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Medizin des Alters und des alten Menschen
Flüssigkeitshaushalt und Ernährung im Alter
Rehabilitation
Priv. Doz. Dr. B. ElkelesLehrbeauftragte Geriatrie der WWU
Klinik für Geriatrische Rehabilitation Telgte
Priv.-Doz. Dr. B. Elkeles, M. Richter, J. Schiemer, H. NiemannKlinik für Geriatrische Rehabilitation, Telgte
Am Krankenhaus 1 49291 Telgte, 02504/674261 [email protected]
Hager, Hannover 2005
Wasser- und Elektrolythaushalt im Alter
PathophysiologieDer Wasseranteil am Körpergewicht reduziert sich von 60% auf ca. 50%
Abnahme der Konzentrationsfähigkeit der Niere mit schlechter Salzkonservierung
Vermindertes Durstempfinden, auch bei erheblichem Flüssigkeitsmangel
Unzureichende Flüssigkeitszufuhr
• Immobilität• Feinmotorikstörung• Dysphagie • Demenz• Depression• Aphasie• Sedierende Medikation• Vermehrter Bedarf
(Fieber, starkes Schwitzen)
Übermäßiger Flüssigkeitsverlust
• Erbrechen• Durchfall• Starkes Schwitzen• Fieber• Diuretikagabe• Osmotische Diurese
(Hyperglykämie)Szene mit Darstellung von Erbrechen. Tacuinum Sanitatis, 1474.Illustr. Geschichte der Medizin, Bd. 2
Quelle: Die Zeit
Klinische Zeichen der Dehydratation
Trockene Mundschleimhaut Schluckstörungen
Trockene Zunge Sprachstörungen, Schleimhautläsionen
Verminderter Hautturgor Trockene, faltige Haut, stehende Hautfalten, verzögerte periphere Venenfüllung
Tachykardie Schindel, Synkopen, Orthostase
Elektrolytstörungen Muskelkrämpfe, EKG-Veränderungen
Schwere Dehydratation Müdigkeit, Somnolenz, Fieber, Herz-Kreislaufversagen
Nach Schulz, in Füsgen 2000
Trinkplan• Ausreichend trinken
(1,5-2 l/d)• Vor allem vormittags,
früher Nachmittag• Vorlieben beachten• Erinnerungshilfen • Feste Zeitstruktur
Viel Trinken???
Kritische Begleiterscheinungen der Herzinsuffizienz: •Hypokalämie•ADH-Überschuß•Erniedrigtes Serumnatrium•Latente Niereninsuffizienz
subkutane Flüssigkeitszufuhr• Bis zu 3 Liter am Tag• Möglich sind:
– physiolog. Kochsalzlösung
– Ringerlösung– Glucose 5%
• Bevorzugte Infusionsstellen: – Seitliches Abdomen– Oberschenkel– Bereich der
Schulterblätter – Infraklavikulär
Vorteile:Keine Gefahr der PhlebitisSchmerzfreie, einfache
AnlageKeine akute Überwässerung
bei schneller InfusionÜberwachungsaufwand
gering
Elektrolytstörungen – Fallbeispiel 1• 77jährige Patientin. Schwere Lumbalstenose, Z n. Op. Dekompression
vor 2 Wo. Am Tag vor der Verlegung Unwohlsein, Erbrechen• Medikation:
– Oxycodon 2x20 mg– Enalapril 20 mg/d– Hydrochlorothiazid 25 mg
• Pat. verwirrt, unruhig, dann wieder schläfrig, lethargisch, klagt über diffuse Schmerzen, Schwindel beim Aufstehen
• Na: 116 mmol/l, Rö-Thorax: deutl. Zeichen der Überwässerung, periphere Ödeme
Proz.: Aussetzen von Enalapril und Hydrochlorothiazid, Stattdessen Torasemid 20 mg, darunter langsamer Na-Anstieg, parallel klinische Besserung
Natrium
Serumosmolalität[mosmol/kg]=2x Na+ [mmol/l] + Glucose [mg/dl]/18 + Harnstoff mg/dl]/6
Funktion im Organismus:• Flüssigkeitsgehalt• Tonus• Zellvolumen• Zielorgan: Gehirn
Vereinfacht:
Serumosmolalität = 2x Na+
[mmol/l]
Bedeutung der HyponaträmieMissverhältnis zwischen Wasser und NatriumHäufigste Elektrolytstörung im Altertritt bei bis zu 50% der Pflegeheimbewohnern
einmal im Jahr auf
Symptome: Übelkeit, Erbrechen KopfschmerzenLethargie bis Koma Verwirrtheit, DelirKrampfanfälle Fehlendes DurstgefühlOrthostase, Tachykardie
Auslösende Krankheiten• Volumenverschiebungen• Dekompensierte Herzinsuffizienz• Dekompensierte Leberzirrhose• Akutes/ chronisches
Nierenversagen• SIADH (oft medikamentös)• M. Addison• Schwere Hypothyreose• Polydipsie• Langfristige ausschließliche
Sondenernährung
Auslösende Medikamente
– Diuretika– Oxcarbazepin,
Carbamazepin– Trizyklische
Antidepressiva– Selektive
Serotoninantagonisten– Neuroleptika, v.a.
