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Mensch und Yolk der Groflstadt Von Hans Peters, Berlin Die zahlroiohen Probleme, ~ d~s Leben .in eler Gro~stadt vom Stand- punkt des Ein~elnen ~und des Volksganzen aufwirft, einmal mit wissen- schaftlicher Unvoreingenommenheit nach den verschiedenSten RiChtungen bin behandott zu haben, list das besondere Verdi,east dor 1939 ersch~nenon Untersuchung Professor He llpachs iiber ,,,Me, oh und Volk der Grofl- stadt"l). Nivht Weh- ,un4 Anklagen, kein Aburtoilen un.d keine W, iedergabe bto&er ,,Ei~driicke" enth~lt d~ese ~iuflerst les,enswerte Schrift, sond'ern sie geht mit wii~aschenswerter Griin41ichke~t und oin, er Ganzh~itsschau, wie sie dem Ver%a~ser eig~m ist, an die erwiesenen Tats,achen heran, scheidet s.ie yon blolten Hypot~sen ~md Vermutungen und z~igt auf Grund wiss~n- schaftlhicher ]~in~ichten Vor- und Naoht~i,le der .Gro~stfi~lte sowie die An s~itze zur Behebung od.er doch Milderu~g der Fehler. 'N~cht yon vorge- faliter, unsach.lich.er Abnoigu~g g~gen ~die GrolL~tadt und alldem, was dem nai~ven, .groi~stadtfremden L~ien ~u~r allzu gel~iu~i.ges, iiberkommenes Ge- da~k.~ngut i,sg, geht Verf~sser aus, s(m4ern von klavsn, niichternen, mit ~inwandfreien Unter.la~en b~legten Feststollungon, .(tie Schwarzes schwarz, aber auoh Helles hel.1 sehen 1,assen. Dadurch .lei,s¢et er tier Wissenschaft -- und zw~r als Ganzem, ,nicht near einzel,nen W, iss~nschaftszweigen -- einen Dien~t. Veffasser ~eht aus yon ~er PToblemat',i,k d~r Grol~stadt (iber- ha.upt. Einerseits Mittelpunkte politischer und geistiger ,Bedeutung, die gro~e Bewegu,ngen .in der Geschic.hte hervorgerufen haben, ,anderseits be- vSlkerungspo.litische Gefahrenherde er.ster Klasse, miissen .die Grollst~idte ga.nz anders alu bisher dn d, en ~ittelpu~akt d.er Fors~h~ng ~estellt werden, sind .do~h etwa 30% ~nsever de~tsche~ Volksgenosse~ genStigt, ..in GrolL stfidt~n zu wohnen. Ge~ade wer dieses Grofistadtdasein als volksbedrohlich beurteilt, kann s~lche aulteror4ent~iche BevSlk~rung~tuoten -- in England und U, SA. s'i~l sie sogar noch hSher -- .unmSgiich dhrem Schicksal iiber- lass~n wol'len. Also gilt es zun~chst, di, e Groflstadt wi,ss,enschaftlich zu er- griinden. Wissens~h, aft~iche Forschung bot 4ie Grundiage (iafiir, al£oin in de~ l,etzte~ 50 J~ah~n eine durchsch~ittl~cl~e Lebensverl~n~erung der Men- schen um 20 Jahre trotz des Anwach,sens der Grofiutiidbe und trotz des Aufschwungs der Industrie h, erbe~ufiihren. Sollte ~icht auoh die GrolL stadtforsch~ung iiberraschende Er~ebx~i~sse z.eitigen kSnaen? Hellprach bedight mit ,d~r Typik (Anthropologie, Konsiiitubions- kund,e) der ,C~rol~stadgbevSll~e~ung (S. 7 bis 35), st~llt daneben die P.s y c h o- physik des Groik~tadtdasei~s (S. 36 b~ 67) u~,d die 'Sozialpsycho- log ie un, d Charakterologie (t~s Gro~st~lters (S. 68 his 114). Ab- e) V, erl,ag F. Enke, Stuttgart. XII und 139 S. RM 5,80, geb. 7,40. Zeitschr. f. lqational~konomie, X. Bd., 2. H. 20

