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136 UmweltMagazin Oktober - November 2009 Service Umweltsituation im Südosten Europas Der Name Bosnien-Herzegowina ruft noch immer die Assoziation Balkankrieg hervor, doch die Realität ist eine andere. Das Land macht kleine aber stetige Schritte nach vorne – auch im Umweltschutzbereich. Hier sind bereits viele deutsche Unternehmen aktiv. B osnien und Herzegowina gehörten im früheren Jugo- slawien noch zu den wirtschaft- lich schwächeren Regionen. Nach dem Ende des Bosnien- kriegs kam es zunächst zu einem kontinuierlichen Wirtschafts- wachstum. Die strikte Geldpoli- tik, die einen festen Wechselkurs der Konvertiblen Mark zum Euro beinhaltet, trug zur Stabilität der Währung bei und hat zu einer niedrigen Inflationsrate geführt. Die Vorteile des Standorts Bosnien Herzegowina liegen auch in seiner zentralen Lage und der Möglichkeit, die Freihan- delsabkommen mit den übrigen Balkanländern zu nutzen. Dies schafft gute Rahmenbedingun- gen für Investitionen und Unter- nehmen, die eine Expansion in die umliegenden Märkte Südosteuropas planen. Vor allem die Umweltsituation im Land bedarf großer Moderni- sierung. Im Land fehlen moderne Kläranlagen, Sanitärdeponien und die Abfallrecyclingquote ist sehr gering. Aber der Wille die Situation zu ändern ist vorhan- den. Maßnahmen für den Umweltschutz Im Jahr 2003 hat der Geset- zesgeber ein Umweltschutz- gesetzpaket, nach EU-Rechten und mit EU-Fördermitteln, ins Leben gerufen. In Kraft getreten sind das Umwelt-, Wasser-, Luft-, Abfall- und Naturschutz- gesetz. Gemäß IPPC, EIA , SEVESO II und anderen EU-Richtlinie wurde auch eine Umweltschutz- erlaubnis, die „Okolisna dozvola“ ausgearbeitet. Sie legt fest, dass jeder Unternehmer, der die Um- welt stark beeinträchtigt, einen Umweltschutzplan für fünf Jahre ausarbeiten muss. Darin gilt es, alle unerlaubten Umweltein- flüsse in Bezug auf Wasser, Luft, Boden, Lärmschutz, Abfall und andere neu zu begrenzen. Die Kommunen haben große Probleme im Bereich der Was- serversorgung sowie Abwasser- und Abfallbehandlung. Auch die Abfallprobleme im Land sind gravierend. Die Ab- fälle werden auf wilden Depo- nien oder durch Kompostierung und Verbrennen beseitigt. Mit ei- nem Kredit der IDA Bank von rund 26 Mill. US-Dollar, hat man begonnen Wilddeponien zu sa- nieren und regionale Sanitärde- ponien in Bijeljina, Banja Luka, Bihac, Sarajevo, Tuzla und Ze- nica zu bauen. Da die Weltbank sich mit dem Projekt zufrieden zeigte, bewilligte sie einen weite- ren Kredit von etwa 40 Mill. US- Dollar, der für eine zweite Pro- jektphase 2009 in den Gemein- den Livno, Visoko, Gorazde, Pri- jedor, Doboj und Zvornik dient. In Mostar, der größten Stadt der Herzegowina, des südlichen Teils von Bosnien-Herzegowina, sind große Kläranlagen geplant. Die überwiegende Fläche in die- ser Gegend besteht aus Karst – ein durchlässiger Boden, in dem Wasser sofort versickert. In der Gegend um Neretva, dem be- deutendsten Fluss der Herzego- wina, wo etwa 300 000 Ein- wohner leben, gibt es zur Zeit noch gar keine Kläranlagen. Da der Fluss nach Kroatien fließt, ist eine Übergrenzkoope- ration möglich. Fördermittel des von den Europäischen Gemein- schaften finanzierten IPA 2009, einem Programm für die grenz- übergreifende Zusammenarbeit zwischen Kroatien und Bosnien und Herzegowina, stehen dafür zur Verfügung. Nutzung vorhandener Energiequellen Wasserkraft und Kohle zählen zur Zeit zu den beiden wichtigs- ten Energielieferanten in Bos- nien-Herzegowina. Heute expor- tiert das Land mehr Energie in andere Länder als es einführt. Verschiedenen Studien zufolge verfügt Bosnien-Herzegowina auch über ein großes Potenzial an ungenutzter Windenergie. Dies belegt unter anderem die Untersuchung der GTZ „Energie- politische Rahmenbedingungen für Strommärkte und erneuer- bare Energien – 21 Länderanaly- sen“. Der erster Windpark, beste- hend aus 22 Einzelanlagen, mit einer Gesamtleistung von 44 MW, entsteht in der Nähe von Mesihovina im südlichen Herze- gowina. Die Kosten hierfür be- laufen sich auf etwa 78 Mill. Euro. Rund 72 Mill. davon beab- sichtigt die KfW Entwicklungs- bank im Auftrag der Bundes- regierung als zinsverbilligtes FZ-Darlehen zur Verfügung zu stellen. Dieses Darlehen kom- biniert Eigenmittel der KfW mit Zuschüssen aus dem Bundes- haushalt. Die restlichen 6 Mill. Euro bringt das Energieversor- gungsunternehmen selbst auf. Auch Public Private Partner- ships etablieren sich. Die Alba Gruppe ist bereits seit 1999 auf dem Entsorgungs- markt in Bosnien-Herzegowina tätig. Das Joint Venture zwi- schen der nord-westlich von Sa- rajevo gelegenen Stadt Zenica und dem Berliner Unternehmen war der erste private Entsor- gungsunternehmen des Landes. Es widmet sich der Haus- und Gewerbemüllentsorgung, der Straßenreinigung, dem Winter- dienst sowie der Pflege der Grünanlagen der Stadt. Andere Gemeinschaftsunter- nehmen folgten. Die Deutsche Environmental & Renewable Energy Plc und die Conad d.o.o. haben eine Ab- sichtserklärung mit dem Zweck der Installation und des gemein- samen Betriebes einer industriel- len Verarbeitungsanlage für or- ganischen Abfall in Bosnien un- terschrieben. Im Auftrag der Ge- meinde Sanski Most hat die Co- nad ein Projekt zur Erfassung und Verarbeitung von Haushalts- sowie landwirtschaftlichen orga- nischen Abfällen gestartet. Es beläuft sich insgesamt auf einen Wert von 12 Mill. Euro und wird über beide Unternehmen sowie durch Mittel der EU finanziert. Bei diesem großen Nachhol- bedarf in Sachen Umwelttechnik haben deutsche Anbieter gute Chancen, sich am Markt von Bosnien und Herzegowina zu etablieren. Die Wirtschaft dürfte auch zukünftig weiter wachsen, so dass sich für viele Unterneh- men Geschäftschancen eröffnen. Bosnien-Herzegowina – ein Land im Umbruch: Wirtschaft und Umweltsituation erfahren einen kontinuierlichen Aufstieg. Mario Zovko, IGH-Mostar doo Mostar, [email protected]