Haloperidol– Morphin– ASS, NSAR
Medikamenten-kombinationen –
Arzneimittel-interaktionen
Elektrolytstörung – Fallbeispiel 2
• 86 jährige Patienten, mediale Schenkelhalsfraktur nach lokomotor. Sturz, Implantation einer Duokopfprothese vor 2 Wochen. Postoperativ Delir, in dem Rahmen Sturz mit Schürfungen und Prellungen.
• Verwirrt, schwer besinnlich, allgemeine Schwäche, diffuse Schmerzen.
• Klinisch Zeichen des Flüssigkeitsdefizits• Labor: Na 116 mmol/l, Kreatinin 1.0• Medikation: Medikation: Citalopram, Bisoprolol,
Gabapentin
Therapie
Im Alter:
meist chronische, langsam entstandene Hyponaträmien.
Daher in der Regel: Langsamer Ausgleich
• Auslöser beseitigen• Flüssigkeitsrestriktion bei Hypervolämie (oft iatrogen!!!!)• Bei schwerer Hyponaträmie vorsichtiger Natriumersatz
(oral) oder durch Infusionen (physiolog. NaCl-Lösung, hypertone NaCl-Lösung nur unter Überwachungsbedingungen!).
Na-Gehalt von Elektrolytlösungen
in mmol/l Plasma NaCl 0,9 Sterofundin® ISO Sterofundin® Ringer-Lactat Ringer-Lösung Ringer-AcetatNa+ 142 154 140 140 131 147 130
K+ 4,5 4 4 5,4 4 5,4
Mg+ 1,25 1 1 1
Ca+ 2,5 2,5 2,5 1,8 2,2 0,9
Cl- 103 154 127 106 112 156 112
H2PO4-
Laktat 1,5 0 45 28
Acetat 24 27
Malat 5
HCO3 24
Protein 20
PH-Wert 7,4 5 - 7 4,6 - 5,4 5 - 7 5 - 7 6 - 8theor. Osmol (mosmol/l) 291 308 304 299 277 309 276
Physiolog. Kochsalzlösung 0,9%: Na 154 mmol/l!
Das berühmteste Opfer …
http://www.allposters.de/-st/Andy-Warhol-Poster_c29184_.htm
http://www.allposters.de/-st/Andy-Warhol-Poster_c29184_.htm
Hypernaträmie• Ursachen:
Vermehrte Na – Zufuhr (meist iatrogen, z.B. Penicilline oder „physiolog.“ 0,9% Kochsalzlösung: Na-Gehalt 147/mmol/l)Vermehrter WasserverlustNicht renale Verluste
– Schweiß– Diarrhoe– Erbrechen
• Symptomatik:• Schwäche bis Koma• Neuromuskuläre
Schwäche • Fokale neurolog.
Defizite
Ersatz durch Glucose 5 %
Ernährungsstörungen im Alter
Friedrich Herlin: Mahl der Compostela-Pilger, um 1462
(Rothenburg o.d. Tauber) Illustr. Geschichte der Medizin, Digi Bib.
