persönlichen Jahreszielprozess und die operativen Steuerungssysteme beinhalten.

3.3.3.3 Kurzfristig-mitarbeiterbezogene Managementprozesse

Dem „Persönlichen Jahreszielprozess“ (als Ausgangspunkt von Management by Objectives and self control – kurz MbO) kommt eine zentrale Bedeutung zu: Er verbindet einerseits die unternehmens- und mitarbeiterbezogene und anderseits die lang- und kurzfristige Dimension. Der Vorgesetzte hat für Leistungs- und Entwicklungsziele seiner Mitarbeiter zu sorgen. Entscheidend ist, dass Ziele vorliegen. Ob diese vorgegeben oder vereinbart werden, ist sekundär und situationsabhängig. Auf alle Fälle sollten sie vom Vorgesetzten mit dem Mitarbeiter in einem Gespräch diskutiert und unter Einhaltung wesentlicher Grundregeln521 festgehalten werden. Ziele sind das wichtigste Mittel, um Menschen in einer Organisation zu fokussieren.

Die „Persönliche Arbeitsmethodik“ steuert die Umsetzung der persönlichen Jahresziele in Ergebnisse unter Berücksichtigung von Inputs aus „Operative Steuerungssysteme“, „Kontrolle (Selbstkontrolle)“ sowie „Projekte und Aufträge“. Monats-, Wochen- und Tagesziele bilden die Grundlage zur Steuerung des individuellen Handelns. Jeder erfolgreiche Mensch arbeitet methodisch, aber man kann nicht „die“ Methode verallgemeinern. Die Arbeitsmethodik ist etwas sehr Individuelles, deshalb „persönliche“ Arbeitsmethodik. Erfolgreiche Menschen zeichnen sich aus durch einen wirksamen Umgang mit Zeit (inkl. Terminverwaltung), Informations-Inputs (inkl. physisches und elektronisches Ablagesystem), Informations-Outputs (mündlich und schriftlich), Aufgaben/Pendenzen (inkl. Checklisten für wiederkehrende Abläufe).

Das „Handeln / Ausführen“ sowie die damit verbundenen „Individuellen Leistungs- und Führungsergebnisse“ sind selbst keine Managementprozesse, sondern das Resultat von Managementprozessen. Die individuellen Resultate stehen dabei ganz im Zeichen eines

521 Zu diesen Grundregeln zählen insbesondere: a) wenige aber grosse Ziele, b) erkennbarer Beitrag der Ziele zum Ganzen, c) Ziele als vorweggenommene Resultate formuliert (im Perfekt), d) Ziele konkret und messbar resp. zumindest beurteilbar, e) Ziele herausfordernd und gleichwohl realitätsnah, f) Ziele sind nicht zwingend widerspruchsfrei und auch nicht rechnerisch zu Gesamtziel addierbar (Wichtigkeit der Balancierung). Vgl. hierzu auch Malik, Führen, 2000/2006, S. 179 ff.

164 Theoriebausteine zur MPA

Beitrags an die „Total System Performance“ gemäss dem „Model of Pre-controlled Success“.

Die „Individuellen Leistungs- und Führungsergebnisse“ bilden den Input für „Kontrolle (Selbstkontrolle)“. Die Funktionssicherheit einer Organisation wird massgeblich durch „Management by objectives and self control“ geprägt. Durch die Selbstkontrolle ist eine entsprechende Rückführung wesentlicher Informationen in das Führungssystem sichergestellt (Feedback). Wo ein Messen im engeren Sinn nicht möglich ist, muss man zumindest Beurteilen und Urteilen. Im Rahmen der „Persönlichen Arbeitsmethodik“ können auf Basis des jeweiligen Soll-Ist-Vergleichs entsprechende Korrekturmassnahmen eingeleitete werden, deren Umsetzung erneut durch Selbstkontrolle geprüft wird. Im Idealfall ist die Selbstkontrolle so wirksam, dass der Kontrollaufwand des Vorgesetzten minimiert wird. Im Minimum muss der Vorgesetzte kontrollieren, ob sich der Mitarbeiter selbst ausreichend kontrolliert, und er muss über ausreichende Kontrollinformationen für die Leistungsbewertung verfügen.

„Projekte und Aufträge“ steht für nicht in der Jahresplanung enthaltene Projekte und Aufträge. Diese u.a. durch (Selbst-)Kontrolle aufgespürten, "unterjährig dazu-kommenden“ resp. ausserordentlichen Aufgaben haben Einfluss auf die bis dato bestehenden Monats-, Wochen- und Tagesziele. Das Element „Projekte und Aufträge“ ist kein Managementprozess und ist deshalb in der Abbildung 22 gestrichelt dargestellt. Neben dem gestrichelten Rahmen weist zusätzlich die andere Formgebung des Elements darauf hin, dass es sich bei „Projekten und Aufträgen“ um ein Element handelt, welches das Modell öffnet für unerwartete Veränderungen in der Umwelt und im Unternehmen.

Auf Basis der (Selbst-)Kontrollen der Leistungs- und Führungsergebnisse findet die „Leistungsbewertung“ statt. Wie beim Kontrollieren gilt auch hier, dass, wo ein Messen der Leistung im engeren Sinne nicht möglich ist, zumindest beurteilt und geurteilt werden muss.522 Entscheidend ist dabei insbesondere das Erkennen der Stärken des Mitarbeiters. Schwächen muss man kennen, um sie im Rahmen der Einsatzsteuerung möglichst nicht zum Tragen zu bringen. Je nach Situation kann es sinnvoll sein, unterjährig periodische Standort-bestimmungsgespräche durchzuführen. Einmal jährlich findet die abschliessende Leistungsbewertung und Beurteilung der Erreichung der Jahresziele des abgelaufenen Jahres statt. Im Gespräch und der entsprechenden Dokumentation ist auch die Sichtweise

522 Eine Fixierung lediglich auf messbare Ziele resp. Grössen wirkt sich negativ aus. Vgl. hierzu Fussnote 317 sowie, im Zusammenhang mit fehlender Zielkongruenz bei rein quantitativen „management control systems“, Rosanas und Velilla, Ethics, 2005, S. 85 ff.

Theoriebausteine zur MPA 165

des Mitarbeiters zu seiner Leistung einzubeziehen. Die Erkenntnisse aus diesem Gespräch bilden Input für eine Reflexion der Schlüsselaufgaben des jeweiligen Mitarbeiters und die Vereinbarung der Ziele für das kommende Jahr. Des Weiteren bildet die Leistungsbewertung die Grundlage für Fragen der Entlohnung sowie der individuellen Potenzialbeurteilung und Laufbahnplanung.

3.3.3.4 Langfristig-mitarbeiterbezogene Managementprozesse

Die „Individuelle Potenzialbeurteilung und Laufbahnplanung“ umfasst eine Ein-schätzung523 des Führungs- und Leistungspotentials einer Person auf Basis der bisherigen Resultate524 und ggf. dem Verhalten in einer Laborsituation. Sie dient damit der Feststellung der Eignung für eine andere – in der Regel höherwertige – Aufgabe. Neben der vergangenheitsorientierten Leistungsbewertung und der zukunftsorientierten Potenzial-beurteilung bilden unternehmensspezifische Laufbahnlinien 525 die Grundlage für die individuelle Laufbahnplanung. Letztere ist die Planung der beruflichen Entwicklung einer Person im Unternehmen. Sie hat Unternehmensnotwendigkeiten und persönliche Berufsziele des Betroffenen bestmöglich in Übereinstimmung zu bringen.

Aufbauend auf der individuellen Potenzialbeurteilung und Laufbahnplanung zielt die „Individuelle Mitarbeiterentwicklung“ darauf ab, Mitarbeitern aller Stufen Qualifikationen zur Bewältigung der gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen ihrer Tätigkeit zu vermitteln. Individuelle Mitarbeiterentwicklung setzt bei der jeweiligen Person an und berücksichtigt deren bisherige Kenntnisse (Wissen) und Fähigkeiten (Können) sowie deren Arbeitsanforderungen. Entwicklungsmassnahmen sollten nicht nur auf Wissensvermittlung beruhen, sondern auch Elemente der Wissensanwendung umfassen (insb. angeleitete Arbeit an realen Projekten). Entwicklungsziele sind ebenfalls in den persönlichen Jahreszielprozess zu integrieren. Die Erreichung der Entwicklungsziele ist nicht primär auf Basis der Anzahl besuchter Schulungstage (Input), sondern der erworbenen Fähigkeiten (Output) zu beurteilen.

523 Die Einschätzung erfolgt z.B. durch den nächsthöheren Vorgesetzten, Kollegen oder durch ein Gremium. Relevant sind insbesondere die fachliche, methodische, soziale und persönliche Kompetenz. 524 Zu bisherigen Resultaten als wichtigster Anhaltspunkt für zukünftig zu erwartendes Handeln siehe auch Manella, Führung, 2005, S. 373. 525 Laufbahnlinien stellen eine bestimmte „horizontale“ oder „vertikale“ Stellen-/Funktionsfolge dar. Die Fach- und Projektlaufbahn beschreiben eine horizontale Stellenfolge (auf derselben Führungsstufe), ohne dass ein formeller Kompetenzzuwachs im engeren Sinne damit verbunden ist. Bei einer Führungslaufbahn steigt der Mitarbeiter vertikal hinsichtlich der Führungsstufen auf und seine formellen Kompetenzen werden erweitert.

166 Theoriebausteine zur MPA

Unter der Bezeichnung „Managemententwicklungs- und -nachwuchsplanung“ werden alle Massnahmen verstanden, die darauf ausgerichtet sind, die Entwicklung der aktuellen und potentiell zukünftigen Führungskräfte kontinuierlich den aktuellen und zukünftigen Anforderungen gemäss zu fördern. Im Gegensatz zur individuellen Mitarbeiterentwicklung steht nicht die einzelne Person, sondern primär das Management als Gesamtheit im Mittelpunkt. Die mit Blick in die Zukunft benötigte Anzahl und Qualität der ausgebildeten Führungskräfte ergibt sich aus der „Führungskräftebedarfsermittlung“. In diesem Zusammenhang sind auch frühzeitig Nachfolger für Schlüsselpersonen/-positionen aufzubauen. Eine wirksame „Managemententwicklungs- und -nachwuchsplanung“ führt auf allen Ebenen der Unternehmung zu einer gemeinsamen „Managementsprache“, indem allen Teilnehmern von entsprechenden Managemententwicklungsprogrammen bewusst die gleichen Grundmodelle, -konzepte und -methoden vermittelt werden.

Die „Führungskräftebedarfsermittlung“ führt zum quantitativen (Menge) und qualitativen (Fähigkeiten) Gesamtbedarf an Führungskräften, den die Unternehmung in den nächsten Jahren aufweisen wird. Wesentliche Inputs zur Bedarfsermittlung kommen aus der „Strategieentwicklung“, der „Unternehmensentwicklung“ und der „Management-entwicklungs- und -nachwuchsplanung“. Der ermittelte Führungskräftebedarf ist zunächst eine rein planerische Grösse, welche ihrerseits einen wichtigen Input bildet für die „Unternehmensentwicklung“ und die „Managemententwicklungs- und -nachwuchsplanung“. Zur Bedarfsdeckung sind frühzeitig Massnahmen einzuleiten (Entwicklung von innen und/oder Rekrutierung von aussen).

Die intendierte Veränderung und Erhöhung der Leistungsfähigkeit des Gesamtsystems wird als „Unternehmensentwicklung“ bezeichnet. Wesentliche Inputs kommen aus der „Unternehmenspolitik und Corporate Governance“ und der „Strategieentwicklung“ sowie aus drei Managementprozessen, welche in gegenseitigem Zusammenhang mit der „Unternehmensentwicklung“ stehen. Es sind dies „Funktionenzuteilung und -diagramm (AKV 526 )“, „Managemententwicklungs- und -nachwuchsplanung“ und „Führungskräfte-bedarfsermittlung“. Die Unternehmensentwicklung verändert somit auf Basis von unternehmens- und mitarbeiterbezogenen Inputs das Gesamtsystem und wirkt so auf Unternehmen und Mitarbeiter zurück. Diese grosse Bedeutung bringt es mit sich, dass grössere Unternehmensentwicklungsvorhaben als Projekt verstanden, mit den besten (Nachwuchs-) Führungskräften besetzt und professionell durchgeführt werden müssen.

526 AKV steht für Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten.

Theoriebausteine zur MPA 167

„Funktionenzuteilung und -diagramm (AKV)“ dient der Konkretisierung und Individualisierung der „Organisation“ (Strukturen und Prozesse). Die klare Definition und Zuteilung von Zuständigkeiten im Sinne von Aufgaben, Kompetenzen 527 und Verantwortlichkeiten zeigt das Zusammenwirken der einzelnen Stellen bei der Aufgabenerfüllung (horizontale Logik / Dimension im Funktionendiagramm) sowie die AKV je Stelle (vertikale Logik / Dimension im Funktionendiagramm). Aufgaben können im Funktionendiagramm auf unterschiedlicher Aggregationsebene dargestellt werden (Prozesse, Hauptaufgaben, Aufgaben, Detailaufgaben, Einzeltätigkeiten etc.). Grundsätzlich gilt, dass dort ein höherer Detaillierungsgrad angebracht ist, wo es sich um oft wiederkehrende Aufgaben handelt.

Die „Stellengestaltung (Job Design) und -besetzung“ ist zwar mitarbeiterbezogen, aber nicht in erster Linie „einzelpersonabhängig“. Vielmehr geht es, abgeleitet aus „Funktionenzuteilung und -diagramm (AKV)“, um die langfristig angelegte Bündelung von Aufgaben zu einem Aufgabenpaket für eine zu besetzende Arbeitsstelle (Pflichtenheft). Neben AKV werden bei der Stellengestaltung auch entsprechende Vorgesetzten- und Mitarbeiterbeziehungen sowie die Stellvertreterregelung definiert. Das Resultat der Stellengestaltung ist eine schriftlich festgehaltene Stellenbeschreibung. Die Stellenbeschreibung dient einerseits als unternehmensinternes Koordinationsinstrument und ist anderseits Grundlage für die Erstellung eines Anforderungsprofils zur internen oder externen Rekrutierung einer Person für die Besetzung der Stelle sowie als Input zur „Stellenbewertung und Entlohnung“.

„Stellenbewertung und Entlohnung“ umfasst eine leistungs-/personenunabhängige Bewertung der Stelle und eine leistungs-/personenabhängige Entlohnung. Der Stellenwert als direktes Resultat der Stellenbewertung gibt Auskunft über die relative Bedeutung der Gesamtheit der Anforderungen einer Stelle, d.h. der Arbeitsschwierigkeit einer Stelle innerhalb eines bestimmten Kollektivs. Bewertungsobjekt ist somit die Stelle, nicht der Stelleninhaber. Auf Basis der Stellen- und der Leistungsbewertung erfolgt die Festlegung der Gesamtentlohnung im Rahmen der gegebenen Gehaltsstrukturen. Die Entlohnung hat aus Sicht von Vorgesetztem und Mitarbeiter leistungsgerecht, intern verteilungsgerecht und personalmarktgerecht zu sein.

Die richtig bestimmten „Aufgaben und Schlüsselprobleme der Stelle (Assignments)“ führen zu einer wirksamen Einsatzsteuerung, die den Mitarbeiter zur vollen Konzentration auf die 527 Als wesentliche Kompetenzen werden z.B. unterschieden: I (informiert), i (wird informiert), A (Ausführung), E (entscheidet). Eine Aufgabe mit entsprechender Kompetenzverteilung sollte im Normalfall immer von jemandem verantwortet werden, der auch (mit)entscheidet.

168 Theoriebausteine zur MPA

richtigen Aufgaben anhält. Während die Stellengestaltung (Job Design) langfristig-orientierte Aufgabenpakete festlegt, sorgen Assignments (Einsatzsteuerung) für die situationsbedingten Prioritäten. Somit wird die eher statische Stellengestaltung ergänzt durch Assignments als dynamische Komponenten von Organisationen. Ein Assignment ist die Konklusion aus den strategischen Herausforderungen, aus den Hauptaufgaben der Stelle und aus der aktuellen Situation (Rahmenbedingungen, persönliche Stärken etc.) und ist ein wichtiger Input für den „Persönlichen Jahreszielprozess (MbO)“.

3.3.3.5 Kurzfristig-unternehmensbezogene Managementprozesse

Die „Summe der Leistungsergebnisse“ ist selbst kein Managementprozess, sondern Resultat der Managementprozesse und wichtiger Input für die nachgelagerten Managementprozesse „Operative Steuerungssysteme (Disposition)“ sowie „Controlling und Berichtswesen“.

Die „Operativen Steuerungssysteme (Disposition)“ dienen der Steuerung des Tages-geschäfts. Beispiele für Themen der Steuerungssysteme sind Customer Relations Management, Order Processing (Auftragsabwicklungssysteme), Production Control (Produktionsplanungs- und -steuerungssysteme), Logistics (Logistiksysteme), Lager-bewirtschaftung und Materialwirtschaft. Wichtig ist, dass diese Systeme die Führungskräfte mit führungsrelevanter Information versorgen und somit ihre Inputs für den „Persönlichen Jahreszielprozess“ und die „Persönliche Arbeitsmethodik“ leisten. Je nach Grösse und Art des Unternehmens kann es sinnvoll sein, für wesentliche Komponenten des Tagesgeschäfts (Kunden, Aufträge, Mitarbeiter, Material, Finanzen etc.) über IT-Systeme zu verfügen.

“Controlling und Berichtswesen” ist das wichtigste Feedback-System für den unter-nehmensbezogenen Bereich und deckt alle Zeitbereiche ab (z.B. strategisches Controlling, Budgetcontrolling). Über indirekte Elementbeziehungen werden letztlich alle Elemente (auch mitarbeiterbezogene) erfasst und mit Feedback versorgt. Die Ergebnisse werden verarbeitet und verdichtet, um sie den anderen Elementen als Input zurückzuspielen resp. werden entsprechende Berichte für definierte Zielgruppen erstellt. Dabei wird nicht entschieden, sondern vorbereitet (Controller-Dienst für Entscheider). Im Sinne eines systemorientierten Controllings sollten von “Controlling und Berichtswesen” alle drei Komponenten des “Model of Pre-controlled Success”, also Customer Value Controlling, Business System Controlling und Management Process Controlling528, abgedeckt werden. Die Controlling-Arbeit und das empfängerorientierte Berichtswesen müssen dem Planungs-

528 U.a. zwecks Controlling der Strategieentwicklung und -umsetzung. Ein Controlling der Strategieumsetzung besteht aus Prämissen- (haben sich Annahmen geändert?), Eckwerte- (Zielgrössen) und Massnahmencontrolling.

Theoriebausteine zur MPA 169

und Kontrollrhythmus der unterschiedlichen Ebenen entsprechen. Zudem ist bezüglich den eingesetzten Systeme und Instrumente eine Balance zwischen Daten-/Informationserfassung und Daten-/Informationsnutzung sicherzustellen.

3.3.4 Implikationen

In Kapitel 3.1 und 3.2 wurde aufgezeigt, wozu und wo genau eine Management-Prozess-Architektur zur Anwendung kommt. Im vorliegenden Kapitel 3.3 stand die Frage im Vordergrund, was für Managementprozesse für ein integriertes Management mit dem Ziel der Maximierung der Lebensfähigkeit notwendig und hinreichend sind.

Zu Management sind in den letzten Jahrzehnten eine Vielzahl von Prinzipien, Methoden und auch Modetrends entstanden. Im Rahmen von Kapitel 3.3 wurden aus dieser Vielzahl ausgewählte Ansätze vorgestellt, welche eine ausreichende Fundierung, eine erfolgreiche Verbreitung in der Praxis und eine hohe Eignung für ein rekursiv angelegtes integriertes Management in den einzelnen ergebnisverantwortlichen Einheiten haben. Als solche Ansätze wurde die Balanced Scorecard, das EFQM Excellence Model und das Integrated Management Model identifiziert und vorgestellt.

Der Vergleich der drei Ansätze machte deutlich, dass das Integrated Management Model die grösste Erklärungskraft hat hinsichtlich der Frage, was für Managementprozesse notwendig und hinreichend sind. Die Überlegenheit beruht insbesondere auf der klaren Orientierung des Integrated Management Model an der Lebensfähigkeit von Unternehmungen und deren Fähigkeit, nachhaltig einen überlegenen Kundennutzen zu generieren, sowie an der ganzheitlichen Darstellung von miteinander logisch verbundenen Komponenten, welche in ihrem Zusammenspiel eine integrierte Unternehmens- und Mitarbeiterführung ermöglichen. Auch wenn die anderen Ansätze nicht gleichermassen geeignet sind für die Berücksichtigung in der Management-Prozess-Architektur, so bieten sie mit der expliziten Verbindung der Ergebniskennzahlen mit Leistungstreibern resp. Befähigern sowie der Nutzung dieser Grössen für (Selbst-)Evaluationen verfolgenswerte (Teil-)Aspekte.

Die detaillierte Darlegung des Integrated Management Model machte deutlich, wie dieses den Führungskräften als Relevanzfilter für ihr Denken und Handeln dienen kann. Das Integrated Management Model fokussiert Führungskräfte auf die wirklich wesentlichen Informationen zum Meistern der Komplexität. BEER hat dies wie folgt umschrieben: „The essential importance to the manager himself of a cybernetic control system is that it automatically filters the vast amount of proliferating information about the world situation

170 Theoriebausteine zur MPA

that is accessible, and can present him with that very small proportion which is of real importance.”529

Im Kontext der vorliegenden Arbeit ist es wichtig, dass die Elemente des Integrated Management Model als einzelne Managementprozesse verstanden werden. Wie diese Prozesse zu verstehen sind, wird im nachfolgenden Kapitel 3.4 ausgeführt. Das Verständnis der Elemente als Managementprozesse bringt drei wesentliche Vorteile. Erstens wird es dadurch möglich, diese Prozesse organisatorisch zu verankern. Zweitens ist darüber hinaus ein Management der Managementprozesse und somit eine Vorsteuerung des Unternehmenserfolgs möglich. Drittens erlaubt das Prozessverständnis auf Basis von Input-Throughput-Output-Überlegungen ein Assessment der Prozess- resp. Managementqualität.

3.4 Zirkuläre Prozesse

In diesem Kapitel wird der Frage nachgegangen, wie die zuvor ermittelten Management-prozesse im Rahmen der Management-Prozess-Architektur ablaufen und welches Prozess-modell diesen Überlegungen zugrunde liegt.

3.4.1 Grundlagen

3.4.1.1 Management als sozialer Prozess

Unternehmungen werden in der systemorientierten Managementlehre als komplexe, zweckorientierte, produktive, soziale Systeme bezeichnet. Managementprozesse, die in Unternehmungen ablaufen, können in Anlehnung daran als soziale Prozesse bezeichnet werden. Auch die Unternehmung als Ganzes kann als ein Prozess interpretiert werden.530 SCHWANINGER umschreibt den Zusammenhang von Systemen und Prozessen wie folgt: "Der Begriff 'Prozess' ist ein Ausdruck für ein System, das sich in der Zeit verändert."531 Systeme sind Strukturen aus Elementen und deren Beziehungen, während Prozesse solche Systeme bilden resp. umbilden. Systeme sind somit das Resultat von Prozessen.532

529 Beer, Decision, 1966, S. 342. 530 Vgl. Dubs, Euler und Rüegg-Stürm, Managementlehre, 2004, S. 7 ff. 531 Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 61. 532 Vgl. Jensen, Erkenntnis, 1999, S. 367 f.

Theoriebausteine zur MPA 171

Management als eine Vielzahl von Prozessen zu betrachten ist keinesfalls neu. Alle Arbeiten auf Basis der Kybernetik sind in hohem Masse als prozessorientiert zu bezeichnen, z.B. auch das Viable System Model von BEER.533 NEWMAN/SUMMER/WARREN formulierten bereits 1961 in ihrem Buch "Management-Prozesse" Organisieren, Planen, Leiten und Kontrollieren als die wesentlichen Führungsprozesse.534 Nach ULRICH kann Management als der Prozess der Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von sozialen Systemen bezeichnet werden.535 Die Neuauflage des St. Galler Management-Modells versucht den Aspekt der Prozessorientierung insofern noch vermehrt aufzunehmen, als verschiedentlich Begriffe explizit als Prozesse benannt werden. Auf oberster Ebene wird zwischen Management-, Geschäfts- und Unterstützungsprozessen unterschieden. Insbesondere die Managementprozesse stehen dabei in einer zirkulären Wirkungsbeziehung mit den drei Ordnungsmomenten Strategie, Struktur und Kultur.536

Allerdings bewegen sich die Ausführungen der genannten Autoren zum Thema Managementprozesse auf einem hohen Abstraktionsniveau und sind nur schwer in Verbindung zu bringen mit klassischen Prozessdefinitionen, wie z.B. derjenigen von ÖSTERLE: "Ein Prozess ist eine Menge von Aufgaben, die in einer vorgegebenen Ablauffolge zu erledigen sind."537 Dies hat zu einem grossen Teil mit dem Wesen von Management als vieldimensionales soziales Phänomen, wie es im St. Galler Management Modell dargestellt wird, zu tun. Der primär lineare Gedanke von Prozessen als Abfolge von Aufgaben ist mit dem vieldimensionalen und oft zirkulären Aspekt, wie er im Management zumeist vorkommt, in Einklang zu bringen. Dabei wird relativ schnell klar, dass – aufgrund ihrer hohen Komplexität – Managementprozesse nicht im gleichen Masse strukturierbar und planbar sind wie operative Routineprozesse. Nichtsdestotrotz können auch im Rahmen von Managementprozessen wiederkehrende Muster erkannt, formalisiert und genutzt werden.

In Rahmen sozialer Prozesse interagieren Menschen miteinander. Über Verhalten und Beobachten werden materielle und immaterielle Strukturen geprägt, welche ihrerseits wiederum auf das Verhalten und Beobachten zurückwirken.538 Soziale Prozesse sind daher zu unterscheiden von nicht-sozialen Prozessen, zu denen natürliche und technische Prozesse

533 Siehe auch Kapitel 3.2.3 (Detaillierte Darlegung des Viable System Model). 534 Vgl. Newman, Summer und Warren, Management-Prozesse, 1968, S. 4 ff. 535 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 223 f. 536 Vgl. Rüegg-Stürm, Management-Modell, 2004, S. 121. 537 Österle, Engineering, 1995, S. 62. 538 Vgl. hierzu Kapitel 2.1.3.2 (Ereignisse).

172 Theoriebausteine zur MPA

gehören. Natürliche Prozesse laufen ohne Einfluss des Menschen ab. Demgegenüber sind technische Prozesse bis ins Detail vom Menschen bestimmbar. Soziale Prozesse hingegen werden von Menschen geprägt, können jedoch nie vollumfänglich geplant und bestimmt werden. Es gelten insofern die gleichen Charakteristika wie bei sozialen Systemen. Genau genommen bestehen soziale Systeme aus sozialen Prozessen und die sozialen Prozesse können selbst wiederum als soziale (Sub)Systeme betrachtet werden. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird der Prozessperspektive ein systemisches Prozessverständnis zugrunde gelegt. Eine Management-Prozess-Architektur kann als ein Geflecht von sozialen Prozessen betrachtet werden.

3.4.1.2 Unterscheidung der Managementprozesse von den Geschäfts- und Unterstützungsprozessen

Wir haben Systeme als Ganzheiten mit Teilen, welche untereinander dynamisch in Beziehung stehen, kennen gelernt. Diese dynamischen Beziehungen bringen es mit sich, dass Prozesse eine wichtige Komponente der Organisation eines Unternehmens sind. Die Unternehmung als Gesamt-Prozess kann aufgeteilt werden in Managementprozesse und die durch diese gestalteten, gelenkten und entwickelten Leistungsprozesse. Die Leistungs-prozesse ihrerseits lassen sich nochmals unterteilen in Geschäftsprozesse, welche direkte Auswirkung auf den Kundennutzen haben, und in Unterstützungsprozesse, welche im Rahmen des Leistungsprozesses unterstützen. 539 Die Unterscheidung in Management-, Geschäfts- und Unterstützungsprozesse lässt sich auch mit den Subsystemen des Viable System Model in Verbindung bringen. Während sich Geschäftsprozesse auf 1er-Systeme beziehen, haben Unterstützungsprozesse eine System 2-Funktion. Managementprozesse hingegen beziehen sich auf die Systeme 3-5. Nachfolgende Ausführungen beziehen sich ausschliesslich auf Managementprozesse, wobei sich gewisse Erkenntnisse auch auf Geschäfts- und Unterstützungsprozesse übertragen lassen.

Die zunehmende Dynamik in der Umwelt und im Unternehmen bringt es mit sich, dass dynamische Organisationskomponenten wie Projekte, Assignments und Prozesse im Gegensatz zu eher statischen Elementen wie der Aufbauorganisation an Bedeutung gewinnen. Die Literatur wird diesem Umstand nur teilweise gerecht. Zwar gibt es unzählige Publikationen zur Optimierung von Geschäftsprozessen, nicht jedoch zur Charakteristik und zum systematischen Verbessern von Managementprozessen. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass das Verständnis von Management als Prozesse hilft, Management organisatorisch zu verankern, Vorsteuerung zu ermöglichen und die Managementqualität zu

539 Vgl. Rüegg-Stürm, Management-Modell, 2004, S. 110 f.

Theoriebausteine zur MPA 173

beurteilen. Deshalb ist die nachfolgende Prozessperspektive wichtig für die Komplettierung der Theorie-Bausteine zur Management-Prozess-Architektur.

3.4.1.3 Besonderheiten von Managementprozessen

Managementprozesse haben im Gegensatz zu Geschäfts- und Unterstützungsprozessen ein sehr limitiertes Potenzial zur Standardisierung und somit zur Wiederholbarkeit mit gleichartigen Input/Output-Relationen. Managementprozesse sind bezüglich der Organisierbarkeit von Prozessen gemäss SCHULTE-ZURHAUSEN wie folgt zu sehen: „Die Einschränkung der Wiederholbarkeit hat zur Folge, dass Managementprozesse [von der Organisierbarkeit von Prozessen] ausgeschlossen werden können. Sie finden zudem hauptsächlich in den Köpfen der Manager statt und entziehen sich somit der organisatorischen Gestaltung. Managementprozesse sind in erster Linie Problemlösungs- und Entscheidungsprozesse; der Ablauf derartiger Entscheidungsprozesse wird in der Literatur meist idealtypisch in Phasen dargestellt. Eine allgemeine Effizienzsteigerung der Managementprozesse kann vor allem dadurch erreicht werden, dass die Kommunikationsfähigkeiten und das Führungsverhalten der Manager durch Schulung verbessert werden.“540

Beizustimmen ist der Feststellung, dass Managementprozesse primär Problemlösungs-prozesse sind und dass eine Effizienzsteigerung insbesondere durch Schulung erzielt werden kann. Dass sich Managementprozesse jedoch der Organisierbarkeit entziehen, halte ich für eine fragwürdige These. Im Gegenteil, mit einer Management-Prozess-Architektur lassen sich Managementprozesse in wesentlichen Dimensionen organisieren und zwar bewusst ohne den Anspruch, dass damit Managementprozesse perfekt wiederholbar würden (mit dem gleichen Output bei gleichem Input). Mit den sehr eingeschränkten Möglichkeiten der Wiederholbarkeit und Standardisierung von Managementprozessen einher geht die fehlende Möglichkeit, Managementprozesse technokratisch zu automatisieren. Bei Management-prozessen können technische Instrumente die Denk- und Handlungsarbeit von Managern bestenfalls unterstützen, niemals jedoch ersetzen.

Eine weitere Besonderheit von Managementprozessen ist die weitaus geringere Möglichkeit und Notwendigkeit der Formalisierung und Dokumentierung. Dies hängt mit den zuvor genannten Besonderheiten hinsichtlich Standardisierung, Wiederholbarkeit und Automati-sierung zusammen. Der Grad der Formalisierung und Dokumentierung ist stark abhängig vom jeweiligen Managementprozess sowie von der jeweiligen Unternehmung. Je nachdem

540 Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 61. Hervorhebung gemäss Original, jedoch kursiv statt fett.

174 Theoriebausteine zur MPA

wie stark sich soziale Prozesse in immateriellen und insbesondere materiellen Strukturen niederschlagen, laufen sie mehr oder weniger formal ab. Soziale Prozesse können nie vollständig materialisiert sein. Hingegen kann z.B. ein Gespräch als sozialer Prozess mehrheitlich immateriell sein, indem weder Input, Throughput noch Output eine wesentliche Materialisierung erfahren. Fehlende Materialisierung bedeutet aber nicht zwingend Verzicht auf Formalisierung. Ein hoher Formalisierungsgrad ohne Materiali-sierung ist jedoch nur möglich, wenn zwischen den Gesprächsteilnehmern ein ausgeprägtes gemeinsames Verständnis bezüglich der für die Situation relevanten Aspekte vorliegt.

Managementprozesse haben andere Anforderungen an notwendige Informationen und Beteiligung von Personen, als dies für Geschäfts- und Unterstützungsprozesse der Fall ist. Dies hängt mit der unterschiedlichen Varietät von Prozessen zusammen. Die Varietät eines Prozesses ist abhängig von der Varietät des zu lösenden Prozessproblems.541 Letzteres lässt sich grob abschätzen, indem man die Input- und Output-Varietät kennt. Der Prozess resp. die Teilprozesse können als Black-Box betrachtet werden. Je höher die erforderliche Prozessvarietät, desto grösser die Anforderungen an notwendige Informationen sowie an die prozessbeteiligten Personen. Einfache Probleme lassen sich mit wenigen Informationen und mit "durchschnittlichen" Personen lösen, komplexe Probleme jedoch nicht.542 Management-probleme sind meistens äusserst komplexe Probleme.

Nachfolgend sollen Ansätze vorgestellt werden, welche diesen Besonderheiten von Managementprozessen gerecht werden und das Potenzial haben, Bestandteil des Theorie-bausteins zu den zirkulären Prozessen zu werden.

3.4.2 Vorstellung ausgewählter Ansätze

3.4.2.1 Ganzheitlicher Problemlösungsprozess

Unternehmungen im Allgemeinen und Managementprozesse im Speziellen können verstanden werden als eine Aneinander-Reihung von Problemlösungsprozessen. Der Mensch selbst kann dabei als Problemlöser bezeichnet werden, indem er mit Bezug auf eine bestimmte Problemsituation laufend zwischen verschiedenen Varianten entscheiden muss. Jedes Problem kann dabei per se als Problem verstanden werden, welches nach dem Varietätsgesetz von ASHBY einer Lösung mit mindestens ebenso hoher Varietät bedarf. In 541 Vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.3.1 (Varietätsausgleich zwischen Basiseinheiten). 542 Deshalb sind „Involvierte Personen“ eine wesentliche Betrachtungsperspektive bei der Beurteilung von Managementprozessen. Vgl. Kapitel 6.2.7.3 (Periodische MPA-Assessments).

Theoriebausteine zur MPA 175

diesem Zusammenhang hielten GOMEZ/MALIK/OELLER fest: "Probleme sind selbst Systeme, und sie resultieren aus der Struktur und der Funktionsweise von Systemen, vor allem aus deren Lenkungs-Charakteristiken. (…) Probleme im soziotechnischen Bereich erfordern (…) in aller Regel das Zusammenwirken einer Vielzahl von Komponenten, so dass nicht nur das Problem selbst, sondern auch die Lösung eines Problems als System zu verstehen ist."543

Das wiederholte Auftreten von zu lösenden Problemen sowie die Schwierigkeit des Umsetzens systemischen Denkens in Handeln haben zum Bedarf nach einer ganzheitlichen Problemlösungsmethodik geführt. Eine solche lässt sich nach ULRICH/PROBST in sechs Schritten beschreiben. Diese sechs Schritte sollen in Anlehnung an ULRICH/PROBST 544 nachfolgend kurz dargelegt werden.

Der erste Schritt dient der Klärung der Zielsetzung und der Modellierung der Problemsituation. Die Problemsituation gilt es dabei aus unterschiedlichen Perspektiven zu durchleuchten und ganzheitlich zu erfassen („De quoi s’agit il?“). Dazu dient insbesondere das Erstellen eines Netzwerks, welches die wesentlichen Faktoren und ihre Beziehungen darstellt. Ein adäquat erfasstes Problem ist eine notwendige Voraussetzung für eine wirksame Problemlösung.

In einem zweiten Schritt geht es darum, die Wirkungsverläufe zu analysieren. In diesem Zusammenhang kommen die Überlegungen von Kapitel 2.1.2.2 (Vernetztheit) zum Tragen. Es empfiehlt sich, an dieser Stelle auch eine Einflussmatrix545 aufzustellen, indem die im Netzwerk abgebildeten Faktoren einander gegenüber gestellt werden, um die Art und Intensität des Einflusses jeweils eines Faktors auf die anderen Faktoren zu ermitteln. Auf diese Weise lässt sich über die Zeilen- und Spaltensummen der Matrix die Rolle von einzelnen Elementen ableiten: Unterschieden wird je nach Beeinflussung (aktiv) und Beeinflussbarkeit (passiv) in aktive, reaktive, kritische und träge Faktoren. Aktive Elemente beeinflussen stark und werden kaum beeinflusst; demgegenüber werden reaktive Elemente stark beeinflusst und beeinflussen kaum. Kritische Elemente beeinflussen stark, werden gleichzeitig aber auch stark beeinflusst. Demgegenüber trifft für träge Elemente weder das eine noch das andere wesentlich zu. Basierend auf der Rolle der einzelnen Elemente lohnt es sich darüber hinaus, auch Überlegungen zum zeitlichen Verlauf der Wirkungen zwischen einzelnen Elementen anzustellen.

543 Gomez, Malik und Oeller, Systemmethodik, 1975, S. 1074 f. 544 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 112 ff. 545 Die Einflussmatrix wird oft auch als Papiercomputer bezeichnet. Vgl. Vester, Kunst, 2002, S. 194 f.

176 Theoriebausteine zur MPA

Das Erfassen und Interpretieren der zukünftigen Veränderungsmöglichkeiten der Situation ist Bestandteil des dritten Schritts. Bei diesem Schritt muss zuerst geklärt werden, auf welchen Zeithorizont man sich bei den Überlegungen stützt. Danach werden jene Faktoren des Netzwerks ermittelt, auf die man selbst keinen oder nur geringen Einfluss hat, um dadurch die Rahmenbedingungen der Problemsituation festzulegen. Abgeleitet von der Einflussmatrix kann man von diesen Faktoren jene als "Umwelt-Schlüsselgrössen" bezeichnen, die stark auf die Problemsituation einwirken. Entlang dieser Schlüsselgrössen gilt es neben einem überraschungsfreien Grundszenario auch noch Alternativszenarien zu entwickeln.

Während sich Schritt drei mit den nicht direkt lenkbaren Faktoren auseinandersetzt, geht es beim Schritt vier um das Abklären der Lenkungsmöglichkeiten. Dazu ist einleitend zu überlegen, auf welche Lenkungsebene fokussiert werden soll (z.B. Mitarbeiter, Abteilung, Bereich, Unternehmen, Verbände, Branche, Staat). Anschliessend sind hinsichtlich der gewählten Lenkungsebene die nicht-lenkbaren von den lenkbaren Faktoren zu unterscheiden. Darüber hinaus ist zu identifizieren, welche Faktoren und Beziehungen im Sine von Indikatoren frühzeitig Veränderungen der Problemsituation erkennen lassen. Mögliche Lenkungseingriffe im Sinne einer Beeinflussung der lenkbaren Faktoren können in ihren Konsequenzen abgeschätzt werden, indem man Lenkungseingriffe auf Basis der Einflussmatrix und des Netzwerks simuliert.

Im fünften Schritt geht es darum, Strategien und Massnahmen zu planen. Dazu gibt es nach ULRICH/PROBST die nachfolgenden sieben Systemregeln zu beachten:546 1. „Passe deine Lenkungseingriffe der Komplexität der Problemsituation an“ 2. „Berücksichtige die unterschiedlichen Rollen der Elemente im System“ 3. „Vermeide unkontrollierbare Entwicklungen mit Hilfe stabilisierender Rückkoppelungen“ 4. „Nutze die Eigendynamik des Systems zur Erzielung von Synergieeffekten“ 5. „Finde ein harmonisches Gleichgewicht zwischen Bewahrung und Wandel“ 6. „Fördere die Autonomie kleiner Einheiten“ 7. „Erhöhe mit jeder Problemlösung die Lern- und Entwicklungsfähigkeiten des Systems"

Vor dem Hintergrund dieser Systemregeln sind – unter Umständen mit Kreativitäts-methoden – grundsätzliche Handlungsalternativen im Sinne von (Vorgehens-)Strategien zu ermitteln. Anschliessend sind die Strategien zu beurteilen. Dies geschieht insbesondere auch im Abgleich mit den zuvor erarbeiteten Umweltszenarien sowie mit den für eine Realisierung zur Verfügung stehenden Mitteln und der verfügbaren Zeit. In diesem

546 Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 194.

Theoriebausteine zur MPA 177

Zusammenhang ist weiter zu beurteilen, welche Strategien gegebenenfalls miteinander kombiniert werden können. Trotz nie vollständiger Information sind die umzusetzenden Strategien im Sinne eines strategischen Beschlusses zu bestimmen und in konkrete Projekte und Massnahmen zu detaillieren. Letztere müssen selbstverständlich auch system- resp. problemgerecht sein.

Im abschliessenden sechsten Schritt geht es darum, die Problemlösung zu verwirklichen. In diesem Kontext geht es insbesondere darum, bestehende Kontrollinformationssysteme um ermittelte Indikatoren der Problemsituation zu ergänzen. Darüber hinaus sind Mechanismen zur Selbstlenkung zu entwerfen und einzuführen, um den Problemlösungsprozess möglichst selbstorganisierend ablaufen zu lassen. Um das Lösen von Problemen auch als Anlass des Lernens zu nutzen, sind Problembearbeitung und dazu notwendige Weiterbildung mit-einander zu verknüpfen, der Problemlösungsprozess zu reflektieren und aus dem Gelernten Konsequenzen für die Zukunft abzuleiten.

Beim Problemlösen handelt es sich um einen zirkulären Prozess. Schritt sechs ist die Überleitung zur Ausführung, d.h. zur realen (nicht gedanklichen) Problemlösung. Die konkrete Ausführung gilt es dann wieder zu kontrollieren, um allfällige weiter bestehende oder neue Probleme frühzeitig erkennen zu können. 547 Darüber hinaus sind die sechs Schritte auch untereinander verbunden. Die Schritte spielen sich, wenn auch oben linear beschrieben, in Tat und Wahrheit natürlich oft iterativ ab. Es gibt heutzutage eine Vielzahl von Problemlösungsmethodiken. Ihnen gemeinsam ist das Problemlösen in einer bestimmten Schrittfolge. Währenddem ULRICH/PROBST von den oben dargestellten sechs Schritten spricht, verwenden GOMEZ/PROBST548 beispielsweise fünf Schritte. Sowohl die Problemlösungsmethodik von ULRICH/PROBST als auch jene von GOMEZ/PROBST basiert auf den gleichen systemisch-kybernetischen Überlegungen und gleichen sich weitestgehend. Für den hier beabsichtigten Überblick eignet sich meines Erachtens die Problemlösungsmethodik von ULRICH/PROBST insofern noch besser, als sie eine klare Unterscheidung in Veränderungsmöglichkeiten der Rahmenbedingungen und eigene Lenkungsmöglichkeiten vornimmt (weshalb sie auch einen Schritt mehr umfasst).549

547 Ackoff spricht in diesem Zusammenhang in Ergänzung zum „solving problems“ vom „controlling solutions“ und vom „identifying and anticipating problems“. Vgl. Ackoff, Problem Solving, 1978, S. 190. 548 Vgl. Gomez und Probst, Praxis, 1995. 549 Für eine intensivere Beschäftigung mit dem Thema des Problemlösens bietet der Ansatz von Gomez/Probst dem Praktiker noch eine Vielzahl von nützlichen Instrumenten und zudem noch eine Verbindung der Problemlösungs-methodik mit dem Grundsatz "Kopf-Hand-Herz" des Schweizer Pädagogen Pestalozzi. Vgl. Gomez und Probst, Praxis, 1995.

178 Theoriebausteine zur MPA

3.4.2.2 Ansatz der Logikdimensionen von Managementprozessen

Wie erwähnt sind Managementprozesse im Vergleich zu Geschäfts- und Unterstützungs-prozessen weniger formalisiert. Dennoch gibt es neben den bereits vorgestellten Problemlösungsphasen noch weitere Beschreibungsdimensionen von Managementprozessen. Soziale Systeme, deren Wandel und damit einhergehend auch Prozesse können nach MALIK in verschiedenen Logik-Dimensionen beschrieben werden. Es sind dies die Sach-Logik, die Chrono-Logik und die Psycho-Logik.550 Diese Unterscheidung ist deshalb wichtig, weil in Betriebswirtschaftslehre und Praxis häufig reduktionistisch die Sach-Logik dominiert, soziale Systeme und damit verbundene Prozesse aber nur unter Berücksichtigung aller drei Logik-Dimensionen ausreichend verstanden werden können.

Die Sach-Logik berücksichtigt sachlich-inhaltliche Grundsätze, währenddem die Chrono-Logik zeitliche Gesetzmässigkeiten einbezieht und die Psycho-Logik auf die Psychologie der Beteiligten achtet.551 Etwas, das sachlogisch richtig ist, kann in der Umsetzung erfolglos bleiben, weil entweder das Timing (Chrono-Logik) oder aber das Involvieren von Personen (Psycho-Logik) unzureichend war.

3.4.2.2.1 Sach-Logik

Im Rahmen der Sach-Logik geht es darum, Managementprozesse inhaltlich zu definieren, inkl. einer Festlegung der Teilprozesse und der entsprechenden Prozesskunden. Darüber hinaus sind sachlogische Verbindungen zu anderen Prozessen herauszuarbeiten. Diese sachlogischen Interaktionspunkte verbinden den "Process in focus" mit anderen Prozessen der gleichen Rekursionsebene (horizontales Alignment) und mit Prozessen der über- oder untergeordneten Rekursionsebenen (vertikales Alignment).552

Auch wenn generische Ablaufphasen für Managementprozesse herausgearbeitet werden können, so ist die sachlogische Ausgestaltung der einzelnen Phasen sehr stark vom jeweiligen Managementprozess abhängig. Im Rahmen der einzelnen Managementprozesse

550 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 270 f. Dieses in diesem Buch von Malik publizierte „ernstgemeinte Wortspiel“ hat er schon wesentlich früher genutzt ohne es zu publizieren. Schwaninger erwähnt z.B. bereits 1989 bezugnehmend auf Malik diese Unterscheidung in Logik-Dimensionen. Vgl. Schwaninger, Unternehmensplanung, 1989, S. 206 f. 551 Vgl. Schwaninger, Unternehmensplanung, 1989, S. 207 bezugnehmend auf mündliche Aussagen von Malik. 552 Zum vertikalen Alignment siehe auch Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 135. Beer verwendet in diesem Zusammenhang den Begriff der "cross-recursion linkages".

Theoriebausteine zur MPA 179

sind Ordnungsparameter sachlogisch auszugestalten.553 Diese Ordnungsparameter bringen in ihrer Gesamtheit über indirekte Lenkung gewünschte Ordnungsmomente hinsichtlich Strategie, Struktur und Kultur eines Unternehmens hervor.

Die Sach-Logik der Managementprozesse wird massgeblich durch das in Kapitel 3.3.3 vorgestellte Integrated Management Model und dessen inhaltliche Grundsätze definiert. Darüber hinaus gibt es aber für die jeweiligen Managementprozesse mit Bezug auf die konkrete Unternehmenssituation spezifische sach-logische Fragen zu klären resp. entspre-chende Entscheide zu fällen. Beim Managementprozess „Strategieentwicklung“ geht es beispielsweise darum, sich im Rahmen der Optionenphase für oder gegen strategische Stossrichtungen wie Marktdurchdringung, Marktentwicklung, Produktentwicklung und Diversifikation zu entscheiden. 554 Ein weiteres Beispiel sind sach-logische Entscheide hinsichtlich der Inhalte von Mitarbeiterentwicklungsprogrammen.

3.4.2.2.2 Chrono-Logik

Die Managementprozesse und deren Teilprozesse folgen einer gewissen Chrono-Logik. Diese kann sich kennzeichnen durch die Dauer und die Abfolge der Teilprozesse, die Frequenz der Prozessdurchführung und natürlich auch durch die zeitliche Abstimmung mit anderen Prozessen (horizontales und vertikales Alignment). Frühzeitigkeit resp. Rechtzeitig-keit sowie Echtzeitlichkeit sind in diesem Zusammenhang wichtige Aspekte, gerade auch was die Informationsflüsse zwischen den Prozessen anbelangt.

Die Chrono-Logik hat in enger Abstimmung mit der Sach-Logik und der Psycho-Logik zu erfolgen resp. sie wird durch diese anderen Logik-Dimensionen beeinflusst. Die sach-logische Anordnung von Managementprozessen im Integrated Management Model verfolgt in der vertikalen Dimension (langfristig/kurzfristig) bereits eine Unterscheidung in die Fristigkeit und in damit verbundene chrono-logische Aspekte. Anderseits ist z.B. die Verfügbarkeit von Schlüsselpersonen eine chrono-logische Limitation bei der Durchführung von Managementprozessen.

Eine wichtige Unterscheidung hinsichtlich der Chrono-Logik ist jene in Periodizität und Echtzeit (real time). Wie meistens bei kybernetischen Betrachtungen ist hier nicht entweder Periodizität oder Echtzeit gefragt, sondern sowohl als auch. Es handelt sich um zwei sich

553 Zur Bedeutung von Ordnungsparametern für die indirekte Lenkung und für Selbstorganisation siehe auch Haken, Synergetik, 2005, S. 87 ff. 554 Zu den genannten strategischen Stossrichtungen siehe auch Ansoff, Strategy, 1987, S. 109.

180 Theoriebausteine zur MPA

ergänzende Aspekte. Während Echtzeit für Agilität und Flexibilität sorgt, steht bei Periodizität Rhythmus und Routinisierung im Vordergrund.

Alle Managementprozesse können als permanent und zirkulär ablaufende Prozesse verstanden werden. D.h. dass alle Managementprozesse im Integrated Management Model permanent – mal schneller, mal langsamer – im Fluss sind. Die Strategiearbeit wird so beispielsweise nicht mehr zu einer alle drei bis vier Jahre stattfindenden Aktion, sondern zu einem permanenten Prozess. Dies ist deshalb notwendig, weil aufgrund der erhöhten Umweltkomplexität von Unternehmen strategische Entscheide nicht mehr lange auf sich warten lassen können. Es ist jeweils im aktuellen Moment zu entscheiden, was in die Wege geleitet werden muss, damit man auch in Zukunft im Geschäft ist. Es geht also bei einer Strategie nicht um zukünftige Entscheidungen, sondern um die Zukunftswirkung von heutigen Entscheidungen.555 Entsprechend ist die Zeitdimension im Integrated Management Model nicht primär als minimale Frequenz der Beschäftigung mit dem jeweiligen Managementprozess, sondern als dessen Wirkungshorizont zu verstehen.

Die Echtzeit-Notwendigkeit besteht insofern, als bei jeder Führungskraft die Bereitschaft vorhanden sein muss, sich ad-hoc mit relevanten Fragen zu Managementprozessen zu beschäftigen. Dies heisst jedoch nicht, dass in Computersystemen realtime sämtliche zu einer Frage verfügbaren Informationen per Knopfdruck abrufbar sein müssen. Der Aufwand für den entsprechenden Dateninput und die Informationsaufbereitung würde bei weitem den Nutzen der Informationen übersteigen. Vielmehr geht es darum, möglichst in Echtzeit die richtigen Personen mit ihrem Wissen zu einer Frage zusammenzubringen (physisch in einem Meeting oder aber auch elektronisch z.B. per Telefonkonferenz oder Email) und – von der Fragestellung her abgeleitet – ad-hoc Informationen einzuholen, die nicht schon verfügbar sind. Die Forderung nach Echtzeit kann insbesondere dann gefährlich werden, wenn damit die Vorstellung verbunden ist, dass eigentlich alle (resp. viele) jederzeit zu allen (resp. möglichst vielen) Managementprozessen einen Beitrag leisten sollen. Wenn nämlich „alle immer alles“ machen sollen, macht in Tat und Wahrheit meistens „jeder nie etwas“.

In komplexen Situationen – als welche Fragestellungen im Rahmen von Management-prozessen bezeichnet werden können – ist es schwierig, das richtige gut zu machen. Eine periodische Beschäftigung mit einzelnen Managementprozessen stellt sicher, dass eine gewisse Routine im Umgang mit Managementprozessen entsteht. Routinen führen zu einer Kultur mit lokalen Theorien, welche wiederum Managementprozesse positiv beein-flussen.556 Routine ist wichtig für erfolgreiche Komplexitätsbewältigung: „Absorbiert das 555 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 184. 556 Vgl. Rüegg-Stürm, Management-Modell, 2004, S. 103.

Theoriebausteine zur MPA 181

Handwerkliche unsere Aufmerksamkeit, steht weniger für Komplexeres zur Verfügung.“557 Periodizität erhöht somit die Routine und damit zusammenhängend lokale Theorien und Regeln des Verhaltens in Problemlösungssituationen. Eine Management-Prozess-Architektur besteht aus Denk- und Handlungswerkzeugen, welche durch ihre regelmässige Anwendung zu Ordnung und zu Problemlösungsroutinen führen. Ordnung kann dabei als Gesetz mal Anwendung verstanden werden.558

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Periodizität ist die Möglichkeit, eine Vielzahl von Managementprozesse unterschiedlicher ergebnisverantwortlicher Einheiten und rekursiven Ebenen zu synchronisieren. Diese Synchronisation erfordert einen periodischen Gleich-schritt der Managementprozesse und ermöglicht eine sach- und psychologische Ab-stimmung. Periodizität wird somit auch zu einem lebenswichtigen Rhythmus in einer Management-Prozess-Architektur. Über Periodizität erwirkter Rhythmus und Routine ermöglichen auch im ad-hoc einberufenen Echtzeitfall qualifiziert-intuitiv richtig und gut zu handeln. Intuition ist demnach nicht gleichzusetzen mit einem Bauchgefühl, sondern meint viel eher die auf einer gemeinsamen „Managementsprache“ beruhenden akkumulierten „Trial and Error“-Erfahrungen im Zusammenhang mit Managementprozessen.559

3.4.2.2.3 Psycho-Logik

Managementprozesse sollen dazu verhelfen, dass Menschen in Organisationen wirksam agieren können, und zwar im Dienste der Zweckerfüllung der Organisation. Im Rahmen der Dimension der Psycho-Logik ist daher zu überlegen, welche Personen an den einzelnen Prozessen resp. Teilprozessen zu beteiligen sind und welche materiellen und formellen Kompetenzen 560 sie benötigen, um einen wirksamen Beitrag leisten zu können. Die Dimension der Psycho-Logik hat sowohl individualpsychologische als auch sozial-psychologische Aspekte zu umfassen.561

Im Rahmen von Problemlösungsprozessen, als welche Managementprozesse verstanden werden können, kommt kognitiven Prozessen eine individualpsychologische Schlüssel-funktion zu. MALIK beschreibt in seinem Buch „Strategie des Managements komplexer 557 Manella, Mensch, 2003, S. 88. Zum Beispiel wird sich ein Eishockeyspieler, der nicht hervorragend Schlittschuhlaufen kann, relativ wenig um die Spielsituation kümmern können. 558 Vgl. Riedl, Begriff, 1987, S. 48 sowie Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 246. 559 Dies entspricht einem Verständnis von Intuition, wie es von Pelzmann als qualifizierte Intuition beschrieben wird. Vgl. Pelzmann, Intuition, 2007. 560 Vgl. Fussnote 25 bzgl. des Begriffs der formellen Kompetenzen und Fussnote 26 bzgl. des Begriffs der materiellen Kompetenzen. 561 Vgl. Schwaninger, Unternehmensplanung, 1989, S. 207.

182 Theoriebausteine zur MPA

Systeme“ in Anlehnung an STEINBRUNNER sechs Prinzipien kognitiver Prozesse im Sinne von komplexitätsbewältigenden Mechanismen des menschlichen Gehirns (Inferential-, Konsistenz-, Realitäts-, Simplizitäts-, Stabilitäts- und Abstraktionsprinzip).562 Keines dieser sechs Prinzipien darf isoliert betrachtet werden. Erst ihr Zusammenspiel führt dazu, dass nicht permanent absurde Resultate hervorgebracht werden. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass es sich bei diesen sechs Prinzipien um individuell-kognitive Prinzipien handelt, welche ergänzt werden durch Mechanismen in sozialen Systemen. Ein im Rahmen der Komplexitätsbewältigung in sozialen Systemen stattfindender „Trial and Error“-Prozess ist daher sowohl individuell-psychologisch als auch kollektiv-soziologisch zu betrachten. Von einem Individuum erprobte Verhaltensweise können je nach Erfolg von den übrigen Individuen in ihr Verhaltensrepertoir aufgenommen werden oder nicht.

Neben den erwähnten sechs Prinzipien kognitiver Prozesse, welche Mechanismen des Gehirns beschreiben und somit individualpsychologischer Natur sind, gibt es noch einige wichtige Aspekte mit Blick auf die sozialpsychologische Seite von Managementprozessen. Hier geht es nachfolgend insbesondere um drei Aspekte: um die „gemeinsame Sprache“, um das „zur Sprache kommen“ und um das „Verantwortung übernehmen für Gesprochenes“. Diese drei Punkte beeinflussen massgeblich die langfristige Wirksamkeit von Gruppen-prozessen.

In Kapitel 2.1.5.3 wurde die Bedeutung von Information und Kommunikation aufgezeigt. Gerade bei Managementprozessen sind Information und Kommunikation unerlässlich. Da eine Gruppe von Personen mehr relevantes Wissen in eine Problemlösungsdiskussion einbringen kann als ein Einzelner, werden Managementprozesse meist nicht von einer einzelnen Person, sondern von einer Gruppe von Personen durchgeführt. Damit wirksame Diskussionen und echte Verständigung unter den Beteiligten entstehen können, ist eine „gemeinsame Sprache“ entscheidend. Gemeint ist damit nicht irgendeine Landessprache, sondern die „Managementsprache“. Eine gemeinsame „Managementsprache“ zeichnet sich aus durch entsprechende gemeinsam geteilte Theorien und Praktiken: „(…) we need shared management practices that establish a common basis for mental, behavioral, and action processes.”563

Eine gemeinsame „Managementsprache“ hat aber noch nicht automatisch zur Folge, dass jeder, der inhaltlich etwas zu sagen hätte, auch wirklich zur Sprache kommt. Das Diskussionsformat und die Gruppengrösse sind so zu wählen, dass eine aktive Beteiligung

562 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 297 ff. sowie Steinbrunner, Theory of Decision, 1974, S. 88 ff. 563 Sussland, Effectiveness, 2003, S. 116.

Theoriebausteine zur MPA 183

der Teilnehmer möglich wird. Darüber hinaus hat der Moderator diese auch einzufordern. Allerdings heisst eine Gesprächsbeteiligung noch nicht, dass auch wirklich die für die Fragestellung wesentlichen und ev. „politisch“ kritischen Punkte auf den Tisch kommen. Das „Zur-Sprache-Kommen“ und die Offenheit im Gespräch sind stark abhängig von der jeweiligen Unternehmenskultur. Im schlimmsten Falle liegt in einem Unternehmen das Phänomen der „organizational silence“ vor. Liegt „organizational silence“ vor, werden relevante Informationen nicht verfügbar gemacht, weil die geteilte Meinung vorherrscht, dass dies nicht klug ist resp. einem schaden würde. Verschiedene Faktoren begünstigen „organizational silence“ (z.B. Zentralisierung von Entscheidungen, fehlendes Feedback), und diese hat unterschiedliche Auswirkungen (z.B. eingeschränkte Innovationskraft, fehlendes Vertrauen sowie schlechte Fehlerentdeckung und Fehlerkorrektur). 564 Das Kernproblem im Zustand von „organizational silence“ beschreiben MORRISON/MILLIKEN wie folgt: „Everyone understands that it is risky to speak the truth, but this fact itself is undiscussable”.565

Das Motto muss vom Grundsatz her lauten „sagen was man denkt”, „machen was man sagt” und „verantworten was man macht”. Gerade in Gruppenprozessen besteht oft die Gefahr der Verantwortungsdiffusion. Man entscheidet zusammen und kann sich in der Umsetzung hinter den anderen verstecken. Auch wird bei Gruppenentscheiden teilweise ein höheres Risiko eingegangen, als dies die einzelnen Personen für sich tun würden. Dieses Phänomen ist in der Literatur als risk shift bekannt.566 Das Phänomen des risk shift kann umgangen werden, wenn man klare Verantwortlichkeiten für die Umsetzung von Entscheiden festlegt. Dabei ist darauf zu achten, dass im Minimum eine Person, welche bei der Entscheidung mitgewirkt hat, auch in der Umsetzung (mit)verantwortlich ist. Damit wird vermieden, dass in der Gruppe Verantwortung auf „Nicht-Anwesende“ zugeteilt wird.

Über die vorgestellten individual- und sozialpsychologischen Aspekte hinaus gibt es eine Vielzahl von beachtenswerten Punkten des wirksamen Zusammenlebens und Zusammen-arbeitens von Menschen. Diese Punkte werden hier aber nicht vertieft, da dies einerseits den Rahmen der Arbeit sprengen würde und anderseits diese Punkte oft mit „gesundem Menschenverstand“ oder schlicht „Anstand“ zu tun haben.567

564 Vgl. Morrison und Milliken, Silence, 2000, S. 709 und 718. 565 Morrison und Milliken, Silence, 2000, S. 721. Hervorhebung gemäss Original, jedoch kursiv statt in Anführungszeichen. 566 Vgl. hierzu z.B. McCauley, Shifts, 1972 sowie Lamm und Ochsmann, Risk-shift, 1972. 567 Die wohl bekannteste Zusammenstellung von praktisch erprobten Regeln im Umgang mit Menschen stammt von Carnegie. Vgl. Carnegie, Freunde, 2006.

184 Theoriebausteine zur MPA

3.4.2.3 Reflexion und Aktion

Die vorliegende Arbeit basiert u.a. auf einem Aktionsforschungsprojekt. Ein Aktionsforschungsprojekt ist ein gutes Beispiel für die Verzahnung von Reflexion und Aktion in Problemlösungsprozessen. Reflexion und Aktion erfolgen dabei nicht sequenziell, sondern iterativ und in unzähligen Zyklen, welche sich zwischen Reflexion und Aktion bewegen. 568 Aus andernorts dargelegten Gründen 569 eignet sich die Aktionsforschung äusserst gut als Beitrag zur Managementforschung. Die Verbindung von Reflexion und Aktion ist aber nicht nur in der Managementforschung von grosser Bedeutung, sondern auch in der Managementpraxis. 570 Zwischen Reflexion und Aktion besteht eine sich gegenseitig befruchtende Beziehung. Aktion ohne Reflexion würde in blindem Aktionismus enden, Reflexion ohne Aktion jedoch in wirkungslosen Gedankenspielen.

Seit vielen Jahren überzeugte Vertreter der Untrennbarkeit resp. gegenseitigen Bedingung von Reflexion und Aktion sind ARGYRIS/SCHÖN. Im Buch „Theory of Practice“ beschreiben ARGYRIS/SCHÖN, wie einzelne „Theories of Actions“ zu einer „Theory of Practice“ werden. Dabei unterscheiden sie zwischen einer auf explizitem Wissen beruhenden, von einer Person vertretenen „Espoused Theory“ und der massgeblich auch von implizitem Wissen abhängigen handlungsleitenden „Theory-in-Use“. Letztere führt über Aktionen zu Veränderungen in der „Behavioral World“. 571 Zu einem gewissen Grad unterliegt die jeweilige „Theory-in-Use“ auch dem Phänomen der selbsterfüllenden Prophezeiung. Deshalb ist es wichtig, dass im Sinne von double-loop learning 572 bisherige Theorien hinterfragt und durch bessere neue Theorien ergänzt oder ersetzt werden: „Reflection-in-action is a process through which theories-in-use are instantiated, developed, and on occasion modified.“573

Der Ansatz von „Reflection-in-Action“ geht auf Arbeiten von SCHÖN zurück.574 Dieser Ansatz hatte insbesondere auch Auswirkung auf die Gestaltung von Ausbildungen, indem statt einer sequenziellen Wissensvermittlung und Wissensanwendung deren zirkuläres

568 Vgl. hierzu auch Heron und Reason, Co-operative Inquiry, 2002, S. 179. 569 Vgl. insb. Kapitel 1.3.1 (Forschungsmethodischer Ansatz), 1.4.1 (Wissenschaftstheoretische Positionierung) und 4.1 (Forschungsmethodische Erwägungen zum Praxisfall). 570 Vgl. Rüegg-Stürm und Grand, Handlung und Reflexion, 2007. 571 Vgl. Argyris und Schön, Theory in Practice, 1976/1992, S. 6 ff. und insb. S. 21 und 135. 572 „In single-loop learning, we learn to maintain the field of constancy by learning to design actions that satisfy existing governing variables. In double-loop learning, we learn to change the field of constancy itself“; Argyris und Schön, Theory in Practice, 1976/1992, S. 19. 573 Argyris und Schön, Theory in Practice, 1976/1992, S. xxii. 574 Vgl. Schön, Reflective Practitioner, 1983 und Schön, Educating, 1987.

Theoriebausteine zur MPA 185

Zusammenspiel in den Vordergrund gerückt wurde. Der Begriff des „Reflective Practitioner“ deutet darauf hin, dass diese Zirkularität nicht nur im Rahmen von Ausbildungsprogrammen, sondern auch des täglichen Handelns zu beachten und zu nutzen ist, um komplexe Probleme zu lösen. Auf Basis des bisherigen Wissens und unter Nutzung der Information der jeweils spezifischen Problemsituation werden Handlungen initiiert, welche die Problemsituation verändern, und Erkenntnisse gewonnen, welche wiederum den Wissensbestand anreichern. Dieser Prozess von Reflexion und Aktion wird mehrfach durchgeführt im Sinne eines qualifizierten „Trial and Error“-Verfahrens, sozusagen als einzige Möglichkeit der Problemlösung in komplexen Situationen und damit verbundender nie vollständiger Information. „(…) both ordinary people and professional practitioners often think about what they are doing, sometimes even while doing it. Stimulated by surprise, they turn thought back on action and on the knowing which is implicit in action. It is this entire process of reflection-in-action which is central to the `art` by which practitioners sometimes deal with situations of uncertainty, instability, uniqueness and value conflict.”575 Der Praktiker wird somit nicht reduziert verstanden als Anwender von Wissen, das ihm andere vermittelt haben, sondern als pragmatischer Aktionsforscher, der Situationen verändert und auch selbst Wissen generiert. Hebt man dieses Phänomen von der individuellen auf eine institutionelle Betrachtungsebene, so kommt man zu dem, was ARGYRIS/SCHÖN als lernende Organisation bezeichnen.576

Das Thema von Reflexion und Aktion abschliessend, sei darauf hingewiesen, dass Refle-xion und Aktion nicht nur ineinander verzahnte, sondern auch rekursiv angelegte Prozesse mit einem höchst evolutiven Charakter sind. Dies umschreiben MCNIFF/WHITEHEAD wie folgt: „Complex adaptive systems are characterised by autopoiesis, a process in which a system self-replicates in an interactive and exponential fashion. Like the snowflake (…), the pattern emerges at all levels oft he system, and the pattern oft he overall whole embodies the same pattern that is manifested in its parts. The same happens in action reflection processes. What may be seen as one ‘cycle’ is the transformation of what went before and contains the potential of what is yet to come, a generative transformational process. One cycle is part of a wider pattern.”577

575 Schön, Reflective Practitioner, 1983, S. 50. 576 Vgl. Argyris und Schön, Lernende Organisation, 1999. 577 McNiff und Whitehead, Action Research, 2000, S. 205.

186 Theoriebausteine zur MPA

3.4.2.4 Feedforward und Feedback

Systeme und Prozesse unterliegen Störungen, sogenannten „Perturbations”. Störungen können von innen oder von aussen kommen und führen immer zur Herausforderung, diese zusätzliche Komplexität zu bewältigen. Control, also Komplexitätsbewältigung, kann grundsätzlich auf drei verschiedene Arten stattfinden: Durch Buffering (im Sinne von Vermeidung von Komplexität resp. Abschirmung) oder aber durch Feedforward (Vorwärtskopplung) und Feedback (Rückkopplung).578 Die nachfolgende Darstellung fasst diese drei Mechanismen des „Control“ schematisch zusammen. D steht dabei für Disturbance, E für Essential Variable, B für Buffering und R für einen Regler, welcher aktiv für Steuerung oder Regulierung genutzt werden kann.

Abbildung 23: Buffering, Feedforward und Feedback579

Das Buffering resp. Abblocken von Störungen wird z.B. mittels einer dicken Mauer möglich, wodurch eine Veränderung der Aussentemperatur (D) kaum mehr Einfluss hat auf die Innentemperatur (E). In vielen Situationen ist aber keine Mauer zur Hand, z.B. wenn ein neuer Wettbewerber am Markt auftritt. Es verbleiben somit in der Praxis vor allem die Lenkungsmechanismen von Feedforward (Steuerung) und Feedback (Regulierung).Feedforward ist für sich alleine in komplexen Situationen nicht ausreichend, weil es in solchen Situationen an vollständigen Informationen über den Zusammenhang von „Disturbances“ und entsprechenden Veränderungen von „Essential Variables“ mangelt. Steuerung und Regulierung als Lenkungsmechanismen wurden unter 2.1.4.2 bereits vorge-stellt. Hier geht es somit lediglich noch um deren Bezug zu den Managementprozessen.

Managementprozesse sind komplexe Problemlösungsprozesse, welche in verschiedenen Phasen ablaufen, wobei die Phasen höchst iterativer Natur sind und letztlich auch parallel 578 Zu Abschirmung, Vorwärtskopplung und Rückkopplung vgl. Krieg, Unternehmensgestaltung, 1971, S. 71 ff. 579 Heylighen und Joslyn, Buffering, feedback, feedforward: mechanisms of control, http://pespmc1.vub.ac.be/ MECHCONT.html (02.05.2008) sowie Heylighen und Joslyn, Cybernetics and Second-Order Cybernetics, S. 14 f., http://pespmc1.vub.ac.be/Papers/Cybernetics-EPST.pdf (02.05.2008).

Theoriebausteine zur MPA 187

ablaufen können. Dies hat zur Folge, dass die einzelnen Phasen über Informationsflüsse im Sinne von Feedforward und Feedback verbunden sein müssen, damit ein wirksames Zusammenspiel der Phasen ermöglicht wird. Feedforward und Feedback sind also im Rahmen von Managementprozessen bewusst zu gestaltende Informationsflüsse, welche es ermöglichen, dass ein evolutives Vorgehen möglich wird.

Was hinsichtlich der Phasen eines Managementprozesses zutrifft, ist auch für das Zusammenspiel der Managementprozesse untereinander entscheidend. Feedforward- und Feedback-Informationen kommen somit nicht nur innerhalb eines Managementprozesses, sondern auch zwischen Managementprozessen zur Anwendung. Dies wird z.B. durch die unzähligen Input- und Output-Beziehungen im Integrated Management Model ersichtlich.

Analog zu Reflexion und Aktion handelt es sich auch bei Feedforward und Feedback um eng ineinander verzahnte, zirkuläre und rekursiv vorhandene Mechanismen. Im Rahmen von Managementprozessen haben involvierte Personen sich daher immer wieder die Frage zu stellen, an welche Managementprozesse und Managementprozessphasen resp. an welche dafür verantwortlichen Personen sie welche Informationen weiterleiten müssen, damit diese anderen Prozesse ebenfalls funktionieren können. Umgekehrt müssen sie sich stets die Frage stellen, von welchen anderen Managementprozessen und Managementprozessphasen sie welche Informationen für das Funktionieren der eigenen Managementprozessphasen benötigen. Feedforward- und Feedback-Informationen sind also immer gleichzeitig Bring- und Holschulden. Diese institutionalisierte „Gegenseitigkeit“ führt zu einem robusten System an Managementprozessen, da jeder Informationsfluss gewissermassen doppelt gesichert ist. Gleichzeitig wird aber auch deutlich, dass diese Informationsflüsse nur funktionieren können, wenn die entsprechenden Informations-Sender und -Empfänger personell bestimmt und somit organisatorisch verankert sind.

3.4.2.5 Vergleich der Ansätze

Die Management-Prozess-Architektur erfordert ein ganzheitliches Prozessmodell für Managementprozesse, welches den Spezifika von Managementprozessen gerecht wird. Allerdings habe ich in der Literatur keinen Ansatz gefunden, der gleichermassen wissenschaftlich fundiert und praktisch anwendbar wäre und die wesentlichen Erkenntnisse der obigen Ansätze beinhalten würde. Der Umstand, dass in der Literatur derartige Prozessmodelle fehlen, machte es notwendig, dieses Thema genauer, d.h. aus unterschiedlichen Betrachtungsperspektiven zu beleuchten. Dabei habe ich für die jeweilige Perspektive nach einem Ansatz gesucht, der das Potenzial hat, in einem noch zu

188 Theoriebausteine zur MPA

konzipierenden ganzheitlichen Prozessmodell – dem „Model of Circular Processes“ – als Bestandteil aufzugehen.

In diesem Kapitel muss indessen auf einen Vergleich der Ansätze im engeren Sinne verzichtet werden, da es sich nicht um konkurrierende, sondern um komplementäre Ansätze handelt. Festzuhalten ist allerdings, dass die Eignung der Ansätze für die nachfolgende Herleitung des „Model of Circular Processes“ als gegeben betrachtet werden kann. Allen vorgestellten Ansätzen ist nämlich gemeinsam, dass sie sich nicht auf Prozesse als sequenzielle Abfolge von Teilprozessen beziehen, sondern ein zirkuläres Prozessverständnis unterstützen und die Bedeutung von Informationen und Menschen in zirkulären Problemlösungsprozessen adäquat berücksichtigen.

3.4.3 Herleitung des „Model of Circular Processes“

3.4.3.1 Vier zirkuläre Hauptphasen von Managementprozessen

Management gestaltet, lenkt und entwickelt Systeme und bringt somit ausgehend von bisherigen Systemzuständen neue Systemzustände hervor. Diese Unterscheidung in bisherige und neue Systemzustände bildet denn auch eine wesentliche Dimension des „Model of Circular Processes“. Neue Systemzustände werden durch ein Zusammenspiel von Reflexion und Aktion erreicht. Dieses Begriffspaar bildet die zweite Dimension des „Model of Circular Processes“. Nimmt man bisherige/neue Systemzustände als horizontale Achse und Reflexion/Aktion als vertikale Achse, so entstehen vier Bereiche resp. Hauptphasen. Klassische Phasen von Problemlösungsprozessen können diesen vier Hauptphasen zugeordnet werden. Letztere eignen sich wesentlich besser zur Untergliederung eines Managementprozesses als die Segmentierungsvarianten des herkömmlichen Prozessmanagements.580

Von den Problemlösungsphasen nach ULRICH 581 lassen sich die ersten beiden Schritte (Modellierung der Problemsituation und Analysieren von Wirkungsverläufen) der ersten Hauptphase zuordnen, bei der es um eine reflektive Analyse des bisherigen Zustands geht. Problemlösungsschritte drei und vier (Veränderungsmöglichkeiten der Situation und Lenkungsmöglichkeiten) lassen sich der zweiten Hauptphase zuordnen, welche reflektive Optionen für neue Zustände zum Inhalt hat. In der dritten Hauptphase geht es um die

580 Segmentierungsvarianten aus dem klassischen Prozessmanagement sind die Segmentierung nach Funktionen, nach Problemhaltigkeit und nach Kundengruppen. Vgl. Osterloh und Frost, Prozessmanagement, 1998, S. 50 ff. 581 Vgl. Kapitel 3.4.2.1 (Ganzheitlicher Problemlösungsprozess).

Theoriebausteine zur MPA 189

aktionsbezogene Gestaltung des neuen Zustands. Dies entspricht dem fünften und sechsten Problemlösungsschritt nach ULRICH (Strategien und Massnahmen sowie Verwirklichung der Problemlösung). Im Schritt der Verwirklichung der Problemlösung sind auch die Eckpfeiler für die vierte Hauptphase festzulegen. Diese vierte Hauptphase bezieht sich auf das aktionsorientierte Controlling der Wirkung des neuen Zustands, der übergegangen ist in einen „neuen bisherigen“ Zustand. Die vierte Hauptphase, die Wirkung, entspricht einer Institutionalisierung des zirkulären Prozessverständnisses, indem neue Zustände zu bisherigen werden und diese bei nicht mehr zufriedenstellender Wirkung wieder in neue Zustände transformiert werden. 582 Die nachfolgende Abbildung fasst die bisherigen Überlegungen zusammen.

Abbildung 24: Grundlogik des Model of Circular Processes (eigene Darstellung)

Die horizontale und vertikale Dimension sind als Kontinuen zu verstehen, und die vier Hauptphasen sind nicht hart abgetrennte Bereiche, sondern lediglich gedankliche Unterscheidungshilfen. Der Übergang von einer Hauptphase in die nächste ist dabei ein höchst fliessender. Er kann durch jeweilige Übergangserscheinungen charakterisiert werden. Diese vier Übergangserscheinungen sind in Abbildung 24 ebenfalls aufgeführt. Auftretende 582 Diese Zirkularität ist analog zum kontinuierlichen Prozessmanagement (vgl. Neumann, Probst und Wernsmann, Prozessmanagement, 2002, S. 307 f.) und zum zirkulären Ablauf der Stationen des Denkens und Handelns (vgl. Dörner, Logik, 1989, S. 67 ff.) zu sehen. Von Foerster bezeichnet die Zirkularität als das Grundprinzip der Kybernetik. Vgl. von Foerster und Poerksen, Understanding Systems, 2002, S. 102.

BisherigerZustand

NeuerZustand

Reflexion

Aktion

Analyse Optionen

Wirkung Gestaltung

ProblemsymptomeLösungspräferenz

Erneuerungsfelder

Routinen

190 Theoriebausteine zur MPA

Problemsymptome bilden den Übergang von der Hauptphase Wirkung zur Hauptphase Analyse.583 Im Rahmen der Analyse-Phase sich herauskristallisierende Erneuerungsfelder bilden den Übergang zur Optionen-Phase. In dieser gilt es, zu den Erneuerungsfeldern entsprechende Handlungsoptionen zu erarbeiten. Die Lösungspräferenz im Sinne einer qualifizierten Präferenz für eine oder mehrere Optionen und deren Freigabe für die Detaillierung und Umsetzung bildet den Übergang zur Phase der Gestaltung. Im Rahmen der Gestaltung wird aktionsorientiert ein neuer Zustand herbeigeführt. Dieser neue Zustand ist solange neu, als er noch nicht in die alltäglichen Reflexions- und Aktionsroutinen integriert ist. Routinen sind somit das Übergangsphänomen von der Gestaltungs- zur Wirkungsphase bzw. vom „neuen Zustand“ zum neuen „bisherigen Zustand“. In diesem erneuten bisherigen Zustand können auftretende Problemsymptome von Neuem eine Phase der Analyse initiieren.584

3.4.3.2 Parallele, rekursive und informationelle Logik der vier Hauptphasen

Zum systemischen Verständnis des „Model of Circular Processes“ sind neben den erwähnten Übergangserscheinungen das Parallelitäts- und das Rekursivitätsprinzip wichtig. Mit dem Parlallelitätsprinzip beschreibe ich den Umstand, dass die vier Hauptphasen nicht sequenziell hintereinander, sondern oft – in unterschiedlicher Intensität – parallel ablaufen. Im Rahmen eines Strategieentwicklungsprozesses können beispielweise bereits in der Analysephase Sofortmassnahmen verabschiedet und wirksam gemacht werden, bevor das gesamte Strategieprojekt die Optionen- und Gestaltungsphase erreicht hat.

Die parallel ablaufenden Hauptphasen können ihrerseits wiederum als zirkuläre Prozesse verstanden werden, die das gleiche Grundmuster aufweisen wie der umfassendere Gesamtprozess. So besteht die Phase der Analyse wiederum aus einer Phase der Analyse 583 Problemsymptome werden in der Wirkungs-Phase durch die Aktivitäten „controlling solutions“ und „identifying and anticipating problems“ erkannt. Vgl. Ackoff, Problem Solving, 1978, S. 190. Problemlösungsprozesse (i.w.S.) umfassen somit neben der Problemlösung i.e.S. (Analyse, Optionen, Gestaltung) auch ein Lösungs-Controlling und eine Problem-Identifikation/Antizipation (Wirkung). 584 Das hier vorgestellte Prozessmodell eignet sich von seiner zirkulären Grundlogik her nicht nur für die Betrachtung von Managementprozessen, sondern auch für Leistungsprozesse. Bisher wurde der Leistungsprozess z.B. grob in Leistungsentwicklung, Leistungserbringung und Leistungsveräusserung unterteilt und als linearer Prozess dargestellt. Man könnte diesen Prozess aber auch im dargelegten zirkulären Prozessmodell verankern. Dazu wäre die horizontale Achse treffender mit Aussen (statt bisheriger Zustand) und Innen (statt neuer Zustand) umschreiben. Es ergäbe sich dann ein Kreislauf startend rechts oben mit Leistungsentwicklung, Leistungserbringung, Leistungsveräusserung und Reflexion der Leistungsnutzung. Aufgrund dieser Art der Darstellung würde sofort klar, dass wesentlicher Input für die Leistungsentwicklung die nach Aussen gerichtete Reflexion der Leistungsnutzung ist. Viele – gerade auch technologieorientierte – Unternehmen hätten mit diesem Leistungsprozess-Verständnis wesentlich präziser auf den eigentlichen Kundennutzen hin hätten tätig werden können (statt z.B. „over-engineerte“ Produkte zu entwickeln).

Theoriebausteine zur MPA 191

(A), der Optionen (O), der Gestaltung (G) und der Wirkung (W). Dieses Phänomen entspricht dem Rekursivitätsprinzip, wie ich es im Rahmen des Viable System Model bereits dargelegt habe. Beispielsweise macht es durchaus Sinn, sich im Zusammenhang mit der Hauptphase „Optionen“ über die Optionen zu unterhalten, wie diese Hauptphase denn durchgeführt werden kann und soll. Das Rekursivitätsprinzip macht in diesem Beispiel auch deutlich, dass durch die in Kapitel 3.4.2.3 beschriebene enge Verzahnung von Reflexion und Aktion die Hauptphase „Optionen“ nicht nur reflexionsorientiert ist. Die Hauptphase „Optionen“ ist reflexionsorientierter als die Hauptphasen „Gestaltung“ und „Wirkung“, kann jedoch durchaus auch aktionsorientierte Komponenten beinhaltet. Eine solche ist z.B. die konkrete Gestaltung und Durchführung einer Bewertung von Optionen.

Das Parallelitätsprinzip und das Rekursivitätsprinzip werden in der nachfolgenden Abbildung 25 grafisch dargestellt.

Abbildung 25: Parallelitäts- und Rekursivitätsprinzip des Model of Circular Processes (eigene Darstellung)

Damit das Parallelitäts- und das Rekursivitätsprinzip wirksam funktionieren, ist das mit ihnen zusammenhängende Informationsprinzip des Feedforward und Feedback notwendig. In der nachfolgenden Abbildung wird in der linken Darstellung zuerst nur die Feedforward- und Feedback-Verzahnung zwischen den Hauptphasen Analyse und Optionen veranschaulicht. In der rechten Darstellung werden diese Informationsprozesse dann für alle

Reflexion

Aktion

A O

W G

A O

W G

A O

W G

A O

W GWirkung Gestaltung

Analyse Optionen

BisherigerZustand

NeuerZustand

192 Theoriebausteine zur MPA

Hauptphasen aufgezeigt. Diese Informationsflüsse müssen permanent laufen, um die oft parallel ablaufenden Hauptphasen mit den notwendigen Informationen zu versorgen.

Abbildung 26: Informationsprinzip (Feedforward/-back) des Model of Circular Processes (eigene Darstellung)

Darüber hinaus ist zu beachten, dass das Feedforward- und Feedback-Prinzip selbst auch der rekursiven Logik unterliegt. Entsprechend gibt z.B. die Analyse-Phase auch Informationen an übergeordnete Prozesse ab und bezieht auch Informationen von diesen. In gleicher Art und Weise gibt z.B. die Optionen-Phase Informationen an Detail-Phasen weiter und bekommt wiederum Informationen von diesen. 585 Diese rekursive informationelle Verflechtung wird beispielhaft in der nachfolgenden Abbildung 27 dargestellt.

585 Eine ähnliche zirkulär-rekursive Logik findet sich, dargestellt am Zusammenspiels von „Senior Management“ und „Operative Management“, bei Sussland, Effectiveness, 2003, S. 112 sowie, im Zusammenhang mit Strategieentwicklung, bei Munive-Hernandez, Dewhurst und Pritchard, Modelling, 2004, S. 702.

Reflexion

Aktion

Wirkung Gestaltung

Analyse Optionen

BisherigerZustand

NeuerZustand

Reflexion

Aktion

Wirkung Gestaltung

Analyse Optionen

BisherigerZustand

NeuerZustand

Theoriebausteine zur MPA 193

Abbildung 27:Rekursive Logik von Feedforward/-back im Model of Circular Processes – beispielhaft dargestellt an den Hauptphasen „Analyse“ und „Optionen“ (eigene Darstellung)

3.4.3.3 Prozessmanagement – Management der Managementprozesse

Damit Managementprozesse in gewünschtem Rahmen ablaufen und den erwarteten Nutzen bringen, ist wie für Geschäfts- und Unterstützungsprozesse auch für sie ein entsprechendes Management notwendig. Es gibt keinen Grund, Managementprozesse nicht zu managen, aber es gibt viele Gründe, dies zu tun. Allen voran die damit verbundene Möglichkeit der Vorsteuerung des Erfolgs.

Auf der Metaebene betrachtet erbringen Managementprozesse eine Leistung (eine Managementleistung), welche wiederum durch Managementprozesse 2. Ordnung gemanagt werden kann und muss. 586 Wichtig ist hier anzumerken, dass dies nicht einer organisatorisch-hierarchisch übergeordneten Organisationseinheit und speziell nur dafür verantwortlicher Personen bedarf, sondern dass diese Funktion von Personen, welche bereits

586 Schwaninger streicht die Notwendigkeit der Managementprozesse 2. Ordnung ebenfalls hervor. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem Managementsystem 2. Ordnung zum übergeordneten Management der Managementsystem-komponenten. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 46 ff. und 250.

BisherigerZustand

NeuerZustand

Reflexion

Aktion

Wirkung Gestaltung

Analyse

= Feedforward/Feedback

R-1/0/+1 = Rekursion-ebene -1/0/+1

R+1

R0

R-1

194 Theoriebausteine zur MPA

zu Managementprozessen 1. Ordnung und Leistungsprozessen beitragen, in Personalunion ausgeübt wird. Es handelt sich hier also nicht um eine physische Trennung in 1. Ordnung und 2. Ordnung, sondern lediglich um eine gedankliche Unterscheidung.