Mario zovko umwelt in bosnien herzegowina

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Page 1: Mario zovko umwelt in bosnien herzegowina

136 UmweltMagazin Oktober - November 2009

Service

Umweltsituation im Südosten Europas Der Name Bosnien-Herzegowina ruft noch

immer die Assoziation Balkankrieg hervor,

doch die Realität ist eine andere. Das Land

macht kleine aber stetige Schritte nach vorne

– auch im Umweltschutzbereich. Hier sind

bereits viele deutsche Unternehmen aktiv.

Bosnien und Herzegowina gehörten im früheren Jugo-

slawien noch zu den wirtschaft-lich schwächeren Regionen. Nach dem Ende des Bosnien-kriegs kam es zunächst zu einem kontinuierlichen Wirtschafts-wachstum. Die strikte Geldpoli-tik, die einen festen Wechselkurs der Konvertiblen Mark zum Euro beinhaltet, trug zur Stabilität der Währung bei und hat zu einer niedrigen Inflationsrate geführt.

Die Vorteile des Standorts Bosnien Herzegowina liegen auch in seiner zentralen Lage und der Möglichkeit, die Freihan-delsabkommen mit den übrigen Balkanländern zu nutzen. Dies schafft gute Rahmenbedingun-gen für Investitionen und Unter-nehmen, die eine Expansion in die umliegenden Märkte Südosteuropas planen.

Vor allem die Umweltsituation im Land bedarf großer Moderni-sierung. Im Land fehlen moderne Kläranlagen, Sanitärdeponien und die Abfallrecyclingquote ist sehr gering. Aber der Wille die Situation zu ändern ist vorhan-den.

Maßnahmen für den Umweltschutz Im Jahr 2003 hat der Geset-

zesgeber ein Umweltschutz-gesetzpaket, nach EU-Rechten und mit EU-Fördermitteln, ins Leben gerufen. In Kraft getreten sind das Umwelt-, Wasser-, Luft-, Abfall- und Naturschutz-gesetz.

Gemäß IPPC, EIA , SEVESO II und anderen EU-Richtlinie wurde auch eine Umweltschutz-erlaubnis, die „Okolisna dozvola“

ausgearbeitet. Sie legt fest, dass jeder Unternehmer, der die Um-welt stark beeinträchtigt, einen Umweltschutzplan für fünf Jahre ausarbeiten muss. Darin gilt es, alle unerlaubten Umweltein-flüsse in Bezug auf Wasser, Luft, Boden, Lärmschutz, Abfall und andere neu zu begrenzen.

