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Prof. Dr. Armin Nassehi Seite 1 Armin Nassehi Institut für Soziologie Vorlesung Soziologische Theorie SoSe 2019 Mo 1015-1145 Uhr, AudiMax 13. Mai 2019 Max Weber: Soziologie ohne Gesellschaft Prof. Dr. Armin Nassehi Seite 2 Armin Nassehi Institut für Soziologie Armin Nassehi: Soziologie. Zehn einführende Vorlesungen 2. Aufl. Wiesbaden: VS-Verlag 2011. Hans Joas/Wolfgang Knöbl: Sozialtheorie. Zwanzig einführende Vorlesungen Aktualisierte Auflage Frankfurt/M./Berlin: Suhrkamp 2004.

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VorlesungSoziologische Theorie

SoSe 2019Mo 1015-1145 Uhr, AudiMax

13. Mai 2019

Max Weber: Soziologie ohne Gesellschaft

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Armin Nassehi: Soziologie. Zehn einführende Vorlesungen2. Aufl.Wiesbaden: VS-Verlag 2011.

Hans Joas/Wolfgang Knöbl:Sozialtheorie. Zwanzig einführende VorlesungenAktualisierte AuflageFrankfurt/M./Berlin: Suhrkamp 2004.

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Programm

29.04.Die Vorgeschichte: Rousseau, Hobbes, Hegel und MarxDie Erfindung der bürgerlichen Gesellschaft und ihre KritikGeorg Wilhelm Friedrich Hegel: Grundlinien der Philosophie des Rechts, Werke, Band 7, Frankfurt/M. 1970, �� 182-188, S. 339-346;

Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung, in: Marx-Engels-Werke, Band 1, Berlin (DDR) 1969, S. 378-391.

06.05. (Julian Müller)Emile Durkheim: Gesellschaft als integrierte Einheit/Soziologie als MoralwissenschaftEmile Durkheim: Über die Teilung der sozialen Arbeit, Frankfurt/M. 1977, S. 152-173 und 437-450. Emile Durkheim: Regeln der

soziologischen Methode, Neuwied 1961, S. 115-128.

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13.05.Max Weber:Soziologie ohne GesellschaftMax Weber: Über einige Kategorien der verstehenden Soziologie, in: ders.: Schriften 1894-1922, ausgew. v. Dirk Käsler, Stuttgart

2002, S. 275-313.

20.05. (Julian Müller)George Herbert Mead:Gesellschaft als universe of discourse/Soziologie als VerhaltenswissenschaftGeorge Herbert Mead: Geist, Identität und Gesellschaft. Hrsg. von Charles W. Morris. Frankfurt/M. 1992, S. 194-221 und 230-265.

27.05.Talcott Parsons:Gesellschaft als politische Einheit/Soziologie als Theorie sozialer SystemeTalcott Parsons: Das System moderner Gesellschaften, München 1972, S. 12-42.

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03.06.Alfred Schütz/Peter Berger/Thomas Luckmann:Gesellschaft als Lebenswelt/Soziologie als Phänomenologie und AnthropologieAlfred Schütz/Thomas Luckmann: Die Lebenswelt des Alltags und die natürliche Einstellung, in: dies.: Strukturen der Lebenswelt. Band

1, Frankfurt/M. 2003, S. 29-50.

10.06. Pfingstmontag

17.06.Gary S. Becker/James ColemanGesellschaft als Situation/Soziologie als Theorie rationaler WahlGary S. Becker: The Economic Way of Looking at Life, Nobel Lecture, Oslo 1992.

24.06.Jürgen Habermas:Gesellschaft als System und Lebenswelt/Soziologie als AufklärungsprojektJürgen Habermas: Der normative Gehalt der Moderne, in: ders.: Der philosophische Diskurs der Moderne. Zwölf Vorlesungen,

Frankfurt/M. 1985, S. 390-425.