Im Zusammenhang mit Managementprozessen 2. Ordnung spreche ich vom „Management der Managementprozesse“ 587 . Das Management der Managementprozesse ist deshalb erfolgskritisch, weil viele Managementprozesse parallel ablaufen und oft auch rekursiv in einander verflochten sind. Ohne eine entsprechende Gestaltung, Lenkung und Entwicklung der Managementprozesse mit Blick auf einen übergeordneten Zweck würden diese im Chaos enden. Statt zum Chaos führt ein Management der Managementprozesse zu einer Orchestrierung der Managementprozesse und damit verbunden zu einem horizontalen und vertikalen Alignment derselben.

Der Vorteil der rekursiven Logik des „Model of Circular Processes“ ist, dass es nicht nur für die einzelnen Managementprozesse, sondern auch für deren Management angewandt werden kann. In der nachfolgenden Abbildung 28 wird diesem Umstand Rechnung getragen. Im Kern der Managementprozesse 1. Ordnung finden sich die Managementprozesse 2. Ordnung. Das Management der Managementprozesse (Managementprozesse 2. Ordnung) folgt wiederum den vier Phasen Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung. Diese vier Phasen werden auf die drei Logik-Dimensionen von Managementprozessen – Sach-, Chrono- und Psycho-Logik – appliziert. Um beispielsweise entscheiden zu können, was inhaltlich relevant ist (Sach-Logik), wann welcher Schritt erfolgen soll (Chrono-Logik) und wer daran zu beteiligen ist (Psycho-Logik), sind über Analyse- und Optionen-Reflexionen die wesentlichen Parameter zu gestalten und in ihrer Wirkung zu überwachen.

587 Die Grundidee und den Begriff des „Managements der Managementprozesse“ habe ich erstmals in einem Artikel am 08.11.2007 publiziert. Vgl. Klauser, Lips und Wicky, Konzeptlos (Manager führen oft nicht zukunftsfähig), http:// www.business-wissen.de/fuehrung/leadership/fachartikel/konzeptlos-manager-fuehren-oft-nicht-zukunftsfaehig.html (05.05.2008).

Theoriebausteine zur MPA 195

Abbildung 28: Nutzung der drei Logikdimensionen durch das aus (A)nalyse, (O)ptionen, (G)estaltung und (W)irkung bestehenden Prozessmanagement (eigene Darstellung)

Die rekursive Prozesslogik und damit das Prozessmanagement auf Basis der Logik des zu lenkenden Prozesses entspricht dem Anspruch des CONANT/ASHBY-Theorems, wonach jedes Lenkungssystem ein Modell über das zu lenkende System ist resp. enthält: „Every good regulator of a system must be a model of that system“.588,589

3.4.4 Implikationen

Im vorliegenden Kapitel 3.4 ging es darum aufzuzeigen, wie die in Kapitel 3.3 herausgearbeiteten Managementprozesse genau ablaufen. Die Beantwortung des „Wie“ der Management-Prozess-Architektur ist deshalb besonders wichtig, weil Managementprozesse in der Literatur kaum „prozesslogisch“ und konkret behandelt werden und somit in Theorie und Praxis für Managementprozesse ein gemeinsames Prozessverständnis fehlt.

588 Conant und Ashby, Regulator, 1970, S. 89. 589 Dieses Phänomen habe ich bei der Beschreibung von System 4 des Viable System Model bereits kurz erwähnt. Im malik management system® erkennt man das Conant/Ashby-Theorem am Modell der Unternehmensführung, welches darin eingebettet auch ein Modell des gesamten Basissystems (mit Umwelt, Operation/Unternehmen, Management/Unternehmensführung) enthält. Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 138.

Reflexion

Aktion

A O

W G

Sach-Logik

Chrono-Logik

Psycho-Logik

BisherigerZustand

NeuerZustand

W G

A OProzess-manage-ment

196 Theoriebausteine zur MPA

Auf Basis von unterschiedlichen Beiträgen habe ich in diesem Kapitel ein eigenes Modell – das „Model of Circular Processes“ – hergeleitet. Dieses Modell hilft bisherige Zustände eines Systems durch ineinander verzahnte Reflexions- und Aktionsprozesse in neue Zustände zu überführen. Das Modell unterscheidet dabei vier Hauptphasen von Managementprozessen: Analyse-, Optionen-, Gestaltungs- und Wirkungsphase.

Diese vier Phasen laufen zumeist parallel ab und können rekursiv aus weiteren Prozessen bestehen resp. Teil von umfassenderen Prozessen sein. Damit das angesprochene Parallelitäts- und Rekursivitätsprinzip funktionieren kann, sind die Teilprozesse über entsprechende Feedforward- und Feedbackmechanismen miteinander verbunden.

Die gleiche Prozess- resp. Phasenlogik kann auch für das Prozessmanagement, also das Management der Managementprozesse herangezogen werden. Bei diesem geht es darum, den betrachteten Prozess mit anderen Managementprozessen abzustimmen und den Prozess in den drei Logik-Dimensionen – Sach-, Chrono- und Psycho-Logik – zu lenken resp. für entsprechende Selbstlenkung zu sorgen.

Ziel der Herleitung des „Model of Circular Processes“ war es, die Punkte herauszuarbeiten, welche bei allen Managementprozessen jederzeit von Relevanz sind. Es geht somit um eine „managementprozess-invariante“ Prozessarchitektur im Sinne eines Leerstellengerüsts, welches spezifisch mit Bezug auf den jeweiligen Managementprozess und die jeweilige Situation hin konkretisiert werden kann und muss.

Die Invarianz der Prozessarchitektur bringt es mit sich, dass diese auch auf die in Kapitel 4 dargelegte praktische Transformation einer Management-Prozess-Architektur angewandt werden kann. In Kapitel 5.1.1.6 wird anhand des „Model of Circular Processes“ ein schematischer Überblick über die gesamte MPA-Transformation gegeben.

3.5 Zwischenfazit

Ziel des Kapitels 3 war es, mit Blick auf die Forschungsfrage und aufbauend auf den Überlegungen des systemorientierten Denkens und der systemorientierten Managementlehre Theoriebausteine der Management-Prozess-Architektur zu entwickeln. Dazu wurden vier „W-Fragen“ zur Management-Prozess-Architektur verfolgt, um herauszuarbeiten, wozu undwo eine Management-Prozess-Architektur benötigt wird und was für Prozesse in deren Rahmen wie ablaufen.

Theoriebausteine zur MPA 197

Die Management-Prozess-Architektur unterstützt Unternehmen dabei, ihren langfristigen Erfolg abzusichern, indem Managementprozesse so gestaltet, gelenkt und entwickelt werden, dass sie die Funktionsfähigkeit des Unternehmens erhöhen resp. erhalten und den Kundennutzen maximieren. Oberstes Ziel der Management-Prozess-Architektur ist somit die Maximierung der Lebensfähigkeit der Unternehmung mittels Vorsteuerung des langfristigen Erfolgs. Auf Basis bestehender theoretischer Ansätze habe ich das Model of Pre-Controlled Success erarbeitet. Dieses umfasst zur Vorsteuerung des Erfolgs neben einem Customer Value Controlling (bzgl. Umwelt) ein Business System Controlling (bzgl. Operation) und ein Management Process Controlling (bzgl. Management). Letzteres ist nur nutzbringend anwendbar, wenn eine Management-Prozess-Architektur etabliert ist. Die Antwort auf das „Wozu“ der Management-Prozess-Architektur ist somit in deren Vorsteuerungskraft begründet.

Die Frage, wo eine Management-Prozess-Architektur benötigt wird, lässt sich nur beantworten, wenn man sich im Klaren ist, wie die Grundstruktur eines Unternehmens auszusehen hat, um im Komplexitätszeitalter lebensfähig zu bleiben. Die Grundstruktur unddie Managementprozesse des Unternehmens sind die zwei Hauptansatzpunkte für Komplexitätsbewältigung und bilden daher die konstitutiven Elemente der Management-Prozess-Architektur. Es wurden Ansätze untersucht, welche Komplexität meistern helfen, indem sie das Unternehmen in möglichst selbstlenkende Einheiten aufteilen. Das Viable System Model hat sich dabei als umfassendster Ansatz herauskristallisiert. Es unterstützt den zuvor erwähnten Gedanken des „Pre-Controlled Success“, indem es sich ebenfalls an der Lebensfähigkeit orientiert und durch die Verbindung von Organisations- und Managementaspekten aufzeigt, wie lebensfähige (Teil-) Einheiten „designt“ und metasystemisch gelenkt werden müssen. Das Rekursivitätsprinzip des Viable System Model bringt es mit sich, dass jede ergebnisverantwortliche Einheit selbst für normative, strategische und operative Managementprozesse verantwortlich ist.

Im Komplexitätszeitalter können Unternehmen nur langfristig erfolgreich sein, wenn das Management über ausreichende Varietät verfügt. Management ist deshalb ein viel-dimensionales Phänomen, welches im Zusammenhang mit der normativen, strategischen und operativen Dimension insbesondere auch aussen- und innorientierte, lang- und kurzfristige sowie unternehmens- und mitarbeiterbezogene Dimensionen zu berücksichtigen hat. Um herauszufinden, was für Managementprozesse für ein derartig integriertes Management notwendig und hinreichend sind, wurden verschiedene Ansätze untersucht. Das Integrated Management Model hat sich dabei als geeignetstes Modell herausgestellt. Im Vergleich zu den anderen Ansätzen ist es klar am Customer Value und an der

198 Theoriebausteine zur MPA

Lebensfähigkeit des Unternehmens orientiert und verbindet unternehmens- und mitarbeiter-bezogene Aspekte in überlegener Form. Das Integrated Management Model dient somit als Relevanzfilter für Führungskräfte, indem es den Fokus auf die wirklich wichtigen Managementprozesse legt, welche in allen Unternehmen resp. in deren ergebnisver-antwortlichen Einheiten benötigt werden.

Zur Klärung der Frage, wie Managementprozesse vom Grundsatz her ablaufen, habe ich mangels bestehender umfassender Modelle das Model of Circular Processes erarbeitet. Es basiert auf der Grundüberlegung, dass Managementprozesse Komplexität meistern, indem Probleme gelöst werden. Die Grundlogik von Managementprozessen kann sich somit an jener von Problemlösungsprozessen orientieren. Die vier Hauptphasen Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung habe ich in eine rekursive Reflexions-/Aktions-Logik gebracht, bei der Feedforward- und Feedbackmechanismen sowie die Betrachtung nach sach-, chrono- und psychologischen Aspekten eine zentrale Bedeutung haben. Die Rekursivität des Modells bildet u.a. auch die Basis für ein Management der Managementprozesse. Die Prozessbetrachtung ermöglicht zudem eine organisatorische Verankerung von Managementprozessen sowie aufgrund von Input-Throughput-Output-Überlegungen eine Evaluation der Prozessqualität.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass jede der vier Kernfragen („W-Fragen“) durch die Selektion resp. Erarbeitung eines geeigneten Modells beantwortet wurde:

„W-Frage“ Modellbaustein Kurz-Antwort

Wozu? Model of Pre-Controlled Success (MPS)

Zur Vorsteuerung resp. als Voraussetzung des langfristigen Erfolgs (Lebensfähigkeit)

Wo? Viable System Model (VSM) Rekursiv in jeder ergebnisverantwortlichen Einheit eines Unternehmens

Was? Integrated Management Model (IMM)

Prozesse für eine integrierte Unternehmens- und Mitarbeiterführung

Wie? Model of Circular Processes (MCP)

Als zirkuläre Reflexions- und Aktionsprozesse zur Erreichung von neuen Zuständen

Abbildung 29: „W-Fragen“, Modellbausteine und Kurz-Antworten zur MPA (eigene Darstellung)

Da alle vier Modelle auf systemtheoretischen und kybernetischen Überlegungen basieren, ist es weiter nicht erstaunlich, dass die vier Modelle untereinander uneingeschränkte Kompatibilität aufweisen und sich gegenseitig unterstützen, verstärken und ergänzen.

Praxisfall einer Transformation der MPA 199

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen

3. Theorie-bausteinezur MPA

4. Praxisfall einer Transformation

der MPA

5. Bildung der MPA-Theorie

6. Erarbeitung des MPA-Konzepts

7. Zusammenfassung und Implikationen

4 Praxisfall einer Transformation der MPA

Aufbauend auf den Überlegungen von Kapitel 3 führte ich ein Aktionsforschungsprojekt durch. Letzteres wird in diesem Kapitel als Praxisfall dargelegt und bildet zusammen mit den Theoriebausteinen aus Kapitel 3 die Basis für die Bildung der MPA-Theorie (Kapitel 5). Beim Aktionsforschungsprojekt ging es um eine tiefgreifende Unternehmensveränderung im Sinne einer Transformation der Management-Prozess-

Architektur. Dabei wurden sowohl die Grundstruktur der Organisation und damit der Management-Prozess-Architektur neu gestaltet als auch die einzelnen Managementprozesse verbessert. Bevor die Untersuchungsergebnisse der Vorphase (Kapitel 4.2), Projektphase (Kapitel 4.3) und Nachphase (Kapitel 4.4) vorgestellt werden, gilt es vorab wichtige Erwägungen zum Praxisfall aus forschungsmethodischer Sicht darzulegen (Kapitel 4.1). In Kapitel 4.5 werden die wichtigsten Erkenntnisse im Sinne eines Zwischenfazits zusammengefasst.

4.1 Forschungsmethodische Erwägungen zum Praxisfall

4.1.1 Grundüberlegungen

Der vorliegende Praxisfall und das ihm zugrunde liegende Aktionsforschungsprojekt sind eine empirisch-qualitative Exploration. Bei dieser werden Theorieentwürfe in der Praxis angewendet, um insbesondere das Verstehen von Zusammenhängen zu fördern. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse dienen einerseits der Bildung einer Theorie und anderseits der konkreten Lösung eines Praxisproblems.590

Neue Erkenntnisse für Wissenschaft und Praxis sind bei Managementthemen insbesondere dann zu erwarten, wenn es gelingt, Reflexion und Aktion im Rahmen eines Forschungs-projekts zu verbinden. Die Aktionsforschung kann selbst als Prozess betrachtet werden, der den Prinzipien des in Kapitel 3.4 aufgezeigten zirkulär-rekursiven Prozess-Designs 590 Diese doppelte Zielsetzung ist konstitutiv für Aktionsforschungsprojekte. Vgl. hierzu McNiff und Whitehead, Need, 2006, S. 1 und S. 45.

200 Praxisfall einer Transformation der MPA

entspricht. Dies fasst MCNIFF wie folgt zusammen:“Action research is a system of systems, a network of interconnecting networks, in both its form and its practice.”591

Die Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit kann, wie in Kapitel 1.3 und 1.4 dargelegt, nicht quantitativ-empirisch geklärt werden. 592 Vermeintlich hoch-wissenschaftlich ent-standene Arbeiten basieren häufig auf unzulässigen Annahmen oder aber können das "Umfassende" und "Vernetzte" von Management nur unzureichend erfassen. MALIK bringt dies wie folgt auf den Punkt: "(…) wir beginnen den systemischen Netzwerk-Charakter allen Geschehens langsam zu verstehen; es wird mehr und mehr klar, dass die sich am wissenschaftlichsten gebärdenden Denkweisen und Methoden am wenigsten geeignet sind, zu unserem Verständnis der Welt beizutragen, sondern dass sie Pseudo-Erkenntnisse schaffen, die ihrem Status nach nicht besser sind als die Mythologien der Geschichte."593

Bei der Diskussion rund um Forschungsmethoden wird oft der Aspekt der Komplexitäts-bewältigung ausser acht gelassen. Jedes Forschungsthema birgt eine enorme Komplexität in sich und wird letztlich auf ein Endprodukt in Form eines Buches oder Berichts reduziert. Forschungsmethodisch entscheidend ist somit die Frage, wie diese Komplexitätsreduktion erfolgt. Eine erste wichtige Reduktion findet durch die Eingrenzung des Themas mittels Herausarbeitung der Forschungsfrage sowie der Grundannahmen der Arbeit statt. Im Rahmen der theoriebasierten Exploration erfolgt die Reduktion durch die Selektion von geeigneten Theorien resp. Theorieteilen. Diese komplexitätsreduzierenden Schritte sind im Sinne der Transparenz des Forschungsprozesses in der vorliegenden Arbeit jeweils detailliert argumentiert und dokumentiert.

Die Aktionsforschung bringt insofern eine zusätzliche Komponente in die Komplexitäts-bewältigung, als diese mit Bezug auf ein reales Problem erfolgt und sich auf die Schultern mehrerer erfahrener Personen stützen kann. Dass praktische Erfahrung für Arbeiten zum Management hilfreich ist, fasst MALIK wie folgt zusammen: "Erfolg und Misserfolg in der Praxis haben zwar keine theoretische Beweiskraft, sie sind kein Argument. (…) Aber die praktische Erfahrung ist eben doch eine ausserordentlich wertvolle - und ich meine unverzichtbare - Hilfe für das Erkennen von Prioritäten, das Abwägen von Proportionen und relativen Gewichten, worum ja auch der 'reine' Theoretiker nicht herumkommt, nur hat er eben eine entscheidende Dimension nicht zur Verfügung."594

591 McNiff und Whitehead, Action Research, 2000, S. 205. 592 Zur Unzulänglichkeit von quantitativ-empirischen Erklärungsansätzen hinsichtlich Managementfragestellungen siehe auch Manella, Mensch, 2003, S. 149 sowie Malik, Führen, 2000/2006, S. 40 ff. 593 Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 35. 594 Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. XVI.

Praxisfall einer Transformation der MPA 201

4.1.2 Die Wahl und Charakteristik des Forschungsobjekts

In Kapitel 1.3.1 wurden drei Kriterien vorgestellt, welche mit Blick auf die Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit die Wahl des Forschungsobjekts bestimmen sollten. Erstens sollen lieber wenige Forschungsobjekte gewählt und dafür intensiver „beforscht“ werden. Zweitens sollten die Schlüssel-Mitglieder des Forschungsobjekts (resp. der Forschungsobjekte) die Relevanz des Forschungsthemas erkannt haben. Drittens sollte ein möglichst uneinge-schränkter Zugang zum Forschungsobjekt (resp. zu den Forschungsobjekten) möglich sein.

Aus Qualitäts-, Zeit- und Kostenüberlegungen habe ich mich dafür entschieden, auf ein einziges Forschungsobjekt, das Malik Management Zentrum St. Gallen, zu fokussieren. Das Malik Management Zentrum St. Gallen ist Vorreiter im Erkennen und Bewältigen der Herausforderungen des Komplexitätszeitalters595, und aufgrund meiner langjährigen Mit-arbeit in diesem Unternehmen bot sich mir ein hervorragender Zugang zum Forschungs-objekt.

Zum Zeitpunkt der Wahl des Forschungsobjekts konnte ich allerdings nicht annähernd erahnen, wie die Charakteristik des Forschungsobjekts sich mir bezüglich meiner Forschungsfrage darstellen würde. Wie später noch näher aufgezeigt wird, initiierte ich ein Aktionsforschungsprojekt, dessen Umfang und Konsequenzen zu Beginn wohl keiner der Beteiligten einzuschätzen vermochte. Dies ist indessen ein klassisches Indiz des evolutionären Prozesses der Aktionsforschung, bei dem zu Beginn das Ende weder zeitlich noch sachlich abschliessend definiert werden kann.

Jedes Unternehmen hat bewusst oder unbewusst eine mehr oder weniger wirksame Management-Prozess-Architektur. Im Hinblick auf meine Forschungsfrage wichtige Phänomene einer Management-Prozess-Architektur lassen sich allerdings nicht in allen Situationen gleich gut beobachten, reflektieren und verändern. Die wirksamsten Veränderungen hinsichtlich der Management-Prozess-Architektur (MPA) können herbei-geführt werden, wenn sowohl die Grundstruktur des Unternehmens als auch dessen Managementprozesse einer tiefgreifenden Veränderung unterzogen werden. 596 Diese „zweifache Veränderung“ bezeichne ich als Transformation der Management-Prozess-

595 Vgl. hierzu z.B. die neue Buchreihe von Malik „Management: Komplexität meistern“, von der Bereits Band 1 (Malik, Handwerk, 2005/2007) und Band 2 (Malik, Unternehmenspolitik, 2008) erschienen sind. 596 Vgl. hierzu auch Schwarz, Management-Prozesse, 2006, S. 197. Schwarz hält fest, dass jede Änderung der Aufbauorganisation im Anschluss auch eine Weiterentwicklung der Führung (Methode, Stil) notwendig mache.

202 Praxisfall einer Transformation der MPA

Architektur.597 Die nachfolgende Abbildung soll deren Logik schematisch darstellen und einen Bezug zu den Theoriebausteinen aus Kapitel 3 herstellen.

Abbildung 30: Charakteristik einer MPA-Transformation (eigene Darstellung)

Was im Detail unter einer MPA-Transformation zu verstehen ist, wird aus der Darlegung des nachfolgenden Praxisfalls ersichtlich.

4.1.3 Die Funktion des Projektteams und des Forschers

In einem Aktionsforschungsprojekt kommt dem Projektteam eine zentrale Funktion zu. Das Projektteam arbeitet an der Nahtstelle von Wissenschaft und Praxis. Es besteht aus dem Forscher sowie ausgewählten Personen des Forschungsobjekts. Dabei ist der von HERON/REASON formulierte Grundsatz „Research ‚with‘ rather than ‚on‘ People“ 598 entscheidend. Unter dem Begriff „Co-operative Inquiry“ zeigen die Autoren auf, wie bei Aktionsforschungsprojekten eine Trennung in Forscher und in Subjekte des Forschungsobjekts nicht mehr möglich ist. „So in traditional research on people, the roles of researcher and subject are mutually exclusive: the researcher only contributes the thinking that goes into the project, and the subjects only contribute the action to be studied. In Co-

597 Schwaninger spricht in einem ähnlichen Kontext von der Transformation hin zu mehr Intelligenz der Unternehmung als Ganzes. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 311. 598 Heron und Reason, Co-operative Inquiry, 2002, S. 179.

Organisations-veränderung

MPA-Transformation

Management-veränderung

Status-quo(Nutzung der

bisherigen MPA)

Veränderung derManagementprozesse

(„Was“ wirkt bei der MPA)

Veränderung derGrundstruktur

(„Wo“ wirkt die MPA)

Zeitliche Entwicklung(„Wie“ und „Wozu“

wirkt die MPA)

Praxisfall einer Transformation der MPA 203

operative inquiry these exclusive roles are replaced by a co-operative relationship, so that all those involved work together as co-researchers and as co-subjects.”599

Als initiierender Forscher war es meine Aufgabe, den gesamten Prozess zu lenken resp. für Selbstlenkung im Sinne von „Co-operative Inquiry“ zu sorgen und dabei sowohl das Praxisziel (Lösen des konkreten Problems) als auch das Theorieziel (Beitrag zur Bildung der MPA-Theorie) nicht aus den Augen zu verlieren. Die Selbstlenkung beschreiben HERON/REASON wie folgt: „Everyone is involved in the design and management of the inquiry; everyone gets into the experience and action that is being explored; everyone is involved in making sense and drawing conclusions; thus everyone involved can take initiative and exert influence on the process.“600

Das Projektteam wirkte im Rahmen von diversen Workshops hinsichtlich der ange-sprochenen Komplexitätsbewältigung entscheidend mit. Dabei ist die Komplexitäts-bewältigung im Rahmen des Forschungsprozesses mit Blick auf die Qualität der Forschungsleistung umso wirksamer, je mehr die Personen des Projektteams mit den relevanten Themen in Praxis und Wissenschaft vertraut sind. Hier konnte ich mich glücklich schätzen, dass mit Fredmund Malik und Walter Krieg zwei führende Managementexperten Mitglied des Projektteams waren.

4.1.4 Grundstrukturierung des Aktionsforschungsprojekts

Ein Aktionsforschungsprojekt besteht aus unzähligen Zyklen, welche sich zwischen Reflexion und Aktion bewegen.601 Diese Zyklen haben einen evolutiven Charakter und lassen sich nur schwer in lineare Kategorien einteilen. Um jedoch die Darstellung der Untersuchungsergebnisse (Kapitel 4) und die Referenz auf dieselben im Rahmen der Interpretation (Kapitel 5) zu vereinfachen, habe ich mich für eine Gliederung entschlossen, welche die gesamte Transformation in drei Hauptphasen unterteilt.

Es sind dies die „Vorphase“, die „Projektphase“ und die „Nachphase“. Die zweite und die dritte Hauptphase lassen sich jeweils nochmals unterteilen, womit sich insgesamt fünf Phasen ergeben. Mit Projektphase ist hier nicht das Aktionsforschungsprojekt gemeint, sondern das Transformationsprojekt im engeren Sinne, welches im Malik Management Zentrum St. Gallen als Projekt verstanden und durchgeführt wurde. Das Aktionsforschungs-

599 Heron und Reason, Co-operative Inquiry, 2002, S. 179. 600 Heron und Reason, Co-operative Inquiry, 2002, S. 179 f. 601 Vgl. Heron und Reason, Co-operative Inquiry, 2002, S. 179.

204 Praxisfall einer Transformation der MPA

projekt überlagert die Projektphase der MPA-Transformation und schliesst auch die Vor- und die Nachphase ein.

Anfang und Ende eines Aktionsforschungsprojekts lassen sich zumeist nicht tagesgenau festmachen. Jedoch kann die Erarbeitung des Initiativpapiers (Mitte 2006) sowie die Nach-Evaluation der Resultate der MPA-Transformation (Mitte 2008) grob als Anfang bzw. Ende bezeichnet werden. 602 Viele Aspekte des Aktionsforschungsprojekts werden durch das zirkuläre Prozessverständnis über das Ende des Aktionsforschungsprojekts hinaus ihre Bedeutung behalten. So kann das Ende immer auch wieder zu einem Anfang werden.

Die nachfolgende Abbildung fasst die einzelnen Phasen sowie deren zeitliche Ausdehnung und die jeweiligen phasen-prägenden Abkürzungen zusammen. Die Vorphase war geprägt durch die „Strategie2005“ (S05), die Projektphase durch die Teilphasen „Perfektionierung/ Projekt2006“ (P06)603 und „Programm/Projekt2007“ (P07)604, und die Nachphase durch die Teilphasen „Programm2007“ (P07) und „Precept2008“ (P08)605.

Abbildung 31: Phasen des Aktionsforschungsprojekts (eigene Darstellung)

602 Der vor Mitte 2006 liegende Teil der Phase 1 (Vorphase) wurde im Sinne der Erfassung der Ausgangslage Bestandteil des Aktionsforschungsprojekts. 603 Perfektionierung war das „Jahresmotto 2006“ des Malik MZSG und war somit in Phase 2 auch namensgebend für das Transformationsprojekt. 604 Weil das Transformationsprojekt nicht mehr bloss eine Perfektionierung im Kleinen, sondern eine Veränderung im Grossen war, änderte das Projektteam zum Jahreswechsel 06/07 den Projektnamen auf P07 im Sinne von Projekt07 resp. Programm07. Programm soll auf die neue Struktur resp. auf die neue Management-Prozess-Architektur verweisen, welche „programmiert“ wurde als „Algorithmus“, der in Zukunft selbstorganisierend immer wieder von Neuem wirksame Strukturen resp. eine wirksame Management-Prozess-Architektur hervorbringen soll. 605 Der Begriff „Precept2008“ wird in Kapitel 4.4.3 (Jahres-Auftakt-Meeting) noch näher erläutert.

Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 Phase 5- 10/2006 10/2006 - 01/2007 01/2007 - 04/2007 04/2007 - 01/2008 01/2008 -

S05(Strategie 2005)

P06(Perfektionierung/

Projekt 2006)

P07(Programm/Projekt 2007)

P07(Programm 2007)

P08(Precept 2008)

Vorphase Projektphase Nachphase

Praxisfall einer Transformation der MPA 205

Die Darlegung der Aktionsforschungsergebnisse wird sich nach den beschriebenen drei Phasen – Vorphase, Projektphase und Nachphase – gliedern.606

4.1.5 Datenerhebung und -dokumentation

Bei der empirisch-qualitativen Exploration im Rahmen der Aktionsforschung ist die Daten-erhebung und -auswertung ein Kernstück des Forschungsprozesses. Unter Komplexitäts-gesichtspunkten geht sowohl bei der Datenerhebung als auch bei der Datenauswertung Komplexität verloren. Es stellt sich somit die Frage, wie eine mit der Beantwortung der Forschungsfrage möglichst verträgliche Komplexitätsreduktion erfolgen kann.

Der Vorteil von qualitativen Daten (im Vergleich zu quantitativen Daten) liegt in ihrer Reichhaltigkeit. Diese Reichhaltigkeit ist dann durch interpretative Verfahren und Muster-erkennung zu bewältigen. 607 Hinsichtlich der Datenquelle kann zwischen primären und sekundären Daten unterschieden werden.608 Während im Rahmen der Vorphase und der Nachphase insbesondere Sekundärdaten, d.h. von Dritten verfasste Dokumente, ausgewertet wurden, lag das Augenmerk in der Projektphase bewusst auf dem eigenständigen Erheben der Daten im Rahmen von Workshops.

Insgesamt wurden mit dem Projektteam 11 Workshops in der Projektphase P06 und 8 Workshops in der Projektphase P07 durchgeführt. Diese Workshops bereitete ich jeweils inhaltlich vor, moderierte sie und dokumentierte während den Workshops und im Nachgang die Resultate. Dem schriftlichen und visuellen Festhalten von Kerngedanken während den Workshops kam hinsichtlich der Komplexitätsreduktion im Forschungsprozess eine wichtige Regulierungsfunktion zu. Dies deshalb, weil bei falsch verstandenen und festgehaltenen Punkten die Mitglieder des Projektteams unmittelbar die Möglichkeit zu korrigierenden Anmerkungen hatten. Eine zweite Qualitätssicherung der Dokumentation erfolgte im Nachgang zu den jeweiligen Workshops, indem das Protokoll immer an alle Projektteammitglieder versandt wurde und diese so die Möglichkeit hatten, sich bei Fragen oder Anregungen zu melden. Die dritte Qualitätssicherung erfolgte im jeweils darauffolgenden Workshop, bei dem zumeist die protokollierten Kerngedanken des vorangegangenen Workshops die Basis für die weitere Reflexion und Aktion bildeten.

606 Vgl. Kapitel 4.2 (Aktionsforschungsergebnisse zur Vorphase), 4.3 (Aktionsforschungsergebnisse zur Projektphase) und 4.4 (Aktionsforschungsergebnisse zur Nachphase). 607 Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 297. 608 Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 369.

206 Praxisfall einer Transformation der MPA

Bei der Protokollierung wurde bewusst auf ein wörtliches Verlaufsprotokoll verzichtet zugunsten eines jeweils ca. 5-10-seitigen Protokolls von Reflexions- und Aktions-Kernpunkten resp. entsprechenden Darstellungen. Diese Art der Protokollierung war aus den nachfolgenden drei Gründen angebracht:

1. Es war wichtig, dass trotz der Vielzahl von Workshops bzw. entsprechenden Vor- und Nachbereitungsarbeiten eine zeitnahe Protokollierung gewährleistet wurde.

2. Aufgrund der angemessenen Protokolllänge konnte davon ausgegangen werden, dass die Protokolle tatsächlich gelesen und als Basis für weitere Diskussionen genutzt wurden.

3. Die Komplexitätsreduktion als Folge der Protokollierung wurde auf diese Weise einer laufenden Qualitätssicherung durch das Projektteam unterzogen.

Sämtliche Dokumente wurden in einer Forschungsdatenbank abgelegt, um sie nachher systematisch auswerten zu können.

4.1.6 Datenauswertung

Die Dokumentenanalyse führte ich anhand der Methode der Globalauswertung durch. Die Globalauswertung nach LEGEWIE bietet gemäss BORTZ/DÖRING eine breite, übersichtsartige und zeitnahe Auswertung von Dokumenten. Diese Methode lässt sich in die nachfolgenden 10 Schritte gliedern:609

1. Orientierung schaffen: Gewinnen eines ersten Überblicks über das Dokument durch Überfliegen des Textes und Erstellen von ersten Notizen.

2. Kontextwissen aktivieren: Stichwortartiges Notieren der wichtigsten Aspekte zu Vorgeschichte und Entstehungskontext des Dokuments.

3. Text durcharbeiten: Sorgfältiges Durchlesen des Texts, Markieren resp. Notieren wichtiger Textstellen, Festhalten von Ideen und Fragen (Thema, Absicht, Beitrag zur eigenen Fragestellung).

4. Einzelfälle ausarbeiten: Festhalten interessanter Ideen auf Karteikarten resp. in einer elektronischen Dokumentation mit prägnanter Überschrift sowie Verweisen auf die relevanten Textstellen.

609 Vgl. Legewie zitiert in Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 331.

Praxisfall einer Transformation der MPA 207

5. Stichwortverzeichnis anlegen: Wichtige Themen werden als Stichworte herausge-arbeitet und mit Verweis auf die Textstelle ins Stichwortregister aufgenommen resp. in der elektronischen Dokumentation vermerkt.

6. Zusammenfassung erstellen: Die wichtigsten Inhalte des Texts werden sequenziell oder inhaltlich festgehalten und mit einer prägnanten Überschrift versehen.

7. Text bewerten: Die Kommunikationssituation (Rollenverteilung, Glaubwürdigkeit, Verständlichkeit, Verzerrungen etc.) ist zu beurteilen; dabei ist auch zwischen den Zeilen zu lesen.

8. Relevanz einstufen: Die Relevanz bezüglich der eigenen Fragestellung wird festgehalten (peripher, mittel, zentral) und weitergehende thematisierte Sachverhalte werden ggf. mittels Auswertungs-Stichwörtern festgehalten.

9. Konsequenzen für die weitere Arbeit festhalten: Die weitere Verarbeitung ist zu planen und schriftlich festzuhalten (Welche Fragen stellen sich? Vergleich mit welchen anderen Texten? etc.).

10. Ergebnisse darstellen: Am Ende der dargestellten Vorgehensweise ergibt sich pro ausgewertetem Dokument ein Ergebnisbericht, welcher die oben dargelegten Punkte 5-9 umfassen sollte.

Sämtliche Dokumente wurden nach der dargelegten Methode der Globalauswertung ausgewertet. Dabei wurde eine Forschungsdatenbank mit den einzelnen Auswertungs-informationen angelegt. Auf Basis der Informationen in der Forschungsdatenbank lassen sich pro Dokument die wichtigsten Informationen im Sinne eines Ergebnisberichts pro Dokument selektieren. Eine Auflistung der ausgewerteten Dokumente findet sich unter „Dokumentenliste Aktionsforschungsprojekt“ am Ende dieser Arbeit. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird über Fussnotenanmerkungen eine einfache Referenz auf diese Dokumentenliste sichergestellt.

4.1.7 Limitationen

Es wäre vermessen zu behaupten, dass der gewählte Forschungsansatz nur Vorteile in sich birgt. Im Sinne einer wissenschaftlichen Reflexion sollen hier die wesentlichen Limitationen des Vorgehens dargelegt werden. Diese beziehen sich erstens auf den

208 Praxisfall einer Transformation der MPA

gewählten Forschungsansatz, zweitens auf Qualitäts-/Zeit-/Kosten-Aspekte des Forschungs-projekts und drittens auf meine Person als Forscher.

Hinsichtlich des gewählten Forschungsansatzes ist nochmals zu betonen, dass es sich um die Kombination einer theoriebasierten Exploration mit einer empirisch qualitativen Exploration (Aktionsforschungsprojekt) handelt. Ziel dieses Ansatzes ist die Bildung einer Theorie und nicht deren Überprüfung. Die im Rahmen von Kapitel 5 zu erarbeitenden Thesen der MPA-Theorie müssen sich in Zukunft somit zuerst jenseits des betrachteten Einzelfalls bewähren, bevor man von einer robusten resp. bewährten Theorie sprechen kann. Der gewählte Forschungsansatz kann am ehesten dem „Interpretativen Paradigma“ vonBURRELL/MORGAN zugeordnet werden.610 Daraus lässt sich erkennen, dass es sich um einen subjektivistischen Ansatz handelt, bei dem es darum geht, lieber vieles eher ungenau, als allzuweniges pseudogenau zu erkennen.611

Wie jedes Projekt unterliegt auch ein Forschungsprojekt dem klassischen Spannungs-verhältnis von Qualität, Zeit und Kosten. Hinsichtlich der Qualität des Aktionsforschungs-projekts muss einschränkend festgehalten werden, dass ich die vorliegende Arbeit als Einzelarbeit durchgeführt habe und mir somit nicht ein Forschungsteam zur Seite stand, welches z.B. eine doppelte und noch intensivere Auswertung der Dokumente mit gegenseitigem Abgleich hätte durchführen können. Auch waren aufgrund der fehlenden Kapazitäten und, damit zusammenhängend, aus Zeit- und Kostenüberlegungen parallel weitere Aktionsforschungsprojekte in anderen Unternehmen nicht denkbar, obwohl dies sicherlich der Qualität der vorliegenden Arbeit zuträglich gewesen wäre. Dem Zeitaspekt kam im Rahmen des Aktionsforschungsprojekts insofern eine grosse Bedeutung zu, als ich in der Funktion des Aktionsforschers genügend schnell agieren musste, um das Momentum des Wandels im Unternehmen aufrecht zu erhalten und den Prozess nicht durch – aus Sicht der Praxis – zu theoretische Anforderungen zu bremsen.

Bei einem qualitativ-interpretativen Vorgehen spielt der Forscher eine entscheidende Rolle. Er kann sich dabei nicht hinter Fragebogen und ja/nein-Antworten der Befragten verstecken. Vielmehr sind seine Fähigkeiten zur Mustererkennung, Strukturierung und transparenten Darlegung der Gedankengänge gefordert. Meine fehlende langjährige Erfahrung bei der Durchführung solcher Forschungsprojekte kann daher als Einschränkung bezeichnet werden. Darüber hinaus bleibt die Tatsache, dass meine Interpretationsschritte subjektiver

610 Vgl. hierzu die entsprechenden Überlegungen in Kapitel 1.4.1 (Wissenschaftstheoretische Positionierung). 611 Vgl. Walter-Busch, Organisationstheorien, 1996, S. 53.

Praxisfall einer Transformation der MPA 209

Natur 612 und entsprechend von meinem bisherigen Wissen, meinen Erfahrungen und Einstellungen geprägt sind. Über die Darlegung meiner wissenschaftstheoretischen Positionierung, meiner Grundannahmen für die vorliegende Arbeit, meiner Funktion im Aktionsforschungsprojekt und meinem bisherigen Lebenslauf613 habe ich versucht, auch diese Limitation transparent zu machen.

Als Gegengewicht zu diesen limitierenden Faktoren gibt es eine Vielzahl geplanter und ungeplanter ermöglichender Faktoren, welche in Summe ein brauchbares Resultat dieser Arbeit erwarten lassen. Wie so oft in der Forschungsgeschichte hat dabei auch eine Portion Zufall das Ihrige beigetragen. Denn nicht ganz frei von Zufall ist das kumulierte Zusammentreffen der damaligen Situation des Malik Management Zentrum St. Gallen, meines Forschungsinteresses und der Bereitschaft der Schlüsselpersonen, im Projektteam des Aktionsforschungsprojekts mitzuarbeiten.

4.1.8 Gütekriterien

Ein Aktionsforschungsprojekt lässt sich nicht mit den klassischen Gütekriterien aus der quantitativ-empirischen Forschung beurteilen. 614 Solche Testgütekriterien beziehen sich insbesondere auf Objektivität, Reliabilität und Validität. 615 Qualitative Sozialforschung kann – wie oben dargelegt – jedoch nicht objektiv sein, da das Subjekt für den Interpretationsprozess erforderlich ist. Reliabilität im Sinne der Wiederholbarkeit des Tests ist bei Aktionsforschungsprojekten per se nicht möglich, da sich das Forschungsobjekt durch die Intervention der Aktionsforschung verändert hat. Validität ist hinsichtlich der externen Validität, also der Generalisierbarkeit, nicht anwendbar, da nicht vom Einzelfall auf die Allgemeinheit geschlossen werden darf.

Im Minimum können jedoch die für alle Forschungsprojekte – unabhängig der gewählten Forschungsmethode – anwendbaren Grundregeln wissenschaftlichen Arbeitens als Güte-kriterien herangezogen werden. In Kapitel 1.4.2 habe ich in Anlehnung an SANDER/RÜEGG-

612 Während bei quantitativ-empirischen Arbeiten Subjektivität der Forschenden als Störvariable eliminiert wird, wird sie bei qualitativer Sozialforschung für den Verständigungs- und Verstehennsprozess genutzt. Vgl. Moser, Instrumentenkoffer, 2003, S. 20. Dass das Wertfreiheitspostulat in der angewandten Wissenschaft nicht haltbar ist resp. wertlos wäre vertritt auch Ulrich. Vgl. Ulrich, Wissenschaft, 1982/2001, S. 56. 613 Vgl. den Lebenslauf ganz am Ende dieser Arbeit. 614 Vgl. Moser, Instrumentenkoffer, 2003, S. 20. 615 Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 195 ff.

210 Praxisfall einer Transformation der MPA

STÜRM/WYSS die intersubjektive Nachvollziehbarkeit, die Allparteilichkeit des Forschers und die relevante Neuartigkeit als wesentliche Grundregeln erwähnt.616

MOSER nennt in seinen Ausführungen für die Praxisforschung die vier Gütekriterien Transparenz, Stimmigkeit, Adäquatheit und Anschlussfähigkeit. Transparenz umfasst gemäss seinen Ausführungen die erwähnten Kriterien der intersubjektiven Nachvoll-ziehbarkeit sowie der Allparteilichkeit. Die Anschlussfähigkeit bezieht sich auf das Kriterium der relevanten Neuartigkeit, welche auf dem bisherigen Forschungsstand aufsetzen muss. Als Ergänzung zu den Grundregeln nach SANDER/RÜEGG-STÜRM/WYSS

können die Kriterien Stimmigkeit und Adäquatheit gesehen werden. Bei Stimmigkeit geht es darum, dass Ziele und Methoden des Forschungsprozesses miteinander vereinbar sind („Ziel/Methoden-Fit“). Adäquatheit liegt vor, wenn die Forschungsresultate auch dem Gegenstand der Forschung gerecht werden („Resultat/Frage-Fit“).617

ULRICH nennt in seinen Ausführungen zur Besonderheit der anwendungsorientierten Wissenschaft als primäres Forschungskriterium die praktische Problemlösungskraft von Modellen und Methoden mit dem Forschungsregulativ der Nützlichkeit.618

Kombiniert man die Kriterien von SANDER/RÜEGG-STÜRM/WYSS mit jenen von MOSER und ULRICH, so ergibt sich folgendes Set an Gütekriterien:1. Intersubjektive Nachvollziehbarkeit 2. Allparteilichkeit des Forschers 3. Stimmigkeit („Ziel/Methoden-Fit“) 4. Adäquatheit („Resultat/Frage-Fit“) 5. Relevante Neuartigkeit 6. Praktische Problemlösungskraft

Insbesondere die Kapitel 1 und 4.1 zielen auf die Erfüllung der Gütekriterien 1-3 ab. Die Erfüllung der Gütekriterien 4-6 lässt sich auf Basis der kommenden Kapitel 4-6 beurteilen.

Neben der generellen praktischen Problemlösungskraft der Dissertation interessiert in einem Aktionsforschungsprojekt natürlich auch die Güte der praktischen Problemlösung im betrachteten Einzelfall. Diese ermöglicht auch Rückschlüsse auf die generelle praktische Problemlösungskraft der Arbeit. Die Güte der Problemlösung im Einzelfall lässt sich mittel- bis langfristig an den Eckpfeilern eines systemorientierten Controllings im Sinne des

616 Vgl. Sander, Rüegg-Stürm und Wyss, Wissenschaft, 2004, S. 198. 617 Vgl. Moser, Instrumentenkoffer, 2003, S. 20 ff. 618 Ulrich nennt die praktische Problemlösungskraft als primäres Forschungskriterium einer anwendungsorientierten Wissenschaft. Vgl. Ulrich, Praxisbezug, 1998/2001, S. 464.

Praxisfall einer Transformation der MPA 211

vorgestellten „Model of Pre-controlled Success“ ablesen. Eine erste Evaluation diesbezüglich wird in Kapitel 5.1.4 angestellt. Auch Unbewusstes und nicht ins Bewusstsein der Akteure gelangende Tatsachen entfalten eine Wirkung.619 Entsprechend bin ich mir bewusst, dass ich mit der Darlegung und der Evaluation des Aktionsforschungsprojekts weit davon entfernt bin, die gesamte Wirkung der MPA-Transformation beschreiben zu können.

Da Aktionsforschung in Reflexions-/Aktions-Zyklen abläuft, war es wichtig, Handlungs-wirkungen nicht nur am Ende des Aktionsforschungsprojekts, sondern laufend in Erfahrung zu bringen. So wurden beispielsweise in den Workshops des Transformationsprojekts immer die bisherigen Handlungswirkungen gemeinsam diskutiert und interpretiert. Dies brachte unerlässliche Feedback- und Feedforward-Information für die unterschiedlichen Reflexions-/Aktions-Zyklen hervor.

4.2 Aktionsforschungsergebnisse zur Vorphase

Im Sinne des unter 3.4.3 vorgestellten zirkulären Prozessverständnisses beginnt ein MPA-Transformationsprojekt nicht im luftleeren Raum, sondern hat eine „Vorgeschichte“. Diese wird nachfolgend dargelegt.

4.2.1 Kurzportrait des Malik Management Zentrum St. Gallen

Das Malik Management Zentrum St. Gallen (nachfolgend Malik MZSG) ist – im deutschsprachigen Raum und zunehmend auch darüber hinaus – der führende Anbieter von Dienstleistungen für richtiges und gutes Management. Startpunkt der Firmengeschichte ist das Jahre 1973, als das damalige Management Zentrum St. Gallen (MZSG) seine Tätigkeit in Form einer Stiftung aufnahm, um das St. Galler Management-Modell und die systemorientierte Managementlehre zu fördern und einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Nach seinem Einstieg als Projektleiter (1976) ist Fredmund Malik 1977 zum Direktor des Management Zentrum St. Gallen ernannt worden. 1984 führte ein Friendly Management Buy-Out auf Initiative und im Auftrag des Stiftungsrates zur Umwandlung der Stiftung in die Management Zentrum St. Gallen AG. Unter der Leitung von Fredmund Malik ist seither ein Unternehmen mit über 250 Mitarbeitern und Standorten in St. Gallen, Zürich, Wien, London, Toronto und Shanghai entstanden. Im Jahre 2004

619 Vgl. Baumann, Kausalität, 1998, 76 f.

212 Praxisfall einer Transformation der MPA

wurde das Unternehmen in Malik Management Zentrum St. Gallen (Malik MZSG) umfirmiert.620

Kunden des Malik MZSG sind sowohl Unternehmen und Organisationen unterschied-lichster Art (sämtlicher Profit- / Non-Profit-Bereiche, Branchen, Grössenklassen etc.) als auch einzelne Führungskräfte und Privatpersonen, welche Komplexität erfolgreich meistern wollen. Das Malik MZSG verfügt über bewährtes Managementwissen (zu Unternehmens-politik, Strategie, Struktur, Kultur, Führungskräfte und weiteren Managementthemen), welches auf dem St. Galler Management-Modell in der Weiterentwicklung von Fredmund Malik sowie auf Erkenntnissen der Systemtheorie, der Kybernetik und der Bionik basiert. Alle Leistungen orientieren sich am Konzept des richtigen und guten Managements („One Concept“). Neben diesem Managementwissen verfügt das Malik MZSG über nachweisbare Resultate und Erfahrung in dessen Vermittlung und Anwendung.621

Education und Consulting sind die Haupterscheinungsformen der Arbeit des Malik MZSG, wobei sich sowohl Malik MZSG-Education als auch Malik MZSG-Consulting wesentlich von gängigen Education- und Consultingangeboten unterscheiden. Education-Programme folgen dem Prinzip Return on Education®622, welches Teilnehmer nicht bei der Lösung fiktiver Fallstudien sondern realer Probleme aus ihrem Unternehmen unterstützen will. Consulting-Projekte kombinieren das Wissen des Kunden mit dem Wissen des Malik MZSG und führen so in gemeinsamer Arbeit zum gewünschten Ergebnis hin. Die Erscheinungsformen von Education und Consulting im vom Malik MZSG verstandenen Sinne fliessen gegenseitig ineinander über – in Education-Programmen gibt es implizite und/oder explizite Consulting-Anteile und in Consulting-Projekten gibt es implizite und/oder explizite Education-Anteile. Dieses Zusammenfliessen führt zu wirksamer integrierter Managemententwicklung, integriert im Sinne der Integration von institutionaler und personaler Nutzenkomponente (beim Kunden) und Wissensvermittlung und Wissens-anwendung (durch das Malik MZSG).623

Eine resultatorientierte Wissensvermittlung und -Anwendung ist nur mit erfahrenen undprofessionellen Mitarbeitern möglich. Das Malik MZSG legt deshalb grössten Wert auf management-erfahrene Mitarbeiter, welche ein rigoroses internes Aus- und Weiterbildungs-

620 Vgl. Malik MZSG, Chronik, http://www.malik-mzsg.ch/corporate/htm/583/de/Corp_Unternehmen_Chronik.htm (27.02.2008) sowie Archiv MZSG, Doc-17, Fakten (neu), S. 2. 621 Vgl. Archiv MZSG, Doc-01, Leitbild, S. 6 sowie Archiv MZSG, Doc-17, Fakten (neu), S.1. 622 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 248. 623 Vgl. Archiv MZSG, Doc-01, Leitbild, S. 7 und 10.

Praxisfall einer Transformation der MPA 213

programm absolvieren und täglich in der Praxis unter Beweis stellen, dass sie hohen Anforderungen gerecht werden.624

Die Besonderheit des Malik MZSG ergibt sich somit aus dem Dreiklang von bewährtem Managementwissen, kombinierbaren Leistungsformen und der Leistungserbringung durch management-erfahrene Mitarbeiter. Dieser Dreiklang ermöglicht dem Malik MZSG, die Managementqualität von Kunden substanziell und nachhaltig zu erhöhen, indem Führungskräfte des Kunden ausgebildet und Problemstellungen gemeinsam gelöst werden. Dieser Ansatz führt dazu, dass die Kunden lernen, komplexe Sachverhalte selbst zu erkennen und zu meistern. Somit leistet das Malik MZSG auf einzigartige Weise einen Beitrag an die Funktionsfähigkeit von Institutionen und die Lebenstüchtigkeit von Personen 625 , damit diese wiederum ihren Kunden durch ihre Einzigartigkeit einen überlegenen Kundennutzen stiften können.

4.2.2 Strukturelle Ausgangslage

Wesentliche Aspekte der unter 4.2.1 erwähnten Haupterscheinungsformen – Consulting und Education – waren organisatorisch in zwei Geschäftsbereichen zusammengefasst. Institutionsorientierte Themen (Strategie, Struktur etc.) sowie die Consulting-Verantwortung waren im Bereich Corporate Consulting & Development (CCD) vereint. Personenorientierte Themen (Zielvereinbarung, Beurteilung, Entlohnung etc.) sowie die Education-Verantwortung waren im Bereich Management Education & Development (MED) zusammengeführt. 626 Die Gliederung dieser Geschäftsbereiche war eine Kombination aus Themen und Leistungsformen.

Neben Consulting und Education gibt es viele weitere Erscheinungsformen, welche einzeln oder in Kombination zur Anwendung kommen und zu einer integrierten Management-entwicklung beitragen. Diese (jeweils neuen) Erscheinungsformen wurden über die Jahre hinweg als eigenständige Geschäftsbereiche etabliert, entsprechend dem Innovations-grundsatz „Trenne Neues von Altem“.627 So entstand 1988 die Seminare & Conventions AG (für überbetriebliche Seminare), 1993 die M.o.M. Malik on Management AG (für den M.o.M.-Letter und weitere Publikationen von Fredmund Malik), 2000 die Team

624 Vgl. Archiv MZSG, Doc-01, Leitbild, S. 12 f. sowie Archiv MZSG, Doc-17, Fakten (neu), S.1. 625 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 388. 626 Vgl. Archiv MZSG, Doc-07, Strategie 2005, S. 18. 627 Vgl. Drucker, Management, 1974/2001, S. 517 ff. hinsichtlich des Grundsatzes, Neues organisatorisch von Bestehendem zu trennen.

214 Praxisfall einer Transformation der MPA

Syntegrity® Europe AG (für Syntegrationen als Methode zur Willensbildung in grossen Gruppen zu komplexen Fragestellungen) und Ende 2004 EML E-Management Learning (das zuvor Bestandteil von MED war).628 Die Gliederung dieser Geschäftsbereiche war – im Gegensatz zu CCD und MED – eine reine Gliederung nach Leistungsformen.

Unter dem Aspekt der regionalen Gliederung wurde 1997 das Malik Management Zentrum St. Gallen in Wien als 100%-ige Tochtergesellschaft gegründet. Das Malik MZSG Wien umfasst in integrierter Weise das Leistungsspektrum von MED und CCD und ist primär in Österreich tätig.629 Das primäre Gliederungskriterium war hier also die Region, während institutions- und personenorientierte Themen sowie Consulting und Education integriert vorhanden und organisatorisch nicht getrennt waren.

2004 wurde PIMS® Europe Ltd. zu 100 % übernommen, nachdem das Malik MZSG zuvor viele Jahre lang mit PIMS® Europe Ltd. kooperiert hatte. PIMS® hat weltweit die einzige Datenbasis für die empirisch belegte Beurteilung der Profitabilität von Strategien, der Erfolgschancen von Strategieoptionen und des Kundennutzens. PIMS® wurde aus thematischen Überlegungen CCD zugeordnet. Neben den reinen Geschäftseinheiten entstand noch die Kybernetikgruppe, welche die Kybernetikkompetenz im gesamten Unternehmen aufrecht erhielt und weiterentwickelte, vermarktbare Lösungen bereit stellte und diese im Rahmen von Education- und Consulting-Projekten vermittelte und anwendete.630

Das Malik MZSG bestand (bis Anfang 2007) somit insgesamt aus folgenden Geschäfts-bereichen: 1. Corporate Consulting & Development (CCD) inkl. PIMS® Europe Ltd. 2. Management Education & Development (MED) 3. Malik Management Zentrum St. Gallen Wien (Wien) 4. Team Syntegrity® Europe AG (TSE) 5. Seminare AG631 (Seminare) 6. M.o.M. Malik on Management AG (M.o.M.) 7. E-Management Learning (EML) 8. Management Cybernetics & Bionics (MCB)632

628 Vgl. Malik MZSG, Chronik, http://www.malik-mzsg.ch/corporate/htm/583/de/Corp_Unternehmen_Chronik.htm (27.02.2008). 629 Vgl. Archiv MZSG, Doc-13, Fakten (alt), S. 2 sowie Archiv MZSG, Doc-07, Strategie 2005, S. 18. 630 Vgl. Archiv MZSG, Doc-13, Fakten (alt), S. 2. 631 Ehemals Seminare & Conventions AG (Umfirmierung). 632 Ehemals Kybernetikgruppe (Umbenennung).

Praxisfall einer Transformation der MPA 215

Für diese Geschäftsbereiche wurden bis Ende 2006 auch noch verschiedene Geschäfts-bereichsmarken geführt: 1. malik management zentrum st. gallen – consulting & education (für CCD/MED) 2. malik management zentrum st. gallen – wien 3. malik management zentrum st. gallen – syntegration 4. malik management zentrum st. gallen – seminare 5. malik management zentrum st. gallen – malik on management

Ab Beginn 2007 wurde mit der Dachmarke „malik management zentrum st. gallen“ konsequent eine „One Brand“-Strategie verfolgt, was zum Wegfall aller Geschäftsbereichsmarken führte.633

Neben der Geschäfts- und Markenstruktur sei an dieser Stelle kurz die Ausgangslage hinsichtlich Organen und Gremien als weiteres wichtiges Strukturelement erwähnt. Auf Gruppenebene waren insbesondere der Verwaltungsrat, die Gruppenleitung, die Unternehmensleitung (als Ausschuss der Gruppenleitung) und die operative Gruppenleitung (als Ausschuss der Gruppenleitung) die wichtigsten Organe. Wichtige Gremien waren insbesondere die Gesamtpartnersitzung, die Davoser-Gespräche, Client und Practice Groups sowie interne Aus- und Weiterbildungsveranstaltungen (Basiswissen, Kernwisse, Kaderwissen).634

4.2.3 Wesentliche ordnungserzeugende Führungsimpulse

In den Jahren 2003-2005 wurden wichtige Komponenten der Management-Prozess-Architektur etabliert, welche die Entwicklung des Malik MZSG in wesentlichen Punkten prägten und weiter prägen dürften. Diese Ereignisse nenne ich im Weiteren ordnungserzeugende Führungsimpulse. Mit Bezug auf die Zeitspanne von 2003-2005 werden das Leitbild, die Regeln für Zusammenarbeit und Führung sowie die Strategie 2005 als wesentliche ordnungserzeugende Führungsimpulse vorgestellt.

633 Vgl. Archiv MZSG, Doc-16, Vereinfachung Markenstruktur (One Brand). Einzige Ausnahme ist die Geschäftsbereichs- resp. Produktmarke malik management zentrum st. gallen – malik on management. 634 Vgl. Archiv MZSG, Doc-09, Präsentation Organisationsreglement, S. 10 ff.

216 Praxisfall einer Transformation der MPA

4.2.3.1 Das Leitbild des Malik MZSG

Im Jahre 2003 hielt Fredmund Malik das Leitbild des Malik MZSG635 in prägnanter und schriftlicher Form fest; es wurde den Mitarbeitern kommuniziert und mit ihnen diskutiert. Das Leitbild ist wesentlicher Bestandteil der normativen Rahmensetzung des Malik MZSG.

An erster Stelle wird im Leitbild der Unternehmenszweck festgehalten. Dieser orientiert sich am Schaffen von Kundennutzen durch die Beantwortung der Frage, was richtiges und gutes Management ist. Der Unternehmenszweck ist somit am Kunden orientiert und der kommerzielle Erfolg ist nicht originäres Ziel, sondern die Konsequenz der wirksamen Zweckerfüllung. Weiter werden im Leitbild die wissenschaftlichen Grundlagen (Systemtheorie und Kybernetik) genannt und die Wichtigkeit der klaren resp. konsistenten Verwendung von Kategorien, Konzepten und Begriffen herausgestrichen. Als Kern-kompetenzen werden das bewährte modulare Managementwissen, die Kombination von Vorgehensmöglichkeiten (Leistungsformen wie Consulting und Education) und die konsequente Resultatorientierung genannt.636

Weiter ist im Leitbild festgehalten, dass sich die eigene Organisation nach den Prinzipien des Viable System Model strukturiert und Selbstorganisation durch klare Zuständigkeiten und Verantwortung sowie durch eine bewusst breit abgestützte und redundant angelegte Führung ermöglicht werden soll. Basiseinheiten der Organisation sind Mitarbeiter und Projekte. Mitarbeiter sind das Wichtigste der Organisation und werden stärkenorientiert sowie nach Anforderungen des Kunden eingesetzt (und nicht nach Bereichsgrenzen). Von den Mitarbeitern wird die Respektierung der sachlogischen Werte-Rangordnung „Kunde-Firma-Mitarbeiter“ erwartet.637,638

Wachstum und Grösse sind keine originären Ziele, sondern Konsequenz des Marktbedarfs. Als geografische Ausrichtung wird der Fokus auf den deutschsprachigen Markt gelegt mit Ausweitung in weitere Länder, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Das Leitbild schliesst mit der Maxime, dass Alleinstellung und Einzigartigkeit anzustreben und aufrechtzuerhalten sind.639

635 Vgl. Archiv MZSG, Doc-01, Leitbild. 636 Vgl. Archiv MZSG, Doc-01, Leitbild., S. 5 ff. 637 Sachlogisch gibt es ohne Kunden keine Firma und ohne Firma keine Mitarbeiter. Diese sachlogische Werte-Rangordnung impliziert jedoch nicht, dass über längere Zeit die Interessen der Mitarbeiter hinten anzustehen haben (chronologische Dimension) oder dass die emotionale Wertschätzung gegenüber Kunden grösser wäre als jene gegenüber Mitarbeitern (psychologische Dimension). 638 Vgl. Archiv MZSG, Doc-01, Leitbild, S 11 ff. 639 Vgl. Archiv MZSG, Doc-01, Leitbild, S. 14 ff.

Praxisfall einer Transformation der MPA 217

4.2.3.2 Die Regeln für Zusammenarbeit und Führung des Malik MZSG

Mitte 2004 wurden von Fredmund Malik die Regeln für Zusammenarbeit und Führung640 etabliert. Die Regeln für Zusammenarbeit und Führung stehen auf einer Stufe mit dem Leitbild. Sie legen wesentliche Leitplanken für das Handeln des Einzelnen fest. Dieses soll sich konsequent an den Grundsätzen des Leitbilds orientieren. Jeder hat die Verantwortung, nach den Regeln für Zusammenarbeit und Führung zu handeln und von anderen Mitarbeitenden dies ebenfalls zu verlangen. Somit trägt jeder die Verantwortung für ein wirksames Zusammenarbeiten. Grundlage der Führungsarbeit bilden die Grundsätze, Aufgaben und Werkzeuge wirksamer Führung. Die Regeln für Zusammenarbeit und Führung beziehen sich auf Aspekte, welche die Funktionssicherheit von Organisationen auch in turbulenten Zeiten sicherstellen.641

Neben den geläufigen Regeln des Anstands, der Fairness und der Korrektheit sind nachfolgende Punkte besonders wichtig: Die Arbeitsweise des Einzelnen hat sich nach funktionalen Anforderungen der Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung zu richten (und nicht nach allfälligen Bereichsgrenzen). Sieht sich ein Mitarbeiter mit mehreren Auftraggebern einem Prioritätenkonflikt ausgesetzt, so ist dieser unter den Auftraggebern zu bereinigen. Der Auftraggeber hat die Auftragserledigung durchgängig zu überwachen. Der Auftragnehmer hat den Auftrag zu quittieren sowie Zwischenberichte und eine abschliessende Vollzugsmeldung zu erstatten. 642 Weiter sind die organisatorisch festgelegten direkten Berichtswege einzuhalten und Entscheidungen von der jeweils zuständigen Stelle zu treffen.643 Mitarbeiter haben die Pflicht, sich fachlich und persönlich weiter zu entwickeln. Dies ist von ihren Vorgesetzten zu fordern und zu fördern und wird vom Malik MZSG mit entsprechenden internen Aus- und Weiterbildungsprogrammen unterstützt. 644 Jährlich beurteilt der Vorgesetzte die Leistung seiner Mitarbeiter und vereinbart mit ihnen Ziele für das kommende Jahr. Diese Ziele bilden die Basis für eine periodische Überprüfung der Zielerreichung sowie für mindestens zwei unterjährige Standortsgespräche.645

Die verschiedenen Regeln orientieren sich an kybernetischen Erkenntnissen und tragen insbesondere durch geschlossene Kreisläufe und entsprechende Feedforward- und

640 Vgl. Archiv MZSG, Doc-05, Regeln für Zusammenarbeit und Führung. 641 Vgl. Archiv MZSG, Doc-05, Regeln für Zusammenarbeit und Führung, S. 3. 642 Vgl. Archiv MZSG, Doc-05, Regeln für Zusammenarbeit und Führung, S. 6. 643 Vgl. Archiv MZSG, Doc-05, Regeln für Zusammenarbeit und Führung, S. 7. 644 Vgl. Archiv MZSG, Doc-05, Regeln für Zusammenarbeit und Führung, S. 8. 645 Vgl. Archiv MZSG, Doc-05, Regeln für Zusammenarbeit und Führung, S. 11.

218 Praxisfall einer Transformation der MPA

Feedback-Loops zur Robustheit der Organisation bei. Die Regeln legen wichtige Leitplanken im Sinne von Master Controls für Managementprozesse fest.

4.2.3.3 Die Strategie 2005 des Malik MZSG

Das Leitbild und die Regeln für Zusammenarbeit und Führung bilden das normative Fundament und somit wichtige Leitplanken für die strategische und operative Arbeit. Damit die unter 4.2.2 vorgestellten strukturellen Einheiten ihre Leistung als Beitrag an ein grösseres Ganzes verstehen und wirksam erbringen können, war es unerlässlich, für das grössere Ganze (Gruppe Malik MZSG) eine Strategie zu formulieren. Diese Strategie-entwicklung wurde ab November 2004 von einem Kernteam unter der Leitung von Fredmund Malik und unter Einbezug von Schlüsselpersonen aus den Geschäftsbereichen durchgeführt. Resultat war die „Strategie 2005“ 646 , welche Anfang Mai 2005 allen Mitarbeitern kommuniziert wurde. Der Name „Strategie 2005“ ist bewusst gewählt, als Hinweis auf das Erstellungsjahr (2005) und den offenen Zeithorizont der Strategie.647

Zu Beginn der Strategieerarbeitung wurden auf Gruppenebene Leitplanken formuliert. Neben dem erwähnten Leitbild und den Regeln für Zusammenarbeit und Führung war die Prämisse, dass an der Geschäftsbereichsstruktur der Unternehmung festgehalten wird, eine weitere wichtige Leitplanke. 648 Unter Berücksichtigung dieser Leitplanken haben die einzelnen Geschäftsbereiche ihre strategische Ausgangslage erarbeitet. Danach haben sie ausgehend von zukünftigen Umfeldentwicklungen Herausforderungen für ihr Geschäft definiert. Daraus wurden strategische Optionen abgeleitet, welche bewertet und zu strategischen Stossrichtungen gebündelt wurden. Die strategischen Stossrichtungen wurden grob quantifiziert und im Hinblick auf den Beitrag zu einem verteidigungsfähigen Marktanteil überprüft. Des Weiteren wurden im Sinne der Umsetzungsvorbereitung Ziele, Mittel und Massnahmen erarbeitet. Die Massnahmen wurden mit klaren Verantwortlich-keiten und Endterminen hinterlegt, um ihren Umsetzungsstand im Rahmen des strategischen Controllings verfolgen zu können.649

Parallel und in enger Abstimmung zur Erarbeitung der Geschäftsbereichsstrategien wurde auf Gruppenebene die Gruppenstrategie mit bereichsübergreifenden strategischen Aspekten 646 Vgl. Archiv MZSG, Doc-07, Strategie 2005. 647 Eine Strategie kann nie ein Enddatum haben. Nicht die Strategie als Ganzes hat ein Enddatum, sondern die konkreten Massnahmen der Strategie haben Enddaten. Diese können sehr unterschiedlich sein, abhängig von der Dringlichkeit und dem Realisierungsaufwand der Massnahme. Bei der Strategieerarbeitung muss man sich fragen, was man heute strategisch entscheiden muss, um (auch) morgen erfolgreich im Geschäft zu sein. 648 Vgl. Archiv MZSG, Doc-07, Strategie 2005 sowie Archiv MZSG, Doc-27, P06-Workshop 6c, S. 5. 649 Vgl. Archiv MZSG, Doc-07, Strategie 2005, S. 18 ff.

Praxisfall einer Transformation der MPA 219

definiert. Die Gruppenstrategie legt für jede der sechs Schlüsselgrössen (Marktstellung, Innovationsleistung, Produktivitäten, Attraktivität für richtige und gute Leute, Liquidität/Cash-Flow, Gewinn/Profitabilität) heutige Erfolgsrundlagen und Kernfähigkeiten, Ziele und Leistungsmassstäbe sowie Stossrichtungen fest. Darüber hinaus ist in der Gruppenstrategie festgelegt, welche Rolle und welche Schwerpunkte jeder Geschäftsbereich hat und was entsprechend der jeweilige Beitrag an die Gruppe ist. Im Sinne der Umsetzungsvorbereitung sind in der Gruppenstrategie weiter die Eckpfeiler und das Vorgehen des Issue Managements (wichtige Themenstellungen auf Gruppenebene) und des strategischen Controllings definiert. Das strategische Controlling umfasst ein Massnahmen-, Eckwerte- und Prämissen-Controlling.650

Die Gruppenstrategie umfasst inhaltlich folgende Schwerpunkte:651

1. Verbesserung der Markstellung, Deckung des objektiven Bedarfs an Management und Erzielung eines verteidigungsfähigen Marktanteils (als Vorbereitung auf die mögliche Konsolidierung der fragmentierten Märkte).

2. Verstärkte Marktdurchdringung durch Vertiefung bestehender Kundenkontakte und stetige Verbesserung des Kern-Leistungsangebots.

3. Erschliessung neuer Markt- und Kundenpotenziale, indem neue Kunden durch bessere Problemlösungen gewonnen und Leistungsinnovationen gefördert werden. 652

4. Verbesserung der Kernerfolgsfaktoren hinsichtlich der Phasen Bekanntheit, Erwägung/ Kauf, Leistungserbringung und Wiederholungskauf sowie systematische Qualitäts-Auditierung des erbrachten Kundennutzens.653

5. Ausbau der Führungsbasis durch Attraktivität für leistungsstarke Leute sowie weiterhin Sicherstellung der Eigenkapitalfinanzierung und der finanziellen Unabhängigkeit des Unternehmens.

650 Vgl. Archiv MZSG, Doc-07, Strategie 2005, S. 19. 651 Vgl. Archiv MZSG, Doc-07, Strategie 2005, S. 5 ff. 652 Z.B. können durch den wirksamen Einsatz von Informationstechnologie im Rahmen der Erstellung und dem Vertrieb von Produkten neue Märkte bedient werden. 653 Vgl. Archiv MZSG, Doc-07, Strategie 2005, S. 15.

220 Praxisfall einer Transformation der MPA

4.2.4 Manifestationen einer zunehmenden Notwendigkeit der Umstrukturierung

Die Notwendigkeit einer Umstrukturierung kommt selten von einem Tag auf den anderen. Vielmehr manifestiert sie sich oft über Jahre hinweg an verschiedenen Ereignissen. Beispielhaft sollen, bezogen auf den vorliegenden Fall, nachfolgend einige derartige Manifestationen dargelegt werden.

4.2.4.1 Jubiläumssyntegration

Ein wesentlicher Impuls zur Reflexion und zur handlungsorientierten Willensbildung im Zusammenhang mit dem neuen Leitbild war die vom Malik MZSG Ende 2003 in eigener Sache durchgeführte Syntegration zum 30-jährigen Firmenbestehen („Jubiläums-syntegration“). Die Syntegration ist die wirksamste Methode, um in einer grossen Gruppe in kürzestmöglicher Zeit eine komplexe Fragestellung zu bearbeiten.654 Die Ausgangsfrage der Jubiläumssyntegration lautete: "Was müssen wir als Gesamtunternehmensgruppe Management Zentrum St. Gallen tun, um aus unseren Einzigartigkeiten schnellstmöglich einen herausragenden Markterfolg zu machen?"655

Zur Beantwortung der Ausgangsfrage werden bei einer Syntegration von den Teilnehmern selbst 12 Themen zur Bearbeitung in Gruppen festgelegt. Eines dieser 12 Themen war „Strukturelle Erfolgsvoraussetzungen“. In der ersten Iteration der Themenbearbeitung kam die Gruppe hinsichtlich der Ausgangslage zu folgendem Schluss: "Die Zusammenarbeit zwischen CCD und MED und somit die Kombination von Kompetenzen funktioniert nur in ca. 10% aller möglichen Fälle.“ 656 Vor dem Hintergrund des unter 4.2.1 dargelegten „Verschmelzens“ von Consulting und Education einerseits und der Wichtigkeit einer thematisch-integrierten Sichtweise auf Management anderseits, war diese Feststellung einer unzureichenden Zusammenarbeitsqualität ernst zu nehmen.

Im Rahmen der zweiten Iteration der Themenbearbeitung steht bei Syntegrationen die Erarbeitung von Optionen zur Veränderung des Ist-Zustandes im Vordergrund. Als Prämisse für diese Iteration wurde festgehalten, dass die Grundstruktur mit der Trennung in CCD und MED nicht in Frage gestellt wird.657 Stattdessen überlegte man sich, wie durch

654 Mehr Informationen zur Methode der Syntegration finden sich in Kapitel 6.2.5.1 (Syntegration als wirksame Arbeitsform). 655 Vgl. Archiv MZSG, Doc-06, Jubiläumssyntegration - Umsetzungsbericht, S. 3. 656 Vgl. Archiv MZSG, Doc-02, Jubiläumssyntegration - 1. Iteration, S. 1. 657 Vgl. Archiv MZSG, Doc-03, Jubiläumssyntegration - 2. Iteration, S. 1.

Praxisfall einer Transformation der MPA 221

bewusste CCD/MED-Durchmischung in Büros und Projekten, mittels Auflösung von Zugriffsbeschränkungen auf Dokumentenablagen sowie durch veränderte Anreize mittels eines „Gesamttopf“-Bonus‘ eine Verbesserung des Zusammenwirkens von CCD und MED erreicht werden könnte. Zu diesen Überlegungen wurden im Rahmen der dritten Iteration konkrete Umsetzungsmassnahmen definiert.658

4.2.4.2 Hürden des Wachstums

Im Mai 2005 lagen wichtige ordnungserzeugende Komponenten vor: Leitbild, Regeln für Zusammenarbeit und Führung sowie die Strategie 2005 bildeten Leitplanken für ein wirksames Denken und Handeln. Trotzdem schienen zum damaligen Zeitpunkt die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Strategieumsetzung und ein daraus resultierendes Wachstum noch nicht ausreichend gegeben zu sein.

In den Tagen nach der internen Kommunikationsveranstaltung zur Strategie 2005 verfasste ich ein Dokument mit dem Titel „Hürden des Wachstums“, welches ich am 23.05.2005 mit Fredmund Malik besprach. Ziel des Dokuments und des Gesprächs war es, Hürden aufzuzeigen, welche die Umsetzung der Strategie 2005, die Verbesserung der Marktbedarfs-deckung und das daraus resultierende Wachstum einschränkten. Im erwähnten Dokument wurden die Hürden, aufgeteilt in Projektmarkt (Kunden), Organisation (intern) und Personalmarkt (Mitarbeiter), dokumentiert.659 Besonders relevant für die vorliegende Arbeit erscheint die Darlegung der Hürde „Grundstruktur“.

Die Kernaussage bezüglich der Hürde „Grundstruktur“ lautete, dass die Aufteilung in die zwei damaligen Bereiche CCD und MED weder in der Aussenwirkung (Kundennutzen, Verständlichkeit etc.) noch in der Innenwirkung (Führbarkeit, Produktivität etc.) ideal sei.660 Die Unterscheidung und organisatorische Trennung von CCD und MED schränkte die integrierte Sichtweise für die Problemerkennung und -lösung unnötig ein. Darüber hinaus war bei CCD und MED keine grosse Bereitschaft zum gegenseitigen Austausch (von Kundenkontakten, Dokumenten etc.) vorhanden. Neben der Auflösung der Trennung von CCD und MED wurden im Dokument „Hürden des Wachstums“ flankierende Massnahmen vorgeschlagen. So z.B., dass auf Partner-Stufe die Fähigkeit des integrierten Leistungs-angebots im Rahmen der Kundenpflege (CCD/MED-übergreifend) gefördert und gefordert

658 Vgl. Archiv MZSG, Doc-04, Jubiläumssyntegration - 3. Iteration, S. 1. 659 Vgl. Archiv MZSG, Doc-08, Hürden des Wachstums, S. 3. 660 Vgl. Archiv MZSG, Doc-08, Hürden des Wachstums, S. 16.

222 Praxisfall einer Transformation der MPA

werden muss.661 Weiter wurde auf die Notwendigkeit von gruppenweiten (statt auf CCD beschränkten) Practice Groups hingewiesen.662

Diverse der im Dokument aufgezeigten Hürden wurden in den darauffolgenden Monaten noch intensiver thematisiert und beseitigt. Einzelne Vorschläge mussten zuerst noch weiter reifen, bevor sie zur intensiven Bearbeitung gelangten. Letzeres galt auch für das Thema der Grundstruktur des Malik MZSG. Dieses Thema wurde zu einem späteren Zeitpunkt im Zusammenhang mit der vorliegenden Dissertation aufgegriffen.

4.2.4.3 VSM-Diagnosen

Das unter 3.2.3 dargelegte Viable System Model (VSM) ist ein Modell, welches das Malik MZSG in Rahmen von Kundenprojekten verwendet. Was dem Kunden empfohlen wird, wendet das Malik MZSG regelmässig auch selbst an. So wurde z.B. Ende 2005 von Ralf-Eckhard Türke und Sebastian Hetzler, beide Mitarbeiter des Malik MZSG, eine VSM-Diagnose der eigenen Organisation durchgeführt. Deren grundsätzlichen Erkenntnisse deckten sich mit meinen Überlegungen aus dem Dokument „Hürden des Wachstums“.

Ein erstes Dokument von Ralf-Eckhard Türke wurde Ende 2005 der Gruppenleitung vorgelegt. In diesem Dokument wurde argumentiert, dass die Grundstruktur des Geschäfts aus Varietätsgesichtspunkten besser strukturiert werden könnte. Es wurde insbesondere eine Unterscheidung in „Business to Business“ vs. „Business to Consumer“ vorgeschlagen.663 Aufbauend auf dieser Überlegung wurde eine Zusammenlegung von CCD und MED empfohlen. Später könnte eine Gliederung nach Kundengruppen oder Regionen erfolgen. Der bisherige organisatorische Fokus an Leistungsformen wurde als Wachstumsbarriere bezeichnet. 664 Mit der bisherigen Grundstruktur war nämlich nicht sichergestellt, dass Themen/Inhalte, Leistungsformen und Personalressourcen auf Gruppenebene und auf Ebene der Geschäftsbereiche systematisch selbstorganisierend koordiniert werden. Zudem wurden die kompensierenden formellen Koordinationsmechanismen als unzureichend erachtet.665

Neben den dargelegten Überlegungen zur Grundstruktur des 1er-Systems („Operation“ nach VSM) wurde auch das Metasystem geprüft mit dem Ziel, ein verbessertes Verständnis für die Funktionsweise der eigenen Organisation und der Managementfunktionen nach dem

661 Vgl. Archiv MZSG, Doc-08, Hürden des Wachstums, S. 16. 662 Vgl. Archiv MZSG, Doc-08, Hürden des Wachstums, S. 21. 663 Vgl. Archiv MZSG, Doc-10, VSM-Diagnose (System1 + Systeme2-5), S. 25 f. 664 Vgl. Archiv MZSG, Doc-10, VSM-Diagnose (System1 + Systeme2-5), S. 39 f. 665 Vgl. Archiv MZSG, Doc-10, VSM-Diagnose (System1 + Systeme2-5), S. 42.

Praxisfall einer Transformation der MPA 223

VSM zu gewinnen. Im weiteren Verlauf der damaligen Gespräche wurde die Grundsatz-diskussion bezüglich den Optionen zur Strukturierung des 1er-Systems vertagt, die Aspekte zum Metasystem hingegen weiter vertieft. Diese Aspekte waren daher Bestandteil einer weiteren VSM-Diagnose.666 Auf Ebene des Metasystems sowie der entsprechenden Organe und Gremien wurde dabei Verbesserungspotenzial bezüglich der Kompetenzverteilung ersichtlich.667

Aufbauend auf den erwähnten Diagnosen von Ralf-Eckhard Türke und eigenen früheren Diagnosen führte Sebastian Hetzler am 29./30. 06.2006 einen VSM-Workshop mit dem Verwaltungsrat des Malik MZSG durch. Dabei ging es vor allem um eine grafische Darstellungsweise für die Systeme 2-5 nach VSM. Die Besprechung mit dem Verwaltungsrat sollte noch offene Fragen klären, um danach die Systeme 2-5 mit Hilfe eines selbstentwickelten IT-Tools („VSM-Interactive“) abbilden und intern zur Verfügung stellen zu können. 668 Das Dokument des erwähnten VSM-Workshops enthielt auch Hinweise zum weiteren Vorgehen. Demnach war geplant, dass alle bisherigen Geschäftsbereiche (1er-Systeme) die Ist-Situation ihres Bereichs in der VSM-Logik abbilden würden. Diese VSM-Darstellungen sollten dann an der Gesamtpartnersitzung vom 06.11.2006 diskutiert und im Nachgang auch in das neue IT-Tool („VSM-Interactive“) eingepflegt werden.669

4.2.5 Unterstützungsfunktion Corporate Strategic Controlling

Die Bedeutung und die Anforderungen an das strategische Controlling eines Unternehmens haben sich in den letzten Jahren stark verändert. Früher wurde eine Strategie durch eine Stabsabteilung erarbeitet. Charakteristisch waren grosse Analyseteams und ein analytisch deduktives Vorgehen. Strategisches Controlling war damals entsprechend zahlengetrieben 666 Vgl. Archiv MZSG, Doc-11, VSM-Diagnose (Systeme2-5). 667 Vgl. Archiv MZSG, Doc-11, VSM-Diagnose (Systeme2-5), S. 4 und 22. 668 Die Grundidee des VSM-Interactive ist eine mehrdimensionale dynamische Organisationsdarstellung auf Basis der Begrifflichkeiten und Darstellungskonventionen des VSM und mit einer Datenbankschnittstelle zum herkömmlichen Human Resources-IT-System des Malik MZSG. Klick man z.B. auf ein Organ des Metasystems, so wird einem direkt angezeigt, welche Personen diesem Organ angehören. Bei einem Klick auf eines der Organmitglieder sieht man alle zu dieser Person gehörenden Informationen. Dies können die Zugehörigkeit zu weiteren Organen und Gremien, Daueraufgaben, Assignments, Fähigkeiten (Sprache, Methoden, Projekterfahrung etc.), Kontaktdaten etc. sein. Auf diese Art und Weise verfügt man über ein Personalinformationssystem in VSM-Logik. Das System unterscheidet sich von den herkömmlichen Personalinformationssystemen insbesondere durch die relationalen Zuordnungen, die Mehrfachzuordnungsmöglichkeit (jenseits von einschränkenden hierarchischen Strukturen) sowie durch die Verbindung zu den Subsystemen des VSM. Vgl. Archiv MZSG, Doc-12, VSM-Darstellung, S. 5 f. und S. 9 f. 669 Vgl. Archiv MZSG, Doc-12, VSM-Darstellung, S. 43 f.

224 Praxisfall einer Transformation der MPA

und innengerichtet. Heute wird die Strategiearbeit vor allem vom Management der strategischen Geschäftsfelder getragen und folgt einem hypothesengeleiteten Vorgehen. Das strategische Controlling hat neben innen- auch aussengerichtete Eckwerte/Kenzahlen zu berücksichtigen. Darüber hinaus sind die Prämissen der Strategiearbeit laufend zu hinterfragen und der Status der Massnahmenumsetzung zu prüfen.670 Prämissen-, Eckwerte und Massnahmencontrolling werden heutzutage als Eckpfeiler eines strategischen Controllings erachtet.671

Per Anfang Januar 2006 wurde mir der Aufbau und der Betrieb des strategischen Controllings auf Gruppeneben des Malik MZSG übertragen. Ziel der so entstandenen Funktion „Corporate Strategic Controlling“ war insbesondere das Controlling der Umsetzung der Strategie 2005 sowie das Mitwirken in strategischen Schlüsselprojekten. Neben dem oben erwähnten Prämissen-, Eckwerte- und Massnahmencontrolling leitete ich die Controlling-Überlegungen vermehrt in Richtung eines Management Process Controllings. Gemäss der Vorsteuerungs-Charakteristik des Management Process Controllings als Eckpfeiler des Model of Pre-controlled Success überlegte ich mir, welche Managementprozesse (des Integrated Management Model) in ihrer damaligen Wirkung die Strategieumsetzung unterstützen und welche sie eher beeinträchtigen. Mit dieser Betrachtungsweise kam ich zum Schluss, dass der grösste Handlungsbedarf beim Abgleich zwischen „Strategie“ und „Organisation“ lag.672

Das Thema Organisation und die Notwendigkeit einer Umstrukturierung waren immer wieder Gegenstand der Diskussion, wie auch die oben erwähnten Manifestationen beispielhaft aufzeigen. Allerdings war zum Zeitpunkt der jeweiligen Manifestationen aus Sicht der Entscheidungsorgane die Zeit noch nicht reif, um eine tiefgreifende Veränderung anzustossen. Organisationen sind eben nie fertig, sondern entwickeln sich – wenn möglich selbstorganisierend – laufend weiter. Somit ist Organisieren und „Organisieren lassen“ eine Daueraufgabe der Führung. Dies darf aber nicht bedeuten, dass die Organisation auch zum lästigen Dauerproblem wird. Wenn die Unternehmenslenkung und die Unternehmens-entwicklung strukturelle Defizite nicht ausreichend beheben können, ist es Zeit für eine Phase der Unternehmensgestaltung. Der Start einer aktiven Phase der Unternehmens-gestaltung ist gleichbedeutend mit dem Wechsel des „Modus operandi“ der Organisation. Es wird vom „Normalbetrieb“ auf „Change“ umgestellt.

670 Zur Entwicklung des Controlling siehe auch Ruthekolck, Informations-Controlling, 1996, S 102 f. 671 Diese Logik ist auch in der „Strategie 2005“ des Malik MZSG festgehalten. Vgl. Archiv MZSG, Doc-07, Strategie 2005, S. 19. 672 Vgl. Archiv MZSG, Doc-14, Ideenskizze P06 (Initiativpapier), S. 3 f.

Praxisfall einer Transformation der MPA 225

4.2.6 Initiierung des Transformationsprojekts

Auslöser des Transformationsprojekts, welches zum Aktionsforschungsfeld dieser Dissertation wurde, war eine Ideenskizze673 , welche ich im Oktober 2006 erstellte und Fredmund Malik zukommen liess.