Mensch und Volk der Großstadt

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Page 1: Mensch und Volk der Großstadt

Mensch und Yolk der Groflstadt Von Hans Peters, Berlin

Die zahlroiohen Probleme, ~ d~s Leben .in eler Gro~stadt vom Stand- punkt des Ein~elnen ~und des Volksganzen aufwirft, einmal mit wissen- schaftlicher Unvoreingenommenheit nach den verschiedenSten RiChtungen bin behandott zu haben, list das besondere Verdi,east dor 1939 ersch~nenon Untersuchung Professor He l l p a c h s iiber ,,,Me, oh und Volk der Grofl- stadt"l).

Nivht Weh- ,un4 Anklagen, kein Aburtoilen un.d keine W, iedergabe bto&er ,,Ei~driicke" enth~lt d~ese ~iuflerst les,enswerte Schrift, sond'ern sie geht mit wii~aschenswerter Griin41ichke~t und oin, er Ganzh~itsschau, wie sie dem Ver%a~ser eig~m ist, an die e r w i e s e n e n Tats, achen heran, scheidet s.ie yon blolten Hypo t~sen ~md Vermutungen und z~igt auf Grund wiss~n- schaftlhicher ]~in~ichten Vor- und Naoht~i,le der .Gro~stfi~lte sowie die An s~itze zur Behebung od.er doch Milderu~g der Fehler. 'N~cht yon vorge- faliter, unsach.lich.er Abnoigu~g g~gen ~die GrolL~tadt und alldem, was dem nai~ven, .groi~stadtfremden L~ien ~u~r allzu gel~iu~i.ges, iiberkommenes Ge- da~k.~ngut i,sg, geht Verf~sser aus, s(m4ern von klavsn, niichternen, mit ~inwandfreien Unter.la~en b~legten Feststollungon, .(tie Schwarzes schwarz, aber auoh Helles hel.1 sehen 1,assen. Dadurch .lei,s¢et er tier Wissenschaft - - und zw~r als Ganzem, ,nicht near einzel,nen W, iss~nschaftszweigen - - einen Dien~t.

Veffasser ~eht aus yon ~er PToblemat ' , i ,k d~r G r o l ~ s t a d t (iber- ha.upt. Einerseits Mittelpunkte politischer und geistiger ,Bedeutung, die gro~e Bewegu, ngen .in der Geschic.hte hervorgerufen haben, ,anderseits be- vSlkerungspo.litische Gefahrenherde er.ster Klasse, miissen .die Grollst~idte ga.nz anders alu bisher dn d, en ~ittelpu~akt d.er Fors~h~ng ~estellt werden, sind .do~h etwa 30% ~nsever de~tsche~ Volksgenosse~ genStigt, ..in GrolL stfidt~n zu wohnen. Ge~ade wer dieses Grofistadtdasein als volksbedrohlich beurteilt, kann s~lche aulteror4ent~iche BevSlk~rung~tuoten - - in England und U, SA. s'i~l sie sogar noch hSher - - .unmSgiich dhrem Schicksal iiber- lass~n wol'len. Also gil t es zun~chst, di, e Groflstadt wi,ss,enschaftlich zu er- griinden. Wissens~h, aft~iche Forschung bot 4ie Grundiage (iafiir, al£oin in de~ l,etzte~ 50 J~ah~n eine durchsch~ittl~cl~e Lebensverl~n~erung der Men- schen um 20 Jahre trotz des Anwach,sens der Grofiutiidbe und trotz des Aufschwungs der Industr ie h, erbe~ufiihren. Sollte ~icht auoh die GrolL stadtforsch~ung iiberraschende Er~ebx~i~sse z.eitigen kSnaen?

