116
Methode der Finiten Elemente Skript zur Vorlesung ur den Studiengang Produktionstechnik Dr.-Ing. M. Mehrafza WS 2006/07 i

Methode der Finiten Elemente - Strukturmechanik · daher hat FEM ohne adequate Rechneruntersttzung kaum praktischen Wert. Die Vorteile der FEM liegen auf der Hand: Sie kann f¨ur

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Methode der Finiten Elemente

Skript zur Vorlesung

fur den Studiengang Produktionstechnik

Dr.-Ing. M. Mehrafza

WS 2006/07

i

ii

Inhaltsverzeichnis

Literaturverzeichnis v

1 Grundkonzepte 3

1.1 Losung der Randwertprobleme . . . . . . . . . . . . . . . . 4

1.2 Integralformulierungen fur die numerische Losung . . . . . 7

1.2.1 Variationsmethode . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.2.2 Punktweise Kollokation . . . . . . . . . . . . . . . . 8

1.2.3 Bereichsweise Kollokation . . . . . . . . . . . . . . 9

1.2.4 Galerkin-Verfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

1.2.5 Verfahren der kleinsten Quadrate . . . . . . . . . . 10

1.3 Potentialenrgie-Formulierung . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

1.4 Die Methode der Finiten Elemente . . . . . . . . . . . . . 12

2 Eindimensionales lineares Element 15

2.1 Aufteilung des Gebiets in Elemente . . . . . . . . . . . . . 15

2.2 Das lineare Element . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16

2.3 Eine kontinuierliche stuckweise glatte Funktion . . . . . . . 18

2.4 Ein Beispiel zur FE-Formulierung . . . . . . . . . . . . . . 19

2.4.1 Gewichtsfunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20

2.4.2 Das gewichtete Restintegral . . . . . . . . . . . . . 21

2.4.3 Auswertung der Integrale . . . . . . . . . . . . . . . 22

2.4.4 Analyse eines Biegebalkens . . . . . . . . . . . . . . 25

iii

iv INHALTSVERZEICHNIS

2.4.5 Matrizendarstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

2.5 Elementmatrizen: Galerkin-Formulierung . . . . . . . . . . 28

2.5.1 Elementmatrizen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

2.5.2 Direkte Steifigkeitsmethode . . . . . . . . . . . . . 30

2.5.3 Analyse eines Biegebalkens . . . . . . . . . . . . . . 31

2.5.4 Eigenschaften der globalen Steifigkeitsmatrix . . . . 34

3 Zweidimensionale Elemente 35

3.1 Zweidimensionale Netze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

3.2 Das lineare Dreieckselement . . . . . . . . . . . . . . . . . 36

3.3 Das bilineare Rechteckselement . . . . . . . . . . . . . . . 39

3.4 Eine kontinuierliche stuckweise glatte Funktion . . . . . . . 41

4 Koordinatensysteme 45

4.1 Lokale Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

4.2 Naturliche Koordinatensysteme . . . . . . . . . . . . . . . 48

4.3 Das Rechteckselement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50

4.4 Das Dreieckselement: Flachenkoordinaten . . . . . . . . . . 51

4.5 Kontinuitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56

5 Zweidimensionale Feldprobleme 59

5.1 Problembeschreibende Differentialgleichungen . . . . . . . 60

5.2 Integralgleichungen fur die Elementmatrizen . . . . . . . . 62

5.3 Elementmatrizen: Dreieckselement . . . . . . . . . . . . . . 65

5.4 Elementmatrizen: Rechteckselement . . . . . . . . . . . . . 67

5.5 Torsion eines nichtkreiformigen Querschnitts . . . . . . . . 70

5.5.1 Allgemeine Theorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

5.5.2 Verdrehung des quadratischen Torsionsstabs . . . . 72

5.5.3 Komponenten der Schubspannung . . . . . . . . . . 76

5.5.4 Berechnung des Torsionsmoments . . . . . . . . . . 78

INHALTSVERZEICHNIS v

6 2D-Feldprobleme mit gemischten Randbedingungen 81

6.1 Ableitungsenthaltene Randbedingungen . . . . . . . . . . . 82

6.1.1 Auswertung von Elementintegralen . . . . . . . . . 85

6.2 Punktquellen und Punktsenken . . . . . . . . . . . . . . . 88

6.3 Drehfreie Stromung idealer Flussigkeit . . . . . . . . . . . 91

6.3.1 Stromung einer idealen Flussigkeit . . . . . . . . . 91

6.3.2 Grundwasserstromung . . . . . . . . . . . . . . . . 95

6.4 Warmeubertragung durch Leitung und Strahlung . . . . . 96

6.4.1 Eindimensionale Schaufel . . . . . . . . . . . . . . . 97

6.4.2 Verbundwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99

6.4.3 Zweidimensionale Schaufel . . . . . . . . . . . . . . 100

6.4.4 Lange zweidimensionale Korper . . . . . . . . . . . 102

6.5 Akustische Vibrationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

6.5.1 Eindimensionale Vibrationen . . . . . . . . . . . . . 106

6.5.2 Zweidimensionale Vibrationen . . . . . . . . . . . . 109

vi INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort

Methode der Finiten Elemente ist eine sehr verbreitete numerische Pro-zedur fur die Losung der Differentialgleichungen in der Ingenieurwissen-

schaften und Physik und stellt die rechnerische Basis von vielen CAD-Systemen (Computational Aided Design Systems) dar. Das Lernen der

Grundlagen dieser Methode ist langst fur die jenigen, die sich mit derLosung von Problemen in Struktur- und Kontinuumsmechanik, Warme-

leitung und Hydromechanik oder andere Feldprobleme beschaftigen, un-abdingbar geworden. In dieser Vorlesung geht es um die Grundlagen derFEM und ihre Anwendung in der Analyse von ebenen Strukturen und

zweidimensionalen Kontinuumsproblemen der Elastizitat.

1

2 INHALTSVERZEICHNIS

Kapitel 1

Grundkonzepte

Die Methode der Finiten Elemente (ab jetzt nur durch FEM bezeichnet)kann man in zwei Primare Methoden aufteilen. Die erste Methode macht

von diskreten Elementen Gebrauch, um die Verschiebungen und Element-krafte von Struktursystemen zu berechnen. Die zweite Methode setzt

Kontinuumselemente ein, um Naherungslosungen fur Festkorpermechanik,Warmeleitung und andere Feldprobleme zu bekommen. Die erste Formu-

lierung wird auch Matritzen-Analyse von Struktrukturen genannt und lie-fert Ergebnisse, die mit den Ergebnissen aus der klassischen Strukturme-chanik identisch sind. Das zweite Verfahren ist die echte FE-Methode, und

liefert approximative Werte fur gewnschte Großen an bestimmten Punk-ten innerhalb des Systems. Ein allgemeines FE-Programm ist in der Lage

beide Aufgabeformen zu losen und der Begriff FEM wird oft fur beidenFormulierungen (mit diskreten und mit Kontinuumselemeneten) verwen-

det. Die FE-Methode kombiniert einigen mathematischen Konzepte umein System von linearen oder nichtlinearen Gleichungen aufzustellen. Die

Zahl der Gleichungen ist meist sehr groß- kann mehrere ZehntausendeGleichungen erreichen - und benotigt entsprechend hohe Rechnerleistung,daher hat FEM ohne adequate Rechneruntersttzung kaum praktischen

Wert. Die Vorteile der FEM liegen auf der Hand: Sie kann fur Objek-te eingesetzt werden, die aus mehreren Materialien bestehen, gemischte

Randbedingungen besitzen, keine regulare Form haben, materielle Nicht-linearitat aufweisen, zeitunabhangig oder zeitabhangig sind. Daher stellt

FEM die rechnerische Basis vieler CAD-Programme dar und macht es furpraktische Ingenieure notwendig zu wissen, wie diese Methode funktio-

niert.

3

4 KAPITEL 1. GRUNDKONZEPTE

1.1 Losung der Randwertprobleme

Wenn ein Problem durch eine Differentiagleichung (Dgl) beschrieben wird,ist die analytische Losung der Dgl der beste Weg zur Problemlosung, aber

es gibt zahlreiche Situationen, bei denen man eine analytische Losungschwer finden kann. Die betrachtet Problemregion kann so irregular sein,

dass eine mathematische Beschreibung der Grenzen unmoglich ist. DasProblemgebiet kann aus Kombination verschiedener Materialien beste-

hen, deren Bereichen mathematisch schwer beschreibbar sind. Problememit nicht isotropen Materialien haben in der Regel Dgl mit nicht linea-

ren Termen, die analytische schwer zu losen sind. Wenn eine analytischeLosung schwer zu finden ist,kann eine numerische Methode uns eine ap-proximative Losung anbieten. Alle numerische Losungsmethoden erzeugen

fur einen bestimmten Satz von Parametern Werte an bestimmten Punktendes Aufgabengebiets. Bei jeder Anderung der Parameter wird der kom-

plette Losungsprozedur wiederholt. Die berechneten Werte geben wichtigeInformationen ber den physikalischen Prozess, auch wenn sie nur zu dis-

kreten Punkten gehoren. Es gibt mehrere methoden fur die numerischeLosung einer Dgl. Diese Methoden kann man in drei Gruppen aufteilen:(1) Finite Differenzen Methode, (2) Variationsmethode, und (3) Methode

des gewichteten Restes. Diese Methoden werden hier kurz angesprochen.

Finite Differenzen Methode

Diese Methode approximiert Ableitungen der Dgl mit Hilfe der Diffe-

renzengleichungen. Sie ist fur die Losung der Warmeleitungsproblemeund Fluidmechanik besonders geeignet und funktioniert am besten, wenn

die Grenzen des Problemgebiets zu den Korrdinatenachsen paralell sind.FurProbleme mit gekrmmten oder irregularen Randern ist diese Metho-de sehr lastig und darber hinaus ist es sehr schwer diese Methode in ein

allgemeines Computer-Programm umzusetzen.

Variationsmethode

Die Herangehensweise der Variationsmethode beinhaltet das Integral einer

Funktion, die eine Zahl erzeugt. Jede neue Funktion erzeugt eine neueZahl. Eine Funktion, die die kleinste Zahl erzeugt, besitzt die zusatzliche

Eigenschaft fur die Erfllung einer bestimmten Dgl. Um dieses Konzept zu

1.1. LOSUNG DER RANDWERTPROBLEME 5

erlautern, betrachten wir das folgende Integral

Π =

∫ H

0

[

D

2

(

dy

dx

)2

−Qy

]

dx . (1.1)

Der numerische Wert von Π kann fur eine gegebene Gleichung y = f(x)gerechnet werden. Die Variationsrechnung zeigt, dass eine bestimmte Glei-

chung y = f(x), die den kleinsten numerischen Wert fur Π liefert, dieLosung der Dgl

Dd2y

dx2+Q = 0 (1.2)

mit den folgenden Randbedingungen ist: y(0) = y0 und y(H) = yH .