Sachlogische Erkenntnisse aus dem strategischen Controlling resp. dem Controlling der Managementprozesse machten deutlich, dass die damalige Organisation die Umsetzung der Strategie 2005 nicht ausreichend unterstützte. Die damaligen Geschäftsbereiche (1er-Systeme) waren in der Aussenwirkung verwirrend, unterstützten die integrierte Bedienung des Kunden mit dem Malik MZSG-Leistungsangebot nicht durchwegs, gingen einher mit suboptimalen internen Steuerungswirkungen und eigneten sich nur bedingt als strategische Geschäftsfelder. Diese Defizite waren mit kleinen organisatorischen Anpassungen oder einer besseren grafischen Dokumentation der Organisation nicht mehr wettzumachen. Was notwendig wurde, war eine tiefgreifende Transformation der Management-Prozess-Architektur. Diese Transformation sollte auch helfen, die „5 Big Ones“ des Malik MZSG (One Mission, One Concept, One Brand, One Firm, One Spirit) noch besser umzusetzen.674

Neben der sachlogischen Notwendigkeit wurde auch die chronologische Dringlichkeit in der erwähnten Ideenskizze aufgeführt. Eine zeitnahe Behandlung dieser Thematik wurde empfohlen, da die Notwendigkeit einer Umstrukturierung offensichtlich geworden war und zudem an der Gesamtpartnersitzung vom 06.11.2006 das Thema „Malik MZSG als VSM“ auf der Tagesordnung war. Ebenfalls Bestandteil der Ideenskizze war ein grober Zeitplan für die Konzeption der neuen Organisation bis hin zum Kommunikationsdatum, an dem sämtliche Mitarbeiter informiert werden sollten.675

Psychologisch betrachtet, war für den Entscheid, ein Transformationsprojekt zu starten, sicherlich hilfreich, dass die Ideenskizze nicht nur die Notwendigkeit und Dringlichkeit der Umstrukturierung aufzeigte, sondern auch konkrete Lösungsansätze enthielt. Diese Lösungsansätze wurden im weiteren Projektverlauf wie vorgeschlagen realisiert (Unter-scheidung Produkt- und Projektgeschäft, verstärkter Kundenfokus, selbstähnliche Einheiten im Bereich des Projektgeschäfts, Multiplikation „Modell Wien“) oder aber diskutiert und anders gelöst (Überarbeitung Gremienlandschaft, Funktion von MCB). Der Strukturierungs-vorschlag war hinsichtlich der Rekursionsebene R0 (Gruppe mit Unternehmensbereichen) beständig und auf R-1 (Geschäftseinheiten der Unternehmensbereiche) sehr evolutiv, was die 673 Vgl. Archiv MZSG, Doc-14, Ideenskizze P06 (Initiativpapier). 674 Vgl. Archiv MZSG, Doc-14, Ideenskizze P06 (Initiativpapier), S. 3 f. 675 Vgl. Archiv MZSG, Doc-14, Ideenskizze P06 (Initiativpapier), S. 12.

226 Praxisfall einer Transformation der MPA

Umsetzung der „Strategie 2005“ optimal unterstützt. In der Ideenskizze wurden die inhaltlichen Lösungsansätze in einer grafischen Übersichtsdarstellung zusammengefasst. Diese Darstellung enthielt auch bereits die Idee einer Funktion des Management Process Controlling, welche über das Transformationsprojekt hinaus für Management Process Performance sorgen soll.676

Fredmund Malik beauftragte mich, die Ideenskizze mit dem operativen Chef des Malik MZSG, Peter Stadelmann, zu besprechen. Dies geschah am 16.10.2006, gefolgt von einem Gespräch mit dem Verwaltungsratsmitglied Walter Krieg am 18.10.2006, bei welchem meine Ideenskizze auch mit den bisherigen VSM-Diagnosen677 abgestimmt wurde. Neben den bereits erwähnten Personen wurde zusätzlich noch Martin Pfiffner, ein langjähriger VSM-Experte, zur Meinungsäusserung eingeladen. Die erwähnten vier Personen und ich diskutierten am 20.10.2006 in einer Telefonkonferenz die Ideenskizze. Die Teilnehmer der Telefonkonferenz erachteten den Zeitpunkt für gekommen, sich grundlegend mit der eigenen Organisationsstruktur zu beschäftigen. Die Telefonkonferenz war der eigentliche Projektstart („Kick-off“). Das Projektkernteam bildeten Fredmund Malik (Auftraggeber), Walter Krieg, Peter Stadelmann, Martin Pfiffner und ich (operative Projektleitung). Weiter wurde entschieden, dass meine Ideenskizze als Basis für den ersten Workshop am 04.11.2006 dienen sollte und das Projekt vorerst als "Geheimprojekt" zu behandeln sei.678

4.3 Aktionsforschungsergebnisse zur Projektphase

Die in Kapitel 4.2.6 dargelegte Initiierung des Projekts bildete den Übergang von der Vorphase zur eigentlichen Projektphase der MPA-Transformation. Letztere umfasst die P06-Projektphase und die P07-Projektphase.679 Nachfolgend werden die Aktionsforschungs-ergebnisse dazu vorgestellt.

676 Vgl. Archiv MZSG, Doc-14, Ideenskizze P06 (Initiativpapier), S. 3 ff. 677 Vgl. 4.2.4.3 (VSM-Diagnosen). 678 Vgl. Archiv MZSG, Doc-15, Protokoll Telefonkonferenz Kick-off, S. 2 ff. 679 Als Übersicht aller Phasen des Aktionsforschungsprojekts siehe Abbildung 31.

Praxisfall einer Transformation der MPA 227

4.3.1 Projekt-set-up als „Organisational Direttissima“

4.3.1.1 Ausgangslage, Ziele und Grundsätze

Die Mitglieder des Projektteams waren allesamt mit den Themen Management, Organi-sation und Veränderung vertraut. Auch die wesentlichen Überlegungen zu den Theorie-bausteinen (aus Kapitel 3) waren den Teilnehmern bekannt. Dies liess eine zielgerichtete und effiziente Bearbeitung des Projekts erwarten. Der erste Workshop wurde genutzt, um die Ausgangslage, die Projektziele und das grundsätzliche Vorgehen zu besprechen.

Die Diskussion der Ausgangslage machte deutlich, dass der bisherige Erfolg des Malik MZSG zu einer Unternehmensgrösse und -struktur geführt hatte, welche die weitere Entwicklung zu beeinträchtigen drohte. Zwar liefen die Kundenprojekte, also das eigentliche Geschäft, sehr gut, jedoch erforderten die Überschneidungen der „Umwelten" und der „Operations“ einen hohen Regulierungsbedarf auf übergeordneter (meta-systemischer) Ebene, und ein Wachstum auf Basis von Zellteilung war in der bisherigen Struktur nicht möglich. Die bisherige Struktur hatte darüber hinaus zu Denkblockaden geführt, welche es verunmöglichten, die Chancen der heutigen Zeit voll wahrzunehmen.680

Als Ziele des Projekts P06 (P für Perfektionierung 2006 und Projekt 2006) wurden eine Verflüssigung der Organisation, die Beseitigung von Denkblockaden, die Entwicklung von Systemikern (Integratoren, welche verschiedene Bausteine zu einer umfassenden Lösung integrieren können), verstärkte Funktionssicherheit, Beseitigung der „Lehmschicht" zwischen der Projektebene und dem Metasystem sowie Ermöglichung der Zell-multiplikation genannt.681 Die Erreichung dieser Ziele sollte optimale Voraussetzungen für die Umsetzung der Strategie 2005 schaffen.

Hinsichtlich des Vorgehens legte das Projektteam verschiedene Grundsätze fest. Erstens sollte am (in der Ideenskizze vorgeschlagenen) Kommunikationstermin von Anfang Januar 2007 festgehalten werden. Zweitens sollten bis dann höchstens sehr selektiv weitere Personen involviert werden. Drittens sollten nach der Bestimmung der Ist-Situation zuerst eine Ziel-Organisation (ad rem, von der Sache her) und erst danach eine Soll-Organisation (ad personam, mit personellen Besetzungen und möglichen Kompromissen, die aber nicht vom Weg zur Ziel-Organisation abbringen durften) erstellt werden. Viertens musste sich das Projektvorgehen laufend evolutiv den aktuellen Bedürfnissen anpassen, entsprechend war

680 Vgl. Archiv MZSG, Doc-18, Protokoll P06-Workshop 1, S. 4. 681 Vgl. Archiv MZSG, Doc-18, Protokoll P06-Workshop 1, S. 3.

228 Praxisfall einer Transformation der MPA

das weitere Vorgehen am Ende jedes Workshops zu erörtern und für die nächste überschaubare Periode festzulegen.682

Das gesamte Projekt sollte ein Beispiel einer „Organisational Direttissima“683 werden. Mit Organisational Direttissima ist der schnellste Weg zur richtigen Organisation mit der bestmöglichen Sozialverträglichkeit gemeint. 684 Eine Organisational Direttissima bezieht sich somit auf alle drei Logik-Dimensionen des „Model of Circular Processes“: Schnelligkeit (Chrono-Logik), Richtigkeit (Sach-Logik) und Sozialverträglichkeit (Psycho-Logik).

4.3.1.2 Chrono-Logik des Projekts

Gestützt auf die Telefonkonferenz vom 20.10.2006 waren chronologisch gesehen der erste Workshop (04.11.2006) und die breite Kommunikation (09./10.1.2007) die Eckpfeiler des Vorgehens.685 Am Ende des Workshops 1 wurde Workshop 2 vereinbart. Im Rahmen von Workshop 2 war klar, dass man definitiv eine komplette Umstrukturierung ins Auge fassen würde. Entsprechend wurden gleich vier weitere Workshops vereinbart (Workshops 3-6).686 Im weiteren Verlauf stellten sich einige Phasen als zeitaufwendiger heraus als ursprünglich erwartet. Entsprechend wurden „Zwischen“-Workshops in die bestehende Workshop-Struktur eingeflochten. 687 Im Rahmen der Projektphase P06 wurden so insgesamt 11 Workshops durchgeführt, bevor am 09./10.01.2007 die Kommunikation an alle Führungskräfte und Mitarbeiter erfolgte.688 In der Projektphase P07 fanden nach einem Kick-off zu dieser Projektphase nochmals weitere acht Projektteam-Workshops statt, sieben davon bis zum Projektabschluss anlässlich der Gesamtpartnersitzungen vom 23./25.03.2007 und ein achter und letzter Workshop am 02.04.2007.689

Die Projektphase P06 dauerte von Mitte Oktober 2006 bis Mitte Januar 2007, während die Projektphase P07 von Mitte Januar bis Mitte April 2007 dauerte. Die gesamte Projektphase

682 Vgl. Archiv MZSG, Doc-18, Protokoll P06-Workshop 1, S. 3. 683 In diesem Zusammenhang sei nochmals auf das in Kapitel 3.2.1.2 dargelegte Zusammenspiel von Management und Organisation verwiesen. Dieses legt nahe, dass mit „Organisational Direttissima“ auch „MPA-Direttissima“ gemeint ist. 684 Vgl. Archiv MZSG, Doc-18, Protokoll P06-Workshop 1, S. 3. 685 Vgl. Archiv MZSG, Doc-15, Protokoll Telefonkonferenz Kick-off, S. 3 f. 686 Vgl. Archiv MZSG, Doc-20, Protokoll P06-Workshop 2, S. 20. 687 Um keine Verwirrung mit bereits festgelegten Workshops zu bekommen, wurden diese Zwischen-Workshops auch von der Nummerierung her eingeschoben (mit z.B. Workshop 4a und 4b), damit die bereits nummerierten Workshop 3-6 von Datum und Name her bestehen blieben. 688 Vgl. Archiv MZSG, Doc-27, Protokoll P06-Workshop 6c, S. 2. 689 Vgl. Archiv MZSG, Doc-57, Protokoll P07-Workshop 8, S. 1.

Praxisfall einer Transformation der MPA 229

dauerte somit 6 Monate von Mitte Oktober 2006 bis Mitte April 2007 und hatte eine Vorphase und eine Nachphase. Vorphase, Projektphase und Nachphase zusammen bildeten, wie in Abbildung 31 dargestellt, das Aktionsforschungsprojekt.690

Die Workshop-Reihe gab dem Projekt eine chronologische Struktur resp. einen Rhythmus. Ergänzend dazu fanden zwischen den Workshops situativ individuelle und kollektive Reflexions- und Aktionsprozesse unter den Projektteammitgliedern statt. 691 Darauf aufbauend wurden auch regelmässig Mitteilungen an alle Führungskräfte und Mitarbeiter gerichtet. Der chronologische Verlauf kann im Detail an der nach Phasen (Vor-/Projekt-/ Nachphase) aufgebauten Dokumentenliste des Aktionsforschungsprojekts abgelesen werden.692

Es sei hier nochmals betont, dass sich dieses chronologische Vorgehen, die Anzahl der Workshops sowie das Vorgehen in den Workshops jeweils situativ ergab und die Workshop-Reihe nicht ex ante, sondern erst ex post in der beschriebenen Form fest stand. Dies ist ein klassisches Phänomen von komplexen Prozessen, die aufgrund nie ausreichender Information und Bestimmbarkeit gar nicht im Vorfeld durchgängig strukturiert und geplant werden können, sondern evolutionär begangen werden müssen.

4.3.1.3 Sach-Logik des Projekts

Die sachlogische Gliederung des Projekts orientierte sich an Komplexitätsüberlegungen des Viable System Model. Ziel war es, vom Kunden her abgeleitet auf Basis strategischer Gesichtspunkte zu einer Grundstruktur des Unternehmens zu gelangen, welche ihrerseits Selbstorganisation umfassend ermöglicht und somit einen möglichst geringen metasystemischen Lenkungsaufwand erfordern würde. Zur Veranschaulichung der sachlogischen Dimension habe ich ab dem vierten Workshop eine Darstellung verwendet, welche die verschiedenen sachlogischen Schwerpunkte als Blütenblätter darstellt.693 Diese Darstellung hat sich im Projektverlauf von Logik und Begrifflichkeiten her noch leicht verändert. Nachfolgend die Version, wie sie am Ende des Projekts feststand.

690 Vgl. Abbildung 31 in Kapitel 4.1.4 (Grundstrukturierung des Aktionsforschungsprojekts). 691 Zu individuellen und kollektiven Reflexions- und Aktionsprozesse resp. den daraus entstehenden „Lernschleifen“ siehe auch Schwaninger und Körner, Organisationsprojekte, 2004, S. 47. 692 Vgl. „Dokumentenliste Aktionsforschungsprojekt“ am Ende dieser Arbeit. 693 Vgl. Archiv MZSG, Doc-22, Protokoll P06-Workshop 3/4a, S. 3.

230 Praxisfall einer Transformation der MPA

Abbildung 32: Sieben sachlogische Dimensionen der MPA-Transformation des Malik MZSG694

Um eine Transformation der Management-Prozess-Architektur erfolgreich durchführen zu können, sind sämtliche der dargestellten sieben Dimensionen stets im Auge zu behalten und sachlogisch aufeinander abzustimmen. Zur Fokussierung der Projektarbeit wurde jeweils bewusst nur an etwa ein bis drei Dimensionen parallel gearbeitet. Wie in der Abbildung dargestellt, ist jede Dimension im Kern von allen anderen Dimensionen betroffen, jedoch besonders stark von den jeweils angrenzenden zwei. Die sachlogischen Dimensionen laufen chronologisch betrachtet als zirkulärer Prozess ab. Dies ist durch die Nummerierungen von 1-7 sowie durch die Zuordnung zu den drei Phasen des Aktionsforschungsprojekts (Vor-/ Projekt-/Nachphase) pragmatisch gekennzeichnet. In der Abbildung ist neben der sachlogischen nicht nur die chronologische, sondern auch die psychologische Perspektive teilweise eingeschlossen. Letztere ist durch die Hinweise auf die Unterscheidung der sachlogischen Ziel-Organisation (ad rem) und der psychologisch wirksam realisierbaren Soll-Organisation (ad personam) angedeutet. Die Abbildung macht erkennbar, dass sachlogische Dimensionen nie komplett losgelöst von chrono- und psychologischen Aspekten existieren können. Die sieben sachlogischen Dimensionen der Abbildung werden später durch die Darlegung der Aktionsforschungsergebnisse noch näher beleuchtet.

694 Aus Platzgründen mussten einige Abkürzungen in der Abbildung verwendet werden. Hier die Erläuterungen dazu: UBs = Unternehmensbereiche, EVEs = Ergebnisverantwortliche Einheiten, CVCs = Customer Value Centers, MCB = Management Cybernetics & Bionics, S1-5 = Systeme 1-5 gemäss Viable System Model.

Praxisfall einer Transformation der MPA 231

4.3.1.4 Psycho-Logik des Projekts

Neben der Sach-Logik und der Chrono-Logik ist die Psycho-Logik eine weitere wichtige Dimension von Veränderungsprojekten in sozialen Systemen. Die psycho-logische Perspektive zeigt sich einerseits wie bereits erwähnt bei der Erarbeitung der Soll-Organisation (ad personam) und kann anderseits hinsichtlich Personengruppen reflektiert werden. Dabei unterscheide ich drei wesentliche Personengruppen: die Kunden, die Mitarbeiter und die Führungskräfte.

Bei einer erfolgreichen MPA-Transformation wird das laufende Geschäft nicht beeinträchtigt und der Kunde kann nach der Transformation noch besser bedient werden. Mitarbeiter können von einer MPA-Transformation in unterschiedlicher Art und Weise betroffen sein: Ungewissheit, Angst, geringe Veränderungsbereitschaft, schwächen- statt stärkenorientierter Einsatz, abnehmende Entwicklungsperspektiven und neu aufzubauende soziale Beziehungen können – beispielhaft – als negative Symptome einer schlechten Umstrukturierung resp. MPA-Transformation genannt werden. Erfolgreiche MPA-Transformationen können aber auch gegenteilige und somit positive Symptome auslösen: Klarheit, Mut, erhöhte Veränderungsbereitschaft, stärkenorientierter Einsatz, zunehmende Entwicklungsperspektiven und vertraute soziale Beziehungen. Ähnlich verhält es sich bei den Führungskräften. Auch bei ihnen sind die genannten negativen und positiven Symptome denkbar. Führungskräfte könnten zudem den Anspruch erheben, dass sie nicht nur Betroffene sind, sondern in das Projekt involviert werden wollen.

Die Art und Weise des Involvierens sollte abhängig gemacht werden vom Thema des Projekts und dem entsprechenden Nutzen des Einbezugs resp. Nicht-Einbezugs, wobei die Nutzenüberlegung immer aus Sicht resp. im Interesse der Unternehmung erfolgen muss.695 Im vorliegenden Falle der MPA-Transformation war das Unternehmen an einer schnellen, richtigen und sozialverträglichen Umstrukturierung und Verbesserung der Management-prozesse interessiert. Ein Involvieren von weiteren Personen hätte das Projekt keinesfalls beschleunigt. So ist es mit einer zunehmenden Anzahl involvierter Personen nur schon viel schwieriger, Termine zu finden für Workshops. Zudem werden traditionelle Workshops ab einer gewissen Gruppengrösse ineffizient. Ist das Projektteam gut zusammengestellt, so sind die für das Projekt wesentlichen Informationen vorhanden oder können von diesen Personen zeitnah beschafft werden. Also auch bezüglich der Richtigkeit wäre – ein gut zusammen- 695 Die Malik MZSG Strategie 2005 wurde beispielsweise unter Einbezug der Leiter der jeweiligen Geschäftsbereiche erarbeitet. Dies einerseits um deren Wissen ins Projekt einzubringen und anderseits um sie von Beginn weg für die am Ende resultierende Strategie zu gewinnen. Denn sie sind diejenigen, welche die Verantwortung für die Strategieumsetzung in ihrem Bereich tragen.

232 Praxisfall einer Transformation der MPA

gestelltes Projektteam vorausgesetzt – kein Nutzen aus der Involvierung zusätzlicher Personen zu erwarten. Es bleibt somit die Komponente der Sozialverträglichkeit. Diese kann wie erwähnt hinsichtlich Kunden, Mitarbeitern und Führungskräften betrachtet werden. Die Sozialverträglichkeit für Mitarbeiter und Kunden würde dann erhöht, wenn die involvierten Personen über Informationen zu Kunden und Mitarbeitern verfügten, welche für das Projekt relevant sind und dem Projektteam nicht vorliegen. Bei der MPA-Transformation des Malik MZSG war das Risiko von fehlenden kunden- und/oder mitarbeiterbezogenen Informationen im Projektteam klein, da alle Projektteammitglieder selbst auch langjährige Erfahrung aus Kundenprojekten mitbrachten und ich zudem als damaliges Mitglied der „Mitarbeitervertretung System 5“696 einen profunden Einblick in die Anliegen von Mitarbeitern hatte.

Bleibt noch das Argument, dass die Sozialverträglichkeit für die Führungskräfte durch deren Involvieren gesteigert würde. In diesem Punkt steckt Chance und Gefahr zugleich. Selbstverständlich ist jede Person lieber Teil der Lösung, als Teil des Problems. Allerdings muss man auch realistisch sein: Wer würde schon sich selbst sein Grab schaufeln, in den Sarg steigen, selbst den Deckel schliessen und dann nur noch warten wollen, bis sein Sarg ins Grab gesenkt wird. Führungskräfte haben zumeist starke Eigeninteressen, die kaum immer dem Interesse des Unternehmens untergeordnet werden.

Es sei hier nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Frage des Involvierens nicht allgemeingültig beantworten lässt. Die Beantwortung ist abhängig vom Projektthema, vom Projektteam und von einer im Interesse des Unternehmens geführten „Kosten/Nutzen-Analyse“ hinsichtlich Schnelligkeit, Richtigkeit und Sozialverträglichkeit der Projektdurchführung. Die Antwort resp. das Vorgehen liegt irgendwo auf dem Kontinuum zwischen Top-down und Bottom-up-Vorgehen und ist in den meisten Fällen eine Kombination daraus. Im Falle der MPA-Transformation beim Malik MZSG wurde die Initiierung der Projektphase P06 bottom-up angeregt697 und bewusst als Geheimprojekt in einem kleinen Projektteam top-down getrieben698, währenddem die Projektphase P07 auch bottom-up unterstützt wurde. Neben der Frage des Involvierens von Personen ist im Rahmen der Psycho-Logik die Kommunikation im Projektteam und zwischen dem 696 Die Mitarbeitervertretung System 5 des Malik MZSG ist eine Gruppe von ca. 5 – von den Mitarbeitern jährlich gewählten – Vertretern. Letztere gewinnen über Mitarbeiter-Gespräche und -Befragungen relevante Informationen, um für das System 5 im Allgemeinen und den Verwaltungsrat (als System 5-verantwortliches Organ) im Speziellen Gefahren- und Chancen-Muster im Sinne von „Standpunkten aus Mitarbeitersicht“ frühzeitig aufzeigen zu können. Vgl. Archiv MZSG, Doc-11, VSM-Diagnose (Systeme2-5), S. 8 und 12. 697 Vgl. Archiv MZSG, Doc-14, Ideenskizze P06 (Initiativpapier). 698 Vgl. Archiv MZSG, Doc-15, Protokoll Telefonkonferenz Kick-off, S. 3 f. sowie Archiv MZSG, Doc-31, Präsentation Führungskräfteveranstaltung, S. 2.

Praxisfall einer Transformation der MPA 233

Projektteam und den übrigen Personen sehr wichtig. Darauf wird in Kapitel 4.3.7 noch näher eingegangen.

4.3.2 Grundgliederung in Unternehmensbereiche

4.3.2.1 Herleitung der Unternehmensbereiche

Das Viable System Model hat sich in Kapitel 3.2 als wichtiger Theoriebaustein herauskristallisiert. Zudem ist im Leitbild des Malik MZSG festgehalten, dass sich die Unternehmensstruktur an den Prinzipien des Viable System Models (VSM) zu orientieren hat.699 Entsprechend war für das Projektteam von Beginn weg klar, dass die Diagnose und Neu-Gestaltung der Organisation auf Basis des Viable System Model erfolgen würden.

Ausgangspunkt war die Frage, wie das Unternehmen seine Zweckerfüllung erreicht und wie die wesentlichen Zusammenhänge zwischen Umwelt, Operation und Management aussehen. Dazu war zu klären, in welchem Geschäft das Unternehmen tatsächlich tätig ist. Die Beantwortung dieser Frage hat sich am originären Kundenproblem zu orientieren und darf sich nicht schon auf einzelne Lösungstechnologien beziehen. 700 Eine lösungsinvariante Antwort darauf ist, dass das Malik MZSG Institutionen und Personen hilft, Komplexität besser zu meistern, d.h. ihr Management zu verbessern. Aus dem Verständnis des Viable System Model war klar, dass die Gesamt-Operation in Teil-Operationen zu gliedern sein würde, welche dann den 1er-Systemen des Viable System Model entsprächen. Somit interessierte im Weiteren die Frage, in welchen verschiedenen Geschäften das Malik MZSG tatsächlich tätig ist. In Workshop 1 wurde dazu eine Liste mit möglichen Gliederungs-kriterien erstellt. 701 Diese umfasste gängige Kriterien zur Gliederung von strategischen Geschäftsfeldern (Technologien, Produkte, Regionen, Absatzwege, Kunden etc.). Die Projektteammitglieder bekamen die „Hausaufgabe“, sich auf Workshop 2 eine Grund-gliederung der neuen Unternehmung zu überlegen.702

Bereits im Workshop 2 ergab sich, aufbauend auf der Ideenskizze zur Projektinitiierung, Gesprächen aus Workshop 1 und den präsentierten „Hausaufgaben“, eine Gliederung in ein am individuellen Kunden ausgerichtetes Projektgeschäft, ein am Massenmarkt orientiertes Produktgeschäft und ein bisher noch nicht so stark exploriertes Geschäft, das wir vorerst

699 Vgl. Archiv MZSG, Doc-01, Leitbild, S. 11. 700 Zum Begriff „originäres Kundenproblem“ vgl. Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 48. 701 Vgl. Archiv MZSG, Doc-18, Protokoll P06-Workshop 1, S. 7. 702 Vgl. Archiv MZSG, Doc-18, Protokoll P06-Workshop 1, S. 3

234 Praxisfall einer Transformation der MPA

„Beyond DACH“703 nannten.704 In Workshop 3 und 4a wurde das Explorationsgeschäft in zwei verschiedene Geschäfte ausdifferenziert. Das neue dritte Geschäftsfeld umfasste das internationale Geschäft, während das vierte Geschäftsfeld das Partner- und Lizenzgeschäft umfasste. 705 Die ersten beiden Geschäftsfelder – das Projektgeschäft und das Produktgeschäft – waren über die weiteren Workshops hinweg unbestritten. Noch nicht abschliessend geklärt waren die explorativen Geschäftsfelder drei und vier. In Workshop 6c und 6d wurde diese grundsätzliche Gliederung nochmals auf den Prüfstand gestellt. Dabei wurden die genannten vier Geschäftsfelder bestätigt und es wurde festgelegt, dass diese „Gefässe“ fortan Unternehmensbereiche heissen sollten. Den vier Unternehmensbereichen wurden zudem ihre definitiven Namen gegeben. Das neue Unternehmen bestand somit aus den Unternehmensbereichen Management Consulting & Education (MCE), Management Formation & Information (MFI), Malik Management International (MMI) und Malik Solution Partner (MSP). 706 Um die vier neuen Unternehmensbereiche auch visuell verständlich kommunizieren zu können, wurde im Workshop 7 – am Tag vor der breiten Kommunikation der neuen Unternehmensstruktur – die nachfolgende Abbildung 33 erarbeitet. Im Vergleich zur damals kommunizierten Version enthält die Abbildung 33 auch die explizite Nennung von Management Cybernetics & Bionics (MCB), welcher in der Nachphase des Projekts als fünfter Unternehmensbereich hinzukam.707

703 DACH steht für Deutschland (D), Österreich (A), Schweiz (CH). Während die Strategie 2005 als eine wesentliche Stossrichtung die „Marktdurchdringung in DACH“ hat, ist mit „beyond“ ein „darüber hinaus“ gemeint. 704 Vgl. Archiv MZSG, Doc-20, Protokoll P06-Workshop 2, S. 17. 705 Vgl. Archiv MZSG, Doc-22, Protokoll P06-Workshop 3/4a, S. 4. 706 Vgl. Archiv MZSG, Doc-28, Protokoll P06-Workshop 6d, S. 2. 707 Vgl. Archiv MZSG, Doc-83, Mitteilung an alle „MCB als 5. UB“.

Praxisfall einer Transformation der MPA 235

Abbildung 33: Übersicht über die neuen Unternehmensbereiche des Malik MZSG708

Die „top-down“ Gliederung des Ganzen (Unternehmung) in Teile (Unternehmensbereiche) resp. das „bottom-up“ Zusammenfassen von Teilen (Geschäftseinheiten) zu einem Ganzen (Unternehmensbereiche) erfolgte nach dem Grundsatz, dass die Unternehmensbereiche für sich genommen eine eigene Strategie verfolgen können und für ein Ergebnis verantwortlich sind. Es handelt sich dabei also um sogenannte ergebnisverantwortliche Einheiten, welche ihrerseits wiederum aus ergebnisverantwortlichen Teileinheiten bestehen.

4.3.2.2 Die Unternehmensbereiche im Detail

Um das Verständnis für die neuen Unternehmensbereiche zu vertiefen, werden diese hier nochmals einzeln vorgestellt, und zwar jeweils sowohl mit Bezug zur alten Unternehmens-struktur 709 als auch mit den für die Unterscheidung von den anderen Unternehmens-bereichen wichtigen Merkmalen.710 Drei Punkte sollen vorab noch erwähnt sein: Erstens sind die Unternehmensbereiche MCE und MFI das heutige Kerngeschäft, das im Sinne von Explorationsfeldern mit den bereits aktiven aber umsatzmässig noch wesentlich kleineren

708 Vgl. Archiv MZSG, Doc-31, Präsentation Führungskräfteveranstaltung, S. 4. Nachträglich ergänzt um MCB als fünften Unternehmensbereich. 709 Vgl. hierzu im Detail 4.2.2 (Strukturelle Ausgangslage). 710 Vgl. Archiv MZSG, Doc-22, Protokoll P06-Workshop 3/4a, S. 4 sowie Archiv MZSG, Doc-28, Protokoll P06-Workshop 6d, S. 2.

MCEManagement Consulting & Education

MFIManagement Formation & Information

Exploration

Primär „Customized“

Projekt-/DL-Geschäft

Primär „Standardised“

Produkt-geschäft

Masteringcomplexity

durch richtiges und gutesManage-

ment

MMIMalikManagement International

MSPMalik

SolutionPartners

MCBManagement Cybernetics &

Bionics

236 Praxisfall einer Transformation der MPA

Unternehmensbereichen MCB, MMI und MSP ergänzt wird. Zweitens bestehen alle Unternehmensbereiche im Kern aus Leistungsmerkmalen und -komponenten von richtigem und gutem Management. Drittens gibt es zwischen diesen Unternehmensbereichen gegenseitige Abhängigkeiten, Leistungsbeziehungen und Mitarbeiter, welche nicht nur in einem, sondern in mehreren Unternehmensbereichen eine Führungs- und/oder Fachleistung erbringen.

Management Consulting & Education (MCE) umfasst die früheren Bereiche Corporate Consulting & Development (CCD) und Management Education & Development (MED). In der Namensgebung wurde mit „MCE“ bewusst die Verschmelzung dieser Bereiche zum Ausdruck gebracht. Darüber hinaus umfasst MCE auch die damaligen Einheiten Malik Management Zentrum St. Gallen Wien (Wien) und in einer ersten Phase das Projektgeschäft von Team Syntegrity® Europe AG (TSE) und Management Cybernetics & Bionics (MCB). Später wurde TSE vollständig in MCB integriert und MCB als fünfter Unternehmensbereich etabliert. Unterscheidungsmerkmale von MCE (und MCB) gegenüber den anderen Unternehmensbereichen sind insbesondere der Fokus auf das Projekt- resp. Dienstleistungs-geschäft und auf den DACH-Raum. Die Leistungserbringung ist auf den individuellen Kunden massgeschneidert und erfolgt zumeist beim Kunden vor Ort. MCB zeichnet sich zudem noch durch einen ausgeprägten Innovationsfokus aus und hat in diesem Zusammenhang auch eine unternehmensweite Innovationsaufgabe.711

Management Formation & Information (MFI) umfasst die früheren Bereiche Seminare AG (Seminare), M.o.M. Malik on Management AG (M.o.M.) und E-Management Learning (EML). Dazu gehören auch alle Tagungen, Zertifizierte Programme und sämtliche Lehr- und Lernmittel. Unterscheidungsmerkmale gegenüber den anderen Unternehmensbereichen sind insbesondere der Fokus von MFI auf das Produktgeschäft, welches sich am vorerst anonymen Kunden (Massenmarkt) orientiert und daher ganz andere Vermarktungsformen benötigt. Die Leistungserbringung ist zu einem grossen Teil räumlich-zeitlich getrennt vom Leistungskonsum durch den Kunden. Die organisatorischen Prozesse haben sich auf ein im Vergleich zu MCE stark standardisiertes und von der Auftragsgrösse kleinteiliges Geschäft hin zu orientieren. Das Internet spielt dabei eine wichtige Rolle als Informations-, Kommunikations- und Transaktionsmedium.

Malik Management International (MMI) umfasst die bestehenden internationalen Operationen in London und Shanghai und ist ein strategisch wichtiges Feld für die Internationalisierung des Malik Management Zentrum St. Gallen. Unterscheidungs-

711 Vgl. hierzu Kapitel 4.3.4.4 (Zuteilung von Innovationsverantwortung).

Praxisfall einer Transformation der MPA 237

merkmale gegenüber anderen Unternehmensbereichen sind einerseits der geografische Fokus und anderseits die Besitzverhältnisse. Hinsichtlich des geografischen Fokus‘ geht es darum, durch Multiplikation von Bewährtem Voraussetzungen für eigene MCE- oder MFI-Teileinheiten ausserhalb DACH zu schaffen. Bezüglich der Besitzverhältnisse werden in MMI (im Gegensatz zu MSP) eigene Einheiten zusammengefasst. Diese können selbst aufgebaute oder akquirierte Unternehmen sein.

Malik Solution Partners (MSP) umfasst das Lizenzgeschäft von Team Syntegrity® Europe AG (TSE) und die bestehenden Aktivitäten in Toronto, Südafrika und Russland sowie zukünftige Kooperations- und Lizenzaktivitäten. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal gegenüber den anderen Unternehmensbereichen ist hier, dass keine eigenständige Operation im Eigentum des Malik MZSG besteht, sondern dass Leistungen über Kooperationen und Lizenzpartner multipliziert werden. Die entsprechenden Partnerunternehmen übernehmen dabei den Vertrieb der (lizenzierten) Malik MZSG-Leistungen und teilweise deren Erbringung und/oder Anreicherung durch eigene Leistungen.

4.3.2.3 Unterschiedliche Konkretisierung pro Unternehmensbereich

Die vier resp. mit MCB fünf Unternehmensbereiche sind in sich nicht statische Gebilde, sondern dürften sich dynamisch über die kommenden Jahre weiterentwickeln. Unter Berücksichtigung der erwarteten Organisationsdynamik war zu überlegen, wo bereits zu diesem Zeitpunkt strukturelle Vorgaben bei der Gliederung der Unternehmensbereiche in Geschäftseinheiten (in VSM-Sprache also auf der nächst tieferen Rekursionsebene R-1) notwendig seien.

Aufgrund der Strategie 2005 konnte davon ausgegangen werden, dass alle Unternehmens-bereiche über die nächsten Jahre umsatzmässig relativ stark wachsen würden. Bei MFI und MSP dürfte aufgrund des Geschäftstypus (Produktgeschäft) das Umsatzwachstum aber bei weitem nicht zu einem proportionalen Mitarbeiterwachstum und entsprechenden organisa-torischen Herausforderungen führen, wie dies bei MCE hingegen zu erwarten ist. Bei MCE mit der strategischen Stossrichtung der Marktdurchdringung wird das grösste Mitarbeiter-wachstum erwartet. Zudem war MCE bereits zum Entstehungszeitpunkt zu gross, um ohne weitere Strukturierung funktionieren zu können. MCE war der Unternehmensbereich mit dem zu dieser Zeit grössten Umsatz und mit den weitaus meisten Mitarbeitern und Schlüsselpersonen des Unternehmens.

Aus diesen Überlegungen kam das Projektteam zum Schluss, dass im Rahmen der geheimen Projektphase P06 keine Zeit auf die weitere Untergliederung der Unternehmensbereiche

238 Praxisfall einer Transformation der MPA

MFI, MMI und MSP (sowie MCB) verwendet werden sollte, sondern dass diese sich gemäss der Startkonfiguration aus bestehenden Einheiten und Aktivitäten evolutionär weiterentwickeln sollten.712 Stattdessen legte man die Aufmerksamkeit auf die Gliederung von MCE.713

4.3.3 Untergliederung des Unternehmensbereichs MCE

4.3.3.1 Gliederungskriterien zur Herleitung von Organisationsvarianten

Bereits in Workshop 1 wurde vom Projektteam die Idee lanciert, dass innerhalb von MCE wiederum MCEs zu finden sein sollten, getreu dem Prinzip der Rekursion und der Selbstähnlichkeit. MCE wurde somit zum damaligen Zeitpunkt nicht nur als Abkürzung für Management Consulting & Education verwendet, sondern auch für Management Center Entities.714 Wichtiger als die genaue Bezeichnung war der im Projektverlauf frühe Konsens zu einer Struktur mit selbstähnlichen Einheiten, welche, wenn sie eine gewisse Grösse erreicht haben würden, sich durch Zellteilung multiplizieren. Jede MCE-Subeinheit deckt ein Grundspektrum an Themen und Leistungsformen ab. Darüber hinaus sind gewisse Spezialisierungen möglich. In Workshop 1 wurde eine Liste mit möglichen Kriterien für die Gliederung von MCE in derartige Subeinheiten erstellt.715

In Workshop 3 wurden unterschiedliche Konfigurationsmöglichkeiten für die MCE-Subeinheiten diskutiert und aufgrund des damaligen Mitarbeiterbestandes 6 - 9 MCE-Subeinheiten à je ca. 20 Mitarbeitende als mögliche Startkonfiguration festgelegt.716 In Workshop 4a wurden neben der Kombination von Consulting und Education Projekt-gewinnung, Projektabwicklung, Kundenpflege und Mitarbeiterentwicklung als konstitutive Kernaufgaben festgelegt. 717 Dies war nicht zuletzt ein bewusster Entscheid gegen eine organisatorische Trennung von Projektgewinnung und Projektabwicklung. Denn der Kunde sollte von Projektanfang bis -ende den gleichen hauptverantwortlichen Ansprechpartner

712 Im Sinne dieser evolutionären Weiterentwicklung in der Nachphase des P06/P07-Projekts wurden in MFI die bisherigen organisatorischen Einheiten aufgelöst resp. in MFI als Gesamtes überführt und das Gesamte seither nach Schwerpunktthemen geführt. Vgl. Archiv MZSG, Doc-78, Mitteilung an alle „MFI geführt als eine Einheit“ und Archiv MZSG, Doc-88, Mitteilung an alle „MFI-Schwerpunkte“. 713 Diese Gliederung von MCE erfolgte dann insbesondere in den P06-Workshops 4a, 4b und 5. 714 Vgl. Archiv MZSG, Doc-18, Protokoll P06-Workshop 1, S. 3. 715 Vgl. Archiv MZSG, Doc-18, Protokoll P06-Workshop 1, S. 7. 716 Vgl. Archiv MZSG, Doc-21, Protokoll P06-Workshop 3, S. 3. 717 Vgl. Archiv MZSG, Doc-22, Protokoll P06-Workshop 3/4a, S. 5.

Praxisfall einer Transformation der MPA 239

haben und es sollte das Risiko vermieden werden, dass unrealistische Projekte aufgegleist werden, die dann durch eine andere Organisationseinheit abzuleisten sind.

Von der Liste möglicher Gliederungskriterien aus Workshop 1 wurden einige Kriterien bereits primär für die Gliederung der Unternehmensbereiche genutzt (insb. Darreichungs-/ Leistungsform, Geschäfts-/Problemlösungstyp, Absatzweg). Die Branche des Kunden als weiteres Gliederungskriterium wurde bewusst nicht in Betracht gezogen, da das Malik MZSG einen branchenunabhängigen „General Management“-Ansatz verfolgt. Die übrigen Kriterien boten sich allesamt noch an für die weitere Untergliederung von MCE. Dem Projektteam war bewusst, dass diese Gliederungsfrage alles andere als trivial ist und sich ein Mix aus einer dominanten und mehreren ergänzenden Gliederungsdimensionen ergeben würde. Als vielversprechende Grundvarianten der Gliederung kristallisierten sich eine Gliederung nach Kundengewinnungsraum, eine Gliederung nach Kundentypen und eine Gliederung nach Leistungsthemen heraus. Es wurde im Rahmen von Workshop 4a entschieden, dass ein zusätzlicher Workshop 4b benötigt würde und dass jedes Projektteammitglied als „Hausaufgabe“ diese drei Grundvarianten beurteilen und ggf. noch neue Grundvarianten erarbeiten sollte.718

4.3.3.2 Kriterien zur Beurteilung von Organisationsvarianten

Gemeinsam wurden in Workshop 4a die Kriterien festgelegt, anhand derer die Varianten zur Untergliederung des Unternehmensbereichs MCE beurteilt werden sollten. Nachfolgend seien die letztlich dreizehn Beurteilungskriterien kurz aufgelistet, die Nummerierung entspricht dabei keiner Prioritätenreihenfolge oder Gewichtung:719 1. Zweckerfüllung im Sinne von „Tun wir die richtigen Dinge?“ 2. Strategie-Konformität zwecks Ermöglichung von Wachstum 3. Qualität durch Nutzung vorhandener Stärken 4. Effizienz durch Rationalisierung (resp. Konzentration auf Stärken) 5. Unterstützung bei Differenzierung gegenüber Konkurrenz 6. Klarheit der Kundenzuordnung 7. Gedankliche/mentale Nähe zum Kunden 8. Physische Nähe zum Kunden / Präsenz 9. Kundengerechte Inhalte / Themen / Konzepte / Methoden 10. Möglichkeit des integrierten Leistungsangebots (Consulting & Education)

718 Vgl. Archiv MZSG, Doc-22, Protokoll P06-Workshop 3/4a, S. 8. 719 Vgl. Archiv MZSG, Doc-22, Protokoll P06-Workshop 3/4a, S. 7. Dieser Kriterien-Katalog musste selbstverständlich auf die Geschäftsart und die Situation passen und ist nicht eins zu eins verallgemeinerbar auf andere Situationen.

240 Praxisfall einer Transformation der MPA

11. Attraktivität für gute Leute (Entwicklungsperspektiven, Arbeitsort etc.) 12. Selbstorganisationstendenz (Richtung und Ausmass) 13. Führbarkeit des Ganzen

Besonderer Erwähnung aus Sicht der Management-Prozess-Architektur bedürfen die Beurteilungskriterien 12 und 13. Das Kriterium der Selbstorganisationstendenz berück-sichtigt die erwartete Organisationsdynamik, die sich einstellt, falls keine metasystemischen Eingriffe vorgenommen werden. Dieses Kriterium entlarvte z.B. die Gliederung der MCE-Subeinheiten nach Branchen als schlechte Variante. Ohne permanente metasystemische Eingriffe würden sich die MCE-Subeinheiten immer mehr zu Branchenexpertengruppen entwickeln, etwas, das aufgrund des erwähnten „General Management“-Ansatzes nicht erwünscht ist. Das Kriterium der Führbarkeit berücksichtigt den Umstand, dass umso weniger Führungsaufwand notwendig ist, je besser eine Organisation strukturiert ist.

In den obigen dreizehn Beurteilungskriterien widerspiegeln sich die drei Grundfragen des Organisierens nach DRUCKER720, die zwei weiteren Grundfragen nach MALIK sowie zwei ergänzende Prinzipien, welche MALIK im Rahmen des Aktionsforschungsprojekts formulierte.

Die zwei weiteren Grundfragen nach MALIK lauten: Wie müssen wir uns organisieren, damit wir, erstens, wachsen können und damit wir, zweitens, steigende Komplexität verkraften können?721 Diese beiden Grundfragen haben im Vergleich zu den drei Fragen von DRUCKER einen Meta-Charakter, indem sie sich letztlich auf alle drei Fragen von DRUCKER in genereller Art und Weise beziehen.

Die in Workshop 2 des Aktionsforschungsprojekts von MALIK formulierten Prinzipien lauten Principle of shortest distance to the client (mental and geographic) und Principle of biggest task possible for our people (self-selecting).722 Diese beiden Prinzipien können als Detaillierung der Grundfragen des Organisierens nach DRUCKER verstanden werden. Das Prinzip „Shortest distance to the client“ ist eine Detaillierung der ersten Grundfrage, währenddem das zweite Prinzip „Biggest task possible for our people“ die zweite und dritte Grundfrage von DRUCKER detailliert. Wichtig ist dabei, dass Mitarbeiter und Führungs-kräfte gemäss ihren Stärken eine möglichst grosse Aufgabe haben sollen, da die intrinsische Arbeitsmotivation insbesondere aus der Verantwortung an der Erfüllung einer grossen

720 Zu den drei Grundfragen des Organisierens im Kontext des Viable System Model vgl. Kapitel 3.2.4 (Implikationen). 721 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 219. 722 Vgl. Archiv MZSG, Doc-20, Protokoll P06-Workshop 2, S. 2.

Praxisfall einer Transformation der MPA 241

Aufgabe und den erzielten Resultaten erwächst.723 Dieses Prinzip erscheint deshalb wichtig, weil in hierarchisch resp. heterarchisch flachen Organisationen die Arbeitsmotivation nicht über immer besser klingende Positionsnamen bzw. Hierarchieaufstieg, sondern insbe-sondere über immer grössere Aufgaben gesteigert werden kann.

4.3.3.3 Durchführung der Beurteilung der Organisationsvarianten

Bei der Beurteilung von Organisations-Varianten ist es notwendig, dass man auch die IST-Variante als „Null-Variante“ beurteilt. Neben der „Null-Variante“ wurden die oben beschriebenen drei Varianten (Kundenraum, Kundentypen, Leistungsthemen) beurteilt. Weitere Varianten brachten die Projektteammitglieder im Rahmen der „Hausaufgabe“ nicht mehr ein. In Workshop 4b und Workshop 5 wurden die Varianten bewertet. Pro Variante waren im Sinne eines „forced Rankings“ die Werte 1 (am schlechtesten) bis 5 (am besten) zu vergeben. Dabei wurde bewusst bei n Varianten n+1 Werte für die Beurteilung zur Verfügung gestellt, damit zwischen zwei Varianten ein grösserer Bewertungsabstand vergeben werden konnte.724

Bei Gleichgewichtung der dreizehn Beurteilungskriterien ergab sich folgendes Bild: Abgeschlagen an letzter Stelle war die IST-/NULL-Variante mit 52% der Anzahl Punkte, welche die „Sieger-Variante“ erzielte (diese wurde als 100% indexiert). Dieses Resultat bekräftigte den Sinn und Zweck des gesamten Projektvorhabens. Die Variante „Kundenraum“ war als Sieger hervorgegangen, dicht gefolgt von den Varianten „Kundentyp“ (95% der Punkte der Sieger-Variante) und „Leistungsthemen“ (83%).725

Im Sinne einer Sensitivitätsanalyse wurde diese Beurteilung plausibilisiert. Dies insbesondere auch im Hinblick auf den bei der ungewichteten Betrachtungsweise relativ kleinen Abstand zwischen der besten und zweitbesten Variante. Im Rahmen der Sensitivitätsanalyse wurde auch eine Entscheidungsrelevanz (A für hoch und B für mittel) hinsichtlich der dreizehn Beurteilungskriterien festgelegt. Unter Berücksichtigung der Entscheidungsrelevanz als Gewichtungsfaktor vergrösserte sich der Abstand der Variante „Kundenraum“ zu den Varianten „Kundentyp“ und „Leistungsthemen“ markant. Auch hinsichtlich der beiden Beurteilungskriterien mit der höchsten Entscheidungsrelevanz – Attraktivität für gute Leute und Führbarkeit des Ganzen – war die Variante „Kundenraum“ mit Abstand an erster Stelle. Die Führbarkeit des Ganzen ist bei dieser 723 Vgl. hierzu auch Frankl, Sinn, 2006. 724 Vgl. Archiv MZSG, Doc-24, Protokoll P06-Workshop 4b, S. 8. Dies ist ein Verfahren, welches Prof. Krieg im Rahmen des Workshops eingebracht hat. Es hat sich in unzähligen Praxisanwendungen äusserst gut bewährt. 725 Vgl. Archiv MZSG, Doc-25, Protokoll P06-Workshop 5, S. 15.

242 Praxisfall einer Transformation der MPA

Variante auch längerfristig vorteilhaft, da mit der Orientierung am Kundenraum die zeitlich beständigste Dimension als dominante Dimension figuriert.726

Im Rahmen der Sensitivitätsanalyse wurden zudem die Beurteilungskriterien ermittelt, bei denen die präferierte Variante „Kundenraum“ absolut und relativ, d.h. im Vergleich zu den Varianten „Kundentyp“ und „Leistungsthemen“, am schlechtesten abgeschnitten hat. Es sind dies die Kriterien „Nutzung vorhandener Stärken“ und „Effizienz durch Rationalisierung“.727 Diesen beiden Punkten war im weiteren Verlauf des Transformations-projekts durch Kompensationsmassnahmen Rechnung zu tragen.

4.3.3.4 Die Grundlogik der MCE-Subeinheiten

Die Konfigurationslogik der MCE-Subeinheiten besteht aus einer primären Dimension und einer sekundären Dimension. 728 Die primäre Dimension richtet sich nach der Lebensfähigkeit und der führbaren Grösse der Einheit. Konstitutive Elemente dafür sind: 1. der Kunde im Zentrum der Aufmerksamkeit, 2. die Kombination von institutions- und personenbezogenen Leistungsthemen, 3. Consulting und Education als wesentliche Leistungsformen, 4. die Überzeugungs- resp. Projektgewinnungs- und die Projektabwicklungsaufgabe 5. eine zweckorientierte Selbstorganisation.

Als sekundäre Dimension der Konfiguration gilt der projektbezogene stärkenorientierte Einsatz der Mitarbeitenden. Dies umfasst 1. die Zuteilung von Kundentyp-Kompetenzen, 2. die Zuteilung von Themen/Inhalts-Kompetenzen und 3. die Zuteilung weiterer Kompetenzen wie z.B. Fremdsprachen.

Für die so konfigurierten MCE-Subeinheiten wurde der Begriff Customer Value Center (CVC) eingeführt.729 Jedes CVC hat vollständig die Anforderungen der primären Dimension zu erfüllen. Hinsichtlich der Elemente der zweiten Dimension sind gewisse Schwerpunkt-bildungen erlaubt und erwünscht.730 Sich in einer CVC herausbildende Spezialkompetenzen

726 Vgl. Archiv MZSG, Doc-25, Protokoll P06-Workshop 5, S. 15. 727 Vgl. Archiv MZSG, Doc-25, Protokoll P06-Workshop 5, S. 15. 728 Vgl. Archiv MZSG, Doc-26, Protokoll P06-Workshop 6a/b, S. 7 sowie Archiv MZSG, Doc-27, Protokoll P06-Workshop 6c, S.9. 729 Der Begriff CVC wurde im Rahmen des Workshop 6d eingeführt und ersetzte die bisherigen Bezeichnungen (MCE-Einheiten, Zellen). Dem Projektteam war wichtig, dass der Begriff das „Neue“ adäquat transportiert. Dies aus der Überzeugung, dass man insbesondere mit klarer Sprache Veränderungen in Denken und Handeln unterstützen kann. 730 Vgl. Archiv MZSG, Doc-23, MCE-Konfigurationsmethodik.

Praxisfall einer Transformation der MPA 243

werden im Rahmen von CVC-übergreifend besetzten Kundenprojekten auch anderen CVCs zur Verfügung gestellt. Die Erfüllung der Elemente der ersten und der zweiten dargelegten Dimension erfolgte im Rahmen des Transformationsprojekts durch die Zuteilung der Mitarbeitenden auf die neuen CVCs und danach durch die (Selbst-) Entwicklung der Mitarbeitenden.

4.3.3.5 Systemische Sicht auf die gewählte Organisationsvariante

Im Workshop 5 wurde neben der Grundgliederung in die vier Unternehmensbereiche auch die MCE-Gliederung nach Kundenraum verabschiedet. 731 Fredmund Malik machte in diesem Workshop zur grundsätzlichen Gliederung in selbstähnliche MCE-Subeinheiten nachfolgende Leitaussage: „Wir verkleinern alles, damit wir grösser werden!“732 Die Logik dieser kleinen, schlagkräftigen MCE-Subeinheiten richtet sich eins zu eins nach den Basis-Subsystemen eines „Viable System“733:

1. Die Umwelt einer MCE-Subeinheit wurde als Customer Reference Area (CRA) bezeichnet.734 Reference ist in beide Richtungen zu verstehen: Der Kunde in der Umwelt gibt uns Referenz (Referenzkunde) und das Malik MZSG referenziert zu einzelnen (Nicht-)Kunden in der Umwelt.

2. Die Operation einer MCE-Subeinheit wurde – wie unter 4.3.3.4 erwähnt – als Customer Value Center (CVC) bezeichnet. Dieser Begriff bringt den Hauptzweck der Operation, die Erzielung eines der Konkurrenz überlegenen Kundennutzens, explizit zum Ausdruck.

3. Das Management einer MCE-Subeinheit wurde als CVC-Management (resp. Leitung) bezeichnet. Dabei wurde bewusst das Wort Management resp. Leitung und nicht Manager resp. Leiter gewählt. Somit ist offen, wer alles zu dieser Managementfunktion beiträgt.

Je besser die Komplexität auf der horizontalen Ebene (Umwelt, Operation, Management) durch die dargelegte systemische Logik der MCE-Subeinheiten bewältigt wird, umso weniger vertikaler, d.h. metasystemischer Führungsaufwand entsteht.735

731 Vgl. Archiv MZSG, Doc-25, Protokoll P06-Workshop 5, S. 2. 732 Archiv MZSG, Doc-25, Protokoll P06-Workshop 5, S. 16. Zum Grundsatz, dass Wachstum insbesondere auf Basis von kleinen, reaktionsschnellen Organisationseinheiten wirksam erfolgt, siehe auch Wagner, Fraktale Organisation, 2001, S. 128. 733 Vgl. bzgl. den Basis-Subsystemen 3.2.3.1 (Varietätsausgleich zwischen Basiseinheiten). 734 Bis und mit P06-Workshop 6d wurde vom Kundenraum oder Kundengewinnungs- resp. Kundenüberzeugungsraum (KÜR) gesprochen. In P06-Workshop 7 wechselte man definitiv auf den Begriff CRA. 735 Vgl. hierzu das „Erste Management-Axiom“ nach Beer unter 3.2.3.3 (Operative Gesamtleitung).

244 Praxisfall einer Transformation der MPA

4.3.3.6 Multiplikation von Customer Value Centers

Von Anbeginn des Transformationsprojekts bestand die Grundidee von lebensfähigen Einheiten, welche sich durch Zellteilung vermehren und zu einem Gesamtwachstum der Unternehmung beitragen. Eine Zellteilung bedeutet eine Aufteilung der relevanten Umwelt (Customer Reference Area) sowie eine Aufteilung von bestehenden Personen- und Sachressourcen auf zwei neu entstehende Customer Value Centers. Damit diese Zellteilung resp. -multiplikation optimal erfolgen kann, ist es wichtig, dass auch in den neu entstehenden Customer Value Centers die CVC-Managementfunktion von Beginn weg richtig und gut erfüllt wird. Um dies sicherzustellen, sind für die CVC-Managementfunktion jeweils zwei Piloten eingesetzt und ergänzt worden um ca. zwei Co-Piloten. 736 Die Bezeichnungen Piloten/Co-Piloten weist darauf hin, dass Nachwuchsführungskräfte (Co-Piloten) eingebunden und ausgebildet werden, damit sie nach erfolgter CVC-Multiplikation an der Seite eines erfahrenen Piloten selbst die Funktion eines Piloten wahrnehmen und wiederum Co-Piloten entwickeln können. Die Piloten/Co-Piloten-Führungsteams ermöglichen somit eine schnelle CVC-Multiplikation. Zudem erzeugen sie Robustheit, geringes Ausfallrisiko und hohe Funktionssicherheit durch Redundancy of Potential Command 737 . So werden z.B. ferien- oder krankheitsbedingte Abwesenheiten einer Führungskraft durch die anderen Mitglieder des CVC-Managements kompensiert.

Das gegenseitige Verständnis und das wirksame Führungshandeln wird zudem durch eine gemeinsame „Managementsprache“ und die Anwendung gleicher Managementmodelle und -konzepte unterstützt.738 Jedes Customer Value Center versteht sich als Viable System Model mit den oben aufgeführten drei Basis-Subsystemen. Jedes CVC verfügt im Weiteren über ein Vester-Modell, welches das CVC-System anhand von Wirkungszusammenhängen konkretisiert.739 Das Integrated Management Model dient als Führungslandkarte und die Central Performance Control als strukturierte Performance-Beurteilung im Sinne des Business System Controlling im Model of Pre-controlled Success.

736 Vgl. Archiv MZSG, Doc-27, Protokoll P06-Workshop 6c, S. 14 sowie Vgl. Archiv MZSG, Doc-28, Protokoll P06-Workshop 6d, S 3. 737 Warren McCulloch‘s „Redundancy of Potential Command“ ist ein wichtiges kybernetisches Prinzip, das besagt, dass Selbstorganisation und Funktionssicherheit eine Redundanz von Lenkungskapazität voraussetzt. Vgl. McCulloch, Embodiments, 1970. In ähnlichem Kontext wird auch von „Multiminded System“ gesprochen. Vgl. Gharajedaghi, Systems Thinking, 2006, S. 12 f. 738 Vgl. Archiv MZSG, Doc-30, Drehbuch Info-Veranstaltungen, S. 1. 739 Vgl. Archiv MZSG, Doc-28, Protokoll P06-Workshop 6d, S. 14.

Praxisfall einer Transformation der MPA 245

Damit der skizzierte Modus der Zellmultiplikation möglich wurde, waren erstmals „Ur-Zellen“ zu etablieren, die sich dann nachfolgend multiplizieren können. Die Ausgestaltung dieser „Ur-Zellen“ wird im Sinne der Startkonfiguration nachfolgend dargelegt.

4.3.4 Startkonfiguration der Customer Value Centers

4.3.4.1 Zuteilung von geografischen Räumen

Aufgrund der gewünschten Grösse einer CVC von ca. 20 Mitarbeitern und der damaligen Mitarbeiterzahl wurden als Start etwa 6-9 CVCs als realistisch eingeschätzt. Schliesslich einigte sich das Projektteam auf 7 „reine“ MCE-CVCs und zwei CVCs, welche ursprünglich von der Funktionslogik her MCE zugeordnet waren (CVC8 und CVC9).740

Die Zuteilung des geografischen Raums führte zu nachfolgender Startaufstellung:741 1. CRA1 der CVC1: D-Südwest Stuttgart/Ulm 2. CRA2 der CVC2: D-Mitte Frankfurt 3. CRA3 der CVC3: D-West Düsseldorf 4. CRA4 der CVC4: D-Nord Berlin/Hamburg/Hannover 5. CRA5 der CVC5: D-Süd München 6. CRA6 der CVC6: CH-Zürich: Schweiz 7. CRA7 der CVC7: A-Wien: Österreich und Zentraleuropa 8. CRA8 der CVC8: Management Cybernetics & Bionics (MCB): CRA-übergreifend 9. CRA9 der CVC9: UK-London: United Kingdom

Das CVC8 gehörte am Anfang zu MCE, wurde jedoch aufgrund seiner speziellen Charakteristik (CRA-übergreifend, Solution/Innovation-orientiert) und der zentralen Bedeutung für die Entwicklung des Gesamtunternehmens anfangs März 2008 offiziell als eigenständiger fünfter Unternehmensbereich positioniert. 742 Das CVC9 gehörte von der Funktionslogik her zu Beginn zu MCE und gleichzeitig zu MMI. Aufgrund der späteren Re-Positionierung des Büros London zählt dieses seit Ende April 2008 zum Unternehmens-bereich MMI (bzgl. der Internationalisierung) und hat ergänzend eine wichtige gruppenweite Innovationsaufgabe (als Performance Intelligence Center, PIC).743

740 Vgl. Archiv MZSG, Doc-28, Protokoll P06-Workshop 6d, S. 3 ff. 741 Vgl. Archiv MZSG, Doc-28, Protokoll P06-Workshop 6d, S. 4. 742 Vgl. Archiv MZSG, Doc-83, Mitteilung an alle „MCB als 5. UB“. 743 Vgl. Archiv MZSG, Doc-92, Mitteilung London/PIMS.

246 Praxisfall einer Transformation der MPA

Die CRA-Gebiete wurden entlang von Landes- und Bundeslandsgrenzen bis auf Postleitzahl-Ebene definiert, um auch eine Kundenzuordnung in Kunden- resp. Adress-systemen zu ermöglichen. In der heutigen Zeit, in der Management ein Massenberuf744 geworden ist und bleiben wird, ist der Bedarf an richtigem und gutem Management in jeder der definierten Regionen so gross, dass kein CVC aufgrund eines ihm zugeteilten, bereits gesättigten Marktes benachteiligt würde.

Eine definierte Customer Reference Area bedeutet nicht, dass in dieser Region auch ein physischer Standort vorhanden sein muss. Derzeit werden CRA1 - CRA5 vom Hauptstandort St. Gallen aus bedient. CRA6 wird vom Standort Zürich, CRA7 vom Standort Wien und CRA9 vom Standort London aus bedient.745

4.3.4.2 Zuteilung von Pflichten (nicht Monopolen)

Bereits in P06-Workshop 1 wurde festgehalten, dass die neue Organisation keine Monopole enthalten sollte, weil Monopole nicht nur im Markt, sondern auch im Unternehmen zu Ineffizienzen führen. 746 Entsprechend haben die CVCs in den ihnen zugeteilten geografischen Räumen nicht ein Monopol, sondern eine Verpflichtung, Markt und Interessenten über die Malik MZSG-Leistungen zu informieren und sie mit den Leistungen zu überzeugen. Die Verpflichtung zur Bearbeitung der eigenen Customer Reference Area hat nicht die Auflösung des Rechts anderer CVCs zur Folge, ebenfalls gewisse Interessenten aus dieser CRA anzusprechen. Dies ist in jenen Fällen sinnvoll, wo bereits eine Beziehung zum Interessenten besteht oder aber ein CVC aufgrund der in ihm vereinigten Fachkompetenzen ein einzigartiges Angebot unterbreiten kann. In solchen Ausnahmefällen, wo ein CVCx nicht im CRAx, sondern einem anderen CRA aktiv wird, gilt immer die Pflicht, das eigentlich zuständige CVC über die Aktivitäten informiert zu halten.747

Während dem Transformationsprojekt war wichtig, dass trotz aller internen Transfor-mationsaktivitäten der Kunde stets im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit blieb. Deshalb wurde als Grundsatz festgelegt, dass alle bestehenden Kundenbeziehungen von den bisherigen Personen weiterbetreut würden (unabhängig von deren neuer CVC-Zuordnung) und dass alle laufenden Projekte von den bisher eingesetzten Projektmitarbeitern

744 Vgl. Malik, Führen, 2000/2006, S. 65 ff. 745 Vgl. Archiv MZSG, Doc-31, Präsentation Führungskräfteveranstaltung, S 17. 746 Vgl. Archiv MZSG, Doc-18, Protokoll P06-Workshop 1, S. 3. 747 Vgl. Archiv MZSG, Doc-31, Präsentation Führungskräfteveranstaltung, S. 14.

Praxisfall einer Transformation der MPA 247

weitergeführt würden.748 Für den Kunden änderte sich somit vordergründig nichts und das laufende Geschäft konnte unbeeinträchtigt fortgesetzt werden.

Über die Zeit hinweg dürfte der Anteil der Projekte, welche ein CVC innerhalb des ihm zugeteilten Raums durchführt, zunehmen. Dies einerseits, weil laufende Kundenprojekte in alten Konstellationen abgeschlossen werden und anderseits, weil in der neuen Logik Kunden gewonnen werden. Letzteres darf aufgrund der klaren Verpflichtung und Verantwortung für eine systematische Markt- und Kundenbearbeitung erwartet werden. Dies nach dem – von Fredmund Malik im Rahmen des Transformationsprojekts geprägten – Grundsatz der Hinwendung vom Jäger und Sammler zum Ackerbauer.749

4.3.4.3 Zuteilung von Mitarbeitern

Projekte und Kundenbeziehungen können als dynamische Einheiten einzelner oder aber auch mehrerer CVCs (bei CVC-übergreifenden Projektbesetzungen) verstanden werden. Die Untergliederung der CVCs im Sinne der primären Struktur erfolgte anhand von – als Organisationsgefässe im Malik MZSG damals bereits etablierten – People Development Groups (PDG). Diese sind zeitlich beständig und definieren klare Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehungen. People Development Groups sind Gruppen, bestehend aus einem Vorgesetzten (PDG-Leiter) und ca. 5 Mitarbeitenden. In der neuen Struktur sind PDG-Leiter üblicherweise Pilot oder Co-Pilot des jeweiligen CVC. Die PDG-Leiter müssen Fähigkeiten als Systemiker resp. Integratoren haben, um für den Kunden massgeschneiderte Lösungen zu konzipieren und mit den dazu notwendigen Spezialisten umzusetzen. Die Mitarbeiter einer PDG können also durchaus gewisse Spezialisten-Ausprägungen haben, werden aber mit zunehmendem Dienstalter zu Systemikern entwickelt.

Bei der Zuteilung der bisherigen Führungskräfte und Mitarbeiter achtete das Projektteam darauf, dass die Summe der Führungskräfte und Mitarbeiter eines CVC aufgrund ihrer Fähigkeiten die konstitutiven Elemente eines CVC hervorbringen kann und das CVC somit eine lebensfähige Einheit ist. Dies hatte zur Folge, dass jedes CVC bewusst zwei Piloten (Doppelspitze) erhielt und je ein Pilot aus dem bisherigen Bereich Corporate Consulting & Development (CCD) und aus dem bisherigen Bereich Management Education & Development (MED) dafür eingesetzt wurde.750 Dadurch wurde sichergestellt, dass auch im Managementteam die Fähigkeiten sowohl für Consulting als auch für Education ebenso wie 748 Vgl. Archiv MZSG, Doc-31, Präsentation Führungskräfteveranstaltung, S. 14. 749 Vgl. Archiv MZSG, Doc-30, Drehbuch Info-Veranstaltungen, S. 1. 750 Vgl. Archiv MZSG, Doc-26, Protokoll P06-Workshop 6a/b, S. 10, Archiv MZSG, Doc-27, Protokoll P06-Workshop 6c, S. 14 und Archiv MZSG, Doc-28, Protokoll P06-Workshop 6d, S. 4.

248 Praxisfall einer Transformation der MPA

für institutions- und für personenbezogene Themen751 vorhanden waren. Da es sich bei den Piloten um langjährige, erfahrene Mitarbeiter handelt, war auch sichergestellt, dass sie über ausreichende Kundenbeziehungen verfügten, damit ihr CVC nicht nur Projekte abwickeln, sondern auch Interessenten informieren und für Projekte gewinnen kann.

Nachdem die jeweilige Doppelspitze (Piloten) pro CVC definiert war, wurden in einem zweiten Schritt Co-Piloten zugeteilt. Auch hier wurde versucht, Personen so zuzuteilen, dass die Konstitution der CVC bestmöglich gelingt. In einem dritten Schritt wurden die weiteren Mitarbeiter den CVCs zugeteilt. Dies erfolgte nach dem Grundsatz, dass bestehende Vorgesetzten-Mitarbeiter-Beziehungen wenn immer möglich belassen werden sollten. Ein so besetztes CVC bestand somit im Normalfall aus mehreren bereits eingespielten PDGs.752 Dies war psycho-logisch gesehen wichtig. So konnten Mitarbeiter trotz der Unternehmens-transformation in vertrauter Umgebung resp. robusten sozialen Beziehungsnetzen agieren und ihre Leistungskraft blieb unbeeinträchtigt, denn sie konnten bei allfälligen Unsicherheiten den Dialog in vertrautem Kontext suchen. Wie bei den Kundenbeziehungen lautete somit auch bei den Mitarbeiterbeziehungen der Grundsatz: Ändere so wenig wie möglich, aber so viel wie notwendig.

4.3.4.4 Zuteilung von Innovationsverantwortung

Eine gute Innovationsleistung ist eine wichtige Schlüsselgrösse eines gesunden Unter-nehmens. Mit dem Ziel der Förderung von Innovationen wurde innerhalb von MCE mit dem CVC8 eine Einheit gebildet, welche von der Funktion her weitgehend der CVC-Logik entspricht, jedoch mit den folgenden zwei Hauptunterschieden:753

1. Das CVC8 hat keinen „eigenen CRA“ resp. der CRA8 kann als Summe aller anderen aktuellen und potenziellen CRAs verstanden werden.

2. Das CVC8 hat neben einer 1er-System-Funkion (Projektgewinnung und -abwicklung) auch eine wesentliche Innovations- und Koordinationsfunktion auf Gesamtunter-nehmensebene.

Das CVC8 hat den Namen Management Cybernetics & Bionics (MCB) und wurde vorerst als „Spezial-CVC“ MCE zugeordnet, bevor es mit späterem Beschluss als fünfter 751 Institutions- und personenbezogene Themen entsprechen den Themen der linken und rechten Seite des Integrated Management Model. Für Details vgl. Kapitel 3.3.3 (Detaillierte Darlegung des Integrated Management Model). 752 Vgl. Archiv MZSG, Doc-34, Präsentation Mitarbeiterveranstaltung, S. 11. 753 Vgl. Archiv MZSG, Doc-43, Protokoll P07-Workshop 4, S. 3 f. sowie Archiv MZSG, Doc-66, CVC08/MCB-Policy I (Fokus Konstitution).

Praxisfall einer Transformation der MPA 249

Unternehmensbereich etabliert wurde. 754 In Abbildung 33 ist MCB daher explizit als Unternehmensbereich aufgeführt. MCB bildet den Nukleus von Mastering Complexity durch richtiges und gutes Management.

Aufbauend auf der über dreissigjährigen Erfahrung des Malik MZSG auf dem Gebiet der Systemtheorie, Kybernetik und Bionik ist es die Aufgabe von MCB, neue Management Solutions zu kreieren und diese zu einem Markterfolg zu führen.755 Erst der Markterfolg macht eine Idee resp. eine Invention zu einer Innovation. Um diesen Innovationsauftrag zu erfüllen, hat MCB drei Kernaufgaben:

1. Entwicklung von neuen Management Solutions (Invention, primäre System 4-Aufgabe in der VSM-Sprache)

2. Abwicklung von Projekten mit neuen Management Solutions (Operation, primäre System 1-Aufgabe)

3. Koordination und Qualitätssicherung der gruppenweiten Anwendung von neuen Management Solutions (Multiplikation, primäre System 2-Aufgabe)

Erst die erfolgreiche Kombination von Invention, Operation und Multiplikation führt zu ausgeprägten Markterfolgen mit und durch neue Management Solutions. Es wird dabei sichergestellt, dass Management Solutions nicht am Kundenbedarf vorbei entwickelt werden. Darüber hinaus wird erreicht, dass die Kerngedanken der Malik Management-Lehre, welche unter dem Begriff „One Concept“ zusammengefasst werden, über die Jahre hinweg erhalten, vertieft und weiterentwickelt werden.

Die Mitarbeiter von MCB müssen als Gruppe und einzeln einerseits über einen vertieften wissenschaftlichen Background und anderseits über langjährige Praxiserfahrung verfügen. 756 Die Besonderheit von MCB wurde durch die Etablierung als eigenen Unternehmensbereich auch organisatorisch und visuell herausgestrichen. Dies geschah nach dem wichtigen Innovationsgrundsatz, wonach das aktuelle Geschäft vom neuen Geschäft (Innovation) zu unterscheiden und womöglich organisatorisch zu trennen sei.757

Im Sinne einer kybernetisch robusten Lösung wurde aber nicht nur MCB die Verantwortung für Invention, Operation und Multiplikation übertragen. Gewissermassen als „Gegen-

754 Vgl. Archiv MZSG, Doc-83, Mitteilung an alle „MCB als 5. UB“. 755 Vgl. Archiv MZSG, Doc-43, Protokoll P07-Workshop 4, S. 3. 756 Vgl. Archiv MZSG, Doc-43, Protokoll P07-Workshop 4, S. 3. 757 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 281.

250 Praxisfall einer Transformation der MPA

Part“ haben alle CVCs spezifische Innovationsziele hinsichtlich der Gewinnung und Abwicklung von Projekten mit – von MCB entwickelten und im Praxistest bereits bewährten – neuen Management Solutions erhalten.758

4.3.5 Koordinations- und Unterstützungsmechanismen

Das bisherige Augenmerk lag auf den Unternehmensbereichen und ihren Geschäftseinheiten. Dabei handelt es sich um organisatorische Bereiche und Einheiten, welche als ergebnisverantwortliche Einheiten bezeichnet werden können. Damit diese Einheiten nicht nur eigene Ergebnisse erzielen, sondern dies auch im Sinne eines Beitrags an ein grösseres Ganzes tun, sind Koordinations- und Unterstützungsmechanismen notwendig. In der Sprache des Viable System Model spricht man dabei vom System 2.

Der Bedarf an System 2-Mechanismen ergibt sich aus Beziehungen zwischen den Umwelten und zwischen den Operationen der einzelnen Unternehmensbereiche (bzw. der Geschäftseinheiten). Eine Organisation ohne jegliche Schnittstelle ist weder denkbar noch wünschbar. Vielmehr geht es darum, eine Organisation so zu gestalten, dass die notwendigen Schnittstellen im Sinne von Nahtstellen wirksam geregelt werden können.

Wie unter 3.2.1.2 ausgeführt, kann eine Organisation nach einer institutionalen, einer instrumentalen und einer funktionalen Dimension unterschieden werden. Diese Unter-scheidung wende ich nachfolgend auch für die Umschreibung der Koordinations- und Unterstützungsmechanismen an. Die drei Dimensionen und die entsprechende Zuordnung von einzelnen Aspekten zu diesen Dimensionen können nicht vollständig trennscharf sein. Es geht hier auch nicht um eine Trennung, sondern um eine gedankliche Unterscheidung der drei Dimensionen, welche sich letztlich auf das Gleiche – auf Koordination und Unterstützung – beziehen.

4.3.5.1 Institutionelle Koordinations- und Unterstützungsmechanismen

4.3.5.1.1 Charakteristik von Unterstützungseinheiten

Unterstützungseinheiten (auch Corporate Functions oder Support Functions/Units genannt) sind institutionelle Einheiten, die sich um Unterstützungsprozesse kümmern. Diese Unterstützung kann sowohl eine Managementunterstützung (Stabsfunktion) als auch eine

758 Vgl. hierzu auch Kapitel 4.3.5.2.3 (Logik und Zielfelder der Selbststeuerung).

Praxisfall einer Transformation der MPA 251

Geschäftsunterstützung (im Sinne von Shared Services759) sein. Jede Unternehmung hat Kunden, Menschen, Kosten, Finanzen und Informationen. Daraus lässt sich ableiten, dass jede Unternehmung Funktionen braucht, die sich mit diesen Grundkomponenten unter-stützend befassen.760 Üblich sind Einheiten wie Marketing, Personal, Controlling, Finanzen und Informationsmanagement. Je nach Unternehmenstyp und -situation können die erwähnten Unterstützungseinheiten unterschiedlich wichtig sein resp. durch weitere Unterstützungsfunktionen und -einheiten ergänzt werden.

Das Transformationsprojekt brachte es mit sich, dass auch die Unterstützungseinheiten des Malik MZSG grundlegend neu konfiguriert werden mussten. Der Bedarf einer Neukonfiguration wurde bereits im Zuge der Gestaltung der neuen Unternehmensbereiche und der Etablierung der CVC-Logik ersichtlich. Wie die Konfiguration aber wirklich auszuschauen hatte, war damals noch nicht absehbar. Deshalb wurde die Neugestaltung der Unterstützungsfunktionen und -einheiten in die P07-Projektphase gelegt.

Im Gegensatz zu den Unternehmensbereichen und ihren Geschäftseinheiten sind die Unterstützungseinheiten keine lebensfähigen Systeme. Dies lässt sich daran erkennen, dass sie keinen eigenen externen Umwelt/Markt-Zugang haben, sondern einen internen Beitrag an andere Bereiche und Einheiten leisten. Durch die Unternehmenstransformation und die damit verbundene Neugestaltung der Unterstützungsfunktionen und -einheiten konnten letztere wesentlich produktiver gemacht werden. Der Output wurde verbessert durch eine konsequente Ausrichtung an den Bedürfnissen der neuen ergebnisverantwortlichen Einheiten. Parallel dazu wurde der Input durch einen leichten Personalabbau in den Unterstützungseinheiten zumindest vorübergehend gesenkt.761

4.3.5.1.2 Wesentliche Änderungen bzgl. der Unterstützungseinheiten

Die bisherigen Funktionen Corporate Communications und Corporate Marketing wurden in einer neuen Funktion namens Customer Information & Communication (CIC) vereint. Der Name ist Programm: Im Vordergrund steht das Informieren und Kommunizieren in die relevante Umwelt. Dabei sind möglichst viele Nachrichten an möglichst viele Interessenten

759 Zu Shared Services vgl. u.a. Kaplan und Norton, Strategiefokussierte Organisation, 2001, S. 171 ff. sowie Gharajedaghi, Systems Thinking, 2006, S. 226 und 243. 760 Vgl. Archiv MZSG, Doc-27, Protokoll P06-Workshop 6c, S. 13. 761 Vgl. Archiv MZSG, Doc-72, Mitteilung an alle „Redimensionierung Unterstützungsfunktionen“.

252 Praxisfall einer Transformation der MPA

(bestehende und potenzielle Kunden) zu senden. Dies war eine 180-Grad-Wende zum bisherigen Vorgehen, nach dem sehr selektiv und zurückhaltend informiert worden war.762

Die bisherige Human Resources (HR)-Funktion blieb vom Namen her zwar unverändert, wurde aber bezüglich der Leistungen stark verändert. HR-Arbeit wurde vermehrt an den Ort der konkreten Vorgesetzten-Mitarbeiter-Situation delegiert. Zentral wird noch der Recruitingprozess unterstützt, die interne Aus- und Weiterbildung konzipiert und organisiert, ein Teil der Personaladministration erledigt (ein anderer Teil wurde wegrationalisiert) und die Lohnbuchhaltung geführt. Für eine Wissensorganisation wie das Malik MZSG kommt der internen Aus- und Weiterbildung grösste Bedeutung zu. Diese umfasst Module für neue Mitarbeiter und Führungskräfte (Basiswissen), für bisherige Mitarbeiter und Führungskräfte (Kernwissen) sowie ausschliesslich für Führungskräfte (Kaderwisssen).763

Finanzen und Buchhaltung wurden neu unter dem Namen Finance & Accounting (FA) zusammengefasst. Hier lag das Augenmerk auf Entschlackung der Prozesse, Klärung der Zuständigkeiten und Verbesserung des finanziellen Reportings. 764 Aufgrund der Umstrukturierung mussten dazu u.a. der Kostenstellenplan und die Budgets 2008 der neuen Situation angepasst werden.

Die bisher dem Leiter von Finanzen und Buchhaltung zugeteilte Informationstechnologie sowie das Corporate Strategic Controlling765 wurden zu einer Einheit namens Controlling & Informationssysteme (CIS) zusammengefasst. Ähnlich wie bei CIC war auch bei CIS im Vergleich zu früher ein Umdenken notwendig, weg von der Technologie und Bürokratie hin zum Anwendernutzen und vermehrter Flexibilität. Auf Basis einer neu erarbeiteten IT-Policy und IT-Roadmap wurden parallel zur Unternehmenstransformation unnötige Projekte eingestellt und eine technologische Basis geschaffen 766 , welche weitere IT-Initiativen bestmöglich unterstützt. Im Rahmen der Controlling-Aktivitäten wurden das Transformationsprojekt und das bisherige strategische Controlling betreut. Fredmund Malik und Peter Stadelmann übertrugen mir die Verantwortung für die Etablierung und Führung dieser Unterstützungsfunktion resp. -einheit.767

Neben diesen vier neu konfigurierten Unterstützungseinheiten – CIC, HR, FA, CIS – wurden mit Legal Services (LS) und Office Management (OM) zwei bestehende kleine

762 Vgl. Archiv MZSG, Doc-40, Protokoll P07-Workshop 3, S. 14 und 26 sowie Archiv MZSG, Doc-74, CIC-Policy. 763 Vgl. Archiv MZSG, Doc-40, Protokoll P07-Workshop 3, S. 14 und 27. 764 Vgl. Archiv MZSG, Doc-40, Protokoll P07-Workshop 3, S. 14 und 28. 765 Vgl. Kapitel 4.2.5 zur damaligen Unterstützungsfunktion „Corporate Strategic Controlling“. 766 Migration von Lotus Notes auf Outlook und Office 2003 auf Office 2007. 767 Vgl. Archiv MZSG, Doc-40, Protokoll P07-Workshop 3, S. 14 und 29 f.

Praxisfall einer Transformation der MPA 253

Einheiten weitergeführt. 768 Office Management war insbesondere im Jahr 2007 eine wichtige Funktion, da – ebenfalls noch parallel zur Unternehmenstransformation – die Zusammenlegung von drei St. Galler Geschäftsstandorten an einen gemeinsamen neuen Standort erfolgte.

4.3.5.1.3 Modulverantwortung und Expert Groups

Eine weitere wichtige institutionelle Koordinations- und Unterstützungsfunktion nehmen Modulverantwortliche und Expert Groups wahr, welche als Ersatz für die früheren Practice Groups etabliert wurden.769 Während die Modulverantwortlichen im Zusammenhang mit dem Dokumentenmanagementsystem die Verantwortung für die Pflege von Dokumenten zu ihrem thematischen Modul wahrnehmen, sind die Expert Groups und deren Task Forces für die Weiterentwicklung von ausgewählten Themen verantwortlich. Die Modulstruktur wurde vom Corporate Management Model abgeleitet und verbindlich vorgegeben.770 Die Expert Groups (und deren Task Forces) entstehen evolutionär und verschwinden nach Abschluss des jeweiligen Auftrags wieder. Modulverantwortung und Expert Groups sind wichtige Ergänzungen der CVC-Logik. Wie oben erwähnt hatte die für die CVC-Logik gewählte Organisationsvariante hinsichtlich „Nutzung vorhandener Stärken“ und „Effizienz durch Rationalisierung“ Defizite771, welchen hiermit kompensierend Rechnung getragen wurde.

4.3.5.2 Instrumentelle Koordinations- und Unterstützungsmechanismen

4.3.5.2.1 Technische Informationssysteme

Kunden, Projekte und Mitarbeiter sind wichtige Komponenten des Malik MZSG. Entsprechende Informationssysteme werden zur instrumentellen Koordination und Unterstützung der Aktivitäten eingesetzt. Hinsichtlich Kunden sind als wichtige Informationssysteme die Website (inkl. malik management system®, malik management mail®, Online-Plattform und Shop) sowie die Kontaktmanagementsysteme Information Manager und MZ Address zu nennen. Hinsichtlich Projekten ist das MZ Project und bezüglich Mitarbeitern das MZ PIS (Personalinformationssystem) wichtig. Die Geldflüsse werden mit einem Finanz- und einem Lohnbuchhaltungssystem verwaltet. Neben diesen

768 Vgl. Archiv MZSG, Doc-48, Protokoll P07-Workshop 6, S. 2. 769 Vgl. Archiv MZSG, Doc-34, Präsentation Mitarbeiterveranstaltung, S. 19. 770 Vgl. Archiv MZSG, Doc-40, Protokoll P07-Workshop 3, S. 13. Damals wurde die Modulverantwortung noch mit „Management Solution Assignments“ bezeichnet. 771 Vgl. Kapitel 4.3.3.3 (Durchführung der Beurteilung der Organisationsvarianten).

254 Praxisfall einer Transformation der MPA

bestehenden Systemen wurde im zweiten Halbjahr 2007 ein Dokumentenmanagement-system eingeführt, welches dem Verwalten und schnellen Finden von Dokumenten dient. Führungsrelevante Daten der genannten Systeme dienen als Input für den Operations Room, welcher gleichermassen physischer Entscheidungsraum und technisches Management-informationssystem ist.772

Im ersten Quartal 2007 mussten die bestehenden Systeme auf die neue Unternehmens-struktur hin angepasst werden.773 Zu diesen Anpassungen gehörten u.a. die Einführung der CRA-Logik in den Kontaktmanagementsystemen (Information Manager und MZ Address), die Neuzuteilung von Mitarbeitern im MZ PIS, Berechtigungsgruppen und Email-Verteilern sowie die Neugestaltung des Kostenstellenplans. Alte Denk- und Handlungsweisen sind in IT-Systemen manifest. Umso wichtiger ist, dass man entsprechende Systemanpassungen möglichst zeitnah durchführt und die Mitarbeiter in ihrer Arbeit in der neuen Unter-nehmensstruktur damit bestmöglich unterstützt.

Instrumentelle Koordinations- und Unterstützungsmechanismen sind aber weit mehr als nur IT-Systeme. Wichtige Instrumente sind, wie nachstehend auszuführen ist, der „Customer Value Generator“ sowie die Zielfelder der Selbststeuerungslogik und das neue Honorierungsmodell.

4.3.5.2.2 Customer Value Generator

In Workshop 6c wurde, aufbauend auf den zwei Dimensionen Kundentyp und Themen der MCE-Konfigurationsmethodik774, die Idee des Customer Value Generators diskutiert.775 Diese Idee wurde in Workshop 7 konkretisiert, und im Rahmen der Führungskräfte-veranstaltung vom 09.01.2007 wandte jedes CVC für sich den Customer Value Generator in einer Gruppenarbeit an. Der Customer Value Generator dient als Instrument, um die „Wants“ und „Needs“ der Kunden mit den Malik Management Solutions in Über-einstimmung zu bringen und dadurch Kundennutzen zu stiften. Resultat aus der Anwendung des Customer Value Generator sind einerseits Kundenbearbeitungspläne für die CVC sowie CVC-übergreifend Hinweise für die Etablierung von Expert Groups. 776

772 Vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 181 und 268 ff. sowie Hetzler, Entscheidungsumfelder, 2008, S. 276 ff. 773 Vgl. Archiv MZSG, Doc-58, P07-Gesamtpendenzenliste (Stand 02.04.2007). 774 Vgl. Archiv MZSG, Doc-23, MCE-Konfigurationsmethodik. 775 Vgl. Archiv MZSG, Doc-27, Protokoll P06-Workshop 6c, S.12. Der Customer Value Generator wurde damals noch Kundennutzen-Matrix genannt. 776 Vgl. Archiv MZSG, Doc-29, Protokoll P06-Workshop 7, S. 2 sowie Archiv MZSG, Doc-31, Präsentation Führungskräfteveranstaltung, S. 19 ff.

Praxisfall einer Transformation der MPA 255

Der Customer Value Generator ist eine Matrix, bei der horizontal vom malik management system® abgeleitete Management Solutions und vertikal verschiedene Kundentypen festgehalten sind. Hinsichtlich der Kundentypen wird nicht mehr wie früher mit den damaligen Client Groups primär nach Branchen gegliedert. Das „Denken in Branchen“ kann zu einer doppelten Fehlüberlegung verleiten. Erstens könnte man meinen, dass ein Unter-nehmen einer Branche zugeordnet werden kann. Viele Unternehmen wie z.B. die Siemens AG oder die Porsche AG sind aber in mehreren Branchen tätig. Zweitens könnte man denken, dass je nach Branche ein anderes Management benötigt würde. Richtiges und gutes Management ist jedoch kultur-, landes- und auch branchenunabhängig.777 Bei Kundentypen sind z.B. Aspekte wie Gross- vs. Kleinunternehmen, Familienunternehmen vs. börsen-kotiertes Unternehmen etc. mindestens ebenso bedeutsam wie die Branchenzugehörigkeit.