Frau S. H., geb. 1926
Klinische Zeichen• Generalisierte
Muskelatrophie• Schwund des
subkutanen Fettgewebes
• Eiweißmangelödeme
• Hosenbund zu weit?• Zahnprothese passt
nicht?
Definition Malnutrition• Ungleichgewicht
zwischen Nahrungszufuhr und Nahrungsbedarf.
• Bei älteren Patienten überwiegt die Unterernährung gegenüber der Überernährung
• Malnutrition ist meist mit einer Fehlernährung vergesellschaftet
• Meist liegt eine Kombination aus einer Protein-Kalorien Mangelernährung vor.
Parameter der Mangel-Fehlernährung
Energie
Protein
Essentielle Fettsäuren
MikronährstoffeVitamineMineralstoffeSpurenelemente
Body Mass Index
Der Ideal-BMI steigt mit dem Alter an.
Ab 75 J: leichtes Übergewicht (BMI 25-30) stellt einen Schutzfaktor dar.
Abnehmen im Alter:
Eher Risiko als Risikoreduktion!
Ein BMI < 22,7 bzw. eine Gewichtabnahme stellen für
über 75jährige ein eigenständiges Risiko für
Morbidität und Mortalität dar.
Veränderung der Körperzusammensetzung im Alter
Körper-Fett-anteil
Fettfreie Körper-Masse
Gewicht-verlust
Ursache: Atrophie der Skelettmuskulatur (Sarkopenie): Metabolisch aktive Skelettmuskelmasse macht nur 27% des
Körpergewichts bei >70jährigen aus (bei jüngeren 45%)
Folge: Abnahme von Muskelkraft und Koordination
Body Mass IndexKörpergewicht in KgKörpergröße in m²
Wünschenswerter BMI bei Menschen > 65 J (n. Espen 2000)
Schwere Malnutrition <18,5
Leichte Malnutrition 18,5-19,9
Risiko für Malnutrition 20-21,9
Normalgewicht 22-26,9
Präadipositas 27-29,9
Adipositäs >29,9
BMI- Kategorien bei Menschen < 65 J
Extremes Untergewicht <17,5
Untergewicht 17,5-19,9
Normalgewicht 20-25
Übergewicht 25-30
Adipositas Grad I+II 30-42
Adipositas Grad III >40
Anthropometrische Messungen
• Anthropometrische Messungen– BMI (geringste Mortalität im Alter bei BMI 25-30)
• Wertigkeit bei mangelnder Muskelmasse? • Störfaktoren Körpergewicht: Hydratation, Immobilität
– Körpergröße: • oft schwer messbar (Kyphose, fehlende Stehfähigkeit!)• evtl. Bestimmung aus der Kniehöhe, Semispann• Oberarmumfang/ Tricepshautfalte• Wadenumfang < 31 cm
Extrapolation der Körpergröße
OberarmlängeWadenumfang
KniehöheMesspunkt
Wie erfassen wir die Nahrungszufuhr?
Die zugeführten Nahrungsmengen werden immer überschätzt!!!
Auch eine kurzfristig (einige Tage dauernde!) reduzierte Zufuhr verschlechtert den
funktionellen Status und die Prognose signifikant.