Diesen Prozess kann man auf ungekehrte Weise nutzen. Ist eine Dgl ge-geben, dann kann eine Naherungslosung erreicht werden, indem man un-terschiedliche Versuchsfunktionen in das Integral einsetzt. In diesem Fall

bezeichnet man den Integralausdruck als Approimationsfunktional odereinfach Funktional. Die Versuchsfunktion, die den kleinsten Wert (Mini-

mum) fur Π liefert, ist die Naherungslosung der Dgl 1.2. Die Variations-methode ist die Basis vieler FE-Formulierungen, aber hat einen großen

Nachteil: Sie ist fur Differentialgleichungen (Dgln), die einen Term miterster Ableitung haben, nicht einsetztbar.

Methoden des gewichteten Restes; Ritz’sches Verfahren

Diese Methoden arbeiten auch mit einem Integral. Hier wird eine Nahe-rungslosung in die Dgl eingesetzt. Da diese Losung der Dgl nicht ganz

erfllt, bleibt ein Fehler oder ein Rest brig. Nehmen wir an, dass y = h(x)eine Naherungslosung fur 1.2 darstellt. Einsetzen ergibt

Dd2h(x)

dx2+Q = R(x) 6= 0 . (1.3)

Die Mehtoden des gewichteten Restes verlangen, dass die Gleichung

∫ H

0

Wi(x)R(x)dx = 0 (1.4)

erfllt wird. Der Rest R(x) ist mit einer Gewichtsfunktion Wi(x) multipli-ziert und das Integral des Produktes muss gleich Null sein. Die Anzahl der

Gewichtsfunktionen entspricht der Anzahl der unbekannten Koeffitienten

6 KAPITEL 1. GRUNDKONZEPTE

in der Naherungslosung. FurGewichtsfunktionen stehen viele Varianten

zur Wahl. Einige der bekanntesten sind:

Punktweise Kollokation : Impulsfunktionen Wi(x) = δ(x−Xi) werden

als Gewichtsfunktionen gewahlt. Das entspricht der Aufforderung, dassder Rest an bestimmten Punkten verschwinden muss. Die Anzahl der

gewahlten Punkte gleicht der Anzahl der unbekannten Koeffizienten inder Naherungslosung. Damit bekommt man die gewnschte Anzahl derGleichungen, die man fur die Bestimmung der unbekannten Koeffizienten

braucht.

Kollokation im Teilbereich : Der gesamte Losungsbereich wird in n

Teilbereiche untergliedert. Die Gewichtsfunktion wird ber jeden Teilbe-reich gleich eins gesetzt, Wi(x) = 1. Das entspricht der Aufforderung,

dass das Integral des Restes ber jeden Teilbereich verschwindet. So erhohtman wiederum n Gleichungen fur die Bestimmung von n unbekannten

Koeffizienten der Naherungslosung.

Galerkin-Verfahren : Bei diesem Verfahren werden fur die Ge-

wichtsfunktionen Wi(x) die gleichen Funktionen eingesetzt, die in derNaherungslosung verwendet worden sind. Diese Vorgehensweise ist die

Basis der FE-Methode fur Problemen, die die erste Ableitung beinhalten.Furselbstadjugierte Dgln liefert diese Methode Ergebnisse, die mit denenaus Variationsmethode identisch sind. Das Galerkin-Verahren wird fur

die Entwicklung der FE-Gleichungen bei Feldproblemen in diesem Kursverwendet.

Verfahren der kleinsten Quadrate : Diese Verfahren setzt den Restals Gewichtsfunktion ein und erhoht einen neuen Fehler, der wie folgt

definiert wird:

Er =

∫ H

0

[R(x)]2 dx (1.5)

Dieser Fehler muss nun in Bezug auf unbekannten Koeffizienten der Nahe-rungslosung minimiert werden (Ableitung nach Koeffizienten gleich Null

setzen). Dieses Verfahren wurde zur Formulierung der FE-Methode ver-

1.2. INTEGRALFORMULIERUNGEN FUR DIE NUMERISCHE LOSUNG 7

wendet, aber hat sich gegen Galerkin-Verfahren und Variationsverfahren

nicht durchgesetzt.

1.2 Integralformulierungen fur die numerische

Losung

Nun bleibt zu zeigen, wie die genannten Integralmethoden zur Gewinnungeiner Naherungslosung fur ein physikalisches Problem eingesetzt werden.

Als Beispiel nehmen wir einen einfach gelagerten Balken mit einem Ein-zelmoment an jedem Ende als Belastung. Der Balken und der Verlauf desBiegemoments sind in Bild ?? dargestellt. Wir suchen die Verformung des

Balkens y(x) (als unbekannte Große) unter der Last. Das System gehorchtder folgenden Dgl

EId2y

dx2−M(x) = 0 , (1.6)

die die Verformung mit der Last verknpft und den Rabdbedingungen

y(0) = y(H) = 0 unterliegt. Der Koeffizient EI beschreibt die Biegesteifig-keit des Balkens und ist bekannt (E: Elastizitatsmodul und I: Tragheits-

moment). M(x) stellt den Verlauf des Biegemoments entlang des Balkensdar (hier ist berall M(x) = M0). Auf der Suche nach einer Losung fur

y(x) kann man die folgende Gleichung als eine Naherung fur ihren Verlaufwahlen:

y(x) = A sinπx

H(1.7)

wobei A ein unbekannter Koeffizient ist. Diese Gleichung erfllt die Rand-

bedingungen y(0) = y(H) = 0 und weist eine ahnliche Form wie dieVerformung des Balkens auf. Sie ist daher eine akzepable Kandidatin fur

eine Naherung. Die exakte Losung der Dgl 1.6 lautet:

y(x) =M0x

2EI(x−H) (1.8)

8 KAPITEL 1. GRUNDKONZEPTE

1.2.1 Variationsmethode

Der Funktionalausdruck fur die Dgl 1.6 ist:

Π =

∫ H

0

[

EI

2

(

dy

dx

)2

+M0y

]

dx (1.9)

Die Gl. 1.7 stellt sich als beste Naherung heraus, wenn ein bestimmter Be-trag von A den Wert von Π minimiert. Um dieses A ermitteln zu konnen,

mussen wir zuerst Π als eine Funktion von A umschreiben und dann siebezogen auf A minimieren. Mit der Beziehung

dy

dx=Aπ

Hcos

πx

H

bekommen wir

Π =

∫ H

0

[

EI

2

(

Hcos

πx

H

)2

+M0A sinπx

H

]

dx

oder

Π =

(

EIπ2

4H

)

A2 +

(

2M0H

π

)

A (1.10)

Die Minimierung von Π bedeutet

∂Π

∂A= 2

(

EIπ2

4H

)

A+2M0H

π= 0 (1.11)

und ergibt

A = −4M0H

2

π3EI(1.12)

Die Naherungslosung sieht dann so aus:

y(x) = −4M0H

2

π3EIsin

πx

H(1.13)

1.2.2 Punktweise Kollokation

Die punktweise Kollokation verlangt, dass der Rest an bestimmter An-

zahl (gleich der unbekannten Koeffizienten der Naherungsfunktion) von

1.2. INTEGRALFORMULIERUNGEN FUR DIE NUMERISCHE LOSUNG 9

Punkten im Problembereich gleich Null wird. Der Rest wird durch Ein-

setzen von Naherungsfunktion (Gl. 1.7) in die Dgl des Problems (Gl. 1.6)berechnet:

R(x) = EId

dx2

(

A sinπx

H

)

−M0 = −EIAπ2

H2sin

πx

H−M0 (1.14)

Da es nur einen unbekannten Koeffizient, A, gibt, wird R(x) irgendwozwischen 0 und H gleich Null gesetzt. Einfachheithalber nehmen wir x =H2

und bekommen damit

R(H

2) = −EI

Aπ2

H2sin

π

2−M0 = 0

und

A = −M0H

2

EIπ2. (1.15)

Damit ergibt sich die Naherungslosung zu

y(x) = −M0H

2

EIπ2sin

πx

H(1.16)

Wenn wir einen anderen Punkt statt x = H2

wahlen, bekommen wir eine

andere Naherungslosung.

1.2.3 Bereichsweise Kollokation

Dieses Kollokationsverfahren verlangt, dass das Integral des Restes ber je-

den Teilbereich von n-Teilbereichen, in denen das Problemgebiet aufgeteiltwurde, gleich Null ist, wobei n die Anzahl der unbekannten Koeffizienten

der Naherungslosung darstellt. Die Große der Teilbereiche steht dem An-wender frei zu wahlen. Hier haben wir nur einen Unbekannten und daherbrauchen wir auch nur einen Teilbereich und der muss [0, H] sein. Der

Rest ist identisch mit Gl. 1.14; daher∫ H

0

R(x)dx =

∫ H

0

[

−EIAπ2

H2sin

πx

H−M0

]

dx = 0

Integrieren liefert

(

2EIπ

H

)

A−M0H = 0 und A = −M0H

2

2πEI(1.17)

10 KAPITEL 1. GRUNDKONZEPTE

Die Naherungslosung lautet somit:

y(x) = −M0H

2

2πEIsin

πx

H(1.18)

1.2.4 Galerkin-Verfahren

Bei Galerkin-Verfahren wird der Integralausdruck∫

Wi(x)R(x)dxmit den

gleichen Funktionen fur Wi(x) ausgewertet, die fur die Naherungslosungverwendet wurden. In diesem Beispiel gibt es nur eine Gewichtsfunktion,

Wi(x) = sinπx/H. Der Ausdruck fur den Rest ist wieder die Gl 1.14 undder Funktionalausdruck lautet:

∫ H

0

sinπx

H

[

−EIAπ2

H2sin

πx

H−M0

]

dx = 0

Das Integrieren ergibt:

−EIπ2A

2H+

2M0H

π= 0

Losung dieser Gleichung fhrt zu

A = −4M0H

2

π3EI(1.19)

und die Naherungslosung ist somit

y(x) = −4M0H

2

π3EIsin

πx

H(1.20)

Diese Losung ist mit der Losung aus Variationsmethode identisch.

1.2.5 Verfahren der kleinsten Quadrate

Bei diesem Verfahren wird ein Neuer Fehlerausdruck, Er =∫

[R(x)]2 dx,aufgestellt. Einsetzen des Restes in diesen Ausdruck ergibt

Er =

∫ H

0

[

−EIπ2

H2A sin

πx

H−M0

]2

dx .