4.3.5.2.3 Logik und Zielfelder der Selbststeuerung

Damit Unternehmensziele erreicht werden, müssen diese auf Unternehmensbereiche, Geschäftseinheiten und einzelne Personen heruntergebrochen werden. Ein in sich stimmiges Zielsystem ist eine „Vorweg-Koordination“ der Zielerreichung und somit ein wichtiger Koordinationsmechanismus. Wichtigster Grundsatz der Selbststeuerungslogik ist die, von Fredmund Malik in das Aktionsforschungsprojekt eingebrachte, Maxime „unity in the essentials, freedom in action and in all trust“. 778 Dieses Prinzip soll grösstmögliche Selbstorganisation und wirksame Selbstkontrolle hervorrufen. Sowohl die Selbstkontrolle als auch die Beurteilung durch den Vorgesetzten orientiert sich an den vereinbarten Jahreszielen. Diese werden bezüglich verschiedener Zielfelder festgelegt.

Hinsichtlich der Zielfelder unterschied das Projektteam grundsätzlich zwischen Zielfeldern auf Ebene der Gruppe, auf Ebene der Unternehmensbereiche, auf Ebene der Customer Value Center (Geschäftseinheiten) und auf Ebene der direkt-produktiven Arbeit (Kundengewinnung/-pflege und Projektabwicklung). Für die Mitarbeiter der Qualifikations-stufen von Junior Consultant/Educator bis und mit Project Manager lauten die wesentlichen Zielfelder Projektarbeit, ergänzt um Beiträge ans Ganze und persönliche Entwicklungsziele.Associate Partner und Partner haben neben den Zielfeldern auf Ebene der direkt-produktiven Arbeit (Projektgewinnungsvolumen und Projektabwicklungsvolumen) Ziele in den Zielfeldern auf Ebene Gruppe und Unternehmensbereich (gemäss ihren Assignments) sowie auf Ebene der CVC. Die Ebene der CVC wurde nochmals in marktbezogene

777 Vgl. hierzu 2.2.3 (Richtiges und gutes Management). 778 Vgl. Archiv MZSG, Doc-44, Mitteilung an Führungskräfte „P07-Neuigkeiten 1“, S. 2 sowie Archiv MZSG, Doc-45, Mitteilung an alle „P07-Neuigkeiten II“, S. 2.

256 Praxisfall einer Transformation der MPA

Zielfelder (Markstellungsziele und Innovationsziele), produktivitätsbezogene Zielfelder (Managementerfolgsrechnungsziele, Produktivitätsziele) und entwicklungsbezogene Ziel-felder (Mitarbeiterentwicklung und CVC-Multiplikation) unterteilt.779

Eine Führungskraft erhält somit Ziele in verschiedenen Zielfeldern. Auf eine Gewichtung der Zielfelder wird bewusst verzichtet. Ebenso auf irgendeine Arithmetik zur mathematischen Herleitung von Zielerreichung und Bonusanspruch. Vielmehr geht es im Rahmen der Leistungsbeurteilung um ein Balancieren der Leistungen in den jeweiligen Zielfeldern unter Würdigung der relevanten Umstände. Dies geschieht durch mehrere Personen und mit entsprechenden „Checks & Balances“.780 Da die Erreichung einer Reihe von Zielen nicht quantitativ messbar ist (jedoch beurteilbar), handelt es sich bei der Leistungsbeurteilung um eine subjektive Einschätzung. Eine subjektive Einschätzung nach obigem Vorgehen ist indessen alles andere als eine willkürliche Einschätzung.

4.3.5.2.4 Honorierungsmodell

Aufbauend auf den neuen Zielfeldern der Selbststeuerungslogik sowie der neuen Unternehmensstruktur und -funktionsweise wurde auch das Honorierungsmodell für die Qualifikationsstufen Associate Partner und Partner neu gestaltet.

Die Grundlogik wurde bereits im Rahmen der MCE-Führungskräfteveranstaltung vom 12.03.2007 vorgestellt. 781 Die genaue Spezifizierung inkl. Modellrechnungen wurde im Verlaufe des Jahres 2007 durchgeführt. In der Verwaltungsratssitzung vom 17.03.2008 wurde das neue Honorierungsmodell verabschiedet und am 18.03.2008 dessen Eckpfeiler der gesamten Belegschaft kommuniziert.782

Jeder Associate Partner bekommt ein Grundgehalt sowie einen kollektiven und einen individuellen Bonus. Das Grundgehalt richtet sich wie bisher nach personenbezogenen Kriterien (Ausbildung, Erfahrung etc.) und stellenbezogenen Kriterien (Verantwortung für Aufgaben, für Aufwand/Ertrag, für Personen etc.). Zum Grundgehalt kommt wie bisher ein individueller und neu auch ein kollektiver Bonus. Der kollektive Bonus richtet sich nach dem Gesamtergebnis des Unternehmens und stärkt somit die unternehmerische Gesamtsicht („One Firm“-Denken und -Handeln). Der individuelle Bonus wird für die individuell

779 Vgl. Archiv MZSG, Doc-39, Protokoll P07-Workshop 2, S. 6 sowie Archiv MZSG, Doc-48, Protokoll P07-Workshop 6, S. 4. 780 Vgl. Archiv MZSG, Doc-51, Protokoll MCE-Führungskräfteveranstaltung, S. 4 und 7 ff. 781 Vgl. Archiv MZSG, Doc-51, Protokoll MCE-Führungskräfteveranstaltung, S. 9 f. 782 Vgl. Archiv MZSG, Doc-85, Mitteilung an alle „Honorierungsmodell“.

Praxisfall einer Transformation der MPA 257

erreichten Ziele gemäss den Zielfeldern der Selbststeuerungslogik bezahlt. Somit werden nicht (wie mit dem bisherigen individuellen Bonus) primär operative Beiträge honoriert, sondern es werden auch vermehrt strategische Beiträge, d.h. neben gegenwartsorientierten Leistungen auch Leistungen zur Zukunftsentwicklung des Unternehmens, berücksichtigt. Während bisher insbesondere für das erzielte finanzielle Ergebnis bonifiziert wurde, wird neu aus dem finanziellen Ergebnis des Gesamtunternehmens für die Zielerreichung gemäss Selbststeuerungslogik bonifiziert. Zudem orientiert sich das neue Honorierungsmodell gesamthaft weiterhin an marktgerechten Einkommen.783

Mit den dargelegten Grundsätzen erfüllt die Gesamtentlohnung (fix und variabel) pro (Associate) Partner die Anforderungen der Unternehmenserfolgsgerechtigkeit (da der individuelle und der kollektive Bonus aus dem Gesamtunternehmenserfolg bezahlt werden), der Leistungsgerechtigkeit und der Personalmarktgerechtigkeit.784 Die operative Leitung der Gruppe beurteilt jährlich für alle Associate Partner und Partner deren Leistung (auf Basis von unterjährigen Leistungsbeurteilungen) und stellt einen entsprechenden Bonusantrag an den Verwaltungsrat. Beim Verwaltungsrat liegt die finale Entscheidung hinsichtlich der Bonusauszahlungen.785

4.3.5.3 Funktionelle Koordinations- und Unterstützungsmechanismen

4.3.5.3.1 Policy-Rules

Einen wichtigen Koordinations- und Unterstützungsmechanismus stellen Policy-Rules (Policies) dar. Sie enthalten Richtlinien für die Geschäftstätigkeit. Im Rahmen der Unternehmenspolitik festgelegte Policies sind wesentliche Master Controls und ermöglichen Selbstgestaltung, Selbstlenkung und Selbstentwicklung.786 Policies sind kurz gefasst (eine bis einige wenige Seiten) und haben sich im Spannungsfeld zwischen Unverbindlichkeit und Überregulierung zu balancieren.787

Im Rahmen der Transformation der Management-Prozess-Architektur wurde die Über-arbeitung bestehender resp. die Schaffung neuer Policies notwendig. Die Policies wurden zumeist von Fredmund Malik initiiert. Die Formulierung erfolgte fallweise unter Beizug

783 Vgl. Archiv MZSG, Doc-85, Mitteilung an alle „Honorierungsmodell“. 784 Vgl. Hilb, Human-Ressourcen, 2000, S. 230 bzgl. des erwähnten Dreiecks der Verteilungsgerechtigkeit (Unternehmenserfolgs, Leistungs- und Personalmarktgerechtigkeit). 785 Vgl. Archiv MZSG, Doc-51, Protokoll MCE-Führungskräfteveranstaltung, S. 9 f. 786 Zu den Begriffen Policies und Master Controls vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 56 f. und 94 ff. 787 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 105 ff.

258 Praxisfall einer Transformation der MPA

von Führungs- und Fachkräften. Die Verabschiedung resp. In-Kraftsetzung erfolgte jeweils durch den Verwaltungsrat (System 5). Für die Umsetzung resp. Durchsetzung war der operative Chef, Peter Stadelmann, verantwortlich (System 3). Die Wirkung von Policies ist orientierend, Leitplanken setzend und koordinierend (System 2).

Im Gegensatz zum Leitbild, welches die Unternehmenspolitik mit Bezug auf das „Ganze“ beschreibt, beziehen sich Policy-Rules auf Teil-Politiken zu bestimmten Themen. Diese Policy-Rules können einen Fokus auf die Umwelt, auf die Unternehmung und auf das Management haben.

Im Rahmen der P07-Projektphase wurden verschiedene Policy-Grundsätze erarbeitet. Die finale schriftliche Fixierung und flächendeckende Kommunikation der Policy-Rules erfolgte dann fast ausschliesslich in der Nachphase. Entsprechend werden die wichtigsten Policy-Rules als Aktionsforschungsergebnisse der Nachphase in Kapitel 4.4.1 kurz vorgestellt.

4.3.5.3.2 Interne Verrechnungspreise und Standardisierung

Ein weiterer funktioneller Koordinationsmechanismus sind interne Verrechnungspreise. Je besser die Grundstrukturierung des Unternehmens ist, desto unproblematischer ist dieses Thema. Dies einerseits deshalb, weil unnötige Schnittstellen eliminiert sind und anderseits, weil die notwendigen Nahstellen über entsprechende Regelungen definiert und wirksam gemacht werden können.788 Wo immer möglich, sollten interne Verrechnungspreise und entsprechende Administrationsaufwände vermieden werden und die Probleme z.B. durch Selbstabstimmung dezentral und situativ gelöst werden.

Interne Verrechnungspreise sind nur dort sinnvoll, wo Koordination über Standardisierung erfolgen kann. Interne Verrechnungspreise stehen immer für eine erwartete Leistung. Für eine gute Koordinationswirkung sind somit Leistungs-Standards festzulegen. Am einfachsten war dies im Praxisfall bei MFI, da sich dort die Leistungs-Standards auf definierte Produkte beziehen (Standardisierung von Arbeitsergebnissen). 789 Bei MCB beziehen sich die Standards auf Management Solutions (Standardisierung von Arbeits-

788 Schulte-Zurhausen spricht in diesem Zusammenhang von indirekten Koordinationsmassnahmen durch Reduktion des Koordinationsaufwands infolge Aufhebung der Interpendenzen und von direkten Koordinationsmassnahmen durch Deckung des Koordinationsbedarfes infolge Berücksichtigung der Interpendenzen. Vgl. Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 228. 789 Eine wichtige Funktion kommt in diesem Zusammenhang der produktbezogenen MFI-Leistungspalette zu. Vgl. Archiv MZSG, Doc-87, Mitteilung an alle „Unterstützung bei Umsetzung APF-Policy“.

Praxisfall einer Transformation der MPA 259

prozessen)790 und bei MCE auf Qualifikations- und damit verbundene Kompetenzstufen von Mitarbeitern (Standardisierung von Rollen)791.792

4.3.5.3.3 Informations- und Kommunikationsanlässe

Neben den schriftlichen Policy Rules und den internen Verrechnungspreisen kommen den verschiedenen Informations- und Kommunikationsanlässen für Führungskräfte und Mitarbeiter eine wichtige koordinierende Funktion zuteil.

Solche Anlässe können formeller oder informeller Natur sein. Formeller Natur sind z.B. die Gesamtpartnersitzung (Austausch unter Führungskräften), Aus- und Weiterbildungs-veranstaltungen (themenspezifischer Austausch) oder der MCE-Projektlunch (Austausch über Projekterfahrungen).

Als Beispiele für informellen Austausch können z.B. der Malik MZSG-Skitag (informeller Austausch über alle Unternehmensbereiche und Funktionsstufen hinweg) oder aber Gespräche in Kaffee- und Mittagspausen genannt werden. Selbstverständlich ist zudem am Rande von Anlässen formeller Natur auch ausreichend Platz für informellen Austausch.

4.3.5.3.4 Real-time Informationen über das System selbst

Periodische Anlässe, wie z.B. die Gesamtpartnersitzung oder Aus- und Weiterbildungs-veranstaltungen, reichen aber nicht aus, um das System genügend mit Informationen über sich selbst auszustatten. Letzteres ist jedoch notwendig, um Selbstlenkung zu ermöglichen. Oder wie es BEER formulierte: "the degree of control ... is proportional to the ... amount of effective information available to the system."793

Wichtig sind z.B. „News-Einträge“ im Intranet und/oder „Emails an alle“ zu „Neuigkeiten des Tages“ resp. unterschiedlichsten Themen des Unternehmens (z.B. Kundenfeedbacks, organisatorische und personelle Änderungen). Solche Mitteilungen müssen möglichst zeitnah in die Organisation „eingespeist“ werden. Statt um statische Quartalsberichte, die

790 Eine wichtige Funktion kommt in diesem Zusammenhang der lösungsprozessbezogenen MCB-Leistungspalette zu. Vgl. Archiv MZSG, Doc-87, Mitteilung an alle „Unterstützung bei Umsetzung APF-Policy“. 791 Eine wichtige Funktion kommt in diesem Zusammenhang der Policy zur Entwicklung von Mitarbeitern zu. Vgl. Archiv MZSG, Doc-75, Entwicklungsstufen-Policy für operativen Bereich sowie Archiv MZSG, Doc-91, Entwicklungsstufen-Policy für nicht-operativen Bereich. 792 Zur Standardisierung von Arbeitsprozessen, -ergebnissen und Rollen vgl. Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 234 ff. 793 Beer, Decision, 1966, S. 357.

260 Praxisfall einer Transformation der MPA

im Zeitpunkt der Publikation bereits veraltet sind, geht es also viel mehr um zeitnahe Tagesmeldungen.

4.3.6 Etablierung Metasystem und Projektabschluss

Die Kapitel 4.3.2 - 4.3.4 fokussierten in der Sprache des Viable System Model insbesondere auf die 1er-Systeme, also die eigentliche, am Kunden ausgerichtete Geschäftstätigkeit. Ergänzend dazu wurde in Kapitel 4.3.5 das Augenmerk auf neue Ausprägungen des Systems 2 gelegt. Die koordinierende und unterstützende Wirkung von System 2 gründet in metasystemischen Festlegungen. Bestandteile eines funktionierenden Metasystems sind die Systeme 3 - 5. Nachfolgend werden wichtige Punkte der Neugestaltung des Metasystems herausgearbeitet.

4.3.6.1 Metasystem ad rem

4.3.6.1.1 Rekursionsebenen-Betrachtung

Die Aushandlung von Zielen und Ressourcen ist wesentlicher Bestandteil der Interaktion des Metasystems mit seinen 1er-Systemen. Darauf aufbauend war im Rahmen des Aktionsforschungsprojekts die Frage zu beantworten, wer mit wem solche Aushandlungen zu führen hat. Systemisch betrachtet hat das Metasystem auf Gruppenebene dies für die einzelnen Unternehmensbereiche und diese haben es wiederum für die einzelnen Business Units resp. CVCs zu tun. Somit gäbe es eine Gesamtleitung, eine Unternehmensbereichs-leitung und eine Business Unit- resp. CVC-Leitung.

Für die Unternehmensbereiche MFI, MMI, MSP und MCB wurde eine personell zu besetzende Leitung etabliert, welche auch auf Gruppenebene Beiträge zu System 3 leistet. Um den Kunden und das Kerngeschäft möglichst nahe am Metasystem der Unternehmes-gruppe zu haben, wurde entschieden, dass bei MCE nicht eine personell besetzte MCE-Leitung bestehen solle, sondern direkt die einzelnen CVCs mit dem System 3 der Gruppe Ressourcen und Ziele aushandeln. Somit haben die verantwortlichen Personen auf Ebene Metasystem der Gruppe de facto auch die Aufgaben des MCE-Metasystem zu erfüllen. Dies führt dazu, dass die CVCs viel näher an der Gruppe sind. Im Gegenzug ist jedoch darauf zu achten, dass die für System 3 verantwortlichen Organe, Gremien und Personen ihren Aufgabenkatalog nicht zu MCE-lastig gestalten. 794 Ergänzend zur Lenkung von CVCs

794 Vgl. Archiv MZSG, Doc-52, Protokoll P07-Workshop 7, S. 4.

Praxisfall einer Transformation der MPA 261

durch übergeordnete Organe wurden für MCE Querschnittsfunktionen etabliert, welche von jeweils einer Person aus einem CVC für alle CVCs erbracht werden.795

Die Lösung bei MCE ist ein schönes Beispiel dafür, dass systemische Funktionen und damit zusammenhängende funktionell-logische Hierarchien (1er-System und Metasystem) nicht das gleiche sind wie personell-organisatorische Hierarchien.

4.3.6.1.2 Organe und Gremien auf Gruppenebene

Die Viable System-Logik ist eine funktionelle Logik, nach der potenziell jeder im Unternehmen zu den metasystemischen Funktionen beitragen kann – im Minimum in Form von Informationen resp. Argumenten. Um eine Verantwortungsdiffusion zu vermeiden, darf aber daraus nicht abgeleitet werden, dass jeder auch die metasystemischen Funktionen verantwortet. Um klare Verantwortlichkeiten zu haben, empfiehlt es sich, für System 5, System 4 und System 3 je ein hauptverantwortliches Organ zu bestimmen. Im Gegensatz zu Gremien sind Organe immer dauerhaft und haben Entscheidungsbefugnis.796

Während der bisherige Verwaltungsrat als Organ von System 5 feststand, bildete das Projektteam mit Bezug auf System 4 ein Organ namens S4-Ausschuss und für System 3 ein Organ namens S3-Ausschuss. Der S4-Ausschuss (S4-A) hat die Gesamtunternehmens-entwicklung, die Weiterentwicklung von P07, die Entwicklung von Schlüsselinnovationen sowie die Leitung von S4-Issues/-Projekten, welche auch mit Personen ausserhalb des S4-Ausschusses besetzt werden sollen, zu verantworten. Der S3-Ausschuss (S3-A) verantwortet die operative Funktionsfähigkeit des Gesamtunternehmens, die Um- und Durchsetzung von P07-Konzepten und -Policies in allen Unternehmensbereichen und Unterstützungsfunktionen sowie die Leitung von S3-Issues/-Projekten.797

Ergänzend zu diesen drei Organen wurden drei Gremien gebildet. Gremien sind nicht zwingend von Dauer und haben keine metasystemische Entscheidungsbefugnis, sondern ein Vorschlagsrecht und eine Vorschlagspflicht gegenüber den Organen. Das Business Unit Committee (BUC) umfasst die Sprecher/Leiter der Business Units. 798 Dieses Gremium sichert die Stärkung unternehmerischer Anliegen, stellt den Kundenfokus sicher und definiert Anforderungen an die dazu notwendigen Führungsmittel sowie Koordinations- und

795 Vgl. Archiv MZSG, Doc-30, Drehbuch Info-Veranstaltungen, S. 2. 796 Vgl. Archiv MZSG, Doc-51, Protokoll MCE-Führungskräfteveranstaltung, S. 11. 797 Vgl. Archiv MZSG, Doc-51, Protokoll MCE-Führungskräfteveranstaltung, S. 11. 798 Bei den Customer Value Center ist jeweils eine Person der „Doppelspitze“ Sprecher der CVC. Diese Sprecher-Funktion kann über die Jahre hinweg rollierend gewechselt werden.

262 Praxisfall einer Transformation der MPA

Unterstützungsmechanismen. Das Corporate Division Committee (CDC) umfasst die Leiter der Unternehmensbereiche und hat die Verbundeffekte zwischen den Corporate Divisions (Unternehmensbereichen) sicher zu stellen im Sinne eines Nahtstellenmanagements sowie strategische Initiativen gruppenweit zu koordinieren.799

Das dritte Gremium ist die Gruppenleitung. Sie umfasst alle Mitglieder von S4-A, S3-A, CDC und BUC. Dieses Gremium verantwortet Meinungsbildung, Entscheidungs-vorbereitung und Informationsaustausch im Gesamtunternehmen. Es kann zudem als Pool für die Besetzung von Organen, Gremien und Arbeitsgruppen verstanden werden.800

Die zwei nachfolgenden Abbildungen verdeutlichen das Metasystem. Abbildung 34 zeigt das Metasystem im Kontext des Malik MZSG als Viable System Model. Abbildung 35 fokussiert auf Organe und Gremien des Metasystems sowie auf Unterstützungseinheiten.

Abbildung 34: Das Malik MZSG als Viable System Model801

799 Vgl. Archiv MZSG, Doc-51, Protokoll MCE-Führungskräfteveranstaltung, S. 11. 800 Vgl. Archiv MZSG, Doc-51, Protokoll MCE-Führungskräfteveranstaltung, S. 11. 801 Vgl. Archiv MZSG, Doc-54, VR-Beschluss Metasystem, S. 2. Nachträglich ergänzt um MCB als fünften Unternehmensbereich.

VR5

4

3

2

1a

1b

1d

1e

MCE5 4 3Mgmt-functions

3*

MSP5 4 3

MMI5 4 3

S4-A

S3-A

MFI5 4 3

1c MCB5 4 3

Unterstützungs-einheiten

Praxisfall einer Transformation der MPA 263

Abbildung 35: Metasystem und Unterstützungseinheiten des Malik MZSG802

4.3.6.2 Metasystem ad personam

Hinsichtlich der Besetzung der Organe und Gremien beschloss das Projektteam, dass nur interne Personen (keine Rekrutierung von aussen) für den Einsitz in Organen und Gremien in Frage kommen. Dies primär aufgrund der Notwendigkeit profunder Kenntnisse der Organisation und des Geschäfts sowie der Tatsache, dass ausreichend Personen mit entsprechender Qualifizierung bereits beim Malik MZSG angestellt waren und diesen dadurch weitere Entwicklungsschritte geboten werden konnten. Bei der personellen Besetzung war ein am Gesamtinteresse des Unternehmens ausgerichtetes „Matching“ zu erzielen zwischen Schlüsselpersonen (heutige und zukünftige Führungs- und Fachkräfte mit Schlüsselfunktionen) und den gemäss dem „ad rem“-Metasystem zu besetzenden Funktionen.

Die personelle Besetzung des Verwaltungsrats blieb unverändert. Alle übrigen früheren Organe wurden aufgelöst resp. teilweise in die neuen Organe überführt. Der S4-Ausschuss wurde eins zu eins aus den Mitgliedern des P07-Projektteams (Fredmund Malik (Vorsitz), Walter Krieg, Peter Stadelmann, Martin Pfiffner, Marius Klauser) gebildet. 803 Diese 802 Vgl. Archiv MZSG, Doc-54, VR-Beschluss Metasystem, S. 3. 803 Vgl. Archiv MZSG, Doc-46, Protokoll P07-Workshop 5, S. 10.

VRMAV S5

5 Big One‘s, Leitbild, R Z&F, …

CIS

S4-Issues /Projekte

S3-Issues /Projekte

GPS

CIC

HR

FA

Weitere Functions LS, OM, …

Policies

Policies

5

4

3

2

Legende:OrganeVR VerwaltungsratS4-A-GRL

S4-Ausschuss der Gruppenleitung

S3-A-GRL

S3-Ausschuss der Gruppenleitung

GremienMAV S5

Mitarbeitervertretung S5

GRL GruppenleitungCDC Corp. Divisions

CommitteeBUC Business Units

CommttteeUnterstützungseinheitenCIC Customer Informa-

tion&CommunicationCIS Controlling &

Information SystemsFA Finance&AccountingHR Human ResourcesLS Legal ServicesOM Office ManagementWeitere AbkürzungenRZ&F

Regeln für Zusam-menarbeit&Führung

H4 Head S4-A-GRLH3 Head S3-A-GRLGPS Gesamtpartner-

sitzung(S)2-5 Systeme 2-5

GRLH4

H3

S4-A-GRL

S3-A-GRL

BU

C

CD

C

264 Praxisfall einer Transformation der MPA

personelle Besetzung sollte sicherstellen, dass aus dem S4-Ausschuss mit den notwendigen Vorkenntnissen die Weiterentwicklung des Unternehmens und der neuen Struktur strategiekonform erfolgen kann. Im S3-Ausschuss wurde der bisherige operative Chef, Peter Stadelmann, als Vorsitzender festgelegt. Ergänzt wurde das S3-A-Team durch drei weitere Personen aus MCE (Henning Böhne, Stefan Baldenweg, Thomas Pöck), welche je unterschiedliche Erfahrungshintergründe und Stärken ins Team einbringen.804

Die Führungspositionen in den CVCs waren bereits per 09.01.2008 besetzt. Die CVCs berichten direkt an den Vorsitzenden des S3-Ausschusses, Peter Stadelmann. Die Leitung von MFI wurde interimistisch dem Verwaltungsratsmitglied Elisabeth Roth zugeteilt. In der Nachphase des Transformationsprojekts wurde die Leitung von MFI dem bisherigen Geschäftsführer von EML, Ruedy Baarfuss, übertragen. 805 Ebenfalls in der Nachphase wurde die CVC8 (unter der Leitung von Karl-Heinz Oeller) als MCB zu einem Unternehmensbereich aufgewertet. 806 Die Führung der Unternehmensbereiche MMI und MSP wurde durch die Vergabe von Assignments an zwei Schlüsselpersonen aus MCE, Thomas Pöck und Wolfgang Astecker, sichergestellt.807 Das ist ein weiteres Beispiel für die unter 2.1.5.2 erwähnte Multifunktionalität. Diese bringt es mit sich, dass beim Malik MZSG auch obere Führungskräfte immer noch zusätzlich zur Führungsfunktion in Kundenarbeit involviert sind. Damit ist der Kunden- und Realitätsbezug des Managements gesichert.

In der Nachphase zum Transformationsprojekt wurde im Zuge der Bildung von MCB als fünfter Unternehmensbereich Ende April 2008 der S3-Ausschuss personell erweitert. Der bis dahin aus Peter Stadelmann (Vorsitz), Stefan Baldenweg (MCE), Henning Böhne (MCE) und Thomas Pöck (MCE/MMI) bestehende S3-Ausschuss wurde erweitert um Wolfgang Astecker (MSP), Ruedy Baarfuss (MFI) und Karl-Heinz Oeller (MCB). Damit wurde die Gefahr der MCE-Lastigkeit des S3-Ausschusses behoben und Vertretern aller Unternehmensbereiche im neuen S3-Ausschuss Einsitz gewährt, d.h. das „One Firm“-Konzept noch konsequenter umgesetzt.808,809 Das Corporate Division Committee ging somit im S3-Ausschuss auf. Das Business Unit Committee wurde in der Praxis im Wesentlichen als „CVC-Pilotentreffen" genutzt, wodurch es ein wirksames MCE-Gremium wurde.

804 Vgl. Archiv MZSG, Doc-56, Protokoll P07-Gesamtpartnersitzung, S. 5. 805 Vgl. Archiv MZSG, Doc-69, Mitteilung an alle „Leitung MFI an Baarfuss“. 806 Vgl. Archiv MZSG, Doc-71, Mitteilung an alle „Leitung MCB an Oeller“. 807 Vgl. Archiv MZSG, Doc-86, Aktuelle Besetzung P07/Metasystem, S. 8. 808 Vgl. Archiv MZSG, Doc-89, Mitteilung an alle „Erweiterung S3-Ausschuss I“ sowie Archiv MZSG, Doc-90, Mitteilung an alle „Erweiterung S3-Ausschuss II“. 809 Der Einbezug der Unternehmensbereichsleiter in die übergeordnete Lenkungseinheit entspricht dem Verschach-telungsprinzip, wonach ausgewählte Mitglieder der nachgelagerten Rekursionsebene jeweils in der Lenkungseinheit der übergeordneten Rekursionsebene vertreten sein sollten. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 55 ff.

Praxisfall einer Transformation der MPA 265

Die Besetzung des Verwaltungsrats (S5), des S4-Ausschusses und des S3-Ausschusses weist bewusst personelle Überlappungen auf. So sind Fredmund Malik und Walter Krieg gleichzeitig im Verwaltungsrat und S4-Ausschuss, und Peter Stadelmann ist gleichzeitig im S4-Ausschuss und im S3-Ausschuss. Diese personellen Überlappungen sichern eine wirksame informationelle Abstimmung der drei Organe.

4.3.6.3 Projektabschluss

Die In-Kraftsetzung der so besetzten Organe und Gremien des Metasystems bildete gleichzeitig den Abschluss des Transformationsprojekts. Zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Detaillierungs- oder Anpassungsaufgaben fielen ab dann in den Aufgaben-bereich und die Verantwortung der neuen Organe und Gremien.

Der Vorschlag des Projektteams für die Gestaltung und Besetzung der Organe und Gremien wurde am 12.03.2007 den Führungskräften erstmals präsentiert. Dieser Vorschlag wurde vom Verwaltungsrat ohne Änderungen am 19.03.2007 beschlossen und am 22.03.2007 an das gesamte Unternehmen kommuniziert.810

Im gleichen Informations-Email wurde auch darüber informiert, dass das Transformations-projekt somit abgeschlossen sei. Verbleibende Detaillierungen seien als schrittweise Verbesserung der neuen Struktur über die kommenden Monate durchzuführen. Dies habe primär aufgrund der Selbststeuerungslogik in den Business Units resp. Corporate Divisions und subsidiär durch entsprechende Unterstützung aus den Systemen 2 - 5 zu erfolgen.811

Für die Führungskräfte wurde am 23. und 25.03.2007 eine abschliessende Veranstaltung durchgeführt, um nochmals im Detail zu informieren und offene Fragen zu klären.812 Diese doppelt durchgeführte Veranstaltung wurde jeweils mit einem gemeinsamen Abendessen abgerundet. Damit wurde ein bewusster Schlusspunkt unter das Transformationsprojekt gesetzt.813

810 Vgl. Archiv MZSG, Doc-53, Mitteilung an alle „P07-Beschlüsse und Projektabschluss“ sowie Archiv MZSG, Doc-54, VR-Beschluss zu Metasystem. 811 Vgl. Archiv MZSG, Doc-53, Mitteilung an alle „P07-Beschlüsse und Projektabschluss“ sowie Archiv MZSG, Doc-55, VR-Beschluss zu Projektabschluss. 812 Vgl. Archiv MZSG, Doc-56, Protokoll P07-Gesamtpartnersitzung. 813 Zwar lässt sich in einem Aktionsforschungsprojekt nie ein klares Ende ausmachen, weil immer wieder Reflexion und Aktion anschliessen. Es gibt jedoch den Moment, wo man metaphorisch einen Schritt zurück machen kann und feststellt, dass die „grossen Brocken“ erfolgreich erledigt wurden. In so einer Situation kommt nach Stringer dem Feiern des Erreichten – das hier anlässlich des Abendessens statt fand – eine wichtige Bedeutung zu. Vgl. Stringer, Action Research, 1996, S. 140.

266 Praxisfall einer Transformation der MPA

Während der gesamten zweiten Projektphase vom 09.01.2007 - 02.04.2007 wurde eine Gesamtpendenzenliste zur Dokumentation und Verfolgung von offenen Massnahmen (Pendenzen) geführt. Diese Liste umfasste 142 Umsetzungsmassnahmen. Von diesen 142 Umsetzungsmassnahmen waren per 02.04.2007 bereits 85 vollständig erledigt. 50 weitere waren in Bearbeitung, 3 zurückgestellt und 4 noch nicht gestartet.814

In einem letzten Projektteam-Workshop am 02.04.2007 lag das Hauptaugenmerk auf der ordnungsgemässen Übergabe der Restmassnahmen der Gesamtpendenzenliste an die neuen Organe und Gremien. 815 Das Gesamtmassnahmencontrolling wurde Roman Franke übertragen.816 Roman Franke war in der P07-Projektphase als Assistent zur Protokollierung der Workshops sowie zur Führung der Gesamtpendenzenliste zum Projektteam hinzugestossen und war Assistent des Vorsitzenden des S3-Ausschusses, Peter Stadelmann. Für ein periodisches „Transformation Controlling“ und das Ableiten allfälliger grösserer Massnahmen der Unternehmensentwicklung war per sofort der neue S4-Ausschuss verantwortlich.

4.3.6.4 Bisheriger Umsetzungsstand der CVC-Struktur

Wichtiger Input für die weitere Perfektionierung der neuen Struktur war eine Umfrage bei den CVC-Piloten hinsichtlich des Umsetzungsstatus‘ der neuen Struktur. Dabei wurde in Erfahrung gebracht, a) wie gut das Geschäft im eigenen CVC und in der zugeteilten CRA läuft, b) wie für das eigene CVC der Umsetzungsstand hinsichtlich der vier Quadranten des Integrated Management Model beurteilt wird sowie c) inwieweit im eigenen CVC die „Five Big Ones“ des Malik MZSG (One Mission, One Concept, One Brand, One Firm, One Spirit) schon erfüllt werden.817

Fazit der Umfrage war, a) dass das Geschäft gut bis teilweise sehr gut lief, b) dass Handlungsbedarf insbesondere bezüglich „Controlling und operativen Steuerungssystemen" sowie bezüglich der „Führungskräfte- und Mitarbeiterentwicklung“ bestand und c) dass One Mission, One Brand und One Spirit bereits gut bis sehr gut umgesetzt waren, während bei

814 Vgl. Archiv MZSG, Doc-36, P07-Gesamtpendenzenliste (Stand 15.01.2007) sowie Archiv MZSG, Doc-58, P07-Gesamtpendenzenliste (Stand 02.04.2007). 815 Vgl. Archiv MZSG, Doc-57, Protokoll P07-Workshop 8, S. 3 sowie Archiv MZSG, Doc-60, Mitteilung an alle „P07-Neuigkeiten IV“. 816 Vgl. Archiv MZSG, Doc-60, Mitteilung an alle „P07-Neuigkeiten IV“. 817 Vgl. Archiv MZSG, Doc-49, Fragebogen Umsetzungsstatus.

Praxisfall einer Transformation der MPA 267

One Concept und One Firm eine mehrheitlich gute Umsetzung, aber noch Verbesserungs-möglichkeiten attestiert wurden.818

Des Weiteren wurden in der Umfrage die Fragen gestellt, a) was besonders gut laufen würde, b) wo Unterstützung durch MCE notwendig wäre und c) wo Unterstützung durch die Gruppe notwendig wäre. Hinsichtlich der Punkte, die gut laufen, wurde insbesondere die Bearbeitung der CRA und Verbreiterung der Kundenbasis sowie die verbesserte interne Zusammenarbeit genannt. Unterstützung von MCE wurde insbesondere bezüglich der CVC-übergreifenden Projektbesetzung als notwendig erachtet. Von der Unternehmensgruppe wurden insbesondere eine weitere Koordination über die Unterstützungsfunktionen erwartet (z.B. Buchhaltungsstandards, Marketingkoordination, IT-Systeme).819

4.3.7 Kommunikation während der Projektphase

Im Rahmen von Veränderungsprozessen kommt der Kommunikation eine entscheidende Bedeutung zu. Ein gemeinsames Verständnis von neuen Begriffen und der neuen Organisation hat eine starke Koordinationswirkung. Nachfolgend werden deshalb wichtige diesbezügliche Punkte aufgeführt.

4.3.7.1 Kommunikation innerhalb des Projektteams

In der ersten Projektphase war das Transformationsprojekt ein „Geheimprojekt“. In dieser Phase war somit die Wirksamkeit der Kommunikation innerhalb des Projektteams entscheidend. Diese erfolgte hierarchiefrei, d.h. es war ein „Wettbewerb der Argumente" und nicht eine „hierarchische Hackordnung“. Mir kam die Funktion zu, die Workshops organisatorisch und inhaltlich vor- und nachzubereiten und an den Workshops die Diskussion zu moderieren und inhaltlich mitzugestalten. Somit war ich – wie für Aktionsforschungsprojekte üblich – gleichzeitig Beobachter und Teil des Systems. Im Rahmen der Prozessmoderation war es wichtig, den einzelnen Workshops einen klaren Fokus zu verleihen und dafür zu sorgen, dass die gängigen Regeln wirksamer Kommunikation eingehalten werden.820

818 Vgl. Archiv MZSG, Doc-50, Ergebnisse Umsetzungsstatus, S. 2 ff. 819 Vgl. Archiv MZSG, Doc-50, Ergebnisse Umsetzungsstatus, S. 6 ff. 820 Vgl. hierzu auch 2.1.5.3 (Information und Kommunikation) sowie Schulz von Thun, Reden, 2001 und Watzlawick, Beavin und Jackson, Kommunikation, 2007.

268 Praxisfall einer Transformation der MPA

4.3.7.2 Erstmalige breite Kommunikation der neuen Organisation

Der Übergang von der ersten zur zweiten Projektphase war für den Erfolg des Projekts ausschlaggebend. Es ging darum, möglichst viele Mitarbeitende von Beginn weg (d.h. am 09. und 10.01.2007) für die Umsetzung und Detaillierung der Grundstruktur zu gewinnen. Die Argumentation musste entsprechend verständlich sein und die Handlungsorientierung klar daraus hervorgehen. Die wesentlichen Argumentationspunkte wurden vom Projektteam in einem „Kommunikations-Probelauf“ selbstkritisch nochmals auf den Prüfstand gestellt und im Sinne eines Drehbuchs festgehalten.821

Im weiteren wurde festgelegt, dass die bisherigen Leiter der Grossbereiche CCD und MED sowie eine weitere Person aufgrund der grossen Veränderungen ihrer Stelle und Assignments am Abend des 08.01.2007 kurz vorinformiert werden sollten. 822 Am 09.01.2007 erfolgte dann die Kommunikation an alle Führungskräfte (Associate Partner und Partner) und am 10.01.2007 erfolgte die Gesamt-/Mitarbeiterorientierung. Dieses dreistufige Vorgehen ermöglichte das zeitgerechte Informieren und Gewinnen von Schlüsselpersonen, liess kleinere Anpassungen resp. Konkretisierungen an der neuen Struktur zwischen den drei Stufen zu und stellte sicher, dass innerhalb weniger Stunden die gesamte Unternehmung über die neue Struktur Bescheid wusste.

Für die Vorabinformation, die Führungskräfteinformation und die Mitarbeiterinformation wurden jeweils ein Drehbuch, eine Präsentations- und eine Handout-Unterlage erstellt. Da sich sowieso alle Führungskräfte und Mitarbeiter ursprünglich den 08.-10.01.2007 für eine dreitägige interne Weiterbildungsveranstaltung reserviert hatten, konnte dieses dreistufige Vorgehen auch terminlich problemlos durchgeführt werden. Die Führungskräfte wurden für den 09./10.01.2007 zu einer Führungskräfte-Veranstaltung zum Thema „Grundlagen und Issues unserer Unternehmenspolitik“ eingeladen. Erst an der Veranstaltung selbst haben sie über das eigentliche Kernthema der zwei Tage – die neue Struktur P07 – erfahren. Die weiteren Mitarbeiter wurden am Nachmittag des 09.01.2008 zu einer kurzfristigen Gesamtorientierung auf den darauffolgenden Tag eingeladen.

Der 09.01.2007 und der Vormitttag des 10.01.2007 dienten dazu, den Führungskräften die neue Struktur vorzustellen, Fragen dazu zu klären und danach auch bereits im Rahmen von

821 Vgl. Archiv MZSG, Doc-27, Protokoll P06-Workshop 6c, S. 5 ff. sowie Archiv MZSG, Doc-30, Drehbuch Info-Veranstaltungen. 822 Vgl. Archiv MZSG, Doc-29, Protokoll P06-Workshop 7, S. 3 ff.

Praxisfall einer Transformation der MPA 269

zwei Arbeitsaufträgen in der neuen Struktur zu arbeiten.823 Jedes CVC bekam als ersten Auftrag, für seine CRA den Customer Value Generator anzuwenden und im Nachgang über Erfahrungen zu berichten.824 Als zweiter Auftrag hatte jedes CVC zu überlegen, was es zu tun hat, damit per sofort wirksam in der neuen Struktur gearbeitet werden kann, wie die CVC-Piloten/Co-Piloten zu noch besseren „Systemikern“ werden können und welche offenen Fragen und Vorschläge zu deren Beantwortung hinsichtlich des eigenen CVC, dem jeweiligen Unternehmensbereich und der Gesamtgruppe gesehen werden.825 Die Resultate dieses zweiten Auftrags wurden am 10.01.2007 vormittags im Plenum präsentiert und diskutiert.

Am 10.01.2007 nachmittags fand die Orientierung aller Mitarbeiter statt. Fredmund Malik hielt bei diesem Anlass fest, dass dies für ihn der wichtigste Jahresanfang seit 1984 – der Privatisierung des Malik MZSG – sei und dass in den letzten eineinhalb Tagen mit den Führungskräften die radikalste und wohldurchdachteste Umstrukturierung der Firmen-geschichte diskutiert und beschlossen wurde. 826 Auch den Mitarbeitern wurde die Notwendigkeit und das Design der neuen Unternehmensstruktur ausführlich erklärt. Es wurde auch klar kommuniziert, dass bewusst noch nicht alles abschliessend detailliert sei, sondern dass auf Basis der Umsetzung der Grundstruktur die noch fehlenden Elemente konzipiert und umgesetzt würden. Das Ganze sei ein evolutionärer Prozess mit „unity in the essentials, freedom in action and in all trust”.827 Der 10.01.2007 wurde mit einem Apéro abgeschlossen. Bei dieser Gelegenheit konnte gemeinsam auf die neue Firma angestossen werden und es war Raum für informellen Austausch.828

Der Satz „unity in the essentials, freedom in action and in all trust“ war auch Bestandteil verschiedener schriftlicher P07-Informationen829 und wurde von den Führungskräften und Mitarbeitern in Gesprächen oft erwähnt, da er für das steht, was mit P07 erreicht wird: Starker Zusammenhalt (u.a. durch One Mission, One Concept, One Brand, One Firm und

823 Die wenigen Führungskräfte, welche nicht an der Veranstaltung dabei sein konnten, wurden am 09.01.2007 telefonisch über die Eckpfeiler von P07 in Kenntnis gesetzt, damit sie ebenfalls noch vor ihren Mitarbeitern informiert waren. 824 Vgl. Archiv MZSG, Doc-32, Führungskräfteveranstaltung Arbeitsauftrag 1. 825 Vgl. Archiv MZSG, Doc-33, Führungskräfteveranstaltung Arbeitsauftrag 2. 826 Vgl. Archiv MZSG, Doc-30, Drehbuch Info-Veranstaltungen, S.1 sowie Archiv MZSG, Doc-35, P07-Videodokumentation (Langversion), Sequenz 1. 827 Vgl. Archiv MZSG, Doc-35, P07-Videodokumentation (Langversion), Sequenz 18. 828 Zur Bedeutung von „Celebrating“ im Rahmen von Action Research-Projekten vgl. Stringer, Action Research, 1996, S. 140. 829 Vgl. u.a. Archiv MZSG, Doc-38, Mitteilung an alle „P07 Neuigkeiten I“, S. 3 oder Archiv MZSG, Doc-44, Mitteilung an Führungskräfte „P07-Neuigkeiten 1“, S. 2.

270 Praxisfall einer Transformation der MPA

One Spirit), wirksame Dezentralisierung (durch CVC-Logik) und vielfältige Entwicklungs-möglichkeiten.

Durch dieses Kommunikationsvorgehen am 09./10.01.2007 war allen klar, dass an der Grundstruktur nichts mehr zu ändern ist, dass die Umsetzung per sofort beginnt und dass die Führungskräfte für die Umsetzung und Detaillierung der Struktur2007 in der zweiten Projektphase mitverantwortlich sind. Über diese Informationsveranstaltungen hinaus-gehende Massnahmen für einen permanenten Kommunikationsprozess wurden ebenfalls geplant und in der Folge durchgeführt.830

4.3.7.3 Permanenter P07-Kommunikationsprozess

Mit der breiten Kommunikation am 09./10.01.2007 wurde ein permanenter P07-Kommunikationsprozess gestartet. In der zweiten Projektphase tauschten eingangs der Projektteam-Workshops die Projektteam-Mitglieder immer das von ihnen wahrgenommene „Stimmungsbild“ aus, um zu sehen, wo ggf. Personen etwas noch nicht ausreichend verstanden hatten resp. das Projektteam noch nicht genügend klar kommuniziert hatte.831 Der Vorsitzende des S3-Ausschusses war in ständigem Austausch mit den CVC-Piloten. Zunehmend wurden diese auch aufgefordert, selbst eine Multiplikatoren-Funktion in ihrem CVC zu übernehmen und entsprechend mit ihren Mitarbeitern über P07 zu sprechen und Fragen zu beantworten.832 Diese Gespräche waren eine unerlässliche Ergänzung zu den schriftlichen Informationen (Emails, Intranet-News).

Häufig gestellte Fragen wurden zudem im Sinne von Frequently Asked Questions (FAQ) aufgelistet, beantwortet und allen wiederum zugänglich gemacht.833 Darüber hinaus wurden die Mitarbeiter bereits in der schriftlichen Mitteilung vom 21.01.2007 zu einem wirksamen Umgang mit Informationen und Fragen aufgefordert: „Unsicherheit und Gerede“ sei in Transformationsphasen normal. Allerdings würden dabei oft objektiv falsche Informationen über andere Mitarbeiter und/oder P07 verbreitet. Jeder Mitarbeiter sei aufgefordert, solche Gerüchte sofort zu beseitigen, nicht weiter zu verbreiten und durch richtige Information zu klären. Dort wo diese fehlen würde, sei der Vorgesetzte oder das P07-Kernteam

830 Vgl. Archiv MZSG, Doc-27, Protokoll P06-Workshop 6c, S. 4. 831 Vgl. u.a. Archiv MZSG, Doc-37, Protokoll P07-Workshop 1, S. 3 f. oder Archiv MZSG, Doc-39, Protokoll P07-Workshop 2, S. 3. 832 Vgl. Archiv MZSG, Doc-59, Mitteilung an Führungskräfte „P07-Neuigkeiten 2“. 833 Vgl. Archiv MZSG, Doc-41, Mitteilung an alle „Frequently Asked Questions (FAQ) I“, Archiv MZSG, Doc-42, Frequently Asked Questions (FAQ) I sowie im Rahmen der Nachphase Archiv MZSG, Doc-67, Mitteilung an alle „Frequently Asked Questions (FAQ) II“ und Archiv MZSG, Doc-68, Frequently Asked Questions (FAQ) II.

Praxisfall einer Transformation der MPA 271

anzufragen.834 Im Sinne einer „Change-Hotline“ standen zudem der Vorsitzende des S3-Ausschusses sowie der Geschäftsführer des Büros Wien, welches bereits mehrjährige Erfahrung in der Funktionsweise als CVC-ähnliche Einheit hatte, zur Verfügung. Im Rahmen der permanenten Kommunikation kam schliesslich der Information über aktuelle Transformations-Arbeitsschwerpunkte und erste Umsetzungserfolge (im Sinne von „Quick wins“) eine entscheidende Bedeutung zu.835

4.4 Aktionsforschungsergebnisse zur Nachphase

Nachdem die Grundstrukturierung des Geschäfts und die Gestaltung des Metasystems abgeschlossen waren, wurde die weitere MPA-Transformation von der Projekt- zur Linienarbeit. Die neuen Organe und Gremien waren entscheidend für die weitere Detaillierung und Umsetzung verantwortlich. In dieser Nachphase wurde eine Vielzahl von operativen Massnahmen getroffen, deren Darlegung den Rahmen dieser Arbeit sprengen und mit Bezug auf die Forschungsfrage wenig beitragen würde. Nachfolgend werden daher nur wenige, aber mit Bezug auf die Management-Prozess-Architektur wesentliche Aspekte dieser Phase vorgestellt.

4.4.1 In-Kraftsetzung von Policy-Rules

Sinn und Zweck von Policy-Rules wurden unter 4.3.5.3.1 bereits erläutert. Elemente der einzelnen Policy-Rules (Policies) wurden zumeist während der Projektphase erarbeitet und teilweise schon mündlich kommuniziert. Die schriftliche Festlegung und breite Kommunikation wesentlicher Policies erfolgte dann aber erst am Ende der Projektphase resp. in der Nachphase. Nachfolgend werden die wichtigsten Policies dargelegt, da diese die Managementprozesse des Malik MZSG wesentlich prägen.

4.4.1.1 Policy zur Rekrutierung von Mitarbeitern

Die Wettbewerbsfähigkeit einer Wissensorganisation ist massgeblich von deren Führungskräften und Mitarbeitern abhängig. Richtige und gute Leute müssen gefunden, wirksam integriert und erfolgreich gemacht werden, damit sie möglichst lange dem

834 Vgl. Archiv MZSG, Doc-38, Mitteilung an alle „P07 Neuigkeiten I“, S. 5. 835 Vgl. u.a. Archiv MZSG, Doc-45, Mitteilung an alle „P07-Neuigkeiten II“ oder Archiv MZSG, Doc-47, Mitteilung an alle „P07-Neuigkeiten III“.

272 Praxisfall einer Transformation der MPA

Unternehmen erhalten bleiben. Beim Malik MZSG liegt die Verantwortung dafür bei den einzelnen Geschäftseinheiten/CVCs und den jeweiligen PDGs. Personaleinstellungen werden also dezentral entschieden und verantwortet. Auf Gruppenebene werden lediglich der Prozess des Recruitings festgelegt, CVC-übergreifende Recruiting-Veranstaltungen organisiert und für die Einhaltung der Recruiting-Policy gesorgt.836

Damit die dezentralen Rekrutierungsentscheidungen von hoher Qualität sind, wurden entsprechende Richtlinien in der Recruiting-Policy festgehalten. Diese Richtlinien umfassen z.B. die Anforderung, dass vermehrt naturwissenschaftlich, juristisch oder sozialwissen-schaftlich ausgebildete Bewerber berücksichtigt werden sollen. Weiter wurde festgelegt, welche Checkfragen für die Überprüfung der Eignung von Bewerbern unerlässlich sind. Grundsätzlich werden Bewerber bevorzugt, welche neben einer guten Ausbildung und erfolgreicher Berufserfahrung mit Resultatnachweis auch bereits über Kenntnisse der Kerninhalte und -leistungen des Malik MZSG verfügen.837

4.4.1.2 Policy zu Qualifikation und Entwicklungsstufen von Mitarbeitern

Zur Transparenz und Verständlichkeit der Entwicklung von Mitarbeitern wurde eine entsprechende Entwicklungsstufen-Policy verfasst. Eine Beschreibung der Entwicklungs-stufen zeigt, welchen Kundennutzen ein Mitarbeiter auf der jeweiligen Stufe schaffen muss, welches Wissen er dazu benötigt, welche Resultate zu Umsatz, Akquisition und Beitrag zum Ganzen erreicht werden müssen sowie welche Führungsleistung von ihm erwartet wird. Neben den Entwicklungsstufen im operativen Bereich (Consultant, Senior Consultant, Project Manger etc.) wurden auch Entwicklungsstufen für den nicht-operativen Bereich ausgearbeitet (Back-office Services, Sachbearbeitung, Professional Staff). 838 Die Beschreibungen der einzelnen Funktionsstufen (für den operativen und nicht-operativen Bereich) bilden die Grundlage für die Beurteilung, Laufbahnplanung und Beförderung von Mitarbeitern. 839 Zur Erlangung des notwendigen Wissens wurde ein Education- und Managemententwicklungs-Konzept namens „Marathon3000“ etabliert. Dieses fördert und fordert in hohem Masse Selbst-Qualifikation und Selbst-Verantwortung des Einzelnen und erhöht durch gezielten Wissensaufbau seine Entwicklungsmöglichkeiten.840

836 Vgl. Archiv MZSG, Doc-65, Recruiting-Policy. 837 Vgl. Archiv MZSG, Doc-65, Recruiting-Policy. 838 Vgl. Archiv MZSG, Doc-91, Entwicklungsstufen-Policy für nicht-operativen Bereich. 839 Vgl. Archiv MZSG, Doc-75, Entwicklungsstufen-Policy für operativen Bereich. 840 Vgl. Archiv MZSG, Doc-93, Marathon3000-Qualifikations-Policy.

Praxisfall einer Transformation der MPA 273

4.4.1.3 Policy zur Beförderung von Mitarbeitern

Der Beförderungsprozess basiert auf den zuvor erwähnten Entwicklungsstufen. Er sieht vor, dass Beförderungen halbjährlich zum 1. Januar und 1. Juli umgesetzt werden, wobei ein schriftlicher Antrag des jeweiligen PDG-Leiters inkl. Begründung des Beförderungsantrags (qualitative und quantitative Resultate, Stärken/Schwächen, positive und negative Critical Incidents) jeweils ein Quartal im Voraus eingereicht werden muss. Beförderungen bis und mit Senior Project Manager liegen im Kompetenzbereich der CVC-Piloten. Beförderungen zum Associate Partner, Partner und Senior Partner obliegen abschliessend dem Verwaltungsrat. Vorgeschlagene Partner werden anlässlich der zweimal jährlich stattfindenden Human Resources-Konferenz auf Partner-Fähigkeit eingeschätzt.841

4.4.1.4 Policy zum Staffing von Kundenprojekten

Für die CVC-übergreifende Optimierung wurde innerhalb des Unternehmensbereichs MCE eine Regelung zur personellen Besetzung von Kundenprojekten (Staffing-Policy) notwendig. Zweck der Staffing-Regelung ist die Sicherstellung a) eines maximalen Kundennutzens, b) einer bestmöglichen Entwicklung von Mitarbeitenden und c) einer MCE-weiten Optimierung des Staffings aller Projekte inkl. kapazitätsausgleichender Wirkung zwischen den CVCs. Die primäre Verantwortung des Staffings liegt bei den einzelnen Projektleitern der CVCs. Bei Staffingfragen, welche für den Projektleiter nicht lösbar sind, wirkt ergänzend auf MCE-Ebene ein Staffing-Officer mit, welcher abschliessend und verbindlich über die Einsatzsteuerung der Mitarbeiter entscheidet. Beim Staffing-Officer sollen aber nicht nur Projektleiter ihren Bedarf melden, sondern es sollen auch Mitarbeiter ihr Angebot melden. Dies insbesondere dann, wenn sie zu wenig ausgelastet sind oder im Sinne ihrer Entwicklung spezifische Projekteinsätze wünschen.842

Als Sonderpunkt regelt die Staffing-Policy auch einen Punkt der unternehmensbereichs-übergreifenden Zusammenarbeit: Für das Staffing von überbetrieblichen Seminaren von MFI mit Mitarbeitenden von MCE wurden dazu entsprechende Ansprechpartner in MFI und MCE definiert.843

841 Vgl. Archiv MZSG, Doc-76, Beförderungs-Policy. 842 Vgl. Archiv MZSG, Doc-52, Protokoll P07-Workshop 7, S. 2 sowie Archiv MZSG, Doc-61, Staffing-Policy, S. 1 ff. 843 Vgl. Archiv MZSG, Doc-61, Staffing-Policy, S. 2.

274 Praxisfall einer Transformation der MPA

4.4.1.5 Policy zu überbetrieblichen Seminaren (übS)

In einer spezifischen Policy zu den überbetrieblichen Seminaren (ÜbS-Policy) wird die Wichtigkeit der überbetrieblichen Seminare als „Visitenkarte des Unternehmens“ hervor-gehoben. Entsprechend finden sich darin Richtlinien, dass nur die besten Mitarbeitenden für solche Einsätze in Frage kommen und dass daher laufend Leute mit Potenzial auf solche Einsätze hin entwickelt werden müssen. Die Bewährung in überbetrieblichen Seminaren wird als Qualifizierung für die Übernahme von grossen Aufgaben in der Gesamtleitung der Gruppe erachtet. Im Weiteren enthält die ÜbS-Policy Qualitäts- und Professionalitäts-Standards.844

4.4.1.6 Policy zur Kernleistung Profit Impact of Market Strategy (PIMS)

Die Fähigkeit zur Durchführung von PIMS-Projekten wiesen bisher zu wenige Mitarbeitende auf. Da PIMS aber unerlässlich ist für die Strategiearbeit und somit integrierter Bestandteil jedes Strategieprojekts sein sollte, wurden wichtige Punkte dazu in dieser Regelung festgehalten. In jedem Strategieprojekt sollte demnach PIMS genutzt werden. Damit dies möglich wird, ist PIMS-Wissen und -Anwendungskompetenz Pflicht für jeden Mitarbeiter. Darüber hinaus muss jedes CVC mindestens zwei Mitarbeiter zu „PIMS Lead User“ ausbilden, welche über vertiefte Anwendungskenntnisse verfügen und in Strategieprojekten entsprechend Expertenunterstützung leisten können.845

4.4.1.7 Policy zu MCB bzgl. Kundenzugang und Kernleistungen

Die Policy zu MCB (ehemals CVC8) regelt das Zusammenspiel von MCB und CVCs. Dabei wird festgehalten, dass MCB Zugang zu sämtlichen bisherigen und potenziell neuen Kunden aus allen CRAs hat. Darüber hinaus werden hinsichtlich der Management Solution „Syntegration“ verschiedene Richtlinien definiert, die es auch einzelnen CVCs ermöglichen, eine entsprechende Zertifizierung zu erlangen und Syntegrationen eigenständig durchzu-führen.846

Die Zertifizierungsmöglichkeit der CVCs hinsichtlich Syntegrationen ist wichtig für die Multiplikation resp. schnelle Verbreitung von kybernetischen Lösungen aus MCB und kann

844 Vgl. Archiv MZSG, Doc-62, ÜbS-Policy. 845 Vgl. Archiv MZSG, Doc-63, PIMS-Policy. 846 Vgl. Archiv MZSG, Doc-66, CVC08/MCB-Policy I (Fokus Konstitution) und Archiv MZSG, Doc-73, CVC08/MCB-Policy II (Fokus Syntegrationen).

Praxisfall einer Transformation der MPA 275

daher in Zukunft analog für weitere Management Solutions (wie z.B. Operations Room, evolutionäres Innovationsmanagement) zur Anwendung kommen.

4.4.1.8 Policy zu Angebot, Preis und Fakturierung (APF)

Die Policy zu Angebot, Preis und Fakturierung (AFP-Policy) orientiert sich primär am Kunden und dessen Bedürfnissen. Sekundär geht es um Punkte der internen Optimierung. Im Wesentlichen handelt es sich darum, dass Angebote gegenüber dem Kunden konsequent nutzenorientiert verfasst sind, dass Preise sich am Nutzen und nicht an internen Kosten orientieren und dass im Rahmen der Fakturierung mit nutzenorientierten Pauschalpreisen und A-Konto-Zahlungen gearbeitet wird.847

Hinsichtlich der Angebotsstellung wird festgehalten, dass Angebote nutzenorientiert und in der Begriffs-Sprache des Kunden geschrieben werden müssen. Darüber hinaus hat jedes Angebot auch dazu passende Leistungen des Unternehmensbereichs MFI zu enthalten.848 Damit wird sichergestellt, dass die eher produktorientierten und standardisierten Leistungen von MFI in geeigneter Form auch in massgeschneiderten Kundenprojekten zur kombinierten Anwendung kommen, wodurch ein überlegener Kundennutzen gestiftet werden kann. So kann z.B. in unternehmensweiten Education-Programmen auf unteren Führungsebenen mit E-Management-Learning anstelle von innerbetrieblichen Präsenzseminaren ein optimales Preis-/Leistungsverhältnis, d.h. ein optimaler Kundennutzen, gestiftet werden.849

4.4.2 „Transformation Controlling“

Nach Projektabschluss war es wichtig, dass die Transformation und Weiterentwicklung der Organisation und der damit zusammenhängenden Management-Prozess-Architektur möglichst selbstorganisierend in den einzelnen Unternehmensbereichen und Geschäfts-

847 Vgl. Archiv MZSG, Doc-82, Angebots-, Preis- und Fakturierungs-Policy, S. 3 ff. 848 Vgl. Archiv MZSG, Doc-82, Angebots-, Preis- und Fakturierungs-Policy, S. 4 f. 849 Der im Angebot für die umschriebene Leistung kalkulierte Preis orientiert sich am zu stiftenden Nutzen für den Kunden. Somit ist für den Kunden sichergestellt, dass er für Output und nicht für Input zahlt. Preise werden dabei nach Möglichkeit als Pauschalpreise inkl. Spesen ausgewiesen, um dem Kunden verlässliche Kalkulationsgrösse („all inclusive“) bieten zu können und einen unnötigen Aufwand für Einzelspesen-Fakturierung zu vermeiden. Die Fakturierung hat eine Vorauszahlung, regelmässige A-Konto-Zahlungen und eine Schlussrechnung als wesentliche Eckpfeiler. Darauf aufbauend finden die interne Rechnungskontrolle und das Debitorenmanagement statt. Vgl. Archiv MZSG, Doc-82, Angebots-, Preis- und Fakturierungs-Policy, S. 6 ff.

276 Praxisfall einer Transformation der MPA

einheiten abläuft. Ergänzend dazu wurden auf Gruppenebene Mechanismen für ein operatives und strategisches Controlling der Transformation etabliert.850

Das operative Controlling im Sinne der Koordination und Unterstützung von Detaillierungsmassnahmen wurde dem Vorsitzenden des S3-Auschusses und seinem Assistenten zugeteilt. Das strategische Controlling im Sinne der Diskussion von Key Issues und der Ableitung von grundlegenden Massnahmen wurde dem S4-Ausschuss übertragen.

Als Hauptanlass zur Besprechung und Meinungsbildung von strategischen Themen des Gesamtunternehmens finden zweimal jährlich die sogenannten Davoser-Gespräche I und II statt. Diese standen 2007 u.a. im Zeichen der Überprüfung der Wirksamkeit der neuen Organisation. Teilnehmer der Davoser-Gespräche sind die Mitglieder des Verwaltungsrats, des S4-Ausschusses und des S3-Ausschusses sowie die Leiter der Unternehmensbereiche. Zusätzlich werden themenspezifisch weitere Personen des Unternehmens als Gäste ein-geladen (z.B. Leiter von Unterstützungsfunktionen oder Sprecher der Mitarbeitervertretung).

An den Davoser-Gesprächen I (03./04.07.2007) lag neben einem Review der Strategie 2005 das Augenmerk insbesondere auf Fragen des P07-Metasystems (Aufgaben, Kompetenzen, Verantwortlichkeiten), des Steuerungs- und Honorierungssystems, der CVC-übergreifenden Optimierung (Staffing, Pricing, Expert Groups, Ausbildung) und der Verbesserung der Potenzialausschöpfung von MCB (CVC8).851

An den Davoser-Gesprächen II (29./30.11.2007) wurden hinsichtlich P07 die bereits an den Davoser-Gesprächen I andiskutierten Themen vertieft. Dabei wurde insbesondere über die Lösung des Innovationsstaus, über das Metasystem und über die interne Ausbildung gesprochen. Hinsichtlich des Innovationsstaus wurde diskutiert, dass MCB (statt als CVC innerhalb von MCE) als eigener Unternehmensbereich dargestellt und wahrgenommen werden müsse, was Anfang 2008 auch so umgesetzt wurde. Die Zusammensetzung des S3-Ausschusses war Kernthema bezüglich des Metasystems. Diese Gespräche bildeten die Basis für die spätere personelle Erweiterung des S3-Ausschusses. Hinsichtlich der internen Ausbildung wurde die Wichtigkeit der Führungskräfte-Ausbildung hervorgehoben. Führungskräfte müssen als Multiplikatoren in ihren Verantwortungsbereichen wirken und das One Firm-Denken und -Handeln vorleben. Darauf aufbauend wurde die Idee des Jahres-Auftakt-Meetings für Führungskräfte geboren.852

850 Zur Notwendigkeit eines Controllings der Transformation resp. der Organisation vgl. auch Probst, Organisation, 1992, S. 383. 851 Vgl. Archiv MZSG, Doc-70, Protokoll Davoser Gespräche I 2007. 852 Vgl. Archiv MZSG, Doc-77, Protokoll Davoser Gespräche II 2007.

Praxisfall einer Transformation der MPA 277

4.4.3 Jahres-Auftakt-Meeting

Im Januar 2008 nahmen alle Führungskräfte an einem viertägigen Jahres-Auftakt-Meeting (JAM) teil. Ziel der JAM war das gemeinsame Erarbeiten wichtiger Grundlagen für das Verständnis des malik management system®. Die Führungskräfte waren nach dieser Veranstaltung in der Lage, in ihren Verantwortungsbereichen grundlegende Regelungen und Prinzipien (sogenannte Master Controls853) zu etablieren und ihre Mitarbeiter zu Control Master zu entwickeln. Control Master sind Kugeldenker854 resp. Systemiker, welche die Inhalte des malik management system® kennen und in verschiedenen Kombinationen anwenden können.855

Das Jahresmotto 2008 wurde im Rahmen der JAM mit dem Begriff PRECEPT 2008 (P08) umschrieben. PRECEPT steht für Program for REvolutionizing our Cybernetical Expertise, Practice and Technique. Im Rahmen der vier JAM-Tage wurden die Essentials des Meisterns von Komplexität, also von richtigem und gutem Management, vorgestellt. Diese Essentials bilden die Leitplanken für eigenverantwortliches Denken und Handeln analog dem Satz „Unity in the essentials, freedom in action, and in all trust“.856

Den Führungskräften wurden in diesen vier Tagen wesentliche Modelle und Methoden von MCB sowie die Leistungspalette von MFI vorgestellt. Durch die Kenntnisse dieser Inhalte und Produkte sind somit alle MCE-Führungskräfte in der Lage, in ihrem jeweiligen CVC diese Inhalte bei Mitarbeitern zu verbreiten und in Kundenprojekten einzusetzen. Nach den Präsentationen fanden jeweils Vertiefungsrunden in Kleingruppen statt, damit das Gehörte reflektiert und auf die eigene Situation hin durchdacht werden konnte.857

JAM steht somit nicht nur für Jahres-Auftakt-Meeting, sondern auch für „Jamming“ im Sinne eines Gefühls bzw. Grooves. 858 Der Groove ist ein Musikbegriff, welcher das rhythmische Grundmuster bezeichnet, welches variiert werden kann und auf Basis dessen einzelne Musiker dann ihre Improvisationen aufbauen können. Die JAM bildete den Übergang von P07 zu P08 – PRECEPT08 – und somit das Übergehen von P07 in „Fleisch und Blut“ der einzelnen Personen. 853 Zum von Malik geprägten Begriff „Master Controls“ siehe Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 56 f. 854 Der Begriff Kugeldenker (im Gegensatz zum Scheibendenker) wurde von Malik in den P07-Diskussionen oft verwendet, um die grundlegende Neuorientierung mit P07 zu beschreiben in Analogie zum Verständnis der Welt als Kugel statt als Scheibe („Kopernikanische Wende“). 855 Vgl. Archiv MZSG, Doc-80, Mitteilung an alle „Jahres-Auftakt-Meeting II“. 856 Vgl. Archiv MZSG, Doc-79, Mitteilung an alle „Jahres-Auftakt-Meeting I“. 857 Vgl. Archiv MZSG, Doc-79, Mitteilung an alle „Jahres-Auftakt-Meeting I“. 858 Vgl. Archiv MZSG, Doc-79, Mitteilung an alle „Jahres-Auftakt-Meeting I“.

278 Praxisfall einer Transformation der MPA

4.5 Zwischenfazit

Einleitend zu Kapitel 4 wurden forschungsmethodische Erwägungen zum Praxisfall dargelegt. In diesem Zusammenhang wurde aufgezeigt, wie die empirisch-qualitative Exploration mittels eines beim Malik Management Zentrum St. Gallen (Malik MZSG) durchgeführten Aktionsforschungsprojekts abgelaufen ist. In einer Vielzahl von Aktions-forschungs-Workshops wurden via Reflexions- und Aktionsprozesse Beiträge einerseits zur praktischen Problemlösung und anderseits zur Theoriebildung geleistet. Währenddem der Aspekt der Theoriebildung im kommenden Kapitel 5 vertieft wird, wurde der Beitrag zur praktischen Problemlösung im Sinne von Aktionsforschungsergebnissen in den Kapiteln 4.2 - 4.4 entlang den drei Phasen – Vorphase, Projektphase und Nachphase – vorgestellt.

Aufbauend auf einem Kurzportrait sowie der strukturellen Ausgangslage des Malik MZSG wurden frühere Resultate von Managementprozessen im Sinne von ordnungserzeugenden Führungsimpulsen dargelegt. Es sind dies das Leitbild, die Regeln für Zusammenarbeit und Führung und die Strategie 2005 des Malik MZSG. Diese Führungsimpulse bildeten eine wichtige Basis für die Transformation der Management-Prozess-Architektur. Die zu-nehmende Notwendigkeit einer Umstrukturierung machte sich über die letzten Jahre in unterschiedlichen Situationen bemerkbar. Der Auslöser für die Initiierung des Trans-formationsprojekts war eine umfassende Ideenskizze, welche ich in meiner damaligen Funktion im „Corporate Strategic Controlling“ verfasste. Die Ideenskizze enthielt neben der – aus Überlegungen zum Management Process Controlling abgeleiteten – Notwendigkeit einer Transformation der Management-Prozess-Architektur auch Lösungsansätze und einen Vorschlag für die zeitliche Umsetzung.

Auf Basis der erwähnten Ideenskizze wurde in einem kleinen Projektteam das „Set-up“ für eine „Organisational Direttissima“ geschaffen. Mit diesem Ansatz war es möglich, chrono-logisch betrachtet schnell zu einer sach-logisch richtigen Lösung zu kommen, welche psycho-logisch gesehen bei den Betroffenen zur Veränderung der eigenen Reflexions- und Aktionsmuster führte. Wesentlich an der „Organisational Direttissima“ war die Aufteilung der Projektphase in ein P06-Projektphase als Geheimprojekt und eine P07-Projektphase, welche unter aktiver Beteiligung der Führungskräfte und Mitarbeiter ablief.859 Die P06-Projektphase umfasste insbesondere die Grundgliederung in Unternehmensbereiche und die

859 Eine „Organisational Direttissima“ kombiniert somit die Vorteile der klassischen „Bombenwurf-/Revolutions-strategie“ (z.B. Wandel „aus einem Guss“, schnelle Lösungsfindung) mit den Vorteilen der klassischen „Organisationsentwicklungs-/Evolutionsstrategie (z.B. zeitnahe Lösungsumsetzung, Lernprozess bei den Beteiligten). Zu den beiden klassischen Vorgehensstrategien vgl. Osterloh und Frost, Prozessmanagement, 1998, S.236.

Praxisfall einer Transformation der MPA 279

weitere Untergliederung des grössten Unternehmensbereichs in selbstähnliche Einheiten,welche sich durch eigenständige Lebensfähigkeit und beim Erreichen einer bestimmten Grösse durch Multiplikation in zwei neue Einheiten auszeichnen. Die P07-Projektphase fokussierte sodann auf die Etablierung von Koordinations- und Unterstützungsmechanismen für die neuen Unternehmensbereiche und deren Geschäftseinheiten. Darüber hinaus wurde in dieser Phase auch das Metasystem, d.h. die Funktions- und Lenkungsweise des Gesamt-unternehmens, gestaltet und personell besetzt.

Die Nachphase zum Transformationsprojekt zeichnete sich durch das Inkraftsetzen verschiedener Policy-Rules aus. Diese Policy-Rules regeln die Unterstützung, Koordination und Führung der einzelnen Einheiten und prägen somit Managementprozesse. Bereits im Rahmen des Transformationsprojekts und darüber hinaus in der Nachphase wurde ein laufendes „Transformation Controlling“ praktiziert. Dabei wurde die Wirkung des Transformationsprojekts laufend überprüft und es wurden Verbesserungsmassnahmen definiert und umgesetzt. Dies führte dazu, dass der Transformationsprozess auch über das Projektende hinaus evolutiv stattfinden konnte und weiter stattfinden kann. Im Unterschied zur P06/P07-Projektphase ist seit dem Übergang zur Nachphase für diese evolutive Weiter-entwicklung aber nicht mehr das Projektteam zuständig, sondern die entsprechende Verantwortung liegt bei den neuen Organen und Gremien.

Die real durchgeführte Transformation der Management-Prozess-Architektur des Malik MZSG ist so vieldimensional, dass die lineare Darlegung in Form des Kapitels 4 zwangs-läufig Limitationen aufweist. Ich habe mich um eine möglichst verständliche Darlegung bemüht, wohlwissend, dass dabei die Trennschärfe einzelner Kapitel in sach- und chrono-logischer Hinsicht nicht immer voll gegeben sein kann. Eine pragmatische Zusammen-fassung der Überlegungen bietet die unter 4.3.1.3 aufgeführte Abbildung 32. Wirksame Managementprozesse setzen eine an Lebensfähigkeit orientierte Grundstrukturierung voraus. Viele Managementprozesse werden bereits während der Grundstrukturierung geprägt, und Managementprozesse ihrerseits können ein Überdenken und ggf. Anpassen der Grundstrukturierung hervorrufen. Die Management-Prozess-Architektur verbindet dieses Phänomen als Syntegrat von Organisation und Management. Wirksame Organisation braucht Management und wirksames Management braucht Organisation. Das eine existiert nicht ohne das andere.

Bildung der MPA-Theorie 281

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen

3. Theorie-bausteinezur MPA

4. Praxisfall einer Transformation

der MPA

5. Bildung der MPA-Theorie

6. Erarbeitung des MPA-Konzepts

7. Zusammenfassung und Implikationen

5 Bildung der MPA-Theorie

In diesem Kapitel werden die Erkenntnisse aus Kapitel 3 und 4 synthetisiert, um daraus die Theorie der Management-Prozess-Architektur (MPA) herleiten zu können. Dazu werden in einem ersten Schritt die Aktionsforschungsergebnisse (Kapitel 4) vor dem Hintergrund der entworfenen MPA-Theoriebausteine (Kapitel 3) interpretiert. Diese Interpretationsarbeit ermöglicht einen Zugang zur durchgeführten Transformation der

Management-Prozess-Architektur aus unterschiedlichen Perspektiven. Aus den daraus gewonnenen Erkenntnissen sollen in einem zweiten Schritt die Kernthesen der MPA-Theorie erarbeitet und in einem Theoriemodell zusammengefasst werden. Im abschliessenden dritten Schritt werden die erarbeiteten Thesen den spezifischen Forschungsfragen gegenübergestellt, um zu validieren, ob die Thesen ausreichende Erklärungskraft für die allgemeine Forschungsfrage haben.

5.1 Interpretation der Aktionsforschungsergebnisse

5.1.1 Interpretation bezüglich Model of Circular Processes

In Kapitel 3.4 wurden die einzelnen Komponenten des Integrated Management Model als zirkuläre Managementprozesse dargestellt. Dieser zirkulären Logik folgen nicht nur die einzelnen Managementprozesse, sondern auch die Transformation der Gesamtheit aller Managementprozesse. In der Tat war auch die MPA-Transformation am Malik MZSG ein Zusammenspiel der vier Subprozesse Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung. Diese vier Subprozesse liefen nicht strikte sequenziell, sondern teilweise auch parallel ab und tauschten gegenseitig Feedforward und Feedback-Informationen aus.

5.1.1.1 Analyse-Prozess

Sachlogisch wurde im Rahmen der Analyse unterschieden zwischen der Analyse der bisherigen Grundstruktur und der Analyse des bisherigen Metasystems.

282 Bildung der MPA-Theorie

Chronologisch betrachtet ist die Analyse, aufbauend auf Erkenntnissen der Wirkung der bisherigen Grundstruktur und des bisherigen Metasystems, insbesondere zu Beginn der P06-Projektphase durchgeführt worden. Erst in der P07-Projektphase konnten hingegen mit Bezug auf die neu umgesetzte Grundstruktur Anforderungen an das Metasystem abschliessend definiert werden.

Psychologisch gesehen war wichtig, dass die aus der Analyse hervorgegangene Notwendig-keit der Transformation in einem ersten Schritt dem Projektteam und in einem zweiten Schritt auch allen Betroffenen klar wurde. Die Notwendigkeit der Umstrukturierung wurde im Rahmen der Kommunikationstage vom 09./10.01.2007 ausführlich begründet.

5.1.1.2 Optionen-Prozess

Sachlogisch wurde auch in dieser Phase zwischen Optionen zur Grundstruktur und Optionen zum Metasystem unterschieden. Am detailliertesten wurden Optionen im Rahmen der CVC-Gliederung erarbeitet und beurteilt. Dies hat sich deshalb gelohnt, weil die CVC-Logik ein ganz wesentliches Funktionsprinzip des „Programm2007-P07“ bildete und davon auch die meisten Personen betroffen waren.

Chronologisch gesehen wurden in der P06-Projektphase Optionen hinsichtlich der Grund-struktur sowohl ad rem als auch ad personam ausgearbeitet. Die Optionen hinsichtlich der Ausgestaltung des Metasystems wurden in der P06-Projektphase insbesondere ad rem diskutiert. Diese Diskussionen wurden in der P07-Projektphase konkretisiert und mit entsprechenden ad personam-Überlegungen ergänzt.

Psychologisch betrachtet war wichtig, dass die Erarbeitung der Grundstruktur-Optionen und die Beurteilung derselben vom Unternehmensinteresse (und nicht von Individualinteressen) geleitet und deshalb ganz dem Projektteam vorbehalten war. Hingegen war es erforderlich, in der darauffolgenden P07-Projektphase Führungskräfte und deren Argumente aktiv in die Diskussion um die Detaillierung der Grundstruktur und die Etablierung des Metasystems einzubeziehen.

5.1.1.3 Gestaltungs-Prozess

Sachlogisch war im Kontext der Gestaltung ebenfalls zwischen der Gestaltung der Grundstruktur und der Gestaltung des Metasystems unterschieden worden.

Bildung der MPA-Theorie 283

Chronologisch betrachtet begann die Gestaltung der Grundstruktur direkt nach den Kommunikationstagen am 09./10.01.2007. Die offizielle Gestaltung des personell besetzten Metasystems erfolgte im Nachgang des Verwaltungsratsbeschlusses vom 19.03.2007. Dass der Prozess der Gestaltung auch schon in Zeiten der primären Analyse- und Optionen-Arbeit aktiviert werden kann, zeigen Sofortmassnahmen. Sofortmassnahmen können jederzeit definiert werden und, wie es der Name sagt, unverzüglich in die Gestaltung resp. Umsetzung gebracht werden. Im Rahmen der P06-Projektphase war z.B. die Etablierung der REX-Logik (Report on Execution / Vollzugsbericht)860 eine derartige Sofortmassnahme.

Psychologisch gesehen war für den Prozess der Gestaltung das aktive Involvieren einer Vielzahl von Führungskräften und Mitarbeitern entscheidend. Diese wurden bereits am 09./10.01.2007 und im Nachgang mit entsprechenden Gestaltungs-Assignments und -Einzelmassnahmen betraut. Nur durch aktive Mitarbeit haben sich neben materiellen Strukturen auch die immateriellen Strukturen, also die Reflexions- und Aktionsmuster, auf die Logik von „Programm2007-P07“ hin verändert.

5.1.1.4 Wirkungs-Prozess

Sachlogisch war wiederum zwischen der Wirkung der Grundstruktur und der Wirkung des Metasystems zu unterscheiden. Erst die Wirkung der neuen Grundstruktur liess nämlich genauer erkennen, was die Anforderungen an das Metasystem wirklich sind.

Chronologisch gesehen setzte die Wirkung der Grundstruktur analog zur vorgeschalteten Gestaltung ebenfalls früher ein als die Wirkung des Metasystems. Auf dem Prozess der Wirkung können in der Zukunft erneute Prozesse der Analyse aufsetzen, womit sich der Kreis der vier ineinander verflochtenen Prozesse schliesst. Zudem besteht auch der Wirkungsprozess aus rekursiv angelegten Detailprozessen, welche für sich selbst wieder die vier Subprozesse enthalten.

Psychologisch betrachtet bestand die Wirkung des Transformationsprojekts in einem „eingespielten Zustand“, als die Betroffenen nicht mehr von „Bisherigem“ und „Neuem“ sprachen, sondern das Neue eigentlich zum Alltäglichen wurde. Der genaue Zeitpunkt, in dem dieses Phänomen eintrat, lässt sich nicht tagesgenau bestimmen, aber ich denke, dass zum Zeitpunkt des Jahres-Auftakt-Meetings mit dem Übergang zum Jahresmotto „Precept2008-P08“ dieser Zustand der Wirkung spürbar war.

860 Vgl. Archiv MZSG, Doc-19, Protokoll Gesamtpartnersitzung, S. 13 sowie Archiv MZSG, Doc-64, Mitteilung an alle „Erinnerung REX“.

284 Bildung der MPA-Theorie

5.1.1.5 Prozessmanagement

Da die vier oben beschriebenen Prozesse durch eine Reihe von Feedforward- und Feedbackmechanismen eng ineinander verzahnt waren, war auch das Prozessmanagement nicht in einer mechanistisch-linearen Art und Weise möglich. Vielmehr ging es beim Prozessmanagement im Wesentlichen um die nachfolgenden vier Punkte (5.1.1.5.1 – 5.1.1.5.4). Diese wurden im Rahmen der P06-/P07-Projektphase durch das Projektteam als Ganzes hervorgebracht.

5.1.1.5.1 Gemeinsame „Managementsprache“

Alle Mitglieder des Projektteams hatten sich seit Jahren mit Fragen des richtigen und guten Managements und den entsprechenden Modellen und Konzepten beschäftigt. Entsprechend sprachen auch alle Mitglieder die gleiche „Managementsprache“. Diese gemeinsame Sprachbasis half enorm in der Verständigung während den Workshops und war Grundlage für die Kreation von neuen wichtigen Begriffen wie z.B. Customer Value Center und Customer Reference Area.861

Das Vorhandensein einer gemeinsamen „Managementsprache“ im Projektteam ist aber eher die Ausnahme als die Regel. In der Praxis zeigt sich häufig ein anderes Bild, wie über Organisationen und das Organisieren gesprochen wird. BEER schrieb diesbezüglich: „The language in which one describes the firm itself is simply not competent as a vehicle for discussing objectively why the firm is as it is. And since the normal occupation of management is to be expert in using the practical language of the firm’s operations, there is a particular risk that the management will never learn to speak the metalanguage in which its own structure can be discussed.”862

Die beste „Meta-Managementsprache“ aus Theoriesicht ist diejenige des Viable System Models. Die beste „Managementsprache“ aus Praxissicht ist diejenige der Praktiker. Diese beiden Sprachwelten liegen jedoch so weit auseinander, dass nur wenige Personen beide Sprachen sprechen und oft der „Meta-Sprache-Manager“ den „Praxis-Sprache-Manager“ nicht versteht und umgekehrt. Die MPA-Theorie und das darauf basierende MPA-Konzept haben daher eine „vereinende Sprache“ zu bieten, welche auf beiden

861 Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Manella zur Sprache als Mittel der Strukturierung der Wirklichkeit, wonach das Bezeichnete durch Bezeichnungen resp. Begriffe an Realität gewinnt. Vgl. Manella, Mensch, 2003, S. 47. In ähnlicher Weise argumentiert Bouwen. Vgl. Bouwen, Relational Organizing, 2005, 60 f. 862 Beer, Decision, 1966, S. 425. Zur Notwendigkeit und Logik der Meta-Sprache siehe auch Beer, Platform, 1975/1978, S. 7 ff. und S. 71 ff.

Bildung der MPA-Theorie 285

sprachlogischen Ebenen gesprochen und verstanden werden kann. Die Anwendung des MPA-Konzepts führt zu „shared management practices“, welche die Wirksamkeit von Unternehmen positiv beeinflussen.863

5.1.1.5.2 Breite und tiefe Informationslage

Das gewählte Vorgehen für die erste Projektphase (P06-Projektphase), im Sinne eines „Geheimprojekts“ mit einem kleinen Projektteam, konnte nur deshalb anschlussfähige Resultate hervorbringen, weil das Projektteam über ausreichende Informationen zur Problemsituation verfügte. Vollständige Information kann per Definition nie vorliegen, aber es braucht einen Grundbestand an Informationen, um im Rahmen eines evolutiven Vorgehens erfolgsversprechende Schritte definieren und umsetzen zu können. Dabei reicht es nicht aus, ein System resp. ein Unternehmen nur in seiner Breite zu kennen, man muss es auch in seiner Tiefe kennen. Die Zusammensetzung des Projektteams konnte dieser Anforderung gerecht werden.

Dass ein System nicht nur in der Breite, sondern auch in der Tiefe tatsächlich – und nicht nur vordergründig – verstanden werden muss, zeigte REVAN in einer Studie auf. Resultat war, dass vom oberen Management eine vermeintliche „downward transparency“ vermutet wird, die sich aber gemäss Aussagen „von unten“ als falsch resp. sehr eingeschränkt erweist.864 Auf alle Fälle kann festgehalten werden, dass das Verstehen „oben“ und „unten" unterschiedlich ist und dass für eine tiefgreifende Transformation diese unterschiedlichen Perzeptionen berücksichtigt werden müssen. Um ein System somit nicht nur in der Breite, sondern auch in der Tiefe zu durchdringen, ist man auf ungefilterte Informationen von der Basis angewiesen. Als damaliges Mitglied der „Mitarbeitervertretung System 5“ konnte ich zur Deckung dieses Informationsbedarfs einen konkreten Beitrag leisten. 863 Zum positiven Einfluss von „shared management practices“ vgl. Sussland, Effectiveness, 2003, S. 108. 864 Die Wahrnehmungen „oben“ und „unten“ im Unternehmen können sehr verschieden sein. Dies hat Revans in einer Studie nachgewiesen. Resultat war, dass von „oben“ her eine vermeintliche „downward transparency“ besteht, wonach das obere Management nahezu 100% der Probleme des mittleren Managements, dieses 94% der Probleme des unteren Managements und dieses 88% der Probleme der operativen Mitarbeiter versteht. Gesamthaft verstünde demnach das obere Management 83% von den Problemen ganz unten. Von „unten“ her betrachtet schätzen die operativen Mitarbeiter, dass ihr Vorgesetzter 28% ihrer Probleme versteht, der Vorgesetzte geht von 43% bei seinem Chef aus und dieser von 59% beim oberen Management. Von „unten“ beurteilt versteht das „obere Management“ somit nicht die „downwards“ berechneten 83% sondern nur 7%. Vgl. R. W. Revans, zitiert in Beer, Decision, 1966, S. 202 f. Sicherlich kann diese grosse Differenz teilweise damit begründet werden, dass „nach unten“ jeweils eher vom Verstehen von relevanten Zusammenhängen und „nach oben“ jeweils eher vom Verstehen von operativen Details ausgegangen wurde. Darüber hinaus dürfte eine gegenseitige Unterschätzung des Beurteilten durch den Beurteilenden vorliegen im Sinne von „die da oben verstehen nichts davon“ resp. „das da unten könnte ich selber also auch noch – sogar noch schneller und besser“.