Tellerdiagramme zur Abschätzung
nichts
25%
50%
75%
Ganze Portion
Nutritional risk screening (NRS)Verschlechterter Ernährungsstatus Schwere Krankheit mit Stressmetabolismus
Fehlend/Score 0
Normaler Ernährungsstatus Fehlend/Score 0
Normale Ernährungserfordernisse
Mild/Score 1
Gewichtverlust >5% in 3 Monaten
Oder Nahrungszufuhr 50% - 75 % des Erforderlichen in der vorhergehenden Woche
Mild/Score 1
Hüftgelenksnahe Frakturchronisch Kranke bei akuten Komplikationen (Diabetes mellitus, Hämodialyse, onkolog. Patienten, Leberzirrhose)
mäßig/Score 2
Gewichtverlust >5% in 2 Monaten
Oder BMI 18,5-20,5 + reduz. Allgemeinzustand
Oder Nahrungszufuhr 25%-50% des Erforderlichen in der vorhergehenden Woche
mäßigScore 2
Größere abdominalchirurg. Eingriffe, Z.n. Schlaganfall, schwere Pneumonie,
schwerScore 3
Gewichtverlust >5% in 2 Monaten ( >15 % in 3 Mo)
Oder BMI <18,5 + reduz. Allgemeinzustand
Oder Nahrungszufuhr 0-25% des Erforderlichen in der vorhergehenden Woche
schwerScore 3
Schädelhirntrauma, Intensivpatienten
Beide Scores werden addiert, bei >70 jährigen wird generell ein Punkt addiert. Es gilt jeweils die Variable mit dem höchsten ScoreBei einem alterskorrigierten Score von >3 ist generell eine Intervention notwendig
Erfassung (Ernährungsassessment)
• Klinischer Zustand– BMI, klinischer
Eindruck– Gewichtsverlauf– Laborwerte
• Erfassung der Nahrungsaufnahme (quantitativ wie qualitativ)
• Identifikation von Risikofaktoren
Intervention
• Pat., die bis zu 75 % der angebotenen Menge („normale Portionen“ von 1800 Kcal/d) essen, bedürfen in der Regel keiner weiteren Intervention
• Bei 50-75% Nahrungssupplemente (Meritene, Maltodextrin…)
• Bei weniger als 50% zusätzlich Trinkpacks• Bei weniger als 25 % ggf. PEG
Laborwerte• Serumalbumin
– t½ 20 Tage– Schlechte Prognose bzgl. Überleben bei < 35g/dl
• Transferrin < 2g/dl, Präalbumin < 0,1 g/l• Serumcholesterin (<160 mg/dl)• Erniedrigte Gesamtlymphozytenzahl
– < 1200/ mm³ moderate Malnutrition– < 800/ mm³ schwere Malnutrition
• Problem: lange Halbwertzeit, Störanfälligkeit durch andere pathologische Prozesse, daher in der Klinik schwer anwendbar
LaborparameterMangel-
ernährungMild Moderat Schwer t½
Albumin g/l 32-35 28-35 <28 21 d
Transferrin g/l 2,5-3 1,5-2,5 <1,5 8 d
Präalbuminmg/l
120-150 100-200 <100 2 d
Retinol-bindendesProtein
(>26 mg/l) 0,5 d
Lymphozyten 1500-1800 900-1200 <900
Nach Zeyfang et al. 2007
Schott, Chronik der Medizin 1997
Schott, Chronik der Medizin 1997
Nach Heseker
Wie macht man das praktisch?
• Mittagsmahlzeit Gemüse, Kartoffeln: 2 Portionen
• Ggf. Kompott, Obstkuchen (auch gekochtes Obst enthält zumindest Ballaststoffe, Spurenelemente und Mineralien)
• Fruchtsäfte, Früchtetee• Obst, Salate zum Abend• Obst als Zwischenmahlzeit
Empfehlungen zur Aufnahme von Nährstoffen im Alter
Alte Menschen bevorzugen „Leere
Kalorien“
Vitamine
Spurenelemente
Mineralien
MikronährstoffeMakronährstoffe
Nach Volkert 1997
Energiezufuhr und Mikronährstoffbedarf
Kalorien-bedarf
Bedarf Mikro-Nähr-Stoffe
Vitamine
< 1 500 kcal/d: keine ausreichende Deckung des Mikronährstoffbedarfs
Trotz abnehmenden Kalorienbedarfs gleichbleibender Mikronährstoff- und
Vitaminbedarf
Richtwerte für die Energiezufuhr (DGE 1991)
Kcal /d
Männer Frauen
25-50 J 2400 2000
51-64 J 2200 1800
> 65 J 1900 1700
< 1 500 kcal/d: keine ausreichende Deckung des Mikronährstoffbedarfs
Gesicherte Empfehlungen für Ältere existieren nicht
Epidemiologie
• Proteinmalnutrition– 0 - 10 % der zu Hause lebenden älteren Menschen– 25% (bis 60%) der nicht institutionalisierten über 75-
jährigen (Bethanien-Ernährungsstudie) bei Krankenhausaufnahme
• Bei 40% deutl. Verschlechterung während des stat. Aufenthaltes
• Risiko besteht bei über 60 % der akut kranken Patienten
– Bis zu 60% der Bewohner von Pflegeinstitutionen– Risikofaktoren: Multimorbidität, Immobilität,
Pflegeabhängigkeit
Nach Hager, Hannover 2005
Folgen von Mangelernährung im Alter
• Verzögerte Rekonvaleszenz (verlängerte Verweildauern!)
