43
Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus Dresel Lehrstuhl Psychologie der Universität Augsburg Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe „Bildung im Zeichen kultureller und sprachlicher Heterogenität - Herausforderungen für Forschung und Praxis“ des Promotionskollegs „Heterogenität und Bildungserfolg“ am 8. Juni 2011

Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

  • Upload
    dohanh

  • View
    215

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Mehr als Kompetenz:

Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der

Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n

Markus DreselLehrstuhl Psychologie der Universität Augsburg

Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe „Bildung im Zeichen kultureller und sprachlicher Heterogenität - Herausforderungen für Forschung und Praxis“ des Promotionskollegs „Heterogenität und Bildungserfolg“ am 8. Juni 2011

Page 2: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Übersicht

• Geschlechts- und herkunftsassoziierte Disparitäten im schulischen Bereich

• Modellvorstellungen zu deren Erklärung

• Ergebnisse von mehreren Studien:

• Studien 1 und 2: Klassen- und Schulunterschiede im Ausmaß von Geschlechtsunterschieden bei Leistung und Motivation

• Studie 3: Zur Bedeutung von Unterricht und Schulklasse für die Koppelung von Herkunft und Schulleistung

• Studie 4: Zum Einfluss der Eltern bei der Entwicklung geschlechterdisparater Lernmotivationen

• Studie 5: Herkunft und elterliche motivationale Praxis

• Offene Fragen und Ausblick

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 2 |

Page 3: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Geschlechts- und herkunftsassoziierte Disparitäten im

schulischen Bereich

Modellvorstellungen zu deren Erklärung

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 3 |

Page 4: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Ergebnisse PISA 2003: Geschlechtsunterschiede in der Schulleistung

Mathematische Kompetenz Lesekompetenz

OECD-Durchschnitt d=0.11 zugunsten Jungen d=0.35 zugunsten Mädchen

Deutschland d=0.09 zugunsten Jungen d=0.39 zugunsten Mädchen

Schwankungs-

bereich

d=0.26 (Korea)

d=-0.17 (Island)

d=0.61 (Island)

d=0.21 (Japan)

Quelle: Zimmer, Burba & Rost (2004); s. auch. Stanat & Kunter (2001, 2003) zu PISA 2000

Page 5: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Geschlechterdifferenzielle Beteiligung an Bildungsangeboten

77,7%

77,5%

76,7%

60,6%

51,0%

42,2%

41,9%

18,4%

12,8%

7,6%

0% 50% 100%

Erziehungswiss./Pädagogik (44190)

Psychologie (31564)

Germanistik/Deutsch (86133)

Medizin (Allg.-Medizin) (80499)

Mathematik (47223)

Wirtschaftswissenschaften (65182)

Chemie (31328)

Physik (30466)

Informatik (70561)

Elektrotechnik/Elektronik (51464) Frauenanteile in 10 ausgewählten Massen-Studienfächern, Studierende gesamt in Klammern (Deutschland gesamt, WS 2006/07)Quelle: Statistisches Bundesamt

Page 6: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Geschlechtsunterschiede

• Mädchen erbringen im MINT-Bereich schlechtere Leistungen als Jungen und beteiligen sich seltener an entsprechenden Bildungsangeboten (zsf. Ziegler, Heller, Schober & Dresel, 2003).

• (Vermeintliche) Begabungsunterschiede können dies nicht erklären (zsf. Dresel, Heller, Schober, Ziegler, 2001).

• Vorerfahrungs- und Vorwissensunterschiede im MINT-Bereich erklären die Leistungsunterschiede nicht (z.B. Dresel, Ziegler, Heller & Broome, 1998).

• Erheblich höhere Raten erlernter Hilflosigkeit bei Mädchen in MINT-Fächern spätestens ab Beginn der Sekundarstufe (z.B. Ziegler, Dresel & Schober, 2000)

• Alle schulischen Leistungsbereiche: Insbesondere bei fähigkeitsbezogenen Motivationskomponenten bestehen Geschlechtsunterschiede zu Ungunsten von Mädchen (obwohl sie teilweise bessere Schulleistungen erbringen)

• Zur Erklärung kommen vor allem differenzielle Sozialisationserfahrungen in Frage (zsf. Beerman, Heller & Menacher, 1992).