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01.07.Niklas Luhmann:Gesellschaft ohne Zentrum und Spitze/Soziologie als AufklärungNiklas Luhmann: Das Moderne der modernen Gesellschaft, in: ders.: Beobachtungen der Moderne, Opladen 1992, S. 11-49.

08.07.Pierre Bourdieu:Gesellschaft als Distinktionsraum/Soziologie als (Selbst-)AufklärungPierre Bourdieu: Leçon sur la leçon, in: ders.: Sozialer Raum und ‘Klassen’. Leçon sur la leçon. Zwei Vorlesungen, Frankfurt/M. 1985, S.

49-81.

15.07.Bruno Latour:Gesellschaft posthumaner Kollektive/Soziologie als Theorie hybrider AkteureBruno Latour: Kleine Soziologie alltäglicher Gegenstände, in: ders.: Der Berliner Schlüssel. Erkundungen eines Liebhabers der

Wissenschaften, Berlin, S. 15-84.

22.07.Klausur

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Weitere Informationen:

Die Texte werden in den Tutorien bearbeitet und sollen von allen sonstigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Vorlesung mitgelesen werden.

Die Anmeldeformalitäten für die Klausur bzw. für die Anmeldung zu den Theorie II-Veranstaltungen werden im Laufe der Vorlesung erläutert.

Sonntags ab spätestens 23.00 Uhr (meist früher) lassen sich die Folien des darauf folgenden Montags von der Homepage des Lehrstuhls herunterladen (www.nassehi.de).

Melden Sie sich, falls noch nicht per LSFgeschehen, persönlich in Tutorien an!

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Max Weber (1864-1920)

Max Weber: Wirtschaft und Gesellschaft(J.C.B. Mohr, Tübingen 1972)

S.111: S.1: �1. Soziologie (im hier verstandenen Sinn dieses sehr vieldeutig gebrauchten Wortes) soll heißen: eine Wissenschaft, welche soziales Handeln deutend verstehen und dadurch in seinem Ablauf und seinen Wirkungen ursächlich erklären will. „Handeln“ soll dabei ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußeres oder innerliches Tun, Unterlassen oder Dulden) heißen, wenn und insofern als der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven

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Sinn verbinden. „Soziales“ Handeln aber soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden gemeinten Sinn nach auf das Verhalten anderer bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.

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S.12: �2. Wie jedes Handeln kann auch das soziale Handeln bestimmt sein 1. zweckrational: durch Erwartungen des Verhaltens von Gegenständen der Außenwelt und von anderen Menschen und unter Benutzung dieser Erwartungen als „Bedingungen“ oder als „Mittel“ für rational, als Erfolg, erstrebte und abgewogene eigne Zwecke, - 2. wertrational: durch bewussten Glauben an den –ethischen, ästhetischen, religiösen oder wie immer sonst zu deutenden – unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen und unabhängig vom Erfolg, - 3. affektuell, insbesondere emotional: durch aktuelle Affekte und Gefühlslagen, - 4. traditional: durch eingelebte Gewohnheit.

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S.13: 5. Sehr selten ist Handeln, insbesondere soziales Handeln, nur in der einen oder der andren Art orientiert. Ebenso sind diese Arten der Orientierung natürlich in gar keiner Weise erschöpfende Klassifikationen der Arten der Orientierung des Handelns, sondern für soziologische Zwecke geschaffene, begrifflich reine Typen, denen sich das reale Handeln mehr oder minder annähert oder aus denen es – noch häufiger – gemischt ist. Ihre Zweckmäßigkeit für uns kann nur der Erfolg ergeben.