286 Bildung der MPA-Theorie

5.1.1.5.3 Evolutive Prozessmoderation

Managementprozesse sind viel komplexer als operative Prozesse und entziehen sich einer umfassenden Plan- und Berechenbarkeit. Der gesamte Transformationsprozess und auch die einzelnen Workshops mussten daher evolutiv geplant, durchgeführt und nachbereitet werden. Dies bedeutete, dass während des Transformationsprozesses aufgrund der jeweils aktuell vorliegenden Informationssituation immer wieder ein gemeinsames Verständnis zum weiteren Vorgehen hervorgebracht werden musste. Dabei galt es, sowohl inhaltlich als auch vorgehensmässig immer schon zwei, drei Schritte voraus zu denken und von „möglichen Zukünften“ die für den Transformationsprozess vorteilhaften anzustreben.

Zwecks evolutiver Moderation war stets eine Integration von Teilen – den Detailprozessen – zu einem stimmigen Ganzen – dem Transformationsprozess – zu leisten. Der dargelegte zirkuläre Transformationsprozess wurde nicht nur als Ganzes durchlaufen, er bestand aus vier teilweise parallel aktiven Subprozessen, welche ihrerseits wiederum aus rekursiv angelegten Prozessen bestehen konnten. Ein mathematisches Vorgehen zur Integration der einzelnen Prozesse in ein Ganzes ist nicht denkbar. Deshalb galt es, die einzelnen Prozesse in Schwung zu halten und über Feedforward- und Feedback-Informationen eine gegenseitige Abstimmung der Prozesse zu erreichen. Diese Integrationsleistung musste in sachlogischer, chronologischer und psychologischer Dimension erfolgen.865

5.1.1.5.4 Involvement des Top-Managements

Die Transformation der Management-Prozess-Architektur umfasste sowohl tiefgreifende Veränderungen der Grundstruktur als auch der metasystemischen Managementprozesse des Unternehmens. Für die einzelnen evolutiven Schritte waren stets auch wieder grundlegende Entscheidungen auf Stufe Verwaltungsrat notwendig, wie z.B. jene zur Gliederung der Unternehmensbereiche, zur Logik der Customer Value Center oder zu personellen Besetzung von Organen und Gremien. Da die Verwaltungsratsmitglieder Fredmund Malik, Walter Krieg und teilweise Elisabeth Roth im Projektteam und bei den wesentlichen Workshops dabei waren, ergab sich nicht nur ein klares Top-Management Commitment,sondern es bestand von Beginn weg ein darüber hinaus gehendes Top-Management Involvement. Dieses gewährleistete, dass die Entscheider über ausreichend Informationen für robuste Entscheidungen verfügten, dass Entscheide zudem zeitnah gefällt wurden und dass im Rahmen der Umsetzung diese Personen auch als Vorbilder und Promotoren der 865 Krieg spricht in diesem Zusammenhang von einer evolutionsstrategischen Lenkung des Gesamtentwicklungs-prozesses als Erfolgsfaktor von Systementwicklungen. Vgl. Krieg, Führungsinstrumentarium, 1981, S. 20.

Bildung der MPA-Theorie 287

Transformation agierten.866 Dazu gehörte die Kommunikation resp. die Erklärung und das Vorleben der Transformationsveränderungen.867

5.1.1.6 Schematische Übersicht über den Transformationsprozess

Die nachfolgende Abbildung fasst die wichtigsten Überlegungen zur Interpretation der untersuchten MPA-Transformation aus Sicht des Model of Circular Processes zusammen. Anhand des zirkulären Prozessverständnisses werden die Schwerpunkte des Trans-formationsprozesses in Abhängigkeit zu den fünf zeitlich-linearen Phasen des Trans-formationsprozesses dargestellt. Dabei wird die oft genannte sachlogische Unterscheidung in die Funktionslogik des Metasystems und in die Grundstruktur des Geschäfts in der VSM-Logik als Quadrat und Kreis umgeben von der Umwelt dargestellt.

Abbildung 36: Grundlogik der Transformation der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung)

866 Bzgl. der Wirkung des Engagements vom Top-Management in Transformationsprozessen siehe auch Bruch und Vogel, Organisationale Energie, 2005, S. 258. 867 Zur Wichtigkeit der Unterstützung durch das Top-Management bei Systementwicklungen vgl. auch Krieg, Führungsinstrumentarium, 1981, S. 18 ff.

Reflexion

Aktion

A O

W G

Wirkung Gestaltung

Analyse OptionenBisherigerZustand

NeuerZustand

Reflexion

Aktion

BisherigerZustand

NeuerZustand

Analyse Optionen

Wirkung Gestaltung

ProblemsymptomeLösungspräferenz

Erneuerungsfelder

Routinen

288 Bildung der MPA-Theorie

Aufbauend auf dieser Grundlogik des Transformationsprozesses, lassen sich die zeitlich-linearen Phasen der Transformation der Management-Prozess-Architektur anschaulich in der nachfolgenden Abbildung darstellen.

Abbildung 37: Zeitliche Phasen der MPA-Transformation dargestellt anhand der zirkulären Grundlogik (eigene Darstellung)

In Phase 1 wirkten die bisherige Grundstruktur und das bisherige Metasystem. Ab Phase 2 wurde ein aktives Prozessmanagement im Rahmen eines Projekts durchgeführt (gekennzeichnet durch den kleinen ausgefüllten Kreis in der Mitte). Im Fokus stand in Phase 2 insbesondere die Analyse sowie die Erarbeitung von und die Entscheidung zu Optionen der Grundstruktur des Geschäfts. Dies selbstverständlich immer in Abhängigkeit zu bisherigen und potenziell zukünftigen Aspekten der Umwelt und des Metasystems. In Phase 3 startete bereits die Umsetzung der Grundstruktur, und auf dadurch erzielten Wirkungen konnten Anforderungen an das Metasystem analysiert, definiert und in Optionen berücksichtigt werden. Phase 4 ist gekennzeichnet durch die Umsetzung des neuen Metasystems und den Wegfall des Prozessmanagements durch das Projektteam. Phase 5 zeigt schliesslich den eingeschwungenen Wirkungs-Zustand in der Phase P08.

Dieser, wenn auch schematische, Überblick verdeutlicht vier Kernpunkte der am Malik MZSG durchgeführten MPA-Transformation:

1. Die neue Unternehmung wurde vom Kunden her durchdacht und aufgebaut, d.h. von aussen nach innen.

Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 Phase 5- 10/2006 10/2006 - 01/2007 01/2007 - 04/2007 04/2007 - 01/2008 01/2008 -

S05 P06 P07 P07 P08

Vorphase Projektphase Nachphase

Bildung der MPA-Theorie 289

2. Der gesamte Transformationsprozess war ein zirkulär-evolutiver Prozess, bei dem das Metasystem auf Basis der umgesetzten neuen Grundstruktur konfiguriert wurde.

3. Um in angemessener Zeit tiefgreifende Veränderungen der gesamten Management-Prozess-Architektur zu erzielen, ist ein wirksames Prozessmanagement erforderlich.

4. Bis neue metasystemische Verantwortungen zugewiesen sind, ist das Prozessmanage-ment primär durch ein durchdacht besetztes Projektteam zu gewährleisten. Über Assignments können mit zunehmendem Projektfortschritt auch Personen ausserhalb des Projektteams beigezogen werden.

An dieser Stelle sei nochmals betont, dass nicht nur die MPA-Transformation als Ganzes in dieser Prozesslogik dargestellt und verstanden werden kann. Auch einzelne Initiativen können für sich als Managementprozess mit den Subprozessen Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung verstanden werden. Darüber hinaus kommt diese Prozesslogik auf unterschiedlichen Rekursionsebenen zur Anwendung.

Das Jahres-Auftakt-Meeting bildete den Übergang von der Nachphase P07 zur Nachphase P08. Es war gleichzeitig auch ein verstärktes In-Gang-Setzen von individuellen Manage-mentprozessen. Auf Basis der vermittelten „Essentials“ war jede Person für sich auf-gefordert zu überlegen, wie ihre bisherige Wirkung war, was einer Analyse unterzogen werden muss, welche Optionen der individuellen Veränderung bestehen und wie die präferierten Optionen zur konkreten Gestaltung und optimalen Wirkung gebracht werden können.

5.1.2 Interpretation bezüglich Integrated Management Model

Ein integriertes Management umfasst sowohl unternehmens- als auch mitarbeiterbezogene Managementprozesse, und dies sowohl hinsichtlich eines lang- als auch eines kurzfristigen Zeithorizonts. Wie in Kapitel 3.3 gezeigt, eignet sich für ein so verstandenes integriertes Management das Integrated Management Model besonders gut als Denk- und Handlungs-werkzeug. Nachfolgend seien einige wichtige Aspekte zu den Managementprozessen des Malik Management Zentrum St. Gallen (Malik MZSG) genannt.

5.1.2.1 Unternehmenspolitischer Zweck

Das Leitbild des Malik MZSG („One Mission“) war eine tragfähige Grundlage für die Transformation der Management-Prozess-Architektur und musste daher im Rahmen des

290 Bildung der MPA-Theorie

Transformationsprojekts nicht angepasst werden. Unternehmenspolitisch galt es bei der Initiierung der P06-Projektphase den „Modus Operandi“ von Normalbetrieb auf Change umzustellen. Weiter wurden in der Projektphase sowie in der Nachphase wesentliche unternehmenspolitische Entscheide gefällt und im weiteren Verlauf anhand von Policy-Rules dokumentiert.

5.1.2.2 Strategie und Planung

Die Strategie 2005 des Malik MZSG wurde, abgesehen von der Geschäftsfeldgliederung, vom P07-Transformationsprojekt nicht tangiert, war jedoch wesentlicher Input zur Gestaltung einer strategiegerechten Organisation. Aufgrund der neuen Geschäftsfeld-gliederung (Unternehmensbereiche und Geschäftseinheiten) war auch eine Anpassung der Struktur der Planung und Budgetierung notwendig. Strategisch wichtig auf Ebene des einzelnen CVC erscheint dessen Entwicklungsfähigkeit hin zur Zellmultiplikation. Die Multiplikation eines CVC in zwei neue CVCs ist ein wesentliches Funktionsprinzip des „Programm2007-P07“. Ohne Durchführung grösserer Umstrukturierungen wird so in Zukunft das aus der Umsetzung der Strategie resultierende Wachstum organisatorisch ermöglicht.

5.1.2.3 Ablauf- und Aufbauorganisation

Die Ablauf- und Aufbauorganisation war durch das Transformationsprojekt besonders stark betroffen. Abgeleitet von Überlegungen zu kaufentscheidenden Kriterien von (potenziellen) Kunden wurden Prozesse und Strukturen des Geschäfts neu definiert. Neben der Organisation des eigentlichen Geschäfts (Geschäftseinheiten) wurden auch Unterstützungs-einheiten und Managementeinheiten (Organe und Gremien des Metasystems) konzipiert und umgesetzt. Über die personelle Besetzung der so entstandenen Funktionen wurde im Sinne eines Funktionendiagramms die Verbindung von unternehmens- und mitarbeiterbezogenen Aspekten vollzogen. Der gesamte Transformationsprozess kann als Unternehmens-entwicklung verstanden werden, indem Führungskräfte und Mitarbeiter in den evolutiven Veränderungsprozess einbezogen wurden und somit selbst zur Organisations- und Managemententwicklung beigetragen haben. Auch wenn die MPA-Transformation auf die Ablauf- und Aufbauorganisation besonderen Einfluss hat, sind, wie im Weiteren gezeigt wird, auch alle anderen Managementprozesse von der Transformation betroffen resp. haben diese ermöglicht.

Bildung der MPA-Theorie 291

5.1.2.4 Jahreszielprozess

Der Prozess der Vereinbarung von persönlichen Jahreszielen veränderte sich durch das Transformationsprojekt hinsichtlich der Zielfelder. Die Zielfelder wurden in Überein-stimmung mit der neuen Selbststeuerungslogik definiert. Die in den neuen Zielfeldern vereinbarten Ziele sind entsprechend auch die Basis für die Leistungsbewertung. Das ursprüngliche Budget 2007 und die Führungskräfte-/Mitarbeiterziele 2007 mussten im Januar 2007 aufgrund der mit sofortiger Wirkung eingeführten neuen P07-Struktur auf die neuen Gegebenheiten hin angepasst werden. Die Gesamtunternehmensziele mussten dabei auf die neuen Struktureinheiten heruntergebrochen werden, und insbesondere die persön-lichen Ziele von Führungskräften veränderten sich aufgrund deren neuen Funktionen und Assignments.

5.1.2.5 Persönliche Arbeitsmethodik und -wirksamkeit

Die Arbeitsmethodik der einzelnen Führungskräfte und Mitarbeiter ist eigenverantwortlich von diesen stets weiterzuentwickeln. Im Rahmen des Transformationsprojekts gab es dazu eine wichtige Grundsatzforderung nach schnelleren Feedbacks im Sinne von REX (Report on Execution / Vollzugsbericht). Die REX-Logik ist eine wichtige „Realtime“-Ergänzung zu herkömmlichen periodischen Quartals-, Monats- oder Wochenberichten. Wichtiger Bestandteil einer soliden Arbeitsmethodik sind die gemäss P07 noch vermehrt geforderten Selbstkontrollprozesse (statt Fremdkontrolle), bei denen Vorgesetzte resp. das Metasystem im Idealfall nur überprüfen müssen, dass sich der Mitarbeiter selbst ausreichend kontrolliert.

5.1.2.6 Leistungs- und Führungsergebnisse

Wie in Kapitel 3.3.3.3 dargelegt, handelt es sich bei Leistungs- und Führungsergebnissen selbst nicht um einen Managementprozess, sondern um das Resultat von Management-prozessen. Die Wahrnehmung und Interpretation der Ergebnisse hängt massgeblich vom Erfolgsverständnis ab. Ergebnisse sind als Beitrag zur „Total System Performance“ des Model of Pre-controlled Success zu verstehen. In Kapitel 5.1.4 wird das Ergebnis der MPA-Transformation nach dieser Logik beurteilt.

5.1.2.7 Führungskräfte- und Mitarbeiterentwicklung

Abgeleitet von der P07-Struktur und Funktionsverteilung wurden neue Stellen gestaltet (ad rem) und besetzt (ad personam) sowie für die Umsetzung von P07 wichtige Assignments

292 Bildung der MPA-Theorie

mit Schlüsselpersonen vereinbart. Im Hinblick auf zukünftige Neubesetzungen von aussen wurde die Recruiting-Policy etabliert. Aufgrund der neuen Zielfelder erfolgten auch Änderungen hinsichtlich des Vorgehens im Rahmen der Leistungsbewertung und damit zusammenhängend im Rahmen der Honorierung. Letztere basiert auf dem neuen P07-Führungskräfte-Honorierungssystem.868 P07 ermöglicht für richtige und gute Leute deutlich mehr Entwicklungsperspektiven als die alte Struktur. Die Personalentwicklung wurde mittels Policy-Rules geregelt (Entwicklungsstufen-Policy für operativen / nicht operativen Bereich, Beförderungs-Policy, Marthon3000-Qualifikations-Policy). Gleiches gilt für den Personaleinsatz (Staffing-Policy und Policy zu den überbetrieblichen Seminaren).869

5.1.2.8 Controlling und operative Steuerungssysteme (Disposition)

Controlling- und Berichtskategorien wurden noch während der P07-Projektphase in einem ersten Schritt an die Anforderungen aus P07 angepasst. Als zweiter Schritt erfolgte alsdann die Integration wichtiger Controlling-Funktionen in den Operations Room des Malik MZSG. 870 Die konsequente Erweiterung des Controllings hin zu einem umfassenden Controlling gemäss dem Model of Pre-controlled Success wäre dann der logische dritte Schritt. Steuerungssysteme hinsichtlich Kunden, Projekte und Mitarbeiter wurden ebenfalls auf die P07-Logik angepasst. Das neue Dokumentenmanagementsystem bietet zudem Transparenz in der Vielfalt von Dokumenten.

5.1.2.9 Managementprozesse in den Unternehmens- und Geschäftsbereichen

Wie oben dargestellt, wurden durch die MPA-Transformation am Malik MZSG alle Managementprozesse des Integrated Management Model genutzt und/oder re-konfiguriert.Dies zeigt auf, dass eine tiefgreifende Struktur-Transformation zwingend einhergeht mit einer Transformation der Managementprozesse. Die oben zu den einzelnen Management-prozessen dargelegten Aspekte bezogen sich primär auf die Gesamtunternehmensebene. Selbstverständlich kommen rekursiv auf Unternehmensbereichs- und Geschäftseinheits-ebene ebenfalls Managementprozesse zum Tragen. In Kapitel 4.3.6.4 wurde deshalb der

868 Das neue Honorierungssystem ist dem Managementprozess „Stellenbewertung und Entlohnung“ der Detailversion des Integrated Management Model zuzuordnen. Dieser hat als einziger Prozess neben der „Persönlichen Arbeitsmethodik“ einen direkten Einfluss-Pfeil auf das „Handeln/Ausführen“. Vor diesem Hintergrund erfolgte die Verabschiedung des neuen Honorierungssystems Mitte März 2008 – also ein Jahr nach Abschluss der Projektphase der MPA-Transformation – zu einem relativ späten Zeitpunkt. 869 Zu den erwähnten Policies im Einzelnen siehe Kapitel 4.4.1. 870 Zu Grundlagen und Funktionalitäten eines Operations Room vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 181 und 268 ff. sowie Hetzler, Entscheidungsumfelder, 2008, S. 276 ff.

Bildung der MPA-Theorie 293

P07-Umsetzungsstand innerhalb der Customer Value Centers anhand des Integrated Management Model kurz dargelegt. Da auf Unternehmensbereichs- und Geschäftseinheits-ebene mit dem Integrated Management Model das gleiche Managementmodell zur Anwendung kommt wie auf der Ebene des Gesamtunternehmens, wird auch eine vertikale Integration der Managementprozesse über die Rekursionsebenen hinweg ermöglicht.

5.1.3 Interpretation bezüglich Viable System Model

Die Betrachtungslogik von Unternehmen als lebensfähigen Systemen wurde in Kapitel 3.2 reflektiert und anhand des Viable System Model im Detail dargestellt. Vor dessen Hintergrund sollen nachfolgend wichtige Aspekte des MPA-Transformationsprozesses hervorgehoben werden.

5.1.3.1 Berücksichtigung der Selbstorganisationskraft

Die Neuordnung der Grundstruktur des Geschäfts, also die Untergliederung des Malik Management Zentrum St. Gallen (Malik MZSG) in Unternehmensbereiche und Geschäfts-einheiten, erfolgte in der Weise, dass inskünftig ein Maximum an Selbstorganisation und Selbstmanagement möglich ist. Zu diesem Zweck wurden dezentrale Einheiten mit eigener Ergebnisverantwortung und hoher Kundenorientierung geschaffen. Dabei wurde berück-sichtigt, dass diese neuen Einheiten untereinander möglichst wenige resp. unproblematische Schnittstellen aufweisen.

Mit diesem Vorgehen konnte bewirkt werden, dass die von allen Unternehmensbereichen und deren Geschäftseinheiten nicht selbst bewältigbare und somit durch das Metasystem zu meisternde Komplexität nicht zu gross ist. Gemäss dem ersten Management-Axiom von BEER ist diese verbleibende horizontale Varietät gleich gross wie die erforderliche Varietät der sechs vertikalen Varietätskanäle. 871 Konkret heisst dies, dass je besser die Grund-gliederung in Unternehmensbereiche und Geschäftseinheiten gelingt, umso weniger meta-systemischer Managementaufwand notwendig ist.

Bei der Ausgestaltung der vertikalen Varietätskanäle im Rahmen der Metasystem-Konfiguration wurde bewusst darauf geachtet, dass der Interventions-/Befehlskanal, der mit

871 "The sum of horizontal variety disposed by n operational elements equals the sum of vertical variety disposed on the six vertical components of corporate cohesion." Vgl. Beer, Heart, 1979/1994, S. 217 sowie Kapitel 3.2.3.3 (Operative Gesamtleitung).

294 Bildung der MPA-Theorie

einem hohen Führungsaufwand verbunden ist und als grosser Eingriff in die Autonomie der Einheiten wahrgenommen wird, möglichst wenig Varietät zu bewältigen hat. Stattdessen wurde insbesondere mit der Etablierung von Policy-Rules („Policies“) eine starke Kohäsion geschaffen.

5.1.3.2 Berücksichtigung der fünf Systemfunktionen

Die P06-Projektphase der MPA-Transformation wurde primär für die Gliederung des eigentlichen Geschäfts, d.h. des 1er-Systems gemäss Viable System Model, verwendet. Mit zweiter Priorität wurde an Aspekten der Unterstützung, Koordination und metasystemischen Lenkung gearbeitet, d.h. an den Systemen 2 - 5. Zum Zeitpunkt des Umsetzungsstarts der neuen Grundstruktur lagen zum Metasystem zwar insbesondere ad rem schon einige Design-Elemente vor, diese wurden dann aber bewusst erst in der P07-Projektphase unter Einbezug der Erfahrungen mit der neuen Grundstruktur im Detail ausgearbeitet und personell besetzt.

Die gesamte Transformation wurde somit vom Kunden her über die 1er-Systeme, die Koordinations- und Unterstützungsmechanismen (System 2) und die Gremien und Organe des Metasystems (Systeme 3 - 5) hin durchgeführt. Dies kann gewissermassen als „bottom-up-Entwicklung“ bezeichnet werden, bei der nicht die Führungskräfte, sondern der Kunde im Zentrum steht. Statt von „von unten nach oben“ könnte man auch von „von aussen nach innen“ sprechen.

Am Ende der Projektphase waren alle fünf Systemfunktionen in der neuen P07-Logik vorhanden und auch mit Verantwortlichkeiten durch Organe und Gremien hinterlegt. Diese Systemfunktionen sind Kern des Programm2007, für das die Abkürzung P07 steht. P07 ist erkennbar mehr als eine Struktur, es ist ein Programm, welches immer wieder von neuem funktionsfähige Strukturen hervorbringt; also ein Programm zur evolutiven Selbst-organisation.872

Organe und Gremien wurden so definiert, dass klare Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Systemfunktionen vorliegen. Die Etablierung von Management Cybernetics & Bionics (MCB) als fünfter Unternehmensbereich und die personelle Erweiterung des S3-Ausschusses um die Verantwortlichen sämtlicher fünf Unternehmensbereiche waren Anpassungsmassnahmen in der Projekt-Nachphase, welche die Voraussetzungen schufen, dass im Metasystem die Interessen aller Unternehmensbereiche ausreichend verankert sind. Hinsichtlich des S4-Ausschuss‘ ist aus heutiger Sicht zu überlegen, ob dieser ggf. noch eine 872 Vgl. Archiv MZSG, Doc-30, Drehbuch Info-Veranstaltungen, S 1.

Bildung der MPA-Theorie 295

aktivere Funktion im Zusammenhang mit dem Management von innen- und aussen-gerichteten Innovationen873 wahrnehmen sollte. Der Verwaltungsrat als Organ des Systems 5 wird ergänzt durch die Mitarbeitervertretung System 5. Hinsichtlich letzterer ist aus heutiger Sicht zu überlegen, wie dieses Gremium auch in der P07-Logik seine Wirksamkeit entfalten kann. Dies nicht zuletzt deshalb, weil es u.a. die damalige Mitarbeitervertretung System 5 war, welche massgeblich zur guten Informationslage im P07-Projektteam beitrug und deren Beitrag auch für die zukünftige Unternehmensentwicklung des Malik MZSG bedeutsam sein dürfte.

5.1.3.3 Berücksichtigung der rekursiven Logik

Die fünf Unternehmensbereiche (MCE, MFI, MCB, MSP und MMI) sind für sich genommen lebensfähige Systeme, welche sich ihrerseits wieder aus lebensfähigen Systemen zusammensetzen. In MCE sind dies die in Kapitel 4.3.3 im Detail vorgestellten Customer Value Centers. Diese haben eine eigene Umwelt (CRA), eine eigene Operation (CVC) und ein eigenes Management (CVC-Leitung). Somit ist das nachfolgende Recursive System Theorem von BEER erfüllt: „In a recursive organizational structure, any viable system contains, and is contained in, a viable system.”874

Ebenso wie auf Gruppenebene sind auch auf Ebene der Geschäftseinheiten wiederum die fünf Systemfunktionen vorhanden. Die Systeme 3, 4 und 5 teilen sich hinsichtlich der Verantwortung bei den Customer Value Centers nicht auf verschiedene Organe oder Gremien auf, sondern werden gesamthaft von der CVC-Leitung wahrgenommen. Je nach dem, ob ein CVC-Pilot strategische Eckpfeiler festlegt (z.B. zum Kompetenzaufbau innerhalb seines CVC oder zur Schwerpunktsetzung bei der Bearbeitung der CRA) oder z.B. operatives Rechnungscontrolling durchführt, hat er einen unterschiedlichen „systemischen Hut“ auf.875 Um dieses Systemfunktionen möglichst gut wahrzunehmen, wendet jedes CVC für sich selbst auch das Integrated Management Model an. Dadurch ist sichergestellt, dass auch bezüglich der Managementprozesse eine rekursiv-konsistente Logik besteht.

Die rekursive Logik des „Programm2007-P07“ entspricht einer funktionell-logischen Architektur auf Basis von Informationsflüssen. Dies im Gegensatz zu personell-organisatorischen Hierarchien auf Basis von Machteinflüssen. Die Umsetzung des funktionell-logischen Prinzips lässt sich z.B. daran erkennen, dass es zwischen den 873 Zu innengerichteten Innovationen gehören z.B. neuartige Prozesse und Systeme, währenddem zu aussengerichteten Innovationen insbesondere neuartige Produkte und Dienstleistungen gehören. 874 Beer, Heart, 1979/1994, S. 118. 875 Vgl. hierzu auch Kapitel 2.1.5.2 (Multifunktionalität).

296 Bildung der MPA-Theorie

einzelnen CVCs und dem S3-Ausschuss keine personell-organisatorische Hierarchiestufe gibt. Im Weiteren ist auch die aktuelle personelle Besetzung und Funktionsweise von Organen, Gremien und Arbeitsgruppen ein Zeichen dafür, dass potenziell jeder im Metasystem mitwirken kann.

Der zukünftige Erfolg von P07 wird massgeblich davon abhängen, inwiefern es gelingen wird, die rekursiv angelegten Managementprozesse möglichst dezentral ablaufen zu lassen. Managementeinheiten resp. -entscheide auf Gruppenebene sollten Managementprozesse „untergeordneter“ Rekursionsebenen möglichst nur indirekt durch Leitplanken (z.B. Policy-Rules) beeinflussen. Das so entstehende „Selbstmanagement“ (im Rahmen gesteckter Leitplanken) ist das „Pendant“ zur „Selbstorganisation“.876

5.1.4 Interpretation bezüglich Model of Pre-controlled Success

Im Sinne des in Kapitel 3.1.3 vorgestellten „Model of Pre-controlled Success“ mit seinen drei Controlling-Komponenten – Customer Value Controlling, Business System Controlling und Management Process Controlling – stellt sich die Frage, ob die MPA-Transformation am Malik MZSG aus heutiger Sicht positiv auf den umfassenden Erfolg des Unternehmens gewirkt hat.

Anfänglicher Widerstand und Gerüchte treten in jeder tiefgreifenden Transformation auf. Sie sind Zeichen dafür, dass es sich nicht um eine oberflächliche, sondern eine wirklich tiefgreifende Transformation handelt. Reduziert – aber niemals komplett eliminiert – werden können diese negativen Symptome durch einen auf die Transformation hin gerichteten permanenten Kommunikationsprozess. Ergänzend dazu ist aber mittel- bis langfristig eines unerlässlich: Die Transformation muss Erfolg bringen. Erfolg lässt manchen Widerstand schwinden und manches Gerücht verstummen.

Es wäre vermessen, wenige Monate nach dieser grundlegenden Transformation schon abschliessend über deren Erfolg zu urteilen. Indessen scheint es möglich, mit einer Standort-bestimmung hinsichtlich der Kategorien des „Model of Pre-controlled Success“ einige Aussagen im Sinne von „ersten Anzeichen für Erfolg“ festzuhalten.

876 Vgl. hierzu auch Kapitel 3.2.1.2 zum Zusammenspiel von Management und Organisation.

Bildung der MPA-Theorie 297

5.1.4.1 Customer Value Controlling

Überbetriebliche und innerbetriebliche Seminare sowie Beratungsprojekte des Malik MZSG werden hinsichtlich der Kundenzufriedenheit und des erzielten Nutzens laufend beurteilt. Bei überbetrieblichen Seminaren geschieht dies aufgrund einer standardisierten Systematik,und die Resultate werden unternehmensweit kommuniziert. Bei innerbetrieblichen Schulungs- und Beratungsprojekten wird dies individuell gestaltet und ist Bestandteil des Qualitätsmanagements innerhalb der einzelnen Customer Value Centers. Aus heutiger Sicht ist zu überlegen, ob ggf. auch dazu eine CVC-übergreifende Systematik erforderlich ist. Neben einer dezentralen Selbstkontrolle könnte gerade bei grösseren Projekten eine zentrale stichprobenartige Qualitätssicherung hilfreich sein.

Aufgrund der Vielzahl an erfolgreich abgeschlossenen Projekten, der Beauftragung mit Folgeprojekten sowie der Anzahl neuer Kunden lässt sich festhalten, dass der Kundennutzen durch das Transformationsprojekt jedenfalls nicht beeinträchtigt wurde. Einerseits ist dies dem Umstand zuzuschreiben, dass bisherige Projekte und Kundenbeziehungen in ihrer personellen Besetzung mit Malik MZSG-Mitarbeitern unverändert weitergeführt wurden. Anderseits kann in Schulungs- und Beratungsprojekten die Alleinstellung des Malik MZSG durch die Customer Value Centers wesentlich besser argumentiert und verwirklicht werden, als dies früher durch CCD und MED der Fall war.

5.1.4.2 Business System Controlling

5.1.4.2.1 Marktstellung

Neben dem im Rahmen des Customer Value Controlling bereits aufgeführten Aspekt des Kundennutzens sind hinsichtlich der Markstellung Aspekte wie Marktanteile, Bekanntheit/ Image und Kundennähe wichtig. Auch wenn dazu keine quantitativen Zahlen verfügbar sind, so lässt sich doch zumindest eine qualitative Beurteilung durchführen. Hinsichtlich des Marktanteils kann festgehalten werden, dass das Malik MZSG den Umsatz trotz dem erheblichen Arbeitsaufwand für das Transformationsprojekt nochmals markant steigern konnte.877 In der Umwelt des Malik MZSG steigt – aufgrund von Vorkommnissen wie etwa der Kreditkrise in den USA – der Bedarf, Komplexität und Möglichkeiten zu deren Bewältigung besser zu verstehen. Parallel zum damit verbundenen Informationsbedarf hat das Malik MZSG die Arbeit im Bereich Customer Information & Communication verstärkt.

877 Vgl. Archiv MZSG, Doc-81, Mitteilung an alle „Erfreuliches Jahresergebnis 2007“ sowie Archiv MZSG, Doc-84, Mitteilung an alle „Erfreuliche erste Ergebnisse 2008“.

298 Bildung der MPA-Theorie

Es ist somit von einer erhöhten Bekanntheit und einem gestärkten Image des Malik MZSG als Partner für die Meisterung von Komplexität auszugehen. Die CVC/CRA-Logik führte zudem dazu, dass das Malik MZSG so nahe beim Kunden ist wie noch nie.878

5.1.4.2.2 Innovationsleistung

Die Innovationsverantwortung wurde im Rahmen des Transformationsprojekts dem Unternehmensbereich MCB in Kombination mit dem S4-Ausschuss zugeteilt. Im Rahmen der Davoser-Gespräche 2007/II wurde von einem Innovationsstau gesprochen.879 Dieser rührte daher, dass sehr viele Inventionen gleichzeitig in der Innovations-Pipeline waren und teilweise die Managementressourcen für einen Roll-out fehlten. Innovative Management-Lösungen wie PIMS oder VSM wurden seither aber mit Erfolg vermehrt in Schulungs- und Beratungsprojekten integriert.

Aufgrund der Zunahme an spezialisierten Produkten ist aus heutiger Sicht zu überlegen, wie die CVCs darin unterstützt werden können, diese Innovationen auch wirklich in ihrer CRA zu realisieren. Zunehmend wichtig werden dazu sicherlich die Expert Groups, verständlich dokumentierte und anwendbare Instrumente sowie das Cross-Staffing von jeweiligen Experten, die sich mit den innovativen Management-Lösungen in voller Tiefe auskennen. Diese Aspekte müssen im Sinne eines internen Innovationsmanagements weiterhin gestaltet, gelenkt und entwickelt werden.

5.1.4.2.3 Produktivitäten

Die im Rahmen des Transformationsprojekts verbesserte interne Aus- und Weiterbildung sowie die vermehrte Dezentralisierung wirken positiv auf die Produktivität des Wissens sowie auf die Produktivität der Zeit. Wissen wird systematisch aufgebaut, in Aus- und Weiterbildungen vermittelt und kommt dezentral, beim Kunden, zur gezielten Anwendung. Um die Produktivität der Arbeit zu erhöhen, sind die unter Innovationsleistung genannten Punkte der Expert Groups, der Instrumentierung und des teilweise spezialisierten Personal-einsatzes ebenfalls von grosser Bedeutung. Dies gerade auch deshalb, weil die gewählte Variante der CVC-Logik mit Bezug auf „Effizienz durch Rationalisierung“ am

878 Vgl. Archiv MZSG, Doc-44, Mitteilung an Führungskräfte „P07-Neuigkeiten 1“, S. 1 sowie Archiv MZSG, Doc-45, Mitteilung an alle „P07-Neuigkeiten II“, S. 1. 879 Vgl. Archiv MZSG, Doc-77, Protokoll Davoser Gespräche II 2007, S. 20 f.

Bildung der MPA-Theorie 299

schlechtesten abschnitt880 und dies somit durch CVC-übergreifende Mechanismen adjustiert werden muss. Zur Produktivität des Kapitals wird unter 5.1.4.2.6 Stellung bezogen.

5.1.4.2.4 Attraktivität für richtige und gute Leute

Als Anbieter von Leistungen zu richtigem und gutem Management haben Mitarbeiter mit fundiertem Managementwissen und Managementerfahrung für das Malik MZSG doppelte Wichtigkeit: Einerseits sind sie Schlüsselpersonen für Kundenprojekte und anderseits sind sie auch Schlüsselpersonen für die Führung des Malik MZSG. Um die Strategie 2005 erfolgreich umzusetzen, sind ausreichend richtige und gute Leute notwendig.

Die Attraktivität des Malik MZSG ergibt sich für solche Leute aus unterschiedlichen Komponenten. Erstens macht die Corporate Mission des Malik MZSG für viele Leute nicht nur mit Bezug auf die Institution, sondern auch für sie selbst individuell Sinn. Dazu benötigen sie, zweitens, eine Aufgabe, die sie als Beitrag zur Missions-Erfüllung wahr-nehmen und mit Einsatz ihrer Stärken bewältigen können. Drittens sollen sie aufgrund der von ihnen erzielten Resultate auch entsprechende individuelle Entwicklungsmassnahmen und -schritte durchführen können. Viertens sollen ihre Leistungen auch gut honoriert werden. Diese vier Aspekte sind durch die MPA-Transformation noch mehr zum Tragen gekommen.

Die Transformation der Management-Prozess-Architektur führte für die zahlreichen Mitarbeiter, die primär an Aufgaben und Funktionen statt an Positionen interessiert sind, zu einer Attraktivitätszunahme. Für einige wenige führte die neue Management-Prozess-Architektur zu einem Verlust an vermeintlichen Status-Symbolen, und sie haben teilweise das Unternehmen verlassen. Unter dem Strich war im „Transformationsjahr 2007“ die Personal-Fluktuation zwar numerisch etwas höher als in Vorjahren, blieb aber nach Einschätzung der Teilnehmer der Davoser-Gespräche immer noch in einem gesunden Rahmen.881

5.1.4.2.5 Liquidität und Cashflow

Das Transformationsprojekt hatte keinen negativen Einfluss auf die Liquiditätssituation. Im Gegenteil, durch die Etablierung der neuen Angebots-, Preis- und Fakturierungspolitik

880 Vgl. Kapitel 4.3.3.3 (Durchführung der Beurteilung der Organisationsvarianten). 881 Vgl. Archiv MZSG, Doc-77, Protokoll Davoser Gespräche II 2007, S. 10.

300 Bildung der MPA-Theorie

sowie das verbesserte Debitorenmanagement und Mahnwesen konnten wichtige Leitplanken zur anhaltenden Sicherung der Liquidität definiert und umgesetzt werden.

5.1.4.2.6 Gewinn(erfordernis) und Profitabilität

Die Profitabilität ist eine resultierende Grösse, welche mit der Produktivität des Kapitals korrespondiert. Kurzfristig könnte sie stark durch reduktionistische Aktionen positiv beeinflusst werden. Langfristig kann sie aber nur hoch gehalten werden, wenn Marktstellung, Innovation, Produktivitäten und Attraktivität für richtige und gute Leute ausreichend gegeben sind. 2007 wurde im Malik MZSG ein Rekordergebnis verzeichnet. Dieses Rekordergebnis wurde als weiterer Beweis für die Wirksamkeit von P07 mit seinen (selbst)steuernden flexiblen Einheiten und der „wachstumsfähigen“ Struktur interpretiert.882

5.1.4.3 Management Process Controlling

Neben dem Customer Value Controlling und dem Business System Controlling bildet das Management Process Controlling den dritten Eckpfeiler eines systemorientierten Controlling gemäss dem Model of Pre-controlled Success. Informationen aus dem Management Process Controlling dienen insbesondere auch dem „Management der Managementprozesse“.

In der Vorphase zum Transformationsprojekt fand das Management Process Controlling auf Gesamtunternehmensebene insbesondere im Rahmen des Corporate Strategic Controlling Berücksichtigung.883 Während dem Transformationsprojekt wurde das Management Process Controlling durch das Projektteam gewährleistet. In der Nachphase zum Transformations-projekt wurde das Management Process Controlling im Rahmen der Unterstützungsfunktion „Controlling & Information Systems“ sowie insbesondere im Rahmen der Davoser-Gespräche 2007/I und 2007/II durchgeführt. Selbstverständlich folgte das Management Process Controlling nicht nur einem Rhythmus von Veranstaltungen, sondern war etwas, das sozusagen „realtime“ – im Sinne von Informationsflüssen in und zwischen den Managementprozessen – funktionierte.

Das Management Process Controlling erfolgt heutzutage auf Basis der transformierten Management-Prozess-Architektur. Dies bedeutet, dass nicht nur auf Gesamtunternehmens-ebene, sondern auch in den neuen Unternehmensbereichen und in den Geschäftseinheiten /

882 Vgl. Archiv MZSG, Doc-81, Mitteilung an alle „Erfreuliches Jahresergebnis 2007“. 883 Vgl. Kapitel 4.2.5 (Unterstützungsfunktion Corporate Strategic Controlling).

Bildung der MPA-Theorie 301

Customer Value Centers ein Management Process Controlling durchgeführt wird. Dies geschieht überall nach den Managementprozessen des Integrated Management Model.

Auf Gruppenebene liegt die Verantwortung für das Management Process Controlling und Lenkungsmassnahmen beim Vorsitzenden des S3-Ausschuss, Peter Stadelmann, während-dem notwendige Gestaltungsmassnahmen resp. -projekte durch den S4-Ausschuss (ggf. unter Beizug ausgewählter Unterstützungsfunktionen) durchgeführt werden. Der Ver-waltungsrat überwacht die durch Lenkungs- und Gestaltungsmassnahmen resultierende Entwicklung der Management-Prozess-Architektur und kann auch selbst Entwicklungs-massnahmen einleiten.

Auf Ebene der Unternehmensbereiche resp. der Customer Value Centers liegt die Verantwortung für das Management Process Controlling bei den Unternehmensbereichs-Leitern resp. den CVC-Piloten. Beim Malik MZSG werden somit Managementprozesse auf zwei Ebenen überwacht: 1. Ebene der Unternehmensgruppe 2. Ebene von MSP, MFI, MCB, MMI und den CVCs (CVC1-7)

Neben der (horizontalen) Abstimmung der Managementprozesse innerhalb eines Unter-nehmensbereichs resp. Geschäftsbereichs ist zudem eine (vertikale) Abstimmung der Managementprozesse auf über- resp. untergeordnete Managementprozesse notwendig. Diese vertikale Abstimmung wird insbesondere durch Policies gewährleistet. Diese stellen sicher, dass die Unternehmensbereiche resp. Geschäftseinheiten untereinander nicht in konflikterzeugende Situationen geraten. Ein Beispiel für eine zu vermeidenden konflikt-erzeugende Situation wäre der Umstand, dass ein Mitarbeiter einer bestimmten Funktions-stufe im CVC02 in einer komplett anderen Gehaltshöhe liegt als ein Mitarbeiter der gleichen Funktionsstufe im CVC05. Neben solchen inhaltlich erforderlichen Abstimmungen gibt es auch den Bedarf an zeitlicher Abstimmung. So sorgt z.B. der Planungs- und Budgetierungs-prozess auf Gesamtunternehmensebene für eine synchrone Ausrichtung der Planungs- und Budgetierungsprozesse in den einzelnen Unternehmensbereichen und Geschäftseinheiten. Psychologisch betrachtet ist die Involvierung von Schlüsselpersonen unterschiedlicher Rekursionsebenen in einen Managementprozess (z.B. gemeinsame Strategieerarbeitung) und/oder das „Tätig-sein“ einer Schlüsselperson auf mehreren Rekursionsebenen ein wichtiges Vernetzungsprinzip.

Wesentlich ist an dieser Stelle anzumerken, dass das Management Process Controlling wie auch das darauf aufbauende Management der Managementprozesse nicht primär in die Verantwortung einer organisatorisch-hierarchisch übergeordneten Managementebene fällt,

302 Bildung der MPA-Theorie

sondern auf der gleichen Ebene im Sinne eines Selbst-Controlling und Selbst-Management wahrgenommen wird. Das Management der Managementprozesse in der CVCx obliegt somit primär dem Leitungsteam der CVCx. Dieses muss in der Lage sein, gedanklich zwischen der Meta- und der Objektebene zu unterscheiden.

Die Notwendigkeit eines Managements der Managementprozesse lässt sich logisch herleiten. Sie ergibt sich aus Überlegungen zur funktionellen Hierarchie der Steuerung884 und wird verständlich und wirksam, „indem man sich auf diese Überwachungsprozesse höherer Ordnung konzentriert und Entdeckungsprozesse implementiert, deren Aufgabe darin besteht, die Inadäquanz untergeordneter Prozesse aufzudecken und zu beheben.“885 Das Manage-ment Process Controlling und das darauf aufbauende Management der Management-prozesse dient der Programmierung der Voraussetzungen für Unternehmenserfolg. Nicht per Zufall wurde P07 von einer Abkürzung für Projekt2007 zu einer Abkürzung für Programm2007. Programmierung kann auf zwei unterschiedliche Arten erfolgen. Entweder ist sie auf das konkrete Ergebnis eines Verhaltens gerichtet oder aber sie definiert lediglich die Art und Weise, in der das Verhalten abzulaufen hat (ohne Rücksicht auf das konkrete Ergebnis). 886 Das Management der Managementprozesse hat für diese zweite Art der Programmierung zu sorgen. Durch die Art und Weise, wie Managementprozesse abzulaufen haben, werden zwar keine Einzelentscheide inhaltlich getroffen, aber es werden Voraus-setzungen geschaffen, dass Einzelfallentscheide von kompetenten Leuten richtig und gut getroffen werden. Diese Art der Programmierung führt somit zu einer Varietätsverstärkung,welche wirksame Reflexion und Aktion in komplexen Situationen ermöglicht.

5.2 Thesen zur Konstitution der MPA-Theorie

In Kapitel 5.1 wurden die MPA-Theoriebausteine und die Ergebnisse der real durchgeführten MPA-Transformation zusammengeführt und interpretiert. Im Folgenden geht es nun darum, für eine Verallgemeinerung geeignete Untersuchungsergebnisse (Induktionsschluss 887 ) sowie Prinzipien, welche die Untersuchungsergebnisse erklären

884 Vgl. Bachmann und Michel, Komplexitätsbewältigung, 2001, S. 46 f. 885 Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 290. 886 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 290. Als Beispiel für diese zweite Art der Programmierung nennt Malik die strukturelle Programmierung der Sprache, welche per se noch nichts über den Inhalt einer sprachlichen Äusserung aussagt. 887 Beim Induktionsschluss wird vom Besonderen zum Allgemeinen geschlossen. Induktive Schlüsse sind immer unsichere Schlüsse, weil sie zukunftsgerichtet sind und sich daher der konkreten Beobachtung entziehen und sich im

Bildung der MPA-Theorie 303

können (Abduktionsschluss888), in Form von Thesen zu formulieren. Letztere bilden in Summe die Theorie der Management-Prozess-Architektur (MPA-Theorie).889

Die Thesen werden nachfolgend zur Verdeutlichung des Gedankens der Vorsteuerung von aussen (d.h. vom Kunden her) nach innen (d.h. zum Management hin) dargelegt. Sie werden somit vom angestrebten Resultat zu den Ursachen zurückentwickelt.

5.2.1 Thesen zum Resultat von Managementprozessen

Das Resultat der Managementprozesse ist die Total System Performance einer Unter-nehmung. Diese umfasst gemäss dem Model of Pre-controlled Success die Customer Value Performance (Qualitäts/Preis-Verhältnis), die Business System Performance (6 Central Performance Controls) und die Management Process Performance (Management und Ausführung der Managementprozesse). Das erste Set von Thesen (Thesen A-D) bezieht sich auf den so verstandenen Erfolg von Unternehmen.

These A: Unternehmen, welche über eine längere Zeit eine überdurchschnittliche Business System Performance aufweisen, schaffen im Markt einen überdurchschnittlichen, d.h. positiven Kundennutzen.890

Der Kundennutzen wird dabei als Qualitäts/Preis-Verhältnis des Leistungsangebots des Unternehmens relativ zum Wettbewerb aus Sicht von Kunden und Nicht-Kunden verstanden. Die Business System Performance setzt sich aus den sechs Master Controls

Weiteren auch nicht logisch ableiten lassen, wie dies bei der Deduktion möglich ist. Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 300 f. 888 Bei der Abduktion wird aufgrund von vorliegenden Fakten nicht auf weitere ähnliche Fakten geschlossen, sondern es werden die allgemeinen Prinzipien gesucht, welche die Fakten erklären können. Eine mittels Abduktion hergeleitete Erklärung konkurriert immer mit anderen möglichen Abduktionen und hat daher einen spekulativen Charakter. Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 301. 889 Die MPA-Theorie ist als „vorläufige“ Theorie zu bezeichnen und wird wissenschaftlich gesehen erst zu einer bewährten Theorie, wenn durch Deduktion abgeleitet statistische Hypothesen und deren Prüfung auf breiterer Datenbasis die Theorie bestätigen. Vgl. Bortz, Forschung, 1984, S. 217. In einer anwendungsorientierten Wissenschaft wie der Managementlehre ist neben der streng wissenschaftlichen Bewährung auch die Nützlichkeit in der Praxis ein wichtiges Regulativ von Theorien. 890 Es sei darauf hingewiesen, dass die hier vereinfacht linear dargestellte Beziehung auch eine gewisse entgegengesetzte Beeinflussung beinhaltet: Je höher der Kundennutzen, desto mehr Marktanteilsgewinne und je mehr Marktanteilsgewinne desto besser die Markstellung und damit die Business System Performance. Nicht nur bei dieser, sondern auch bei vielen der weiteren Thesen wird man bei genauem Hinsehen erkennen, dass es sich nicht um eine strikt lineare Beziehung handelt, sondern um eine Wechselwirkung. Die Thesen versuche ich jeweils so zu formulieren, dass sie argumentativ die jeweils stärkere und originäre Beeinflussungsrichtung hervorheben.

304 Bildung der MPA-Theorie

Marktstellung, Innovationsleistung, Produktivitäten, Attraktivität für richtige und gute Leute, Liquidität und Cash-Flow sowie Gewinn und Profitabilität zusammen.

These B: Unternehmen, welche über eine längere Zeit eine überdurchschnittliche Management Process Performance aufweisen, schaffen es, eine überdurchschnittliche Business System Performance zu erzielen und zu halten.

Die Management Process Performance zeichnet sich durch richtige und gute Entscheide zu Fragen der Unternehmens- und Mitarbeiterführung einerseits und eine erhöhte Manage-mentprozesserfahrung anderseits aus. Letzere steigert die Problemlösungskompetenz und somit das Komplexitätsbewältigungspotenzial des Unternehmens.

These C: Unternehmen, welche über eine längere Zeit Managementprozesse wirksam ausführen, erhöhen dadurch die Management Process Performance.891

Wirksam ausgeführte Managementprozesse bringen eine erhöhte Management Process Performance und – damit einhergehend – eine gesteigerte Managementprozesserfahrung. Diese wiederum bildet über Feedbackprozesse die Basis für zukünftig wirksam ausgeführte Managementprozesse und führt somit zu einem selbstverstärkenden Kreislauf.892

These D: Die Total System Performance auf der betrachteten Rekursionsebene ist abhängig von der Summe der Total System Performances der ergebnisverantwortlichen Einheiten auf der jeweils untergeordneten Rekursionsebene und liefert selbst einen entscheidenden Beitrag an die übergeordnete Rekursionsebene.

Die Total System Performance (bestehend aus Customer Value Performance, Business System Performance und Management Process Performance) einer ergebnisverantwort-lichen Einheit der Rekursionsebene R0 ist ein Beitrag an die Total System Performance der Rekursionsebene R+1. Analog ist die Total System Performance einer ergebnisverantwort-lichen Einheit der Rekursionsebene R-1 als Beitrag für die Rekursionsebene R0 zu verstehen.

891 Wie in Kapitel 5.2.2 (Thesen zur Ausführung von Managementprozessen) noch näher gezeigt wird, hängt die Wirksamkeit der Ausführung der Managementprozesse im Wesentlichen von vier Aspekten ab: Erstens vom Management der Managementprozesse, zweitens vom Verständnis von Managementprozessen als zirkuläre Problemlösungsprozesse, drittens von den Input-/Output-Abstimmungen und viertens von der Prozessqualität. 892 Vgl. hierzu auch die Überlegungen von Wiener zur „Programmierung aus Erfahrung“, Wiener, Kybernetik, 1948/1963, S. 252.

Bildung der MPA-Theorie 305

5.2.2 Thesen zur Ausführung von Managementprozessen

Die Management Process Performance und somit auch die Total System Performance ist abhängig von der Ausführung der Managementprozesse. Diesem Punkt ist daher das zweite Thesen-Set (Thesen D-F) gewidmet.

These E: Die Ausführung der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser die Qualität von Prozess-Input, Prozess-Throughput und Prozess-Output ist.893

Bei der Qualitätsbeurteilung von Input und Output sind insbesondere deren Rechtzeitigkeit und Vollständigkeit relevant. Die Qualität des Throughputs ist abhängig von den involvierten Personen (und deren Wissen), von den verfolgten Inhalten/Grundsätzen, von vorhandenen Systematiken/Instrumenten sowie von deren konsequenter Anwendung.894,895 Input- und Output-Beziehungen der Managementprozesse sorgen für eine horizontale (Rekursionsebene R0) und vertikale (Rekursionsebene R+1/-1) Synchronisation der Management-Prozess-Architektur.

These F: Die Ausführung der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser die chronologischen, sachlogischen und psychologischen Input-/Output-Abstimmungen der betrachteten mit der über- und untergeordneten Rekursionsebene erfolgen.

Diese Abstimmung stellt sicher, dass die Managementanstrengungen auf ein Gesamt-optimum statt auf ein Einzelmaximum hin ausgerichtet sind. Es wird dabei ein orchestriertes

893 An dieser Stelle sei nochmals darauf hingewiesen, dass es sich bei Managementprozessen um Prozesse des Subsystems „Management“ handelt, welche Informationen (Input) aus den Subsystemen „Umwelt“ und „Operation" (Leistungssystem) zu Entscheidungen (Output) transformieren. Diese Entscheide beeinflussen ihrerseits die „Operation" und (dadurch) auch die „Umwelt“. Input, Throughput und Output stellen in diesem Kontext entsprechende Informationsflüsse dar. Jeder Managementprozess ist somit offen für Informationen vom Subsystem „Management" (d.h. von anderen Managementprozessen), vom Subsystem „Operation“ und vom Subsystem „Umwelt“ des eigenen Systems resp. von rekursiv „über-/untergeordneten“ Systemen. 894 Die Qualitätsbeurteilung umfasst somit nicht nur formell-strukturelle, sondern auch materiell-inhaltliche Aspekte. Dadurch werden sach-, chrono- und psycho-logische Aspekte berücksichtigt. Auf diesen Punkt wird unter 6.2.7.3 (Periodische MPA-Assessments) nochmals zurückgekommen. Zu den vier Throughput-bezogenen Betrachtungs-perspektiven (involvierte Personen, Inhalte/Grundsätze, Systematik/Instrumente, Anwendung) siehe auch Türke, der im Kontext von „Governing Elements“ von Actors, Images, Instruments und Actions spricht. Vgl. Türke, eGovernance, 2007, S. 57 f. 895 Zur Notwendigkeit der Beurteilung von Input, Throughput und Output von Prozessen vgl. auch Wyder, Change, 2006, S. 71 ff. sowie in ähnlicher Weise den RADAR-Ansatz des EFQM Excellence Model, vgl. EFQM, Assessing, 2003, S. 25 und Uehlinger und von Allmen, Quality, 2001, S. 53 ff.

306 Bildung der MPA-Theorie

Zusammenspiel der einzelnen Managementprozesse über die Rekursionsebenen hinweg möglich.896

These G: Die Ausführung der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser Managementprozesse als zirkulär-rekursive Problemlösungsprozesse verstanden und durchgeführt werden.

Wirksame Managementprozesse durchlaufen teilweise parallel und teilweise sequenziell die vier Phasen Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung. Durch dieses Verständnis wird Komplexität beim Lösen von Managementproblemen erfolgreich bewältigt.

These H: Die Ausführung der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser das Management der Managementprozesse erfolgt.

Aufgrund der hohen Relevanz von Managementprozessen sollten diese nicht dem Zufall überlassen werden. In der vorliegenden Arbeit wird deshalb die Einführung eines eigentlichen Managements der Managementprozesse empfohlen.

5.2.3 Thesen zum Management der Managementprozesse

Das dritte Thesen-Set (Thesen I-R) ist auf den originären Zweck der Management-Prozess-Architektur, auf das Management der Managementprozesse, ausgerichtet. Letzterem kommt die grösste Vorsteuerungskraft zu. Es beeinflusst direkt die Ausführung der Management-prozesse und indirekt die Total System Performance.

Das Management der Managementprozesse folgt auf einer Meta-Ebene der gleichen Logik wie die Ausführung der Managementprozesse.897 Entsprechend können die Management-prozesse der Übersichtversion des Integrated Management Model auch als Prozesse für die Institutionalisierung des Managements der Managementprozesse herangezogen werden.

5.2.3.1 Institutionalisierung des Managements der Managementprozesse

These I: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je mehr dessen Zweck an der Erzielung von Managementqualität orientiert ist.

896 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 135 f. 897 Vgl. Conant und Ashby, Regulator, 1970, S. 89 ff. sowie Kapitel 6.1.2 (Managementprozesse 1. und 2. Ordnung).

Bildung der MPA-Theorie 307

Managementqualität im hier verwendeten Sinne steht für eine Maximierung des Kunden-nutzens bei einer gleichzeitigen Minimierung der Beeinträchtigung von Menschen und Kosten durch den Varietätsausgleich zwischen Umwelt, Operation und Management.898

These J: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je klarer die Strategie zur Transformation und zur Nutzung der Management-Prozess-Architektur ist.

Die MPA-Strategie gibt der Entwicklung der gesamten Management-Prozess-Architektur sowie der Entwicklung einzelner Managementprozesse eine einheitliche Richtung. Eine MPA-Strategie setzt ein gemeinsames Verständnis der Thematik der Management-Prozess-Architektur unter Führungskräften voraus. Diesem Aspekt wird im Rahmen von „These N“ Rechnung getragen.

These K: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je konsistenter die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Managementprozesse definiert und im obersten Leitungsorgan (der jeweils ergebnisverantwortlichen Einheit) verankert sind.899

Die Verantwortung für die Management-Prozess-Architektur ist besonders dann wirksam im obersten Leitungsorgan verankert, wenn die verantwortlichen Personen über fundierte Kenntnisse verfügen, darauf basierend einen aktiven Beitrag zum obersten Leitungsorgan leisten und so die Anerkennung der Kollegen des obersten Leitungsorgans erhalten.

These L: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser individuelle Führungsziele für die koordinierte Entwicklung und Nutzung der MPA vereinbart, kontrolliert und incentiviert werden.900

So verstandene Führungsziele sollten integrierter Bestandteil des regulären Jahresziel-prozesses sein, damit die Priorisierung und Abstimmung mit anderen Zielen der jeweiligen Person ausbalanciert erfolgen kann.

These M: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser es gelingt, arbeitsmethodische Management-Denk- und -Handlungsprozesse einzelner Personen zu vernetzen und auf die MPA-Strategie auszurichten.

898 Vgl. hierzu auch das erste Organisationsprinzip von Beer; Beer, Heart, 1979/1994, S. 565. 899 Vgl. hierzu auch das Prinzip der „Verantwortung der Unternehmensleitung“ für Qualitätsmanagementsysteme nach der ISO 9001:2000; Löbel, Schröger und Closhen, Managementsysteme, 2005, S. 98 f. 900 Die Honorierbarkeit resp. die Sanktionierbarkeit ist ein Kernelement der Institutionalisierung von Aufgaben, Funktionen und entsprechenden Verhaltens- und Ergebniserwartungen. Vgl. Reglin, Managementsysteme, 1993, S. 182.

308 Bildung der MPA-Theorie

Das Management der Managementprozesse ist ein komplexes Phänomen, dessen erfolgreiche Bewältigung (abgesehen von Kleinstunternehmen) den Einbezug einer Vielzahl von Personen bedingt. Damit trotz der Vielzahl involvierter Personen effektiv und effizient zusammengearbeitet werden kann, sind geeignete Methoden für kollektive Reflexions- und Aktionsprozesse anzuwenden.

These N: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser die verantwortlichen und die weiteren involvierten Personen bezüglich der Management-Prozess-Architektur geschult sind.

Eine Schulung zur Thematik der Management-Prozess-Architektur bringt eine gemeinsame „Managementsprache“ unter den Teilnehmern hervor und ermöglicht dadurch wirksame kollektive Reflexions- und Aktionsprozesse.901 Die vorliegende Arbeit resp. Bestandteile daraus können als Schulungsinhalte genutzt werden.902

These O: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser ein Controlling bezüglich der Managementprozesse etabliert ist und somit die relevanten Feedback- und Feedforward-Informationen fliessen.903

Ein permanenter Controlling- und Kommunikationsprozess ist notwendig, um auf Basis von eingeübten Interaktions- und Problemlösungsroutinen zeitgerecht Anpassungen an Managementprozessen vornehmen und diese optimal nutzen zu können. Neben dem permanenten Controlling ist es sinnvoll, periodisch eine Gesamtevaluation der Management-Prozess-Architektur durchzuführen. Diese Evaluation gibt wichtige Impulse für die weitere Gestaltung, Lenkung und Entwicklung von Managementprozessen.

901 Zum Effekt von Schulungsmassnahmen als Varietätsverstärkung im Management vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 231. 902 Mir ist bewusst, dass bezüglich These N gewissermassen ein argumentativer Zirkelschluss besteht, indem ich die Inhalte der Theorie als Bestandteil der Theorie verwende. Es könnte argumentiert werden, dass die Thesen nur erfüllt würden, weil es sich um eine selbsterfüllende Prophezeiung handle. Dieser Einwand kann aber theoretisch und praktisch entkräftet werden. Theoretisch betrachtet ist die These N nur eine von vielen Thesen, die die MPA-Theorie als Ganzes ausmachen. Des Weiteren sind rekursive Bezüge mit Zirkelschluss in komplexen Systemen an der Tagesordnung, da komplexe Systeme sich per se dem linearen Ursache-Wirkungsdenken entziehen. Praktisch betrachtet ist es unerheblich, ob es sich bei den positiven Wirkungen aus der Anwendung der MPA-Theorie teilweise um Effekte einer selbsterfüllenden Prophezeiung handelt – der Praktiker dürfte grundsätzlich froh sein, dass eine positive Wirkung vorliegt. Zur Situation des Praktikers siehe auch die Ausführungen von Popper zur „pragmatischen Bevorzugung“. Vgl. Popper, Erkenntnis, 1972/1998, S. 21 ff. 903 Zum Effekt von verbesserter Managementinformation als Varietätsverstärkung vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 231.

Bildung der MPA-Theorie 309

5.2.3.2 Grundarchitektur des Managements der Managementprozesse

These P: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser die Grundgliederung der betrachteten Einheit in einzelne Sub-Einheiten Kundenorientierung, Dezentralisierung904 und Ergebnisverantwortung fördert und fordert (und dadurch der zur Bewältigung der verbleibenden Komplexität notwendige metasystemische Management-aufwand abnimmt).

Diese These lässt sich aus BEER’S erstem Management-Axiom ableiten, nach dem die horizontale Varietät (bestimmt durch die Grundgliederung des Geschäfts) mit der vertikalen Varietät (im Sinne des metasystemischen Managementaufwands) übereinstimmt.905,906

These Q: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je besser in allen ergebnisverantwortlichen Einheiten auf allen Rekursionsebenen alle notwendigen und hinreichenden Managementprozesse etabliert sind.

Die Management-Prozess-Architektur und die damit zusammenhängenden notwendigen und hinreichenden Managementprozesse bilden das formale Funktionsprogramm einer ergebnisverantwortlichen Einheit. Damit mehrere Einheiten zueinander kompatibel sind und wirksam ein Ganzes bilden können, ist es vorteilhaft, wenn alle beteiligten Einheiten über das gleiche Funktionsprogramm verfügen. Der Vorteil der in dieser Arbeit hergeleiteten Management-Prozess-Architektur liegt genau darin, dass sie ausreichend allgemein ist, um für alle Arten von Unternehmen und deren Geschäftseinheiten anwendbar zu sein, und konkret genug, um in der jeweiligen Situation die Lösung konkreter Managementprobleme zu unterstützen.

These R: Das Management der Managementprozesse ist umso wirksamer, je klarer die formalen und inhaltlichen Vorgaben von der übergeordneten an die betrachtete Rekursionsebene (und von dieser an die untergeordnete Rekursionsebene) sind.

904 Falsch verstandenes, d.h. technokratisches statt systemisches Management führt zumeist zu einer übermässigen Zentralisierung. Mit der Forderung vermehrter Dezentralisierung soll aber nicht der Eindruck erweckt werden, dass eine Unternehmung entweder komplett zentralisiert oder dezentralisiert sei. Vielmehr geht es darum, eine wirksame Balance zwischen diesen zwei Extremen zu finden im Sinne des richtigen Grads an Autonomie. Vgl. Beer, Heart, 1979/1994, S. 424. 905 Vgl. Beer, Heart, 1979/1994, S. 217 sowie Kapitel 3.2.3.3 (Operative Gesamtleitung). 906 Diese Grundlogik lässt sich auch in den zwei Projektphasen (P06/P07) des dargelegten MPA-Transformations-projekts wiedererkennen. In der ersten Phase wurde die Grundgliederung bestimmt und in der zweiten Phase wurde auf Basis der umgesetzten Grundgliederung und der entstandenen Wirkung der horizontalen Varietät entsprechend das Metasystem gestaltet.

310 Bildung der MPA-Theorie

Formal betrachtet müssen diese Vorgaben Logik und Sprache der Management-Prozess-Architektur als verbindlich erklären, und inhaltlich betrachtet müssen sie – der Kohäsion des Ganzen dienliche – substanzielle Grundsätze resp. Leitplanken enthalten. Die Vorgaben dürfen sich aber nur auf „Essentials“ beziehen und müssen den einzelnen Einheiten ausreichend Autonomie lassen. 907 So verstanden bilden diese Vorgaben wichtige Voraussetzungen für eine wirksame Komplexitätsbewältigung resp. ein über mehrere Rekursionsebenen hinweg funktionierendes Management der Managementprozesse.

5.2.4 Zusammenfassendes Theoriemodell der Management-Prozess-Architektur

Durch die Formulierung von Thesen wurde die Theorie der Management-Prozess-Architektur konkretisiert und formalisiert. In einer zusammenfassenden Abbildung sollen die wesentlichen Elemente und deren Beziehungen auf der nächsten Seite grafisch dargestellt werden.

„Die grafische Modellbildung mündet in eine stärkere Formalisierung und erleichtert durch ihre Übersichtlichkeit zugleich die Kommunikation zwischen Autor/in und Leser/in; zudem regt die Anschaulichkeit des Modells zu Neuordnungen oder Ergänzungen von Elementen an, macht Lücken und Brüche sichtbar.“ 908 Wie es dieses Zitat von BORTZ/DÖRING vermuten lässt, ist die nachfolgende Abbildung 38 nicht im Anschluss an die formulierten Thesen entstanden, sondern es war ein evolutionäres Wechselspiel zwischen der Entwicklung der grafischen Darstellung und der Formulierung der Thesen. Auf letztere wird in der Darstellung über die alphabetischen Kurzkennungen (A, B, C, …) referenziert.

Die Unterscheidung des Managements der Managementprozesse in die Grundarchitektur und in die Institutionalisierungs-Aspekte entspricht im Wesentlichen der Ansicht, dass Management, also Komplexitätsbewältigung, einerseits durch Ordnung (Grundarchitektur) und anderseits durch Problemlösung (Institutionalisierung von Managementprozessen) erfolgt.909

907 Vgl. Beer, Freedom, 1974/1994, S. 74. 908 Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 363. 909 Vgl. Malik, Strategie des Managements, 1984/2003, S. 346 ff.

Bildung der MPA-Theorie 311

Abbildung 38: Das Theoriemodell der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung)

Rek

ursi

onse

bene

0(R

0)/E

rgeb

nisv

eran

twor

tlich

eE

inhe

itI(E

VE

I) Res

ulta

tde

rM

anag

emen

tpro

zess

e(T

otal

Syst

emPe

rform

ance

)M

anag

emen

tde

rM

anag

emen

tpro

zess

eA

usfü

hrun

gde

rM

anag

emen

tpro

zess

e

Gru

nd-

arch

itekt

urIn

stitu

tiona

li-si

erun

gG

rund

logi

kde

rPro

zess

eQ

ualit

ätpr

o(S

ub-)P

roze

ss

1.G

liede

rung

iner

gebn

isve

r-an

twor

tlich

eE

inhe

iten

(EV

EIa

,Ib,

Ic,..

.)

2.N

otw

endi

geu.

hinr

eich

ende

Man

agem

ent-

proz

esse

für

alle

EV

Es

3.V

orga

ben

von

R+1

und

anR

-1

Man

agem

ent-

Pro

zess

-A

rchi

tekt

ur-…

:1.

Zwec

k-se

tzun

g2.

Stra

tegi

e3.

Org

anis

a-tio

n4.

Jahr

eszi

el-

proz

ess

5.A

rbei

ts-

met

hodi

k6.

Edu

catio

n7.

Eva

luat

ion

Man

agem

ent-

proz

esse

als

zirk

ulär

eP

robl

emlö

sung

s-pr

ozes

sem

itS

ubpr

ozes

sen:

1.A

naly

se2.

Opt

ione

n3.

Ges

taltu

ng4.

Wirk

ung

1.In

put

(von

R+1

/0/-1

)2.

Thro

ughp

ut•

Invo

lvie

rteP

erso

nen

•In

halte

/G

rund

sätz

e•

Sys

tem

atik

/In

stru

men

te•

Anw

endu

ng/

Um

setz

ung

3.O

utpu

t(a

nR

+1/0

/-1)

Cus

tom

erVa

lue

Perf

orm

ance

1.Q

ualit

äts/

Pre

is-

Ver

hältn

is2.

rela

tivzu

mW

ettb

ewer

b3.

aus

Sic

htvo

nK

unde

n/

Nic

ht-K

unde

n

Man

agem

ent

Proc

ess

Perf

orm

ance

1.R

icht

ige

und

gute

Ent

-sc

heid

ezu

Frag

ende

rU

nter

neh-

men

s-un

dM

itarb

eite

r-fü

hrun

g2.

Erh

öhte

Man

agem

ent-

proz

ess-

erfa

hrun

g

Bus

ines

sSy

stem

Perf

orm

ance

1.M

arkt

stel

lung

2.In

nova

tions

-le

istu

ng3.

Pro

dukt

ivitä

ten

4.A

ttrak

tivitä

tfür

richt

ige

und

gute

Leut

e5.

Liqu

iditä

tund

Cas

hFl

ow6.

Gew

inn

und

Pro

fitab

ilitä

t

AB

C

D

E

F F

G

H

I J K L M N O

P Q R

312 Bildung der MPA-Theorie

Eine wichtige Charakteristik der Theorie der Management-Prozess-Architektur bildet deren rekursive Ausprägung, auf die in These D, F und R explizit hingewiesen wurde. Diese rekursive Logik wird in der nachfolgenden Abbildung schematisch dargestellt (inkl. der Referenz auf die entsprechenden Thesen).

Abbildung 39: Rekursivität des Theoriemodells der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung)

Wesentliche Verbindungen zwischen den Rekursionsebenen sind Vorgaben von über-geordneten Rekursionsebenen hinsichtlich des Managements der Managementprozesse, die Abstimmung der Ausführung der Managementprozesse über die Rekursionsebenen hinweg sowie die jeweiligen Performance-Beiträge an umfassendere Systeme, d.h. an über-geordnete Rekursionsebenen. In der Abbildung 39 wurde exemplarisch die Rekursionsebene R0 mit einer übergeordneten (R+1) und einer untergeordneten Rekursionsebene (R-1)dargestellt. Die gleiche Logik lässt sich auf beliebig viele Rekursionsebenen ausdehnen.

5.3 Abgleich der MPA-Theorie mit der Forschungsfrage

Die formulierten Thesen bilden zusammen die Theorie der Management-Prozess-Architektur. Diese ist Ausgangspunkt für das im nachfolgenden Kapitel 6 zu erarbeitende MPA-Konzept, welches wichtige Aspekte der Theorie mit Bezug auf deren Anwendung in der Praxis weiter konkretisiert resp. instrumentiert. Zuvor soll aber die MPA-Theorie der

Vorgaben Abstimmung

Vorgaben Abstimmung

Beiträge

BeiträgeFR D

FR DEVE I,II,…

EVE Ia,Ib,…,IIa,…

Bildung der MPA-Theorie 313

einleitend in Kapitel 1.2.1 formulierten Forschungsfrage gegenüber gestellt werden. Dazu werden die Thesen der MPA-Theorie den von der allgemeinen Forschungsfrage abgeleiteten spezifischen Forschungsfragen gegenübergestellt.

Die allgemeine Forschungsfrage lautet: Wie muss die Management-Prozess-Architektur von Unternehmen konfiguriert werden, damit diese in ihrer komplexen Umwelt nachhaltig erfolgreich sind? Die davon abgeleiteten acht spezifischen Forschungsfragen werden nachfolgend mit den insgesamt 18 Thesen in Verbindung gebracht:

1. Wie müssen ergebnisverantwortliche Einheiten eines Unternehmens grundsätzlich gestaltet werden? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere mit den Thesen G, K, P und Q adressiert.

2. Welche Prozesse sind notwendig, um die ergebnisverantwortlichen Einheiten zu führen? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere mit den Thesen I bis O sowie der These Q adressiert.

3. Wie spielen diese Managementprozesse in einer ergebnisverantwortlichen Einheit zusammen? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere mit den Thesen E, F, G und Q adressiert.

4. Wie kann in einer ergebnisverantwortlichen Einheit die Wirksamkeit des Zusammen-spiels der Managementprozesse und somit die Prozessqualität sichergestellt werden? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere mit der These H (generell) und den Thesen I bis O (im Detail) adressiert.

5. Wie ist eine Architektur der Managementprozesse zu gestalten, damit ergebnisver-antwortliche Einheiten unterschiedlicher Ebenen auf einen gemeinsamen Zweck hin funktionieren? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere mit den Thesen D, F, P, Q und R adressiert.

6. Wie lassen sich formelle Kompetenzen 910 für die Management-Prozess-Architektur organisatorisch verankern? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere mit den Thesen K und L adressiert.

7. Wie lassen sich materielle Kompetenzen 911 für die Management-Prozess-Architektur dauerhaft in Unternehmen institutionalisieren? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere mit den Thesen M, N und O adressiert.

910 Zum Begriff der formellen Kompetenzen vgl. Fussnote 25.

314 Bildung der MPA-Theorie

8. Wie lässt sich anhand der Management-Prozess-Architektur der Erfolg eines Unter-nehmens ganzheitlich beurteilen und vorsteuern? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere mit den Thesen A bis E und O adressiert.

Die zu jeder spezifischen Forschungsfrage aufgeführten Thesen sind jene, welche einen besonders grossen theoretischen Erklärungsgehalt haben. Die jeweils nicht angegebenen Thesen sollen deswegen keinesfalls ausgeschlossen werden, insbesondere dann nicht, wenn die jeweilige spezifische Forschungsfrage vermehrt im vernetzten Kontext der gesamten MPA-Theorie reflektiert werden möchte. Die nachstehende Übersichtsdarstellung soll eine einfache Überprüfung zulassen, ob alle Forschungsfragen im Minimum von einer These erklärt werden und ob alle Thesen im Minimum für die Klärung von einer Forschungsfrage genutzt werden.

Abbildung 40: Abgleich der spezifischen Forschungsfragen mit den Thesen des MPA-Theoriemodells (eigene Darstellung)

Wie sich aus der Matrixdarstellung erkennen lässt, haben bei allen Forschungsfragen zwei oder mehr Thesen einen besonders hohen Erklärungsgehalt (zeilenweise Betrachtung). Zudem wurde jede These im Minimum für die Erörterung einer Forschungsfrage genutzt (spaltenweise Betrachtung).

911 Zum Begriff der materiellen Kompetenzen vgl. Fussnote 26.

A B C D E F G H I J K L M N O P Q R1 Grundsätzliche Gestaltung von

EVEs2 Managementprozesse der

einzelnen EVEs3 Zusammenspiel

Managementprozesse in EVE4 Sicherstellung Wirksamkeit des

Zusammenspiels in EVE5 Zusammenspiel über

Rekursionsebenen (Architektur)6 Organisatorische Verankerung

formeller Kompetenzen7 Organisatorische Verankerung

materieller Kompetenzen8 Ganzheitliche Beurteilung und

Vorsteuerung des Erfolgs

Resultat der Management-

prozesse

Ausführung der Management-

prozesse

Management der Management-

prozesse

These

Forschungsfrage

Bildung der MPA-Theorie 315

5.4 Zwischenfazit

In Kapitel 5 wurden die Aktionsforschungsergebnisse aus Kapitel 4 vor dem Hintergrund der Theoriebausteine zur Management-Prozess-Architektur (MPA) aus Kapitel 3 reflektiert und interpretiert.

Bezüglich des Model of Circular Processes machten die Aktionsforschungsergebnisse deutlich, dass die vier Phasen des MPA-Transformationsprozesses beim Malik Management Zentrum St. Gallen (Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung) 912 nicht streng sequenziell, sondern oft parallel abliefen. Eine Verbindung der Prozesslogik mit den Grundkomponenten des Viable System Model (Umwelt, Operation, Management) zeigte auf, dass in der ersten Projektphase (P06) der Fokus auf der Analyse und der Erarbeitung von – vom Kunden („Umwelt“) her angedachten – Optionen zum Design des Geschäfts (Grundstruktur der „Operation“) lag. Die zweite Projektphase (P07) diente dem Design des Metasystems („Management“) auf Basis der parallel gemachten Erfahrungen mit der real gestalteten Grundstruktur. Wesentliche Erfolgsfaktoren des Managements des Transfor-mationsprozesses waren die gemeinsame „Managementsprache“, die breite und tiefe Informationslage im Projektteam, die evolutive Prozessmoderation sowie das Involvement des Top-Managements.

Die Interpretation der Aktionsforschungsergebnisse hinsichtlich des Integrated Manage-ment Model machte deutlich, dass im Rahmen der Transformation der Management-Prozess-Architektur insbesondere in der Nachphase Policy-Rules für alle wesentlichen Managementprozesse erarbeitet und in Kraft gesetzt wurden. Dies bedeutet, dass eine Neugliederung des Geschäfts immer auch eine Neukonfiguration der Managementprozesse zur Folge hat und letztlich Management und Organisation im Rahmen einer MPA-Transformation zwei Seiten der gleichen Medaille sind.

Hinsichtlich des Viable System Model zeigten die Aktionsforschungsergebnisse eine ausgeprägte Orientierung an der Selbstorganisationskraft, an den fünf Systemfunktionen sowie an der rekursiven Logik von lebensfähigen Systemen. Entsprechend wurden die Managementprozesse gemäss dem Integrated Management Model nicht nur auf der Ebene des Gesamtunternehmens, sondern auch auf der neu gestalteten Unternehmens- resp. Geschäftseinheitsebene als Standard etabliert.

912 Ein MPA-Transformationsprozess ist selbst auch ein Managementprozess und folgt daher ebenfalls der Prozesslogik des Model of Circular Processes.

316 Bildung der MPA-Theorie

Die Aktionsforschungsergebnisse wurden sodann vor dem Hintergrund der Komponenten des Model of Pre-controlled Success – Customer Value Controlling, Business System Controlling und Management Process Controlling – interpretiert. Dabei wurde ersichtlich, dass der Transformationsprozess weder die Mitarbeiter bei der Leistungserbringung noch die Kunden beim Leistungsbezug beeinträchtigte. Im Gegenteil: Das neu gestaltete Unternehmen lässt die Mitarbeiter so nah wie noch nie beim Kunden sein (mental und physisch), vereinfacht die Bedienung des Kunden mit kombinierten Leistungen, fördert die Innovationsleistung durch einen eigenständig dafür verantwortlichen Unternehmensbereich, verringert den administrativen Aufwand und erhöht die Produktivität, bietet attraktive Entwicklungsmöglichkeiten für richtige und gute Leute und kann auch finanziell bereits mit Rekordergebnissen in der Firmengeschichte des Malik Management Zentrum St. Gallen aufwarten. Im Weiteren wurde die Verantwortung für das Management der Management-prozesse auf Gesamtunternehmensebene nach Projektabschluss hinsichtlich Lenkungs-massnahmen dem Vorsitzenden des System-3-Ausschusses zugeteilt, währenddem der System-4-Ausschuss sich auf Gestaltungsmassnahmen konzentrieren kann. Der Verwaltungsrat (System 5) ist zuständig für das Monitoring der durch Lenkungs- und Gestaltungsmassnahmen resultierenden Entwicklung resp. kann auch selbst Entwicklungs-massnahmen anstossen. Das Management der Managementprozesse ist ebenfalls rekursiv angelegt, wobei in jeder ergebnisverantwortlichen Einheit sowohl das Management 1. Ordnung (Ausführung der Managementprozesse) als auch das Management 2. Ordnung (Management der Managementprozesse) wahrgenommen wird und letzteres somit nicht einer organisations-hierarchisch übergeordneten Lenkung, sondern einer Selbstlenkung entspricht.

Aufbauend auf diesen Interpretationsergebnissen wurde in Kapitel 5.2 ein Theoriemodell der Management-Prozess-Architektur erarbeitet. Dieses umfasst die wesentlichen Erkennt-nisse der Theoriebausteine (Kapitel 3) und der Aktionsforschungsergebnisse (Kapitel 4). Das Modell zeigt anhand von Thesen auf, wie das Resultat von Managementprozessen (die Total System Performance) durch die Ausführung der Managementprozesse beeinflusst wird und diese wiederum durch das Management der Managementprozesse vorgesteuert werden kann. Die Resultate der Managementprozesse gliedern sich entlang den drei Komponenten des Model of Pre-controlled Success. Die Ausführung der Management-prozesse folgt der Logik des Model of Circular Processes und lässt über eine Input-, Throughput-, Output-Betrachtung eine differenzierte Qualitätsbetrachtung zu. Das Manage-ment der Managementprozesse ist einerseits geprägt durch die Gliederung der jeweils betrachteten Einheit in lebensfähige Sub-Einheiten sowie durch die für ein Management der Managementprozesse notwendigen Prozesse. Letztere orientieren sich wie die Management-

Bildung der MPA-Theorie 317

prozesse 1. Ordnung an den Prozessen gemäss dem Integrated Management Model. Ein besonderes Augenmerk wurde im Rahmen des MPA-Theoriemodells auf die rekursive Logik gelegt. Einheiten benachbarter Rekursionsebenen folgen einer dreifachen Verlinkung: Erstens gibt die übergeordnete Einheit Vorgaben hinsichtlich dem Management der Managementprozesse, zweitens erfolgt eine Abstimmung bezüglich der Ausführung der Managementprozesse und drittens stiftet die untergeordnete Einheit Beiträge zur Total System Performance der übergeordneten resp. umfassenderen Einheit.

Die Thesen des Theoriemodells adressieren sämtliche von der allgemeinen Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit abgeleiteten spezifischen Forschungsfragen. Diese Adressierungen haben naturgemäss theoretisch-abstrakten Charakter. Wesentliche Bestandteile des MPA-Theoriemodells sollen daher im folgenden Kapitel 6 im Hinblick auf ihre praktische Anwendung konkretisiert werden.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 319

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen

3. Theorie-bausteinezur MPA

4. Praxisfall einer Transformation

der MPA

5. Bildung der MPA-Theorie

6. Erarbeitung des MPA-Konzepts

7. Zusammenfassung und Implikationen

6 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Das MPA-Theoriemodell (Kapitel 5) synthetisiert die theoriebasierte Exploration (Kapitel 3) und die empirisch-qualitative Exploration (Kapitel 4) und ist daher Ausgangspunkt für die Erarbeitung des MPA-Konzepts. Ziel des MPA-Konzepts ist eine Konkretisierung wichtiger MPA-Theorieaspekte und damit die Unterstützung des Praktikers bei deren Umsetzung. Das MPA-Konzept versucht, als Management-Konzept den Bauplan resp. die

Architektur des Managements einer Unternehmung kognitiv-bewusst zu erfassen und zu bestimmen.913

Die Erarbeitung des MPA-Konzepts erfolgt in drei Schritten. In einem ersten Schritt wird ein Rahmenkonzept der Management-Prozess-Architektur entworfen (Kapitel 6.1). Davon werden im zweiten Schritte sieben Konzeptmodule der Management-Prozess-Architektur abgeleitet und detailliert (Kapitel 6.2). Im dritten Schritt wird das MPA-Konzept der Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit gegenübergestellt (Kapitel 6.3). Im Zwischenfazit (Kapitel 6.4) werden die wichtigsten Punkte zusammengefasst.

6.1 Das MPA-Rahmenkonzept

6.1.1 Basislogik des MPA-Konzepts

Die Basislogik des MPA-Konzepts ergibt sich aus dem Zusammenspiel der vier Theoriebausteine – Model of Pre-controlled Success, Viable System Model, Integrated Management Model und Model of Circular Processes – aus Kapitel 3. In Kapitel 3.5 wurde darauf hingewiesen, dass die vier kybernetisch fundierten Theoriebausteine nicht isoliert nebeneinander, sondern in enger Beziehung resp. Verflechtung stehen und sich gegenseitig bedingen und unterstützen. Dieser Aspekt soll durch eine pragmatische grafische Integra-tion der vier Theoriebausteine in der nachfolgenden Abbildung 41 veranschaulicht werden.

913 Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 307.

320 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Abbildung 41: Basislogik des MPA-Konzepts (eigene Darstellung)

Die Grundgliederung der Abbildung in unternehmens- und mitarbeiterbezogen sowie lang- und kurzfristig wurde vom Integrated Management Model übernommen. Aus dessen Übersichtsversion wurden die Elemente verwendet und in Anlehnung an das Model of Circular Processes als Prozesskreise – bestehend aus Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung – dargestellt.914,915 Eine Ausnahme bildet dabei das Element der Ergebnisse resp. der Performance. Dieses Element ist selbst nicht ein Managementprozess, sondern das 914 Die gleiche Darstellungslogik lässt sich natürlich auch bezüglich der Elemente der Detailversion des Integrated Management Model anwenden, zwecks Übersichtlichkeit wurde jedoch die Logik der Übersichtversion des Integrated Management Model gewählt. 915 Die Konkretisierung von Management als Zusammenspiel von Managementprozessen beinhaltet die Verzahnung von Reflexion und Aktion ebenso wie von materiellen und von immateriellen Strukturen. Damit können über die Management-Prozess-Architektur sowohl Aspekte von Managementsystemen als auch von Managementpraxen berücksichtigt werden. Zu den Begriffen Managementsysteme und -praxen vgl. Reglin, Managementsysteme, 1993, S. 146 ff. und S. 190.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 321

Resultat von Managementprozessen und in Abbildung 41 daher gestrichelt umrandet. Mit Bezug auf das Model of Pre-controlled Success wird dieses Element differenziert dargestellt als Customer Value-, Business System- und Management Process-Performance. Die darge-stellten sieben Managementprozesse lassen eine integrierte Unternehmens- und Mitarbeiter-führung zu und decken dabei operative, strategische und normative Managementaspekte ab. Somit werden auch alle metasystemischen Funktionen des Viable System Model – System 3, System 4 und System 5 – durch die abgebildete Basislogik des MPA-Konzepts adressiert.

Die Verbindung zum Viable System Model wird in der Abbildung ebenfalls schematisch gekennzeichnet. Wichtig ist dabei, dass System 5, welches für die Balance zwischen System 4 und 3 verantwortlich ist, als umfassender dargestellt wird als die Systeme 4 und 3.916 System 4 ist seinerseits insofern umfassender als System 3, als es zukünftige Erfolgspotenziale schafft, welche durch System 3 dann bestmöglich ausgeschöpft werden. Der Jahreszielprozess ist dabei eine wesentliche Überführung vom strategischen zum operativen Management. Eine besondere Funktion kommt der Führungskräfte- und Mitarbeiterentwicklung zu. Diese ist primär ein Prozess des strategischen Managements, trägt jedoch auch massgeblich zum normativen Management bei, indem z.B. gemeinsame Normen und Werte an Individuen vermittelt resp. in ihnen geweckt werden. Damit werden die Individuen selbst in die Lage versetzt, System 4- und System 3-Aspekte auszubalancieren. Controlling- und operative Steuerungssysteme sind dem operativen Management zugeordnet. Aufgrund der zahlreichen Verbindungen zu anderen Managementprozessen sowie zu den Performance-Komponenten hat das Controlling einen umfassenden „Echtzeit-Informationshaushalt“ und kann darauf aufbauend operative, strategische und normative Controlling-Aspekte adressieren.