Page 7: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Herkunftsassoziierte Schulleistungsdisparitäten:Ergebnisse aus IGLU 2006 (Bos et al., 2007)

Page 8: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 8 |

Herkunftsassoziierte Disparitäten bei der Schulleistung und beim Bildungserfolg

• Schulische Leistung steht mit Migrationshintergrund in negativem und mit Sozioökonomischem Status (SES) in positivem Zusammenhang

• Disparitäten verschiedener Ordnung (z.B. Arnold et al., 2007) :

• Primäre Disparitäten in der Schulleistung (erfasst via Test) nach Kontrolle kognitiver Lernvoraussetzungen

• Sekundäre Disparitäten in der Leistungsbewertung (Notenvergabe) , der Zuweisung zu Bildungsgängen (Schullaufbahnempfehlungen) sowie der tatsächlichen Wahl von Bildungsgängen (Schullaufbahnentscheidungen von Eltern)

• Erklärungsmodelle zielen auf Umwelt- und Sozialisationsbedingungen in Familie (z.B. kulturelle und kommunikative Praxis) und Schule (z.B. Schulstruktur) → können aber die Disparitäten bei Weitem nicht vollständig erklären

Page 9: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Modellvorstellungen zur Bedeutung motivationaler Faktoren bei der Entstehung von Bildungsdisparitäten

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 9 |

Page 10: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Modellvorstellungen zur Lern- und Leistungsmotivation: Modell von Eccles et al. (1983; vereinfacht)

Page 11: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Rahmenmodell der Lern- und Leistungsmotivation (Dresel & Lämmle, 2011)

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 11 |

Page 12: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Studie 1:

Klassen- und Schulunterschiede im Ausmaß von

Geschlechtsunterschieden

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 12 |

Page 13: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Klassen- und Schulunterschiede im Ausmaß von Geschlechtsunterschieden (Dresel, Stöger & Ziegler, 2006)

Fragestellungen:

• In welchem Ausmaß bestehen Geschlechtsunterschiede bei der Schulleistung und der Leistungsmotivation?

• In welchem Maße unterscheiden sich Schulklassen und Schulen im Ausmaß der Geschlechterdiskrepanzen hinsichtlich Schulleistung und Leistungsmotivation?

• Von welchen strukturellen Faktoren hängt die Stärke der Geschlechterdiskrepanzen in Klassen und Schulen ab?

Stichprobe und Maße:

• N = 9.118 Schüler(innen) der 5. bis 10. JGS

• 498 Klassen an 54 Schulen (HS, RS, GYM)

• Leistungsbewertungen und Leistungsaspirationen in Mathematik, Deutsch und der ersten Fremdsprache

Page 14: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Sozialisationsinstanz Schulklasse

• Lehrkräfte haben häufig geschlechtsspezifische Erwartungen und Überzeugungen: „Jungen lernen effektiver und sind generell begabter als Mädchen“ (z.B. Heller et al., 2000; Rustemeyer, 1999)

• Geschlechtsspezifische Interaktionsstile zwischen Lehrkräften und Schüler(inne)n (zsf. Jones & Dindia, 2004):

• insgesamt mehr Interaktionen mit Jungen

• mehr negative, aber nicht mehr positive Interaktionen mit Jungen

• Geschlechtsbezogene Überzeugungen und Wertesysteme von Mitschüler(inne)n (vgl. Wang, Haertel & Walberg, 1990)

• Interaktion zwischen Mädchen und Jungen bedeutsam für Entstehung und Aufrechterhaltung von Geschlechtsunterschieden (z.B. Hannover & Kessels, 2002)

• In Unterrichtsmedien finden sich nach wie vor traditionelle Geschlechtsrollenstereotype (Finsterwald & Ziegler, 2006)

Page 15: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Klassen- und Schulunterschiede im Ausmaß von Geschlechtsunterschieden