H e l l p r a c h bedight mit ,d~r T y p i k (Anthropologie, Konsiiitubions- kund,e) der ,C~rol~stadgbevSll~e~ung (S. 7 bis 35), st~llt daneben die P.s y c h o- p h y s i k des Groik~tadtdasei~s (S. 36 b ~ 67) u~,d die ' S o z i a l p s y c h o - l o g ie un, d C h a r a k t e r o l o g i e (t~s Gro~st~lters (S. 68 his 114). Ab-

e) V, erl,ag F. Enke, Stuttgart. XII und 139 S. RM 5,80, geb. 7,40. Zeitschr. f. lqational~konomie, X. Bd., 2. H . 20

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306 H. Peters .

scl~iei~nd: l egt er zwecks Behebung tier vorgefundenen M~ng~l die S e l b s t . a u s g l e , i c . h e ~ud ctie P f l ~ i c h t z u m E i n g r i f f dar.

In dem Abschrdtt fiber die Typik der Groi~sta~tbevSlkerung geht er den M o t i v e n d c r L a n d f 1 u c h t nach und ,beweist auf :Grtmd zah~reicher, fr~ilich ,immer noch nicht g~niigemi ha~fig~r ]~inz,eluntersuchungen sowi.e aus ~uflerun~en f~hrender M~ne,r, ~ i e B i s m a r c k , da5 nicht Arbeits- unwill igkeit , sondern geraete Ehr$~iz ~nd Arbei tswil l igk~i t d~n Dran.g in die Sta<tt fSrdern, d~l~ zwar etw~ zwei Dritbel his drei Viert~l a l ler schSp- ferischen Me~sche~ der T,a t arts lan@liclmr Umwelt, ,abet ebenso v i~ele schSpferische Menschen ~er W ~ s s e n s c h a f t , K ~ n ~ t , P h : i l o s o p h i e , Re- l i g i o n u n d T e c h n i k st~l,tisaher Herktmft s ind. H c l l p a c h kommt zu dem iiberrascheuden, aber begrii.ndetvn S6h l~ , ,,dal~ fiir alas Land selber in der St~dtschou der Untiich~g~n ~i~e grSfiere C~fahr l iegt ,als i~ der Landscheu d~r Tiichtigen" (S. 20).

Nicht minder bedeuts~m aind die Ergebnisse l~insichtli~h der kSrper- 1.ichen Merkmale der Gro~sta~ltbev~lkerung. Di,e St~idter i ibertreffen an K S r p e r l ~ n g . e ~ie Landbewohn~r um vin w.e~n'iges; auc~ ,di~e K o p f f o r m weist im Durchschn, i t t eine kleine Verschied, enh~it auf, und die H a u t - f a r b e der Stadtbev~lkeru~g ist - - unbe~hade t der d~rch d~e Wi t te rung herbe~ef t ihr ten t ieferen Br~une des Landmannes - - du~kle.r. Erkl~ivungen fiir di~se Tutsachen fehlen. Der Landmensch albert fr i iher als tier Stadter, w~hr~nd umgekehrt die all,er~Itesten Menschen dn der Hauptsache Land- bewohner sind. I)a Physisches und Psychisches Hand ~n Han~l g~hen, is t es durchaus niCht unwahrsche~nlich, da5 d.en psyc,hischen Eigenheiten des Stadtbewohners physische entsprechen. Es muff neoh ergr i indet wet- den, was es mit dem A n d e r s w e r d e n des ,Menschen in der Stadt ~uf sioh hat, w.elche Kr~ifbe wirksam werd~n, ob si~e a~sgeschaltet oder ob Gegen- kr~fbe ~ingeschaltet werden kS~nen. Was m a c h t die Grol~stadt uus jedem, d er ~in ihr lebt?