6.1.2 Managementprozesse 1. und 2. Ordnung

Aus dem in Kapitel 5.2.4 gebildeten Theoriemodell geht hervor, dass die Management Process Performance (als Voraussetzung für Business System Performance und Customer Value Performance) von der Wirksamkeit der Ausführung der Managementprozesse abhängt und dass diese wiederum durch das Management der Managementprozesse beeinflusst werden kann. Die Ausführung der Managementprozesse kann auch als Management 1. Ordnung und das Management der Managementprozesse als Management 2.

916 Vgl. hierzu auch die Überlegungen von Beer zur Schliessung des Gesamtsystems durch System 5 im Sinne der „completion from without“; Beer, Decision, 1966, S. 288.

322 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Ordnung bezeichnet werden.917 Das Management 2. Ordnung bedient sich wiederum der unter 6.1.1 vorgestellten Basislogik des MPA-Konzepts, resp. es wird diese Logik, wie in der nachfolgenden Abbildung 42 grafisch dargestellt, gedanklich in zwei Ebenen (1./2. Ordnung) unterschieden. Dies entspricht der Auffassung, dass ein wirksames Lenkungssystem isomorphisch zum zu lenkenden System sein muss und wurde von CONANT/ASHBY in einem Artikel mit dem Titel „Every good regulator of a system must be a model of that system“918 nachgewiesen.

Abbildung 42: Management 1. und 2. Ordnung im MPA-Konzept (eigene Darstellung)

Die Managementprozesse 1. Ordnung werden im Weiteren mit 1-7 bezeichnet, jene 2. Ordnung mit I-VII. Die „Säulen“ im „MPA-Würfel“ veranschaulichen jeweils die gedankliche Differenzierung in die 1. und 2. Ordnung des betrachteten Prozesses. Wichtig ist der Hinweis, dass es sich dabei nur um eine gedankliche Unterscheidung und nicht um eine Trennung handelt. 919 Die Unterscheidung ist jedoch notwendig, um darstellen zu können, dass sich ein Managementprozess 2. Ordnung jeweils auf alle Managementprozesse 917 Statt von Management(prozessen) 2. Ordnung kann auch von Meta-Management(prozessen) gesprochen werden. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 249 ff. Von einem Meta-Management-System (MMS) als zusätzliche Organisationsschicht spricht in diesem Kontext Kirsch. Vgl. Kirsch, Planung, 1990, S. 57 ff. 918 Conant und Ashby, Regulator, 1970, S. 89 ff. 919 Entsprechend liegt auch nicht eine komplette Trennschärfe bzgl. der Managementprozesse 1. und 2. Ordnung vor, und die Aspekte können – gerade in der Praxis – ineinander übergehen resp. verschmelzen. So werden z.B. für oberste Führungskräfte bei der Jahreszielvereinbarung neben Leistungszielen sowohl Führungsziele 1. und 2. Ordnung vereinbart, ohne dass dazu zwei verschiedene Gespräche notwendig wären.

Management 2. Ordnung

Management 1. Ordnung

Erarbeitung des MPA-Konzepts 323

1. Ordnung bezieht. Dies wird in der nachfolgenden Abbildung exemplarisch für den Prozess I, die MPA-Zwecksetzung, dargestellt. In der linken Darstellung geschieht dies anhand der „Säulen“-Logik, in der rechten Darstellung wird zwecks Übersichtlichkeit statt einer „Säule“ ein Doppelpfeil verwendet. Aus der Abbildung wird ersichtlich, dass die MPA-Zwecksetzung Aspekte zu sämtlichen Managementprozessen 1. Ordnung zu umfassen hat. Analoges gilt für die übrigen Managementprozesse 2. Ordnung. Dies wird in Kapitel 6.2 noch näher erläutert.

Abbildung 43: Beispielhaftes Zusammenspiel von Managementprozessen 2. mit jenen 1. Ordnung (eigene Darstellung)

6.1.3 Rekursive Komplettierung zum MPA-Rahmenkonzept

Unter 3.2.2.3.3 wurde das Rekursivitätsprinzip des Viable System Model vorgestellt. Der in Kapitel 6.1.2 abgebildete „MPA-Würfel“ kommt demnach nicht nur im Gesamt-unternehmen, sondern auch in dessen lebensfähigen Teileinheiten zur Anwendung. Im MPA-Theoriemodell wurde dementsprechend für jede ergebnisverantwortliche Einheit das Management der Managementprozesse, die Ausführung der Managementprozesse und das Resultat der Managementprozesse unterschieden. Dies wurde, wie in Abbildung 39 dargestellt, analog für ergebnisverantwortliche Einheiten auf unterschiedlichen Rekursions-ebenen so gehandhabt. Das verdeutlicht, dass Managementprozesse 1. und 2. Ordnung zwar

324 Erarbeitung des MPA-Konzepts

unterschieden, nicht jedoch verschiedenen Rekursionsebenen zugeordnet werden. 920 Letztlich handelt es sich bei den Managementprozessen 1. und 2. Ordnung, d.h. dem abgebildeten „MPA-Würfel“, um den „Gestaltungs- und Verantwortungsraum“ des Managements der jeweiligen ergebnisverantwortlichen Einheit. 921 In der Viable System Model-Terminologie entspricht der „MPA-Würfel“ der „Management-Box“.922

Aus dem MPA-Theoriemodell wissen wir, dass das Management der Managementprozesse (über Vorgaben), die Ausführung von Managementprozessen (über Abstimmung923) und das Resultat von Managementprozessen (über Beiträge) über die einzelnen Rekursionsebenen hinweg miteinander verbunden sind. 924 Die nachfolgende Abbildung 44 greift diese Verbindungsaspekte auf und komplettiert die bisherigen Überlegungen zum MPA-Rahmenkonzept.

Die Pfeile stehen jeweils vereinfachend dargestellt für eine Vielzahl von Pfeilen. So sind z.B. die Vorgaben bezüglich der Managementprozesse 2. Ordnung mit einem Pfeil gesamthaft dargestellt. Vorgaben können aber von jedem einzelnen Managementprozess zum jeweiligen Managementprozess auf der nachfolgenden Rekursionsebene bestehen. Analoges gilt für die Managementprozesse 1. Ordnung.925 Der Pfeil „Beiträge“ umfasst Beiträge zur Customer Value-, Business System und Management Process-Performance.

920 Die organisatorische Verankerung von Managementprozesse 1. und 2. Ordnung hat zu einer „Parallelisierung“ von Managementprozessen und Leistungsprozessen zu führen. Dies ist nur möglich, wenn Managementprozesse in allen Einheiten auf allen Ebenen voll in Leistungssysteme resp. -prozesse integriert sind. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 61. 921 Der „MPA-Würfel“ veranschaulicht die Managementprozesse eines Standardsubsystems, welches seinerseits in übergeordnete Systeme eingebettet ist. Zum Begriff des Standardsubsystems vgl. Krieg, Unternehmensgestaltung, 1971, S. 78 ff. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass der „MPA-Würfel“ sich auf Managementprozesse fokussiert, diese jedoch stets mit Bezug auf Leistungsprozesse (Leistungssystem) und unter Nutzung von Informationen aus Umwelt und Operation (Leistungssystem) erfolgen. 922 Vgl. Kapitel 3.2.3.1 mit Umwelt, Operation und Management(-Box) als Basiseinheiten des Viable System Model. 923 Hierbei handelt es sich um eine horizontale und eine vertikale Abstimmung der Managementprozesse. Bzgl. der horizontalen Ausprägung ist die Abstimmung von verschiedenen Managementprozessen der gleichen ergebnis-verantwortlichen Einheit am wichtigsten (z.B. Strategieentwicklung mit Organisation und Führungskräftebedarfs-ermittlung). Bzgl. der vertikalen Ausprägung ist die Abstimmung von gleichen Managementprozessen über mehrere Rekursionsebenen am bedeutsamsten (z.B. Strategieentwicklung auf den Ebenen Gruppe, Unternehmensbereich, Geschäftseinheit). Vgl. Ibe, Alignment, 2006, S. 205. 924 Schwaninger weist darauf hin, dass diese Verbindungen sich auf jeweils benachbarte Rekursionsebenen beschränken sollen, da sich nur so Autonomie und Eigenverantwortung ausreichend entwickeln können. Entsprechend gibt es keine Verbindungen von R+1-Komponenten mit R-1-Komponenten. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 293. 925 Dies stellt Schwaninger als Verbindungen vom operativen, strategischen und normativen Management zum jeweiligen Management der nächsthöheren Rekursionsebene dar. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 52.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 325

Abbildung 44: Rekursives MPA-Rahmenkonzept (eigene Darstellung)

Die Managementprozesse 1. Ordnung einer ergebnisverantwortlichen Einheit („System in focus“) sind untereinander und mit den Managementprozessen 2. Ordnung gekoppelt. Ebenso sind Managementprozesse 1. und 2. Ordnung des „System in Focus“ mit den jeweiligen Managementprozessen benachbarter Rekursionsebenen gekoppelt. Die Kopplung entspricht dabei einem sogenannten „loose coupling“.926 Dies ermöglicht sowohl Konsistenz (im Ganzen) als auch Flexibilität (im Einzelnen). Entsprechend ist es aus Kopplungs- resp. Kompatibilitätsaspekten wichtig, dass über alle Unternehmensbereiche und Führungsstufen das gleiche MPA-Konzept angewandt wird, was aber nicht heisst, dass darauf basierende Reflexions- und Aktionsaktivitäten inhaltlich gleich ausgeführt werden müssen resp. sollen.927

926 Nach Orton/Weick zeichnen sich loosely coupled systems sowohl durch Responsiveness als auch Distinctiveness aus. Tightly coupled systems stehen nur für Responsiveness (aber nicht Distinctiveness), während decoupled systems nur für Distinctiveness (aber nicht Responsiveness) stehen. Vgl. Orton und Weick, Loosely Coupled, 1990, S. 205. 927 Analog zur erwähnten Kopplung zwischen Managementprozessen ist auch eine Kopplung zwischen den Managementprozessen und den Leistungsprozessen einer ergebnisverantwortlichen Einheit vorhanden. Auch diese Kopplung sollte einem „loose coupling“ entsprechen, da ein „decoupling“ Managementprozesse im Extremfall zu

Vorgaben

Beiträge

Abstim

mung

System in Focus

Rekursionsebene

0R

ekursionsebene+1

Rekursionsebene

-1

Vorgaben

Beiträge

Abstimm

ung

326 Erarbeitung des MPA-Konzepts

6.2 Die sieben MPA-Konzeptmodule

Die nachfolgenden MPA-Konzeptmodule kommen in der Gesamtunternehmung ebenso wie in einzelnen ergebnisverantwortlichen Einheiten (und wiederum deren Subeinheiten) zur Anwendung. Ein wirksames Management der Managementprozesse erfordert die kombinierte Anwendung aller MPA-Konzeptmodule, was jedoch nicht bedeutet, dass alle Konzeptmodule gleichzeitig und gleich intensiv angewandt werden müssen.

6.2.1 MPA-Zwecksetzung

Kontext Ziel Umsetzung

Grundsätze hinsichtlich Wahl und Konfi-guration von Management-prozessen sind festgelegt.

1. Grundsatzentscheid zu Orientierung an Lebens-fähigkeit, Unternehmens-interesse und Kundenutzen

2. Entscheid zur Einführung des MPA-Konzepts

3. Evolutionäre Einführung und „In-Schwung-halten“ der MPA

Abbildung 45: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Zwecksetzung (eigene Darstellung)

6.2.1.1 Notwendiger Grundsatzentscheid

Zur Einführung des MPA-Konzepts ist ein Grundsatzentscheid notwendig. Und zwar ein Grundsatzentscheid für die Orientierung der Geschäftsaktivitäten an der Lebensfähigkeit der Unternehmung928, daher auch für die Führung der Geschäftsaktivitäten im Interesse der

nutzlosen Ritualen verkommen lässt und anderseits ein „tight coupling“ im Extremfall in der operativen Geschäftshektik zu einem Untergang der Managementprozesse führt. Der Anforderung nach dem „loose coupling“ wird mit der rekursiven Ausprägung der Management- und Leistungsprozesse sowie den nachfolgenden MPA-Konzeptmodulen Rechnung getragen. 928 Vgl. hierzu auch Kapitel 3.1.1.3 (Lebensfähigkeit als oberste Erfolgsgrösse).

Erarbeitung des MPA-Konzepts 327

Unternehmung929 (und nicht primär im Interesse von Shareholder oder Stakeholder) und – damit einhergehend – für die primäre Fokussierung der Geschäftsaktivitäten auf das Schaffen von Kundennutzen930. Wer diesen Grundsatzentscheid gefällt hat, ist bestrebt, dass die Umsetzung dieses Entscheids auch zweckentsprechend gelingt. Oft sind in Unternehmungen dazu aber die bisherigen Managementprozesse nicht geeignet und es empfiehlt sich, bestehende Managementprozesse auf den Prüfstand zu stellen. Dies kann direkt im Rahmen der Einführung der in dieser Arbeit vorgestellten Management-Prozess-Architektur erfolgen.

6.2.1.2 Entscheid zur Einführung des MPA-Konzepts

Die mit dem Grundsatzentscheid festgelegte Orientierung an Lebensfähigkeit, Führung im Interesse der Unternehmung und Fokussierung auf den Kundennutzen bedarf einer konsequenten Umsetzung. Das vorliegende MPA-Konzept bietet eine Handhabe, um diese Umsetzung nicht dem Zufall zu überlassen, sondern systematisch anzugehen und wesentliche Aspekte zu institutionalisieren. Die Einführung des MPA-Konzepts programmiert die Voraussetzungen für den Unternehmenserfolg, ohne das Verhalten des Einzelnen im Detail vorzuschreiben. Vielmehr geht es darum, die Leitplanken für richtiges und gutes Verhalten zu definieren und in der Unternehmung zu institutionalisieren. Damit dies gelingt, ist ein Involvement der obersten Führung notwendig.931 Im Idealfall ist dies das oberste Management der Gesamtunternehmung, und das MPA-Konzept wird unternehmens-weit eingeführt. Es kann jedoch auch sein, dass ein Teilbereich der Gesamtunternehmung, also eine ergebnisverantwortliche Einheit, für sich das MPA-Konzept einführt und erst später ein „Roll-out“ auf andere Bereiche und die Gesamtunternehmung erfolgt. In diesem Falle ist der Entscheid zur Einführung des MPA-Konzepts vom obersten Management der betreffenden ergebnisverantwortlichen Einheit zu fällen. Mit dem Entscheid für das MPA-Konzept hat man sich automatisch auch für alle notwendigen und hinreichenden Managementprozesse gemäss der Basislogik des MPA-Konzepts entschieden.

6.2.1.3 Evolutionäre Einführung und „In-Schwung-halten“ der MPA

Die Einführung des MPA-Konzepts hat evolutionär zu erfolgen. Die Prozesse für das Management der Managementprozesse (I-VII) werden dabei mehrfach hintereinander

929 Vgl. hierzu auch Kapitel 2.2.3.2.2 (Customer Value statt Shareholder Value). 930 Vgl. hierzu auch Kapitel 2.2.3.2.2 (Customer Value statt Shareholder Value), Kapitel 3.1.2.4 (Profit Impact of Market Strategies) und Kapitel 3.1.3.2 (Customer Value Controlling). 931 Vgl. hierzu auch Kapitel 5.1.1.5.4 (Involvement des Top-Managements).

328 Erarbeitung des MPA-Konzepts

durchlaufen und „in Schwung“ gebracht, sodass sie sich im eingespielten Zustand parallel in der Wirkungsphase befinden und von dort situationsbedingt wieder in Analyse-, Optionen- oder Gestaltungsphasen übergehen können. Idealtypisch werden die Prozesse I-VII zunächst für eine erste Orientierung reflexionsorientiert durchgespielt. In einem zweiten Schritt können dann wiederum die Prozesse I-VII ablaufen, diesmal jedoch sowohl reflexions- als auch aktionsorientiert im Sinne eines gestaltenden Grobvorgehens. Zudem ist nun aufgrund der zuvor erfolgten Orientierung jeder Prozess stets im Kontext des Ganzen zu sehen, und es sind entsprechende Verbindungen zu anderen Prozessen zu berücksichtigen. Im dritten Schritte geht es primär um das aktionsorientierte Durchlaufen von I-VII im Sinne eines gestaltenden Detailvorgehens.

In Tat und Wahrheit wird es im realen Anwendungsfall neben diesen explizit dargestellten drei Schritten weitere implizite Iterations-Durchläufe von I-VII geben, wobei durchaus zeitweise auf einzelne Prozesse besonders stark fokussiert werden kann, während andere vorerst eher oberflächlich behandelt werden. Wichtig ist auf alle Fälle die Einsicht, dass eine Management-Prozess-Architektur nicht mit einem einmaligen Absolvieren von I-VII vollständig etabliert sein wird, sondern dass dazu mehrere Schritte (im dargestellten Idealfall deren drei) im Sinne einer geplanten Evolution notwendig sind. 932 Zudem sei erwähnt, dass im Rahmen der Einführung der Management-Prozess-Architektur nicht alle Managementprozesse von Grund auf neu zu gestalten sind. Bisherige Managementprozesse und -systeme werden auf deren Wirksamkeit hin überprüft und wo immer möglich in die Management-Prozess-Architektur integriert.933 So ist sichergestellt, dass Funktionierendes übernommen und Nicht-Funktionierendes als solches entlarvt wird und im weiteren Verlauf unberücksichtigt bleibt bzw. korrigiert wird.

Eine eingeführte Management-Prozess-Architektur ist stets weiterzuentwickeln. 934 Das gesamte System ist in Schwung zu halten, d.h. jeder der Prozesse I-VII ist laufend in einer oder mehreren der vier Phasen – Analyse, Optionen, Gestaltung, Wirkung – aktiv. Dies lässt sich an einem Geschicklichkeitsspiel, welches aus dem Zirkusleben bekannt ist, veranschaulichen. Dabei sind die Prozesse I-VII als „Teller“ zu betrachten, welche auf einem „Stab“ balanciert werden. Damit dies gelingt, sind die Teller auf den Stäben immer in Schwung zu halten. Sobald sich ein Teller nicht mehr genügend schnell dreht, fällt er vom

932 Vgl. Kirsch und Maassen, Einleitung Managementsysteme, 1990, S. 16 sowie Reglin, Managementsysteme, 1993, S. 169. 933 Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 302. 934 Schwaninger weist in ähnlichem Zusammenhang darauf hin, dass bei Managementsystemen immer die Möglichkeit für Modifikationen vorzusehen sei und Managementsysteme kontinuierlich revidiert werden müssen. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 303.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 329

Stab herunter. Eine wirksame Management-Prozess-Architektur hält somit die Prozesse des Managements der Managementprozesse und dadurch die Ausführung der Management-prozesse ausreichend in Schwung. Alle Prozesse sind immer in Bewegung, allerdings nicht gleich intensiv. Die primäre Aufmerksamkeit der Verantwortlichen für die Management-Prozess-Architektur sollte immer auf dem Prozess resp. den Prozessen liegen, die Gefahr laufen, ins Stocken zu geraten und anzuhalten. Jeder der Prozesse des Managements der Managementprozesse (I-VII) leistet seinerseits einen Beitrag, damit die Management-prozesse (1-7) permanent in Schwung bleiben. Dies kann wiederum mit dem „Teller-Stab“-Beispiel veranschaulicht werden. Dreht man Abbildung 43 auf den Kopf, kann man mit etwas Phantasie in dem dann links stehenden MPA-Würfel die Teller auf den Stäben drehen sehen. Die bei den einzelnen MPA-Konzeptmodulen einleitend aufgeführten Abbildungen (Abbildung 45, 46 etc.) erinnern jeweils an dieses Phänomen.

6.2.2 MPA-Strategie

Kontext Ziel Umsetzung

Entwicklungs-ziele für die einzelnen Management-prozesse und die MPA als Ganzes sind bestimmt.

1. Festlegung der MPA-Grundstrategie

2. Bestimmung einer MPA-Roadmap zur (Weiter-) Entwicklung der MPA

3. Definition von MPA-Projekten mit entsprechenden Projekt-Zielen, -Mitteln und -Massnahmen

Abbildung 46: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Strategie (eigene Darstellung)

6.2.2.1 Festlegung der MPA-Grundstrategie

Die erstmalige systematische Etablierung einer Management-Prozess-Architektur sowie deren spätere Weiterentwicklung ist alles andere als trivial. Vielmehr handelt es sich um ein komplexes Phänomen, welches als solches strategisch angegangen werden muss.

330 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Unterscheidet man bei der Management-Prozess-Architektur zwischen der Grundstruktur und den einzelnen Managementprozessen, so lassen sich wie in Kapitel 4.1.4 ausgeführt und in Abbildung 30 dargestellt vier generische Grundstrategien herleiten. Es sind dies: 1. Status quo (Nutzung der bisherigen MPA) 2. Organisationsveränderung 3. Managementveränderung 4. MPA-Transformation

Zu einem bestimmten Zeitpunkt (t0) entscheidet man sich für eine der vier MPA-Grundstrategien. MPA-Grundstrategie 1 empfiehlt sich nur in Situationen, in denen bereits eine sehr wirksame Management-Prozess-Architektur vorliegt und in der Umwelt aktuell keine Veränderungen stattfinden, welche eine grössere Anpassung der Unternehmung erfordern würden. Im heutigen Komplexitätszeitalter kann man davon ausgehen, dass Perioden, in denen die MPA-Grundstrategie 1 geeignet ist, von eher kurzer Dauer sind. Zumeist erfordern die Umweltverhältnisse eine Verbesserung der Organisation (MPA-Grundstrategie 2) und/oder des Managements (MPA-Grundstrategie 3). Unternehmen, welche mit der MPA-Grundstrategie 2 starten, entwickeln sich oft zu einem späteren Zeitpunkt über MPA-Grundstrategie 3 hin zur MPA-Grundstrategie 4. Andere entscheiden sich zuerst für MPA-Grundstrategie 3 und merken mit der Zeit, dass unüberwindbare Defizite in der Grundstruktur deren Anpassung notwendig machen. Über MPA-Grundstrategie 2 kommen auch diese Unternehmen letztlich zur MPA-Grundstrategie 4. Im Idealfall wird in solchen Fällen im Rahmen von Analysearbeiten bereits früh klar, dass man direkt die Umsetzung der MPA-Grundstrategie 4 anstreben sollte. Deren Umsetzung bewirkt dann in eng verzahnter Form sowohl Veränderungen der Organisation als auch des Managements. Werden dabei Veränderungen der Organisation den Veränderungen des Managements zeitlich leicht vorgezogen, lassen sich auf Basis der praktischen Erfahrung mit der neuen Organisation die Anforderungen an das Management präziser herausarbeiten und durch geeignete Massnahmen besser erfüllen.

Die durch eine Transformation entstandene neue Management-Prozess-Architektur wird im Übergang von der Gestaltung zur Wirkung von einem ursprünglich „neuen“ zu einem „bisherigen“ Zustand.935 Dieser bisherige Zustand ist im Zeitpunkt t+1 im Rahmen von MPA-strategische Überlegungen zu reflektieren und es ist zu entscheiden, ob zu diesem Zeitpunkt die „MPA-Grundstrategie 1“ („Status-quo) ausreichend ist oder ob eine andere MPA-Grundstrategie eingeleitet werden muss. Diese Überlegungen wiederholen sich im Zeitablauf (t+1, t+2, t+3, t+4, …). Auf lange Frist wird jede Unternehmung ihre Grundstruktur

935 Vgl. hierzu auch Kapitel 3.4.3.1 (Vier zirkuläre Hauptphasen von Managementprozessen).

Erarbeitung des MPA-Konzepts 331

und ihre Managementprozesse mehrfach verändern, um die „Total System Performance“936 zu erhöhen. Die nachfolgende Abbildung fasst diese Überlegungen im Sinne von sich wiederholenden idealtypischen Transformationen der Management-Prozess-Architektur zusammen.937

Abbildung 47: Zeitliche Entwicklung der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung)

Die diagonale Entwicklungs-Gerade ist dabei höchst schematischer Natur. In Realität können häufig S-Kurven-förmige Verläufe 938 festgestellt werden: Zuerst wird die Managementwirksamkeit primär durch die Veränderung der Managementprozesse erhöht. Irgendwann stellt man fest, dass dies nicht mehr ausreicht, da zu grosse strukturelle Defizite vorliegen. Diese werden durch eine Veränderung der Grundstruktur behoben und der Transformationsprozess mit einer Adjustierung der Managementprozesse abgeschlossen. Diese S-Kurven-Logik spielt sich dann zu einem späteren Zeitpunkt erneut ab; die eine S-Kurve löst dabei – wie in Abbildung 47 angedeutet – die vorhergehende ab.

936 Die Total System Performance besteht aus Customer Value-, Business System- und Management Process-Performance. Vgl. Kapitel 3.1.3 (Herleitung des „Model of Pre-controlled Success“). 937 Die Dauer einer Transformation von einem IST- zu einem SOLL-Zustand ist abhängig vom jeweiligen Unternehmen und der jeweiligen Situation. Schwaninger nennt als groben Richtwert für die Dauer einer umfassenden Transformation eines Managementsystems (im Minimum) ca. fünf Jahre. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 310 f. 938 Zum Phänomen von S-Kurven-Verläufen (anstelle von linearen Entwicklungen) vgl. insb. Marchetti, Society, 1981.

Zeitliche Entwicklung

Veränderung derManagementprozesse

Veränderungder

Grundstruktur

Organisations-veränderung

MPA-Transformation

Management-veränderung

Status-quo(Nutzung der

bisherigen MPA)

Organisations-veränderung

MPA-Transformation

Management-veränderung

Status-quo(Nutzung der

bisherigen MPA)

Organisations-veränderung

MPA-Transformation

Management-veränderung

Status-quo(Nutzung der

bisherigen MPA)

332 Erarbeitung des MPA-Konzepts

6.2.2.2 Bestimmung einer Roadmap zur (Weiter-)Entwicklung der MPA

Die Umsetzung der gewählten MPA-Grundstrategie erfolgt über die Bestimmung einer MPA-Roadmap und die erfolgreiche Planung und Durchführung der in dieser Roadmap enthaltenen MPA-Projekte. Diese MPA-Projekte beziehen sich jeweils auf einen oder mehrere Managementprozesse. Beispiele dafür sind die Erarbeitung des Leitbilds, die Entwicklung der Strategie, die Optimierung von Geschäftsprozessen, die Verbesserung der Zielvereinbarung und -beurteilung, die Neugestaltung des Honorierungsmodells, die Erweiterung des internen Aus- und Weiterbildungsangebots oder die Erarbeitung eines neuen Kennzahlensystems für das Controlling. Solche und andere MPA-Projekte stehen miteinander in Verbindung. Entsprechend sind alle Projekte im Sinne eines Projektportfolios zu betrachten und in sach-, chrono- und psychologischer Hinsicht zu führen. Eine MPA-Roadmap hilft dabei, die verschiedenen Projekte aufgrund ihrer gegenseitigen Abhängigkeiten in eine sinnvolle chronologische Ordnung zu bringen und somit rollierend für die jeweils nächsten ca. 1-3 Jahre einen Gesamtvorgehensplan wirksam verfolgen zu können.

6.2.2.3 Planung und Durchführung von MPA-Projekten

Die MPA-Strategie enthält neben der MPA-Grundstrategie und der MPA-Roadmap die Planung der wesentlichen MPA-Projekte. Jedes dieser Projekte ist mit einem Projektauftrag zu konkretisieren, welcher neben Auftraggeber und Auftragnehmer die Ausgangslage, die wesentlichen Projektziele, Meilensteine und notwendige Ressourcen enthält. 939 So spezifizierte MPA-Projekte sind die Basis für entsprechende Assignments und persönliche Ziele im Rahmen des MPA-Jahreszielprozesses und werden im Sinne eines Projektcontrollings in der MPA-Evaluation überwacht.940

Die Durchführung der einzelnen MPA-Projekte orientiert sich wie die einzelnen Managementprozesse ebenfalls an den vier Phasen – Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung – des Model of Circular Processes. Die genaue inhaltliche Ausprägung dieser vier Phasen ist abhängig vom jeweiligen Projekt.

939 Die richtige und gute Planung von Projekten ist erfolgskritisch für deren Durchführung. Hammer/Champy nennen personelle Fehlbesetzungen und zu knapp kalkulierte Ressourcen als wesentliche Gründe für das Scheitern von Projekten. Vgl. Hammer und Champy, Reengineering, 1994, S. 270 f. 940 Zieldefinition, Ressourcenausstattung und Projektcontrolling zählt Riemenschneider zu den wesentlichen Erfolgsfaktoren bei der Implementierung eines Managementsystems. Vgl. Riemenschneider, Implementierung, 2001, S. 101.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 333

6.2.3 MPA-Organisation

Kontext Ziel Umsetzung

Lebensfähige Einheiten sind konzipiert, Management-prozesse organisiert und Zuständigkeiten geklärt.

1. „Organisational Direttissima“ zur Grundstrukturierung der Unternehmung

2. Organisatorische Verankerung von Managementprozessen (inkl. Verantwortung von oberster Leitung und MPA-Gremium)

3. MPA-Funktionendiagramm

Abbildung 48: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Organisation (eigene Darstellung)

6.2.3.1 „Organisational Direttissima“ zur Grundstrukturierung der Unternehmung

6.2.3.1.1 Der schnellste Weg zur richtigen Organisation

Bei der MPA-Grundstrategie 2 (Organisationsveränderung) und 4 (MPA-Transformation) wird die Grundstruktur der Unternehmung tiefgreifend verändert. Eine erfolgreiche Umstrukturierung berücksichtigt sach-, chrono- und psychologische Aspekte und führt zu einer Gliederung in lebensfähige Einheiten, welche durch ihre Selbstorganisationskraft möglichst wenig metasystemischen Lenkungsaufwand verursachen. Mit „Organisational Direttissima“ bezeichne ich eine Umstrukturierung mit dreifachem Gewinn: Gewinn von Klarheit, Gewinn von Zeit und Gewinn von Menschen. Klarheit wird gewonnen, indem auf Basis einer fundierten Analyse verschiedene Optionen erarbeitet werden und die präferierte Option gestaltet wird. Zeit wird gewonnen, indem die verschiedenen Phasen des Projekts nicht getrennt, sondern im Sinne von Reflexions- und Aktionsprozessen ineinander verzahnt ablaufen. Menschen lassen sich gewinnen resp. nicht verlieren, indem weder Kunden noch Mitarbeiter negativ beeinträchtigt werden durch die Umstrukturierung und indem Führungskräfte spätestens bei der Detaillierung der Umstrukturierung involviert werden.

334 Erarbeitung des MPA-Konzepts

6.2.3.1.2 Aufteilung in ergebnisverantwortliche Einheiten

Um eine Gesamtunternehmung in möglichst lebensfähige Teile zu gliedern, müssen diese einerseits einen direkten Marktzugang und anderseits zurechenbare Verantwortung für ganzheitlichen Erfolg haben. Dieser Forderung werden die sogenannten ergebnisverant-wortlichen Einheiten (EVE) gerecht. Die Ergebnisverantwortung bezieht dabei auf das Ergebnis im Sinne der Total System Performance941 . Entsprechend sind nicht nur aus-führende Leistungsergebnisse, sondern auch lenkende Führungsergebnisse in der Verant-wortung der jeweiligen Einheit. Dadurch wird das Humanpotenzial der Gesamtunter-nehmung wirksam genutzt sowie deren Lern- und Entwicklungsfähigkeit erhöht.942

Zur Untergliederung einer Gesamtunternehmung in ergebnisverantwortliche Einheiten eignen sich Kriterien, welche auch zur Bestimmung von Geschäftsbereichen und strategischen Geschäftsfeldern herangezogen werden. SCHULTE-ZURHAUSEN unterscheidet in eine produktorientierte, regionalorientierte und kundenorientierte Gliederung von Geschäftsbereichen und weist darauf hin, dass diese drei Kriterien auch kombiniert zur Bildung von Geschäftsbereichen angewendet werden können.943 SCHWANINGER nennt als übliche Kriterien zur Bildung von strategischen Geschäftsfeldern Produkte (Markt-leistungen), Absatzwege (Vertriebskanäle), Kundengruppen, Kundenprobleme und (Lösungs-)Technologien. Diese Kriterien können in einem vereinfachten Geschäftssystem wie folgt dargestellt werden: Kundengruppen haben Kundenprobleme, Kundenprobleme lassen nach Lösungstechnologien suchen, letztere erzeugen Produkte und diese fliessen durch Absatzwege, um Kundengruppen zu erreichen. Diese Kundengruppen haben wiederum Kundenprobleme, womit sich der Kreis des Geschäftssystems schliesst.944

Zur Abgrenzung von ergebnisverantwortlichen Einheiten (EVE) können die von SCHWANINGER formulierten Checkfragen für die Abgrenzung von strategischen Geschäftsfeldern herangezogen werden:945

1. Wird durch die EVE ein eigenständiges und dauerhaftes Kundenbedürfnis resp. Kundenproblem einer klar definierbaren Zielgruppe befriedigt?

941 Die Total System Performance besteht aus Customer Value-, Business System- und Management Process-Performance. Vgl. Kapitel 3.1.3 (Herleitung des „Model of Pre-controlled Success“). 942 Siehe hierzu den von Wiener angestellten Vergleich zwischen der Lernfähigkeit einer demokratischen Gemeinschaft und jener einer „Ameisengemeinschaft“. Vgl. Wiener, Mensch, 1952/1966, S. 55 ff. Ähnlich argumentiert Büttner, der das Strukturmodell des Viable System Model als Idealmodell einer kybernetisch-intelligenten Organisation bezeichnet. Vgl. Büttner, Kybernetisch-intelligente Unternehmung, 2001, S. 139 ff. 943 Vgl. Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 267 f. 944 Vgl. Schwaninger, Unternehmensplanung, 1989, S. 316. 945 Vgl. Schwaninger, Unternehmensplanung, 1989, S. 319 f.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 335

2. Kann eine eigene, von anderen EVE unabhängige Strategie verfolgt werden, was sich in selbständigem Erscheinen und Handeln im Markt niederschlägt?

3. Ist der EVE eine eigenständige Leistungsgestaltung möglich?

4. Kann die Verantwortung für die EVE prinzipiell einer organisatorischen Einheit der Primärstruktur zugeteilt werden resp. bildet sie selbst eine solche Einheit?

5. Sind bei der EVE Voraussetzungen für ein effizientes Betreiben des Geschäfts und damit substanzielle Rationalisierungsmöglichkeiten gegeben?

6. Können die durch die EVE erzielten Erträge und die verursachten Kosten dieser zugeordnet werden?

7. Wäre die EVE auf die Dauer allein lebensfähig?

In grösseren Unternehmen werden strategische Geschäftsfelder und ergebnisverantwortliche Einheiten über mehrere Stufen definiert. Auf oberster Ebene ist meist von Unternehmens-/ Geschäftsbereichen oder Divisionen die Rede, gefolgt auf nächster Ebene von Geschäfts-einheiten und darunterliegenden Geschäftssegmenten. Insbesondere auf Ebene der Ge-schäftsbereiche sollte das strategische Geschäftsfeld identisch mit einer Organisations-einheit sein, weshalb eine möglichst beständige Gliederung zu wählen ist. Diese sollte sich insbesondere am Gliederungskriterium des Kundenproblems orientieren. Dessen invarianter Charakter ist zeitüberdauernd und somit beständig. Auf Ebene der Geschäftssegmente können Dimensionen der strategischen Geschäftsfelder flexibler gehandhabt werden und müssen daher nicht deckungsgleich mit Organisationseinheiten sein.946

6.2.3.1.3 Organisatorische Verankerung von ergebnisverantwortlichen Einheiten

Im Rahmen der Organisationsgestaltung stellt sich die Frage, ob die Strukturierung nach lebensfähigen Einheiten der primären Struktur eines Unternehmens entsprechen oder als Variante einer sekundären Struktur gesehen werden soll. Wenn lebensfähige Einheiten als primäre Gliederungsdimension gewählt werden, dann sind im Normalfall diese Einheiten identisch mit den strategischen Geschäftsfeldern des Unternehmens. Ausnahmen bilden strategische Geschäftsfelder, welche im Aufbau sind und noch keine operative Geschäftstätigkeit haben. 947 Diese werden sinnvollerweise gesondert behandelt. Kommt man zum Schluss, dass derzeit die lebensfähigen Einheiten (noch) nicht die primäre 946 Vgl. Schwaninger, Unternehmensplanung, 1989, S. 317. 947 Vgl. Gälweiler, Unternehmensführung, 1990, S. 274 f.

336 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Dimension der Organisation darstellen sollen, dann ist zu überlegen, wie die entsprechende Verankerung der lebensfähigen Einheiten im Sinne einer Sekundärorganisation erfolgen soll.

Zur Klärung dieser Frage kann man sich analoger Überlegungen wie jener zur organisatorischen Verankerung von strategischen Geschäftsfeldern bedienen. DREXEL unterscheidet dabei unterschiedliche Varianten auf dem Kontinuum von strategischen Geschäftsfeldern (SGF) als reine Planungseinheiten bis hin zu strategischen Geschäfts-feldern als primäre Organisationseinheiten. 948 Unternehmen im Komplexitätszeitalter werden sich bei erfolgreicher Geschäftstätigkeit sowie zunehmender Grösse und eigener Komplexität unweigerlich auf dem dargelegten Kontinuum in Richtung von strategischen Geschäftsfeldern resp. lebensfähigen Einheiten als Organisationseinheiten bewegen. Nur so kann nämlich sichergestellt werden, dass die Strategiearbeit nicht losgelöst von operativen Gegebenheiten erfolgt und umgekehrt die operative Planung und das Tagesgeschäft eng verzahnt sind mit der Strategie. 949 Darüber hinaus ist die personell-organisatorische Verzahnung von Strategieerarbeitung und -umsetzung wichtig, um konsistente Verantwortlichkeiten für das Erzielen der erwarteten Umsetzungsresultate zu haben.

Je komplexer Unternehmen sind, desto weniger lassen sich operative, strategische und normative Managementprozesse hinsichtlich einer bestimmten Einheit aufgeteilt auf verschiedenen Hierarchie- resp. Rekursionsebenen ansiedeln. Vielmehr hat eine lebens-fähige Einheit eigenständig im Rahmen heterarchisch bedingter Leitplanken im Interesse der eigenen Zweckverfolgung operative, strategische und normative Managementaufgaben zu erfüllen. Neben so verstandenen autonomen Geschäftseinheiten wird es immer gewisse unterstützende Funktionen geben. Diese werden umso stärker ausgeprägt sein, je mehr Koordinationsbedarf zwischen den Geschäftseinheiten besteht und/oder je mehr Synergien mittels übergreifenden Funktionen (im Sinne von Shared Services) gehoben werden können.

6.2.3.2 Organisatorische Verankerung von Managementprozessen

6.2.3.2.1 Grundüberlegung zur organisatorischen Verankerung

Neben der komplexitätsgerechten Grundstrukturierung der Unternehmung geht es bei der MPA-Organisation auch um die organisatorische Verankerung von Managementprozessen. Diese Verankerung resp. Institutionalisierung erfolgt dabei über die Systematisierung von Prozessen mit einhergehender Festlegung von Verantwortlichkeiten. Das Resultat einer

948 Vgl. Drexel, Geschäftsfelder, 1987, S. 148 ff. 949 Vgl. Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 325.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 337

derartigen organisatorischen Verankerung ist das, was ULRICH im Rahmen des St. Galler Management Modells eine quartäre Strukturierungsdimension nannte 950 und KIRSCH/MAASSEN als zusätzliche Organisationsschicht bezeichnen.951

Eine so etablierte Prozessorganisation für Managementprozesse ist von einer Projekt-organisation dahingehend zu unterscheiden, als Projekte ein Anfang und ein Ende haben und die Projektfunktionen somit mit dem Ende des Projektes ebenfalls enden, währenddem Managementprozesse von zirkulär-andauernder Natur sind und somit auch die Funktionen hinsichtlich der Managementprozesse dauerhaft sind.952

Aus dem herkömmlichen – auf Geschäfts- und Supportprozesse bezogenen – Prozess-management liegen generelle Funktionsdefinitionen vor, die auch für Managementprozesse genutzt werden können. Es sind dies die Funktionen Prozessteammitglied, -verantwortlicher,-eigentümer und -manager.953

6.2.3.2.2 Funktionen hinsichtlich der Managementprozesse

Da Managementprozesse Problemlösungsprozesse sind, hängt ihre Qualität massgeblich von den am Prozess beteiligten Personen ab. Als Managementprozess-Teammitglieder sollten nicht primär Personen mit Macht, sondern Personen mit Wissen eingebunden werden. Die Zusammensetzung des Teams kann sich je nach aktuellen Herausforderungen des jeweiligen Managementprozesses und der Verfügbarkeit von Personen verändern. Grund-sätzlich müssen in Managementprozessen aber die besten Leute eines Unternehmens mitwirken und nicht jene, die per Zufall gerade Zeit haben.

Für jeden Managementprozess ist ein Managementprozess-Verantwortlicher zu bestimmen. Dieser hat dafür zu sorgen, dass hinsichtlich „seines“ Managementprozesses Prozessziele, Verbesserungsmassnahmen und entsprechende Projekte festgelegt sind und erfolgreich durchgeführt werden. Zu seinen Aufgaben zählen neben (Feedforward/Feedback-) Information und Kommunikation, Koordination und Steuerung sowie die Moderation des Prozessteams und die Unterstützung des Prozesseigentümers und des Prozessmanagers.954

Ist der Prozessverantwortliche nicht Mitglied des obersten Leitungsteams, so ist für den betreffenden Managementprozess ergänzend ein Managementprozess-Eigentümer (Process 950 Vgl. Kapitel 2.2.2.3 (Das Organisationsmodell). 951 Vgl. Kirsch und Maassen, Einleitung Managementsysteme, 1990, S. 3. 952 Vgl. Osterloh und Frost, Prozessmanagement, 1998, S. 135. 953 Vgl. Neumann, Probst und Wernsmann, Prozessmanagement, 2002, S. 317 ff. 954 Vgl. Neumann, Probst und Wernsmann, Prozessmanagement, 2002, S. 317 f.

338 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Owner) zu bestimmen. 955 Dies ist deshalb wichtig, weil die Verantwortung für alle Managementprozesse zwingend auch im obersten Leitungsteam verankert sein muss. Der Prozesseigentümer trägt auf oberster Ebene die Verantwortung für den jeweiligen Managementprozess und hat die Möglichkeit, Aufgaben an den Prozessverantwortlichen zu delegieren, dem er fachlich vorgesetzt ist.956

Dem Managementprozess-Manager obliegt die Gesamtverantwortung hinsichtlich der Managementprozesse der jeweiligen ergebnisverantwortlichen Einheit. Er koordiniert und integriert Aktivitäten hinsichtlich einzelner Managementprozesse zu einem stimmigen Ganzen. Dazu koordiniert er die Zusammenarbeit von Prozessverantwortlichen und Prozesseigentümern unterschiedlicher Managementprozesse und wirkt bei wesentlichen Verbesserungsmassnahmen auch inhaltlich selbst mit. Im Weiteren bietet er für Prozessteammitglieder, -verantwortliche und -eigentümer methodische Unterstützung und führt Qualifizierungsmassnahmen durch.957

6.2.3.2.3 Notwendiges Augenmass bei der personellen Besetzung

Für jede ergebnisverantwortliche Einheit sind die obigen Managementprozess-Funktionen hinsichtlich aller Managementprozesse zu besetzen. Die Erfüllung dieser Funktionen ist – ev. mit Ausnahme der Funktion des Managementprozess-Managers – keine Vollzeit-beschäftigung. Eine derartige Funktion ist eine von mehreren Funktionen, welche eine Führungskraft im Sinne der unter 2.1.5.2 beschriebenen Multifunktionalität zu erfüllen hat. Bei kleineren Einheiten ist es gut möglich, dass eine oder zwei Personen die meisten MPA-Funktionen in Personalunion ausüben.

Die organisatorische Verankerung von Managementprozessen darf nicht dazu führen, dass ein eigentlicher „Wasserkopf“ entsteht mit zu vielen Leuten, die sich zu lange mit Managementprozessen beschäftigen. Es ist zu bedenken, dass zwar mit einer zunehmenden Anzahl Personen mehr Wissen für die Problemlösung zur Verfügung steht, dass aber genau diese aufgrund der Vielzahl von Personen und entsprechend hohen Koordinations-anforderungen tendenziell erschwert wird und zudem die (Personal-)Kosten für die

955 Bei Managementprozessen ist der Prozessverantwortliche (z.B. der Strategie-Verantwortliche) meistens Mitglied des obersten Leitungsteams. Bei Geschäfts- und Supportprozessen wird der Prozessverantwortliche hingegen gemäss Neumann/Probst/Wernsmann jeweils aus der zweiten oder dritten Führungsebene rekrutiert. Vgl. Neumann, Probst und Wernsmann, Prozessmanagement, 2002, S. 318. 956 Vgl. Neumann, Probst und Wernsmann, Prozessmanagement, 2002, S. 319 f. 957 Vgl. Osterloh und Frost, Prozessmanagement, 1998, S. 320 f.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 339

Managementprozesse steigen. Um hier eine sinnvolle Balance zu finden, sollte mit dem notwendigen Minimum statt mit dem möglichen Maximum gestartet werden.

Im Minimum sollte aus dem obersten Leitungsteam ein Managementprozess-Manager (nachfolgend MPA-Beauftragter genannt) bestimmt werden. Die weiteren Personen des Leitungsteams müssen je eine Gruppe von Managementprozessen verantworten. Sie sind Prozesseigentümer und -verantwortlicher in einem und werden nachfolgend als Manage-mentprozess-Verantwortliche bezeichnet. Managementprozess-Teams müssen nicht dauer-haft mit Mitgliedern besetzt sein, sondern können situativ vom jeweiligen Manage-mentprozess-Verantwortlichen einberufen werden. Auf diese Weise kann mit Augenmass eine wirksame personell-organisatorische Verankerung der Managementprozesse erfolgen.

6.2.3.2.4 MPA-Beauftragter und MPA-Gremium

Dem MPA-Beauftragten (Managementprozess-Manager) kommt eine entscheidende Funktion zu bei der sach-, chrono- und psychologischen Abstimmung der Management-prozesse in horizontaler (innerhalb der ergebnisverantwortlichen Einheit) und vertikaler Hinsicht (bzgl. über- und untergeordneter Rekursionsebene). Eine unternehmensweite Arbeitsgruppe resp. ein Gremium aller MPA-Beauftragten kann massgeblich zu dieser „Abstimmungs-Leistung“ und zum Austausch von Best-Practice-Erfahrung beitragen.958 Ein so konfiguriertes Gremium kann als Management-Prozess-Architektur-Gremium (MPA-Gremium) bezeichnet werden. Diesem MPA-Gremium und seinen Mitgliedern kommt eine entscheidende Multiplikator-Funktion für die Wirksamkeit von Managementprozessen zu.

Der MPA-Beauftragte sollte ein Mitglied der Leitung der jeweiligen ergebnisverantwort-lichen Einheit sein und über die notwendigen Qualifikationen verfügen resp. sich diese im Rahmen einer MPA-Education aneignen.959 Aus der Praxis kennt man die Funktion des Qualitätsmanagement-Beauftragten (QMB), der gemäss den Vorgaben der ISO ebenfalls Einsitz im Leitungsteam haben muss.960 Auf den ersten Blick liegt es auf der Hand, dem QMB in Personalunion auch die Funktion des MPA-Beauftragten zu übertragen. Allerdings ist dabei zu berücksichtigen, dass theoretisches Wissen und praktische Erfahrung eines QMB auf dem Gebiete des Total Quality Management (TQM)961 liegen, die erfolgreiche

958 Dies wird in ähnlicher Weise im Geschäftsprozess-Management von Hammer/Champy mit Bezeichnungen wie Lenkungsausschuss (für MPA-Gremium) sowie Leader und Reengineering-Zar (für MPA-Beauftragten) thematisiert. Vgl. Hammer und Champy, Reengineering, 1994, S. 149 ff. 959 Zur MPA-Education vgl. Kapitel 6.2.6. 960 Vgl. Löbel, Schröger und Closhen, Managementsysteme, 2005, S. 22. 961 Zu Total Quality Management vgl. Löbel, Schröger und Closhen, Managementsysteme, 2005, S. 119.

340 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Erfüllung der MPA-Funktion jedoch vertieftes Wissen und Erfahrung zu Total Management Quality (TMQ)962 erfordert.

6.2.3.3 MPA-Funktionendiagramm

Ein nützliches Instrument zur zusammenfassenden Darstellung der organisatorischen Verankerung von Managementprozessen ist das MPA-Funktionendiagramm. Dieses basiert auf der Grundlogik des klassischen Funktionendiagramms, welches Aufgaben mit Stellen/Personen in Verbindung setzt und dabei Kompetenzen und Verantwortlichkeiten festlegt. 963 Als Aufgaben können die Managementprozesse des Integrated Management Model aufgelistet werden. Diese können je nach Anwendungssituation in detailliertere Prozesse unterteilt werden. Die involvierten Stellen und deren genaue Bezeichnung sind ebenfalls von der spezifischen Anwendungssituation abhängig. Es kann ein MPA-Funktionendiagramm pro ergebnisverantwortliche Einheit erstellt werden. Dieses kann aber durchaus am einen oder anderen Ort auch Stellen von untergeordneten/übergeordneten ergebnisverantwortlichen Einheiten beinhalten. Im Minimum wird der MPA-Beauftrage der übergeordneten und der untergeordneten Ebene darin eine wichtige Funktion wahrnehmen. In der nachfolgenden Abbildung 49 wird ein beispielhaftes MPA-Funktionendiagramm dargestellt. Der MPA-Beauftragte kann dabei in Analogie zu CEO, CFO etc. als (Chief) MPA-Officer bezeichnet werden.

Im MPA-Funktionendiagramm ist die Detaillierung der Prozesse (horizontale Strukturierung), die Anzahl und Art der aufgeführten Stellen bzw. Personen (vertikale Strukturierung) sowie die Anzahl resp. die Differenzierung der Funktionen (Prozess-verantwortung, Entscheid im Normalfall, Mitentscheidung etc.) vom jeweiligen Anwendungsfall abhängig. In Leitungsteams mit wenigen Personen ist die Prozessverantwortung vermehrt dem Chief Executive Officer zuzuordnen, und es sind vermehrt Personen ausserhalb des Leitungsteams als „Mit-Entscheider“ zu involvieren. Hinsichtlich der Funktionszuteilung ist die Unterscheidung in Prozessverantwortung und inhaltliche Entscheidungsverantwortung wichtig. Zudem ist darauf zu achten, dass die Zuteilung der formellen Kompetenzen mittels Funktionendiagramm möglichst konsistent ist mit den materiellen Kompetenzen (Fähigkeiten) der betreffenden Personen resp. die Personen mittels Massnahmen der MPA-Education auf ihre Funktion vorbereitet werden.

962 Zu Total Management Quality vgl. Malik, Management-Qualität, 1996, S. 1 ff. 963 Vgl. Probst, Organisation, 1992, S. 95 ff., Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 515 ff., Stöger, Geschäftsprozesse, 2005, S. 148 ff.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 341

Abbildung 49: Beispiel eines MPA-Funktionendiagramms (eigene Darstellung)

1 Unternehmenspolitik und Corporate Governance P,EG/N EM EM V, EM v, EM

2 Strategieentwicklung EG P, EN EM EM EM EM V, EM v, EM

3 Organisation (Strukturen und Prozesse) EG P, EN EM EM EM V, EM v, EM

4 Operative Planung EM EM P,EG/N EM EM V v

5 Jahresplanung und Budgets EM EM P,EG/N EM EM V v

6 Persönlicher Jahreszielprozess (MbO) P, EG EM EN V v

7 Persönliche Arbeitsmethodik EG EM P, EN P, EN V v

8 Kontrolle (Selbstkontrolle) EG EM P, EN P, EN V v

9 Leistungsbewertung P, EG EM EN V v

10 Individuelle Potenzialbeurteilung und Laufbahnplanung EM EM P,EG/N EM EM V v

11 Individuelle Mitarbeiterentwicklung P,EG/N EM EM V v

12 Managemententwicklungs- und -nachwuchsplanung EM EM P,EG/N EM EM V v

13 Führungskräftebedarfsermittlung P, EG EN EM EM EM V v

14 Unternehmensentwicklung EG EM P, EN V v

15 Funktionenzuteilung und -diagramm (AKV) EM P,EG/N EM EM V v

16 Stellengestaltung (Job Design) und Stellenbesetzung P, EG EN EM EM V v

17 Stellenbewertung und Entlohnung EM EM P, EG EN EM EM V v

18 Aufgaben/Schlüsselprobleme der Stelle (Assignments) EM P,EG/N EM EM V v

19 Operative Steuerungssysteme (Disposition) EM P,EG/N EM V v

20 Controlling und Berichtswesen EG EM EM EM EM P, EN EM EM V, EM v, EM

Σ 21 Gesamtabstimmung aller Managementprozesse EG EM P, EN EG/M EM

= Unternehmensbezogen-langfristig P = Prozessverantwortung = Mitarbeiterbezogen-kurzfristig EG = Entscheidung zu Grundsätzen u. Ausnahmen = Mitarbeiterbezogen-langfristig EN = Entscheidung im Normalfall = Unternehmensbezogen-kurzfristig EM = Entscheidet mit (Mitentscheidung) = Managementprozess-übergreifend V = Gibt Vorgaben

v = Erhält Vorgaben

U-KΣ

Stellen

Aufgaben (Managementprozessse)

U-K

U-LMA-KMA-L

U-L

MA

-KM

A-L

ChiefHum

anResources

Officer

(CHRO

)

ChiefOperating

Officer

(COO

)

AllEm

ployees

MPO

'sder

unter-geordneten

EinheitenBetrachtete ergebniserantwortliche Einheit

MPO

derüber-

geordnetenEinheit

WeitereEinheiten

SupervisoryBoard

ChiefExecutiveO

fficer(CEO

)

ChiefFinancialO

fficer(CFO

)

MPA

-Officer

AllM

anagers(ofEm

ployees)

342 Erarbeitung des MPA-Konzepts

6.2.4 MPA-Jahreszielprozess

Kontext Ziel Umsetzung

Zur Umsetzung der MPA-Strategie notwendige Ziele sind vereinbart und deren Erreichung ist beurteilt und honoriert.

1. Individuelle Ziele für den MPA-Beauftragten

2. Individuelle Ziele für Managementprozess-Verantwortliche und -Teammitglieder

3. MPA-Jahreskalender zur Koordination der Ziele

Abbildung 50: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Jahreszielprozess (eigene Darstellung)

6.2.4.1 Individuelle Ziele für den MPA-Beauftragten

Der Zielvereinbarung mit dem MPA-Beauftragten (MPA-Officer) kommt insofern eine besonders grosse Bedeutung zu, als er bezüglich den Managementprozessen fachlich anderen Personen vorgesetzt ist und somit bei der Etablierung, Weiterentwicklung und Nutzung der Management-Prozess-Architektur eine „Multiplikator-Funktion“ ausübt. Die Ziele werden vom obersten Führungsorgan, z.B. dem Verwaltungsrat bei einer Aktiengesellschaft, mit dem MPA-Beauftragten vereinbart. Die Zielerreichung wird im Minimum am Ende des Jahres beurteilt und sollte Einfluss auf die Honorierung des MPA-Beauftragten haben.964 Inhaltlich leiten sich die Ziele von der MPA-Zwecksetzung sowie der aktuell gewählten MPA-Grundstrategie ab.

964 Die Honorierbarkeit resp. die Sanktionierbarkeit ist ein Kernelement der Institutionalisierung von Aufgaben, Funktionen und entsprechenden Verhaltens- und Ergebniserwartungen. Vgl. Reglin, Managementsysteme, 1993, S. 182. Darüber hinaus ist die (monetäre und nicht-monetäre) Honorierung im Sinne von „rewards and recognition“ entscheidend für die Funktionsweise als „lernende Organisation“. Vgl. Griego, Geroy und Wright, Learning, 2000, S. 9.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 343

6.2.4.2 Individuelle Ziele für Managementprozess-Verantwortliche und -Teammitglieder

Für die Managementprozess-Verantwortlichen sowie für weitere involvierte Personen (Teammitglieder) sind in deren Zielvereinbarungen neben ihren üblichen stellenbezogenen Zielen auch explizit MPA-Ziele zu verankern. Diese sind im Rahmen der Beurteilung der Zielerreichung (auch hinsichtlich der Honorierung) so mit den anderen Zielen zu balancieren, dass der Wichtigkeit der Managementprozesse Rechnung getragen wird. Der inhaltlich-fachliche Input für die MPA-Zielfestlegung kommt vom MPA-Beauftragten. Dessen Feedback wird auch zur jährlichen Beurteilung der Zielerreichung beigezogen. Zumeist macht es Sinn, ergänzend auch unterjährige Standortbestimmungen durchzuführen. Anlässlich dieser Gespräche wird die bisherige Zielerreichung beurteilt und, falls sich die Rahmenbedingungen stark geändert haben, werden die Ziele angepasst resp. ergänzt.

6.2.4.3 MPA-Jahreskalender zur Koordination der Ziele

Über die dargelegten Zielvereinbarungen mit MPA-Beauftragtem, Managementprozess-Verantwortlichen und Managementprozess-Teammitgliedern werden die MPA-Gesamtziele auf verschiedene Personen verteilt. Damit die Ziele chronologisch betrachtet in einer sinnvollen Abfolge erreicht werden, können sie in Form von Meilensteinen und Kernveranstaltungen über das Jahr hinweg geplant werden. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Zielen bezüglich der (Um-) Gestaltung von Managementprozessen und Zielen bezüglich der Nutzung resp. Ausführung der Managementprozesse.

Die „(Um-) Gestaltungs-Ziele“ sind eine einjahresbezogene Detaillierung der mehrjährigen MPA-Roadmap und können somit in einem MPA-Jahresprojektplan festgehalten und im MPA-Projektcontrolling überwacht werden. Da die jeweils für das kommende Jahr notwendigen MPA-Projekte unternehmens- und situationsabhängig sind, kann an dieser Stelle keine allgemein-gültige Konkretisierung erfolgen.

Eine Konkretisierung kann hingegen bezüglich der Nutzung der Management-Prozess-Architektur, also der „Ausführungs-Ziele“ erfolgen. Auch wenn, wie unter 6.2.1.3 erwähnt, die Managementprozesse permanent „in Schwung“ sind, macht es Sinn, die „Drehzahlen“ einzelner Managementprozesse zeitweise bewusst hoch und zeitweise bewusst synchron mit anderen Managementprozessen zu halten. Die Fokussierung einzelner Managementprozesse über das Jahr hinweg kann als MPA-Jahreskalender dargestellt

344 Erarbeitung des MPA-Konzepts

werden. 965 Pro ergebnisverantwortliche Einheit kann ein derartiger MPA-Jahreskalender aufgestellt werden. Somit beschäftigen sich die ergebnisverantwortlichen Einheiten in den gleichen Zeiträumen schwerpunktmässig mit den gleichen Themen, was eine rekursionsebenen-übergreifende Abstimmung stark erleichtert.

Die durch den MPA-Kalender strukturierten Aktivitäten schaffen wirksame Interaktions- und Problemlösungsroutinen, auf die unterjährig zu jeder Zeit, d.h. realtime, zurück-gegriffen werden kann. 966 Der MPA-Kalender bedeutet somit nicht die Aufgabe von Flexibilität und Rechtzeitigkeit, sondern bildet den Rhythmus für eine solide ordentliche Grundarbeit und dadurch die Basis für ausserordentliche, einzelfallbezogene Problem-lösungen. Veranstaltungen im Rahmen des MPA-Kalenders sollten teilweise bewusst mit Personen unterschiedlicher ergebnisverantwortlicher Einheiten stattfinden, um den über-greifenden Zusammenhalt und die informelle Abstimmung zu fördern. Bei Management-entwicklungsprogrammen bietet es sich z.B. an, deren Teilnehmerkreis nicht nach ergebnisverantwortlichen Einheiten, sondern nach Führungsstufen (oberste, obere, mittlere, untere Führungskräfte und Nachwuchsführungskräfte) zusammen zu stellen.

In der nachfolgenden Abbildung 51 wird beispielhaft ein MPA-Jahreskalender in sehr grober Version dargestellt. Aufbauend auf dieser Logik können für einzelne Unternehmen spezifische und wesentlich konkretere MPA-Kalender konzipiert werden.

965 Analog gibt es z.B. auch einen spezifischen „Jahreskalender für Controller-Arbeiten“. Vgl. International Group of Controlling, Controller-Wörterbuch, 2001, S. 50 ff. 966 Interaktions- und Problemlösungsroutinen werden hervorgebracht, indem in der Management-Prozess-Architektur unternehmensbezogene und mitarbeiterbezogenen Aspekte kombiniert und jeder Managementprozess als Problemlösungsprozess verstanden wird. An Problemlösungsprozessen beteiligte Personen lernen interaktions- und problembezogene Aspekte, was wiederum ein Beitrag zum HR/Management Development ist. Hinsichtlich einer so verstandenen Integration von Management Development und Businesss Development vgl. Luoma, Investigating, 2000, S. 773.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 345

Abbildung 51: Beispiel eines MPA-Jahreskalenders (eigene Darstellung)

Detailaufgaben Jan Feb Mrz Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez

1 Unternehmenspolitik und Corporate Governance

Bestehende Policies überprüfen/ aktualisieren und neue erarbeiten

2 Strategieentwicklung (Re-)Defintion von bestehenden und zukünftigen Erfolgspotenzialen

3 Organisation (Strukturen und Prozesse)

Überprüfung und ggf. Anpassung von Prozessen, Strukturen, Organen/Gremien

4 Operative Planung Strategie und mehrjährige Projekte bzgl. operativer Grössen quantifizieren

5 Jahresplanung und Budgets Gesamtziele auf bevorstehendes Jahr und Organisationseinheiten hinunterbrechen

6 Persönlicher Jahreszielprozess (MbO)

Vereinbarung persönlicher Ziele für stärkenorientierten Einsatz

7 Persönliche Arbeitsmethodik Nutzen und periodisches Überdenken der eigenen persönlichen Arbeitsmethodik

8 Kontrolle (Selbstkontrolle) Durchführen von täglichen real-time Kontrollen u. monatl. Zwischenkontrollen

9 Leistungsbewertung Quartalsweise und jährliche Leistungsbewertung

10 Individuelle Potenzialbeurteilung und Laufbahnplanung

Führungkräfte und Mitarbeiterkonferenz durchführen

11 Individuelle Mitarbeiterentwicklung

Planung und Durchführung von Entwicklungs-massnahmen für Mitarbeiter/Führungskräfte

12 Managemententwicklungs- und -nachwuchsplanung

Planung und Durchführung von Entwicklungs-massnahmen spezifisch für Führungskräfte

13 Führungskräfte-bedarfsermittlung

Ermittlung des Führungskräftebedarfs auf Basis von Strategie und Organisation

14 Unternehmensentwicklung Gezielte Einbindung von Führungskräften in die Weiterentwicklung des Unternehmens

15 Funktionenzuteilung und -diagramm (AKV)

Prüfung, Aktualisierung und Erweiterung von Funktionendiagrammen

16 Stellengestaltung (Job Design) und Stellenbesetzung

Prüfung und ggf. Erweiterung von bisherigen Stellen und ggf. Schaffung von neuen Stellen

17 Stellenbewertung und Entlohnung

Prüfung von Stellenbewertung u. Entlohnung und ggf. Anpassung

18 Aufgaben/Schlüsselprobleme der Stelle (Assignments)

Bestehende Assignments prüfen/ggf. anpassen und neue Assignments definieren

19 Operative Steuerungssysteme (Disposition)

Bestehende Systeme prüfen und Verbesserungsmassnahmen einleiten

20 Controlling und Berichtswesen Aufbereiten und Nutzen von relevanten Informationen (realtime und periodisch)

MPA-Zwecksetzung überprüfen

MPA-Grundstrategie festlegen

MPA-Organisation aktualisieren

MPA-Jahresziele vereinbaren

MPA-Arbeitsmethodik nutzen

MPA-Schulungen abolvieren

MPA-Evaluation durchführen

Analyse-/Optionen-/Gestaltungsphase: = hohe Aktivität = mittlere Aktivität = geringe AktivitätWirkungsphase: (permanent)

Jahr: ____Ergebnisverantwortliche Einheit: _____

Übergreifend

21 Gesamtabstimmung aller Managementprozesse

U'bez.-k'fr.

Unternehm

ensbez.-langfr.M

itarbeiterbez.-kurzfr.M

itarbeiterbezogen-langfristig

Aufgaben (Managementprozesse)

346 Erarbeitung des MPA-Konzepts

6.2.5 MPA-Arbeitsmethodik

Kontext Ziel Umsetzung

Die MPA- Wirksamkeit ist erhöht durch Nutzung von Synergien und Integration des dazu notwen-digen Wissens.

1. Syntegration (Synergie und Integration) als wirksame Arbeitsform

2. Konfiguration der MPA-Syntegration (thematisch und personell)

3. Rekursive Anwendung der MPA-Syntegration (bis hin zum individuellen MPA-Oktaeder)

Abbildung 52: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Arbeitsmethodik (eigene Darstellung)

6.2.5.1 Syntegration als wirksame Arbeitsform

Jede Person braucht für die Erfüllung ihrer MPA-Jahresziele eine solide persönliche Arbeitsmethodik. Darüber hinaus ist aber für die Wirksamkeit der gesamten Management-Prozess-Architektur eine kollektive Arbeitsmethodik erforderlich. Dies ist deshalb notwendig, weil Managementprozesse nicht nur chronologisch, sondern auch sachlogisch und psychologisch abgestimmt sein müssen. Es bringt einer Unternehmung beispielsweise wenig, wenn in der Strategie festgelegt ist, dass sie ein neues Produkt anbieten möchte, dazu aber kein Mitarbeiter ein Assignment und entsprechende Ziele bekommen hat, zudem die Fähigkeiten und notwendigen Schulungen dazu fehlen und im Controlling nur die bestehenden Produkte Bestandteil des Berichtswesens sind. Einfache Problemstellungen können von Einzelpersonen oder einer kleinen Gruppe gelöst werden. Komplexe Fragestellungen bedürfen aber einer Bearbeitung aus unterschiedlichen Perspektiven und daher den Beizug von mehreren Personen. Personengruppen ab einer gewissen Grösse sind jedoch bekanntermassen unwirksam, wenn sie in herkömmlichen Sitzungsformaten arbeiten. Komplexe MPA-Fragestellungen bedürfen einer wirksamen Grossgruppenmethode.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 347

Im weiten Feld der Grossgruppenmethoden967 sticht die Methode der Syntegration aufgrund ihrer kybernetischen Fundierung968, ihrer vielfältigen Einsatzmöglichkeiten und ihrer x-fachen erfolgreichen praktischen Anwendung 969 besonders hervor. Syntegration ist eine Wortkombination aus Synergie und Integration. Durch die Integration des Wissens einer Vielzahl von Personen können komplexe Probleme gemeinsam gelöst werden. Die Lösung wird dabei von den Schlüsselpersonen erarbeitet, von ihnen verstanden und gewollt und wird entsprechend auch in der Umsetzung von ihnen getragen. Möglich wird dieser Effekt durch die Kommunikationsstruktur der Syntegration. BEER hat bei der Entwicklung seines Team Syntegrity Model das „Ikosaeder“ als geeignetste Grundstruktur gefunden und genutzt.970

Das Ikosaeder ist der komplexeste der fünf platonischen Körper und besteht als regel-mässiger Polyeder aus 20 Flächen, 12 Eckpunkten und 30 Kanten. Die 12 Eckpunkte entsprechen bei einer Syntegration den 12 Themen, welche die Teilnehmer für die Beantwortung einer Gesamtfrage (Eröffnungsfrage) zu Beginn der Syntegration gemeinsam definiert haben. Die Kanten stehen jeweils für eine Person. Somit arbeiten jeweils 5 Personen an einem Thema als Diskutant. Neben der Diskutanten-Rolle bei zwei Themen übt jede Person bei zwei weiteren Themen die Kritiker-Rolle (mit zwei zeitlich limitierten Wortmeldungen pro Besprechung) sowie bei vier weiteren Themen die Beobachter-Rolle (ohne Wortmeldungen) aus. Dadurch ist sichergestellt, dass über die Dauer der Syntegration (üblicherweise drei Tage) die Themen über die Personen und deren Rollen optimal vernetzt werden. 971 Jede Themengruppe trifft sich in den drei Tagen zu drei Besprechungen (Iterationen). Die erste Besprechung steht im Zeichen der Bestimmung der Ausgangslage,bei der zweiten geht es um die Erarbeitung von möglichen Zukünften und in der dritten Besprechung werden konkrete Massnahmenpläne für die Umsetzung gestaltet. Dadurch werden in einer Syntegration die drei Phasen Analyse, Optionen und Gestaltung des Model of Circular Processes durchlaufen. Im Nachgang zur Syntegration dauert die Gestaltungs-phase an und geht später über in die Wirkungsphase.972

967 Vgl. hierzu u.a. Dittrich-Brauner, Dittmann und List, Grossgruppenverfahren, 2008, Gust und Seebacher, Workshop-Konzepte, 2004 und Holman und Devane, Grossgruppen-Methoden, 2002. 968 Vgl. Beer, Beyond Dispute, 1994, S. 3 ff. Ähnlich kybernetisch fundiert ist die Methode „knowledge diversity©“, vgl. Gust, Knowledge Diversity, 2004, 113 ff. 969 Vgl. Pfiffner, Syntegration, 2005, S.112. 970 Vgl. Beer, Beyond Dispute, 1994, 16 ff. 971 Vgl. Pfiffner, Syntegration, 2005, S. 107 f. sowie bzgl. der Syntegration als optimale Organisation für die Erfüllung komplexer Aufgaben Schwaninger, Theorie, 2005. 972 Vgl. hierzu Kapitel 3.4.3 (Herleitung des „Model of Circular Processes).

348 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Eine Syntegration könnte mit Bezug auf das vorliegende Thema mit folgender Eröffnungsfrage gestartet werden: Was müssen wir tun, damit die Wirksamkeit der Management-Prozess-Architektur in unserem Unternehmen erhöht wird? Die Teilnehmer würden abgeleitet von dieser Eröffnungsfrage 12 in ihren Augen relevante Themen festlegen und diese dann in den jeweiligen Gruppenzusammensetzungen diskutieren. Die Qualität der 12 Themen sowie deren Bearbeitung würde massgeblich davon abhängen, was die Teilnehmer unter einer Management-Prozess-Architektur verstehen. Bei ausreichenden Vorkenntnissen der Teilnehmer wäre dieses offene Vorgehen möglich. In anderen Fällen ist es jedoch problematisch, da das Thema kaum umfassend genug bearbeitet würde. In solchen Fällen bietet es sich an, eine vorkonfigurierte Syntegration durchzuführen. Nachfolgend werde ich eine Empfehlung ausarbeiten, wie eine solche Vorkonfiguration aussehen könnte.

6.2.5.2 Konfiguration der MPA-Syntegration

6.2.5.2.1 Thematische Konfiguration der MPA-Syntegration

Neben der Syntegration auf Basis des Ikosaeders gibt es auch die Möglichkeit, eine Syntegration in kleinerer Form auf Basis des Oktaeders durchzuführen.973 Das Oktaeder ist ebenfalls ein platonischer Körper und erfüllt die Anforderung der minimalen Distanz der Eckpunkte untereinander. Im Oktaeder sind es 8 Flächen (statt 20 wie beim Ikosaeder) bzw. 6 Eckpunkte (statt 12) und entsprechend werden 6 Themen (statt 12) bearbeitet. Die weiteren Funktionsprinzipien kommen analog zu jenen der „Ikosaeder-Syntegration“ zur Anwendung.

Die nachfolgende thematische Konfiguration der „Oktaeder-Syntegration“ führt zur MPA-Syntegration. Eine MPA-Syntegration hat neben der Strukturlogik der „Oktaeder-Syntegration“ auch die thematische Logik der Management-Prozess-Architektur zu beinhalten. Zur thematischen Konfiguration orientiere ich mich am MPA-Konzept. Aufgrund der Basislogik des MPA-Konzepts bietet es sich an, 4 der 6 verfügbaren Themen resp. Eckpunkte des Oktaeders für die vier Quadranten der Basislogik vorzusehen. Unternehmensbezogen-langfristige Prozesse werden als „Strategie und Organisation“,mitarbeiterbezogen-kurzfristige Prozesse als „Jahreszielprozess und Arbeitsmethodik" zusammengefasst. Mitarbeiterbezogen-langfristig entspricht dem Prozess „Führungskräfte und Mitarbeiterentwicklung“ und unternehmensbezogen-kurzfristig dem Prozess „Controlling und operative Steuerungssysteme“.

973 Vgl. Beer, Beyond Dispute, 1994, S. 79 ff.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 349

Neben diesen 4 Themen, welche auf einer logischen Ebene angesiedelt werden können, wird als fünftes Thema das „Management der Managementprozesse“ festgelegt. 974 Als sechstes und letztes Thema wird „Managementprozesse in Subeinheiten“ definiert. Dieses Thema beinhaltet die Abstimmung der Managementprozesse der Subeinheiten mit jenen der betrachteten Gesamteinheit. Themen fünf und sechs befinden sich auf einer logisch über- resp. untergeordneten Ebene. Dem wird im Rahmen der Darstellung im MPA-Syntegrations-Oktaeder Rechnung getragen. Die thematische Konfiguration der MPA-Syntegration ist in der nachfolgenden Abbildung zusammengefasst.

Abbildung 53: Thematisch konfigurierte MPA-Syntegration (eigene Darstellung)

Am ersten Tag der MPA-Syntegration werden allen Teilnehmern die Eckpfeiler des MPA-Konzepts vorgestellt. So ist gewährleistet, dass sie ihr Thema jeweils im Kontext des Ganzen sehen und bearbeiten. Des Weiteren führen die drei Iterationen (Analyse, Optionen, Gestaltung) sowie die zugeteilten Rollen (Diskutant, Kritiker, Beobachter) zu einem optimalen Informationsaustausch und einer optimalen Vernetzung der Themen hin zur konsistenten Beantwortung der Eröffnungsfrage, nämlich wie die Wirksamkeit der Management-Prozess-Architektur erhöht werden kann. Aufgrund der kleineren Anzahl von Themen und Teilnehmern lässt sich eine derartige MPA-Syntegration in zwei Tagen

974 Das Thema „Management der Managementprozesse“ umfasst auch wesentliche Aspekte des Managementprozesses „Unternehmenspolitik und Corporate Governance“, allen voran die Klärung der Frage, in wessen Interesse die Unternehmung zu führen ist.

Management der Managementprozesse

Strategie undOrganisation

Controlling und operative

Steuerungssysteme

Jahreszielprozess und Arbeitsmethodik

Führungskräfte und Mitarbeiter-

entwicklung

Managementprozessein Subeinheiten

4

6

2

3

1

5

350 Erarbeitung des MPA-Konzepts

durchführen. Das Resultat dieser zwei Tage sind gemeinsam erarbeitete, umsetzungsbereite und von allen Teilnehmern getragene Massnahmen zur Verbesserung der Management-Prozess-Architektur. Diese Massnahmen können inhaltlicher und strukturell-prozessualer Natur und somit Resultat sowohl von Managementprozessen 1. als auch 2. Ordnung sein.

6.2.5.2.2 Personelle Konfiguration der MPA-Syntegration

Je nachdem, ob gewisse Oktaeder-Kanten personell einfach oder doppelt besetzt sind, variiert die Teilnehmerzahl der MPA-Syntegration zwischen 12 und 24. Jede Kante doppelt zu besetzen, wird nicht empfohlen, da sonst ein Thema von 8 Personen (statt 4) bearbeitet wird. In Normalfall sollte eine Kante nur einfach besetzt werden. Ausnahmen sind insbesondere z.B. bei den Kanten hin zur Ecke resp. zum Thema „Managementprozesse in Subeinheiten“ denkbar, wenn es darum geht, mehr als 4 MPA-Beauftragte von Subeinheiten zu involvieren.

Bei der „normalen“ Syntegration, bei der nur die Eröffnungsfrage (und nicht die Themen) festgelegt ist, werden die Teilnehmer per Algorithmus auf die Themen zugeteilt. Der Algorithmus berücksichtigt dabei, zu welchen Themen die Teilnehmer in ihrer Eigen-einschätzung am meisten beitragen können. Bei der MPA-Syntegration kann die personelle Besetzung bereits im Vorfeld erfolgen. Die personelle Konfiguration der MPA-Syntegration richtet sich dabei nach den MPA-Funktionen der Teilnehmer. Diese Funktionen wurden in Kapitel 6.2.3.3 aufgeführt. Die dort erwähnten idealtypisch involvierten Stellen resp. Personen werden für die nachfolgende personelle Konfiguration der MPA-Syntegration verwendet. Es sei darauf hingewiesen, dass die in der nachfolgenden Abbildung 54 dargestellte personelle Konfiguration lediglich Beispielcharakter hat und im konkreten Anwendungsfall auch anders aussehen kann oder muss. Auch im konkreten Anwendungsfall kann indessen die personelle Konfiguration aufgrund der invarianten thematischen Konfiguration im Vorfeld der Durchführung der MPA-Syntegration erfolgen.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 351

Abbildung 54: Personell konfigurierte MPA-Syntegration (eigene Darstellung)

Durch die MPA-Syntegration erfolgt eine optimale Verknüpfung von relevanten Themen und Personen. So ist z.B. der Chief Executive Officer Teilnehmer/Diskutant bei den Themen 1 (Strategie und Organisation) und 3 (Führungskräfte und Mitarbeiterentwicklung), währenddem der MPA-Officer (MPA-Beauftragte) bei der Bearbeitung der Themen 4 (Controlling und operative Steuerungssysteme) und 5 (Management der Managementprozesse) involviert ist.

Die vorgestellte MPA-Syntegration ist eine wirksame Arbeitsmethodik für eine fundierte Verbesserung der Management-Prozess-Architektur. Es empfiehlt sich, die MPA-Syntegration anlassbezogen, im Minimum aber einmal jährlich durchzuführen. Ergänzend zum klassischen Syntegrations-Format der Präsenzveranstaltung wäre es auch denkbar, auf Basis der MPA-Syntegrations-Architektur und unter Nutzung der heutigen Möglichkeiten der Informationstechnologie eine virtuelle Informations- und Kommunikationsplattform zu errichten, mit der eine „Ongoing Syntegration“ ermöglicht würde. Diese Plattform könnte nicht nur für eine Einheit, sondern für alle ergebnisverantwortlichen Einheiten unterschiedlicher Rekursionsebnen konfiguriert und genutzt werden.

6.2.5.3 Rekursive Anwendung der MPA-Syntegration

Die MPA-Syntegration eignet sich auch zur rekursiven Anwendung in grösseren Unternehmungen. Für jede ergebnisverantwortliche Einheit kann eine MPA-Syntegration nach der oben dargelegten Konfiguration durchgeführt werden. Thema 6 – Management-

1. Strategie undOrganisation

2. Jahresziel-prozess und Arbeitsmethodik

3. Führungskräfte und Mitarbeiter-entwicklung

4. Controlling und operative Steuerungssysteme

5. Management der Management-prozesse

6. Management-prozessein Subeinheiten

4

6

2

3

1

5 a Chief Executive Officerb Chief Human Resources Officerc Chief Operating Officerd Chief Financial Officer

e Member of SupervisoryBoardf Member of SupervisoryBoardg Member of SupervisoryBoardh Management Process Officer

(MPO)

I MPO der Subeinheit Ij MPO der Subeinheit IIk MPO der Subeinheit IIIl MPO der Subeinheit IV

a

bc

d

ef

gh

ij

kl

Themen Verknüpfungs-Architektur Personen

352 Erarbeitung des MPA-Konzepts

prozesse in Subeinheiten – bildet den Anknüpfungspunkt für MPA-Syntegrationen in den jeweiligen Subeinheiten. Ein MPA-Beauftragter (MPA-Officer) ist somit immer in zwei MPA-Syntegrationen involviert, in jener der übergeordneten Einheit (vgl. Kanten i, j, k, oder l in obiger Abbildung 54) und jener der eigenen Einheit (vgl. Kante h in obiger Abbildung 54). Die Verknüpfung der beiden MPA-Syntegrationen erfolgt somit personell über den MPA-Beauftragten und institutionell über die Themen 5 und 6. Den Input aus Thema 6 der übergeordneten MPA-Syntegration lässt der MPA-Beauftragte insbesondere einfliessen in das Thema 5 der untergeordneten MPA-Syntegration. Die nachfolgende Abbildung 55 veranschaulicht dies, wobei links die Kopplung von einer Subeinheit mit der Gesamteinheit dargestellt ist, währenddem rechts schematisch eine Gesamteinheit mit vier Subeinheiten abgebildet ist, wobei eine Subeinheit sich selbst nochmals in drei Subeinheiten aufteilt. Die Logik der MPA-Syntegration lässt sich beliebig oft auf ergebnisverantwortliche Einheiten unterschiedlicher Rekursionsebenen multiplizieren, was zu rekursiven Netzwerken führt.

Abbildung 55: Rekursive Anwendung des MPA-Syntegrations-Oktaeders zur Visualisierung der Management-Prozess-Architektur (eigene Darstellung)

Die Art der dargestellten Kopplung ist abhängig vom Einschränkungsgrad von Vorgaben der logisch über- an die logisch untergeordnete Einheit sowie von Abstimmungsprozessen

4

6

2

31

5

4

6

23

1

5/6

4

6

2

31

5

5/6 5/6

5/6

Erarbeitung des MPA-Konzepts 353

zwischen diesen beiden Einheiten. Je mehr die Autonomie der logisch untergeordneten Einheit eingeschränkt wird, desto mehr schreitet man von decoupled Systems über loosely coupled zu tightly coupled Systems. 975 Um eine Maximierung der Lebensfähigkeit der Unternehmung durch eine gemeinsame Zweckerfüllung bei gleichzeitiger grösstmöglicher Autonomie der Einheiten zu erreichen, ist von den drei idealtypischen Kopplungsarten (decoupled, loosely coupled, tightly coupled) die mittlere, d.h. das loose coupling,anzustreben. 976 , 977 Dies ganz im Sinne einer Programmierung der Art und Weise des Verhaltens (also z.B. der Vorgabe, welche Managementprozesse berücksichtigt werden müssen) und nicht einer Programmierung eines bestimmten Ergebnisses eines Verhaltens (z.B. Vorgabe, dass ein bestimmtes Produkt aus dem Sortiment genommen werden muss).

Die rekursive Anwendung der Struktur der MPA-Syntegration ist nicht nur für die Durchführung von MPA-Syntegrationen nützlich, sondern kann auch als Darstellungsform der Management-Prozess-Architektur genutzt werden. Diese Darstellung einer Institution orientiert sich an einer auf Funktionssicherheit beruhenden Lebensfähigkeit („Viability“), die weit über eine auf Existenzfähigkeit beruhende Überlebensfähigkeit („Survival“) hinausgeht.

6.2.5.4 Exkurs: Das individuelle MPA-Oktaeder

Die Rekursions-Betrachtung kann vom Unternehmen über dessen Bereiche, Abteilungen und Teams bis hin zu einzelnen Personen erstreckt werden. Eine einzelne Person resp. deren individuelle Management-Prozess-Architektur kann ebenfalls als MPA-Oktaeder dargestellt werden. Die von der einzelnen Person ausgehende weitere Rekursionsbetrachtung führt über „Organe“ und „Zellen“ bis zur „Desoxyribonukleinsäure“ („DNS") als Trägerin der Erbinformation. Neben dieser eher „physiologisch-rekursiven“ Auflösung ist für den Menschen aber insbesondere auch die „ideologische-rekursive“ Auflösung wichtig.978 Nach dieser Auflösung kommt nach dem Individuum per se als nächste Rekursionsebene die Ebene seiner Lebensbereiche. Lebensbereiche sind z.B. verschiedene berufliche

975 Vgl. Orton und Weick, Loosely Coupled, 1990, S. 205 sowie Fussnote 926. 976 Loose coupling wird z.B. auch als Funktionsprinzip im Zusammenhang mit multinationalen Unternehmen und Distributionsnetzwerken empfohlen. Vgl. Spender und Grevesen, Multinational Enterprise, 1999, S. 68 ff. sowie Andersson, Coupling, 1992, S. 57 ff. 977 Der Begriff Architektur (als Bestandteil der hier vertretenen Management-Prozess-Architektur) eignet sich gut, um loosely coupled Systems zu beschreiben. Vgl. Kirsch, Geiger und Grebenc, Gesamtarchitektur, 1990, S. 165. 978 Die „ideologisch-rekursive“ Auflösung basiert auf der Überlegung, dass Menschen resp. ihr Verhalten als Systeme von zweckorientierten resp. sinnerfüllenden Ereignissen interpretiert werden können. Vgl. Ackoff und Emery, Purposeful Systems, 1972, S. 3 ff.

354 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Engagements (Portfolio-Worker979), Familie, Sport, Gemeindeverein. Um diese Lebens-bereiche in einem ausgewogenen Verhältnis zu halten, kann es nützlich sein, sich bewusst Gedanken zu einer individuellen Management-Prozess-Architektur zu machen.

Gerade in einer Zeit der Zunahme von Komplexität im Allgemeinen und von individuellen Wahlmöglichkeiten980 im Speziellen steigen auch die Anforderungen an die Selbst-Manage-mentfähigkeit von Menschen. Eine individuelle Management-Prozess-Architektur ist daher nicht nur für den Erfolg in beruflichen Lebensbereichen, sondern generell für ein erfülltes Leben hilfreich. Darüber hinaus hilft das Verständnis der Logik einer Management-Prozess-Architektur auch für das Verstehen von umfassenderen Systemen, in die der Einzelne eingebunden ist. Bei Unternehmen führt eine wirksame Management-Prozess-Architektur zu Funktionsfähigkeit, währenddem sie bei Individuen zu Lebenstüchtigkeit führt.981

Die thematische und personelle Konfiguration eines individuellen MPA-Oktaeders weist gewisse Besonderheiten auf. Das Individuum ist verantwortlich für sämtliche Themen/ Eckpunkte des MPA-Oktaeders, womit sich eine personelle Besetzung durch mehrere Personen erübrigt. Die thematische Konfiguration des MPA-Oktaeders steht im Zeichen der „Individualisierung“ und führt zu folgenden Themen:

1. Selbst-Management der individuellen Managementprozesse: Wie verbessere und erhalte ich meine eigene Entwicklungsfähigkeit?