• Verkürzte Lebenszeit• Mehr Dekubitalgeschwüre, verzögerte
Wundheilung• Mehr Infektionskomplikationen• Schlechtere funktionelle Ergebnisse
Der Teufelskreis
Zunahme von Morbidität, körperlichen Und geistigen Defiziten
Weitere Reduktion der Nahrungsaufnahme
Kombination von Risikofaktoren
Physiolog. VeränderungenPhysiolog.
Veränderungen
Psychische u.
SozialeSituation
Psychische u.
SozialeSituation
Störungen Wahrnehmung
Sensorik
Störungen Wahrnehmung
Sensorik
Kognitive Störungen
Kognitive Störungen
Zunahme Energiebedarfbei patholog.
Zuständen
Zunahme Energiebedarfbei patholog.
Zuständen
Medikamenten-effekte
Medikamenten-effekte
ZahnstatusZahnstatus
Kau- und Schluck-
störungen
Kau- und Schluck-
störungen
Allg. körperl. Zustand
Allg. körperl. Zustand
Mangel-ernährungMangel-
ernährung
Altersphysiolog. Veränderungen
• Appetitmangel (vermindertes Verlangen nach Nahrung)
• Reduziertes Geruchs- und Geschmacksempfinden– Verstärkt bei Zinkmangel– Demenzkranke
• Veränderte gastrointestinale Resorption– Enzymproduktion, Motilität verringert
• Veränderung von Neurotransmittern, Hormonen und Zytokinen (z.B. Somatostatin, Glucagon, gastrointestinale Transmitter)
Begünstigende ErkrankungenHerzinsuffizienz Pulmonale Erkrankungen
Tumorerkrankungen Chronische Infektionen
Gastrointestinale Erkrankungen Diabetes mellitus
Chronische Polyarthritis Fortgeschrittene degen. Skeletterkrankungen
Hypo-/Hyperthyreose Zerebrovaskuläre Erkrankungen
Dekubitalgeschwüre Extrapyramidale Erkrankungen
Demenz Depression
Nach Bauer, DMW 2006
Allgemeine körperl. Situation
• Schwierigkeiten beim Gehen, Tragen: Einkaufen erschwert
• Schwierigkeiten beim Schneiden, Zubereiten• Zunahme der Inappetenz bei reduzierter
körperlicher Aktivität • Abnahme der Muskelkraft mit zunehmender
Malnutrition
Kau- und Schluckstörungen
• Störungen im Kiefergelenk und bei der Okklusion• HNO-Erkrankungen
– Parotitis – verminderter Speichelfluss (sicca-Syndrom)– Kandidiasis
• Zahnstatus• Neurolog. Erkrankungen • Erkrankungen der Speiseröhre
(Motilitätsstörungen etc.)
Zahnstatus• nur 10 % der 70- bis 100-
jährigen haben eigene Zähne
• je nach Studie: ca. 40 % –80 % der Zahnprothesen sitzen schlecht oder sind dysfunktional
• 60 % der alten Menschen leiden an Parodontopathien– Gehäuft bei Diabetes
mellitus!
