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(Aus dem Anatomischen Institut der Univcrsitiit Sofia. -- Vorstand: Prof. I. SC~APSCm~L.) Mesenterium commune mit Lageanomalie des: Diinndarms und normalerLage des Kolons (Hernia mesenterico-parietalis dextra). Von Dr. J. DRECHSEL. Mit 4 Textabbildungen. (Eingegangen am 19. Oktober 1929.) Unter dem Namen ,,Hernia mesenterico-parietalis dextra" haben EISLER und ~-~SC~ER 1 innerhalb der reichhaltigen Sammelgruppe der auf Drehungs- fehlern beruhenden Lageanomalien des Darmes ein charakteristisches Situsbild abgegrenzt. Es besteht darin, dab die Flexura duodeno-jejunalis und ein an- schlieBendes, mehr oder weniger langes Verlatffssttick des Jejunums in der rechten, start in der linken Kolonnische liegen und daselbst zwischen das ffei gebliebene ,,Mesocolon ascendens" und die Hinterwand eingeklemmt erscheinen. Aus der EISLER-FISOH]~schen Zusammenstellung yon 12 F~llen (darunter ein eigener) geht hervor, daG auch innerhalb dieses Situsbildes noch mancherlei Schwankungen vorkommen. Ein besonderes Interesse haben in neuerer Zeit jene F~lle gewonnen, bei denen Coecum und Colon ascendens trotz der Lageanomalie der Flexura duo- deno-jejunalis und der ersten Jejunumschlingen ihre normale Endlage erreicht haben. Sie sind, wie schon P~,RNKOP~ wiederholt unter Hinweis auf den zuletzt ver6ffentlichten Fall HAUSC~ILDS 3 betont hat, schwer mit der yon W. VoG~ und anderen vorgetragenen Drehungsmechanik des Darmes zu vereinbaren, da nach dieser Lehre fiir das Zustandekommen eines normalen Kolonsitus gerade ein Naehschub durch typisch gelagerte Diinndarmschlingen erforderlich ist. Die grund- s~tzliche Bedeutung dieser Frage rechtfertigt wohl die im folgenden gegebene Beschreibung eines neuen Falles yon Hernia mesenterico-parietalis und dessen kausalanalytische Bctrachtung, zumal die Erkl~rung, die ttAVSCHrLD zuletzt diesem Situs gegeben hat, kaum aufrechtzuerhalten ist. 1. Beschreibung des Falles. Es handelt sich um die Leiche eines 35j~thrigen Mannes (Bulgare), der laut Angabe der behandelnden Universit~tsklinik an Tbc. pulmonum gestorben war. Die KSrpermal3e liegen in den gewShnlichen Grenzen, KSrperl~inge: 175 cm, Rumpfl~nge (yon der Grenze zwischen 7. Halswirbel und 1. Brustwirbel zur Grenze zwischen 5. Kreuzwirbel und 1. Steil~wirbel): 64 cm.

Mesenterium commune mit Lageanomalie des Dünndarms und normaler Lage des Kolons (Hernia mesenterico-parietalis dextra)

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Page 1: Mesenterium commune mit Lageanomalie des Dünndarms und normaler Lage des Kolons (Hernia mesenterico-parietalis dextra)

(Aus dem Anatomischen Institut der Univcrsitiit Sofia. - - Vorstand: Prof. I. SC~APSCm~L.)

Mesenterium commune mit Lageanomalie des: Diinndarms und normalerLage des Kolons (Hernia mesenterico-parietalis dextra).

Von

Dr. J. DRECHSEL.

Mit 4 Textabbildungen.

(Eingegangen am 19. Oktober 1929.)

Unter dem Namen ,,Hernia mesenterico-parietalis dext ra" haben EISLER und ~-~SC~ER 1 innerhalb der reichhaltigen Sammelgruppe der auf Drehungs- fehlern beruhenden Lageanomalien des Darmes ein charakteristisches Situsbild abgegrenzt. Es besteht darin, dab die Flexura duodeno-jejunalis und ein an- schlieBendes, mehr oder weniger langes Verlatffssttick des Je junums in der rechten, s tar t in der linken Kolonnische liegen und daselbst zwischen das ffei gebliebene ,,Mesocolon ascendens" und die Hinterwand eingeklemmt erscheinen. Aus der EISLER-FISOH]~schen Zusammenstellung yon 12 F~llen (darunter ein eigener) geht hervor, daG auch innerhalb dieses Situsbildes noch mancherlei Schwankungen vorkommen. Ein besonderes Interesse haben in neuerer Zeit jene F~lle gewonnen, bei denen Coecum und Colon ascendens trotz der Lageanomalie der Flexura duo- deno-jejunalis und der ersten Jejunumschlingen ihre normale Endlage erreicht haben. Sie sind, wie schon P~,RNKOP~ wiederholt unter Hinweis auf den zuletzt ver6ffentlichten Fall HAUSC~ILDS 3 betont hat, schwer mit der yon W. VoG~ und anderen vorgetragenen Drehungsmechanik des Darmes zu vereinbaren, da nach dieser Lehre fiir das Zustandekommen eines normalen Kolonsitus gerade ein Naehschub durch typisch gelagerte Diinndarmschlingen erforderlich ist. Die grund- s~tzliche Bedeutung dieser Frage rechtfertigt wohl die im folgenden gegebene Beschreibung eines neuen Falles yon Hernia mesenterico-parietalis und dessen kausalanalytische Bctrachtung, zumal die Erkl~rung, die ttAVSCHrLD zuletzt diesem Situs gegeben hat, kaum aufrechtzuerhalten ist.