In dean Kapitel fiber P s y c h o p h y ~ i k d,es G r o t ~ s t a d t d , a s e i n s legt der Verfasser zun~chst oin~g,~ Grttndwahrhei~en der Erbbi~logie, ins- beson~tere hinsichtlich der Anlage und d~s Standorts eines Lebewesens, dar, um sich ,alsdann beson~ers in~eressanten Ausfilhrung.en iiber ,d, as ' S t a d t - k l . i m ~ zuzuwend~n. Die Geosph~re, d,i.e bo~enna~he Luftschicht, we.ist ,zwi- sohen Stadt und Land die st~rksten Unterschiede .a~f. Das Stadtklima ist reiz~irmer als das des La~d~s; es is t licht~rmer. Der Grol~st~lter e m p f ~ g t iibor~ri.egend Schatt(mst~ahl,ung. Die vSl~ige Vernichttmg .des kurz~el,l.igen Energieabsch~it tes ,der S t rahl~ng b~deutet ein.e Ve~rschiebung des Stadt- kl imas zur Fsychologi~chen Er regbarke i t hin. I )er G r o ~ s t a d t b o d e n kSnnte inf~lge d.er Bodenentriickungen und -verkiins~el,ungen gleichfalls ganz aul~.eror(ientl~che W, i rkungsfaktoren ,auf den Or~a~i,smus des Grott- s tadters enthalten; £tie Meteo,robiologie des Mens~h,e~a steht h'ier noch vor ganz n,eu~n Problemen. Ob die in der Stadt herbeigefiihrbe W a c h s t u m s - b e s c h l e u n i g u n g ein Vorzug crier ~in Nachbeil ~ist, ,ist noch nicht er- wiesen; ]edenfalls besteht sic. Ern~hrungslage, Kleidu~g, tier 'Bettluft- kSrper im Schlaf sowie Gifbe (Schlafmittel, Auspuffgase der Treibstoff- verbrennungen) iiben zw~if~llos gl~ich~alls ihron ~in}lul~ .aus. Aueh worin der Grund eider festgestel l ten V e r f . r i i h u n g ,der G e ~ c h l e c h t s r e i f e beim Stadtmenschen Hogt, ~ist noch unbekam~t. Tatsac]~ ~edenf~Us ist,~ dal~ das mit t lere A'lter d~r erst~n Monatsblntung ftir d~e wedbliche dSrfliche BevSlkerung auf 16,4 J~hre, fiir kleinbiirgerl4che S t~ te r seh ich ten a~f 14,1 und fiir die wohlhabenden ,st~lti~ch~n 0berschichben 'auf 1'2,9 Jahre be-

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rech,net ist. Fiir das m~nnl~iche ~ l s e h t mangelt es noch an geniigend umfasse~den Untersuch~mg~n. Nach der Mein~ang H e 11 p a c h s dtirfte fiir dieso Verfrtihung der Lichtent~ug der Grolistadt vera~twortl~ch sein. Jeden- falls ,ist d:ie Reifebeschleunig~mg tier St~ltboviilkerung a u c h fur die Ge- schlechtsreife srund, s~tzt~ch erw~iesen.