Zahnprothese aus einem Nilpferdzahn, die George Washington gehörte. Illustrierte Geschichte der Medizin,
Bd.6, 1986]
Teufelskreis
• Bei Vorliegen mehrerer Faktoren steigt das Risiko einer Mangelernährung deutlich an
• Mit zunehmender Mangelernährung nehmen Morbidität (und Mortalität) sowie körperliche und geistige funktionelle Defizite weiter zu
• Mangeernährung stellt einen der entscheidenden Risikofaktor für „frailty“ („Gebrechlichkeit“) dar
Medikamenteneffekte
• Mundtrockenheit– Antidepressiva– Neuroleptika– Antivertiginosa– Mittel gegen Harninkontinenz
• Anorexie (Digoxin, Antibiotika, ACE-Hemmer) • Übelkeit (Antibiotika, Parkinsonmittel,
Analgetika)• Obstipation (Analgetika, Anticholinergika)
Begünstigende Medikamente
ACE-Hemmer AnalgetikaAntacida AntiarrhythmikaAntibiotika AntiepileptikaAntidepressiva β-BlockerKalziumantagonisten HerzglykosideH2-Antagonisten LaxantienNSAR Orale AntidiabetikaKaliumpräparate Kortikosteroide
Nach Bauer, DMW 2006
Vermehrter Energiebedarf
• Infektionen, Fieber• Hochaktive
immunolog. Erkrankungen
• Hyperthyreose• Kardiale/ pulmonale
Kachexie• Tumoren
• Hyperaktivität bei Demenz
• Hyperkinesien bei extrapyramidalenStörungen
• SezernierendeWunden (Dekubitus!)
Kognitiver Status
Verschlechterung des Ernährungszustandes
Verschlechterung der kognitiven
Funktionen
Verminderte Nahrungsaufnahme
Teufelskreis
• „Managementprobleme“– Organisation des Einkaufens– Verzehr überlagerter/ verdorbener
Nahrungsmittel • „Vergessen“ der Mahlzeit• Werkzeugstörungen im
bukkofazialen Bereich• Verlust von Geschmacks- und
Geruchssinn• Fehlendes Hunger- und
Durstgefühl (veränderte Neurotransmitter?)
• Paranoia („vergiftetes“ Essen)• Vermehrte körperliche Aktivität bei
psychomotorischer Unruhe
Ernährung dementiell Erkrankter
• Oft deutliche Veränderung von Geruchs-und Geschmackssinn
Das bedeutet:• Veränderte Vorlieben
Marmelade mit Senf
• Werkzeugstörungen: Besteck kann nicht mehr verwendet werden
Finger-Food
Wahrnehmung und Sensorik
• Visusverlust– Schwierigkeiten beim Herbeischaffen,
Zubereiten u. Identifizieren der Nahrungsmittel– Schwierigkeiten bei der Nahrungseinnahme
• Hemineglectsyndrom: „Übersehen“ der Nahrungsmittel auf der betroffenen Seite
Psychische Störungen
• Inappetenz: häufiges depressives Syndrom• Einschneidende Lebensereignisse • Mit zunehmender Mangelernährung
nehmen Antriebsstörung und Dysphorie zu
Soziale Situation
• Einsamkeit• Unbefriedigende Lebenssituation in Institutionen
– Essen nicht schmackhaft, eintönig, unappetitlich– Den individuellen Vorlieben nicht angepasst– Ungeliebte/ als störend empfundene Umgebung– Wenig Zuwendung/ Zeit beim Essenreichen
• Armut
Vitaminmangelzustände
• Alkoholismus: Thiamin, Pyridoxin, Folsäure
• trizykl. Antidepressiva: Riboflavin• Methotrexat, Salazosulfapyridin: Folsäure• INH, Azathioprin, Phenytoin: Niacin• Atroph. Gastritis, Veganer: Cobolamin
Vitaminmangelzustände
• Wenig Frischkost: Vit C (Zahnstatus, Einkaufsverhalten)
• Geringe Zufuhr, wenig Aufenthalt im Freien (Sonnenlichtexposition): Vit D
• Allg. Mangelernährung: Vit K – Einstellung auf orale Antikoagulantien
schwierig
Zinkmangel
• Gehäuft bei – Diabetes mellitus– Leberzirrhose– Malnutrition– Diuretikatherapie
• Verstärkt Appetitlosigkeit und Dysgeusie• Wundheilung verschlechtert?