1. Beschreibung des Falles.

Es handelt sich um die Leiche eines 35j~thrigen Mannes (Bulgare), der laut Angabe der behandelnden Universit~tsklinik an Tbc. pulmonum gestorben war.

Die KSrpermal3e liegen in den gewShnlichen Grenzen, KSrperl~inge: 175 cm, Rumpfl~nge (yon der Grenze zwischen 7. Halswirbel und 1. Brustwirbel zur Grenze zwischen 5. Kreuzwirbel und 1. Steil~wirbel): 64 cm.

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J. D~ECr~S~L: ~IeSenterium commune mit Lagcanomalie dcs Di]nndarms, 645

Die Untersuchung der BrusthShlenorgane bestKtigt die klinische Diagnose. Abgesehen von den durch den KrankheitsprozeI~ an der Lunge bedingten Ver- wachsungen, 1/il3t sich in der BrusthShle, besonders auch beziiglich der Lage des Herzens und der grol3en Gef~Be, nichts Ungew~hnliches feststellen. Das Zwereh- fell hat normalen Stand.

Verhalten der Baucheingeweide. Die BauchhShle bietet uuf den ersten Blick nichts Auffs Die Leber ist

wie gewShnlieh gelagert und zeigt weder in ihrer Lappung, noch in der Anordnung ihrer Blutgef'~Be etwas Abnormes. Nur an ihrer Oberfl~iche sind einige gegen die Gallenbluse hin konvergierende Einziehungsrinnen zu bemerken, die auf abge- laufener Choleeystitis mit starker Sehrumpfung des Gallenblasenfundus beruhen. Das Collum vesieae felleae erscheint im Gegenteil stark aufgetrieben; es enthiilt einen haselnul3grol~en Gallenstein. Der Ductus cysticus ist in das entziindlich ver~nderte Gewebe des Collum einbezogen. Er verl/~uft daher teilweise atypisch. Dagegen sind Ductus hepaticus und Ductus choledochus gegenfiber den Leber- gefs und der P o r t a hepatis normal gelagert.

Milz und Nieren zeigen nach Lage und Form keinerlei Abweichung von der Norm.

Der Magen hat Angelhakenform. Er ist etwas erweitert. Sein Fornix berfihrt fast die linke Zwerchfellkuppe, sein Pylorus, mit deutlich fiihlbarer Vulvula, liegt vor der Mitre des ersten Lendenwirbelk6rpers. Die Befestigungsweise des Magens an der Leber und am Zwerchfell (Omentum minus) entsprieht dem gewShnlichen Befunde.

Der Dickdarm (vgl. Abb. 1) beginnt mit einem in der rechten Fossa iliaca ge- legenen, bewegliehen Coecum, an welches ein gleichfalls nicht mit der Hinterwand verwachsenes, jedoeh normal gelagertes Colon ascendens anschliefit. Die Appen- dix is~ 4 em lung und miindet an gewShnlicher Stelle in das Coecum ein. Zwischen einer die untere Leberfl/iche berfihrenden reehten und einer hoch ins linke Hypo- chondrium emporgeschobencn linken Flexur h/s das Colon transversum an bre~tem Mesocolon girlandenf6rmig fast bis zur Nabelh6he herab. Das anhaftende Omentum ma]us zeigt keine entziindlichen Ver/~nderungen. Auch das Colon des- cendens liegt an gew6hnlicher Stelle und bietet nichts Abnormes. Das Colon sig- moideum bildet an Stelle einer Pars pelvina einen kranialw/irts auslaufenden Bogen, der sich hinter dem Diinndarmpakete und finks der WirbelsS, ule bis zur H6he des 3. Lendenwirbels erstreckt und an verhMtnism/~l~ig sehmalem Mesosigmoideum in dieser Lage fixiert Jst. Rectum o .B. Der Diekdarm zeigt also, yon der Form des Colon .sigmoideum und yon der mangelnden Fixierung des Coeeums und des Colon ascendens abgesehen, im ganzen eine normale Anordnung.

Anders der Diinndarm. Die ])iinndarmschlingen nehmen zwar, wie gew6hn- lieh, den lnnerhalb des Kolonrahmens und vor dem Colon sigmoideum freibleiben- den Raum ein; doch fiillt das Jejunum, entgegen dem normalen Befunde, die reehte Kolomfisehe aus, w/~hrend das Ileum tells vor das Jejunum, tells vor den Sigmoid- bogen, also in die mittlere und linke Bauehgegend zu liegen kommt. In Abb. 1 ist diese~Verteilung (vergleiche den Text unter der Abbildung) nur ann~hernd zu erkennen. Das kleine Becken ist frei yon Diinndarmschlingen. Der ~bergang

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646 J. DRECt{SEL: Mesenterium commune mit Lageanomalie des Diinndarms

des Ileums in das Coecum erfolgt in der rechten Fossa iliaea yon links her, wobei das Endstiick des Ileums das aus der rechten Kolonnische hervortretende Jejunum ventral iiberkreuzt.