Der dritte Absohnitt ~ber S o z d ~ l p s y c h o l o g i e u n d C h a r a k t e r o - l o g i e de s @ r o l ~ s t ~ d t e r s br ingt eine Monge neuer Erlvenntnisse uald noeh mehr Anregun~en. T e m p o u n d Re: i~zsamke~t des Gro£st~dtors erseheine~ - - ~ c h t nur von aul~en ge~etmn - - bosonders charakte~istisch und ergeben sieh notwenelig aus der Lebensform ~os Grol~st~dters. ,,Wet nieht wach, ,raseh und scharf beobachtet, kommt unter die R~ler." Die Beobaohhmgsweiso kann d~her n~cJat ~ief und ,inn4g sein. Es t~itt aide mitmenschl~che Entfremdung ~in. Die Slaaunung in der grolk~t~kltischen Sozialpsyche, d, ie in der ,Gegensatzformel d~r son stmlle~ V:i,~ilanz bed emo- tionater Indifferenz tiegt, 1,iefert die ,,K~ltsohnauzigkoit" des Grol~stiidters. All das braucht man kvi~eswegs m~r nega~iv zu wert~n. Was dem GrolL stadter an eng~u Frerand~ct~aften, 'an Anh~in$1~chkoit, Piet~t usw. abgeht, was seinem Gemiit mangelt, das ersetzt er 5urvh raschere Auffassungs- gabe, fl~nkere Assoz,iativit~t; be~ ibm spielen eine ~iel geringere Rolle Verwandtenf~ei~dsehaften, Naehbarn~id, KI,atscl~sucht a~ch ge~enfi, ber be- freundeten M itmenschen, M~il~trauen usw. Nivell~i,eru~g ~st eine una~asbleib- liche Folge des Groltst~dtdaseins w ie jeder V e r m a s s ~ g ; .daftlr bliiht attar in de,r Gro~stadt ein Sub]ektivismus, wie ihn ¢las Doff nicht kennt. Der einzelne ist ~in der Grofl,sbadt ~nendl,ieh e insam auf sich sel,bst angewiesen; er ,ist frei, er (yon zah~reiclmn Be~i~afl~ssun~en ur~d Bewertungen durch s~ine ~itmensch.en). All da~ hat ~uch nicht nur wieder Naohteile: Der Gesieh~skr~is wird weiter, der Grolk~tiidt~r ~st meis£ wertv~rttrteilsloser fiir fremde Lei, stung, v_n, abhi~ngiger yon Herkunft, Stand, ,Besitzform :usw.

Die heftigste Zerrt i t t~ng ,in tier Groli,sta~ttbev61kerung ,l~gt in d e r V e r f l i i c h t i , g u n g des Z , e u g u n g s w , i l l e n ~ . Es ist Tgtsa6he, daft die Geburteat~ahl mit dem Wacl~sta~m .der Staxitbevtil,kerung sinkt. ]~s ist ei,n Verdienst H e l l p a c h s , wenn er mit ,Gegenbeweisan (tie bi~herige soge- nannte ,,Erkliirung" .d4oses Zustandes bek~tmpft, wonach, alas Vergniigungs- leben des Gro~stadtmensohen, eine unsi-ttliehe Beq~eml~ehkeit u. ~thnl. den Grund hierfiir enth,~lten ,sollen. Am ~tiirlcsten z~igt sich ~ie U, nlust am Kinde weder ~in den begiiterten Schieh~e~ noch ~n ~,er Here der Grofl- stad.tbevtilkerung, boi denen diese M~ngel am ~hosten ,a~aftret~n miil~ten, son,tern ~n der strebsamen Kleinleute~ch~cht, im gut~n ~M, ittelstand. Es mangelt ~uoh aivht an tier Z e u g u n g s k r a f t , s~ndern am -wtl, lon. Dieser aber 'is t gel~nkt durch einaeitig r~tion~le Erw~gung~e~. Di,e gering~ Kin- derz,ahl wi~d ~eitt~in al,s vermeint~ioh~s ,C~ebot holler Verantwor¢liehkeit fiir d, ie Na~hkommen und svhl'iohter ~Sermmft angesehen. Der Ehrgeiz, d.er ein a~s~epr~gt notwon&~ger Trieh des Stgdters ~ist und der will, da]~ die Kiader ~a~d Enkel es besser haben sollen als ,di,e Eltern, ~ow~e d~s Sich,er- heitsb~diirfni,s fiihren ~ur Geburtenbesehriinkung, ~icht Vergmtl, gungssucht oder Verweiohl.iehamg. ~Iit Recht wedst H e l , l p a e h d,a~a~f hin, dal~ ~ie Grol~stadt ~ihr,e M, onscl~on h i i r t e t , wenn ,auch ~a~dens als ,5as Land, da sie sie ganz anders auf sich ,all.in ~stel~lt. Auch ~ e r 5ie GroBstadt innerlieh abtehnt, aber ei~ige Jahre seiner Jugend als Gewe~betreibend~r, Kiinstler, SehriftsteUer usw. alert verbraeht hat, mag gewiihnl~ieh diese Er~iohungs- zeit nieht m4~sen, ge~ade w~il er hier ei~e St~ihl~ng seines Charakters und ei~en Drang zur Selbstbehauptung emp~angen hat.