1.3. POTENTIALENRGIE-FORMULIERUNG 11

Die Integration liefert

Er =A2H

2

(

EIπ2

H2

)2

+4M0EIπ

HA+M2

0H

Die Minimierung des Fehlers in Bezug auf A bedeutet

∂Er

∂A= AH

(

EIπ2

H2

)2

+4M0EIπ

H= 0 (1.21)

Nach der Losung fur A ergibt sich die Naherungsloung zu

y(x) = −4M0H

2

π3EIsin

πx

H. (1.22)

Diese Losung ist identisch mit den Losungen aus Variationsmethode und

Galerkin-Verfahren. Das ist nicht moglich zu sagen, welches Verfahrenist das genaueste. Der Fehler hangt von der Wahl der Naherungsfunk-

tion und der zu losenden Gleichung. Verlaufe der Fehlerquoten von un-terschiedlichen Verfahren wurden in Bild ?? dargestellt. Anscheinend istdie Naherung mit der Gl. 1.22 genauer als mit den Gln. 1.16 und 1.18,

obwohl es moglich ist, eine Kollokationspunkt zu finden, der eine Verfor-mung liefert, die der exakten Losung am besten entspricht. Die gewahl-

ten Kollokationspunkte oder -teilbereiche beeinflssen die Genauigkeit derNaherungslosung. Der wichtige Punkt aus diesem Beispiel ist, dass die nu-

merische Losung einer Dgl in einem Integralausdruck formuliert werdenkann. Die Integralformulierung ist die Grundeigenschaft der FE-Methode.

1.3 Potentialenrgie-Formulierung

Probleme aus dem Bereich der elastischen Festkorpermechanik, wieBalken-, Platten-, Scheiben- und Schalenprobleme, konnen auf verschie-

denen Weisen gelost werden. Wenn eine klassische Losung (Aufstellungder Dgl. vom Problem und ihre analytische Losung) aufgrund schwierige

mathematische Beschreibung der Aufgabe nicht moglich ist, wird oft eineAlternativlosung verwendet. Diese Alternative basiert auf einem Konzept,

das besagt, dass ein Korper im Gleichgewichtzustand solche Verformungenhat, die einem Minimum von Potentialenergie entsprechen. Dieses Kon-

zept wird auch das Prinzip des Minimums von Potentialenergie genannt.

12 KAPITEL 1. GRUNDKONZEPTE

Die Potentialenergie besteht zum Teil aus der Verzerrungsenergie, die in-

folge der Verformungen des Korpers entsteht und im Korper gespeichertwird. Verzerrungsenergie ist ein Volumenintegral, das das produkt von

Spannungs- und Verzerrungskomponenten beinhaltet. Zum Beispiel lasstsich fur einen Stab die Verzerrungsenergie wie folgt schreiben:

Λ =

V

σxxεxx

2dV . (1.23)

Uber die Verzerrungsenergie und das Prinzip des Minimums von Poten-

tialenergie werden wir in weiteren Kapiteln ausfhrlicher reden. Wichtigwar hier die Vorstellung, dass die Verformungsanalyse der Struktur- und

Festkorpermechanik die Verzerrungsenergie mit einem Minimierungspro-zess kombiniert. Aus rechnerischer Sicht sieht die Analyse eines Fach-

werks oder einer Platte mit Hilfe dieses Prinzips sehr ahnlich aus wie dieVariations- oder Galerkin-Methode. Diese ahnlichkeit lasst sich jedoch erstspater offenbaren.

1.4 Die Methode der Finiten Elemente

Diese Methode ist eine numerische Prozedur fur die Losung physikali-

scher Probleme, die einer Dlg oder einem Energietheorem gehorchen. Siehat zwei Kennzeichen, die sie von anderen numerischen Methoden untzer-scheidet:

1. Sie setzt eine Integralformulierung fur die Aufstellung eines Systems

von algebraischen Gleichungen ein.

2. Sie nutzt kontinuierliche, stckweise glatte Funktionen um die unbe-

kannte(n) Große(n) zu approximieren.

Das zweite Kennzeichen unterscheidet die FEM von anderen numerischen

Methoden, die ebenfalls eine Integralformuliereung zu Grunde legen. Erin-nert wird an die Naherungslosung im vorigen Abschnitt, y = A sinπx/H.

Diese Funktion hat unendlich kontinuierliche Ableitungen. Fur den Ein-satz in FEM braucht eine kontinuierliche Funktion nur soviel Kontinuitat

in ihrer Ableitungen vorzuweisen, die fur die Auswertung der Integrale

1.4. DIE METHODE DER FINITEN ELEMENTE 13

notwendig sind. Fur eine Integralformulierung wie die Variationsmethode

(s. Gl. 1.9) ist keine Kontinuitat der ersten Ableitung notig. Das Integralkann auch dann ausgewertet werden, wenn die erste Ableitung stckweise

kontinuierlich ist. Eine Gleichung zusammengesetzt aus mehreren linea-ren Teilen kann da genauso gut als Naherungsfunktion verwendet werden.Um die FE-Methode einsetzen zu konnen, muss man das Problemgebiet in

kleine Teilbereiche aufteilen, die sich an gemeinsamen Grenzen und Kno-ten trefen. Dieser Schritt wird Diskretisierung genannt. Dann wird das

Problemgebiet mit einem Netz bespannt, dessen Netzaugen mit den Teil-bereichen Deckungsgleich sind. Dieser Schritt ist als Vernetzung bekannt

und kann unter Umstanden zugleich die Diskretisierung beinhalten. EinFE-Modell der Balkenaufgabe kann wie in Bild ?? aussehen. Das Bild ??a

zeigt eine Diskretisierung des Balkens in 6 Teilbereiche und eine Vernet-zungt mit 6 Elementen, die jeweils zwei Knoten besitzen und durch lineareTerme der Konotenwerte, y = f(x), definiert sind. Die Verformung des

Balkens wird durch Geradensegmente approximiert. Das Bild ??b zeigteine Diskretisierung des Balkens in 3 Teilbereiche und eine Vernetzung

mit 3 Elementen, die jeweils drei Knoten besitzen und durch quadratischeTerme der Knotenwerte, y = g(x), definiert sind. Die Verformung des Bal-

kens wird diesmal durch quadratische Teilkurven approximiert. Keine derbeiden Gleichung, y = f(x) oder y = g(x), hat zwischen zwei benach-barten Elementen eine kontinuierliche erste Ableitung. Funktionen ohne

kontinuierliche erste Ableitung konnen auch in Galerkin-Verahren verwen-det werden. In diesem Fall muss die Integration des Termes mit zweiter

Ableitung, d2y/dx2, stuckweise geschehen.Die FE-Methode kann in funf Schritten aufgeteilt werden, die heir aufge-

listet und in den nachsten Kapiteln erlautert werden:

1. Diskretisierung des Gebiets. Das bedeutet die Lage der Knoten fest-

zulegen (inkl. Koordinaten) und sie zu numerieren.

2. Die Naherungsfunktion bestimmen. Das bedeutet die Ordnung der

Approximation, linear oder quadratisch oder hohere Ordnung, fest-zulegen und fur jedes Element eine Gleichung in Termen der unbe-

kannten Knotenwerte zu schreiben.

3. Das Gleichungssystem fur das Gesamtgebiet aufstellen. Bei Nutzung

14 KAPITEL 1. GRUNDKONZEPTE

der Galerkin-Methode wird die Gewichtsfunktion fur jede unbkann-

te Knotengroße definiert, dann wird das Restintegral ausgwertet.Dies erzeut fur jede unbekannte Knotengroße eine Gleichung. Bei

Potentialenergie-Formulierung wird die Potentialenergie des Systemsin Termen von Knotenverschiebungen geschrieben und dann mini-miert. Dies ergibt fur jede unbekannte Knotenverschiebung eine Glei-

chung.

4. Losung des Gleichungsystems

5. Berechnung der gesuchten Großen. Diese Großen sind normalerweisemit den Ableitungen der Parameter verwandt.

Kapitel 2

Eindimensionales lineares Element

Hier diskutieren wir die Aufteilung eines eindimensionalen Gebiets inlinearen Elementen und die Entwicklung einer Elementgleichung. Die

Elementgleichung wird dann verallgemeinert, sodass eine kontinuierlichestuckweise glatte Gleichung fur das Gebiet geschrieben werden kann. Das

lineare Element wird benuzt um eine Naherungslosung fur die Dgl.

Dd2φ

dx2+Q = 0 (2.1)

zu erreichen. Dieses Element wird spater benutzt um Verschiebungen imGebiet zu berechnen.

2.1 Aufteilung des Gebiets in Elemente

Das eindimensionale Gebiet ist ein Liniensegment und die Aufteilung in

Teilbereichen ist einfach. Das Liniensegment wird durch Knotenpukte inkleinere Segmente geteilt. Danach folgt eine Nummerierung der Knoten

und Elemente, die an Knoten mitenander verbunden sind (s. Bild ??).Hier ware angebracht auf einige Regeln zu achten:

• In Bereichen des Gebiets, wo sich unbekannte Großen wahrscheinlich

starker andern, sind die Knoten dichter zu einander zu legen, damitdie rapide Anderungen besser erfasst werden konnen. Hier mischt sich

die Erfahrung in den Losungsprozess ein.

15

16 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

• Wo es scharfe Anderung in den Werten der Koeffizienten D und Q in

Dgl. (2.1) gibt, mussen Knoten platziert werden (in eindimensiona-lem Fall ein Knoten). Dies vereinfacht die Auswertung der Integral-

ausdrucke mit diesen Termen.

• Dort, wo ein numerischer Wert von φ gesucht wird, muss auch ein

Knoten vorhanden sein.