Interessant ist die Form des Duodenums (Abb. 1 und 2). Die Pars superior duodeni ist 3 em lang. Sic verl~uft vom Pylorus aus leicht aufsteigend yon links

Abb. 1. Darmsi~;ns dos Falles. Lcbcr, MiIz, Magcn und ein St(ick des Colon t ra i l sversum ra i l Mesocolon sind e~t- fernt. Ferner is t - naeh Aalegung querer Ent las tungsschni t te am Mesenterium commune -- das gesamte Dfinn- da rmkonvo lu t caudalw~trts gezogen. Die linke Kolonnische erseheint daher in der Abb i ldung leer, wiihrend sic

in situ, ebenso wie die rechte, vol ls tSndig yon Diinndarmschl ingen ausgeffillt war.

nach reehts und gleichzeitig etwas nach hinten, indem sie sich der Vena portae, der Arteria hepatica und dem Duc~us choledochus yon vorne auflagert. An der reehten Seite des ersten Lendenwirbels angelangt, setzt sie sieh unter spitzwinke- liger Umbiegung (Flexura duodeni superior) in die Pars descendens fort. Diese ist 9 cm lang. Sie steigt vor dem medialen Rande der reehten Niere in nach links oftener Kurve caudalw/irts und gelangt bis zur HShe der zwischen 3. und 4. Lenden- wirbel gelegenen Zwischenwirbelscheibe. Hier geht sie mit scharfer Abknickung

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nach vorn und nach rechts in die in der rechten Kolonnischc gelegene erste Jejunum- schlinge fiber. Die Pars descendens duodeni wird an der Grenze zwischen mitt- lerem und unterem Drittel yon der quer verlaufenden Radix mesocolonis trans- versi fiberkreuzt. Die oberen zwei Drittel sind daher zwischen Pankreaskopf und Flexura coli dextra frei sichtbar. Dagegen ist das untere Drittel nicht nur hinter dem Mesocolon transversum, sondern, wie sich naeh dessen Abtrennung zeigt, noch hinter einer zweiten Mesenterialplatte (Abb. 1) verborgen, auf deren Be- schreibung ich weiter unten zuriickkommen werde. Die Vorderfl/iche der Pars descendens duodeni ist links teilweise vom Pankreaskopfe fiberlagert. Der Duetus choledochus zieht fast senkrecht hinter der Pars superior duodeni und dem Pan- kreaskopfe herab und miindet 3 em unterhalb der Flexura superior gemeinsam mit dem Ductus panereaticus in eine der Pars descendens hinten und links auf- sitzende, halbkugelige VorwSlbung ein. An der Innenfl/iche der Duodenumwand entspricht dieser VorwSlbung eine gut ausgebildete Papilla duodeni, die ein ge- r/~umiges Diverticulum Vateri birgt. Ein Ductus pancreaticus accessorius war nicht zu sondieren.

Mit Absieht babe ieh das Duodenum ausffihrlieher beschrieben, da die Identi- fizierung seiner Verlaufsstiicke bei abnormer Gesamtform in der Literatur wieder- holt zu Meinungsverschiedenheiten Anlal~ gegeben hat. Ich glaube im vorliegen- den Falle darf man das obere, ann~hernd wagrecht und das absteigend verlaufende Stiick des Duodenums unbedenklich als Pars superior bzw. Pars descendens und das winkelfSrmige Verbindungsstfick zwischen beiden als Flexura superior be- zeichnen. Hierffir sprechen sowohl die Form und die Ausmal~e der genannten Ver- laufsstficke, als auch ihre vollkommen normalen Lagebeziehungen zur Nachbar- schaft. Die untere Abknickung (Abb. 2, Fl.) stellt jedoch keine Flexura inferior vor, sondern, wie auch die Gef~i~versorgung (s. u.) lehrt, eine Flexura duodeno- jejunalis, welche die gew5hnliche Linkswanderung nicht ausgeffihrt hat. Das ganze Gebilde w~re demnach als Hemmungsform des Duodenums mit fehlender Pars inferior und fehlender Pars ascendens zu betrachten.

Das Pankreas liegt an gewShnlicher Stelle, ist aber stark verbreitert und yon gedrungener Gestalt. Sein Kopf ist nicht gegeniiber dem KiSrper abgesetzt; Pro- cessus uncinatus und Cauda fehlen.

In beistehender Tabelle habe ich die L~ngenmai~e des Darmes und seiner ein- zelnen Bestandteile zusammengestellt.

M a fltabelle. L~nge cm

Duodenum . . . . . . . . . 12 (20) Diinndarm Jejuno-ileum . . . . . . . . 294 (363)**J 306 (383)

Colon asc. (mit Coecum) . . 21 (19) | Colon transv . . . . . . . . . 38 (58)

Dickdarm* Colon desc . . . . . . . . . 11 (15) 133 (139) Colon sigm . . . . . . . . . 50 (35) Rectum . . . . . . . . . . 13 (12)

* Als Grenzmarken fiir die Unterteilung des Dickdarms sind angenommen: Mitre dcr F1. col. dextra und sinistra, Crista iliaca sinistra und Grenze zwischen zweitem und drittcm Kreuzwirbel.

** Minimum: 228 cm, Maximum: 520 cm.

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648 J. DRECHSEL: Mesenterium commune mit Lageanomalie des Dtinndarms

Wie aus der Tabelle ersichtlich, ist das Duodenum und das Jejuno-ileum um je die H~lfte und der Dickdarm um etwa ein Viertel kfirzer als gew6hnlich.

Beim Duodenum erkl~rt sich das Minus an Li~nge ohne weiteres aus dem Mangel einer Pars inferior und einer Pars ascendens.