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308 H. Peters:

Der Beitr~g z~ur groltstad.~ischen A~sb~i . ld~ng d e r V o l k . s u m - g a n g s s p r a e h e br ingt Anreg~angen ftir die Philologen, die hier ein uoch wegig beackertes Feld fiir w.ichtige Untersuehungen der Spmohe finden, wie .Die w.irkl'ieh lebt. Die Be<le~tung der Grol~'st~dte getable ~fir die Spraeh- ein.hei.t ~st nicht z~a un, tersch~tze~. Trotz ,d~r Zu.sammenwtirfelung 4er 'Men- schen hat sich aber ~i,n jeder Grolt'stadt der unverk,ennbare Spreghklang tier Heimai~land.s~haft (vgl. z.B. KSln, Hamburg, Wi~n) ,ert~alten. Der Oar- penter-Effekt, die Ansteck~ng,skr.a~t aller Verhal$onsweisen, spielt ftir die Spraehblld~ag ,in tier Grol~stadt ,ei~e groite Rolle.

Wtihrend n~ieh pers6nlieh tier Unter.abschnitt tiber .d, ie g r o B s t ti d t i- s c h e n G a u s c h ~ t i g e wenig fiber~eugt hat un~d mi,r d~e dort beigebmchten Argumente zu welt hergeholt ,sehe, inen, so ist .aber sieher kenn~eichnend, was Verfasser i.n dem ,dann folgen, d, on Tell fiber N a t u r v,e r k ii m m,e r u n g u,nd B i l d u n g s t i b e r w ~ c h e r u n g sagt. Die ~be r s t~ge rung tier ratio- nal:en Lern,bereitsehaft .sow, ie des intel.lek~u.aListische und zugleich senti- mentaliseke Natu~goffih.1 4es Gro~st~dters sind in ,der Tat et~a~akteri- stisch, freil'ieh nicht nur, w~i,l man alles E~denklqiohe k~nnen mull , um 4en Da~ei~skampf zu besteh.en, uomiorn w,eil ,der GroItst~dter ,allzu l.eieht die Wurzeln ~eden ,'Menschentums vert~iert und u.i~h man .an 'a~dern Real.it~ten anl~l.ammert. Mit l~echt we~st l~ier H e l l p a c h sowahl auf ,die J(ulterung B o o k e r W a s h i n g t o n s in der Inschrift tiber edner Tisehler~achsekule h.in: ,,Hier sollen n4~ht ,Men.schen zu Tischlern, sondern Tischler zu Men- sehe~ gemaeht werden" (S. 112) als ,auch au~ .den Wei~Cbl~iek eines G r u n d t - "vig, des SchSpfers der vi,elberufenen d~aischen Volkshoehschulen, die dieter ~icht a~ff blol~es Lernen nfitzlicher Kenntnis~e, son4ern ~auf rel'igiSse Grun4-1age ,stellte. H e l ~ p a c h erwahnt h,i,er m~it Recht ,&ie .Gefuhr einer yon der Groiistadt her entstandene~ Verflaoh~ng und Verk~ampfung im gesamten m~dernen B~il&ungswesen.

Ftir den P r a k t S k e r ~beAeutsam ist aus dem Sehlufi~usblick <let Him weis auf die ,Selbstkorrekturen: yon ,der Frau her, die infolge der viilligen Trennung ,des hti~s.l~ichen ~r, ir.ku'n~skr,~i~es yon dem d~s Manaes i.hre na- tiirl~che Steltun.g im Volksorganismus wie4er erhtilt; ferner vom Sport sow, i,e veto Kleing.art~nwesen l~er. Bedenklicher sei .4emgegentiber die yon man,hen ,beftirwortete, aber auch uonst drohende Ve~stadte~ung des Landvolk, s.