• Unterschiedliche Ausprägungen geschlechtsspezifischer Erwartungen, Überzeugungen, Interaktionen, Darstellungen

• Abhängigkeit von strukturellen Merkmalen:

• Geschlechterverteilung: Mildeeffekt gegenüber Minderheit vs. normative Funktion der Mehrheit

• Klassengröße: Große Klassen → Stress für Lehrkraft → stärkerer Rückgriff auf Stereotype (vgl. Bessenoff & Frost, 1998)

• Jahrgangsstufe: temporaler Schereneffekt (vgl. Tiedemann & Faber, 1994; Trautner et al., 1998)

• Schulform: vertikaler Schereneffekt (vgl. Lesekompetenz von Jungen auf unteren Kompetenzstufen in PISA 2003; Zimmer et al., 2004)

• „Geschlechtsegalitäre“ vs. besonders „geschlechtsdiskriminative“ Klassen/Schulen?

Page 16: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Durchschnittliche Geschlechtsunterschiede(nach Kontrolle von Jahrgangsstufe und Schulform)

-0,15

0,42

0,17

-0,25

0,13

-0,01

-0,60

-0,40

-0,20

0,00

0,20

0,40

0,60

Mathematik Deutsch ErsteFremdsprache

Leistungsbewertung

Leistungsaspirationen

Unterschiede zugunsten von

Mädchen

Unterschiede zugunsten von

Jungen

Page 17: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Klassenunterschiede im Ausmaß von Geschlechterdiskrepanzen bei Leistungsbewertungen (LB) und Leistungsaspirationen (LA)

π1jk

ErsteMathematik Deutsch Fremdsprache

LB LA

–0.40

–0.20

0.00

0.20

0.40

0.60

0.80LB LA LB LA

50%

25%

75%

95%

5%

Unterschiede zugunsten

von Mädchen

Unterschiede zugunsten

von Jungen

Page 18: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Geschlechterdiskrepanzen in Klassen: Weitere Ergebnisse

• Temporale Schereneffekte: Die Geschlechterdiskrepanzen sind mit zunehmender Jahrgangsstufe stärker ausgeprägt

• Es existieren auch vertikale Schereneffekte, wonach Geschlechtsunterschiede in der Hauptschule stärker ausgeprägt sind als in anderen Schulformen

• Darüber hinaus keine substanziellen Unterschiede zwischen Schulen

• Die Geschlechterverteilung in der Klasse und die Klassengröße haben keinen Einfluss auf das Ausmaß der Geschlechterdiskrepanzen

• Auch nach Kontrolle dieser strukturellen Merkmale bleiben substanzielle

Klassenunterschiede im Ausmaß der Geschlechterdiskrepanzen bei Schulleistung und Lernmotivation bestehen

Page 19: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Studie 2:

Unterschiede zwischen Schulklassen in der Ausprägung

von Geschlechtsunterschieden bei der Lernmotivation

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 19 |

Page 20: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Unterschiede zwischen Schulklassen in der Ausprägung von Geschlechtsunterschieden bei der Lernmotivation(Dresel, Benbow & Praetorius, in prep.)

Fragestellungen:

• In welchem Ausmaß bestehen Geschlechtsunterschiede bei der Schulleistung und der Leistungsmotivation?

• In welchem Maße unterscheiden sich Schulklassen und Schulen im Ausmaß der Geschlechterdiskrepanzen hinsichtlich Schulleistung und Leistungsmotivation?

• Können Klassenunterschiede in der Stärke von Geschlechtsunterschieden durch das motivationale Klima in der Klasse (Klassenzielstruktur) erklärt werden?

Stichprobe und Maße:

• N = 820 Schüler(innen) der 7. JGS am Gymnasium (Schulfach Mathematik)

• 43 koeduaktiven Klassen

• Umfassende Operationalisierung der individuellen Lern- und Leistungsmotivation sowie der Schulleistung

Page 21: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Unterschiede zwischen Schulklassen in der Ausprägung von Geschlechtsunterschieden bei der Lernmotivation(Dresel, Benbow & Praetorius, in prep.)