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Max Weber: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre (Zweite Auflage, Verlag J. C. B. Mohr, Tübingen, 1951)

S.191: Er [der Idealtypus] wird gewonnen durch einseitige Steigerung eines oder einiger Gesichtspunkte und durch Zusammenschluss einer Fülle von diffus und diskret, hier mehr, dort weniger, stellenweise gar nicht, vorhandenen Einzelerscheinungen, die sich jenen einseitig herausgehobenen Gesichtspunkten fügen, zu einem in sich einheitlichen Gedankenbilde. In seiner begrifflichen Reinheit ist diese Gedankenbild nirgends in der Wirklichkeit empirisch vorfindbar, es ist eine Utopie, und für die historische Arbeit erwächst die Aufgabe, in jedem einzelnen Falle festzustellen, wie nahe oder wie

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fern die Wirklichkeit jenem Idealbilde steht, inwieweit also der ökonomische Charakter der Verhältnisse einer bestimmten Stadt als „stadtwirtschaftlich“ im begrifflichen Sinn anzusprechen ist. Für den Zweck der Erforschung und Veranschaulichung aber leistet jener Begriff, vorsichtig angewendet seine spezifischen Dienste.

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S.149:... denn wir sind der Meinung, dass es niemals Aufgabe einer Erfahrungswissenschaft sein kann, bindende Normen und Ideen zu ermitteln, um daraus für die Praxis Rezepte ableiten zu können.Was folgt aber aus diesem Satze? Keineswegs, dass Werturteile deshalb, weil sie in letzter Instanz auf bestimmten Idealen fußen und daher „subjektiven“ Ursprungs sind, der wissenschaftlichen Diskussion überhaupt entzogen seien. Die Praxis und der Zweck unserer Zeitschrift würde einen solchen Satz ja immer wieder desavouieren. Die Kritik macht vor den Werturteilen nicht Halt. Die Frage ist vielmehr: Was bedeutet und bezweckt wissenschaftliche Kritik von Idealen und Werturteilen?

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S.151 f.: Eine empirische Wissenschaft vermag niemanden zu lehren, was er soll, sondern nur was er kann und – unter Umständen – was er will. Richtig ist, dass die persönlichen Weltanschauungen auf dem Gebiet unserer Wissenschaften unausgesetzt hineinzu-spielen pflegen auch in die wissenschaftliche Argumentation, sie immer wieder trüben, das Gewicht wissenschaftlicher Argumente auch auf dem Gebiet der Ermittlung einfacher kausaler Zusammen-hänge von Tatsachen verschieden einschätzen lassen, je nachdem das Resultat die Chancen der persönlichen Ideale: die Möglichkeit, etwas Bestimmtes zu wollen, mindert oder steigert. Auch die Her-ausgeber und Mitarbeiter unserer Zeitschrift werden in dieser Hin-sicht sicherlich „nichts Menschliches von sich fern glauben“. Aber von diesem Bekenntnis menschlicher Schwäche ist es ein weiter

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Weg bis zu dem Glauben an eine „ethische“ Wissenschaft der Na-tionalökonomie, welche aus ihrem Stoff Ideale oder durch Anwen-dung allgemeiner ethischer Imperative auf ihren Stoff konkrete Normen zu produzieren hätte. – Richtig ist noch etwas weiteres: gerade jene innersten Elemente der „Persönlichkeit“, die höchsten und letzten Werturteile, die unser Handeln bestimmen und unserem Leben Sinn und Bedeutung geben, werden von uns als etwas „ob-jektiv“ Wertvolles empfunden. Wir können sie ja nur vertreten, wenn sie uns als geltend, als aus unseren höchsten Lebenswerten fließend, sich darstellen und so, im Kampfe gegen die Widerstände des Lebens, entwickelt werden. Und sicherlich liegt die Würde der „Persönlichkeit“ darin beschlossen, dass es für sie Werte gibt, auf die sie ihr eigenes Leben bezieht.

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S.152: Nur unter der Voraussetzung des Glaubens an Werte jedenfalls hat der Versuch Sinn, Werturteile nach außen zu vertreten. Aber: Die Geltung solcher Werte zu beurteilen, ist Sache des Glaubens, daneben vielleicht eine Aufgabe spekulativer Betrachtung und Deutung des Lebens und der Welt auf ihren Sinn hin, sicherlich aber nicht Gegenstand einer Erfahrungswissenschaft in dem Sinne, in welchem sie an dieser Stelle gepflegt werden soll.