Ffir Sen T h e o r e t i k e r ,ergeben sieh &ie mann~gfalti~sten Perspek- tiv.en yon den verschiedenen Wi~sse~schaften her: yon (ter ~eopol~tik, So- zialpsychologie, P,sycho.logie, Psyehoteetmik, Meteorol(~g,ie, K.~imatolog,i,e, Physhk, Technologie, Ern~hrungspsychologie, M.eSiz,in und Hygiene, Ethno- logie, Volkskun~e, Li,ngu4sfii.k, So~iologie, Statistik, NationulSkonomie, ~en, ealo~ie u~d He~al,di,k. Sio alle - - u~d v.ielleieht noeh .a~,dere v.er- gessene - - haben a n 5er Groltstadtwissensctmft n~itzuarbei~en, die ftir He 11 p a c h le~igl~iv~ ~ine ~em(~i~,same Them[astell~ng, ,nioht .eine neue Wissenschaft bedeuten ~soll. Aber nu t mit s t r e ~ r Wiss.en, schuftsh.al£ung - - ~ieht mit Dorfromantik oder Grofistadtsnobbismus ~ ka, nn etwas er- reicht w.e~den u~d ohn'e Sch~ieleu darau~, ob diesos od,er j.enes Er~ebnis ,ira A~g.enbl, ick wi,llkomme~ oder praktiseh verwertbar ist.

In 4er ~at, H e l l p a c h hat mit vorl'iegon.der Schrift einen hochbedeut- sam on Bedtrag im ,Sin~e 4er Schaffung einer Gro]~sta~ltwissen~chaft ge- leisi~t und mit umspannead, em Weitblick eine FtiIle yon Anregun, gen ge- geben. Man miiehte hoffen, daft sieh dar.aus viele t~i~azelu~tersuchu~gen im Ber~ieh d, er einzel~en W~sseImehaft~n ergeben. Won~ heute wiet yon der neuen R a u m o r d n u n g 4ie Rode ,ist, so ,soltte man dv.b~i die wissenschaft-

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~e~sch und Vol~k der Gro~stadt 309

liche Betra~htung der Grot~tadt ~icht auI~er Acht lessen. D u s v or- l i e , g e n d e W e r k f S r d e r t u n m i t t e l b a r d i e R a u m f o r s c h u n g .

Eine der merkwiird, igerweise g~inzlich tmge~an~t gebliebenen, ,,ver- g e ~ n e n " Wissenschaften, ~tie ein ge~iohtig, es Wort mitzureden hiitten, i~t die V e r w a l t u n g s w ' i s s e , n s c h a f t . Ihr l~ber~hen. ]m t die se sich viel- leicht selbst zuz~tschr~iben, w~il sie sich ~in den ,letzten Jabrzehnten selbst vergessen und allzu ,atmsehldel~l~ich ,a~ff ~as V, erwultungs r e c h t konzeutriert hat. Weite Teile ,des vorliegenden B~ches ~sind seradezu B esta~dteil der Verwalttmgsw.issenschaft, :i~so~ern ~als sie maflgebende ,Gesichtspunkte fiir d, ie Gesta~ttmg cler Verwalttmffsaufg~b~n der groflst~ti~ch.on BehSr~en z.ur Verfiig~ng zu stel, len h~t. Der Verw~Itungsmmm, 4er d'~e Grofis~adt leitet und .an dem Wohlerg~hen ,ihrer Bev611~emtng und an ihrer Ausdehnung oder Zuriickdriingung zugunsben ,des Landes nTit~u~rbeiten hat, mu~ al.s a.ltererster ihre WesensolenTente, i.h.re Vor- und Nachteil~ kennen. Nicht die Spez~ialfragen tier F.i~nz~eru~ng e,i~zelner komm~nuler A, uf~aben, der Volk~fiirsor~e, ,der Verkehrspol,itik a. ~dgl. diirfen ,s~ine H~aupttiit~gke,it in Anspvuch nehmen, sondern seine Arbeit mug ~ich .stets grol~en Gesichts- punkten einor~, en. N, ieht devon, d.afi er zuf~ill~g ~i~ einer Grol~stadt oder auf dem Laurie s~ne T~i.tig.k~it a~siib~ soll seine Arbei.t ctie l~itenden Ge- sicht~p~nkt~ erhalten, son.d~rn ]eder V,erw~tt~ng~aohm,ann m~tfi sich h, eute mit der Problem,ati~ ,der Grofi.stadt a~ein~nders~tzem Dabei dtirfen aicht all die zahlraichen, von He~l lpach ~ l absurdum gefiihrten sentimentalen Neigtmge~ m, afigebend s~in, ,sondern die 2~atsachen, zu deren Aufhel.lung H e l l p a e h m~t vorli, egender Sehrift v~el beigetr~gen hat. Die Ergebni,sse der H e l l p a c h s c h e n Arbeit gehSren daher auch z~m Bestand der V.er- waltung.swi~s~ens chart.