2.2 Das lineare Element

Das eindimensionale lineare Element ist ein Liniensegment mit der Lnge

L und zwei Knoten, jeder an einem Ende (s. Bild ??). Die Knoten werdenmit i und j bezeichnet und die Knotengroßen durch Φi und Φj dargestellt.Der Parameter φ1 hat zwischen den Knoten einen linearen Verlauf, und

damit hat die Ansatzfunktion fur φ die folgende Form

φ = a1 + a2x . (2.2)

Die Koeffizienten a1 und a2 konnen durch geltende Bedingungen an Kno-

ten bestimmt werden:

φ = Φi an x = Xi

φ = Φj an x = Xj (2.3)

Und damit hat man

Φi = a1 + a2Xi

Φj = a1 + a2Xj , (2.4)

woraus sich die unbekannten Koeffizienten a1 und a2 berechnet lassen:

a1 =ΦiXj − ΦjXi

Xj −Xi

a2 =Φj − Φi

Xj −Xi. (2.5)

1Das Symbol φ wird uberall in diesem Text als allgemeine skalare Große verwendet. Symbole inGroßbuchstaben wie X , Y , Φ und U bezeichnen die Knotengroßen

2.2. DAS LINEARE ELEMENT 17

Einsetzen von a1 und a2 in die Ansatzfunktion (2.2) ergibt:

φ =

(

Xj − x

L

)

Φi +

(

x−Xi

L

)

Φj , (2.6)

wobei Xj−Xi durch die Elementlange L ersetzt wurde. Die Gl. (2.6) stellteine Standardform der finiten Elemente dar. In dieser Gl. sind die Kno-

tengroße mit linearen Funktionen von x multipliziert, die Formfunktion

oder Interpolationsfunktion genannt werden. Formfunktionen werden mit

N bezeichnet und ein Indiz zeigt mit welchem Knoten eine Formfunkti-on assoziiert ist. Somit stehen die Formfunktionen fur die Verknopfung

der Knotengroßen mit der Große φ an beliebiger Stelle x innerhalb desElementes. Die Formfunktionen in (2.6) werden mit Ni und Nj wie folgtbezeichnet

Ni =Xj − x

Lund Nj =

x−Xi

L(2.7)

Damit lasst sich die Gl. (2.6) wie folgt umschreiben

φ = NiΦi +NjΦj (2.8)

oder in Matrizendarstellung

φ = [N ]{Φ} , (2.9)

wobei [N ] = [Ni Nj] ein Zeilenvektor mit Formfunktionen ist und

{Φ} =

{

Φi

Φj

}

ein Spaltenvektor mit Knotengroßen des Elements. Jede Formfunktionerhalt an ihrem assoziierten Knoten den Wert 1 und an dem andren Kno-

ten den Wert 0 (s. Bild ??). Die Summe der beiden Formfunktionen ergibtden Wert 1. Die dritte Eingenschaft der Formfunktionen ist, dass sie im-

mer Polynomen desselben Typs sind wie die ursprungliche Ansatzfunktion.Die Ansatzfunktion (2.2) ist linear, so sind auch die Formfunktionen. Ware

die Ansatzfunktion quadratisch gewesen, so waren unsere Formfunktionenauch quadratisch. Eine Weitere Eigenschaft der Formfunktionen ist, dassdie Summe ihrer Ableitungen in Bezug auf x den Wert Null ergibt.

Beispiel 2.1

18 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

2.3 Eine kontinuierliche stuckweise glatte Funktion

Eine kontinuierliche stuckweise glatte Funktion fur ein eindimensionalesGebiet kann konstruiert werden, indem mann mehrere lineare Funktio-

nen mit den genannten Eigenschaften im vorigen Abschnitt miteinanderverknopft. Jede solcher Funktionen kann man wie folgt darstellen

φ(e) = N(e)i Φi +N

(e)j Φj , (2.10)

wobei

N(e)i =

Xj − x

Xj −Xiund N

(e)j =

x−Xi

Xj −Xi(2.11)

Der Superskript (e) kennzeichnet eine Elementgroße. Diese sind alle

notig, um jedem Element die richtigen Werte von i, j und e zuweisen zukonnen. Die mit einem Element e korrespondierenden Werte von i und j

erhalt man aus dem Netz der Elemente

e i j

1 1 2

2 2 33 3 4

4 4 5

Die Gleichung for jedes Element in Bild ?? ist

φ(1) = N(1)1 Φ1 +N

(1)2 Φ2

φ(2) = N(2)2 Φ2 +N

(2)3 Φ3

φ(3) = N(3)3 Φ3 +N

(3)4 Φ4 (2.12)

φ(4) = N(4)4 Φ4 +N

(4)5 Φ5

Beachte, dass die Gln. N(1)2 und N

(2)2 unterschiedlich sind, obwohl beide

den Knoten 2 beinhalten. Diese zwei Gleichungen sind

N(1)2 =

x−X1

X2 −X1und N

(2)2 =

X3 − x

X3 −X2

Es ist zu beachten, dass jede Gl. in (2.12) steht nur fur ein einziges Element

und ist außerhalb dieses Element nicht gultig. Die erste Gl. gilt damit nur

2.4. EIN BEISPIEL ZUR FE-FORMULIERUNG 19

fur X1 ≤ x ≤ X2. Die Geltungsbereiche der Gln werden i.d.R. nicht

explizit genannt.

Ein Kommentar uber die Notation

Die Bezeichnung der Elementgroßen wird in diesem Text sehr oft notigsein. Die folgende Notationsregel wird benutzt, sodass ein Superskript (e)

nicht auf jeden Koeffizient zu platzieren ist.

1. Wenn Klammern einen Superskript (e) haben, wie z.B. (Gφ+Q)(e),das bedeutet, dass jeder Term im Klammer auf Elementbasis zu in-

terpretieren ist.

2. Eine Große auf der linken Seite des Gleichzeichens mit einem Su-

perskript (e) bedeutet, dass die Großen auf der rechten Seite desGleichzeichens auf ein bestimmtes Element beziehen. Z. B.

φ(e) = NiΦi +NjΦj

bedeutet, dass Ni und Nj in der Tat N(e)i und N

(e)j sind und Φi und

Φj die Knotengroßen des Elements.

2.4 Ein Beispiel zur FE-Formulierung

In diesem Abschnitt wird die FE-Methode anhand der Entwicklung einer

Naherungslosung fur eine eindimensionale Dgl. gezeigt. Dabei setzen wirdie Erkenntnisse uber Formfunktionen aus vorigem Abschnitt ein. Die zulosende Dgl.

Dd2φ

dx2+Q = 0 (2.13)

soll folgende Randbedingungen erfullen

φ(0) = φ0 und φ(H) = φH (2.14)

Zwei physikalische Probleme lassen sich durch die Dgl. (2.13) beschrei-ben: 1. Die Verformung eines einfach gelagereten Balkens mit bekanntem

Momentenverlauf und 2. Warmeleitung durch eine Verbundwand mit be-kannter Temperatur auf beiden Seiten. Die FE-Gleichungen werden mit-

tels Galerkin-Methode aufgestellt. Die Auswertung des Restintegralsfuhrt

20 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

zu einer Knotengleichung, die wir zur Aufstellung des Gleichungssytems

auf rekursive Art nutzen. Die Knotengleichung wird dann zur Losung einesBalkenverformungsproblems verwendet.

2.4.1 Gewichtsfunktionen

Ein System von linearen Gleichungen wird durch Auswertung des Restin-

tegrals 2

∫ H

0

W (x)

(

Dd2φ

dx2+Q

)

dx = 0 (2.15)

fur jeden Knoten aufgestellt. Dabei wird fur jeden Knoten eine neue Ge-wichtsfunktion verwendet. Im Integralausdruck ist φ die unbekannte Nahe-

rungslosung.Galerkin-Verfahren bei gewichteten Resten verlangt, dass die Gewichts-

funktionen mit Formfunktionen Ni und Nj konstruiert werden. Die Ge-wichtsfunktionen werden in der Galerkin’schen FE-Formulierung wie folgt

definiert: Die Gewichtsfunktion fur den s-ten Knoten, Ws, beinhaltet die

Formfunktionen, die mit dem Knoten s assoziiert sind. Die Gewichtsfunk-tion fur den dritten Knoten des linearen Netzes (s. Bild ??) beinhaltet die

Formfunktionen fur diesen Knoten:

W3(x) =

{

N(2)3 X2 ≤ x ≤ X3

N(3)3 X3 ≤ x ≤ X4

(2.16)

Im Allgemeinen gilt

Ws(x) =

{

N(e)s Xr ≤ x ≤ Xs

N(e+1)s Xs ≤ x ≤ Xt

(2.17)

Die Gweichtsfunktionen fur den ersten und den letzten Knoten sind in

Bild ??a und c dargestellt. Die entsprechenden Gleichungen sind:

W1(x) = N(1)1 und Wp(x) = N

(P−1)P (2.18)

Die Gewichtsfunktionfur jeden Knoten beinhaltet entweder Ni oder Nj,oder eine Kombination der beiden.

2Das Integral wurde mit −1 multipliziert, um die Ergebnisse in einfacherer Form darstellen zu konnen

2.4. EIN BEISPIEL ZUR FE-FORMULIERUNG 21

2.4.2 Das gewichtete Restintegral

Nach Definition der Wichtungsfunktionen kommt die Auswertung des Re-

stintegrals (2.15). Mit Berucksichtugung der Knotenreihenfolge r, s und tin Bild ??b bekommen wir fur das Restintegral am Knoten s

Rs = R(e)s +R(e+1)

s = −

∫ Xs

Xr

[

Ns

(

Dd2φ

dx2+Q

)](e)

dx

∫ Xt

Xs

[

Ns

(

Dd2φ

dx2+Q

)](e+1)

dx , (2.19)

weil fur x < Xr und x > Xt gilt: Ws = 0. Das Restintegral ist in zwei

Teilen geteilt, weil Ws(x) durch zwei separate Funktionen innerhalb des

Intervals Xr ≤ x ≤ Xt definiert worden ist. Die Termen R(e)s und R

(e+1)s

stellen die Beitrage der Elemente (e) und (e+ 1) zum Rest am Knoten sdar.Es gibt ein Problem bei jedem Integral in Gl. (2.19). Die Naherungslosung

ist in ihrer ersten Ableitung, dφ/dx, nicht kontinuierlich und daher ist dasIntegral von d2φ/dx2 nicht definiert. Dieses Problem kann man umgehen,

indem man den Term d2φ/dx2 in einen neuen Term umschreibt. Wir be-trachten zuerst das erste Integral in Gl. (2.19) und weisen darauf hin,

dass

d

dx

(

Nsdφ

dx

)

= Nsd2φ

dx2+dNs

dx

dx. (2.20)

Daher gilt

Nsd2φ

dx2=

d

dx

(

Nsdφ

dx

)

−dNs

dx

dx. (2.21)

einsetzen ins erste Integral ergibt

∫ Xs

Xr

(

NsDd2φ

dx2

)(e)

dx = −

(

DNsdφ

dx

)(e)∣

Xs

Xr

+

∫ Xs

Xr

(

DdNs

dx

dx

)(e)

dx (2.22)

22 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

Ahnliche Operationen fur den ersten Term des zweiten Integrals in Gl.