Um Klarheit fiber die Ursache der Verkfirzung des Jejuno-ileums zu ge- winnen, babe ich 4 m~nnliche und 3 weibliche Tuberkuloseleichen mit normalem Darmsitus zum Vergleiche herangezogen. Die Leichen waren, ebenso wie die Leiche mit abnormem Darmsitus 24 Stunden nach dem Tode mit einer w~sserigen L6sung von Formalin (5%), Carbols~ure (5%) und Glycerin (2,5%) injiziert und vor Gebraueh mehrere Wochen in 2proz. Carbols~urel6sung aufbewahrt. Die an diesem Vergleichsmaterial erhobenen mittleren L~ngenwerte sind in der Tabelle in Klammern beigefiigt. Sie weichen (siehe die Tabelle) iiberraschcndcrwcise nur wenig yon den entspreehenden Zahlen des Falles ab. Hiernach besteht offenbar kein Grund, die geringe L~nge des Jejuno-ileums in diesem speziellen Falle mit seiner abnormen Lage in Zusammenhang zu bringen. Ich m6chte vielmehr glau- ben, dal~ sie, ebenso wie bei den Vergleichsf~llen im wesentlichen auf einer erst bei der Konservierung entstandenen artifiziellen Kontrakt ion beruht. N immt man als Ausgangsl~nge des nichtkonservierten Jejuno-ileums nicht die Durchschnitts- zahl der Li teratur (650 cm), sondern einen Minimalwert von etwa 450 cm an, wie ich ihn an 9 frischen Leichen (bei einer mitt leren Lhnge yon 607 cm) 3real ge- funden habe, so erg~be sich eine Zusammenziehung um 35 ~ der Ausgangli~nge, ein Betrag, der bei der hohen Konzentrat ion der verwendeten Konservierungsfltissig- keit nich$ ausgeschlossen erscheint.

Die Verkiirzung des Dickdarms dfirfte ebenfalls in der Hauptsache artifizieller Natur sein. Dal~ die L~ngenzahl des Dickdarms trotz der Kfirze des Colon trans- versum ungef~hr mit der Vergleichszahl iibereinstimmt, ist auf die grol~e L~nge des Colon sigmoideum, speziell auf den kranialw~rts aufsteigenden Bogen zuriick- zuffihren, der die Pars pelvina ersetzt.

P e r i t o n e u m .

Was hier vor allem interessiert, ist die Befestigungsweise des Darmes an der Hinterwand. Hierfiber gibt Abb. 1 und 2 Aufschlul~. Das Kolon ist v o n d e r Flexura dextra an wie gewShnlich an der Hinterwand fixiert (vgl. die entsprechen- den Verwachsungsfelder in Abb. 2), w~hrend Coecum und Colon ascendens, wie schon erw~hnt, nicht mit der Hinterwand verwachsen sind. Das Colon ascendens ist s ta t t dessen mit der naheliegenden Endschlinge des I leums durch eine gemein- same Mesenterialplatte verbunden, die sich nach links hin ohne Grenze in das Mesenterium (im engeren Sinne) fortsetzt. Dieses biegt l~ngs einer bogenfSrmig von oben und rechts nach unten und links verlaufenden Umschlagslinie nach hinten und gleichzeitig wieder nach rechts urn, wodurch der abgebogene Anteil mit rechts anhaftendem Je junum hinter den Ileumanteil des Mesenteriums und die gemein- same Mesenterialplatte zu liegen kommt. Das Gesamtmesenterium (Mesenterium c o m m u n e : g e m e i n s a m e Mesenterialplatte-]-Mesenterium im engeren Sinne) erscheint also papiertfitenartig eingerollt und bildet eine Art Faltentasche (Abb. 1), die yon unten und rechts her zug~nglich ist. Das vordere Blat t dieser Faltentasche wird yon der gemeinsamen Mesenterialplatte und dem anschliel~enden Ileum-

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anteile des Mesenteriums, das hintere Blat t vom JejunumanteiIe des Mesenteriums gebildet. Die grSl3te Breite des Mesenterium commune betr/~gt im Bereiche des Jejunumantei les 10 cm, im Bereiche des I leumante i les 14 cm.

In der BauchhOhle liegen die beiden Bl i t te r der Faltentasche entsprechend tier Enge des Raumes und der Zugriehtung der anhaftenden Darmschlingen natiir-

A b b . 2. V e r l a u f d e r H a f t l i n i e n a n d e r H i n t e r w a n d . F 1 . = F l e x u r a d u o d e n o - j e j u n a l i s ; R . m . c. - . R a d i x m e s e n - t e r i i e o m m u n i s ; F1 ~ r e c h t e s V e r w a c h s u n g s l e l d ; F.~ = a t y p i s c h c s V c r w a e h s u n g s f e h l ; A. m. s. -- Q u e r s c h n i t t d e r A r t c r i a m e s e n t e r i c a s u p e r i o r ; A a . ]. = Q u c r s c l m i t t e d e r A r t e r i a e j c j u n a l e s ; A a . i . - - Q u e r s ( ' h n i t t e d e r p r o x i m a l e n

A r t e r i a e i l e ae ; A . c. m. = Q u e r s c h n i t t d e r A r t e r i a coli( 'a m e d i a .

lich nieht wie in Abb. 1 abgebildet, sondern anniihernd frontal und berfihren ein- ander. Die Flexura duodeno-jejunalis und das orale Verlaufsstiick des Je junums erseheinen daher gleichsam zwischen das vordere Blat t der Faltentasche und die Hinterwand der BauchhShle (Peritoneum parietale) eingeklemmt, ein Verhalten, das EISLER und FISCHER veranlal~t hat, diesen Situs als , ,Hernia mesenterico- parietalis (dextra)" zu bezeichnen.