Bars represent 25%-percentil, median and 75%-percen til of the distribution of classrooms

Page 22: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Unterschiede zwischen Schulklassen in der Ausprägung von Geschlechtsunterschieden bei der Lernmotivation(Dresel, Benbow & Praetorius, in prep.)

Page 23: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Studie 3:

Zur Bedeutung von Unterricht und Schulklasse

für die Koppelung von Herkunft und Schulleistung

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 23 |

Page 24: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 24 |

Bedeutung Unterricht/Schulklasse für die Koppelung von Herkunft und Schulleistung(Dresel, Martschinke, Kopp, Kröner & Berner, revise & resubmit)

Fragestellungen:

• Unterscheiden sich Schulklassen in der Stärke der Koppelung von kultureller Herkunft (Familiensprache) und sozialer Herkunft (SES) an die Schulleistung (Testleistung, Lehrkraftbewertungen)?

• Variiert die Stärke der Koppelung von Schulleistung und Herkunft mit …

• … strukturellen Merkmalen von Schulklassen (Anteil Schüler(innen) mit nicht-deutscher Familiensprache, mittlerer sozioökonomischer Status)?

• … prozessualen Merkmalen des Unterrichts (Bezugsnormorientierung der Lehrkraft, Fehlerklima)?

Methode:

• 40 Klassen der 3. JGS (18 Klassen) und 4. JGS (22 Klassen)

• 885 Schüler(innen), 28.4% nicht-deutsche Familiensprache, 52.4% Mädchen

• Fach Deutsch in der Grundschule, zwei MZP im Abstand von 3 Monaten

Page 25: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 25 |

Durchschnittliche Herkunftseffekte

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

DeutscheFamiliensprache

FamilienspracheAnwerbelandGastarbeiter

AndereFamiliensprache

Standardisierter Schulleistungstest

Lehrkraftbewertung (Zensur rekodiert)

z-Werte

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

10 20 30 40 50 60 70 80 90

Sozioökonomischer Status der Eltern (HISEI)

Standardisierter Schulleistungstest

Lehrkraftbewertung (Zensur rekodiert)z-Werte

Page 26: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 26 |

Klassenspezifische Ausprägungen herkunftsbedingter Disparitäten

Dargestellt sind Verteilungen der klassenspezifischen Koeffizienten der Regression von Schulleistung auf Herkunftsmerkmale in N = 40 Klassen.

Page 27: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 27 |

Effekte von Klassenstrukturmerkmalen

• Anteil Schüler(innen) mit nicht-deutscher Familiensprache hat schwach bis moderat negative Effekte auf die Niveaus der Lehrkraftbewertung und der Testleistung (beide p<.01)

• Keine Effekte des mittleren sozioökonomischen Status auf das Leistungsniveau

• Keine Effekte von strukturellen Merkmalen auf das klassenspezifische Ausmaß von Leistungsdisparitäten

Page 28: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 28 |

Moderation des klassenspezifischen Zusammenhangs zwischen Familiensprache und Schulleistung durch die individuelle Bezugsnormorientierung der Lehrkraft

IBNO = M - 2s

IBNO = M - s

IBNO = M

IBNO = M + s

IBNO = M + 2s

-1.5

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

Deutsche Familiensprache Familiensprache eines ehema ligenAnwerbelands für Gastarbeiter

Lehrkraftbewertung(Zensur rekodiert, z-Werte)

IBNO = M - 2s

IBNO = M - s

IBNO = M

IBNO = M + s

IBNO = M + 2s

-1.5

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

Deutsche Familiensprache Familiensprache eines ehema ligenAnwerbelands für Gastarbeiter

Standardisierter Schulleistungstest(z-Werte)

Page 29: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 29 |

Moderation des klassenspezifischen Zusammenhangs zwischen SES und Schulleistung durch die individuelle Bezugsnormorientierung der Lehrkraft

-1.5

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

10 20 30 40 50 60 70 80 90

Sozioökonomischer Status der Eltern (HISEI)