2. Selbst-Strategie und -Organisation: Was sind meine Lebensziele und wie bewerkstellige ich deren Erreichung auf lange Sicht durch die Gestaltung von Lebensbereichen982?

3. Selbst-Jahreszielsetzungen und persönliche Arbeitsmethodik: Was will ich in welchem Lebensbereich mit welchem Aufwand bis wann erreichen?

4. Selbst-Befähigung und -Entwicklung: Für welche Lebensbereiche eigne ich mir welches Wissen und Können an?

5. Selbst-Evaluation: Wie komme ich zu relevanten Informationen und nutze diese für eine Selbstevaluation?

979 Zum Portfolio-Worker als Element der vermehrten Netzwerkbildung in der Arbeitswelt vgl. Riggers, Value System, 1998, S. 107. 980 Vgl. Gross, Multioptionsgesellschaft, 2005, S. 40 ff. 981 Vgl. hierzu auch Malik, Führen, 2000/2006, S. 388. 982 Je nach Lebensphase des Menschen (z.B. Kindheit, Jugend, Erwerbsleben, Ruhestand) sind die Lebensbereiche unterschiedlich resp. neu zu definieren und/oder neu zu gewichten. Zur Herleitung von Lebensbereichen dient z.B. eine Orientierung an resp. Balancierung von Körper/Geist/Seele, Mittelherkunft/-verwendung, Aktion/Regeneration.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 355

6. Selbst-Management in Subeinheiten: Welche Selbst-Managementprozesse verschaffen mir Sinnerfüllung und „Glück der Fülle“983 im jeweiligen Lebensbereich?

Das individuelle MPA-Oktaeder wird von erfolgreichen Menschen oft nicht bewusst, sondern unbewusst genutzt. Es handelt sich um eine wirksame Art der Selbstlenkung, bei dem das Selbst nicht wissen muss, dass es sich selbst lenkt.984

Durch die einzelnen Lebensbereiche ist der Mensch eingebunden in eine Vielzahl von umfassenderen Systemen und deren Management-Prozess-Architektur. Das individuelle MPA-Oktaeder koppelt sich dabei mit institutionellen MPA-Oktaedern in der oben erwähnten Form des „loose coupling“ und dient somit umfassenderen Ganzheiten (jeweils im Sinne eines Beitrags zum Ganzen985).986

6.2.6 MPA-Education

Kontext Ziel Umsetzung

Die an Manage-mentprozessen beteiligten Personen sind geschult und ihre Problemlösungs-kompetenz ist erhöht.

1. Richtige Inhalte der MPA-Education

2. Wesentliche Zielgruppen der MPA-Education

3. Kombinierte Wissens-vermittlung und -anwendung

Abbildung 56: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Education (eigene Darstellung)

983 Vgl. Schmid, Glück, 2007, S. 28 ff. 984 Vgl. Stadelmann, Managementtugenden, 2005, S. 121 f. 985 Der „Beitrag zum Ganzen“ ist einer der sechs Grundsätze wirksamer Führung nach Malik. Vgl. Fussnote 268. 986 Einer Ganzheit zu dienen ist die Grundvoraussetzung für echte Führung. Vgl. hierzu die Ausführungen von Greenleaf zum „Servant-Leader“. Der „Servant-Leader“ ist im Idealfall zuerst reiner Diener (an der Sache/Ganzheit), bevor er bewusst ergänzend auch Führungsfunktionen wahrnimmt („servant-first“). Im umgekehrten Fall muss jemand, der führt ohne gedient zu haben, die Funktion des Dienens nachträglich erlernen („leader-first“). Vgl. Greenleaf, Servant, 1991, S. 7 f.

356 Erarbeitung des MPA-Konzepts

6.2.6.1 Inhalte der MPA-Education

Managementprozesse lassen sich am besten verstehen, wenn man sie als Problemlösungs-prozesse bestehend aus Reflexion und Aktion interpretiert. Die Qualität der Problemlösung ist dabei massgeblich von den involvierten Personen, deren Wissens- und Informationsstand sowie deren Denkarbeit abhängig. 987 Die MPA-Education ist deshalb ein besonders wichtiger Modulbaustein des MPA-Konzepts.

Inhaltlich gesehen geht es bei der MPA-Education um die Vermittlung der wesentlichen Inhalte aus der vorliegenden Arbeit. Das dadurch vermittelte Wissen u.a. in Form von MPA-Theorie und MPA-Konzept dient einerseits als gemeinsame „Managementsprache" zur wirksamen Verständigung und anderseits als Orientierungshilfe und Relevanzfilter zur gezielten Selektion und Nutzung von Informationen über die jeweils spezifische Problemsituation.

Die Inhalte der MPA-Education sind für sämtliche Organisationen jeder Grösse und Art (Profit/Non-Profit, Branche etc.) gleichermassen relevant. Es handelt sich dabei um die Vermittlung von invariantem Managementwissen im Sinne von Gesetzmässigkeiten.988 Erst deren Anwendung auf die konkrete Situation führt zu spezifisch-konkreten Ausprägungen von Denken und Handeln und zu der daraus entstehenden Problemlösung resp. Ordnung im System.989 Dies hat den Vorteil, dass eine Person das einmal Gelernte in unterschiedlichen Organisationen anwenden kann und nicht immer wieder eine neue Art von MPA-Wissen erforderlich ist.

6.2.6.2 Zielgruppen der MPA-Education

Eine lebens- und entwicklungsfähige Institution ist in der Lage, ihre (Management-) Probleme selbst zu lösen. Dies impliziert, dass die Problemlösung nicht an Externe delegiert wird, sondern von eigenen Führungskräften verantwortet und durchgeführt wird. MPA-Wissen gehört daher zum Grundrüstzeug jeder am umfassenden Erfolg ihrer Institution interessierten Führungskraft. Nicht jede Führungskraft muss sich aber MPA-Wissen in gleicher Breite und Tiefe aneignen. Hinsichtlich der notwendigen inhaltlichen Breite und Tiefe sowie der Anwendungsorientierung lassen sich grob fünf Zielgruppen der MPA-

987 Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 286. 988 Schwaninger spricht in diesem Zusammenhang von kontextunabhängigen Gestaltungsprinzipien. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 298. 989 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 246 mit dem Verweis auf Riedls Gesetz „Ordnung ist Gesetz mal Anwendung“. Zu diesem Gesetzt vgl. Riedl, Begriff, 1987, S. 48.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 357

Education unterscheiden.990 Deren Ausprägungen sind in der nachfolgenden Abbildung 57 zusammengefasst.

Zur Etablierung einer gemeinsamen „Managementsprache“ ist es wichtig, dass alle Zielgruppen im Minimum über eine mittlere Breite an MPA-Wissen verfügen. Bei oberen Führungskräften (in ihrer Funktion als Managementprozess-Verantwortliche), beim MPA-Beauftragten und bei in MPA-Projekten involvierten (Nachwuchs-) Führungskräften ist die Wissensanwendung als Bestandteil von umfassenden MPA-Education-Programmen wichtig.

Zielgruppe Anforderungen an die MPA-EducationBreite der Wissensvermittlung

Tiefe der Wissensvermittlung

Anteil der Wissensanwendung

Oberste Führungskräfte (z.B. Mitglieder Supervisory Board)

Gross Mittel Klein

Obere Führungskräfte (Managementprozess-verantwortliche)

Gross Mittel

(resp. Gross bzgl. „eigenem“ Prozess)

Mittel

MPA-Beauftragter (MPA-Officer) Gross Gross Gross

In MPA-Projekte involvierte Führungskräfte Mittel

Mittel(resp. Gross bzgl. „eigenem“ Projekt)

Gross

Weitere Führungskräfte und Mitarbeiter Mittel Klein Klein

Abbildung 57: Zielgruppen der MPA-Education (eigene Darstellung)

Von besonderer Bedeutung ist die Zielgruppe der MPA-Beauftragten. In einer Unternehmung sollte in der Leitung jeder ergebnisverantwortlichen Einheit ein MPA-Beauftragter sein. Dieser kommt entweder als Ergänzung ins Leitungsteam oder aber ein bisheriges Leitungsmitglied (z.B. CEO, COO) übernimmt diese Funktion in Personalunion. Unabhängig von der gewählten Variante hat der MPA-Beauftragte über eine grosse Breite und Tiefe an MPA-Wissens zu verfügen und dieses Wissen in umfassenden MPA-Education-Programmen zur Anwendung zu bringen. Abhängig vom Vorwissen des MPA-Beauftragten und von den absolvierten MPA-Qualifizierungsmassnahmen können drei grundsätzliche Qualifikationsstufen unterschieden werden:

990 Zur Wichtigkeit der Zielgruppenorientierung in der Managementausbildung siehe auch Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 49 ff.

358 Erarbeitung des MPA-Konzepts

1. MPA-Beauftragter I („Kenner“): Kennt MPA-Theorie und -Konzept und kann mit externer Unterstützung entsprechende MPA-Projekte durchführen.

2. MPA-Beauftragter II („Könner“): Kennt MPA-Theorie und -Konzept im Detail und kann eigenständig entsprechende MPA-Projekte durchführen.

3. MPA-Beauftragter III („Multiplikator“): Kennt MPA-Theorie und -Konzept im Detail und kann aufgrund langjähriger Anwendungserfahrung selbst weitere Personen in MPA-Theorie und -Konzept ausbilden.

6.2.6.3 Kombinierte Wissensvermittlung und -anwendung

Eine wirksame MPA-Education verbindet Reflexion und Aktion und liefert dadurch einen Beitrag an die Lösung realer Probleme. Das damit verfolgte Prinzip Return on Education® 991 kann dem Investment für das Education-Programm einen konkreten praktischen Nutzen und – aufgrund der Befähigung zur eigenständigen Problemlösung – eine Einsparung von Consulting-Honoraren gegenüberstellen. Im Rahmen umfassender MPA-Education-Programme kommt daher der Kombination von Wissensvermittlung und angeleiteter Wissensanwendung eine grosse Bedeutung zu. 992 Die Programmarchitektur verfolgt grob die nachfolgenden Schritte:

1. Bestimmung des MPA-Beauftragten durch oberstes Entscheidungsorgan.

2. Schulung des MPA-Beauftragten durch externen MPA-Experten.

3. Workshop mit obersten und oberen Führungskräften zwecks Vorstellung von MPA-Theorie und -Konzept und Definition von MPA-Projekten (moderiert durch MPA-Beauftragten und/oder externen MPA-Experten).

4. Schulung ausgewählter Führungskräfte und damit verbundene Bearbeitung der MPA-Projekte mit Unterstützung durch MPA-Beauftragten und/oder externen MPA-Experten.

5. Ergänzende Kurzschulungen der übrigen Führungskräfte und Mitarbeiter (kann aus Distanz- und Kostengründen als E-Management-Learning durchgeführt werden).

6. Präsentation von Projektzwischenergebnissen und Entscheidungsoptionen an oberste und obere Führungskräfte und Bestimmung des weiteren Vorgehens.

991 Vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 248. 992 Zur Bedeutung der Kombination von Wissensvermittlung und -anwendung siehe auch Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 49 ff.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 359

7. Institutionalisierung des Managements der Managementprozesse und Dokumentation der Management-Prozess-Architektur im Sinne eines MPA-Handbuchs993.

Die konsequente Etablierung einer wirksamen Management-Prozess-Architektur und die damit einhergehende Veränderung der Grundstruktur des Unternehmens und der Manage-mentprozesse führen zu möglichst autonomen Einheiten und einem hervorragenden Feld für „MPA-Learning on the job“. Die Aufteilung der Gesamtunternehmung in ergebnis-verantwortliche Einheiten verteilt den gesamten Managementaufwand auf mehrere Einheiten und Personen. Dadurch ist das Konzept der ergebnisverantwortlichen Einheiten auch eine hervorragende Kaderschmiede. Führungserfahrene Personen aus ergebnis-verantwortlichen Einheiten qualifizieren sich für die Übernahme von grösseren und/oder bedeutenderen Einheiten sowie für Aufgaben der übergreifenden Gesamtführung des Unternehmens. In ihrer täglichen Führungsarbeit können sie bei Bedarf auf das MPA-Handbuch und die Unterstützung durch den MPA-Beauftragten zählen.

6.2.7 MPA-Evaluation

Kontext Ziel Umsetzung

Die Qualität der Management-prozesse wird regelmässig erhoben und Verbesserungs-potenzial identifiziert.

1. Permanente Aufbereitung MPA-relevanter Informationen (inkl. ggf. Online-Plattform)

2. MPA-Projektcontrolling (inkl. ggf. MPA-Office)

3. Periodische MPA-Assessments (durch qualifizierte Assessoren)

Abbildung 58: Einführende Übersicht über Konzeptmodul MPA-Evaluation (eigene Darstellung)

993 Das MPA-Handbuch umfasst in benutzerorientierter Sprache Grundsätze, Regeln, Vorgehensweisen, Begriffsdefinitionen etc. wie man es für die Planung vom Planungshandbuch her vielerorts kennt. Vgl. Reglin, Managementsysteme, 1993, S. 124.

360 Erarbeitung des MPA-Konzepts

6.2.7.1 Permanente Aufbereitung MPA-relevanter Informationen

Entscheidend für ein wirksames Management der Managementprozesse und eine wirksame Ausführung der Managementprozesse sind die Quantität und insbesondere die Qualität der dazu notwendigen Informationen.994 Auch hier kommt also ASHBY’S Law of Requisite Variety995 zur Geltung, wonach nur ausreichende Komplexität (im Managementsystem) die Komplexität (im Realsystem) bewältigen kann. Oder wie es BEER in seinen Überlegungen formulierte: "the degree of control ... is proportional to the ... amount of effective information available to the system." 996 Insofern kommt der MPA-Evaluation im Allgemeinen und der Aufbereitung von MPA-relevanter Information im Speziellen eine ganz entscheidende Funktion zu.

Der MPA-Beauftragte ist für die Organisation der Aufbereitung von MPA-relevanten Informationen zuständig.997 In diesem Zusammenhang hat er dafür zu sorgen, dass in der betreffenden ergebnisverantwortlichen Einheit das Controlling auch die Komponenten des Model of Pre-controlled Success beinhaltet resp. um diese ergänzt wird. Es sind dies das Customer Value Controlling, das Business System Controlling und das Management Process Controlling. Aufgabe des MPA-Beauftragten und der Managementprozess-Verantwortlichen ist es, aus der Datenfülle die wesentlichen Informationen für die richtigen Personen aufzubereiten und ihnen zu unterbreiten. Die Empfänger dieser Informationen agieren ihrerseits als individuelle „Information Manager“ für die Komplexitätsbewältigung in ihrem unmittelbaren Umfeld. 998 Für eine optimierte kollektive Information und Kommunikation kann auch eine MPA-Online-Plattform für das Verwalten und Nutzen von MPA-relevanten Informationen etabliert werden.999 Eine derartige Plattform enthält auch eine elektronische Version des MPA-Handbuchs.1000 Jede ergebnisverantwortliche Einheit kann auf dieser Plattform zu den einzelnen Managementprozessen und zur gesamten

994 Es gilt zu berücksichtigen, dass in der Praxis das Informationsangebot (instrumentendominiert), die Informations-nachfrage (verhaltensdominiert) und der Informationsbedarf (problemdominiert) oft nicht deckungsgleich sind und entsprechende Informationspathologien vorliegen. Vgl. Link, Führungssysteme, 2004, S. 202. 995 Vgl. Ashby, Cybernetics, 1956, S. 207. 996 Beer, Decision, 1966, S. 357. 997 Der MPA-Beauftragte ist somit für das Informations-Controlling zuständig. Das Informations-Controlling ermöglicht eine Einbindung der Informationsverarbeitung in die Managementprozesse einer Unternehmung. Vgl. hierzu auch Ruthekolck, Informations-Controlling, 1996, S. 96 ff. 998 Zu „Information Management“ als individuelle Aufgabe der Komplexitätsbewältigung vgl. Espejo und Watt, Information Management, 1988, S. 7 f. 999 Schwaninger spricht in diesem Zusammenhang von On-Line-Datenbanken als „Enabling Technologies“. Vgl. Schwaninger, Managementsysteme, 1994, S. 270. 1000 Zwecks geringerem Aktualisierungs- und Verwaltungsaufwand kann teilweise oder ganz auf eine physische Version des MPA-Handbuchs verzichtet werden.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 361

Management-Prozess-Architektur relevante Informationen hinterlegen und je nach Vertraulichkeit für unterschiedliche Benutzergruppen freischalten (z.B. für alle Managementprozess-Verantwortlichen). Eine MPA-Online-Plattform in beschriebener Form kann auch als Baustein in den Operations Room der Unternehmung integriert werden. Letzterer umfasst an einem Ort resp. in einem Raum alle entscheidungsrelevanten Informationen für die Lenkung einer Organisation.1001

6.2.7.2 MPA-Projektcontrolling

In der MPA-Strategie werden auf Basis der MPA-Roadmap Schlüsselprojekte zur Entwicklung der Management-Prozess-Architektur festgelegt. Aufbereitete MPA-relevante Informationen können Anlass sein, zusätzliche Projekte zur Veränderung resp. Verbesserung eines oder mehrerer Managementprozesse zu starten. Da jeder Management-prozess direkte und/oder indirekte Auswirkungen auf die anderen Managementprozesse hat, ist es wichtig, dass MPA-Projekte in Abstimmung mit der gesamten Management-Prozess-Architektur erfolgen. Damit dies von Beginn des Projekts bis zu dessen Ende gewährleistet werden kann, ist ein MPA-Projektcontrolling unerlässlich.

Das MPA-Projektcontrolling ist Bestandteil der MPA-Evaluation und liefert Transparenz über die Anzahl geplanter, laufender, zurückgestellter und abgeschlossener MPA-Projekte. Hinsichtlich aller laufenden MPA-Projekte werden zudem Angaben zur Zielsetzung des Projekts, zur Projektorganisation sowie zu den wesentlichen Terminen und Meilensteinen gemacht. Beim MPA-Beauftragten laufen diese Informationen zusammen und er ist für ein entsprechendes Multiprojektcontrolling verantwortlich.1002

Zwecks optimalem Informationsfluss und Wissenstransfer kann es sinnvoll sein, dass Projektleiter und -mitarbeiter in einem gemeinsamen Projektbüro, dem MPA-Office, tätig sind. Dadurch ist neben dem formalen, oftmals zeitaufwändigen Informationsaustausch ein informeller zeitnaher Austausch leichter möglich. Es kann dabei durchaus Sinn machen, dass mehrere MPA-Verantwortliche (welche ihrerseits für eine oder mehrere ergebnisverantwortliche Einheiten die MPA-Verantwortung tragen) und weitere MPA-Schlüsselpersonen an einem Ort „gebündelt“ werden. Dies kann unabhängig von der Frage nach der fachlichen und/oder „disziplinarischen“ Führung dieser Personen geschehen. Bezüglich der Führungsfrage wird im Sinne der Autonomie der ergebnisverantwortlichen

1001 Zu Grundlagen und Funktionalitäten eines Operations Room vgl. Beer, Brain, 1972/1988, S. 181 und 268 ff. sowie Hetzler, Entscheidungsumfelder, 2008, S. 276 ff. 1002 Zum Multiprojektcontrolling vgl. u.a. Rosemann, Managementinformationssystem, 2001, S. 180 ff.

362 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Einheiten empfohlen, im Normalfall die „disziplinarische“ Führung solcher Personen in der jeweiligen Einheit zu belassen, womit der MPA-Verantwortliche der übergeordneten Ebene ausschliesslich eine fachliche Weisungsbefugnis hat.1003,1004

6.2.7.3 Periodische MPA-Assessments

Ergänzend zur permanenten Evaluation der Managementprozesse durch die Management-prozess-Verantwortlichen resp. der Management-Prozess-Architektur durch den MPA-Beauftragten sind MPA-Assessments ein geeignetes Instrument für eine umfassende Evaluation der Management-Prozess-Architektur. MPA-Assessments sollten jährlich und bei Bedarf anlassbezogen durchgeführt werden. Neben Selbst-Assessments unter der Leitung des MPA-Beauftragten sollte regelmässig auch ein Assessment durch einen externen MPA-Experten stattfinden. Dies ermöglicht eine unabhängige Beurteilung durch einen Dritten inkl. dem anonymisierten Vergleich zu Best Practices aus Assessments mit anderen Unternehmen.

Aufgrund der Komplexität von Managementprozessen lässt sich ein MPA-Assessment nicht mittels einfachen Instrumenten wie z.B. einem Multiple Choice-Fragebogen durchführen. Stattdessen hängt die Qualität des Assessments massgeblich von den Assessoren (Interviewern) ab, welche aufgrund eines Fragenkatalogs mit offenen Fragen die Situation differenziert in Erfahrung bringen. Dies ist mit ein Grund, weshalb wirksame MPA-Assessments nur durch MPA-Experten durchgeführt werden können, welche über entsprechende Qualifikationen verfügen.

Bei einem MPA-Assessment werden Führungskräfte der betrachteten Einheit zu deren Managementprozessen befragt. Das Assessment verfolgt dabei drei Dimensionen, welche in Kombination die jeweiligen Fragen ergeben. Erste Assessment-Dimension sind die Managementprozesse der Basislogik des MPA-Konzepts (gemäss der Detailversion des Integrated Management Model). Als zweite Assessment-Dimension werden bezüglich des jeweils betrachteten Managementprozesses sechs verschiedene Betrachtungsperspektiven eingenommen. Diese Betrachtungsperspektiven richten sich nach der im Rahmen des MPA-Theoriemodells bereits erwähnten Qualität von Input, Throughput (Involvierte Personen,

1003 Zu Grundalternativen der organisatorischen Gestaltung des Controllings vgl. Ruthekolck, Informations-Controlling, 1996, S. 298 ff. 1004 Die Controlling-Funktion hat den (dezentralen) Unternehmensstrukturen Rechnung zu tragen. Das Prinzip der „Indirekten Führung“ verändert auch die Controlling-Funktion und die Rollen im Führungsprozess. Vgl. Picot und Böhme, Controlling, 1999, S. 7 und 10 ff.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 363

Inhalte/Grundsätze, Systematik/Instrumente, Anwendung/Umsetzung1005) und Output des jeweiligen Managementprozesses.1006 Auf Basis dieser multiperspektivischen Betrachtung kann im Rahmen der dritten Assessment-Dimension beurteilt werden, ob der betrachtete Managementprozess übereinstimmt mit Best-Practices von richtigem und gutem Management und was bei einer grossen Abweichung von den Best-Practices die Konsequenz für die Managementwirksamkeit ist. Diese dritte Assessment Dimension ist deshalb wichtig, weil ein Defizit hinsichtlich eines Managementprozesses nicht in jedem Falle die gleichen Konsequenzen haben muss. Die Kombination von Managementprozessen, Betrachtungsperspektiven (Input, Throughput, Output) und Beurteilungsperspektiven (Best-Practice-Übereinstimmung, Konsequenz) ergibt schliesslich ein umfassendes Assessment.

In der nachfolgenden Abbildung werden die erwähnten Betrachtungsperspektiven dargestellt, inkl. der Angabe der primären systemischen Logik sowie von praxisorientierten Check-Fragen und Anmerkungen.

Abbildung 59: Betrachtungsperspektiven im Rahmen eines MPA-Assessments (eigene Darstellung)

1005 Der Aspekt „Anwendung/Umsetzung“ fokussiert auf die Frage, ob vorhandene Grundsätze, Instrumente etc. auch wirklich gelebt werden und Managementprozesse somit eine Konsistenz von formellen Managementsystemen mit informellen Managementpraxen (konkrete Verhaltensweisen der involvierten Personen) aufweisen. Nur so kann sicher-gestellt werden, dass z.B. entsprechende Management-Veranstaltungen nicht zu reinen Alibi-Übungen verkommen. Zu den Begriffen Managementsysteme und Managementpraxen vgl. Reglin, Managementsysteme, 1993, S. 146 ff. 1006 Zur notwendigen Beurteilung von In-/Through-/Output von Prozessen vgl. auch Wyder, Change, 2006, S. 71 ff.

Betrachtung von...

Primäre Logik

Check-Fragen/Punkte Anmerkungen

Sach-

Chrono-

Psycho-Input X • rechtzeitig?

• umfassend?Für jede Input-Beziehung zu beurteilen (abhängig von Managementprozessender Rekursionsebenen R+1/0/-1)

Involvierte Personen

X • wissend (statt mächtig)?• problemlösungskompetent? (Vorbilder, Entscheider, Promotoren?)

Für jeden Managementprozessaufgrund dessen Charakteristik zu beurteilen

Inhalte / Grundsätze

X • liegen die erforderlichen Inhalte vor?• sind es die richtigen Inhalte? (Grundsätze, Entscheide, etc.)

Systematik / Instrumente

X • gibt es ein definiertes Vorgehen?• wie häufig wird es durchgeführt?• gibt es die notwendigen Instrumente?

Anwendung / Umsetzung

X • dokumentiert und kommuniziert?• verstanden und gelebt? (gewünschte Wirkung erzielt?)

Output X • rechtzeitig?• umfassend?

Für jede Output-Beziehung zu beurteilen (abhängig von Managementprozessender Rekursionsebenen R+1/0/-1)

364 Erarbeitung des MPA-Konzepts

Die Erfassung der wesentlichen Informationen aus den Assessment-Gesprächen erfolgt in einem durch das MPA-Konzept vorstrukturierten Rahmen. Nachfolgend wird der Erfassungsbogen beispielhaft für den Prozess „Strategieentwicklung“ abgebildet.

Abbildung 60: Erfassungsbogen beispielhaft für den Prozess "Strategieentwicklung" (eigene Darstellung)

Die dargelegte Assessment-Methodik wurde im Rahmen der vorliegenden Dissertation erarbeitet und bereits in einem ersten Pilotprojekt erfolgreich angewandt. Auf Basis dieser Assessment-Methodik lässt sich in wenigen Tagen eine robuste Evaluation der Management-Prozess-Architektur durchführen. Im Rahmen der Assessment-Methodik erfolgt eine vierfache Validierung der Beurteilungsergebnisse. Eine erste Validierung erfolgt durch den Einbezug von Interview-Partnern unterschiedlicher Funktionen und Funktionsstufen resp. durch den Abgleich von deren Antworten zu gleichen Fragen. Eine zweite Validierung geschieht durch den Abgleich von Informationen aus Assessment-Gesprächen und Informationen, welche durch die Analyse von relevanten Dokumenten (z.B. Leitbild, Strategiepapier, Controllingbericht) stammen. Da das Assessment grundsätzlich durch zwei qualifizierte Assessoren durchgeführt wird, ist als dritte Validierung der Abgleich der individuellen Assessoren-Meinung hin zu einer Konsens-Meinung zu nennen. Die vierte Validierung ergibt sich aus dem systemischen Aufbau der Assessment-Methodik,

0 1 2 3 4 5 0 1 2 3 4 5

R+1 Strategieentwicklung

Unternehmenspolitik und Corporate GovernanceControlling und Berichts-wesen

R-1 Strategieentwicklung

R+1 Strategieentwicklung

Operative Planung

Organisation, Strukturen, ProzesseFührungskräftebedarf

Unternehmens-entwicklung

R-1 Strategieentwicklung

Übereinstimmung Konsequenz

2 Strategie-entwicklung

Output an…

Input von…

R0

Through-put

Nr. Management-prozess

Betrachtungsperspektive Anmerkungen der Assessoren (Fazit der Aussagen der Interview-Partner zu Stärken, Schwächen, Verbesserungsvorschläge)

R0

Involvierte Personen

Inhalt / Grundsätze

Systematik / Instrumente

Anwendung / Umsetzung

Erarbeitung des MPA-Konzepts 365

bei der zu jedem Managementprozess die Input-/Output-Beziehungen analysiert werden. Dadurch wird jede Verbindung von zwei Managementprozessen doppelt analysiert (je einmal aus Sicht des jeweiligen Managementprozesses als Output oder Input).

Ergänzend zum Assessment der einzelnen Managementprozesse gilt es auch das Management der Managementprozess zu beurteilen. Dazu können die Assessoren das Vorhandensein und die Wirksamkeit des MPA-Rahmenkonzepts und der sieben MPA-Konzeptmodule beurteilen. Alternativ können die Aspekte der Managementprozesse 2. Ordnung auch im Rahmen der Fragen zu den Managementprozessen 1. Ordnung in Erfahrung gebracht werden. Dies z.B., indem beim Managementprozess „Funktionen-zuteilung und -diagramm (AKV)“ auch danach gefragt wird, ob ein MPA-Funktionen-diagramm für die organisatorische Verankerung der Managementprozesse vorliegt.

Ein so durchgeführtes MPA-Assessment bringt als Resultat eine Beurteilung der Management Process Performance1007 hervor. Diese bildet einen wesentlichen Bestandteil des Model of Pre-controlled Success. Im Rahmen eines MPA-Assessments bietet daher abschliessend ein Abgleich der Management Process Performance mit der Business System Performance und der Customer Value Performance interessante Einsichten. Alle Personen, die an Wettbewerbs-, Funktions- und Entwicklungsfähigkeit einer Unternehmung interessiert sind, messen Resultaten von MPA-Assessments eine hohe Bedeutung zu. Dies können neben den eigenen Führungskräften z.B. Kunden, langfristig orientierte Investoren, Kooperationspartner oder zukünftige Mitarbeiter sein.1008 Somit haben MPA-Assessments nicht nur einen unternehmensinternen Nutzen, sondern können – vergleichbar den ISO-Zertifizierungen bezüglich Geschäftsprozessen – auch einen externen Marketingeffekt auslösen.1009

Das hier vorgestellte grundsätzliche Vorgehen zum MPA-Assessment kann in unter-schiedlicher Breite (Anzahl ergebnisverantwortliche Einheiten) und Tiefe (Anzahl befragte Personen, Anzahl Fragen und Aufwand für Dokumentenanalyse) erfolgen. Auch kann es z.B. implizit oder explizit integriert werden in die Analyse-Phase im Rahmen der Durchführung einer MPA-Syntegration.

1007 Statt von Management Process Performance wird z.B. auch von Management Excellence oder von Total Management Quality (nicht Total Quality Management) gesprochen. Zu Total Management Quality vgl. Malik, Management-Qualität, 1996, S. 1 ff. 1008 Seghezzi/Caduff weisen darauf hin, dass Kunden und Gesetzgeber zunehmend Transparenz über die von einem Unternehmen angewandten Führungssysteme verlangen. Vgl. Seghezzi und Caduff, Führungssysteme, 1997, S. 9. 1009 Zum Thema Marketingeffekt vgl. Seghezzi und Caduff, Führungssysteme, 1997, S. 18 sowie Jackson und Ashton, ISO-Zertifizierung, 1995, S. 239 ff.

366 Erarbeitung des MPA-Konzepts

6.3 Abgleich des MPA-Konzepts mit der Forschungsfrage

In Kapitel 5.2 wurde die MPA-Theorie gebildet und in Kapitel 5.3 wurden deren Thesen abgeglichen mit der Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit. Dadurch wurde in grund-sätzlicher Weise aufgezeigt, was hinsichtlich der Management-Prozess-Architektur von Bedeutung ist. In Kapitel 6.1 und 6.2 wurden das MPA-Rahmenkonzept und die MPA-Konzeptmodule beschrieben. Nachfolgend werden diese ebenfalls mit der Forschungsfrage abgeglichen. Daraus erhellt, wie die Forschungsfrage in der Praxis konkret beantwortet werden kann.

Die allgemeine Forschungsfrage lautet: Wie muss die Management-Prozess-Architektur von Unternehmen konfiguriert werden, damit diese in ihrer komplexen Umwelt nachhaltig erfolgreich sind? Die davon abgeleiteten acht spezifischen Forschungsfragen werden nachfolgend mit dem MPA-Rahmenkonzept und den sieben MPA-Konzeptmodulen in Verbindung gebracht:

1. Wie müssen ergebnisverantwortliche Einheiten eines Unternehmens grundsätzlich gestaltet werden? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere durch die Rekursivität des MPA-Rahmenkonzepts sowie durch das Konzeptmodul MPA-Organisation adressiert.

2. Welche Prozesse sind notwendig, um diese ergebnisverantwortlichen Einheiten zu führen? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere durch die Basislogik des MPA-Konzepts, die Differenzierung des MPA-Konzepts in Managementprozesse 1. und 2. Ordnung sowie das Konzeptmodul MPA-Zwecksetzung adressiert.

3. Wie spielen diese Managementprozesse in einer ergebnisverantwortlichen Einheit zusammen? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere durch die Basislogik des MPA-Konzepts, die Differenzierung des MPA-Konzepts in Managementprozesse 1. und 2. Ordnung sowie durch die Konzeptmodule MPA-Organisation und MPA-Jahreszielprozess adressiert.

4. Wie kann in einer ergebnisverantwortlichen Einheit die Wirksamkeit des Zusammen-spiels der Managementprozesse und somit die Prozessqualität sichergestellt werden? Diese spezifische Forschungsfrage wird durch die Differenzierung des MPA-Konzepts in Managementprozesse 1. und 2. Ordnung sowie durch alle sieben MPA-Konzept-module adressiert.

Erarbeitung des MPA-Konzepts 367

5. Wie ist eine Architektur der Managementprozesse zu gestalten, damit ergebnisverant-wortliche Einheiten unterschiedlicher Ebenen auf einen gemeinsamen Zweck hin funktionieren? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere durch die Rekursivität des MPA-Rahmenkonzepts sowie durch die Konzeptmodule MPA-Zweck-setzung, MPA-Strategie, MPA-Organisation und MPA-Arbeitsmethodik adressiert.

6. Wie lassen sich formelle Kompetenzen 1010 für die Management-Prozess-Architektur organisatorisch verankern? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere durch die Konzeptmodule MPA-Organisation und MPA-Jahreszielprozess adressiert.

7. Wie lassen sich materielle Kompetenzen1011 für die Management-Prozess-Architektur dauerhaft in Unternehmen institutionalisieren? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere durch das Konzeptmodul MPA-Education adressiert.

8. Wie lässt sich anhand der Management-Prozess-Architektur der Erfolg eines Unter-nehmens ganzheitlich beurteilen und vorsteuern? Diese spezifische Forschungsfrage wird insbesondere durch das Konzeptmodul MPA-Evaluation adressiert.

Der Abgleich des MPA-Konzepts mit den spezifischen Forschungsfragen macht deutlich, dass jede Forschungsfrage von einem oder mehreren Aspekten des MPA-Konzepts resp. mindestens einem der sieben MPA-Konzeptmodule adressiert wird. Damit ist das MPA-Konzept geeignet, praktische Antworten auf die Forschungsfragen zu geben und die MPA-Theorie in der Praxis umzusetzen.

In der nachfolgenden Abbildung 61 werden die wesentlichen Punkte des MPA-Konzepts praxisorientiert zusammengefasst und mit Verweisen auf die jeweiligen Forschungsfragen versehen. Diese Zusammenfassung kann als Orientierungshilfe u.a. für das Assessment der Wirksamkeit des Managements der Managementprozesse dienen.

1010 Zum Begriff der formellen Kompetenzen vgl. Fussnote 25. 1011 Zum Begriff der materiellen Kompetenzen vgl. Fussnote 26.

368 Erarbeitung des MPA-Konzepts

MPA-Rahmen-konzept

Ziel Kernpunkte der Umsetzung Antwort auf Forschungs-frage

MPA-Basis-logik

Managementprozesse und ihr Zusammenspiel sind bestimmt.

1. Umfassendes Erfolgsverständnis 2. Zirkuläre Managementprozesse 3. Notwendige und hinreichende Prozesse für

operatives, strategisches und normatives Management

2, 3

MPA-Differen-zierung

Unterscheidung in Managementprozesse 1. und 2. Ordnung ist erfolgt.

1. Gedankliche Unterscheidung in Managementprozesse 1. und 2. Ordnung

2. Gleiche Basislogik der Prozesse 2. Ordnung wie jene der Prozesse 1. Ordnung

3. Ein Prozess 2. Ordnung bezieht sich jeweils auf alle Prozesse 1. Ordnung

2, 3, 4

MPA-Rekursi-vität

Gleiches MPA-Konzept ist rekursiv über alle Ebenen hinweg angewandt.

1. Übergeordnete Rekursionsebenen geben Vorgaben bzgl. Managementprozessen 2. Ordnung an untergeordnete Ebenen

2. Zwischen benachbarten Rekursionsebenen erfolgt eine Abstimmung bezüglich der Managementprozesse 1. Ordnung

3. Untergeordnete Rekursionsebenen liefern Performance-Beiträge an übergeordnete

1, 5

Modul Ziel Kernpunkte der Umsetzung Antwort MPA- Zweck-setzung

Grundsätze hinsichtlich Wahl und Konfiguration von Management-prozessen sind festgelegt.

1. Grundsatzentscheid zu Orientierung an Lebens-fähigkeit, Unternehmensinteresse und Kundenutzen

2. Entscheid zur Einführung des MPA-Konzepts 3. Evolutionäre Einführung und „In-Schwung-

halten“ der MPA

2, 4, 5

MPA-Strategie

Entwicklungsziele für die einzelnen Management-prozesse und die MPA als Ganzes sind bestimmt.

1. Festlegung der MPA-Grundstrategie 2. Bestimmung einer MPA-Roadmap zur

(Weiter-) Entwicklung der MPA 3. Definition von MPA-Projekten inkl. Projekt-Zielen, -

Mitteln und -Massnahmen

4, 5

MPA-Organi-sation

Lebensfähige Einheiten sind konzipiert, Managementprozesse organisiert und Zuständigkeiten geklärt.

1. „Organisational Direttissima“ zur Grundstrukturierung der Unternehmung

2. Organisatorische Verankerung von Managementprozessen (inkl. Verantwortung von oberster Leitung und MPA-Gremium)

3. MPA-Funktionendiagramm

1, 3, 4, 5, 6

MPA-Jahres-ziel-prozess

Zur Umsetzung der MPA-Strategie notwendige Ziele sind vereinbart und deren Erreichung ist beurteilt und honoriert.

1. Individuelle Ziele für den MPA-Beauftragten 2. Individuelle Ziele für Managementprozess-

Verantwortliche und -Teammitglieder 3. MPA-Jahreskalender zur Koordination der Ziele

3, 4, 6

MPA-Arbeits-methodik

Die MPA- Wirksamkeit ist erhöht durch Nutzung von Synergien und Integration des dazu notwendigen Wissens.

1. Syntegration (Synergie und Integration) als wirksame Arbeitsform

2. Konfiguration der MPA-Syntegration (thematisch und personell)

3. Rekursive Anwendung der MPA-Syntegration (bis hin zum individuellen MPA-Oktaeder)

4, 5

MPA-Educa-tion

Die an Management-prozessen beteiligten Personen sind geschult und ihre Problemlösungs-kompetenz ist erhöht.

1. Richtige Inhalte der MPA-Education 2. Wesentliche Zielgruppen der MPA-Education 3. Kombinierte Wissensvermittlung und

-anwendung

4, 7

MPA-Evalua-tion

Die Qualität der Managementprozesse wird regelmässig erhoben und Verbesserungs-potenzial identifiziert

1. Permanente Aufbereitung MPA-relevanter Informationen (inkl. ggf. Online-Plattform)

2. MPA-Projektcontrolling (inkl. ggf. MPA-Office) 3. Periodische MPA-Assessments (durch qualifizierte

Assessoren)

4, 8

Abbildung 61: Zusammenfassung des MPA-Konzepts mit Hinweisen auf einschlägige Forschungsfragen (eigene Darstellung)

Erarbeitung des MPA-Konzepts 369

6.4 Zwischenfazit

In Kapitel 6 wurde von der MPA-Theorie ein praxisorientiertes MPA-Konzept abgeleitet. Das MPA-Konzept besteht aus einem Rahmenkonzept und sieben Konzeptmodulen. Ein Abgleich des MPA-Konzepts mit der Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit zeigte auf, dass durch das Rahmenkonzept und die Konzeptmodule sämtliche spezifischen Forschungs-fragen adressiert werden. Dies macht das MPA-Konzept zu einem geeigneten Instrument, um sich in der Praxis mit der Thematik der Management-Prozess-Architektur erfolgreich auseinander zu setzen und dabei die MPA-Theorie in Praxiserfolg umzusetzen.

Die Basislogik des MPA-Konzepts vereint in einer Darstellung die wesentlichen Punkte der vier Theoriebausteine. Vom Integrated Management Model abgeleitete Management-prozesse werden dabei als zirkuläre Prozesse gemäss dem Model of Circular Processes verstanden. Diese – in der Übersichtsversion sieben – Managementprozesse decken die wesentlichen Aspekte des normativen, strategischen und operativen Managements gemäss dem Viable System Model ab. Aus dem Zusammenspiel der Prozesse resultiert die Total System Performance, wie sie durch das Model of Pre-controlled Success definiert ist. Diese Basislogik wurde im Weiteren in Managementprozesse 1. und 2. Ordnung differenziert. Mit Hilfe dieser gedanklichen Unterscheidung lässt sich darstellen, wie jeder Management-prozess 2. Ordnung auf alle Managementprozesse 1. Ordnung wirkt. Managementprozesse 1. und 2. Ordnung sind Bestandteil des Managements jeder ergebnisverantwortlichen Einheit. Entsprechend kommt die Basislogik der Managementprozesse 1. und 2. Ordnung in jeder ergebnisverantwortlichen Einheit auf jeder Ebene rekursiv zur Anwendung. Benachbarte Rekursionsebenen sind dabei hinsichtlich Managementprozessen 2. Ordnung über Vorgaben (der übergeordneten Ebene), hinsichtlich Managementprozessen 1. Ordnung über Ab-stimmungen (zwischen den Ebenen) und mit Blick auf Resultate von Managementprozessen über Beiträge (der untergeordneten Ebene) miteinander verbunden.

Zu den sieben Managementprozessen 2. Ordnung wurden sieben MPA-Konzeptmodule erarbeitet. Diese beleuchten jeweils einen Aspekt des Managements der Management-prozesse und sorgen in Summe für eine hohe Wirksamkeit des Zusammenspiels der Managementprozesse (1. Ordnung) und dadurch für eine hohe Management Process Performance. Für MPA-Zwecksetzung, MPA-Strategie, MPA-Organisation, MPA-Jahres-zielprozess, MPA-Arbeitsmethodik, MPA-Education und MPA-Evaluation wurden deren Ziele und Kernpunkte der Umsetzung in Kapitel 6.2 herausgearbeitet und in Kapitel 6.3 auf einer Seite zusammengefasst, weshalb an dieser Stelle auf eine erneute Zusammenfassung verzichtet wird. Die Konkretisierung des MPA-Konzepts in sieben Konzeptmodule brachte

370 Erarbeitung des MPA-Konzepts

u.a. mit dem MPA-Beauftragten ein neues Funktions- und Berufsbild hervor, zeigte mit der MPA-Syntegration die wohl wirksamste Arbeitsweise hinsichtlich des Umgangs mit Managementprozessen auf und macht mit dem MPA-Assessment die Management Process Performance konkret beurteilbar. Die Einführung des MPA-Konzepts hat evolutionär zu erfolgen, indem die sieben Managementprozesse 2. Ordnung resp. Konzeptmodule mehrfach und in Kombination durchgespielt resp. angewandt werden. Eine bestimmte Reihenfolge gibt es dabei nicht einzuhalten, sondern das Vorgehen hat der jeweils spezifischen Situation gerecht zu werden. Eine Management-Prozess-Architektur als Ganzes und einzelne Managementprozesse sind nie abgeschlossen. Vielmehr geht es darum, sämtliche Managementprozesse „in Schwung“ zu halten und deren „Drehzahl“ so aufeinander abzustimmen, dass die Management Process Performance dauerhaft optimiert wird.

Zusammenfassung und Implikationen 371

1. Einleitung

2. Theoretische Grundlagen

3. Theorie-bausteinezur MPA

4. Praxisfall einer Transformation

der MPA

5. Bildung der MPA-Theorie

6. Erarbeitung des MPA-Konzepts

7. Zusammenfassung und Implikationen

7 Zusammenfassung und Implikationen

In Kapitel 6 wurde auf Basis der Theorie der Management-Prozess-Architektur (MPA-Theorie) eine anwendungsorientierte Integration der wesent-lichen Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit ge-leistet. Resultat war das Konzept der Management-Prozess-Architektur (MPA-Konzept).

Die Arbeit wird nun insgesamt abgerundet durch ein letztes Kapitel. Hier geht es darum, eine Zusammenfassung der gesamten Arbeit zu geben

(7.1) sowie Implikationen für Wissenschaft und Praxis aufzuzeigen (7.2).

7.1 Zusammenfassung

7.1.1 MPA-Grundlagen

Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit war die Frage, wie die Management-Prozess-Architektur (MPA) von Unternehmen konfiguriert werden muss, damit diese in ihrer komplexen Umwelt nachhaltig erfolgreich sind. Mit der Beantwortung dieser Frage leistet die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Managementlehre, indem ein Praxisproblem aufgegriffen und wissenschaftlich bearbeitet wurde. Die hergeleitete MPA-Theorie und das erarbeitete MPA-Konzept sind geeignet, sowohl der Wissenschaft als auch der Praxis Impulse zu verleihen.

In der heutigen Zeit besteht u.a. infolge der Globalisierung und Technologisierung eine vermehrte Transparenz resp. ein potenziell gleicher Zugang zu Beschaffungsmärkten (Ressourcen) und Absatzmärkten (Kunden). Um nachhaltige Wettbewerbsvorteile erzielen zu können, kommt daher der Fähigkeit der wirksamen Transformation von Ressourcen in Kundennutzen eine zentrale Bedeutung zu. Die genannte Transformation kann als Management bezeichnet werden.1012 Nachhaltige Wettbewerbsvorteile beruhen somit auf komparativen Managementvorteilen. Managementvorteile bedingen eine überdurchschnitt-liche Managementqualität. Letztere ist das Resultat einer wirksamen Management-Prozess-

1012 Vgl. Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 33.

372 Zusammenfassung und Implikationen

Architektur. Wer somit am langfristigen Erfolg seines Unternehmens interessiert ist, für den ist die Etablierung und Nutzung der Management-Prozess-Architektur unverzichtbar.

Management ist in den letzten Jahrzenten aufgrund der rasant gestiegenen Komplexität anspruchsvoller geworden. Die gestiegene Komplexität in der Umwelt von Unternehmen führt zwangsläufig zu einer Erhöhung der Komplexität der Unternehmen und deren Management. 1013 Management ist eine Funktion, welche das Unternehmen in dessen Umwelt gestaltet, lenkt und entwickelt und somit ein dynamisches Fliessgleichgewicht zwischen Umwelt und Unternehmen aufrecht erhält.1014 Diese Funktion kann in Form von Managementprozessen detailliert werden. Die Management-Prozess-Architektur ist ein Ordnungsrahmen, anhand dessen Managementprozesse als Problemlösungsprozesse in Unternehmungen und deren ergebnisverantwortlichen Einheiten rekursiv verankert, wirksam geführt und in ihrer Qualität beurteilt werden können.

Als theoretische Basis der vorliegenden Arbeit dienen das systemorientierte Denken1015 sowie die systemorientierte Managementlehre. Gemäss dem systemorientierten Denken sind Unternehmen komplexe, zweckorientierte, produktive, soziale Systeme. „Sozial“ sind sie, da immer Menschen die wesentlichen Akteure sind und Ereignisse durch ihr Verhalten auslösen und durch ihr Beobachten wahrnehmen. „Produktiv“ sind sie, weil sie Wissen in Nutzen transformieren und somit Kundennutzen produzieren. Dies geschieht im Hinblick auf die Zweckerfüllung des Systems, daher sind Unternehmen „zweckorientiert“.„Komplex“ sind Unternehmen, weil sie als Ganzes aus einer Vielzahl von untereinander dynamisch verbundenen Teilen bestehen. Die systemorientierte Managementlehre trägt diesem systemischen Unternehmensverständnis Rechnung, indem es mit dem St. Galler Management-Modell einen mehrdimensionalen Bezugsrahmen für das Erkennen und Lösen von Führungsproblemen der Praxis sowie für die Aus- und Weiterbildung von angehenden und derzeitigen Führungskräften bietet.1016

Die konsequenteste und für die vorliegende Arbeit fruchtbarste Weiterentwicklung des ursprünglichen St. Galler Management-Modells ist das malik management system®.1017 Dieses besteht aus dem Basissystem „Umwelt-Unternehmen-Management“. Die Manage-

1013 Die Komplexitätserhöhung erfolgt aufgrund Ashby’s Law of Requisite Variety. Vgl. Kapitel 2.1.2.3 (Komplexität) und 3.2.3.1 (Varietätsausgleich zwischen Basiseinheiten) sowie Ashby, Cybernetics, 1956, S. 207. 1014 Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 223 f. 1015 In Kapitel 2.1 wurde das Konzept des Systemdenkens mit folgenden 12 Bausteinen entwickelt: Das Ganze und die Teile, Vernetztheit, Komplexität, Das System und seine Umwelt, Ereignisse, Ordnung, Gestaltung, Lenkung, Entwicklung, Relationale Konstitution, Multifunktionalität, Information und Kommunikation. Vgl. Abbildung 3. 1016 Vgl. Ulrich und Krieg, Management-Modell, 1972/2001, S. 19. 1017 Zum malik management system® vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 113 ff.

Zusammenfassung und Implikationen 373

ment-Prozess-Architektur (MPA) kann als strukturelle Detaillierung des Subsystems „Management“ des malik management system® verstanden werden. Indem Management als Zusammenspiel von Managementprozessen beschrieben wird, lässt es sich im Sinne von Problemlösungsprozessen systematisieren und organisatorisch in einer Gesamtarchitektur verankern. Die so entstehenden Architekturgrundsätze und -regeln ermöglichen ein im heutigen Komplexitätszeitalter unerlässliches indirektes Einwirken (strukturelle Führung), welches die Wirksamkeit des auf Einzelfallentscheidungen beruhenden direkten Einwirkens (interaktive Führung) bei weitem übersteigt.

Managementprozesse – wie z.B. Strategieentwicklung, Jahresplanung, Leistungsbewertung und Mitarbeiterentwicklung – finden in Unternehmen zumeist an verschiedener Stelle und unabgestimmt mit anderen Managementprozessen der gleichen oder aber unter- bzw. über-geordneten organisatorischen Einheiten statt. Die Notwendigkeit einer Orchestrierung der verschiedenen Managementprozess-Bestrebungen wurde bereits früher erkannt, jedoch in der Literatur bisher vor allem generell-abstrakt angegangen, indem z.B. als zusätzliche Organisationsdimension eine „quartäre Struktur“ zur Institutionalisierung von Führungs-aufgaben empfohlen wurde. 1018 Die Organisierbarkeit von Managementprozessen wurde aufgrund von deren Besonderheiten – namentlich der eingeschränkten Standardisier- und Wiederholbarkeit – teilweise in der Literatur grundsätzlich in Frage gestellt.1019

Die in dieser Arbeit entworfene Management-Prozess-Architektur wird der Notwendigkeit einer organisatorischen Verankerung von Managementprozessen gerecht und berück-sichtigt dabei auch die Besonderheiten von Managementprozessen. Dies geschieht vor dem Hintergrund eines systemischen Managementverständnisses. Dieses versteht (im Gegensatz zum technokratischen Managementverständnis) Management als integrierte Unternehmens- und Mitarbeiterführung sowie als eine Aufgabe, welche von vielen Personen wahr-genommen wird und durch indirektes Einwirken auf Lenkbarkeit ausgerichtet ist, um trotz nie ausreichender Information die Lebensfähigkeit des Unternehmens zu maximieren.

7.1.2 MPA-Theoriebausteine

Basierend auf der Forschungsfrage wurden vier „W-Fragen“ zur Management-Prozess-Architektur (wozu, wo, was, wie) verfolgt, um Theoriebausteine herauszuarbeiten, die Antworten liefern, wozu und wo eine Management-Prozess-Architektur benötigt wird und

1018 Vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 417 ff. 1019 Vgl. Schulte-Zurhausen, Organisation, 2005, S. 61.

374 Zusammenfassung und Implikationen

was für Prozesse in deren Rahmen wie ablaufen. Jeder MPA-Theoriebaustein wird durch ein Modell beschrieben. Da diese Modelle alle auf systemtheoretisch-kybernetischen Überlegungen basieren, sind sie untereinander kompatibel resp. verstärken und ergänzen sich gegenseitig.

7.1.2.1 Vorgesteuerter Erfolg (Total System Performance) dank dem Model of Pre-controlled Success

Die Management-Prozess-Architektur schafft die Voraussetzungen für anhaltenden und umfassenden Unternehmenserfolg, indem Managementprozesse so gestaltet, gelenkt und entwickelt werden, dass sie die Funktionsfähigkeit des Unternehmens erhöhen resp. erhalten und den Kundennutzen maximieren. Oberstes Ziel der Management-Prozess-Architektur ist somit die Maximierung der Lebensfähigkeit der Unternehmung mittels Vorsteuerung des langfristigen Erfolgs. Auf Basis bestehender theoretischer Ansätze wurde das eigene Model of Pre-Controlled Success erarbeitet. Dieses umfasst neben einem Customer Value Controlling (bzgl. Umwelt) ein Business System Controlling (bzgl. Unternehmen/Operation) und ein Management Process Controlling (bzgl. Management).1020

Der Kundennutzen 1021 ist Bezugsgrösse des Customer Value Controlling und gewisser-massen Output eines funktionierenden Business System. Letzteres hat somit eine vor-steuernde Wirkung und besteht aus den sechs Central Performance Controls. 1022 Noch weiter reicht die vorsteuernde Wirkung der Managementprozesse auf Basis einer Management-Prozess-Architektur. Als Output der Managementprozesse kann die Business System Performance hinsichtlich der sechs Central Performance Controls interpretiert werden. Der umfassende Erfolg eines Unternehmens besteht aus Customer Value-, Business System- und Management Process-Performance, welche in Summe die Total System Performance definieren. Diese umfasst auch die drei wesentlichen Fähigkeiten, welche gesamthaft die Lebensfähigkeit einer Unternehmung ausmachen: Die Wettbewerbsfähigkeit (basierend auf der Customer Value Performance), die Funktionsfähigkeit (Business System Performance) und die Entwicklungsfähigkeit (Management Process Performance).

1020 Ebenso wie die Unterscheidung einer Unternehmung in Umwelt, Operation und Management ist auch die Unterscheidung in die drei Komponenten des Model of Pre-controlled Success lediglich gedanklicher Natur und die Vernetzung der drei Komponenten über Feedforward- und Feedback-Informationen sichergestellt. Vgl. Abbildung 9. 1021 Der Kundennutzen ist definiert als Qualität/Preis-Verhältnis relativ zum Wettbewerb aus Kunden-/Nicht-Kunden-Sicht. Vgl. Kapitel 3.1.2.4 (Profit Impact of Market Strategies) sowie Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989, S. 97. 1022 Die sechs Central Performance Controls nach Malik sind: Marktstellung, Innovationsleistung, Produktivitäten, Attraktivität für richtige und gute Leute, Liquidität/Cash-Flows, Gewinn/Profitabilität. Vgl. Kapitel 3.1.2.5 (Central Performance Controls) sowie Malik, Handwerk, 2005/2007, S. 176 ff.

Zusammenfassung und Implikationen 375

7.1.2.2 Rekursive Architektur von ergebnisverantwortlichen Einheiten dank dem Viable System Model

Die organisatorische Grundstruktur und die Managementprozesse des Unternehmens sind die zwei Hauptansatzpunkte für Komplexitätsbewältigung und bilden daher konstitutive Elemente der Management-Prozess-Architektur.1023 Die „Wo“-Frage bezüglich der Manage-ment-Prozess-Architektur zielt auf die Grundstruktur resp. die Grundarchitektur der Unternehmung ab. Diese hat klassische Architekturprinzipien wie Stabilität und Nützlich-keit zu erfüllen und sich an einer systemischen Funktions-Heterarchie statt einer techno-kratischen Position-Hierarchie zu orientieren. Die Management-Prozess-Architektur kann als Syntegrat 1024 von Management und Organisation verstanden werden, indem die Organisation gemanagt und das Management organisiert werden muss. Management und Organisation sind zwei untrennbare Phänomene resp. zwei Seiten der gleichen Medaille.

Die Grundstrukturierung einer Unternehmung hat zu möglichst selbstlenkenden Einheiten zu führen. Von den untersuchten Ansätzen „Profit Center Organisation“, „Fraktales Unternehmen“ und „Viable System Model“ hat sich letzteres als am umfassendsten und geeignetsten für die Management-Prozess-Architektur herauskristallisiert. Das Viable System Model von BEER unterstützt den zuvor erwähnten Gedanken des „Pre-Controlled Success“ am besten, indem es sich an der Lebensfähigkeit orientiert und durch die Verbindung von Organisations- und Managementaspekten anhand von fünf System-funktionen aufzeigt, wie selbstlenkende (Teil-)Einheiten „designt“ und metasystemisch gelenkt werden müssen.1025 Das Rekursivitätsprinzip des Viable System Model besagt, dass jedes lebensfähige System wiederum aus lebensfähigen Teilsystemen besteht, und bringt mit sich, dass die Managementfunktionen über die gesamte Unternehmung hinweg wirksam verteilt werden können (und müssen). Somit laufen die Managementprozesse dort ab, wo auch das notwendige Wissen am besten vorhanden ist. Eine Management-Prozess-Architektur verhilft dazu, Management als verteilte Funktion zu institutionalisieren und die Intelligenz des Gesamtsystems bestmöglich zu nutzen. Jede ergebnisverantwortliche Einheit verantwortet normative, strategische und operative Managementprozesse, um eigenständig ihre Lebensfähigkeit (Total System Performance) zu maximieren.

1023 Dies liegt im ersten Management-Axiom von Beer begründet. Vgl. Kapitel 3.2.3.3 (Operative Gesamtleitung) sowie Beer, Heart, 1979/1994, S. 217 und Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 101. 1024 Syntegrat verwende ich als Bezeichnung für den Output eines Syntegrationsprozesses, also der Kombination von Synergie und Integration. Zur Syntegration als kybernetische Grossgruppenmethode vgl. Kapitel 6.2.5.1 (Syntegration als wirksame Arbeitsform) sowie Beer, Beyond Dispute, 1994. 1025 Lebensfähige Systeme bestehen gemäss Viable System Model aus folgenden fünf Systemfunktionen: „Werte setzen“ (System 5), „Aufklären“ (S4), „Optimieren“ (S3), „Koordinieren“ (S2), „Operieren“ (S1). Vgl. Abbildung 11.

376 Zusammenfassung und Implikationen

7.1.2.3 Notwendige und hinreichende Managementprozesse dank dem Integrated Management Model

Ergebnisverantwortliche Einheiten können ihre Total System Performance nur erfolgreich maximieren, wenn ihr Management über ausreichende Varietät verfügt. Management ist ein vieldimensionales Phänomen, welches im Zusammenhang mit der normativen, strategischen und operativen Dimension insbesondere auch aussen- und innorientierte, lang- und kurzfristige sowie unternehmens- und mitarbeiterbezogene Dimensionen zu berücksichtigen hat. Um herauszufinden, was für Managementprozesse für ein derartig integriertes Management notwendig und hinreichend sind, wurden die „Balanced Scorecard“, das „EFQM Excellence Model“ und das „Integrated Management Model“ näher betrachtet.

Das Integrated Management Model von MALIK ging daraus als umfassendster Ansatz hervor. Im Vergleich mit den anderen Ansätzen fokussiert es primär auf den Customer Value (und nicht wie die Balanced Scorecard primär auf Shareholder-Value und das EFQM Excellence Model auf Stakeholder-Value) und enthält alle notwendigen und hinreichenden Komponenten für eine ganzheitliche Unternehmens- und Mitarbeiterführung. Dass trotz dieser „Erklärungs- und Problemlösungspotenz“ des Integrated Management Model dessen Verständlichkeit und Anwendbarkeit für den Praktiker ebenfalls gegeben ist, verdankt sich der logisch-verbundenen Darstellung der einzelnen Komponenten.1026 Die Komponenten des Modells stellen Managementprozesse dar, welche auf Basis von Informations-Inputs über einen Problemlösungsprozess einen Informations-Output generieren. Es gibt in den anderen beiden Ansätzen keine Komponenten resp. Managementprozesse, welche im Integrated Management Model nicht berücksichtigt wären, weshalb das Integrated Management Model als Referenz für notwendige und hinreichende Managementprozesse herangezogen wurde.1027 Von den zwei anderen Ansätzen wurden, erstens, der Aspekt der Verbindung der Ergebniskennzahlen und Leistungstreiber (Befähiger) sowie, zweitens, der Aspekt der stringenten Nutzung dieser Grössen als Bestandteil von Controlling und Selbst- bzw. Fremdevaluationen für die MPA-Theorie und das MPA-Konzept genutzt.

1026 Vgl. hierzu die Übersichts-Abbildung (Abbildung 20) und die Detail-Abbildung (Abbildung 22) des Integrated Management Model. 1027 Gemäss der Übersichts-Abbildung sind folgende sieben Managementprozesse relevant: Unternehmenspolitischer Zweck, Strategie und Planung, Ablauf- und Aufbau-Organisation, Jahreszielprozess, Persönliche Arbeitsmethodik und -wirksamkeit, Führungskräfte- und Mitarbeiterentwicklung sowie Controlling und operative Steuerungssysteme.

Zusammenfassung und Implikationen 377

7.1.2.4 Managementprozesse als zirkuläre Problemlösungsprozesse dank dem Model of Circular Processes

Managementprozesse unterscheiden sich grundlegend von den durch sie gelenkten Leistungsprozessen (Geschäfts- und Unterstützungsprozessen). Dies hat mit dem Wesen von Management als vieldimensionalem Phänomen zu tun. Der primär lineare Gedanke von Prozessen als Abfolge von Aufgaben ist mit den vieldimensionalen und oft zirkulären Aspekten des Managements in Einklang zu bringen. Dabei wird klar, dass, aufgrund ihrer hohen Komplexität, Managementprozesse nicht im gleichen Masse strukturierbar, standardisierbar und planbar sind wie Leistungsprozesse. Versteht man Management-prozesse jedoch als Problemlösungsprozesse zum Meistern von Komplexität, so können nichtsdestotrotz wiederkehrende Muster erkannt, formalisiert und genutzt werden. Auf Basis bestehender theoretischer Ansätze wurde so das eigene Model of Circular Processes erarbeitet.1028

Das Model of Circular Processes knüpft am Verständnis von Managementprozessen als Problemlösungsprozessen an, orientiert sich entsprechend an bekannten Phasenmustern von Problemlösungsvorgehen und kann auf sämtliche Managementprozesse angewandt werden. Das Model of Circular Processes hilft, bisherige Zustände durch ineinander verzahnte Reflexions- und Aktionsprozesse in neue Zustände zu überführen. Die dazu notwendigen Phasen Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung haben je eine sach-, chrono- und psychologische Dimension, laufen oft parallel ab und können rekursiv aus weiteren Prozessen bestehen resp. Teil von umfassenderen Prozessen sein. Damit das angesprochene Parallelitäts- und Rekursivitätsprinzip funktionieren kann, sind die Teilprozesse über entsprechende Feedforward- und Feedbackmechanismen miteinander verbunden (Informationsprinzip). Diese Prozesslogik bildet auch die Basis für das Management der Managementprozesse. Die Prozessbetrachtung ermöglicht zudem eine organisatorische Verankerung von Managementprozessen sowie aufgrund von Input-Throughput-Output-Überlegungen eine Evaluation der Prozessqualität.

7.1.3 MPA-Transformation durch Aktionsforschung

Auf Basis der vier MPA-Theoriebausteine habe ich ein Aktionsforschungsprojekt durch-geführt. Forschungsobjekt war das Managementberatungs- und -schulungsunternehmen Malik Management Zentrum St. Gallen (Malik MZSG). In einer Vielzahl von Aktions- 1028 Vgl. Abbildungen 24-28 in Kapitel 3.4.3 (Herleitung des „Model of Circular Processes“).

378 Zusammenfassung und Implikationen

forschungs-Workshops wurde über Reflexions- und Aktionsprozesse einerseits ein Beitrag zur praktischen Problemlösung und anderseits ein Beitrag zur Theoriebildung geleistet. Das Aktionsforschungsprojekt führte im Zeitraum von Oktober 2006 bis Ende 2007 zu einer kompletten Transformation der Management-Prozess-Architektur des Malik MZSG. Eine MPA-Transformation zeichnet sich durch eine tiefgreifende Veränderung der organisa-torischen Grundstruktur und eine damit zusammenhängende Veränderung der Management-prozesse aus.

Im Vorfeld des Transformationsprojekts wurden am Malik MZSG mit der Erarbeitung des Leitbilds (2003), den Regeln für Zusammenarbeit und Führung (2004) und der Strategie (2005) wichtige ordnungserzeugende Führungsimpulse als Resultat von Management-prozessen hervorgebracht. Allerdings zeigten sich in den Jahren 2003-2006 zunehmend organisations-strukturelle Defizite, welche die effiziente Umsetzung der Strategie zu beeinträchtigen drohten. Die bisherige Organisationsstruktur wurde deshalb auf Basis des Viable System Model geprüft (2006). Der Auslöser für die Initiierung des Transformations-projekts war eine umfassende Ideenskizze, welche ich in meiner damaligen Funktion im „Corporate Strategic Controlling“ verfasste. Die Ideenskizze enthielt neben der – aus Überlegungen zum Management Process Controlling abgeleiteten – Notwendigkeit einer Transformation der Management-Prozess-Architektur auch Lösungsansätze und einen Vorschlag für die zeitliche Umsetzung. Auf Basis dieser Ideenskizze wurde in einem kleinen Projektteam das „Set-up“ für eine „Organisational Direttissima“ gemacht. Mit diesem Ansatz war es möglich, chronologisch betrachtet schnell zu einer sachlogisch richtigen Lösung zu kommen, welche psychologisch gesehen bei den Betroffenen zur Veränderung von deren Reflexions- und Aktionsmustern führte. Wesentlich an der „Organisational Direttissima“ war die Aufteilung der Projektphase in eine P06-Projekt-phase1029 (10/2006-01/2007) als Geheimprojekt und eine P07-Projektphase1030 (01/2007-04/2007), welche unter aktiver Beteiligung der Führungskräfte und Mitarbeiter ablief.

Die P06-Projektphase umfasste insbesondere die Grundgliederung des Malik MZSG in komplett neue Unternehmensbereiche 1031 und die weitere Untergliederung des grössten Unternehmensbereichs in selbstähnliche und selbstlenkende Einheiten, welche sich durch eigenständige Lebensfähigkeit und beim Erreichen einer bestimmten Grösse durch Multiplikation in zwei neue Einheiten kennzeichnen. Die P07-Projektphase fokussierte auf die Etablierung von Koordinations- und Unterstützungsmechanismen für die neuen Unter- 1029 P06 steht als Abkürzung für Perfektionierung2006 und Projekt2006. 1030 P07 steht als Abkürzung für Projekt2007 und Programm2007. 1031 Vgl. Kapitel 4.3.2 (Grundgliederung in Unternehmensbereiche) und insb. Abbildung 33 als konzeptionelle Übersicht über die Unternehmensbereiche.

Zusammenfassung und Implikationen 379

nehmensbereiche und deren Geschäftseinheiten. Darüber hinaus wurde in dieser Phase auch das Metasystem, d.h. die Funktions- und Lenkungsweise des Gesamtunternehmens, gestaltet und personell besetzt. 1032 Die P07-Nachphase zum Transformationsprojekt (04/2007-01/2008) zeichnete sich durch das Inkraftsetzen verschiedener Policy-Rules aus. Diese Policy-Rules regeln die Unterstützung, Koordination und Führung der einzelnen Einheiten und prägen somit Managementprozesse. Bereits im Rahmen des Transformationsprojekts und darüber hinaus in der Nachphase wurde ein „Transformation Controlling“ durchgeführt. Dabei wurde die Wirkung des Transformationsprojekts laufend überprüft und Ver-besserungsmassnahmen definiert und umgesetzt. Dies gewährleistete, dass der Transfor-mationsprozess auch über das Ende der P06/P07-Projektphase hinaus weiter evolutiv stattfand und weiter stattfinden wird.1033

Bezüglich des Model of Circular Processes machten die Aktionsforschungsergebnisse deutlich, dass die vier Phasen Analyse, Optionen, Gestaltung und Wirkung nicht streng sequenziell, sondern oft parallel ablaufen. Verbindet man das Model of Circular Processes mit der Logik des Viable System Model, dann lässt sich erkennen, dass eine MPA-Transformation von aussen („Umwelt“) nach innen („Operation“ und „Management“) erfolgt und die Organisationsveränderung (Grundstruktur der Operation) der Management-veränderung (Metasystem und Managementprozesse) deshalb zeitlich etwas vorgeschaltet ist. Wesentliche Erfolgsfaktoren des Managements des MPA-Transformationsprozesses waren die gemeinsame „Managementsprache“, die breite und tiefe Informationslage im Projektteam, die evolutive Prozessmoderation sowie das Involvement des Top-Managements. Die Interpretation der Aktionsforschungsergebnisse hinsichtlich des Integrated Management Model ergab, dass im Rahmen der MPA-Transformation insbesondere in der P07-Nachphase wesentliche Policy-Rules für Managementprozesse erarbeitet und in Kraft gesetzt wurden. Dies macht deutlich, dass eine Neugliederung des Geschäfts immer auch eine Neukonfiguration der Managementprozesse zur Folge hat. Hinsichtlich des Viable System Model zeigten die Aktionsforschungsergebnisse eine ausgeprägte Orientierung an der Selbstorganisationskraft, an den fünf Systemfunktionen

1032 Vgl. Kapitel 4.3.5 (Koordinations- und Unterstützungsmechanismen) und 4.3.6 (Etablierung Metasystem und Projektabschluss) sowie insb. Abbildung 34 (Malik MZSG als Viable System Model) und Abbildung 35 (Metasystem und Unterstützungseinheiten des Malik MZSG). 1033 Die MPA-Transformation und die daraus entstandene neue Struktur wurden als Programm2007 (P07) bezeichnet. Gemeint ist damit ein Programm im Sinne eines Evolutions-Algorithmus‘, der immer wieder von neuem lebensfähige Strukturen hervorbringt. Kern dieses Funktionsprinzips ist die Multiplikationslogik der ergebnisverantwortlichen Einheiten und die Tatsache, dass eine etablierte Management-Prozess-Architektur sich über Managementprozesse systematisch mit Strukturfragen auseinandersetzt.

380 Zusammenfassung und Implikationen

sowie an der rekursiven Logik von lebensfähigen Systemen. Entsprechend wurden die Managementprozesse gemäss dem Integrated Management Model nicht nur auf Ebene des Gesamtunternehmens, sondern auch auf der neu gestalteten Unternehmens- resp. Geschäftseinheitsebene als Standard etabliert.

Das MPA-Transformationsprojekt am Malik MZSG gab – an einem Einzelfall aufgezeigte – praktisch-konkrete Antworten auf die „Wie“-, „Was“- und „Wo“-Frage der Management-Prozess-Architektur. Letztere verfolgt jedoch keinen Selbstzweck, sondern dient der Erhöhung der Total System Performance. Daran muss sich die Qualität der Aktions-forschung messen lassen. Nachfolgend sollen daher mit Bezug auf das Model of Pre-controlled Success die wichtigsten Erkenntnisse zusammengefasst werden: Trotz dem parallel zum Tagesgeschäft laufenden, intensiven MPA-Transformationsprozess wurden weder die Mitarbeitenden bei der Leistungserbringung noch die Kunden beim Leistungs-bezug beeinträchtigt. Im Gegenteil: Die neue Management-Prozess-Architektur und die damit verbundene Grundstruktur lässt die Mitarbeiter so nah wie noch nie beim Kunden sein (mental und physisch), vereinfacht die Bedienung des Kunden mit kombinierten Leistungen, fördert die Innovationsleistung durch einen eigenständig dafür verantwortlichen Unternehmensbereich, erhöht die Produktivität durch eine Verringerung des administrativen Aufwands, bietet attraktive Entwicklungsmöglichkeiten für richtige und gute Leute und konnte auch bereits zu finanziellen Rekordergebnissen in der Firmengeschichte des Malik MZSG beitragen. Sodann wurde nach Projektabschluss die Verantwortung für das Management der Managementprozesse auf Gesamtunternehmensebene bezüglich Lenkungs-massnahmen dem Vorsitzenden des Operative Management Board zugeteilt, währenddem das Strategic Management Board für Gestaltungsmassnahmen zur Verfügung steht. Der Verwaltungsrat ist zuständig für das Monitoring der durch Lenkungs- und Gestaltungs-massnahmen resultierenden Entwicklung resp. kann auch selbst Entwicklungsmassnahmen anstossen. Die Managementprozesse wurden im Malik MZSG zudem rekursiv angelegt, wodurch in jeder ergebnisverantwortlichen Einheit sowohl das Management 1. Ordnung (Ausführung der Managementprozesse) als auch das Management 2. Ordnung (Management der Managementprozesse) verantwortet wird und letzteres somit nicht einer organisations-hierarchisch übergeordneten Lenkung, sondern einer Selbstlenkung entspricht.

Alle drei Komponenten der Total System Performance des Malik MZSG – Customer Value Performance, Business System Performance und Management Process Performance – wurden durch den MPA-Transformationsprozess positiv beeinflusst.

Zusammenfassung und Implikationen 381

7.1.4 MPA-Theorie und MPA-Konzept

Forschungsziel dieser Arbeit war, aus der Beantwortung der Forschungsfrage eine Theorie der Management-Prozess-Architektur (MPA-Theorie) herzuleiten und diese anhand des MPA-Konzepts zu konkretisieren. Dadurch sollte, ganz im Sinne von Management als anwendungsorientierter Wissenschaft, sowohl ein Beitrag zur Wissenschaft als auch zur Praxis geleistet werden. Forschungsmethodisch wurde eine theoriebasierte Exploration mit einer empirisch-qualitativen Exploration kombiniert. Um das MPA-Theoriemodell herleiten zu können, wurden die Aktionsforschungsergebnisse vor dem Hintergrund der erarbeiteten MPA-Theoriebausteine interpretiert. Dies ermöglichte eine Betrachtung des Praxisfalls der MPA-Transformation aus unterschiedlichen Perspektiven. Die so gewonnenen Erkenntnisse wurden in Thesen zur Management-Prozess-Architektur zusammengefasst. Letztere bilden in Summe die MPA-Theorie und werden im MPA-Theoriemodell veranschaulicht.1034

Gemäss der MPA-Theorie ist das Resultat von Managementprozessen die Total System Performance einer Unternehmung. Diese umfasst die Customer Value Performance (Qualität/Preis-Verhältnis relativ zum Wettbewerb aus Kunden-/Nicht-Kunden-Sicht), die Business System Performance (sechs Central Performance Controls) und die Management Process Performance (Management der Managementprozesse und Ausführung der Manage-mentprozesse). Ein am Markt anhaltender überdurchschnittlicher, d.h. positiver, Kunden-nutzen basiert auf einer überdurchschnittlichen Business System Performance. Letztere stützt sich ihrerseits auf eine überdurchschnittliche Management Process Performance. Die Total System Performance einer betrachteten Einheit ist abhängig von den Total System Performance-Beiträgen der ergebnisverantwortlichen Teil-Einheiten. Weiter wird gemäss der MPA-Theorie das Resultat von Managementprozessen (die Total System Performance) durch die Ausführung der Managementprozesse beeinflusst. Die Wirksamkeit der Ausführung von Managementprozessen hängt ab, erstens, von der Qualität der Prozess-Inputs, -Throughputs und -Outputs, zweitens, von der chrono-, sach- und psycho-logischen Abstimmung mit Managementprozessen der über- und untergeordneten Rekursionsebene sowie, drittens, vom Verständnis und der Durchführung von Managementprozessen als zirkulär-rekursiven Problemlösungsprozessen. Insgesamt wird die Ausführung der Manage-mentprozesse durch das Management der Managementprozesse vorgesteuert.

Das Management der Managementprozesse umfasst gemäss der MPA-Theorie einerseits den Aspekt der Grundarchitektur und anderseits den Aspekt der Institutionalisierung.

1034 Zum MPA-Theoriemodell vgl. Abbildung 38.

382 Zusammenfassung und Implikationen

Gemäss dem Aspekt der Grundarchitektur ist die Wirksamkeit des Managements der Managementprozesse abhängig, erstens, von der Grundgliederung der betrachteten Einheit in einzelne Subeinheiten (welche Kundenorientierung, Dezentralisierung und Ergebnis-verantwortung fördert und fordert), zweitens, von der Etablierung der notwendigen und hinreichenden Managementprozesse in allen ergebnisverantwortlichen Einheiten sämtlicher Rekursionsebenen sowie, drittens, von der Klarheit der Vorgaben der übergeordneten Rekursionsebene. Gemäss dem Aspekt der Institutionalisierung ist die Wirksamkeit des Managements der Managementprozesse abhängig davon, wie gut es gelingt, analog zu den Managementprozessen 1. Ordnung funktionierende Managementprozesse 2. Ordnung zu etablieren.1035 Die Wirksamkeit des Managements der Managementprozesse ist demnach umso höher, je besser MPA-Zwecksetzung, MPA-Strategie, MPA-Organisation, MPA-Jahreszielprozess, MPA-Arbeitsmethodik, MPA-Education und MPA-Evaluation einzeln und in ihrem Zusammenspiel funktionieren.

Das MPA-Konzept konkretisiert die MPA-Theorie und gliedert sich in ein MPA-Rahmenkonzept sowie in darauf aufbauende sieben MPA-Konzeptmodule. Die Basislogik des MPA-Rahmenkonzepts vereint in einer Darstellung die wesentlichen Punkte der vier Theoriebausteine.1036 Vom Integrated Management Model abgeleitete Managementprozesse werden dabei als zirkuläre Prozesse gemäss dem Model of Circular Processes verstanden. Diese Managementprozesse decken die wesentlichen Aspekte des normativen, strategischen und operativen Managements gemäss dem Viable System Model ab. Aus dem Zusammen-spiel dieser Prozesse resultiert die Total System Performance, wie sie durch das Model of Pre-controlled Success definiert ist. Diese Basislogik wurde im Weiteren in Management-prozesse 1. und 2. Ordnung differenziert. Neben den Managementprozessen 1. Ordnung (Unternehmenspolitischer Zweck, Strategie und Planung, Ablauf- und Aufbauorganisation, Jahreszielprozess, Persönliche Arbeitsmethodik und -wirksamkeit, Führungskräfte- und Mitarbeiterentwicklung sowie Controlling und operative Steuerungssysteme) finden sich somit in der gleichen Logik die Managementprozesse 2. Ordnung (MPA-Zwecksetzung, MPA-Strategie, MPA-Organisation, MPA-Jahreszielprozess, MPA-Arbeitsmethodik, MPA-Education und MPA-Evaluation), welche gemeinsam das Management der Management-prozesse konstituieren. Mit Hilfe dieser gedanklichen Unterscheidung lässt sich darstellen, wie jeder Managementprozess 2. Ordnung (Management der Managementprozesse) auf alle

1035 Dass als Managementprozesse 2. Ordnung analog zu den Managementprozessen 1. Ordnung sieben Prozesse in gleicher Logik vorkommen, liegt im Conant/Ashby-Theorem begründet, wonach jedes Lenkungssystem ein Modell über das zu lenkende System ist resp. enthält. Vgl. Conant und Ashby, Regulator, 1970, S. 89 ff. 1036 Zur Basislogik des MPA-Rahmenkonzepts vgl. Abbildung 41.

Zusammenfassung und Implikationen 383

Managementprozesse 1. Ordnung (Ausführung der Managementprozesse) wirkt1037 und so der MPA-Würfel als Verantwortungsraum des Managements aufgespannt wird. 1038 Der MPA-Würfel konstituiert das Management jeder ergebnisverantwortlichen Einheit, welche somit für die Managementprozesse 1. und 2. Ordnung die Verantwortung trägt. Das MPA-Rahmenkonzept zeigt das Zusammenspiel der MPA-Würfel von ergebnisverantwortlichen Einheiten verschiedener Rekursionsebenen. Einheiten benachbarter Rekursionsebenen folgen einer dreifachen Verlinkung: Erstens gibt die übergeordnete Einheit Vorgaben hinsichtlich dem Management der Managementprozesse, zweitens erfolgt eine Abstimmung bezüglich der Ausführung der Managementprozesse, und drittens stiftet die untergeordnete Einheit Beiträge zur Total System Performance der übergeordneten resp. umfassenderen Einheit.1039

Für jeden der sieben Managementprozesse 2. Ordnung wurde aufbauend auf dem MPA-Rahmenkonzept ein MPA-Konzeptmodul erarbeitet. Diese sieben MPA-Konzeptmodule kommen in jeder ergebnisverantwortlichen Einheit zur Anwendung:

1. Im Rahmen der MPA-Zwecksetzung ist ein Grundsatzentscheid notwendig zur Orientierung des Denkens und Handelns am Interesse des Unternehmens und somit an dessen Lebensfähigkeit und Kundennutzen. Weiter ist der Entscheid zur Einführung des MPA-Konzepts zu fällen und eine evolutionäre Einführung und anschliessend ein „In-Schwung-halten“ der MPA sicherzustellen.

2. Die MPA-Strategie definiert eine der vier MPA-Grundstrategien – Status-quo, Organisationsveränderung, Managementveränderung, MPA-Transformation – und legt die (Weiter-)Entwicklung der MPA in einer Roadmap fest, inkl. der Spezifikation von MPA-Projekten.

3. Der MPA-Organisation kommt eine besonders grosse Bedeutung zu: Einerseits ist mittels einer „Organisational Direttissima“ bei Bedarf die Grundstrukturierung des Unternehmens (in ergebnisverantwortliche Einheiten) anzupassen, anderseits sind die Managementprozesse organisatorisch zu verankern, was zum MPA-Funktionen-diagramm, dem MPA-Beauftragten (mit Einsitz in der Geschäftsleitung) und dem MPA-Gremium (zwecks übergreifender Abstimmung von Managementprozessen) führt.

1037 So müssen beispielsweise im MPA-Jahreszielprozess Jahresziele für sämtliche Managementprozesse 1. Ordnung vereinbart werden. 1038 Vgl. Abbildung 43 (Beispielhaftes Zusammenspiel von Managementprozessen 2. mit jener 1. Ordnung). 1039 Vgl. Abbildung 44 (Rekursives MPA-Rahmenkonzept).

384 Zusammenfassung und Implikationen

4. Mit Personen, welche MPA-Funktionen verantworten, sind im Rahmen des MPA-Jahreszielprozesses Ziele zu vereinbaren, zu beurteilen und zu honorieren. Ein MPA-Jahreskalender kann unterjährig zur Koordination der MPA-Ziele von verschiedenen Personen und ergebnisverantwortlichen Einheiten dienen.

5. Als wirksame Form der MPA-Arbeitsmethodik wurde eine MPA-Syntegration mit entsprechender thematischer und personeller Vorkonfiguration entworfen. MPA-Syntegrations-Oktaeder verschiedener ergebnisverantwortlicher Einheiten können untereinander gekoppelt werden, wodurch auch die Abstimmung über mehrere Rekursionsebenen effizient ermöglicht wird.

6. Die MPA-Education trägt dem Umstand Rechnung, dass die Wirksamkeit von Managementprozessen massgeblich vom Wissen der involvierten Personen abhängt. Als geeignete Inhalte einer MPA-Qualifikationsmassnahme werden die Inhalte der vorliegenden Arbeit erachtet. Abhängig von der Zielgruppe sind diese Inhalte allerdings unterschiedlich detailliert und anwendungsorientiert zu vermitteln resp. an realen Problemstellungen anzuwenden.

7. Die MPA-Evaluation sorgt für eine permanente Aufbereitung von MPA-relevanten Informationen und somit für einen funktionierenden Informationshaushalt. Eine besondere Funktion kommt dabei dem MPA-Projektcontrolling zu, welches eine gegenseitige Abstimmung von MPA-Projekten sicherstellt. Periodische MPA-Assessments dienen darüber hinaus der Eigen- und Fremdevaluation der Wirksamkeit der Management-Prozess-Architektur, der daraus hervorgegangenen Management-qualität (Management Process Performance) und der durch letztere beeinflussten Lebensfähigkeit der Unternehmung (Total System Performance).

Die allgemeine Forschungsfrage der vorliegenden Arbeit und die von ihr abgeleiteten spezifischen Forschungsfragen werden allesamt sowohl von der MPA-Theorie als auch von dem praxisorientierten MPA-Konzept adressiert.1040 Somit leistet die vorliegende Arbeit einen nachweisbaren Beitrag an die Wissenschaft und die Praxis.

1040 Vgl. Kapitel 5.3 (Abgleich der MPA-Theorie mit der Forschungsfrage) und 6.3 (Abgleich des MPA-Konzepts mit der Forschungsfrage).

Zusammenfassung und Implikationen 385

7.2 Implikationen

7.2.1 Implikationen für die Wissenschaft

Die Zusammenfassung (7.1) macht deutlich, dass die vorliegende Arbeit wesentliche Implikationen für die Wissenschaft hat. Diese beruhen auf dem Konzept des Systemdenkens, der fundierten Herleitung von zwei neuen Modellen, der begründeten Selektion von zwei bisherigen Modellen sowie der innovativen Kombination von bisherigen und neuen Modellen hin zur MPA-Theorie und zum MPA-Konzept.

Das in dieser Arbeit vorgestellte Konzept des Systemdenkens umfasst alle Bausteine, die ein umfassendes Systemverständnis erfordern. Durch die Integration von individuellen Komponenten (Relationale Konstitution des Menschen, Multifunktionalität des Menschen und Information und Kommunikation durch Menschen) wird es möglich, die Unternehmens-realität durch Systemdenken gesamthaft zu erfassen. Somit ist es im Kontext der Management-Prozess-Architektur nicht notwendig, zwischen dem System und der Lebenswelt zu unterscheiden, wie dies in der Wissenschaft z.B. von KIRSCH gemacht wird.1041 Das Zusammenspiel von Menschen (als Systeme) in Systemen wird durch den Baustein „Ereignisse“ im Konzept des Systemdenkens aufgezeigt.

Mit der MPA-Theorie und dem MPA-Konzept ist es m.E. gelungen, den Bauplan des Managements einer Unternehmung kognitiv-bewusst und dadurch gestaltbar, lenkbar und entwicklungsfähig zu machen. Dies impliziert die Möglichkeit des Managements der Managementprozesse und somit einer grösstmöglichen Vorsteuerung des Unternehmens-erfolgs. Mit dem „Model of Pre-Controlled Success“ steht der Wissenschaft ein Modell zur Verfügung, anhand dessen diese Vorsteuerung transparent wird und Begriffe wie Wettbewerbsfähigkeit, Funktionsfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit eine handfeste Konkretisierung erfahren. Die zur Vorsteuerung des Unternehmenserfolgs notwendigen Managementprozesse werden durch das „Model of Circular Processes“ in einem mehrdimensionalen Bezugsrahmen konkretisiert. Diese Prozesslogik kann weiteren wissenschaftlichen Arbeiten zugrunde gelegt werden, da sie wesentlich besser verdeutlicht, wie Prozesse wirklich ablaufen, als dies herkömmliche linear-sequenzielle Prozesslogiken im Stande sind.