Z e i t s c h r . f. d. ges . A n a t . I . Abt.. B d . :)1. 43

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Vergleicht man Abb. 1 mit Abb. 2, so erkennt man leicht, dab die Wurzellinie der vom Mesenterium commune gebildeten Faltentasche der eigentiimlichen Haken- linie (Abb. 2, R. m. c.) entspricht, die neben der Verwachsungsfl~che der Flexura coli dextra beginnt und an der Flexura duodeno-jejunalis frei endet. Das vor- wiegend wagrechte Verlaufsstfick stellt die Haftlinie der gemeinsamen Mesenterial- platte, das anschlieBende V-fSrmige Verlaufsstiick die Radix mesentcrii (im enge- ren Sinne) vor. Innerhalb dieser ist (vgl. die Gef~Bquerschnitte in Abb. 2) der links V.Schenkel als Wurzellinie des Ileumanteiles und der rechte V-Schenkel als Wurzel- linie des Jejunumantei les des Mesenteriums zu betrachten.

Oberhalb des wagrechten Verlaufsstfickes der Hakenlinie liegt ein kleines Peritonealfeld (Abb. 2, F1) , das rechts yon dcr Verwachsungsfl~che der Flexura coli dextra und oben yon der anschlieBenden Radix mesocolonis transversi be- grenzt ist. Innerhalb dieses Feldes ist die gemcinsame Mesenterialplatte fli~chen- haft mit der Hinterwand verwachsen. Diese Verwachsung entspricht der gewOhn- lichen Verwachsung der Kolonh~lfte des embryonalen NabelschleifengekrSses mit der Hintcrwand im Bereiehe des sog. rechten Verwachsungs/eldes; nur ist sis in diesem Falls infolge der stSrenden Rechtslage des Je junums auf eine schmale Randzone beschr~nkt geblieben. ]:)as Peri toneum des fraglichen Feldes ist daher als sekundi~res Peri toneum parietale anzusehen.

Ein atypisches Verwachsungsfeld (Abb. 2, F~) liegt zwischen den beidcn V- Schenkeln der Radix mesenterii eingeschlossen. Hier verlaufen die zum Mesen- ter ium commune ziehenden proximalen DiinndarmKste der Arteria mcsentcrica superior (s. u.) zuerst eine Strecke welt in der Hinterwand und sind nur ventral vom Peri toneum bedeckt. Da diese GefKBe urspriinglich in ganzer Ausdehnung im freicn GekrSse dcr Nabelschleife verlaufen, kann dieses Verhalten nur darauf beruhen, dab ein dem gcnannten Felde entsprechendes (dreieckiges) Segment dieses GekrSses sekund~r in die Hinterwand einbezogen wurde, was um so leichter geschehen konnte, als keine Pars inferior duodeni im Wege lag. Das Peri toneum des yon den beidcn V-Schenkeln der Radix mesenterii eingeschlossenen Feldcs ist daher gleichfalls als sekund~res Peri toneum parietale zu betrachten.

Blutgef~iBe~ Von den Blutgef~Ben der Bauchh6hle zeigen nur die Vasa mesenterica superi-

oria grOBere Abweichungen. Die Arteria mesenterica superior entspringt in der HShe des ersten Lenden-

wirbelk(irpers vom vorderen Umfange der Aorta abdominalis. Sis verl~uft eine l~ngere Strecke als gewOhnlich in dcr Hinterwand, wodurch auch yon den aus die- ser Gefi~Bstrecke abzweigenden proximalen Dfinndarm~sten je ein kiirzeres odcr l~ngeres Verlaufsstiick in die Hinterwand zu liegen kommt. Dabei sind diese proximalcn Diinndarm'~ste so angeordnet (vgl. Abb. 2 und 3), dab die Arteriae jejunales beim Ober t r i t t in das freie Mesenterium commune den rechten Schenkel und die anschlieBcnden ersten Arteriae ileae den linken Schenkel der V-fSrmigcn Wurzellinie durchsetzen, wKhrend der Stature der Arterie das obere Ende des linken V-Schenkels durchbohrt. Die erste Arteria jcjunalis, die das obere Ende des rechten V-Schenkels durchsetzt, erreicht den Diinndarm knapp aboralw~rts v o n d e r Flexura duodeno-jejunalis mid gibt die Arteria pancreatico-duodenalis

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und normaler Lage des Kolons (Hernia mesenterico-parietalis dextra). 651

inferior (Abb. 3, A. p.-d. i.) ab. Diese zieht zur Flexur selbst und steigt yon hier aus 1/~ngs des linken Randes der Pars descendens duodeni empor. Das an die Flexura duodeni-jejunalis aboralwiirts anschliegende Diinndarmstiick ist daher mit hoher Wahrscheinlichkeit auch seiner Anlage nach als Jejunum und nicht etwa als eine nach rechts abgebogene Pars inferior und Pars ascendens duodeni anzusehen (s. oben Duodenum). Die aus dem bereits im freien Mesenterium commune ge- legenen Verlaufsstfick der Arteria mesenterica superior entspringenden Arteriae iliacae bieten, abgesehen yon der durch die tiitenartige Einrollung des Mesenterium commune bedingten abweichenden Verlaufsrichtung nichts Besonderes.