Ziele des Ernährungsmanagement im Alter
• Verhindern von Morbidität und Mortalität– Stürze– Dekubitus, chronische
Wunden – Infektionen– Kognitive Einbussen
• Soziale Integration• Lebenszufriedenheit
Praktisches Vorgehen
• Eigentlich müssten wir bei allen Patienten den BMI bestimmen (Größe und Gewicht bei Aufnahme, Gewicht im Verlauf)
• Eigentlich brauchten wir bei allen Patienten ein Ernährungsassessment
• Dazu gehörte auch ein semiquantitavesErnährungsprotokoll
Rehabilitation im Alter
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen
Geriatrische Patienten sind nicht nur ältere Erwachsene
Die Lebensalter des Menschen 15. Jh. Illustr. Geschichte der Medizin,
Digi Bib.
Bei Immobilisation täglich Verlust von ca. 1% der
MuskelkraftNach Lübke, KCG 2006
Immobilität vermeiden!
• Muskelatrophie• Pneumonien• Orthostase• Thrombose, Embolie• Kontraktur• Dekubitus• Deutlich verzögerte
Rekonvaleszenz• Sozialer Rückzug
Bed is Bad!
Junger PatientJunger Patient Geriatrischer PatientGeriatrischer Patient
größtmögliche Kraft im physiologischen Bewegungsausmaß
Kraft und Beweglichkeit, soweit für den individuellen Aktionsradius notwendig
Berufs- und Freizeitfähigkeit
Verhindern von Abhängigkeit von anderen
ICIDH-ICF
• Seit ca. 1980 Versuch, Behinderung zu klassifizieren– International classification of impairments,
disabilities and handicap– Deutsch: Schädigungen, Fähigkeitsstörungen
und (soziale) Beeinträchtigungen– ICF: International classification of functioning
Struktur des ICF
Funktionsfähigkeit und Behinderung• Struktur und Funktion• Aktivität und TeilhabeKontextfaktoren • Umweltfaktoren• Personenbezogene Faktoren
Praxisleitfaden BAR 2007
Diagnosenkardioembolischer Insult linksparietal mit Hemiparese rechts, Aphasie, Apraxie, Dysphagie Persistierendes Vorhofflimmern, Hypertensive Herzkrankheit Insulinpflichtiger Diabetes mellitus Typ II mit Polyneuropathie Niereninsuffizienz III°, Gonarthrose rechtsMittelschwere depressive Reaktion, Chronisch obstruktive LungenerkrankungVisusminderung bei Makuladegeneration, Presbyakusis
Körperstrukturen und –FunktionenHalbseitenlähmung rechtsSchluckstörungSprachstörungSchmerzen bei GonarthroseAntriebsschwächeEingeschränkte kardiopulmonaleBelastbarkeit
Aktivität und TeilhabeKomplette Hilfsbedürftigkeit bei der KörperpflegeUnfähigkeit, auf der Bettkante zu sitzen oder zu StehenSchwierigkeiten, Flüssigkeiten zu schluckenBeeinträchtigung der Kommunikation .…
Kontext-
FaktorenUmweltbezogenMehrere Stufen -Allein lebend -
Dusche mit hohem Einstieg –Gute soziale Infrastruktur
PersonenbezogenHochaltrig -
Pflegebedürftiger Ehemann -Schon vorher eingeschränkte Mobilität und
Selbsthilfefähigkeit -Tochter in der Nähe +
Hohe Motivation u. emotionale Belastbarkeit +
Forschungsgruppe ICF Asklepios Klinik Schaufling Schauflinger ICF-Brief 2004, Heft 5
Das biopsychosoziale Modell des ICF
Praxisleitfaden ICF der BAR 2007
Das Modell von Aktivität und Teilhabe
Eine Person gilt als funktionell gesund, wenn vor ihrem gesamten Lebenshintergrund
Praxisleitfaden ICF der BAR 2007
Geriatrische Patienten benötigen geeignete
Behandlungskonzepte und geeignete
Strukturen
Rehabilitation und Akutbehandlung müssen parallel
verlaufen
Klinische Strukturen für Geriatrische Patienten
• Geriatrische Akutkrankenhäuser• Geriatrische Rehabilitationskliniken• Geriatrische Tageskliniken
– Ambulante geriatrische Rehabilitation– Mobile ambulante geriatrische Rehabilitation
• Gerontopsychiatrische Kliniken• Gerontopsychiatrische Tageskliniken
Geriatrische Versorgungsstrukturen
2006http://www.kcgeriatrie.de/strukturen_2006.htm
Therapeutisches Team
Angehöriger
Podolog. Fußpflege
Seelsorger
Ernährungsberater
Sozialarbeiter Psychologe
Logopädie
Ergotherapeut
Physiotherapeut
Pflegeperson
Arzt
Patient
•Orthopädie-mechaniker
•Sanitätshaus
•Optiker
•Hörgeräteakustiker
•Ambulante Dienste
Besonderheiten der Zielsetzung in der Geriatrie
Add life
to years!!!