(2.19) ergibt

∫ Xt

Xs

(

NsDd2φ

dx2

)(e+1)

dx = −

(

DNsdφ

dx

)(e+1)∣

Xt

Xs

+

∫ Xt

Xs

(

DdNs

dx

dx

)(e+1)

dx (2.23)

Der erste Term in Gl. (2.22) und in Gl. (2.23) lasst sich vereinfachen, weil

die Formfunktionen an entsprechenden Knoten entweder 0 oder 1 sind.Die komplette Gleichung des Restes ergibt sich zu

Rs = R(e)s + R(e+1)

s = −

∫ H

0

Ws

(

Dd2φ

dx2+Q

)

dx

= −

(

Ddφ

dx

)(e)∣

x=Xs

+

∫ Xs

Xr

(

DdNs

dx

dx−NsQ

)(e)

dx (2.24)

+

(

Ddφ

dx

)(e+1)∣

x=Xs

+

∫ Xt

Xs

(

DdNs

dx

dx−NsQ

)(e+1)

dx = 0

Die beiden Terme, die an der Stelle x = Xs ausgewertet werden, legen eineinterelemntare Forderung fest. Der Rest kann nicht Null werden, solange

die Differenz zwischen diesen beiden Termen nicht verschwindet.

2.4.3 Auswertung der Integrale

Die Auswertung der Integrale in Gl. (2.24) fuhrt zu der Restgleichung fur

einen Knoten im Innenbereich. Fangen wir mit dem Element (e) (s. Bild??b) an. Unter Berucksichtigung der Gl. (2.6) haben wir

φ(e) = NrΦr +NsΦs

φ(e) =

(

Xs − x

L

)

Φr +

(

x−Xr

L

)

Φs . (2.25)

Damit bekommen wir fur den Knoten s

N (e)s =

x−Xr

L;

dN(e)s

dx=

1

L(2.26)

2.4. EIN BEISPIEL ZUR FE-FORMULIERUNG 23

unddφ(e)

dx=

1

L(−Φr + Φs) (2.27)

Einsetzen der entsprechenden Terme und Auswertung der Integrale ergibt

∫ Xs

Xr

DdNs

dx

dxdx =

D

L(−Φr + Φs) (2.28)

und∫ Xs

Xr

QNsdx =QL

2. (2.29)

Fur die Berechnung von R(e)s sind die Integrale (2.28 und 2.29) mit dem

interelemntaren Beitrag fur das Element (e) zu kombieren:

R(e)s = −

(

Ddφ

dx

)(e)∣

x=Xs

+D

L(−Φr + Φs) −

QL

2. (2.30)

Wir konnen nun mit dem Element (e+1) fortfahren (s. Bild ??b) und daszweite Integral in Gl. (2.24) auswerten

φ(e+1) = NsΦs +NtΦt

φ(e+1) =

(

Xt − x

L

)

Φs +

(

x−Xs

L

)

Φt (2.31)

Daher bekommen wir

N (e+1)s =

Xt − x

L;

dN(e+1)s

dx= −

1

L(2.32)

unddφ(e+1)

dx=

1

L(−Φs + Φt) (2.33)

Damit ergibt die Auswertung der Integrale

∫ Xt

Xs

DdNs

dx

dxdx =

D

L(Φs − Φt) (2.34)

∫ Xt

Xs

QNsdx =QL

2. (2.35)

24 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

Das Element (e + 1) leistet somit den folgenden Beitrag zum Rest am

Knoten s

R(e+1)s = D

dx

x=Xs

+D

L(Φs − Φt) −

QL

2(2.36)

Setzen wir die beiden Beitrage R(e)s und R

(e+1)s zusammen und dann gleich

Null, erhalten wir die Restgleichung fur den Knoten s:

Rs =

(

Ddφ

dx

)(e+1)∣

x=Xs

(

Ddφ

dx

)(e)∣

x=Xs

(

D

L

)(e)

Φr +

[

(

D

L

)(e)

+

(

D

L

)(e+1)]

Φs −

(

D

L

)(e+1)

Φt

(

QL

2

)(e)

(

QL

2

)(e+1)

= 0 (2.37)

Die ubliche Losungsprozedur ist die Aufstellung des Gleichungssystems

ohne die interelemntaren Terme. Nach der Losung des Gleichungssytemslasst sich der Ausdruck

(

Ddφ

dx

)(e+1)∣

x=Xs

(

Ddφ

dx

)(e)∣

x=Xs

(2.38)

einfach rechnen. Theoretisch konnte der Wert des Ausdrucks (2.38) alsein Maß fur die Qualitat des Netzes werden oder als ein Indikator, der

bestimmt wo das Netz zu verfeinern ist.Wenn D(e) = D(e+1) ist, dann reduziert sich die interelemntare Forderungauf das Verschwinden von

(

dx

)(e+1)∣

x=Xs

(

dx

)(e)∣

x=Xs

. (2.39)

Ohne Kontinuitat in der ersten Ableitung wird diese Differrenz (2.39) nicht

verschwinden, und die Kontinuitat kann niemals mit linearen Elementenerreicht werden, es sei denn, die Losung ist eine gerade Linie. Der Betrag

von (2.39) wird kleiner je das Netz der finiten Elemente feiner wird, aberer wird nie fur alle Knoten Null sein. Die Differenz (2.39) kann als einen

Fehler angesehen werden, der im Gleichungssytem nicht integriert ist, aber

2.4. EIN BEISPIEL ZUR FE-FORMULIERUNG 25

uns stets daran erinnert, dass die Losung eine Naherung ist.

Wenn wir diese interelementare Forderung aus der Gl. (2.37) heraus neh-men, eine aufeinander folgende Numerierung der Knoten und Elemente

vornehmen und alle Ausdrucke in Termen von s schreiben, dann reduziertsich die Restgleichung fur den Knoten s auf

Rs = −

(

D

L

)(s−1)

Φs−1 +

[

(

D

L

)(s−1)

+

(

D

L

)(s)]

Φs −

(

D

L

)(s)

Φs+1

(

QL

2

)(s−1)

(

QLK

2

)(s)

= 0 (2.40)

2.4.4 Analyse eines Biegebalkens

Hier wollen wir die allgemeine Restgleichung (2.40), die wir durch Aus-wertung des Restintegrals gewonnen haben, fur die Approximation von

Verfgormungen eines einfach gelagerten Balkens einsetzen. Der Balken istim mittleren Bereich verstarkt worden und wird durch gleich große jedochgegensinnige Momente an beiden Enden belastet. Detailangaben sind dem

Bild (??) zu entnehmen. Die herrschende Dgl. fur die Verformung ist

EId2y

dx2−M(x) = 0 , (2.41)

wobei EI die Biegesteifigkeit, y die Verformung und M(x) den Verlauf des

Biegemomentes darstellt und die Randbedingung in y(0) = y(800) = 0erfasst sind.ein Vergleich mit der Gl. (2.13) zeigt, dass D = EI und Q = −M(x) =

−106 ist. Die Verstarkung in der Mitte erzeugt einen Sprung in EI bzw.in D am anfang und Ende des verstarkten Bereiches. Daher setzen wir bei

Diskretisierung Knoten an diesen Punkten. Das Interesse an Verformungin der Mitte des Balkens ist Grund genug fur einen weiteren Knoten in

der Mitte des Balkens. Somit haben wir die einfachste Diskretisierungund Vernetzung mit 5 Knoten und 4 Elementen. Die Elementdaten sind

in dieser Tabelle zusammengefasst

26 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

e D Q L

1 2,4e10 -1,0e6 200

2 4,0e10 -1,0e6 2003 4,0e10 -1,0e6 200

4 2,4e10 -1,0e6 200

Da Q und L konstant bleiben, lasst sich Gl. (2.40) wie folgt vereinfachen

Rs =−Ds−1Ys−1 + (Ds−1 +Ds)Ys −DsY(s+ 1)

L−QL = 0 , (2.42)

wobei Y fur die Knotenverschiebungen steht (anstelle des Φ). Schreibenwir die Restgleichungen fur die mittleren Knoten 2, 3 und 4, bekommen

wir

R2 = −1, 2Y1 + 3, 2Y2 − 2, 0Y3 + 2 = 0

R3 = −2, 0Y2 + 4, 0Y3 − 2, 0Y4 + 2 = 0

R4 = −2, 0Y3 + 3, 2Y4 − 1, 2Y5 + 2 = 0 . (2.43)

Durch Einarbeiten der Randbedingungen, Y1 = Y5 = 0, erhalten wir

R2 = 3, 2Y2 − 2, 0Y3 = −2

R3 = −2, 0Y2 + 4, 0Y3 − 2, 0Y4 = −2

R4 = −2, 0Y3 + 3, 2Y4 = −2 . (2.44)

Losung dieses Gleichungssystems ergibt: Y2 = −2, 5 cm, Y3 = −3, 0 cmund Y4 = −2, 5 cm. Nun kann man anhand der bekannten Knotenver-

schiebungen andere Großen berechnen, z.B. die Verformung an der Stellex = 300 cm, oder die Neigung des Balkens am Knoten 1.

Fur die Verformung an x = 300 cm mussen wir das Element 2 betrachten,weil sich der Punkt innerhalb dieses Elementes befindet. Furs Element 2gilt

y(2) = N(2)2 Y2 +N

(2)3 Y3 =

(

X3 − x

X3 −X2

)

Y2 +

(

x−X2

X3 −X2

)

Y3

Einsetzen von x = 300 cm und allen anderen Werten ergibt

y =

(

400 − 300

400 − 200

)

(−2, 5) +

(

300 − 200

400 − 200

)

(−3, 0) = −2, 75 cm

2.4. EIN BEISPIEL ZUR FE-FORMULIERUNG 27

Fur die Berechnung der Neigung am Knoten 1 mussen wir die erste Ab-

leitung der Verformungsfunktion (2.6) heranziehen und zwar fur das ersteElement:

y(1) = N(1)1 Y1 +N

(1)2 Y2 =

(

X2 − x

X2 −X1

)

Y1 +

(

x−X1

X2 −X1

)

Y2

dy(1)

dx=

1

L(−Y1 + Y2) =

−2, 5

200= −0, 0125 cm/cm

Wie man sieht ist die Neigung fur das Element 1 konstant (unabhangig

von x innerhalb des Elementes). Dieses gilt auch fur andere Elemente,obwohl sich die Betrage unterscheiden. Konstante Neigung ist ein großer

Nachteil von linearen Elementen.Das Balkenproblem wurde hier wegen seiner Dgl. gewahlt und soll nicht

den Eindruck erwecken, dass alle Balkenaufgaben auf dieser Weise zu losensind. Es gibt eine leistungsfahigere Methode mit einem spezifischen Bal-

kenelement, die wir in dem strukturmechanischen Kapitel kennen lernen.