Der Stammast der Arteria mesenterica superior zieht sich schlieglich in einen Arterienbogen aus, der dem Endstfick des Ileums und dem Colon ascendens ent- lang 1/iuft und welter oben mit einem ab- steigenden Aste der Arteria colica dextra in Verbindung tritt. Eine selbst/indige Arteria ileo-colica ist nicht vorhanden. Die Arteria colica dextra (Abb. 3, A. c. d.) entspringt vom linken Umfang der Ar- teria mesenterica superior, und zwar knapp distal yon deren Durchtrittsstelle durch das obere Ende des linken V- Schenkels der Radix mesenterii. Sie biegt sofort nach rechts ab und verl~uft lfings des oberen Randes der gemein- samen Mesenterialplatte zur Gegend der Flexura coli dextra, in deren N/%he sie den erw~hnten absteigenden Verbin- dungsast entsendet. Einen zweiten Ra- mus anastomoticus sendet sie nach auf- w/~rts, einem Aste der Arteria colica media entgegen. Die Arteria colica media selbst (Abb. 3, A. c. m.) zweigt ebenfalls vom linken Umfang des

A . p . - d . i . ~

~ A.c.d.

Abh..2. Y[,r~istelung der Arteria mcsenterica superior. Dic V-fSrmigc Linic entspr icht der Rad ix mcsenterii . A. p.-d. i. =Ar ter ia pancreatico-duodenalis inferior; A. c. d. = Arteria eoliea dextra; A . c . m . = Arter ia

eoliea media.

Stammgefi~Bes ab, aber noch im Bereich der in der Hinterwand gelegenen Ver- laufsstrecke. Sie tritt (Abb. 2, A. c. m.) durch die Radix mesocolonis transversi in das Mesocolon transversum ein, innerhalb dessen sie sich nach rechts wen- det. Nach links hin anastomosiert sie mit dem Gef/tf~gebiete der Arteria mesen- terica inferior.

Die Vena mesenlerica superior lagert sich mit ihrem Stamme nicht wie ge- wOhnlich rechts neben den Arterienstamm, sondcrn sic bedeckt ihn yon vorne. Ihre Wurzelgef/~13e und die von ihnen gebildeten grobmaschigen Anastomosen zeigen den Arterien gegeniiber das gleiche Verhalten wie im Falle EISLER und FISCHERS. Sie liegen, wenn man das Mesenterium commune mit einem tiitenf6rmig eingerollten Blatte vergleicht, im allgemeinen nach aul3en und nur im Mesenterium der ersten Jejunumschlingen nach innen von den Arterieniistcn.

43*

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652 J. DRECHSEL: Mesenterium commune mit Lageanomalie des Dtinndarms

2. Kausalanalytische Bemerkungen. Der beschriebene Darmsitus beruht auf einem bei der Umlagerung der embryo-

nalen Nabelschleife unterlaufenen Drehungsfehler, wie er sich gew6hnlich einstellt, wenn die Flexura duodeno-jejunalis ihre Linkswanderung nicht ausgefiihrt hat. Das Besondere des Falles liegt darin, dal3 lediglich die Flexura duodeno-jejunalis und e in Tell des Jejuno-ileums verlagert erscheinen, w~ihrend das Kolon seine typische Endlage erreicht hat und nur in der Befestigungsweise yon der Norm abweicht.

Es l~tf~t sich fragen, inwieweit ein solcher Situs mit der yon MALL 5, EISLER- FlSC}IEIr und anderen geforderten und in neuerer Zeit hauptsiichlieh yon W. VOGT ausgearbeiteten Mechanik der embryonalen Darmdrehung vereinbar ist.

Die erste Phase der Darmdrehung besteht im grol3en und ganzen darin, dal3 der Diinndarmschenkel der ursprfinglieh sagittal eingestellten Nabelschleife (Abb. 4, a) sich um ann~ihernd 180 o gegen den Uhrzeiger dreht, w~ihrend der Kolon- schenkel und die Gef~13achse in ihrer Lage verharren. Die beiden Schleifen- schenkel kommen dadurch nebeneinander und unter die Gef~f~achse zu liegen und das NabelschleifengekrSse bildet eine yon unten zug~ngliche Faltentasche (Ab- bildung 4, b). Auf seiten des Duodenums entspricht dieser ersten Drehung die Ausbildung einer Pars superior und einer Pars descendens. Die Flexura duodeno- jejunalis liegt nach Abschlul~ der Drehung rechts der Medianlinie und unterhalb der H6he der Gefiil3achse. Diese Form und relative Lage des Duodenums s t immt mit dem Befunde an der Leiche fiberein. Man daft also wohl annehmen, dab das in Abb. 4, b angedeutete Drehungsstadium auch im vorliegenden Falle vorfiber- gehend verwirklicht und daf3 der Entwicklungsvorgang bis hierhin normal ver- laufen war.

Bei normalem Fortgange der Entwicklung wendet sich nun die Flexura duo- deno-jejunalis unter der Gefi~13achse hindurch nach links und schiebt - - nach der VoGTschen Darstellung - - , ~obald sie die Medianebene fiberschritten hat, das Mesocolon des prim~iren Kolonbogens* vor sich her. So leitet sie die Hebung dieses Bogens und somit auch die Hebung des Kolonschenkels der Nabelschleife ein. Die Flexura coil sinistra wird dann nach VO6T tells durch eigenes Wachstum, teils dutch Eindringen der ersten Jejunumschlingen in die entstehende Nische des Mesokolons ausgebildet und mit der Hinterwand in Beriihrung gebracht. In ~ihn- licher Weise ist nach MALL, EISLER-FISCHER und naeh VOGT auch die Rechts- wendung des Kolonschenkels der Nabelschleife und seine Annaherung an die Hin te rwand in der Hauptsache als passiver Vorgang zu betrachten, der unter der Schubwirkung der nach links verlagerten Diinndarmschlingen vor sich geht.