Die Kommunen haben große Probleme im Bereich der Was-serversorgung sowie Abwasser- und Abfallbehandlung.

Auch die Abfallprobleme im Land sind gravierend. Die Ab-fälle werden auf wilden Depo-nien oder durch Kompostierung und Verbrennen beseitigt. Mit ei-nem Kredit der IDA Bank von rund 26 Mill. US-Dollar, hat man begonnen Wilddeponien zu sa-nieren und regionale Sanitärde-ponien in Bijeljina, Banja Luka, Bihac, Sarajevo, Tuzla und Ze-nica zu bauen. Da die Weltbank sich mit dem Projekt zufrieden zeigte, bewilligte sie einen weite-ren Kredit von etwa 40 Mill. US-Dollar, der für eine zweite Pro-jektphase 2009 in den Gemein-den Livno, Visoko, Gorazde, Pri-jedor, Doboj und Zvornik dient.

In Mostar, der größten Stadt der Herzegowina, des südlichen Teils von Bosnien-Herzegowina, sind große Kläranlagen geplant. Die überwiegende Fläche in die-ser Gegend besteht aus Karst – ein durchlässiger Boden, in dem Wasser sofort versickert. In der Gegend um Neretva, dem be-deutendsten Fluss der Herzego-wina, wo etwa 300 000 Ein-wohner leben, gibt es zur Zeit noch gar keine Kläranlagen.

Da der Fluss nach Kroatien fließt, ist eine Übergrenzkoope-

ration möglich. Fördermittel des von den Europäischen Gemein-schaften finanzierten IPA 2009, einem Programm für die grenz-übergreifende Zusammenarbeit zwischen Kroatien und Bosnien und Herzegowina, stehen dafür zur Verfügung.

Nutzung vorhandener Energiequellen Wasserkraft und Kohle zählen

zur Zeit zu den beiden wichtigs-ten Energielieferanten in Bos-nien-Herzegowina. Heute expor-tiert das Land mehr Energie in andere Länder als es einführt. Verschiedenen Studien zufolge verfügt Bosnien-Herzegowina auch über ein großes Potenzial an ungenutzter Windenergie. Dies belegt unter anderem die Untersuchung der GTZ „Energie-politische Rahmenbedingungen für Strommärkte und erneuer-bare Energien – 21 Länderanaly-sen“.

Der erster Windpark, beste-hend aus 22 Einzelanlagen, mit einer Gesamtleistung von 44 MW, entsteht in der Nähe von Mesihovina im südlichen Herze-gowina. Die Kosten hierfür be-laufen sich auf etwa 78 Mill. Euro. Rund 72 Mill. davon beab-sichtigt die KfW Entwicklungs-bank im Auftrag der Bundes-regierung als zinsverbilligtes FZ-Darlehen zur Verfügung zu stellen. Dieses Darlehen kom-biniert Eigenmittel der KfW mit Zuschüssen aus dem Bundes-haushalt. Die restlichen 6 Mill. Euro bringt das Energieversor-gungsunternehmen selbst auf.

Auch Public Private Partner-ships etablieren sich.

Die Alba Gruppe ist bereits seit 1999 auf dem Entsorgungs-markt in Bosnien-Herzegowina

tätig. Das Joint Venture zwi-schen der nord-westlich von Sa-rajevo gelegenen Stadt Zenica und dem Berliner Unternehmen war der erste private Entsor-gungsunternehmen des Landes. Es widmet sich der Haus- und Gewerbemüllentsorgung, der Straßenreinigung, dem Winter-dienst sowie der Pflege der Grünanlagen der Stadt.

Andere Gemeinschaftsunter-nehmen folgten.

Die Deutsche Environmental & Renewable Energy Plc und die Conad d.o.o. haben eine Ab-sichtserklärung mit dem Zweck der Installation und des gemein-samen Betriebes einer industriel-len Verarbeitungsanlage für or-ganischen Abfall in Bosnien un-terschrieben. Im Auftrag der Ge-meinde Sanski Most hat die Co-nad ein Projekt zur Erfassung und Verarbeitung von Haushalts- sowie landwirtschaftlichen orga-nischen Abfällen gestartet. Es beläuft sich insgesamt auf einen Wert von 12 Mill. Euro und wird über beide Unternehmen sowie durch Mittel der EU finanziert.

Bei diesem großen Nachhol-bedarf in Sachen Umwelttechnik haben deutsche Anbieter gute Chancen, sich am Markt von Bosnien und Herzegowina zu etablieren. Die Wirtschaft dürfte auch zukünftig weiter wachsen, so dass sich für viele Unterneh-men Geschäftschancen eröffnen.

Bosnien-Herzegowina – ein Land im Umbruch: Wirtschaft und Umweltsituation erfahren einen kontinuierlichen Aufstieg.

Mario Zovko, IGH-Mostar doo Mostar,

[email protected]