Aber um~k,ehrt so,l.lten ~uch tier Verfasser w,ie tier W;issenschaftler i iberh~tpt nicht d, ie sch~pferische Kraft der Ve.rwaltung ,am Grof~stadt- mensvhen iibersehen. Man d.arf b~i Ergri indung des Wesens des Groll,stadt- vo~lks n,icht nur den ~enschen als Ind,ividual- ~der Sozi~ltyp, ~ozusage,n naturwissensvhaftl'ich, betrachte.n. Aueh von der mo&ernen Groflst~dt- v e r w a. 1 t u n g her ergeben sieh mancheeieJ d~s Groflstadtvolk gestaltende Gesi~htsp~nkte, ~ie bei H e l l p a c h unter den T~isch f~Uen. .So sehr icb selbst mieh wiederholt gogen iibertriebene ]~ingemoindtmgen liteParisch ausgesprochen babe, so ,l'.~efert .aber doeh ger~de das ,Ei~n~emeindungspro- blem und seine Beha~dl.ung im Gosetz w.ie ;in ,cter friiher.on und jetzigen Verwaltungspraxis mancherlei Beaehtliches zun~dhst zur ~ c h o ~ g uu.d zum Wach, stum der Gro~stadte, durra aber auch zumbWerden des Groflstadtmen- schen. Arzt und Naturforscher si~d allzu leicht gen,eigt. Verwaltungsentschei- du~,gen als etwas A~flerliches oder g.ar den Dingen Fremdartiges oder um- gek.ehrt nur als Selbstverstandliches anz~sehen und ihren sch6pferischen Wert zu verkennon. Sie werden damit .~edo~h der W.irklichkeit nieht gereeht.

Verwaltungsmai~n~hme~ werden von Personen, d, ie der Verwaltung fremd ffeg~niibersteh~n, allzuoft rei~ verwalt~ngstechni~ch betrachtet. Wie entsch~idend sin.d aber etwa die LSrmng der Verkehrsfragen, des S'ied- tungsged~anke~s, der ~t~ktteba~l'iehen Probtome, pol,iz.eiliehe ~al~nahmen, die Scht~tverw~lt~u~g, ~a selbst die Steaterpol.itik mitt.elbar, wenn '~i~ht gur manehmal sogar unm'ittelbar auf ,die GesValtu~g ,des C~rofistadtmensehen. Es mag d.aher gerade d~m V~rwaltungsw.issonsehaftler <ti,e .abschliefien,de Fest~tellung gestattet sein, ,da~ sich ,d,ureh H e l l p , a e h s Werk auch fiir d,ie von Jhm ~elbst nicht weiter gewiircligte Verw.~ttung eine Fii, tle ueuer Anreg~n.ffen ergibt, die noch der :systemati:schvn A,usw, ertung h.arren.