IBNO = M + 2s

IBNO = M + s

IBNO = M

IBNO = M - s

IBNO = M - 2s

Lehrkraftbewertung(Zensur rekodiert, z-Werte)

-1.5

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0

10 20 30 40 50 60 70 80 90

Sozioökonomischer Status der Eltern (HISEI)

Standardisierter Schulleistungstest(z-Werte)

Page 30: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 30 |

Zusammenfassung

• Schulklassen unterscheiden sich im Hinblick auf die in ihnen bestehenden Disparitäten bei der Schulleistung

• Strukturelle Klassenmerkmale erklärten nicht das Ausmaß der herkunftsassoziierten Leistungsdisparitäten

• Prozessmerkmale des Unterrichts: Starke individuelle Bezugsnormorientierung der Lehrkraft war mit schwachen Leistungsdisparitäten assoziiert

• Weitere Forschung nötig, um Rolle von Lehrkräften, Schulklassen und Unterricht bei der Genese, Aufrechterhaltung und Reduktion von herkunftsassoziierten Leistungsdisparitäten aufzuklären

Page 31: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Studie 4:

Zum Einfluss der Eltern bei der Entwicklung

geschlechterdisparater Lernmotivationen

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 31 |

Page 32: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Einfluss der Eltern bei der Entwicklung geschlechterdisparater Lernmotivationen (Dresel, Schober & Ziegler, 2007)

Fragestellungen:

• In welchem Ausmaß sind lern- und fähigkeitsbezogene Geschlechtsrollenstereotype im Denken von Eltern vorhanden?

• Welche Auswirkungen haben elterliche Geschlechtsrollenstereotype auf ihre Kinder?

• Welche psychologischen Prozesse sind für die Übertragung geschlechtsbezogener Überzeugungen verantwortlich?

Methode:

• N = 351 Schüler(innen) der 5. und 7. JGS und deren Eltern

• Schulfach Mathematik

• Zwei Messzeitpunkte im Verlauf eines Schuljahres

Page 33: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Fähigkeitsüberzeugungen und Ursachenerklärungen von Eltern

1 2 3 4 5 6

Fähigkeitsüberzeugung***

Erfolg Fähigkeit+

Erfolg Anstrengung*

Erfolg Extern***

Misserfolg Fähigkeit

Misserfolg Anstrengung*

Misserfolg Extern*Eltern von JungenEltern von Mädchen

d=0.40

d=0.15

d=0.27

d=-0.34

d=0.11

d=0.25

d=0.23

Page 34: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Ausmaß von Geschlechtsrollenstereotypen im Denken von Eltern

• 30% führten Leistungsunterschiede im mathematisch-naturwissenschaftlich-technischen Bereich zwischen Schülerinnen und Schülern auf anlagebedingte Unterschiede zurück

• 51% der Eltern waren der Überzeugung, dass mehr als die Hälfte der mathematisch begabten Kinder Jungen sind

• 63% der Eltern antworteten bei einer Sortieraufgabe zur Studienfacheignung gemäß gängiger Stereotype

• 48% der Eltern erfüllten zwei dieser drei Kriterien eines geschlechtsbezogenen Konservatismus

Page 35: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Auswirkungen elterlicher Geschlechtsrollenstereotypeauf ihre Kinder

3,5

4,0

4,5

5,0

prog

ress

ivko

nser

vativ

prog

ress

ivko

nser

vativ

prog

ress

ivko

nser

vativ

MädchenJungen

Geschlechtskonservatismus der Eltern

FähigkeitsüberzeugungEltern

Fähigkeitsselbstkonzept Schüler(innen)t1 t2

.14

.73

.48 1.06

.50 .88

.12

.46

.27

.31

.12

.26

.58

.58

.39

Page 36: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Einfluss der Eltern bei der Entwicklung geschlechterdisparater Lernmotivationen (Dresel, Schober & Ziegler, 2007)

Zusammenfassung:

• Beträchtlicher Anteil an Geschlechtsrollenstereotypen bei Eltern

• Kontrastive Wirkung:

• Pygmalion-Effekt bei Jungen

• Golem-Effekt bei Mädchen: Sie leiden unter geschlechtskonservativem Denken ihrer Eltern

• Übertragung über das Fähigkeitsselbstkonzept der Schüler(innen) mediiert

Page 37: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Studie 5:

Herkunft und elterliche motivationale Praxis

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 37 |

Page 38: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Herkunft und elterliche motivationale Praxis(Berner & Dresel, 2011)

Fragestellungen:

• Variiert die Motivation von Schülern in Abhängigkeit von der Herkunft?