Auf den vorliegenden Fall l~f~t sich diese Erkl~irungsweise, wenigstens in der yon VOGT pr~izisierten Form einer rSumlich und zeitlich rein abges~immten Drehungsmechanik kaum anwenden; denn es ist hier trotz normaler Endlage des Kolons einerseits die Flexura duodeno-jejunalis nicht nach links gewandert und andererseits muBte die Entwicklung der ersten Jejunumschlingen in der rechten s ta t t in der linken Bauchhalfte die l~echtsverlagerung des Kolons und seine An-

* Als primiirer Kolonbogen wird das an die Nabelschleife anschlieBende, leicht dorsal- w~irts gekriimmte Kolonstiick bezeichnet.

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m a d n o r m a l e r L a g e d e s K o l o n s ( H e r n i a m e s e n t e r i e o - p a r i e l a l i s d e x t r a ) , . . 6 5 ~

Abb. 4a, b, c und d. Sclwmatis~.he Darstcllun~: der zur Erkliirung des Falles angenommcnen abnorlnen ~Nabcl- sehleifendrehung. ])as :Kolon ist in der ]~'orm ge~eichnet, wie es sich bcim Erwachscncn finder. (Dic Figurcn

sind den yon FREDET lllld ]~RAI'S-VOGT gebrau(thten ])rehung~sehemen naehgebihh, t.)

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654 J, D~Ecns~L: Mesen$erium commune mR Lageanomalie des I)iinndarms

n~herung an die Hinterwand eher hemmen als fSrdern. Es liegt nahe, die Er- hebung der Flexura coli sinistra und die normale Rechtswendung des Kolon- schenkols trotz Rechtsbleibens der Flexura duodeno-jejunalis und des Jejunum- anfanges aus der Sehubwirkung des iibrigen Dfinndarmkonvolutes an Stelle der ersten Jejunumsehlingen und der Flexura duodeno-jejunalis abzuleiten. Dies hat aueh VooT sehon zur Erkl~rung des yon HAUSCHILD ver6ffentlichten ~hnlichen Situsbefundes getan. Aber dutch eine solche Annahme wird gerade die strenge Gesetzm~Bigkeit der yon VOGT geforderten normalen Drehungs- mechanik in Frage gestellt. Die beschriebene Situsanomalie scheint also die yon B~AVS 6 und neuerdings yon P~.R~KOPF gegen die vorwiegend mechanisehe Erkl~rung der Nabelschleifendrehung erhobenen :Bedenken zu best~itigen. Die l~rage, ob das Kolon seine normale Endlage aus inneren, in der Anlage schon vorbereiteten Riehtlinien allein erreichen kann, oder ob es dazu eines 5uBeren l~aehsehubes bedarf, ist, wie sehon BleArs betont hat, streng genommen sehlieB- lich nur dureh das Experiment an geeigneten Versuehstieren zu entseheiden. Solange dies nieht geschehen ist, laBt sich natiirlich nur mit Vorbehalt behaupten, dab das Kolon seine normale Lage im vorliegenden Falle einem Naehschube etwa durch aborale Jejunum- oder durch Ileumschlingen verdankt.

In welcher Weise die Hebung und Rechtswendung des Kolonsehenkels der Nabelsehleife bei gestSrter Linksverlagerung des Dtinndarmsehenkels sieh am Nabelschleifengekr6se geltend maeht, ist in Abb. 4, c und d veransehaulicht. Dot Vorgang, der mit gleiehzeitiger Senkung des Seheitels der Nabelschleife einher- geht, l~uft schematisch gesprochen, auf eine , ,Wendung" der bei der ersten Drehnng entstandenen Faltentasche hinaus. Die friiher yon unten zug~ngliche Faltentasche (Abb. 4, b) des NabelsehleifengekrSses wird allm~hlich (Abb. 4, c und d) in eine yon rechts und unten zug~ngliche Faltentasche umgewandelt, wie sie an der Leiehe zu beobaehten war. Im AnschluB an diese Umwandlung findet wohl aueh jene teilweise Einheziehung des l~abelschleifengekr6ses und der Mesen- terialgef~Be in die ]=Iinterwand start, vonde r weiter oben die Rede war. Mit Riick- sicht auf diesen Vorgang ist das obere Ende der Gef~Baehse in Abb. 4, b und c ober- halb, in Abb. 4, d un~erhalb der Flexura duodeno-jejunalis eingezeichnet.

In diesem Zusammenhange w~re auch der atypischen Form des Pankreas, speziell des Mangels eines Processus uncinatus zu gedenken. Der Processus un- einatus entsteh~ naeh EISLER und FISCHER dadurch, dab die Flexura duodeno- jejunalis auf ihrer Wanderung unter der Gef~Baehse der Nabelschleife hindurch naeh links, einen Tell des Pankreaskopfes um die Gef~Bachse herumbiegt. Hier- nach w~re es begreifHch, dab er im vorliegenden Falle, wo die Wanderung ausge- blieben ist, fehlt. Aber auch wenn man mit t'F,R~KOPr das Vorhandensein eines solchen Bildungsmeehanismus bezweifelt, wird man zugeben miissen, dab die un- gew6hnliehe Gesamtform des Pankreas mittelbar oder unmittelbar mit der Hem- mungsbi|dung des Duodenums zusammenh~ngt und somit gut mit den iibrigen Anomalien des Falles iibereinstimmt.