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Max Weber: Wissenschaft als Beruf (in: Studienausgabe der Max-Weber-Gesamtausgabe, Band I/17, Tübingen: Mohr 1994)

S. 7f.: Verehrte Anwesende! „Persönlichkeit“ auf wissenschaftli-chem Gebiet hat nur der, der rein der Sache dient. Und nicht nur auf wissenschaftlichem Gebiet ist es so. Wir kennen keinen großen Künstler, der je etwas anderes getan hätte, als seiner Sache und nur ihr zu dienen. Es hat sich, soweit seine Kunst in Betracht kommt, selbst bei einer Persönlichkeit vom Range Goethes gerächt, dass er sich die Freiheit nahm: sein „Leben“ zum Kunstwerk machen zu wollen. ... Auf dem Gebiet der Wissenschaft aber ist derjenige ganz gewiß keine „Persönlichkeit“, der als Impresario der Sache, der er sich hingeben sollte, mit auf die Bühne tritt.

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S. 17: Je nach der letzten Stellungnahme ist für den einzelnen das eine der Teufel und das andere der Gott, und der einzelne hat sich zu entscheiden, welches für ihn der Gott und welches der Teufel ist. Und so geht es durch alle Ordnungen des Lebens hindurch. ... Die alten vielen Götter, entzaubert und daher in Gestalt unper-sönlicher Mächte, entsteigen ihren Gräbern, streben nach Gewalt über unser Leben und beginnen untereinander wieder ihren ewigen Kampf. Das aber, was gerade dem modernen Menschen so schwer wird, und der jungen Generation am schwersten, ist: einem solchen Alltag gewachsen zu sein. Alles Jagen nach dem „Erlebnis“ stammt aus dieser Schwäche. Denn Schwäche ist es: dem Schicksal der Zeit nicht in sein ernstes Antlitz blicken zu können.

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M.W.: Wirtschaft und Gesellschaft, a.a.O.

S.28: �16. Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.Herrschaft soll heißen die Chance, für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Personen Gehorsam zu finden; Disziplin soll heißen die Chance, kraft eingeübter Einstellung für einen Befehl prompten, automatischen und schematischen Gehorsam bei einer angebbaren Vielheit von Menschen zu finden.

Prof. Dr. Armin Nassehi Seite 22

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Max. Weber: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie I (UTB, Tübingen1988)

S.36: In der Tat: jener eigentümliche, uns heute so geläufige und in Wahrheit doch so wenig selbstverständliche Gedanke der Berufs-pflicht: einer Verpflichtung, die der Einzelne empfinden soll und empfindet gegenüber dem Inhalt seiner „beruflichen“ Tätigkeit, gleichviel worin sie besteht, gleichviel insbesondere ob sie dem unbefangenen Empfinden als reine Verwertung seiner Arbeitskraft oder gar nur seines Sachgüterbesitzes (als „Kapital“) erscheinen muss: - dieser Gedanke ist es, welcher der „Sozialethik“ der ka-pitalistischen Kultur charakteristisch, ja in gewissem Sinne für sie von konstitutiver Bedeutung ist.

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Prof. Dr. Armin Nassehi Seite 23

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M.W.: Wirtschaft und Gesellschaft, a.a.O.

S. 339: [Die Diskrepanz zwischen der gottgewollten Ordnung und der unvollkommenen Welt wird dadurch aufgelöst, dass der ] Sün-digende ... von allen Sünden immer wieder durch relgiöses Gele-genheitshandeln Absolution erhalten kann. ... Nicht der gesamte, durch Askese oder Kontemplation oder beständig wache Selbst-kontrolle und Bewährung stets neu festzustellende habitus der Per-sönlichkeit, sondern das konkrete einzelne Tun wird gewertet. Es fehlt daher die Nötigung, die certitudo salutis selbst, aus eigener Kraft zu erringen und diese ganze ethisch so wirksame Kategorie tritt überhaupt an Bedeutung zurück.