2.4.5 Matrizendarstellung

Es ist einfacher und ordentlicher bei der Behandlung von Gleichungssyste-men (Gls.) die Matrizendarstellung zu verwenden. Das Gleichungssytem

(2.44) kann z.B. in Matrizenschreibweise so dargestellt werden

R2

R3

R4

=

3, 2 −2 0

−2 4 −20 −2 3, 2

Y2

Y3

Y4

−2

−2−2

=

0

00

(2.45)

Symbolisch kann das Gls. so geschrieben werden

{R} = [K] {Y } − {F} = {0} , (2.46)

wobei {R} fur den Restevektor steht,

[K] =

3, 2 −2 0−2 4 −2

0 −2 3, 2

(2.47)

die globale Steifigkeitsmatrix genannt wird und

{F} =

−2−2

−2

(2.48)

28 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

den globalen Kraftevektor darstellt.

2.5 Elementmatrizen: Galerkin-Formulierung

In diesem Abschnitt wollen wir sehen welche Elementbeitrage in dasendgultigen Gls. einfließen und wo sie plaziert werden. Dabei nutzen

wir die Matrizenschreibweise und definieren eine Elementsteifigkeitsmatrix

und einen Elementkraftevektor fur die Dgl. aus dem vorigen Abschnitt.Fur die Entwicklung der Elementmatrizen sind stets diese drei Punkte zu

beachten:

• Restgleichungen werden immer in numerischer Reihenfolge geordnet:

R1, R2, · · · , RP−1, RP , wobei P s fur Knoten-Nr. stehen.

• Innerhalb einer Gl. werden die Knotengroßen,Φ1,Φ2, · · · ,ΦP , in nu-merischer Reihenfolge geordnet.

• Fur jeden Knoten wird eine Gl. aufgestellt.

Die Randbedingungen werden erst dann eingearbeitet, wenn alle Gln. ent-wickelt worden sind.

2.5.1 Elementmatrizen

Wir fangen mit der Definition eines Spaltenvektors {R} an. Jede Kompo-

nente von {R} reprasentiert eine Restgleichung. Dieser Vektor ist

{R} =

R1

R2...RP−1

RP

, (2.49)

Darin reprasentiert Rβ die Restgleichung fur den Knoten β. Ferner wird

die Restgleichung jedes Knoten in Elementbeitrage aufgeteilt; z.B. R(e)β

stellt den Beitrag vom Element (e) zur Restgleichung des Knoten β dar.

Aus Knotengesichtspunkt besteht die Knotenrestgleichung aus Beitrage

2.5. ELEMENTMATRIZEN: GALERKIN-FORMULIERUNG 29

der Nachbarelemente (s. Abschnitt 2.4.2 Gl. 2.19). Aus Elementengesichts-

punkt leiste jedes Element Beitrage zu den Restgleichungen seines eigenenAnfangs- und Endknoten. Fur ein beliebiges Element mit den Knoten i

und j finden wir den Beitrag zum Knoten i als

R(e)i = −

∫ Xj

Xi

Ni(x)

(

Dd2φ

dx2+Q

)

dx (2.50)

und den Beitrag zum Knoten j als

R(e)j = −

∫ Xj

Xi

Nj(x)

(

Dd2φ

dx2+Q

)

dx . (2.51)

Diese Integrale haben wir bereits in Abschnitt 2.4.3 ausgewertet: Fur s = i

und t = j ist R(e)i aquivalent mit R

(e+1)s . Fur r = i und s = j ist R

(e)j

aquivalent mit R(e)s . Unter Berucksichtigung von Gln. (2.30) und (2.36)

erhalten wir

R(e)i = D

dx

x=Xi

+D

L(Φi − Φj) −

QL

2(2.52)

R(e)j = −D

dx

x=Xj

+D

L(−Φi + Φj) −

QL

2(2.53)

Die Gln. (2.52) und (2.53) konnen in Matrizenschreibweise so

{

R(e)i

R(e)j

}

=

{

I(e)i

I(e)j

}

+D

L

[

1 −1

−1 1

]{

Φi

Φj

}

−QL

2

{

1

1

}

(2.54)

oder so geschrieben werden

{

R(e)}

={

I(e)}

+[

k(e)]{

Φ(e)}

−{

f (e)}

, (2.55)

wobei{

R(e)}

den Beitrag vom Element (e) zu dem endgultigen Glei-

chungssytem darstellt. Dieser Beitrag beinhaltet eine Elementsteifigkeits-matrix

[

k(e)]

und einen Elementkraftevektor{

f (e)}

. Andere Vektoren dar-

in sind{

Φ(e)}

=

{

Φi

Φj

}

,

30 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

der der Spaltenvektor der Knotengroßen ist und

{

I(e)}

=

{

I(e)i

I(e)j

}

=

D dφdx

x=Xi

−D dφdx

x=Xj

, (2.56)

der der Beitrag des Elements zu der interelementaren Forderung wieder-

gibt. Den Term (2.56) schließen wir aus unserer Diskussion aus, es sei dennes gibt am Knoten 1 oder P Randbedingung mit Ableitung von φ.

Elementbezogene Großen sind hier die wichtigen Ergebnisse und sie sind:Die Elementsteifigkeitsmatrix

[

k(e)]

=D

L

[

1 −1

−1 1

]

(2.57)

und der Elementkraftevektor

{

f (e)}

=QL

2

{

11

}

. (2.58)

Der Vektor R reprasentiert ein Gleichungssytem, das symbolisch wie folgt

geschrieben wird

R = [K]{Φ} − {F} = {0} (2.59)

Die Gl. (2.54) zeigt, dass die Koeffizienten in der ersten Reihe von[

k(e)]

und{

f (e)}

sich in der i-ten Reihe von [K] und {F} befinden, weil die i-te

Reihe mit{

R(e)i

}

assoziiert ist. Ahnlicherweise die Koeffizienten in der

zweiten Reihe von[

k(e)]

und{

f (e)}

befinden sich in der j-ten Reihe von

[K] und {F}, weil diese Reihe mit{

R(e)j

}

assiziiert ist. Die Koeffizienten

von[

k(e)]

befinden sich in der i-ten und j-ten Spalte von [K], weil die

Koeffizienten in der ersten Spalte Φi multiplizieren und die in der zweitenSpalte Φj multiplizieren.

2.5.2 Direkte Steifigkeitsmethode

Dieser Namen wird einer Prozedur gegeben, die Elementmatrizen direkt in

das endgultige Gleichungssystem einarbeitet. Fur ein bestimmtes Element

2.5. ELEMENTMATRIZEN: GALERKIN-FORMULIERUNG 31

werden die numerische Werte von i und j uber die Spalten von[

k(e)]

und

auf der Seite von[

k(e)]

und{

f (e)}

entlang der Zeilen geschrieben.

[

k(e)]

=

i j[

k11

k21

k12

k22

]

ij

{

f (e)}

=

{

f1

f2

}

ij

(2.60)

Um diesen Schritt zu erlautern, nehmen wir einen hypothetischen Satz

von Matrizen[

k(e)]

=

[

4 65 7

]

,{

f (e)}

=

{

89

}

fur ein lineares Element zwischen den Knoten 2 und 3 (i = 2, j = 3) an.Nach direkter Steifigkeitsmethode schreiben wir

[

k(e)]

=

2 3[

45

67

]

23

{

f (e)}

=

{

89

}

23.

Damit wird die Position jeder Koeffizient in [K] und F wie folgt bestimmt

4 addiert auf K22 7 addiert auf K33

6 addiert auf K23 8 addiert auf F2

5 addiert auf K32 9 addiert auf F3

Hier betonen wir auf den Begriff addiert auf, weil es zu K22, K23, K32,K33, F2 und F3 Beitrage von anderen Elementen geben werden kann.

2.5.3 Analyse eines Biegebalkens

Hier behandeln wir die gleiche Aufgabe wie im Abschnitt 2.4.4 mit der

direkten Steifigkeitsmethode.Die Elementsteifigkeitsmatrix ist durch Gl. (2.57)und der Elementkrafte-

vektor durch die Gl. (2.58) gegeben. die Elementdaten sind in dieser Ta-belle zusammengefasst

e i j DL

QL2

1 1 2 1,2e8 -1,0e8

2 2 3 2,0e8 -1,0e83 3 4 2,0e8 -1,0e8

4 4 5 1,2e8 -1,0e8

32 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

Setzen wir DL und QL

2 in Gln (2.57) und (2.58) ein, erhalten wir

[

k(1)]

= 108

1 2[

1, 2−1, 2

−1, 21, 2

]

12

,{

f (1)}

= −108

{

11

}

12

[

k(2)]

= 108

2 3[

2

−2

−2

2

]

2

3,

{

f (1)}

= −108

{

1

1

}

2

3

[

k(3)]

= 108

3 4[

2−2

−22

]

34

,{

f (1)}

= −108

{

11

}

34

[

k(3)]

= 108

4 5[

1, 2

−1, 2

−1, 2

1, 2

]

4

5,

{

f (1)}

= −108

{

1

1

}

4

5

Die globalen Matrizen [K] und {F} werden zuerst mit Nullen belegt,anschließend werden die Komponenten der Elementmatrizen auf ihre zu-

gehorigen Stellen addiert und zwar Element fur Element. Das Addierenvom Element 1 ergibt

[K] = 108

1, 2 −1, 2 0 0 0−1, 2 1, 2 0 0 0

0 0 0 0 00 0 0 0 0

0 0 0 0 0

, {F} = −108

11

00

0

Das Addiren vom Element 2 ergibt

[K] = 108

1, 2 −1, 2 0 0 0−1, 2 3, 2 −2 0 0

0 −2 2 0 00 0 0 0 0

0 0 0 0 0

, {F} = −108

12

10

0

2.5. ELEMENTMATRIZEN: GALERKIN-FORMULIERUNG 33

Das Addiren vom Element 3 ergibt

[K] = 108

1, 2 −1, 2 0 0 0−1, 2 3, 2 −2 0 0

0 −2 4 −2 0

0 0 −2 2 00 0 0 0 0

, {F} = −108

122

10

Das Addieren vom Elementt 4 schließt den Prozess ab und ergibt dasGleichungssystem

1, 2 −1, 2 0 0 0−1, 2 3, 2 −2 0 0

0 −2 4 −2 0

0 0 −2 3, 2 −1, 20 0 0 −1, 2 1, 2

Y1

Y2

Y3

Y4

Y5

−1−2−2

−2−1

=

000

00

(2.61)

Das Endresultat ist eine 5×5 Steifigkeitsmatrix [K] und ein 5×1 Spalten-

vektor {F}. Die Anzahl der Gln. in diesem Gleichungssytem unterscheidetsich vom (2.44), weil die Randbedingungen noch nicht eingearbeitet wor-

den sind. Die Berucksichtigung der Randbedingungen bedeutet die Eli-minierung der ersten und der funften Gl. in (2.61), weil keine Gleichung

fur bekannte Knotengroßen, Y1 und Y5, aufzustellen ist. Dies fuhrt zu dreiGleichungen mit funf Knotengroßen:

R2 = −1, 2Y1 + 3, 2Y2 − 2, 0Y3 + 2 = 0

R3 = −2, 0Y2 + 4, 0Y3 − 2, 0Y4 + 2 = 0

R4 = −2, 0Y3 + 3, 2Y4 − 1, 2Y5 + 2 = 0 . (2.62)

Das Einsetzen der bekannten Werte von Y1 und Y5 fuhrt zu einem Systemvon drei Gln. mit drei unbekannten Knotengroßen

R2 = 3, 2Y2 − 2, 0Y3 + 2 = 0

R3 = −2, 0Y2 + 4, 0Y3 − 2, 0Y4 + 2 =

R4 = −2, 0Y3 + 3, 2Y4 + 2 = 0 , (2.63)

die mit Gln. (2.44) identisch sind.