Es bleibt schlie~lich noch die Frage often, warum die Flexura duodeno- jejunalis ihre Linkswanderung unterlassen hat. Wenn man die komplizierten gegenseitigen Waehstumsheziehungen bedenkt, die zur Zeit der embryonalen Nabelschleifendrchung zwischen der Hinterwand, dem sog. Gef~l~-Pankreasstiel

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und normaler Lage des Kolons (Hernia mesenterico-parietalis dextra). 655

(VoGT) und der nach links strebcnden Flexur bestehen, so wird man yon rome- herein geneigg sein, den vorzeitigen Stillstand der Flexur auf eine dutch StSrung eben dieser Waehstumsbeziehungen entstandenes Weghindernis zuriickzufiihren. Auch l~$t sieh, wie EISL~R und FmCHE~ gelegentlich ihres Falles hervorgehoben haben, daran denken, daI~ mSglicherweise ein dutch die Leber bzw. die Vena um- bilicalis ausgeiibter abnormer Druck auf die Gefiii~achse schon geniigt, um den Durehpal~ der ~lexur unter der Gef~flaehse hindurch nach links zu vereiteln. PER'N- x o r r hat demgegeniiber auf die MSgliehkeit einer prim~ren StSrung im Eigen- wachstum des Duodenums aufmerksam gemacht. Doeh wenn man auch einen isolierten prim~ren Wachstumsstillstand des Duodenums fiir wahrseheinlieh h~ilt, bleibt immer noch schwer einzusehen, warum nach Ausbildung einer normalen Pars superior und Pars deseendens, die Flexur gerade vor der Medianebene halt- machen mugte und warum, allgemein betrachtet, der Stillstand der Flexur ge. rade an dieser Stelle so oft wiederkehrt (vgl. die EISL~R-FISCHV.asche Zusammen- stellung yon Anomalien der Darmlage). Ich mSehte daher, was den vorliegenden Fall betrifft, lieber an der Annahme einer sekundhr entstandenen Wachstums- stSrung festhalten.

3. Kasuist isehes. In der mir erreichbaren Literatur habe ich nut 2 F/file yon Mesenterium

commune mit Lageanomalie des Diinndarms und anni~hernd normaler Lage des Kolons beschrieben gefunden. Es sind die sehon eingangs erw/ihnten F~lle yon EISLER-FISCHER und yon HAUSCHILD.

Der von EISLER und ~/SCHER beschriebene Fall s t immt sehr weitgehend, sogar in der abweichenden Form des Kolon sigmoideum mit dem im vorstehenden mitgeteilten iiberein. Er unterseheidet sich yon ihm im wesentlichen nur durch eine andere Hemmungsform des Duodenums, eine andere Lage des Coecums, und eine etwas ausgedehntere Verwachsung des Kolons. Letzteres war in diesem Falle aueh im Bereiche der oberen H~lfte des Colon aseendens noch fixiert.

l~oeh ausgedehnter war die Verwachsung des Kolons mit der Hinterwand im 1%lle HAUSCHILDS, der gleiehfalls eine Hemmungsbildung des Duodenums und im ganzen die Symptome einer ,,Hernia mesenterico-parietalis dextra" auf- wies. Hier war das ganze Colon ascendens saint Coeeum in vollst~ndig normaler Weise an der Hinterwand befestigt. Es ist daher erkl~rlieh, dab auch die End. schlinge des Ileums in die Verwachsung an der Hinterwand teilweise mit ein- bezogen war. Hieraus erkl/irt sich das Vorhandensein der eigentiimlichen Durch- lal~6ffnung, durch die das Je junum unter der Endschlinge des lleums aus der rechten Kolonnische hervortrat. Ebenso 1/iBt sich der andere Verlauf der Wurzel- linie des Mesenteriums im Falle HAUSCttILDS aus der ausgedehnteren Verwachsung verstehen. Ieh glaube daher, da$ auch die iibrigen Besonderheiten dieses Falles (Beziehung des Duodenums zur Arteria mesenterica superior, abnorme Verteilung der Jejuno-IIeumschlingen in der Bauehhfihle) sieh analog dem vorliegenden Falle aus ehmm einfachen Drehungsfehler infolge Ausbleibens der Linkswanderung der Flexura duodeno-jejunalis ableiten lassen. Mit ,,Situs inversus des D~inn-. darms", wie HAVSCHrLD seinen Fall iibersehreibt, hat dieser Situs jedenfalls niehts zu tun.

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656 g. DRECHSEL: Mesenterium commune mit Lageanomalic des Diinndarms.

N i m m t m a n die hiiufigeren Fiille yon Mesenter ium commune mi t teilweiser und vollst/~ndiger Linksverschiebung des Kolons hinzu, so ergibt sich einc fast kont inuier l iche Stufenreihe yon Hemmungs$ypen des Darmsi tus , die, im Sinne steigender H e m m u n g gcordnet , vom Falle HAUSCHILDS fiber den yon EISLER und FISCnE~ und den im vors tehenden beschriebenen Fa l l bis zu den F/i l lcn mi t mehr oder weniger ausgesprochener Linkslage des Kolons ffihrt. I n /~hnlicher Weise haben EISL]~a und FISCHER 5 Ausbi ldungsgrade des Mesenter ium commune aufgestellt . Der vorl iegcnde Fal l wfirde nach diescr E in te i lung ein Mesenter ium commune :zweiten Grades aufweisen.

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