Neben dem Erarbeiten des Model of Pre-Controlled Success und des Model of Circular Processes wurden aus der Vielzahl von Modellen mit dem Viable System Model von BEER 1041 Vgl. Fussnote 148 sowie Kirsch, Kommunikatives Handeln, 1992, S. 119.

386 Zusammenfassung und Implikationen

und dem Integrated Management Model von MALIK zwei weitere Modelle zur Beschreibung der Management-Prozess-Architektur selektiert. Durch die Kombination der genannten vier Modelle konnte aufgezeigt werden, dass wirksame Managementprozesse eine an Lebensfähigkeit orientierte Grundstruktur der Unternehmung voraussetzen und Managementprozesse ihrerseits ein Überdenken und Anpassen der Grundstruktur hervorrufen können. Die Management-Prozess-Architektur bringt dieses Zusammenspiel als Syntegrat1042 von Organisation und Management hervor. Für die Wissenschaft bedeutet dies, dass zukünftige Organisationsfragen nicht isoliert von Managementaspekten und Managementfragen nicht isoliert von Organisationaspekten behandelt werden sollten.

Die Management-Prozess-Architektur ist eine strukturelle Detaillierung des Subsystems „Management“ des malik management system®1043 und entspricht der Führungsstruktur, wie sie von ULRICH im Zusammenhang mit dem Organisationsmodell des St. Galler Management-Modells gefordert wurde.1044 Die Management-Prozess-Architektur sorgt für Ordnung resp. sogenannte Fliessgleichgewichte zwischen Umwelt und Unternehmen. Während der Wortbestandteil „Architektur“ der Management-Prozess-Architektur eher auf Gleichgewicht resp. Stabilität durch materielle und immaterielle Strukturen hindeutet, steht der Wortbestandteil „Prozess“ insbesondere für Dynamik resp. Problemlösungsereignisse.Zwischen beiden besteht eine zirkuläre Beziehung: Problemlösungsereignisse finden unter Rückgriff auf materielle und immaterielle Strukturen (z.B. Werte, Problemlösungsroutinen) statt und letztere werden über Problemlösungsereignisse gebildet resp. verändert. Manage-mentfragen können somit inskünftig vor dem Hintergrund dieser zirkulären Logik analysiert und interpretiert werden.

Der durch die vorliegende Arbeit hervorgerufene weitere Forschungsbedarf lässt sich anhand der drei von BORTZ/DÖRING erwähnten idealtypischen Kategorien wissenschaft-licher Untersuchungen (explorativ, explanativ, deskriptiv) darlegen.1045

Explorative Untersuchungen haben die Bildung von Theorien und Hypothesen zum Ziel. Jetzt, wo mit der MPA-Theorie ein Gesamtrahmen der Management-Prozess-Architektur vorliegt, könnten einzelne Managementprozesse im Kontext der gesamten Management-Prozess-Architektur theoretisch-inhaltlich ausgelotet werden. Die lässt insofern zusätzliche Erkenntnisse erwarten, als die Management-Prozess-Architektur sich auf das für alle Managementprozesse „Verallgemeinerbare“ konzentriert und so z.B. mit dem Model of

1042 Zum Begriff „Syntegrat“ vgl. Fussnote 1024. 1043 Zum malik management system® vgl. Malik, Unternehmenspolitik, 2008, S. 113 ff. 1044 Vgl. Ulrich, Unternehmenspolitik, 1978/2001, S. 421. 1045 Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 355 ff.

Zusammenfassung und Implikationen 387

Circular Processes eine „managementprozess-invariante“ Prozesslogik verfolgt. Betrachtet man nun aber einen einzelnen Managementprozess mit dem Fokus auf das für ihn „Spezifische“, dann lässt sich z.B. die Optionen-Phase des Model of Circular Processes inhaltlich weiter konkretisieren. Wünschenswert wäre dabei eine Berücksichtigung von sach-, chrono- und psychologischen Aspekten.

Explanative Untersuchungen dienen der Prüfung von Theorien und Hypothesen. Eine solche Untersuchung könnte unmittelbar an den Erkenntnissen dieser Arbeit ansetzen und die MPA-Theorie mittels Deduktion einer Prüfung unterziehen. Dabei wären vorab die theoretisch-inhaltlichen Hypothesen mittels Operationalisierung in empirisch-inhaltliche resp. statistische Hypothesen zu überführen. 1046 Letztere liessen sich dann mittels statistischer Vorhersagen und Signifikanztests überprüfen resp. als richtig oder falsch bezeichnen.1047 Die Schwierigkeit dieses Vorgehens dürfte für einen Forscher bezüglich der Operationalisierung in der Komplexität des MPA-Themas liegen 1048 und bezüglich der Datenbeschaffung im Zugang zu ausreichend vielen Untersuchungsobjekten resp. im Aufwand für eine gute Datenerhebung und -auswertung. Dieser Ansatz ist im Rahmen einer Dissertation kaum leistbar und birgt die Gefahr in sich, dass mangels Ressourcen letztlich nur ein Detail der MPA-Theorie seriös überprüft würde, wogegen letztere nur in ihrer Gesamtheit adäquat beurteilt werden könnte. Um dieser Gefahr entgegen zu wirken, wäre ein langjährig angelegtes Forschungsprojekt mit einem aus mehreren Personen bestehenden Forschungsteam wünschbar. 1049 Die Forscher dieses Teams würden zu Assessoren für MPA-Assessments qualifiziert und würden bei einer Vielzahl von Unternehmen jeweils zu zweit MPA-Assessments durchführen, wobei diese als Plattform für die Datenerhebung zur Überprüfung der MPA-Theorie dienen würden. Ziel eines derartigen Forschungsprojekts wäre der quantitativ-empirische Nachweis des Einflusses der Management-Prozess-

1046 Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 8 bzgl. (empirisch-)inhaltlichen und statistischen Hypothesen sowie 489 ff. bzgl. hypothesenprüfende Untersuchungen. 1047 Die Festlegung von Signifikanzniveaus entspricht der Vereinbarung einer Falsifikationsregel und ermöglicht, eine Hypothese als richtig resp. wahr oder falsch zu bezeichnen. Vgl. Bortz und Döring, Forschungsmethoden, 2006, S. 22. 1048 Die Komplexität zeigt sich neben der Breite und Vieldimensionalität des Themas der Management-Prozess-Architektur insbesondere auch durch die starke Vernetzung von Thesen und deren Variablen sowie durch deren unterschiedliche zeitliche Wirkung. So müsste z.B. auch die zeitlich-verzögerte Wirkung des Managements der Managementprozesse auf die Ausführungsqualität der Managementprozesse und deren Wirkung auf die Total System Performance im Untersuchungsdesign adäquat berücksichtigt und um anderweitige Einflüsse (wie z.B. Konjunktur, Wettbewerbssituation) bereinigt werden. 1049 Dieser Ansatz wurde z.B. von Collins und seinem Forschungsteam verfolgt und war auch im Rahmen des PIMS-Forschungsprogramms gewählt worden. Vgl. Collins, Good to Great, 2001 und Buzzell und Gale, PIMS-Programm, 1989.

388 Zusammenfassung und Implikationen

Architektur auf den umfassenden Erfolg eines Unternehmens (Total System Performance) – also der „Success Impact of the Management-Process-Architecture" (SIMPA).

Deskriptive Untersuchungen bringen als Resultat eine Beschreibung einer Population hervor. Mit Blick auf die MPA-Theorie wäre es somit denkbar, dass man in einem Wirtschaftsraum (z.B. Deutschland, Österreich, Schweiz) untersucht, inwiefern die wesentlichen Aspekte des Managements der Managementprozesse (Managementprozesse 2. Ordnung), der Aus-führung der Managementprozesse (Managementprozesse 1. Ordnung) und des Resultats der Managementprozesse (Verständnis von Erfolg als Total System Performance) in der Unternehmensrealität vorliegen. Eine derartige beschreibende Untersuchung würde aufzeigen, wo in der Praxis der grösste Nachholbedarf bezüglich einer umfassenden Umsetzung der MPA-Theorie bestünde.

Die vorliegende Arbeit hat somit nicht nur Fragen beantwortet, sondern auch neue Fragen im Sinne eines weiteren Forschungsbedarfs aufgeworfen. Es wird abzuwarten sein, ob und ggf. welche der oben aufgeführten Untersuchungsideen in den kommenden Jahren ver-wirklicht werden. Im Sinne eines fruchtbaren Zusammenspiels von Wissenschaft und Praxis sehe ich – aufbauend auf der vorliegenden wissenschaftlichen Arbeit – den dringendsten Handlungsbedarf jedoch vorab in der Praxis. Für sie hat die vorliegende Arbeit weit-reichende Implikationen.

7.2.2 Implikationen für die Praxis

Wie weitreichend und positiv sich eine richtige Umsetzung der MPA-Theorie im Unter-nehmen auswirkt, konnte anhand des dargelegten Praxisfalls einer MPA-Transformation beim Malik Management Zentrum St. Gallen aufzeigt werden. Die praktischen Erkenntnisse daraus sind äusserst ermutigend für andere Unternehmungen, welche ebenfalls eine Orientierung an der Lebensfähigkeit ihres Unternehmens (statt an kurzfristigen Renditen) verfolgen oder aber in Zukunft verfolgen möchten.

Wie für die Wissenschaft ist auch für die Praxis der Begriff der „Management-Prozess-Architektur“ neu. Seine Bedeutung wird durch die vorliegende Arbeit geklärt. Es handelt sich um etwas komplett anderes, als man von den drei Begriffsbestandteilen her meinen könnte. In der Praxis wird „Management“ häufig als etwas Abstraktes und Nicht-Systematisierbares wahrgenommen. Von „Prozessen“ ist zwar heutzutage viel die Rede, allerdings fast ausschliesslich im Zusammenhang mit Geschäftsprozessen. Unter „Architektur“ wird im Unternehmenskontext oft ein positions-hierarchisches Gebilde

Zusammenfassung und Implikationen 389

verstanden. Die Management-Prozess-Architektur macht jedoch Management verständlich und konkret, fokussiert ausschliesslich auf Managementprozesse und lässt diese in einer rekursiven funktions-heterarchischen Architektur wirksam zusammenspielen.

Die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte haben in den Unternehmen zu einer rasant gestiegenen Komplexität geführt, welche die Führungskräfte vor Probleme stellt, die mit herkömmlichen Denk- und Handlungsweisen nicht mehr lösbar sein werden. Im heutigen Komplexitätszeitalter wird es daher die wichtigste Aufgabe von Führungskräften sein, eine Management-Prozess-Architektur aufzubauen, mit Hilfe derer die anstehenden Herausforderungen gemeistert werden können. Mit der MPA-Theorie und dem MPA-Konzept ist es gelungen, systemtheoretisch-kybernetische Grundlagen und darauf aufbauende Modelle so zu kombinieren und zu konkretisieren, dass sie von Praktikern in konkrete Resultate umgesetzt werden können. Damit wird dem Praktiker erspart, sich selbst mit grundlagentheoretischer Literatur auseinander zu setzen oder aber die immer wieder neuen und gleichermassen kurzlebigen Managementkonzepte auszuprobieren in der Hoffnung, dass eines von ihnen dann auch funktionieren würde.

Das MPA-Konzept dient als Relevanzfilter für Führungskräfte, indem ihre Aufmerksamkeit auf das gerichtet wird, auf das es im Management wirklich ankommt: Auf Wettbewerbsfähigkeit, Funktionsfähigkeit und Entwicklungsfähigkeit und somit in Summe auf die Lebensfähigkeit der Unternehmung. Dabei bleiben diese Begriffe nicht abstrakt, sondern erfahren eine Konkretisierung durch die Customer Value Performance, die Business System Performance, die Management Process Performance und in ihrer Gesamt-heit durch die Total System Performance. Auch sind konkrete Beurteilungsverfahren für diese drei Performance-Komponenten vorhanden. Es sind dies die Kundenutzen-Analyse1050 (bzgl. der Customer Value Performance), die sechs Central Performance Controls1051 (bzgl. der Business System Performance) und das in der vorliegenden Arbeit entwickelte MPA-Assessment1052 (bzgl. der Management Process Performance). Mit letzterem lässt sich die Managementqualität konkret beurteilen, was wiederum Anlass zur Verbesserung resp. Neu-schaffung einer Management-Prozess-Architektur auf Basis des MPA-Konzepts sein kann.

Der Zweck eines Systems ist, was es tut1053 – ein System ist, wie es ist. Führungskräfte haben dabei drei Möglichkeiten, mit dieser Situation umzugehen, nach dem Motto: love it, change it or leave it. Nicht überall wird immer alles im “grünen Bereich” sein (love it),

1050 Vgl. Kapitel 3.1.2.4 (Profit Impact of Market Strategies). 1051 Vgl. Kapitel 3.1.2.5 (Central Performance Controls). 1052 Vgl. Kapitel 6.2.7.3 (Periodisches MPA-Assessment). 1053 Vgl. Beer, Diagnosing, 1985/1988, S. 99.

390 Zusammenfassung und Implikationen

jedoch wird man als verantwortungsvolle Führungskraft selten einfach davon laufen (leave it). Somit ist die Veränderung resp. das aktive Gestalten des System (change it) ein häufiges Szenario – auch bezüglich der Frage, wie eine Unternehmung geführt wird. Nicht alles ist jederzeit veränderbar. Es braucht eine gewisse Weisheit, um zu erkennen, wann was ver-änderbar ist.1054 Da die Management-Prozess-Architektur jedoch in der Verantwortung jeder einzelnen ergebnisverantwortlichen Einheit liegt, und nicht bloss auf Gesamtunternehmens-ebene zur Anwendung kommt, können mehr Personen zur Initiierung und Gestaltung einer Management-Prozess-Architektur beitragen, als gemeinhin angenommen wird.

Die Einführung des MPA-Konzepts hat evolutionär zu erfolgen, indem die sieben Manage-mentprozesse 2. Ordnung resp. die MPA-Konzeptmodule mehrfach und in Kombination durchgespielt resp. angewandt werden. Das genaue Vorgehen zur Veränderung resp. Gestaltung einer Management-Prozess-Architektur hat mit direktem Bezug zur konkreten Praxissituation zu erfolgen. 1055 Es gibt demnach auch nicht ein detailliertes lineares Vorgehensprogramm. Stattdessen können als Starthilfe nachfolgende vier Phasen genannt werden. Diese folgen dem Parallelitäts-, Rekursivitäts- und Informationsprinzip des Model of Circular Processes 1056 und dürfen daher nicht als rein sequenzielle Schrittfolge missverstanden werden:

1. Analyse-Phase: Nutzen Sie ein MPA-Assessment als erste Bestandesaufnahme hinsichtlich der Performance der Managementprozesse 1. und 2. Ordnung Ihres Unternehmens resp. Ihrer ergebnisverantwortlichen Einheit.

2. Optionen-Phase: Überlegen Sie sich darauf aufbauend, welche Optionen für die Verbesserung von Managementprozessen 1. und 2. Ordnung bestehen, und wählen Sie nach Aufwand/Nutzen-Überlegungen die präferierte(n) Option(en).

3. Gestaltungs-Phase: Definieren Sie Gestaltungsschritte für die präferierte(n) Optionen(en), setzen Sie Ihr Vorhaben in die Tat um und bestimmen Sie im Minimum einen MPA-Beauftragten1057, welcher den gestarteten MPA-Prozess in Schwung hält.

1054 Friedrich Christoph Oetinger sagte bezüglich der erwähnten Weisheit: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine von dem anderen zu unterscheiden.“ Vgl. http://www.mm.hs-heilbronn.de/seite2/sprueche.htm (03.07.2008). 1055 Zur Notwendigkeit eines situativen Vorgehens mit Berücksichtigung des Besonderen und des Passenden vgl. Manella, Führung, 2005, S. 375. 1056 Vgl. Kapitel 3.4.3 (Herleitung des „Model of Circular Processes“). 1057 Zum MPA-Beauftragten vgl. u.a. 6.2.3.2.4 (MPA-Beauftragter und MPA-Gremium). Der MPA-Beauftragte kann in Anlehnung an Ulrich als „Spezialist für Ganzheiten“ bezeichnet werden. Vgl. Ulrich und Probst, Anleitung, 1988/2001, S. 291.

Zusammenfassung und Implikationen 391

4. Wirkungs-Phase: Der MPA-Beauftrage ist dafür besorgt, dass die Wirkung bisheriger Massnahmen überprüft und eine erneute Phase der Analyse eingeleitet wird. Damit ist der zirkulär-evolutive MPA-Prozess in Gang gesetzt.

Um in einer Unternehmung schnell und auf breiter Basis ein Verständnis für die Management-Prozess-Architektur zu schaffen, bietet es sich unter Umständen an, die obigen Punkte 1-3 (Analyse, Optionen und die Vorbereitung der Gestaltung) im Rahmen einer MPA-Syntegration durchzuführen.1058

Eine Beschäftigung mit der Mangement-Prozess-Architektur heisst nicht „Arbeiten im Unternehmen“, sondern „Arbeiten am Unternehmen“. Letzteres ist die eigentliche Kern-aufgabe von Führungskräften, doch genau dazu fehlt ihnen in der Hektik des Tagesgeschäfts oft die Zeit. Genauso wie Leute Holz mit stumpfen Sägeblättern sägen, weil sie vor lauter Sägen nie Zeit haben, das Sägeblatt zu ersetzen, wird es viele Leute geben, die sich aus angeblicher Zeitnot nicht um das Thema der Management-Prozess-Architektur kümmern. Doch irgendwann ist es zu spät. Eine wirksame Management-Prozess-Architektur kann nicht gekauft werden. Sie kann auch nicht von einem Tag auf den anderen installiert werden. Eine wirksame Management-Prozess-Architektur muss sich über Jahre in Schwung bringen. Allerdings sind dazu initial gestaltende Massnahmen notwendig.

Die Umsetzung des in der vorliegenden Arbeit entwickelten MPA-Konzepts führt zu einer Erhöhung der Managementqualität und schafft die Voraussetzung für umfassenden Unter-nehmenserfolg. Es wäre daher wünschbar, dass in der Praxis ein Wettbewerb um die schnellere und bessere Umsetzung des MPA-Konzepts entstünde. Was dann zählen würde, wäre nicht mehr primär Kapital und Arbeit, sondern Wissen und Zeit resp. das richtige Wissen und die höhere Geschwindigkeit in der Transformation von diesem Wissen in Nutzen. Je früher man mit dem Schaffen einer wirksamen Management-Prozess-Architektur beginnt, desto schneller wird diese Transformationsfähigkeit – welche letztlich die Managementqualität ausmacht – wachsen und die Management-Prozess-Architektur in Schwung halten.

– – –

1058 Zur MPA-Syntegration vgl. Kapitel 6.2.5 (MPA-Arbeitsmethodik).

Literaturverzeichnis 393

Literaturverzeichnis

Die verwendeten Literaturquellen werden in den Fussnoten jeweils mit Name des Autors, Kurztitel, Erscheinungsjahr und Seitenzahl zitiert. Im nachfolgenden Literarturverzeichnis werden mehrere Werke vom gleichen Autor chronologisch geordnet. Eine nachvollziehbare Chronologie ist sichergestellt, indem bei diesen Werken vor dem Jahr der verwendeten Auflage auch noch das Jahr der Erstauflage angegeben wird (z.B. 1974/2001).

Achterberg, Jan, Robert Beeres und Dirk Vriens (Viability, 2003) «Does the balanced scorecard support organizational viability?» Kybernetes Vol. 32, No. 9/10, 2003: 1387-1404.

Ackoff, Russell L. (Problem Solving, 1978) The art of problem solving. New York: Wiley, 1978.

Ackoff, Russell L. (Democratic Corporation, 1994) The Democratic Corporation. New York/Oxford: Oxford University Press, 1994.

Ackoff, Russell L. und Herbert J. Addison (f-LAWS, 2007) Management f-LAWS: How organizations really work. Axminster: Triarchy Press, 2007.

Ackoff, Russell L. und Fred E. Emery (Purposeful Systems, 1972) On Purposeful Systems. Chicago: Aldine-Atherton, 1972.

Albert, Hans (Träumereien, 1975) Transzendentale Träumereien: Karl-Otto Apels Sprachspiele und sein hermeneutischer Gott.Hamburg: Hoffmann, 1975.

Albert, Hans (Rationale Praxis, 1978) Traktat über rationale Praxis. Tübingen: Mohr, 1978.

Andersson, Per (Coupling, 1992) «Analysing Distribution Channel Dynamics: Loose and Tight Coupling in Distribution Networks.» European Journal of Marketing Vol. 26, No. 2, 1992: 47-68.

Ansoff, H. Igor (Strategy, 1987) Corporate Strategy. rev. ed. London: Penguin Books, 1987.

Ansoff, H. Igor und Edward J. McDonnell (Strategic Management, 1990) Implanting strategic management. 2nd ed. New York u.a.: Prentice-Hall, 1990.

Argyris, Chris und Donald A. Schön (Theory in Practice, 1976/1992) Theory in Practice: Increasing Professional Effectiveness. San Francisco, Calif.: Jossey-Bass, 1976/1992.

394 Literaturverzeichnis

Argyris, Chris und Donald A. Schön (Lernende Organisation, 1999) Die lernende Organisation: Grundlagen, Methode, Praxis. Übers. Wolfgang Rhiel. Stuttgart: Klett-Cotta, 1999.

Ashby, W. Ross (Brain, 1952/1972) Design for a Brain - The Origin of Adaptive Behaviour. London: Chapman and Hall, 1952/1972.

Ashby, W. Ross (Cybernetics, 1956) An Introduction to Cybernetics. London: Chapman and Hall, 1956.

Bachmann, Manuel und Dieter Michel (Komplexitätsbewältigung, 2001) Das Pentagramm der Komplexitätsbewältigung. Management-Kybernetik am Beispiel des Schweizer Paraplegiker-Zentrums Nottwil. Basel: Verlag Paraplegie, 2001.

Bateson, Gregory (Ecology of Mind, 1972) Steps to an ecology of mind: Collected Essays in Anthropology, Psychiatry, Evolution, and Epistemology. New York: Ballantine Books, 1972.

Baumann, Ulrich (Kausalität, 1998) Kausalität und qualitative empirische Sozialforschung: das Verstehen im Dienst der Ursache-Wirkungs-Forschung und die Intentionalität. Münster u.a.: Waxmann, 1998.

Bechmann-Malioukova, Irina (Flexibilisierung, 1998) Flexibilisierung von Organisationen als Projekt des fundamentalen Wandels: Dargestellt am Beispiel der Einführung des Profit-Center-Konzepts bei der Mercedes-Benz AG.Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1998 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 1998).

Beer, Stafford (Decision, 1966) Decision and Control: the Meaning of Operational Research and Management Cybernetics.London: Wiley, 1966.

Beer, Stafford (Brain, 1972/1988) Brain of the Firm. The Managerial Cybernetics of Organization. 2nd ed. Chichester u.a.: Wiley, 1972/1988.

Beer, Stafford (Freedom, 1974/1994) Designing freedom. Chichester u.a.: Wiley, 1974/1994.

Beer, Stafford (Platform, 1975/1978) Platform for Change. Chichester u.a.: Wiley, 1975/1978.

Beer, Stafford (Heart, 1979/1994) The Heart of Enterprise. Chichster u.a.: Wiley, 1979/1994.

Beer, Stafford (Diagnosing, 1985/1988) Diagnosing the System for Organizations. Chichester u.a.: Wiley, 1985/1988.

Beer, Stafford (Beyond Dispute, 1994) Beyond dispute: the invention of team syntegrity. Chichester u.a.: Wiley, 1994.

Literaturverzeichnis 395

Berka, Karel und Lothar Kreiser (Logik, 1973) Logik-Texte: Kommentierte Auswahl zur Geschichte der modernen Logik. 2., durchgesehene Auflage. Berlin: Akademie-Verlag, 1973.

Bleicher, Knut (Integriertes Management, 1991/2004) Das Konzept Integriertes Management: Visionen - Missionen - Programme. 7., überarb. und erw. Auflage. Frankfurt a.M.: Campus Verlag, 1991/2004.

Bleicher, Knut (Unternehmensführung, 1995) «Aufgaben der Unternehmensführung.» Handbuch Unternehmensführung. Konzepte -Instrumente - Schnittstellen. Hrsg. Hans Corsten und Michael Reiss. Wiesbaden: Gabler, 1995. 19-32.

Bögel, Rudolf (Unternehmenskultur, 1999) «Organisationsklima und Unternehmenskultur.» Führung von Mitarbeitern: Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. Hrsg. Lutz von Rosenstiel, Erika Regnet und Michel E. Domsch. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1999. 729-743.

Bortz, Jürgen (Forschung, 1984) Lehrbuch der empirischen Forschung für Sozialwissenschaftler. Berlin; Heidelberg; New York; Tokyo: Springer-Verlag, 1984.

Bortz, Jürgen und Nicola Döring (Forschungsmethoden, 2006) Forschungsmethoden und Evaluation für Human- und Sozialwissenschaftler. 4., überarbeitete Auflage. Heidelberg: Springer Medizin Verlag, 2006.

Boutellier, Roman und Walter Masing (Qualitätsmanagement, 1998) Qualitätsmanagement an der Schwelle zum 21. Jahrhundert: Festschrift für Hans Dieter Seghezzi zum 65. Geburtstag. München/Wien: Hanser, 1998.

Bouwen, René (Relational Organizing, 2005) «Relational Organizing: The Social Construction of Communities of Practice and Shared Meaning.» Organisationspsychologie als Dialog: Inquiring Social Constructionist Possibilities in Organizational Life. Hrsg. Dörte Resch, et al. Lengerich u.a.: Papst Science Publishers, 2005. 55-70.

Braun, Christian (Unternehmensarchitektur, 2007) Modellierung der Unternehmensarchitektur: Weiterentwicklung einer bestehenden Methode und deren Abbildung in einem Meta-Modellierungswerkzeug. Berlin: Logos, 2007 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2007).

Bruch, Heike und Bernd Vogel (Organisationale Energie, 2005) Organisationale Energie: Wie Sie das Potenzial Ihres Unternehmens ausschöpfen.Wiesbaden: Gabler, 2005.

Bühler, Karl (Sprachtheorie, 1982) Sprachtheorie: die Darstellungsfunktion der Sprache. ungekürzter Neudr. Stuttgart: Fischer G., 1982.

396 Literaturverzeichnis

Burrell, Gibson und Gareth Morgan (Sociological Paradigms, 2003) Sociological paradigms and organisational analysis: elements of the sociology of corporate life. Vermonte: Ashgate, 2003.

Buschor, Felix (Baustellen, 1996) Baustellen in einer Unternehmung: Das Problem des unternehmerischen Wandels jenseits von Restrukturierungen. Resultate einer empirischen Untersuchung. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1996 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 1996).

Büttner, Stephan Lothar (Kybernetisch-intelligente Unternehmung, 2001) Die kybernetisch-intelligente Unternehmung: Strukturen, Prozesse und "Brainpower" im Lichte der organisationalen Komplexitätsbewältigungs-, Anpassungs-, Lern- und Innovationsfähigkeit. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2001 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2001).

Buzzell, Robert D. und Bradley T. Gale (PIMS-Programm, 1989) Das PIMS-Programm. Strategien und Unternehmenserfolg. Wiesbaden: Gabler, 1989.

Carnegie, Dale (Freunde, 2006) Wie man Freunde gewinnt. 45. Auflage. Frankfurt a.M.: Scherz, 2006.

Chandler, Alfred Dupont (Strategy and Structure, 1962) Strategy and structure: chapters in the history of the industrial enterprise. Cambridge, MA: M.I.T. Press, 1962.

Christ, Philipp (Organisation, 2006) Organisation der Verantwortung der Organisation. Bamberg, 2006 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2006).

Collins, Jim (Good to Great, 2001) Good to great: why some companies make the leap ... and others don't. New York: HarperBusiness, 2001.

Conant, Roger C. und W. Ross Ashby (Regulator, 1970) «Every good regulator of a system must be a model oft hat system.» International Journal of Systems Science Vol. 1, No. 2, 1970: 89-97.

Corsten, Hans und Michael Reiss (Handbuch Unternehmensführung, 1995) Handbuch Unternehmensführung. Konzepte - Instrumente - Schnittstellen. Wiesbaden: Gabler, 1995.

Dittrich-Brauner, Karin, et al. (Grossgruppenverfahren, 2008) Grossgruppenverfahren: Lebendig lernen - Veränderung gestalten. Heidelberg: Springer, 2008.

Dörner, Dietrich (Logik, 1989) Die Logik des Misslingens: Strategisches Denken in komplexen Situationen. Reinbek/ Hamburg: Rowohlt, 1989.

Literaturverzeichnis 397

Drexel, Gerhard (Geschäftsfelder, 1987) «Organisatorische Verankerung strategischer Geschäftsfelder.» Die Unternehmung Nr. 2, 1987: 148-162.

Drucker, Peter F. (Management, 1974/2001) Management: Tasks, Responsibilities, Practices. Oxford: Butterworth-Heinemann, 1974/ 2001.

Drucker, Peter F. (Future, 1992) Managing for the future. Oxford: Butterworth-Heinemann, 1992.

Dubs, Rolf, et al. (Managementlehre, 2004) Einführung in die Managementlehre. Bd. II. Bern/Stuttgart/Wien: Haut, 2004.

Eberle, Thomas S., Sabine Hoidn und Katarina Sikavica (Organisation, 2007) Fokus Organisation: sozialwissenschaftliche Perspektiven und Analysen. Emil Walter-Busch zum 65. Geburtstag. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, 2007.

EFQM, European Foundation for Quality Management, Hrsg (Selbstbewertung, 1996) Selbstbewertung: Richtlinien für Unternehmen. Brüssel: EFQM, 1996.

EFQM, European Foundation for Quality Management, Hrsg (Assessing, 2003) Assessing for excellence: a practical guide for successfully developing, executing and reviewing a self-assessment strategy for your organisation. Brüssel: EFQM, 2003.

Espejo, Raul und John Watt (Information Management, 1988) «Information Management, Organization and Managerial Effectiveness.» The Journal of the Operational Research Society Vol. 39, No. 1, 1988: 7-14.

Frankl, Viktor E. (Sinn, 2006) Der Mensch vor der Frage nach dem Sinn. 19. Auflage. München: Piper, 2006.

Galbraith, Jay R. (Designing, 1973) Designing complex organizations. Reading, Massachusetts: Addison-Wesley, 1973.

Gälweiler, Aloys (Unternehmensführung, 1990) Strategische Unternehmensführung. 2. Auflage. Frankfurt / New York: Campus, 1990.

Gharajedaghi, Jamshid (Systems Thinking, 2006) Systems Thinking: Managing Chaos and Complexity. A platform for Designing Business Architecture. 2nd ed. London/San Diego: Elsevier/Butterworth-Heinemann, 2006.

Gomez, Peter (Denken, 2004) «Einführung in das vernetzte Denken.» Einführung in die Managementlehre: Band 5. Hrsg. Rolf Dubs, et al. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2004. 91-115.

398 Literaturverzeichnis

Gomez, Peter (Vereinfachung, 2005) «Die Kunst der optimalen Vereinfachung im Management - The Law of Requisite Variety Revisited.» Richtiges und gutes Management: vom System zur Praxis. Festschrift für Fredmund Malik. Hrsg. Walter Krieg, Klaus Galler und Peter Stadelmann. Bern/Stuttgart/ Wien: Haupt, 2005. 23-33.

Gomez, Peter und Gilbert Probst (Praxis, 1995) Die Praxis des ganzheitlichen Problemlösens: Vernetzt denken, unternehmerisch handeln, persönlich überzeugen. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1995.

Gomez, Peter und Tim Zimmermann (Unternehmensorganisation, 1999) Unternehmensorganisation: Profile, Dynamik, Methodik. 4. Auflage. Frankfurt a.M./New York: Campus, 1999.

Gomez, Peter, Fredmund Malik und Karl-Heinz Oeller (Systemmethodik, 1975) Systemmethodik: Grundlagen einer Methodik zur Erforschung und Gestaltung komplexer soziotechnischer Systeme. Bern: Haupt, 1975 (zugl. Diss. Hochschule St. Gallen, 1975).

Greenleaf, Robert K. (Servant, 1991) The Servant as Leader. 2nd ed. Indianapolis: The Robert K. Greenleaf Center, 1991.

Griego, Orlando V., Gary D. Geroy und Phillip C. Wright (Learning, 2000) «Predictors of learning organizations: a human resource development practitioner's perspective.» The Learning Organization Vol. 7, No. 1, 2000: 5-12.

Gross, Peter (Multioptionsgesellschaft, 2005) Die Multioptionsgesellschaft. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2005.

Gust, Mario (Knowledge Diversity, 2004) «knowledge diversity©.» Innovative Workshop-Konzepte: Erfolgsrezepte für Unternehmen, Manager und Trainer. Hrsg. Mario Gust und Uwe G. Seebacher. Europa / USA: USP Publishing, 2004. 113-124.

Gust, Mario und Uwe G. Seebacher (Workshop-Konzepte, 2004) Innovative Workshop-Konzepte: Erfolgsrezepte für Unternehmen, Manager und Trainer.Europa/USA: USP Publishing, 2004.

Habermas, Jürgen (Theorie, 1984) Vorstudien und Ergänzungen zur Theorie des kommunikativen Handelns. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1984.

Hafner, Martin Jürgen (Informationsarchitektur, 2005) Entwicklung einer Methode für das Management der Informationsarchitektur im Unternehmen. Bamberg: Difo-Druck, 2005 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2005).

Haken, Hermann (Synergetik, 2005) «Synergetik: Von der Laser-Metaphorik zum Selbstorganisationskonzept im Management.» Richtiges und gutees Management: vom System zur Praxis. Hrsg. Walter Krieg, Klaus Galler und Peter Stadelmann. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2005. 87-100.

Literaturverzeichnis 399

Hammer, Michael und James Champy (Reengineering, 1994) Business Reengineering: Die Radikalkur für das Unternehmen. Übers. Patricia Künzel. Frankfurt a.M./New York: Campus Verlag, 1994.

Haupt, Reinhard und Werner Lachmann (Selbstorganisation, 1995) Selbstorganisation in Markt und Management? Fragen an das Evolutionsparadigma in den Wirtschaftswissenschaften. Neuhausen-Stuttgart: Hänssler, 1995.

Heron, John und Peter Reason (Co-operative Inquiry, 2002) «The Practice of Co-operative Inquiry: Research 'with' rather than 'on' People.» Handbook of Action Research: Participative Inquiry and Practice. Hrsg. Peter Reason und Hilary Bradbury. London, Thousand Oaks, New Delhi: SAGE Publications, 2002. 179-188.

Hetzler, Sebastian (Entscheidungsumfelder, 2008) “Brain supporting environments” für Entscheide in komplexen Systemen - Ein kybernetischer Ansatz für die Gestaltung wirksamer Entscheidungsumfelder. Schesslitz: Rosch-Druck, 2008 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2008).

Heylighen, Francis (Principles, 1992) «Principles of systems and cybernetics: an evolutionary perspective.» Cybernetics and Systems 1992: 3-10.

Hilb, Martin (Human-Ressourcen, 2000) Transnationales Management der Human-Ressourcen. Das 4P-Modell des Glocalpreneuring.Neuwied: Luchterhand, 2000.

Hill, Wilhelm, Raymond Fehlbaum und Peter Ulrich (Organisationslehre, 1992) Organisationslehre 2: Theoretische Ansätze und praktische Methoden der Organisation sozialer Systeme. 4., durchgesehene Auflage. Bern/Stuttgart: Haupt, 1992.

Höllermann, Stefan (Management-Moden, 2004) Das Auswahlproblem von Management-Moden in der Unternehmungsführung. Bamberg: Difo-Druck GmbH, 2004 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2004).

Holman, Peggy und Tom Devane (Grossgruppen-Methoden, 2002) Change Handbook: Zukunftsorientierte Grossgruppen-Methoden. Übers. Astrid Hilden-brand. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme, 2002.

Ibe, Florian (Alignment, 2006) The Alignment of Management Systems. Tönning/Lübeck/Marburg: Der Andere Verlag, 2006 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2006).

International Group of Controlling (Controller-Wörterbuch, 2001) Controller-Wörterbuch: Die zentralen Begriffe der Controllerarbeit mit ausführlichen Erläuterungen. 2. überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2001.

Jackson, Peter und David Ashton (ISO-Zertifizierung, 1995) ISO 9000: Der Weg zur Zertifizierung. 2. Auflage. Landsberg/Lech: Verlag Moderne Industrie, 1995.

400 Literaturverzeichnis

Jäger, Silvio Jörg (Koordinationsstrukturen, 2004) Koordinationsstrukturen in virtuellen Dienstleistungsunternehmen. Bamberg: Difo-Druch GmbH, 2004 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2004).

Jensen, Stefan (Erkenntnis, 1999) Erkenntnis - Konstruktivismus - Systemtheorie: Einführung in die Philosophie der konstruktivistischen Wissenschaft. Opladen: Westdeutscher Verlag, 1999.

Joye, Dominique (Qualitative or Quantitative, 2004) «Qualitative or Quantitative? Data archiving in documentation, research and teaching.» Qualitative Inquiry: Research, Archiving, and Re-use. Ed. Manfred Max Bergmann and Thomas Samuel Eberle. Bern: Swiss Academy of Humanities and Social Sciences, 2004. 133-139.

Käfer, R. (ISO-Prozessmodell, 2006) «ISO 9000:2000-Prozessmodell.» PQM - Prozessorientiertes Qualitätsmanagement: Leitfaden zur Umsetzung der ISO 9001:2000. Hrsg. Karl W. Wagner. 3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. München/Wien: Hanser, 2006. 107-121.

Kaplan, Robert S. und David P. Norton (Management System, 1996) «Using the Balanced Scorecard as a Strategic Management System.» Harvard Business Review January-February 1996: 75-85.

Kaplan, Robert S. und David P. Norton (Balanced Scorecard, 1997) Balanced Scorecard: Strategien erfolgreich umsetzen. Übers. Péter Horváth, Beatrix Kuhn-Würfel und Claudia Vogelhuber. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1997.

Kaplan, Robert S. und David P. Norton (Strategiefokussierte Organisation, 2001) Die strategiefokussierte Organisation: Führen mit der Balanced Scorecard. Übers. Péter Horváth et al. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2001.

Kaplan, Robert S. und David P. Norton (Strategy Maps, 2004) Strategy Maps: der Weg von immateriellen Werten zum materiellen Erfolg. Übers. Peter Horváth et al. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2004.

Kaplan, Robert S. und David P. Norton (Strategien umsetzen, 2006) «Strategien (endlich) umsetzen.» Harvard Business Manager Januar 2006: 22-35.

Kaplan, Robert S. und David P. Norton (Alignment, 2006) Alignment: using the balanced scorecard to create corporate synergies. Boston/ Massachusetts: Harvard Business School, 2006.

Kasper, Helmut und Peter Heimerl-Wagner (Struktur und Kultur, 1996) «Struktur und Kultur in Organisationen.» Personalmanagement, Führung, Organisation.Hrsg. Helmut Kasper und Wolfgang Mayrhofer. 2. Auflage. Wien: Ueberreuter, 1996. 9-107.

Kasper, Helmut und Wolfgang Mayrhofer (Personalmanagement, 1996) Personalmanagement, Führung, Organisation. 2. Auflage. Wien: Ueberreuter, 1996.

Literaturverzeichnis 401

Kirsch, Werner (Planung, 1990) «Planung - Kapitel einer Einführung.» Managementsysteme: Planung und Kontrolle. Hrsg. Werner Kirsch und Hartmut Maassen. 2., unveränderte Auflage. Herrsching: Verlag Barbara Kirsch, 1990. 23-125.

Kirsch, Werner (Kommunikatives Handeln, 1992) Kommunikatives Handeln, Autopoiese, Rationalität: Sondierungen zu einer evolutionären Führungslehre. Herrsching: Verlag Barbara Kirsch, 1992.

Kirsch, Werner und Hartmut Maassen (Managementsysteme, 1990) Managementsysteme: Planung und Kontrolle. 2., unveränderte Auflage. Herrsching: Verlag Barbara Kirsch, 1990.

Kirsch, Werner und Hartmut Maassen (Einleitung Managementsysteme, 1990) «Einleitung: Managementsysteme.» Managementsysteme: Planung und Kontrolle. Hrsg. Werner Kirsch und Hartmut Maassen. 2., unveränderte Auflage. Herrsching: Verlag Barbara Kirsch, 1990. 1-20.

Kirsch, Werner, et al. (Gesamtarchitektur, 1990) «Ein Denkmodell der Gesamtarchitektur von Planungs- und Kontrollsystemen.» Managementsysteme: Planung und Kontrolle. Hrsg. Werner Kirsch und Hartmut Maassen. 2., unveränderte Auflage. Herrsching: Verlag Barbara Kirsch, 1990. 127-170.

Klauser, Marius und Arnold Löw (Produktivität, 2006) «So erhöhen Sie die Produktivität.» Harvard Business Manager Juni 2006: 8-11.

Körnert, Jan und Cornelia Wolf (Balanced Scorecard, 2006) Theoretisch-konzeptionelle Grundlagen zur Balanced Scorecard. Greifswald: Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Universität, 2006.

Krcmar, Helmut (Informationsmanagement, 2005) Informationsmanagement. 4., überarbeitete und erweiterte Auflage. Berlin/Heidelberg/New York: Springer, 2005.

Krieg, Walter (Unternehmensgestaltung, 1971) Kybernetische Grundlagen der Unternehmensgestaltung. Bern/Stuttgart: Haupt, 1971 (zugl. Diss. Hochschule St. Gallen, 1971).

Krieg, Walter (Führungsinstrumentarium, 1981) Entwicklung eines integrierten Führungsinstrumentariums. St. Gallen: Hochschule St. Gallen - HSG Weiterbildungsstufe, 1981.

Krieg, Walter, Klaus Galler und Peter Stadelmann (Management, 2005) Richtiges und gutes Management - vom System zur Praxis: Festschrift für Fredmund Malik.Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2005.

Kume, Hitoshi (TQM in Japan, 1998) «TQM in Japan: An Overview of Current Trends.» Qualitätsmanagement an der Schwelle zum 21. Jahrhundert: Festschrift für Hans Dieter Seghezzi zum 65. Geburtstag. Hrsg. Roman Boutellier und Walter Masing. München/Wien: Hanser, 1998. 155-185.

402 Literaturverzeichnis

Lachmann, Werner (Interpendenzen, 1995) «Interpendenzen von marktwirtschaftlichem und demokratischem System.» Selbst-organisation in Markt und Management? Fragen an das Evolutionsparadigma in den Wirtschaftswissenschaften. Hrsg. Reinhard Haupt und Werner Lachmann. Neuhausen-Stuttgart: Hänssler, 1995. 37-49.

Lamm, Helmut und Randolph Ochsmann (Risk-shift, 1972) «Factors limiting the generality of the risk-shift phenomenon.» European Journal of Social Psychology Vol. 2, Issue 4, December 1972: 455-458.

Laudon, Kenneth C. und Jane P. Laudon (Management Information, 2004) Management Information Systems: Managing the digital firm. 8th ed. New Jersey: Pearson Prentice Hall, 2004.

Leif, Thomas (Beraten und verkauft, 2006) Beraten und verkauft: McKinsey & Co. - der grosse Bluff der Unternehmensberater.München: C. Bertelsmann, 2006.

Link, Jörg (Führungssysteme, 2004) Führungssysteme. 2., überarbeitete und erweiterte Auflage. München: Vahlen, 2004.

Löbel, Jürgen, Heinz-Albert Schröger und Heiko Closhen (Managementsysteme, 2005) Nachhaltige Managementsysteme: Sustainable Development durch ganzheitliche Führungs-und Organisationssysteme - Vorgehensmodell und Prüflisten. 2., neu bearbeitete Auflage. Berlin: Erich Schmidt Verlag, 2005.

Luoma, Mikko (Investigating, 2000) «Investigating the link between strategy and HRD.» Personnel Review Vol. 29, No. 6, 2000: 769-790.

Malik, Fredmund (Strategie des Managements, 1977) Strategie des Managements komplexer Systeme - Ein Beitrag zur Management-Kybernetik evolutionärer Systeme. 8., unveränderte Auflage. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1984/2003 (zugl. Habil-Schr., Hochsch. St. Gallen, 1977).

Malik, Fredmund (Management-Systeme, 1981/1994) «Management-Systeme.» Die Orientierung 1981/1994.

Malik, Fredmund (Systemisches Management, 1993/2000) Systemisches Management, Evolution, Selbstorganisation: Grundprobleme, Funktions-mechanismen und Lösungsansätze für komplexe Systeme. 2. Auflage. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1993/2000.

Malik, Fredmund (Kundennutzen, 1994) «Kundennutzen.» Malik on Management Juli 1994: 45-62.

Malik, Fredmund (Management-Qualität, 1996) «Management-Qualität: Schlüssel zur Konkurrenzfähigkeit.» Malik on Management Januar 1996: 1-16.

Literaturverzeichnis 403

Malik, Fredmund (Irreführung, 1998) «Strategische Irreführung durch operative Daten.» Malik on Management Januar 1998: 1-17.

Malik, Fredmund (Unternehmer, 2000) «Investor oder Unternehmer?» Malik on Management November 2000: 161-175.

Malik, Fredmund (Führen, 2000/2006) Führen, Leisten, Leben. Wirksames Management für eine neue Zeit. Vollst. überarb. Neuausg. Frankfurt a.M.: Campus, 2000/2006.

Malik, Fredmund (Corporate Governance, 2002) Die neue Corporate Governance: Richtiges Top-Management - wirksame Unternehmens-aufsicht. 3., erweiterte Auflage. Frankfurt a.M.: Frankfurter Allemeine Buch, 2002.

Malik, Fredmund (Handwerk, 2005/2007) Management. Das A und O des Handwerks. 2., akt. Fassung. Frankfurt a.M.: Campus, 2005/2007.

Malik, Fredmund (Unternehmenspolitik, 2008) Unternehmenspolitik und Corporate Governance. Wie sich Organisationen von selbst organisieren. Frankfurt a.M.: Campus, 2008.

Mandelbrot, Benoît B. (Fraktale Geometrie, 1987) Die fraktale Geometrie der Natur. Basel: Birkhäuser, 1987.

Manella, Jürg (Mensch, 2003) Der relationale Mensch. Zürich: Verlag Industrielle Organisation, 2003.

Manella, Jürg (Führung, 2005) «Richtige und falsche Führung.» Richtiges und gutes Management: vom System zur Praxis. Festschrift für Fredmund Malik. Hrsg. Walter Krieg, Klaus Galler und Peter Stadelmann. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2005. 369-380.

Manella, Jürg (Führungsverständnis, 2005) «Wie ein relationales Führungsverständnis zu kultivieren ist.» Organisationspsychologie als Dialog: Inquiring Social Constructionist Possibilities in Organizational Life. Hrsg. Dörte Resch, et al. Lengerich: Papst Science Publishers, 2005. 122-131.

Marchetti, Cesare (Society, 1981) Society as a learning system: discovery, invention, and innovation cyles revisited.Laxenburg: International Institute for Applied Systems Analysis, 1981.

McCauley, Clark R. (Shifts, 1972) «Extremity shifts, risk shifts and attitude shifts after group discussion.» European Journal of Social Psychology Vol. 2, Issue 4, December 1972: 417-436.

McClelland, Sam (Development, 1994) «Gaining Competitive Advantage through Strategic Management Development (SMD).» Journal of Management Development Vol. 13, No. 5, 1994: 4-13.

404 Literaturverzeichnis

McCulloch, Warren S. (Embodiments, 1970) Embodiments of Mind. Cambridge Massachusetts: MIT Press, 1970.

McCulloch, Warren S. (Collected Works, 1989) The collected works of Warren S. McCulloch. Ed. Warren S. McCulloch. Vol. II. Salinas/California: Intersystems Publications, 1989. IV vols.

McCulloch, Warren S. (Heterarchy, 1989) «A heterarchy of values determined by the topology of nervous nets.» The collected works of Warren S. McCulloch. Ed. Warren S. McCulloch. Vol. II. Salinas/California: Intersystems Publications, 1989. IV vols. 467-471.

McGregor, Douglas (Mensch, 1970) Der Mensch im Unternehmen: the human side of enterprise. Düsseldorf: Econ, 1970.

McNiff, Jean und Jack Whitehead (Action Research, 2000) Action Research in Organisations. London: Routledge, 2000.

McNiff, Jean und Jack Whitehead (Need, 2006) All you need to know about action research. London: Sage, 2006.

Meissner, Hans (Center-Konzepte, 2000) Center-Konzepte: Ein integrierter theoretischer Bezugsrahmen. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag, 2000 (zugl. Diss. Univ. Mainz, 1999).

Menz, Wolf-Dieter (Profit Center, 1973) Die Profit Center Konzeption: Theoretische Darstellung und praktische Anwendung.Bern/Stuttgart: Haupt, 1973 (zugl. Diss. Univ. Zürich, 1973).

Mirow, Michael (Führungsstrukturen, 2005) «Wie praktisch ist eine gute Theorie? Thesen zur Umsetzung systemischen Denkens in der Gestaltung von Führungsstrukturen.» Richtiges und gutes Management: vom System zur Praxis. Festschrift für Fredmund Malik. Hrsg. Walter Krieg, Klaus Galler und Peter Stadelmann. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2005. 35-58.

Morrison, Elizabeth Wolfe und Francis J. Milliken (Silence, 2000) «Organizational Silence: A Barrier to Change and Development in a pluralistic World.» Academy of Management Review Vol. 25, No. 4, 2000: 706-725.

Moser, Heinz (Instrumentenkoffer, 2003) Instrumentenkoffer für die Praxisforschung. Zürich: Verlag Pestalozzianum, 2003.

Munive-Hernandez, E.J., et al. (Modelling, 2004) «Modelling the strategy management process: An initial BPM approach.» Business Process Management Journal Vol. 10, No. 6, 2004: 691-711.

Literaturverzeichnis 405

Neumann, Stefan, Christian Probst und Clemens Wernsmann (Prozessmanagement, 2002) «Kontinuierliches Prozessmanagement.» Prozessmanagement: Ein Leitfaden zur prozessorientierten Organisationsgestaltung. Hrsg. Jörg Becker, Martin Kugeler und Michael Rosemann. 3., vollst. neubearb. u. erw. Auflage. Berlin/Heidelberg/New York: Springer, 2002. 297-323.

Newman, William H., Charles E. Summer und E. Kirby Warren (Management-Prozesse, 1968) Management-Prozesse: Grundlagen, Verhaltensweisen, Praxis. Stuttgart: Poeschel, 1968.

Orton, J.D. und K.E. Weick (Loosely Coupled, 1990) «Loosely Coupled Systems: A Reconceptualization.» Academy of Managements Review1990: 203-223.

Österle, Hubert (Engineering, 1995) Business Engineering: Prozess- und Systementwicklung. Band 1. Entwurfstechniken.Berlin/Heidelberg/New York: Springer, 1995.

Osterloh, Margit und Jetta Frost (Prozessmanagement, 1998) Prozessmanagement als Kernkompetenz. 2., aktualisierte und erweiterte Auflage. Wiesbaden: Gabler, 1998.

Parra-Luna, Francisco (Performance, 2000) The Performance of Social Systems: Perspectives and Problems. New York: Kluwer Academic/Plenum Publishers, 2000.

Pelzmann, Linda (Intuition, 2007) «Ist Intuition ein guter Ratgeber?» Malik on Management April 2007: 47-61.

Pfiffner, Martin (Syntegration, 2005) «Der genetische Code wirksamer Kommunikation: Vom Workshop zur Syntegration.» Richtiges und gutes Management: vom Sytem zur Praxis. Hrsg. Walter Krieg, Klaus Galler und Peter Stadelmann. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2005. 101-114.

Picot, Arnold und Markus Böhme (Controlling, 1999) Controlling in dezentralen Unternehmensstrukturen. München: Vahlen, 1999.

Popper, Karl R. (Forschung, 1935/2002) Logik der Forschung. Übers. Leonhard Walentik. Nachdr. der 10., verb. und vermehrten Auflage, Jub.-Ausg. Tübingen: Mohr Siebeck, 1935/2002.

Popper, Karl R. (Gesellschaft, 1958/2003) Die offene Gesellschaft und ihre Feinde. Band II - Falsche Propheten: Hegel, Marx und die Folgen. Hrsg. Hubert Kiesewetter. 8., durchgesehene und ergänzte Auflage. Bern: Francke, 1958/2003.

Popper, Karl R. (Erkenntnis, 1972/1998) Objektive Erkenntnis: Ein evolutionärer Entwurf. Übers. Gerd Ingeborg und Bernd Fleischmann. 4. Auflage. Hamburg: Hoffmann und Campe, 1972/1998.

406 Literaturverzeichnis

Probst, Gilbert (Organisation, 1992) Organisation: Strukturen, Lenkungsinstrumente, Entwicklungsperspektiven. Übers. Gaby Krause und Barbara Vaccaro. Landsberg am Lech: Verlag Moderne Industrie, 1992.

Probst, Gilbert und Sebastian Raisch (Gleichgewicht, 2005) «Das Unternehmen im Gleichgewicht.» Richtiges und gutes Management: vom System zur Praxis. Festschrift für Fredmund Malik. Hrsg. Walter Krieg, Klaus Galler und Peter Stadelmann. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2005. 233-251.

Probst, Gilbert und Steffen Raub (Managementforschung, 1995) «Action Research - Ein Konzept angewandter Managementforschung.» Die UnternehmungNr. 1 1995: 3-19.

Pruckner, Maria (Komplexitätsfalle, 2005) Die Komplexitätsfalle: Wie sich Komplexität auf den Menschen auswirkt: vom Informationsmangel bis zum Zusammenbruch. Norderstedt: Books on Demand GmbH, 2005.

Reglin, Bettina (Managementsysteme, 1993) Managementsysteme: eine organisationstheoretische Fundierung. Herrsching: Verlag Barbara Kirsch, 1993.

Resch, Dörte, et al. (Organisationspsychologie, 2005) Organisationspsychologie als Dialog: Inquiring Social Constructionist Possibilities in Organizational Life. Lengerich u.a.: Pabst Science Publishers, 2005.

Riedl, Rupert (Begriff, 1987) Begriff und Welt: Biologische Grundlagen des Erkennens und Begreifens. Berlin/Hamburg: Parey, 1987.

Riemenschneider, Frank (Implementierung, 2001) Implementierung integrierter Managementsysteme: Erfolgsfaktoren für die Unternehmens-praxis. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag, 2001 (zugl. Diss. Univ. Oldenburg, 2000).

Riggers, Bernd (Value System, 1998) Value System Design - Unternehmenswertsteigerng durch strategische Unternehmens-netzwerke. Bamberg: Difo-Druck GmbH, 1998 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 1998).

Ringlstetter, Max (Konzernentwicklung, 1995) Konzernentwicklung: Rahmenkonzept zu Stratgien, Strukturen und Systemen. München: Verlag Barbara Kirsch, 1995.

Rosanas, Josep M. und Manuel Velilla (Ethics, 2005) «The Ethics of Management Control Systems: Developing Technical and Moral Values.» Journal of Business Ethics Vol. 57, 2005: 83-96.

Literaturverzeichnis 407

Rosemann, Sabina (Managementinformationssystem, 2001) «Implementierung eines Managementinformationssystems für Unternehmen mit Projektleistungstätigkeit.» Fiedler, Rudolf. Controlling von Projekten: Projektplanung, Projektsteuerung und Risikomanagement. Braunschweig: Vieweg, 2001. 173-214.

Rozhan, Bin Othman und M.L. Poon June (HRM, 2000) «What shapes HRM? A multivariate examination.» Employee Relations Vol. 22, No. 5, 2000: 467-484.

Rüegg-Stürm, Johannes (Controlling, 1996) Controlling für Manager: Was Nicht-Controller wissen müssen. Frankfurt/New York: Campus, 1996.

Rüegg-Stürm, Johannes (Management-Modell, 2004) «Das neue St. Galler Management-Modell.» Einführung in die Managementlehre: Band 1.Hrsg. Rolf Dubs, et al. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2004. 65-141.

Rüegg-Stürm, Johannes (Theory of the Firm, 1998) «Neuere Systemtheorie und unternehmerischer Wandel. Skizze einer systemisch-konstruktivistischen "Theory of the Firm".» Die Unternehmung 52, Nr. 1, 1998: 3-17.

Rüegg-Stürm, Johannes (Wandel, 2003) Organisation und organisationaler Wandel: Eine theoretische Erkundung aus konstruktivistischer Sicht. 2., durchgesehene Auflage. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2003 (zugl. Habil-Schr., Univ. St. Gallen,1998).

Rüegg-Stürm, Johannes und Simon Grand (Handlung und Reflexion, 2007) «Handlung und Reflexion in Managementpraxis und Managementforschung: Konturen einer kreativen Beziehung.» Fokus Organisation: sozialwissenschaftliche Perspektiven und Analysen. Hrsg. Thomas S. Eberle, Sabine Hoidn und Katarina Sikavica. Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft, 2007. 188-205.

Ruthekolck, Thomas (Informations-Controlling, 1996) Strategische Ausrichtung des Informations-Controlling: Ein Konzept zur Einbindung der Informationsverarbeitung in die strategischen Managementprozesse einer Unternehmung.Lohmar/Köln: Verlag Josef Eul, 1997 (zugl. Diss. Univ. Köln, 1996).

Saad, S. M. und A. M. Lassila (Fractal Organizations, 2004) «Layout design in fractal organizations.» International Journal of Production Research Vol. 42, No. 17, 1. September 2004: 3529-3550.

Sander, Gudrun, Johannes Rüegg-Stürm und Christina E. Wyss (Wissenschaft, 2004) «Wissenschaft und Wissenschaftlichkeit: Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens und ihre Implikationen.» Einführung in die Managementlehre. Hrsg. Rolf Dubs, et al. Bern/Stuttgart/ Wien: Haupt, 2004. 167-221.

Schmid, Wilhelm (Glück, 2007) Glück: Alles, was Sie darüber wissen müssen, und warum es nicht das Wichtigste im Leben ist. Frankfurt a.M.: Insel Verlag, 2007.

408 Literaturverzeichnis

Schön, Donald A. (Reflective Practitioner, 1983) The reflective practitioner: how professionals think in action. New York: Basic Books, 1983.

Schön, Donald A. (Educating, 1987) Educating the reflective practitioner: <toward a new design for teaching and learning in the professions>. San Francisco, Calif. u.a.: Jossey-Bass, 1987.

Schulte-Zurhausen, Manfred (Organisation, 2005) Organisation. 4. Auflage. München: Vahlen, 2005.

Schulz von Thun, Friedemann (Reden, 2001) Miteinander reden. Band 1. Störungen und Klärungen. 34. Auflage. Hamburg: Rowohlt, 2001.

Schwaninger, Markus (Unternehmensplanung, 1989) Integrale Unternehmensplanung. Frankfurt a.M., New York: Campus Verlag, 1989 (zugl. Habil.-Schr., Univ. St.Gallen, 1989).

Schwaninger, Markus (Managementsysteme, 1994) Managementsysteme. Frankfurt a.M./New York: Campus Verlag, 1994.

Schwaninger, Markus (Distributed Control, 2000) «Distributed control in social systems.» The Performance of Social Systems: Perspectives and Problems. Hrsg. Francisco Parra-Luna. New York: Kluwer Academic/Plenum Publishers, 2000. 147-173.

Schwaninger, Markus (Theorie, 2005) «Eine Theorie optimaler Organisation.» Richtiges und gutes Management: vom Sytem zur Praxis. Hrsg. Walter Krieg und Klaus, Stadelmann, Peter Galler. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2005. 71-85.

Schwaninger, Markus (Viable Organizations, 2006) «Design for viable organizations: The diagnostic power of the viable system model.» Kybernetes Vol. 35, No. 7/8, 2006: 955-966.

Schwaninger, Markus und Markus Körner (Organisationsprojekte, 2004) Organisationsprojekte managen. St. Gallen: Institut für Betriebswirtschaft, 2004.

Schwarz, Peter (Management-Prozesse, 2006) Management-Prozesse und -Systeme in Nonprofit-Organisationen: Entscheidung, Steuerung/Planung, Kontrolle. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2006.

Seghezzi, Hans Dieter und Dirk Caduff (Führungssysteme, 1997) Aufbau integrierter Führungssysteme. Zürich: Credit Suisse, 1997.

Shannon, Claude E. und Warren Weaver (Communication, 1967) The Mathematical Theory of Communication. 11th print. Urbana/Illinois: University of Illinois Press, 1967.

Literaturverzeichnis 409

Siegwart, Hans (Kennzahlen, 1998) Kennzahlen für die Unternehmensführung. 5., aktualisierte und erweiterte Auflage. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1998.

Siegwart, Hans (Erfolgsrechnung, 2001) Marktorientierte Erfolgsrechnung. München: Vahlen, 2001.

Spender, John-Christopher und Chris Grevesen (Multinational Enterprise, 1999) «The multinational enterprise as a loosely coupled system: the global integration - local responsiveness dilemma.» Managerial Finance Vol. 25, No. 2, 1999: 63-84.

Stadelmann, Peter (Managementtugenden, 2005) «Managementtugenden kybernetisch betrachtet - oder: Die Selbststeuerung des Selbst.» Richtiges und gutes Management: vom System zur Praxis. Festschrift für Fredmund Malik.Hrsg. Walter Krieg, Klaus Galler und Peter Stadelmann. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2005. 115-123.

Steinbrunner, John D. (Theory of Decision, 1974) The cybernetic theory of decision: new dimensions of political analysis. Princeton: NJ Princeton University Press, 1974.

Stier, Winfried (Forschungsmethoden, 1996) Empirische Forschungsmethoden. Berlin/Heidelberg: Springer, 1996.

Stöger, Roman (Geschäftsprozesse, 2005) Geschäftsprozesse erarbeiten - gestalten - nutzen: Qualität, Produktivität, Konkurrenz-fähigkeit. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2005.

Stöger, Roman (Strategieentwicklung, 2007 Strategieentwicklung für die Praxis: Kunde - Leistung - Ergebnis. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 2007.

Stöger, Roman (Balanced Scorecard, 2007) «Balanced Scorecard - Eine Bilanz.» OrganisationsEntwicklung Nr. 4 2007: 25-33.

Stringer, Ernest T. (Action Research, 1996) Action Research: A Handbook for Practitioners. Thousand Oaks/Calif.: SAGE, 1996.

Sussland, Willy A. (Effectiveness, 2003) «Align your management processes for effectiveness.» The TQM Magazine Vol. 15, No. 2, 2003: 108-116.

Tarski, Alfred (Semantik, 1973) «Grundlegung der wissenschaftlichen Semantik.» Logik-Texte: Kommentierte Auswahl zur Geschichte der modernen Logik. Hrsg. Karel Berka und Lothar Kreiser. 2., durchgesehene Auflage (Nachdruck). Berlin: Akademie-Verlag, 1973. 350-356.

410 Literaturverzeichnis

Tarski, Alfred (Wahrheitsbegriff, 1973) «Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen.» Logik-Texte: Kommentierte Auswahl zur Geschichte der modernen Logik. Hrsg. Karel Berka und Lothar Kreiser. 2., durchgesehene Auflage (Nachdruck). Berlin: Akademie-Verlag, 1973. 445-559.

Türke, Ralf-Eckhard (eGovernance, 2007) eGovernance: Foundation and Framework. Bamberg: Difo-Druck GmbH, 2007 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2007).

Uehlinger, Kurt und Werner von Allmen (Quality, 2001) Total Quality Management in der Praxis : der Weg zur Business Excellence. 2., akt. u. erw. Auflage. Kilchberg: SmartBooks, 2001.

Ulrich, Hans (Unternehmung, 1968/2001) Die Unternehmung als produktives soziales System. Bd. I. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1968/2001. V Bde.

Ulrich, Hans (Unternehmensführung, 1978) Unternehmensführung I: Allgemeine Theorie und Methodik. Einführung in die Managementlehre. St. Gallen: Hochschule St. Gallen, 1978.

Ulrich, Hans (Unternehmenspolitik, 1978/2001) «Unternehmenspolitik.» Ulrich, Hans. Das St. Galler Management-Modell. Bern/Stuttgart/ Wien: Haupt, 1978/2001. 171-460.

Ulrich, Hans (Wissenschaft, 1982/2001) «Anwendungsorientierte Wissenschaft.» Ulrich, Hans. Management: Aufsätze 1981-1998.Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2001. 53-62.

Ulrich, Hans (Praxisbezug, 1998/2001) «Praxisbezug und wissenschaftliche Fundierung einer transdisziplinären Management-lehre.» Ulrich, Hans. Management: Aufsätze 1981-1998. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2001. 459-468.

Ulrich, Hans (Management-Modell, 2001) Das St. Galler Management-Modell. Bd. II. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2001. V Bde.

Ulrich, Hans (Aufsätze, 2001) Management: Aufsätze 1981-1998. Bd. V. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 2001. V Bde.

Ulrich, Hans und Walter Krieg (Management-Modell, 1972/2001) «Das St. Galler Management-Modell.» Ulrich, Hans. Das St. Galler Management-Modell.Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1972/2001. 7-55.

Ulrich, Hans und Walter Krieg (Führungsmodelle, 1987/2001) «Führungsmodelle - St. Galler Modell.» Ulrich, Hans. Das St. Galler Management-Modell.Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1987/2001. 461-470.

Literaturverzeichnis 411

Ulrich, Hans und Gilbert Probst (Anleitung, 1988/2001) Anleitung zum ganzheitlichen Denken und Handeln. Bd. III. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1988/2001. V Bde.

Ulrich, Hans und Fredy Sidler (Öffentliche Hand, 1977/2001) «Ein Management-Modell für die öffentliche Hand.» Ulrich, Hans. Das St. Galler Management-Modell. Bern/Stuttgart/Wien: Haupt, 1977/2001. 85-170.

Vester, Frederic (Kunst, 2002) Die Kunst vernetzt zu denken: Ideen und Werkzeuge für einen neuen Umgang mit Komplexität. 2. Auflage. Frankfurt a.M.: Deutsche Verlags-Anstalt, 1999/2002.

Vidgen, Richard (Architecture, 1998) «Cybernetics and Business Processes: Using the Viable System Model to Develop an Enterprise Process Architecture.» Knowledge and Process Management Vol. 5, No. 2, 1998: 118-131.

von Foerster, Heinz und Bernhard Poerksen (Understanding Systems, 2002) Understanding Systems: Conversations on Epistemology and Ethics. Übers. Karen Leube. New York: Kluwer Academic/Plenum Publishers, 2002.

von Hayek, Friedrich A. (Human Action, 1967) «The Results of Human Action but Not of Human Design.» Hayek, Friedrich August von. Studies in philosophy, politics and economics. London: Routledge, 1967. 96-105.

von Rosenstiel, Lutz, Erika Regnet und Michel E. Domsch (Personalmanagement, 1999) Führung von Mitarbeitern: Handbuch für erfolgreiches Personalmanagement. 4. überarbei-tete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, 1999.

Wagner, Karl W. (Prozessorientiertes Qualitätsmanagement, 2006) PQM - Prozessorientiertes Qualitätsmanagement: Leitfaden zur Umsetzung der ISO 9001:2000. 3., vollst. überarb. u. erw. Auflage. München/Wien: Hanser, 2006.

Wagner, Karl-Ludwig (Fraktale Organisation, 2001) Flexible Unternehmensstrukturen: Wettbewerbsvorteile für den Mittelstand durch fraktale Organisation. München: Vahlen, 2001.

Wallmüller, Ernest (Informationsverarbeitung, 1995) Ganzheitliches Qualitätsmanagement in der Informationsverabeitung. München/Wien: Hanser, 1995.

Walter-Busch, Emil (Organisationstheorien, 1996) Organisationstheorien von Weber bis Weick. Chur: G+B Verlag Fakultas, 1996.

Warnecke, Hans-Jürgen (Unternehmenskultur, 1992/1993) Revolution der Unternehmenskultur: Das fraktale Unternehmen. 2. Auflage. Berlin/ Heidelberg/New York: Springer-Verlag, 1993.

412 Literaturverzeichnis

Warnecke, Hans-Jürgen (Aufbruch, 1995) Aufbruch zum fraktalen Unternehmen: Praxisbeispiele für neues Denken und Handeln.Berlin/Heidelberg/New York: Springer-Verlag, 1995.

Warnecke, Hans-Jürgen und Hans-Jörg Bullinger (Fraktales Unternehmen, 1995) Fraktales Unternehmen: gewinnen im Wettbewerb - Impulse und Erfahrungsaustausch.Berlin/Heidelberg/New York: Springer, 1995.

Watzlawick, Paul, Janet H. Beavin und Don D. Jackson (Kommunikation, 2007) Menschliche Kommunikation : Formen, Störungen, Paradoxien. 11., unveränd. Auflage. Bern: Huber, 2007.

Welge, Martin K. (Profit-Center, 1975) Profit-Center-Organisation: Organisatorische Analyse von Strukturbewertungsproblemen in funktionalen und profit-center-orientierten Organisationen. Wiesbaden: Gabler, 1975.

Wiener, Norbert (Kybernetik, 1948/1963) Kybernetik: Regelung und Nachrichtenübertagung im Lebewesen und in der Maschine. 2., revidierte und ergänzte Auflage. Düsseldorf/Wien: Econ-Verlag, 1948/1963.

Wiener, Norbert (Mensch, 1952/1966) Mensch und Menschmaschine: Kybernetik und Gesellschaft. 4., unveränderte Auflage. Frankfurt a.M.: Alfred Metzner Verlag, 1952/1966.

Willke, Helmut (Interventionstheorie, 1994) Systemtheorie Bd. 2: Interventionstheorie. Grundzüge einer Theorie der Intervention in komplexe System. Stuttgart/Jena: Fischer, 1994.

Wolf, Martin (Erfahrungen, 1985) Erfahrungen mit der Profit-Center-Organisation. Frankfurt a.M.: Lang, 1985 (zugl. Diss. Univ. München, 1985).

Wunderer, Rolf (Business Excellence-Modell, 1998) «Beurteilung des Modells der Europäischen Gesellschaft für Qualitätsmanagement (EFQM) und dessen Weiterentwicklung zu einem umfassenden Business Excellence-Modell.» Qualitätsmanagemen an der Schwelle zum 21. Jahrhundert: Festschrift für Hans Dieter Seghezzi zum 65. Geburtstag. Hrsg. Roman Boutellier und Walter Masing. Münschen/Wien: Hanser, 1998. 53-67.

Wyder, Andreas M. (Change, 2006) Change Absorption Measurement: A Case Study of a Global Business Transformation.Bamberg: Difo-Druck GmbH, 2006 (zugl. Diss. Univ. St. Gallen, 2006).

Zahn, Erich (Unternehmensführung, 1995) «Unternehmensführung in fraktalen Unternehmen.» Fraktales Unternehmen: gewinnen im Wettbewerb - Impulse und Erfahrungsaustausch. Hrsg. Hans-Jürgen Warnecke und Hans-Jörg Bullinger. Berlin/Heidelberg/New York: Springer, 1995. 149-165.

Internetquellenverzeichnis 413

Internetquellenverzeichnis

Die verwendeten Internetquellen werden in den Fussnoten jeweils mit Name des Autors resp. der verantwortlichen Institution, dem Thema, der Internetadresse und dem Datum des Zugriffs aufgeführt. Der gleichen Logik folgt die nachfolgende zusammenfassende Auflistung der verwendeten Internetquellen.

European Foundation for Quality Management (EFQM) Excellence. <http://www.efqm.org/Default.aspx?tabid=24>. 10.05.2008.

European Foundation for Quality Management (EFQM) The EFQM Excellence Model. <http://www.efqm.org/Default.aspx?tabid=35>. 10.05.2008.

Heylighen, Francis und Cliff Joslyn Cybernetics and Second-Order Cybernetics. 2001, Principa Cybernetica Web. <http://pespmc1.vub.ac.be/Papers/Cybernetics-EPST.pdf>. 02.05.2008.

Heylighen, Francis und Cliff Joslyn Buffering, feedback, feedforward: mechanisms of control. 31.08.2001, Principa Cybernetic Web. <http://pespmc1.vub.ac.be/MECHCONT.html>. 02.05.2008.

Joslyn, Cliff Law of Requisite Hierarchy. 01.09.1995, Principa Cybernetic Web <http://pespmc1. vub.ac.be/REQHIER.html>. 14.05.2008.

Klauser, Marius, Thorsten Lips und Caroline Wicky Konzeptlos: Manager führen oft nicht zukunftsfähig. 08.11.2007, www.business-wissen.de. <http://www.business-wissen.de/fuehrung/leadership/fachartikel/konzeptlos-manager-fuehren-oft-nicht-zukunftsfaehig.html>. 05.05.2008.

Malik Management Zentrum St. Gallen (Malik MZSG) malik management system®. <www.malik-mzsg.ch>. 16.04.2008.

Malik Management Zentrum St. Gallen (Malik MZSG) Chronik. <http://www.malik-mzsg.ch/corporate/htm/583/de/Corp_Unternehmen_Chronik. htm>. 27.02.2008.

Matheboard contributors Notwendig & Hinreichend. <http://www.matheboard.de/thread.php?threadid=7401>. 18.04. 2008.

Oetinger, Friedrich Christoph Weisheit. <http://www.mm.hs-heilbronn.de/seite2/sprueche.htm>. 03.07.2008.

414 Internetquellenverzeichnis

Wikipedia contributors Architektur. <http://de.wikipedia.org/wiki/Architektur>. 18.04.2008.

Wikipedia contributors Leon Battista Alberti. <http://de.wikipedia.org/wiki/Leon_Battista_Alberti>. 18.04.2008.

Wikipedia contributors Mensch in Zahlen. <http://de.wikibooks.org/wiki/Mensch_in_Zahlen>. 01.04.2008.

Wikipedia contributors Vitruv. <http://de.wikipedia.org/wiki/Vitruv>. 18.04.2008.

Dokumentenliste Aktionsforschungsprojekt 415

Dokumentenliste Aktionsforschungsprojekt

Bei den nachfolgenden Dokumenten handelt es sich mit Ausnahme des Leitbilds, der Regeln für Zusammenarbeit und Führung sowie der Faktenbroschüre ausschliesslich um vertrauliche interne Dokumente des Malik Management Zentrum St. Gallen. Bei der Darlegung des Aktionsforschungsprojekts wird die Nutzung dieser Dokumente mit entsprechenden Quellenangaben vermerkt. Dieser Art der Verwendung der Dokumente im Rahmen der vorliegenden Dissertation hat das Malik Management Zentrum St. Gallen verdankenswerterweise zugestimmt.

Nachfolgend werden die Dokumente mit Titel, Entstehungsdatum und Autorenname aufgelistet. Dabei werden sie gemäss ihrer primären Verwendung einer der Phasen des Aktionsforschungsprojekts (Vorphase, Projektphase P06/P07, Nachphase) zugeordnet und innerhalb der jeweiligen Phase chronologisch präsentiert. Zwecks einfachem Nachschlagen sind alle Dokumente zusätzlich mit einer fortlaufenden Nummer („Doc-Nr.“) versehen. Quellenverweise auf diese Dokumente umfassen den Vermerk „Archiv MZSG“, die Doc-Nr., den Titel und bei mehrseitigen Dokumenten die Seitenzahl.

Vorphase

Doc-Nr. Titel Datum Autor Doc-01 Leitbild 10.2003 Fredmund Malik Doc-02 Jubiläumssyntegration - 1. Iteration 16.12.2003 Facilitator (N.N.) Doc-03 Jubiläumssyntegration - 2. Iteration 17.12.2003 Facilitator (N.N.) Doc-04 Jubiläumssyntegration - 3. Iteration 18.12.2003 Facilitator (N.N.) Doc-05 Regeln für Zusammenarbeit und Führung 10.2004 Fredmund Malik Doc-06 Jubiläumssyntegration - Umsetzungsbericht 10.01.2005 Marius Klauser Doc-07 Strategie 2005 05.2005 Fredmund Malik /

Stefan Baldenweg Doc-08 Hürden des Wachstums 23.05.2005 Marius Klauser Doc-09 Präsentation Organisationsreglement 01.12.2005 Elisabeth Roth Doc-10 VSM-Diagnose (System1 + Systeme2-5) 19.12.2005 Ralf-Eckhard

Türke Doc-11 VSM-Diagnose (Systeme2-5) 06.02.2006 Ralf-Eckhard

Türke Doc-12 VSM-Darstellung 13.07.2006 Sebastian Hetzler Doc-13 Fakten (alt) 10.2006 Fredmund Malik Doc-14 Ideenskizze P06 (Initiativpapier) 13.10.2006 Marius Klauser Doc-15 Protokoll Telefonkonferenz Kick-off 20.10.2006 Marius Klauser Doc-16 Vereinfachung Markenstruktur (One Brand) 08.12.2006 Peter Stadelmann Doc-17 Fakten (neu) 12.2007 Fredmund Malik

416 Dokumentenliste Aktionsforschungsprojekt

Projektphase P06

Doc-Nr. Titel Datum Autor Doc-18 Protokoll P06-Workshop 1 04.11.2006 Marius Klauser Doc-19 Protokoll Gesamtpartnersitzung 06.11.2006 Vasso Sourlas Doc-20 Protokoll P06-Workshop 2 07.11.2006 Marius Klauser Doc-21 Protokoll P06-Workshop 3 21.11.2006 Marius Klauser Doc-22 Protokoll P06-Workshop 3/4a 28.11.2006 Marius Klauser Doc-23 MCE-Konfigurationsmethodik 28.11.2996 Marius Klauser Doc-24 Protokoll P06-Workshop 4b 09.12.2006 Marius Klauser Doc-25 Protokoll P06-Workshop 5 11.12.2006 Marius Klauser Doc-26 Protokoll P06-Workshop 6a/b 20.12.2006 Marius Klauser Doc-27 Protokoll P06-Workshop 6c 27.12.2006 Marius Klauser Doc-28 Protokoll P06-Workshop 6d 04.01.2007 Marius Klauser Doc-29 Protokoll P06-Workshop 7 08.01.2007 Marius Klauser

Projektphase P07

Doc-Nr. Titel Datum Autor Doc-30 Drehbuch Info-Veranstaltungen 08.01.2007 Marius Klauser Doc-31 Präsentation Führungskräfteveranstaltung 09.01.2007 Marius Klauser Doc-32 Führungskräfteveranstaltung Arbeitsauftrag

109.01.2007 Marius Klauser

Doc-33 Führungskräfteveranstaltung Arbeitsauftrag 2

09.01.2007 Marius Klauser

Doc-34 Präsentation Mitarbeiterveranstaltung 10.01.2007 Marius Klauser Doc-35 P07-Videodokumentation (Langversion) 10.01.2007 Marius Klauser Doc-36 P07-Gesamtpendenzenliste (Stand

15.01.2007) 15.01.2007 Marius Klauser

Doc-37 Protokoll P07-Workshop 1 21.01.2007 Marius Klauser / Roman Franke

Doc-38 Mitteilung an alle „P07 Neuigkeiten I“ 21.01.2007 Peter Stadelmann Doc-39 Protokoll P07-Workshop 2 22.01.2007 Marius Klauser /

Roman Franke Doc-40 Protokoll P07-Workshop 3 25.01.2007 Marius Klauser /

Roman Franke Doc-41 Mitteilung an alle „Frequently Asked

Questions (FAQ) I“ 26.01.2007 Peter Stadelmann /

Marius Klauser Doc-42 Frequently Asked Questions (FAQ) I 26.01.2007 Peter Stadelmann /

Marius Klauser Doc-43 Protokoll P07-Workshop 4 02.02.2007 Marius Klauser /

Roman Franke Doc-44 Mitteilung an Führungskräfte „P07-

Neuigkeiten 1“ 03.02.2007 Peter Stadelmann

Doc-45 Mitteilung an alle „P07-Neuigkeiten II“ 03.02.2007 Peter Stadelmann Doc-46 Protokoll P07-Workshop 5 20.02.2007 Roman Franke

Dokumentenliste Aktionsforschungsprojekt 417

Doc-47 Mitteilung an alle „P07-Neuigkeiten III“ 23.02.2007 Peter Stadelmann Doc-48 Protokoll P07-Workshop 6 06.03.2007 Roman Franke Doc-49 Fragebogen Umsetzungsstatus 06.03.2007 Peter Stadelmann /

Roman Franke Doc-50 Ergebnisse Umsetzungsstatus 12.03.2007 Roman Franke Doc-51 Protokoll MCE-

Führungskräfteveranstaltung 12.03.2007 Roman Franke /

Martin Rafailidis Doc-52 Protokoll P07-Workshop 7 15.03.2007 Roman Franke Doc-53 Mitteilung an alle „P07-Beschlüsse und

Projektabschluss“ 22.03.2007 Fredmund Malik

Doc-54 VR-Beschluss zu Metasystem 22.03.2007 Fredmund Malik Doc-55 VR-Beschluss zu Projektabschluss 22.03.2007 Fredmund Malik Doc-56 Protokoll P07-Gesamtpartnersitzung 25.03.2007 Roman Franke Doc-57 Protokoll P07-Workshop 8 02.04.2007 Roman Franke Doc-58 P07-Gesamtpendenzenliste (Stand

02.04.2007) 02.04.2007 Roman Franke

Doc-59 Mitteilung an Führungskräfte „P07-Neuigkeiten 2“

02.04.2007 Peter Stadelmann

Doc-60 Mitteilung an alle „P07-Neuigkeiten IV“ 05.04.2007 Peter Stadelmann

Nachphase

Doc-Nr. Titel Datum Autor Doc-61 Staffing-Policy 15.03.2007 Peter Stadelmann,

Ludwig Allgoewer, Boris Billing

Doc-62 ÜbS-Policy 03.04.2007 Fredmund Malik Doc-63 PIMS-Policy 03.04.2007 Fredmund Malik Doc-64 Mitteilung an alle „Erinnerung REX“ 16.04.2007 Peter Stadelmann Doc-65 Recruiting-Policy 03.05.2007 Fredmund Malik Doc-66 CVC08/MCB-Policy I (Fokus Konstitution) 26.04.2007 Walter Krieg /

Karl-Heinz Oeller / Gunter Nittbaur / Martin Pfiffner / Peter Stadelmann

Doc-67 Mitteilung an alle „Frequently Asked Questions (FAQ) II“

18.05.2007 Peter Stadelmann / Roman Franke

Doc-68 Frequently Asked Questions (FAQ) II 18.05.2007 Peter Stadelmann / Roman Franke

Doc-69 Mitteilung an alle „Leitung MFI an Baarfuss“

28.06.2007 Fredmund Malik

Doc-70 Protokoll Davoser Gespräche I 2007 04.07.2007 Roman Franke / Maria Sourlas

Doc-71 Mitteilung an alle „Leitung MCB an Oeller“

16.07.2007 Fredmund Malik

Doc-72 Mitteilung an alle „Redimensionierung 02.10.2007 Fredmund Malik

418 Dokumentenliste Aktionsforschungsprojekt

Unterstützungsfunktionen Doc-73 CVC08/MCB-Policy II (Fokus

Syntegrationen) 04.10.2007 Martin Pfiffner /

Peter Stadelmann Doc-74 CIC-Policy 15.11.2007 Peter Stadelmann /

Anja Knaus Doc-75 Entwicklungsstufen-Policy für operativen

Bereich 15.11.2007 Peter Stadelmann /

Henning Böhne Doc-76 Beförderungs-Policy 19.11.2007 Peter Stadelmann /

Henning Böhne Doc-77 Protokoll Davoser Gespräche II 2007 30.11.2007 Sandra Vögel,

Manuel Werner Doc-78 Mitteilung an alle „MFI geführt als eine

Einheit“ 04.12.2007 Ruedy Baarfuss /

Elisabeth Roth Doc-79 Mitteilung an alle „Jahres-Auftakt-Meeting

I“ 08.01.2008 Anja Knaus

Doc-80 Mitteilung an alle „Jahres-Auftakt-Meeting II“

11.01.2008 Anja Knaus

Doc-81 Mitteilung an alle „Erfreuliches Jahresergebnis 2007“

28.01.2008 Peter Stadelmann

Doc-82 Angebots-, Preis- und Fakturierungs-Policy 28.01.2008 Peter Stademlann Doc-83 Mitteilung an alle „MCB als 5. UB“ 05.03.2008 Fredmund Malik /

Maria Sourlas Doc-84 Mitteilung an alle „Erfreuliche erste

Ergebnisse 2008“ 07.03.2008 Peter Stadelmann

Doc-85 Mitteilung an alle „Honorierungsmodell“ 18.03.2008 Fredmund Malik / Peter Stadelmann

Doc-86 Aktuelle Besetzung P07/Metasystem 27.03.2008 Peter Stadelmann Doc-87 Mitteilung an alle „Unterstützung bei

Umsetzung APF-Policy“ 07.04.2008 Peter Stadelmann

Doc-88 Mitteilung an alle „MFI-Schwerpunkte“ 11.04.2008 Ruedy Baarfuss Doc-89 Mitteilung an alle „Erweiterung S3-

Ausschuss I“ 22.04.2008 Fredmund Malik

Doc-90 Mitteilung an alle „Erweiterung S3-Ausschuss II“

24.04.2008 Fredmund Malik

Doc-91 Entwicklungsstufen-Policy für nicht-operativen Bereich

30.04.2008 Fredmund Malik

Doc-92 Mitteilung London/PIMS 30.04.2008 Fredmund Malik Doc-93 Marathon3000-Qualifikations-Policy 23.05.2008 Fredmund Malik

Lebenslauf

Persönliche Daten

Geburtsdatum

Heimatort

Zivilstand

Email

12.06.1976

Flums-Grossberg (St. Gallen / Schweiz)

Verheiratet

[email protected]

Aus- und Weiterbildung

08/1991-01/1996

01/1996-06/1996

10/1996-03/2001

04/2005-03/2006

01/2006-09/2006

02/2008-10/2008

Mathematisch-Naturwissenschaftliches Gymnasium Rämibühl, Zürich

Fremdsprachaufenthalte in Lausanne und London

Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität St. Gallen, Abschluss: lic. oec. HSG

Doktorandenseminare zu Führung und Personalmanagement (berufsbegleitend)

Vorstudie zur Dissertation (Teilzeit)

Ausarbeitung der Dissertation inkl. Disputation (Vollzeit), Abschluss: Dr. oec. HSG

Praktische Tätigkeit

07/1996-08/1998

07/1998-02/2000

12/1999-01/2002

seit 01/2002

01/2002-06/2004

07/2004-03/2007

04/2007-01/2008

Diverse Praktika (Multimedia, Personal)

Rhetorik Center an der Universität St. Gallen: Trainer und Präsident

ECom Effective Communications GmbH: Mitgründer und geschäftsführender Partner

Malik Management Zentrum St. Gallen:

− Consultant (insb. Strategie- und Organisationsprojekte)

− Project Manager und Stabsmitarbeiter

− Associate Partner (Leiter Controlling und Informationssysteme, Mitglied Gruppenleitung)