34 KAPITEL 2. EINDIMENSIONALES LINEARES ELEMENT

2.5.4 Eigenschaften der globalen Steifigkeitsmatrix

Fur Strukturprobleme und fur selbst adjugierte Dgln. ist die Steifigkeits-

matrix [K] immer symmetrisch und positiv definiert. Jeder Koeffizientauf der Hauptdiagonale, Kii, ist im Vergleich zu den anderen auf der sel-

ben Reihe relativ groß. FE-Gleichungen werden oft mit der Methode derGaus’schen Elimination oder einer ihren Erweiterungen gelost, weil das

Gleichungssytem nicht immer diagonal dominant ist; d.h. Kii kann klei-ner als die Summe der restlichen Komponente der selben Reihe, i, sein.Die relativ großen Diagonalkomponenten ermoglichen, dass die Gaus’sche

Elimination ohne Reihenwechsel (Pivoting) erfolgen kann. Aus rechen-technischer Sicht ist dies wichtig, weil damit nur die Koeffizienten zu spei-

chern sind, die vom Null unterschieden sind. Die Symmetrieeingenschaftist ebenso wichtig, weil sie die Speicherung der Koeffizienten unter der

Hauptdiagonale uberflussig macht.

Die Symmetrieeigenschaft und die positive Definiertheit ergeben sich ausder mathematischen Formulierung. Die globale Steifigkeitsmatrix hat aberauch eine andere Eigenschaft, namlich die Bandformigkeit; d.h. die vom

Null unterschiedenen Koeffizienten dieser Matrix befinden sich innerhalbeines Bandes, dessen Breite vom Elementnetz und der Numerierung der

Knoten abhangt. Wahrend es innerhalb des Bandes Koeffizienten gleichNull geben kann, sind alle Koeffizienten außerhalb des Bandes gleich Null.

Die Bandformigkeit ergibt sich aus der Konstruktion des Gleichungssy-tems, die hier nicht naher erlautert wird. Je kleiner die Bandbreite, um-

so einfacher und kosteneffektiver wird die Losung des Gleichungssytemssein. Um die Bandbreite klein zu halten, ist es notwendig die Kontennu-merierung von Elementen so zu gestalten, dass die Differenz zwischen den

Knotennummern jedes Elementes moglichst gering bleibt. Wenn BW (e)

die Differenz zwischen den Knotennummern eines Elementes im FE-Netz

darstellt, lasst sich die Bandbreite aus folgender Gleichung berechnen

NBW = max[

BW (e)]

+ 1 . (2.64)

Kapitel 3

Zweidimensionale Elemente

Ein primarer Vorteil der FE-Methode ist die Einfachheit ihrer Verallge-

meinerung fur die Losung zweidimensionaler Probleme, die aus vielen un-terschiedlichen Materialien bestehen und nicht regulare Rander besitzen.

Es gibt eine Vielzahl von allgemeinen FE-Programmen fur die Losungzweidimensionaler Probleme. Alle diese Programme verwenden Dreiecks-

und Rechtseckelemente oder die generalisierten Formen dieser Elemen-te. Wir beginnen mit dem linearen Dreieckselement und dem bilinearenRechteckselement.

3.1 Zweidimensionale Netze

Das lineare Dreieckselement hat gerade Seiten und einen Knoten an jeder

Ecke. Die Interpolationsfunktion fur eine skalare Große im Element lautet

φ = α1 + α2x+ α3y . (3.1)

Diese Gl. ist ein vollstandiges lineares Polynom, weil sie einen konstantenTerm und alle mogliche lineare Terme, namlich x und y besitzt. Folglich

kann das Dreieckselement jede Orientierung haben und die Kontinuitats-bedingungen fur die benachbarten Elemente erfulen.

Das bilineare Rechteckselement hat ebenso gerade Seiten und einen Kno-

ten an jeder Ecke. Die Interpolationsfunktion fur eine skalare Große imElement ist

φ = C1 + C2x+ C3y + C4xy . (3.2)

35

36 KAPITEL 3. ZWEIDIMENSIONALE ELEMENTE

(a)

i

j

ky

xi

y

xj

km

(b)

Abb. 3.1: (a) Das lineare Dreieckselement, (b) Das bilineare Rechteckselement.

Diese Gl. hat nur eine aus drei moglichen Termen der zweiten Ordnung,

xy. Das Rechteck kann nicht beliebig orientiert sein, weil die quadratischenTermen, x2 und y2, fehlen. Daher mussen die Seiten des Rechteckelementes

parallel zu den Koordinatenachsen sein. Ein Netz von Rechteckelementenist leicht zu konstruieren. Alle Elemente in einer Reihe sollen die gleiche

Hohe und alle Elemente in einer Spalte die gleiche Breite haben. Durchpassende Kombination von Dreiecks- und Rechteckselmeneten kann manauch irregulare Gebiete vernetzen. Debei teilt man zuerst das Gebiet in

groben Teilgebieten, die man sichtbar leichter mit Dreiecks- oder Recht-eckselementen diskretisieren kann. Die Knoten an Grenzen der Teilgebie-

ten mussen identisch sein (in Anzahl, Nummer und Position), damit dieKontinuitat in φ gewahrleistet ist. Die gekrummten Gebietsrander sind

durch eine Reihe von Geraden zu ersetzen.

3.2 Das lineare Dreieckselement

Das lineare Dreieckselement in Bild (3.2) hat gerade Seiten und drei Kno-ten, die an Ecken liegen. Zur konsistenten Bezeichnung der Knoten und

Seiten fangen wir mit einem beliebigen Knoten an und bezeichnen ihnmit i, dann schreiten wir gegen Uhrzeigersinn fort. Die Knotenkoordina-

ten bezeichnen wir mit (Xi, Yi), (Xj, Yj) und (Xk, Yk). Die Knotengroßensind: Φi, Φj und Φk. Die Ansatzfunktion fur dieses Element wurde durch

Gl. (3.1) gegeben. Damit gilt fur die Knotengroßen:

3.2. DAS LINEARE DREIECKSELEMENT 37

(X ,Y )j j

(X ,Y )k k

i i(X ,Y )

φ=α +α +α21 x 3y

x

y

φ

Φj

Φk

Φi

j

k

i

Abb. 3.2: Parameter des linearen Dreieckselementes.

φ = Φi an x = Xi, y = Yi

φ = Φj an x = Xj, y = Yj

φ = Φk an x = Xk, y = Yk

Durch Einsetzen dieser Werte in Gl. (3.1) erhalten wir das Gleichungssy-tem

Φi = α1 + α2Xi + α3Yi

Φj = α1 + α2Xj + α3Yj (3.3)

Φk = α1 + α2Xk + α3Yk

Die Auflosung nach unbekannten Koeffizienten ergibt

α1 =1

2A[(XjYk −XkYj)Φi + (XkYi −XiYk)Φj + (XiYj −XjYi)Φk]

α2 =1

2A[(Yj − Yk)Φi + (Yk − Yi)Φj + (Yi − Yj)Φk]

α3 =1

2A[(Xk −Xj)Φi + (Xi −Xk)Φj + (Xj −Xi)Φk] ,

38 KAPITEL 3. ZWEIDIMENSIONALE ELEMENTE

wobei A der Flacheninhalt des Dreiecks ist und das zweifache davon der

Determiniante der Koeffizientenmatrix gleich ist:∣

1 Xi Yi

1 Xj Yj

1 Xk Yk

= 2A (3.4)

Das Einsetzen von α1, α2 und α3 in Gl. (3.1) ergibt eine Gleichung fur φ,die man in Termen von Knotengroßen, Φi, Φj und Φk, und Formfunktio-

nen, Ni, Nj und Nk, ausdrucken kann:

φ = NiΦi +NjΦj +NkΦk (3.5)

Darin sind

Ni =1

2A[ai + bix+ ciy] (3.6)

Nj =1

2A[aj + bjx+ cjy] (3.7)

Nk =1

2A[ak + bkx+ cky] (3.8)

und

ai = XjYk −XkYj , bi = Yj − Yk und ci = Xk −Xj

aj = XkYi −XiYk , bj = Yk − Yi und cj = Xi −Xk

ak = XiYj −XjYi , bk = Yi − Yj und ck = Xj −Xi

Die skalare Große φ wurde durch Formfunktionen, die in x und y linearsind, mit den Knotengroßen verknopft. Dies bedeutet, dass die Gradienten∂φ/∂x und ∂φ/∂y innerhalb des Elementes konstant sind. Zum Beispiel

∂φ

∂x=∂Ni

∂xΦi +

∂Nj

∂xΦj +

∂Nk

∂xΦk , (3.9)

und mit∂Nβ

∂x=

bβ2A

β = i, j, k

erhalt man∂φ

∂x=

1

2A[biΦi + bjΦj + bkΦk] . (3.10)

Die Ableitung ∂φ/∂x hat einen konstanten Wert, weil bi, bj und bk Kon-

stanten und Φi, Φj und Φk unabhangig von Raumkoordinaten sind. Ein

3.3. DAS BILINEARE RECHTECKSELEMENT 39

konstanter Gradient innerhalb des Elementes bedeutet, dass viele klei-

ne Elemente notwendig sind, um starke Anderungen in φ relativ genauapproximieren zu konnen.