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M.W.: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie, a.a.O.

S. 74: Die Leistung der Reformation war es zunächst, dass, im

Kontrast gegen die katholische Auffassung, der sittliche Akzent

und die religiöse Prämie für die innerweltliche, beruflich geordnete

Arbeit mächtig schwoll.

S.252: Interessen (materielle und ideelle), nicht: Ideen, beherrschen

unmittelbar das Handeln der Menschen. Aber: die „Weltbilder“,

welche durch „Ideen“ geschaffen wurden, haben sehr oft als Wie-

chensteller die Bahnen bestimmt, in denen die Dynamik der Inter-

essen das Handeln fortbewegte. Nach dem Weltbild richtete es sich

ja: „wovon“ und „wozu“ man „erlöst“ sein wollte und – nicht zu

vergessen: - konnte.

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S.93: Denn alle Kreatur ist durch eine unüberbrückbare Kluft von Gott geschieden und verdient vor ihm, soweit er nicht zur Verherrlichung seiner Majestät ein anderes beschlossen hat, lediglich den ewigen Tod. Was wir wissen, ist nur: dass ein Teil der Menschen selig wird, ein anderer verdammt bleibt....Gottes Gnade ist, da seine Ratschlüsse unwandelbar feststehen, ebenso unverlierbar für die, welchen er sie zuwendet, wie unerreichbar für die, welchen er sie versagt....

S.93 f: In der für die Menschen der Reformationszeit entschei-dendsten Angelegenheit des Lebens: der ewigen Seligkeit, war der Mensch darauf verwiesen, seine Straße einsam zu ziehen, einem von Ewigkeit her feststehenden Schicksal entgegen. Niemand

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konnte ihm helfen. Kein Prediger: - denn nur der Erwählte kann das Gotteswort spiritualiter verstehen. Kein Sakrament: - denn die Sa-kramente sind zwar von Gott zur Mehrung seines Ruhms verordnet und deshalb unverbrüchlich zu halten, aber kein Mittel, Gottes Gnade zu erlangen, sondern subjektiv nur „externa subsidia“ des Glaubens. Keine Kirche: - denn es gilt zwar der Satz „extra eccle-siam nulla salus“ in dem Sinne, dass, wer sich von der wahren Kir-che fernhält, nimmermehr zu den von Gott Erwählten gehören kann; aber zur (äußeren) Kirche gehören auch die Reprobierten, ja sie sollen dazu gehören und ihren Zuchtmitteln unterworfen wer-den, nicht um dadurch zur Seligkeit zu gelangen, - das ist unmög-lich, - sondern weil auch sie zu Gottes Ruhm zur Innehaltung seiner Gebote gezwungen werden müssen. Endlich auch: - kein Gott:

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S.195: Soweit die Macht puritanischer Lebensauffassung reichte, kam sie unter allen Umständen – und dies ist natürlich weit wich-tiger als die bloße Begünstigung der Kapitalbildung – der Tendenz zu bürgerlicher, ökonomisch rationaler Lebensführung zugute; sie war ihr wesentlichster und vor allem: ihr einzig konsequenter Trä-ger. Sie stand an der Wiege des modernen „Wirtschaftsmenschen.“

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S.204: Niemand weiß noch, wer künftig in jenem Gehäuse wohnen

wird und ob am Ende dieser ungeheuren Entwicklung ganz neue

Propheten oder eine mächtige Wiedergeburt alter Gedanken und

Ideale stehen werden, oder aber – wenn keins von beiden –

mechanisierte Versteinerung, mit einer Art von krampfhaftem Sich-

wichtig-nehmen verbrämt. Dann allerdings könnte für die „letzten

Menschen“ dieser Kulturentwicklung das Wort zur Wahrheit

werden: „Fachmenschen ohne Geist, Genussmenschen ohne Herz:

dies Nichts bildet sich ein, eine nie vorher erreichte Stufe des

Menschentums erstiegen zu haben.“