• Variiert in motivationale Praxis von Eltern in Abhängigkeit von der Herkunft?

Methode:

• 334 Schüler(innen) der 4. Jahrgangsstufe aus 25 Klassen

• 277 Elternteile

• N =275 Eltern-Kind Paare

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 38 |

Page 39: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Herkunftsunterschiede Schülermotivation

1

2

3

4

5

6

Lernzie

l

Perform

anzzie

l Ännäheru

ng

Perform

anzzie

l Verm

eidung

akademisc

hes Selb

stkonze

pt**

impliz

te F

ähigkeits

theorie

intri

nsisch

er Wert

persönlic

he Bedeuts

amkeit*

inst

rum

entelle

r Wert

Erfolg

serw

artung+

Hilflo

sigkeit*

Leistungsa

ngst*

ohne Migrationshintergrund

mit Migrationshintergrund

Page 40: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Elterliche motivationale Praxis in Abhängigkeit von der Herkunft

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 40 |

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

niedriger SES hoher SES

Autonomieunterstützende

Instruktion

kein Migrationshintergrund Migrationshintergrund

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

niedriger SES hoher SES

Ergebnisdirektive Instruktion

kein Migrationshintergrund Migrationshintergrund

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

niedriger SES hoher SES

Emotionale Unterstützung

kein Migrationshintergrund Migrationshintergrund

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

niedriger SES hoher SES

Wert schulischen

Lernens und Leistens

kein Migrationshintergrund Migrationshintergrund

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

niedriger SES hoher SES

Lernziele

kein Migrationshintergrund Migrationshintergrund

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

niedriger SES hoher SES

Performanzziele

kein Migrationshintergrund Migrationshintergrund

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

niedriger SES hoher SES

Fähigkeitseinschätzung Kind

kein Migrationshintergrund Migrationshintergrund

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0

niedriger SES hoher SES

Erfolgserwartung

kein Migrationshintergrund Migrationshintergrund

Effekte nach Kontrolle der Vorleistung

Page 41: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Offene Fragen und Ausblick

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 41 |

Page 42: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

Einige der offenen Fragen und Ausblick

• Unterricht als Moderator von Disparitäten:

• Welche spezifischen instruktionalen Praktiken von Lehrkräften begrenzen oder verstärken Leistungsdisparitäten? (z.B. Umgang mit Fehlern)

• Zusammenspiel Struktur- und Prozessmerkmale des Unterrichts?

• → Promotionsprojekt Steuer

• Familie/Eltern als Moderator von Disparitäten:

• (inkrementelle) Prädiktionskraft der motivationalen Praxis von Eltern?

• Längsschnittliche Aufklärung des Beitrags der motivationalen Praxis von Eltern zur Entstehung von Leistungsdisparitäten?

• → Promotionsprojekt Berner

• Erklärung Geschlechtsunterschiede im sprachlichen Bereich?

• Interkation Geschlecht x Herkunft?

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 42 |

Page 43: Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf ... · Mehr als Kompetenz: Sozialisationseinflüsse auf Disparitäten bei der Motivation und der Leistung von Schüler(inne)n Markus

| Steuer, Berner & Dresel | Unterricht, Herkunft, Schulleistung | Folie 43 |

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Kontakt:

Prof. Dr. Markus Dresel

Lehrstuhl PsychologieUniversität Augsburg

Universitätsstr. 1086135 Augsburg

Fon: +49 (821) 598-5605

E-Mail: [email protected]: www.uni-augsburg.de/psy/