Ärzte
• Erstellen von Rehabilitationsplänen
• Behandlung von Begleiterkrankung
• Diagnostik und Behandlung von Komplikationen
Pflege
• Aktivierend, rehabilitativ– Lagerung– Mobilisation– Chronische Wunden– Inkontinenz– Schluckstörungen– Verwirrtheit– Ernährungsstörungen
Ergotherapie
• ADL-Training• Motorisch
funktionelles Training• Sensomotorisch-
perzeptives Training• Hilfsmittelversorgung
ADL-Training
Physiotherapie
• Kraft und Ausdauer• Mobilität• Treppensteigen• Beweglichkeit
Realistische und alltagsrelevante Ziele
Therapieaufbau
• Alltagsnähe des Übungsprogramms• gleiche Abläufe in Pflege und Therapie• Überlastung vermeiden!• Sicherheit (Sturz!) hat einen hohen
Stellenwert• Hilfsmitteleinsatz (Mobilität, Sicherheit,
soziale Kontakte, Entlastung der Angehörigen)
• Definition der Ziele in Absprache mit dem Patienten und den Angehörigen
Auswahl geeigneter Räume bei Angst
Gehen
Runge, 1998
Gehen: eine Systemleistung
visuellesvestibuläres Feedbackerlerntes zentrales
Programm
somatosensorischesFeedback
spatio-visuelleWahrnehmung
zentrale und dezentraleTonuskontrolle
Körperwahrnehmungpsychische
BalanceMuskelstärkeund Ausdauer
ausreichendeGelenkbeweglichkeit
PosturaleKontrolle
Koordination
Galley PM, Forster AL. Balance. In: Human Movement. Sydney: Churchill and Livingstone; 1985
Besonderheiten bei kognitiven Einschränkungen
• Aufbauende Therapie häufig nicht möglich• Automatisierung von Bewegungsabläufen• Erwerb von Alltagskompetenz• Sicherheit hat Vorrang• Anleitung und Einbeziehung von Angehörigen• Schmerzreduktion• Kontrakturprophylaxe• Hilfsmittelverordnung muß den Fähigkeiten und
individuellen Gegebenheiten angepaßt sein
Logopädie• Diagnostik und Therapie
von – Sprachstörungen
(Aphasien)– Sprechstörungen
(Dysarthrophonien)– Stimmstörungen
(Dysphonien)– Kau- und
Schluckstörungen– Fazialisparesen
Neuropsychologie
• Diagnostik und Therapie von – Wahrnehmungsstörung
en– Kognitiven Störungen– Störungen von
Aufmerksamkeit und Konzentration
– Störungen der exekutiven Funktioenn
Sozialdienst
• Beratung und Vermittlung von Hilfsangeboten
• Hilfe bei Antragsformalitäten– Pflegegesetz– Betreuungsverfahren– SChwerbehindertenrecht
Teamarbeit
• Abgleich der Diagnostik (Assessment)
• Abgleich der Therapieziele
• Abgleich von Beobachtungen
• Abgleich des Rehabilitationsplans
Für Rehabilitation ist man nie zu alt
Das Alter ist nicht trübe, weil darin unsere Freuden, sondern weil unsere Hoffnungen aufhören. Jean Paul, Titan
Nicht die Jahre in unserem Leben zählen,sondern das Leben in unseren Jahren zählt. Adlai E. Stevenson
Illustr. Geschichte der Medizin Digib Bib. 53
Der Dichter Vergil, Ludger Tom Ringk d.Ä., Westf. Landesmuseum