Beispiel 3.1

3.3 Das bilineare Rechteckselement

Das bilineare Rechteckselement hat eine Lange von 2b und eine Hohe von

2a. Sein Knoten sind durch i, j, k und m bezeichnet, wobei i immer denKnoten unten links bezeichnet und die fortlaufende Bezeichnung gegen den

Uhrzeigersinn lauft. Das Element und die wichtigen Koordinatensystemesind in Bild (3.3) dargestellt. Die Ansatzfunktion in Gl. (3.2) ist hier in

Termen der lokalen Koordinaten, s und t, umgeschrieben:

φ = C1 + C2s+ C3t+ C4st (3.11)

Es gibt mindestens zwei weitere Formen der Umschreibung, die den Termst entweder durch s2 oder durch t2 ersetzen. Die Gl. (3.11) wird hier be-

nutzt, weil φ entlang jeder Linie mit konstantem t in s linear ist und ent-lang jeder Linie mit konstantem s in t linear ist. Wegen dieser Eigenschaf-ten bezeichnet man das Element als bilinear. Die Ansatzfunktion (3.11)

Φi

Φm

Φj

Φk

φ =C +C +C +C 1 2 3s t 4 st

x

y

q

φ

2b

2a

ij

k

mt

s

r

Abb. 3.3: Parameter des bilinearen Rechteckselementes.

40 KAPITEL 3. ZWEIDIMENSIONALE ELEMENTE

wurde bezogen auf ein lokales Koordinatensytem geschrieben, dessen Ur-

sprung auf dem Knoten i liegt, weil die Auswertung der Formfunktionenin diesem Referenzsystem einfacher ist. Ein anderes wohl bekanntes Be-

zugssytem ist das qr-System, dessen Ursprung auf dem Mittelpunkt desElementes liegt und seine Achsen parallel zu den Elementseiten laufen.Die Koeffizienten C1 bis C4 in Gl. (3.11) werden durch Einsetzen der Kno-

tenwerten von φ und Knotenkoordinaten (in st-System) gerechnet. Manerhalt vorerst die folgenden vier Gln.:

Φi = C1

Φj = C1 + (2b)C2

Φk = C1 + (2b)C2 + (2a)C3 + (4ab)C4

Φm = C1 + (2a)C3

Die Losung nach unbekannten Koeffizienten ergibt

C1 = Φi

C2 =1

2b(Φj − Φi)

C3 =1

2a(Φm − Φi) (3.12)

C4 =1

4ab(Φi − Φj + Φk − Φm)

Durch Einsetzen der Koeffizienten in Gl. (3.11) und Umschreiben erhalten

wirφ = NiΦi +NjΦj +NkΦk +NmΦm . (3.13)

Darin sind

Ni =(

1 −s

2b

)

(

1 −t

2a

)

Nj =s

2b

(

1 −t

2a

)

Nk =st

4ab(3.14)

Ni =t

2a

(

1 −s

2b

)

Die Formfunktionen fur das bilineare Rechteckselement haben ahnlicheEigenschaften wie die vom Dreieckselement. Jede Formfunktion lauft ent-

lang zweier Elementkanten zwischen ihrem zugehorigen Knoten und zwei

3.4. EINE KONTINUIERLICHE STUCKWEISE GLATTE FUNKTION 41

benachbarten Knoten linear. Zum Beispiel lauft Ni entlang der Seiten ij

und im linear. Jede Formfunktion ist an den Seiten, die nicht mit ihremKnoten verbunden sind, gleich Null, d. h. Ni ist enlang der Seiten jk und

km gleich Null. Der lineare Verlauf von φ an Seiten des Rechteckselementesund an Seiten des Dreieckselementes bedeutet, dass diese Elemente zuein-ander kompatible sind und nebeneinander verwendet werden konnen.

Die Transformationsgleichungen zwischen qr-Koordinatensystem und st-

Koordinatensystem sind

s = b+ q und t = a+ r . (3.15)

Einsetzen dieser Transformationen in Gln. (3.14) ergibt

Ni =1

4

(

1 −q

b

)(

1 −r

a

)

Nj =1

4

(

1 +q

b

)(

1 −r

a

)

Nk =1

4

(

1 +q

b

)(

1 +r

a

)

(3.16)

Ni =1

4

(

1 −q

b

)(

1 +r

a

)

Diese Formfunktionen sind sehr nutzlich, weil sie zu einem naturlichen

Koordinatensystem fuhren, das dem Rechteckselement erlaub die Formeiner allgemeinen Viereckelement anzunehmen.Eine Kontur- oder Profillinie ist in einem Rechteckselement im Allgemei-

nen gekrummt. Die zwei Schnittstellen einer Konturlinie mit den Ele-mentkanten konnen aus linearen Interpolationen gerechnet werden. die

einfachste Methode zur Berechnung eines dritten Punktes ist, s oder t inden Formfunktionen gleich Null setzen und dann die Gl. (3.13) fur die

andere Koordinate losen.

Beispiel 3.2

3.4 Eine kontinuierliche stuckweise glatte Funktion

Die in Gl. (3.5) und (3.13) definierten Interpolationsfunktionen kann man

fur jedes Dreiecks- bzw. Rechteckselement verwendet, wenn man die ent-sprechenden Knotenwerte von i, j und k bzw. von i, j, k und m ein-

setzt. Jeder Knoten eines Dreieckselementes kann der Knoten i sein.

42 KAPITEL 3. ZWEIDIMENSIONALE ELEMENTE

1

2

3

4

5

6

7

8

(1)

(2)

(3)

(4)

*

*

*

*

Abb. 3.4: Ein FE-Netz ausDreiecks-und Rechteckselemen-ten. * zeigt den Knoten i vonjedem Element

Bei einem Rechteckselement liegt der Knoten i stets am Ursprung desst-Koordinatensystems. Die folgende Tabelle stellt die Element-Knoten-Daten fur das FE-Netz in Bild (3.4) dar, in dem der Knoten i mit einem

∗ bezeichnet wurde:

e i j k m

1 1 4 5 22 2 5 6 3

3 3 6 74 8 3 7

Die Interpolationsfunktion fur das Element 1 ist

φ(1) = N(1)1 Φ1 +N

(1)4 Φ4 +N

(1)5 Φ5 +N

(1)2 Φ2 (3.17)

Hier sind die Knotennummer eines Elements nicht mehr in Reihenfolge,und das ist in zweidimensionalem Fall selbstverstandlich. Die Formfunk-

tionen in Gl. (3.5) sind Funktionen der globalen Koordinaten, in demSinne, dass es gilt:

2b = Xj −Xi = X4 −X1

und2a = Ym − Yi = Y2 − Y1

Die Interpolationsfunktion fur das Element 4 ist

φ(4) = N(4)8 Φ8 +N

(4)3 Φ3 +N

(4)7 Φ7 (3.18)

3.4. EINE KONTINUIERLICHE STUCKWEISE GLATTE FUNKTION 43

Die Formfunktionen in (3.18) sind Funktionen der globalen Koordinaten

und die Bezeichnungen i, j, und k machen sofort deutlich, welche Koor-dinaten einzusetzen sind. Betrachten wir zum Beispiel N

(4)8 . Aus Gl. (3.6)

erhalten wir

N(4)8 =

1

2A(a

(4)8 + b

(4)8 x + c

(4)8 y) ,

wobei mit j = 3 und k = 7 gilt

a(4)8 = X3Y7 −X7Y3

b(4)8 = Y3 − Y7

c(4)8 = X7 −X3

Die Flache A bezieht sich auf das Element 4. Formfunktionen wieN(4)8 sind

kontinuierlich und in x und y linear. Dies Macht die Interpolationsfunktionin (3.17) oder (3.18) zu einer kontinuierlichen stuckweise glatten Funktion.

44 KAPITEL 3. ZWEIDIMENSIONALE ELEMENTE

Kapitel 4

Koordinatensysteme

Alle FE-Losungen sind an Auswertung von Integralen angewiesen, die

nicht immer leicht zu machen ist. Manche Integrale konnen gar nicht ana-lytisch ausgewertet werden und mussen mit numerischen Techniken be-handelt werden. Die Schwierigkeiten einer Integralauswertung konnen oft

durch Variablenanderung gemindert werden. Dies schließt die Umschrei-bung des Integrals in einem neuen Koordinatensystem ein. Hier lernen

wir ein paar Koordinatensysteme kennen, die die Auswertung von FE-Integralen erleichtern konnen. Betrachtet werden lokale Koordinatensy-

steme und naturliche Koordinatensysteme fur das lineare eindimensionaleElement, das lineare Dreieckselement und das bilineare Rechteckselement.

4.1 Lokale Koordinatensysteme

Fur ein lineares Element wurden im Abschnitt 2 folgende Formfunktionenabgeleiete

Ni =Xj − x

Lund Nj =

x−Xi

L, (4.1)

wobei der Ursprung des KS irgendwo auf der linken Seite des Knoten i

gesetzt wurde. Diese Formfunktionen sind fur alle lineare 1D-Elementeunabhangig von ihrer Lage im Raum gultig. Ihrer Nachteil zeigt sich erst,wenn man Integrale auswerten will, die Produkten solcher Formfunktionen

beinhalten, wie z.B.∫ Xj

Xi

Ni(x)Nj(x)dx oder

∫ Xj

Xi

N2i (x)dx (4.2)

45

46 KAPITEL 4. KOORDINATENSYSTEME

i j

s

x L

(a)

i jx

L

L / 2

q

(b)

Abb. 4.1: Lokale Koordinatensysteme fur das lineare eindimensionale Element

Solche Integrale treten bei Feldproblemen und Festkorpermachanik auf.

Legt man den Ursprung des KS auf dem Element fest, kann man neueFormfunktionen ableiten, die die Integrale in (4.2) vereinfachen. Diese

Art von KS wird als lokales Koordinatensystem, LKS, bezeichnet. Zweider bakanntesten LKS fur das lieare 1D-Element haben ihren Ursprung

auf dem Knoten i bzw. auf dem Mittelpunkt des Elementes (s. Bild 4.1).Die Formfunktionen fur das LKS mit Ursprung auf dem Knoten i erhaltman durch den Austausch von x mit Xi +s in Gln. (4.1). Die Substitution

ergibt:

Ni(s) =Xj − x

L=Xj − (Xi + s)

L= 1 −

s

L(4.3)

und

Nj(s) =x−Xi

L=

(Xi + s) −Xi

L=s

L(4.4)

Die Koordinate s befindet sich im Bereich [0, L. Man sieht, dass jedeFormfunktion weiterhin an eigenem Knoten den Wert 1 und am anderen

den Wert Null hat.

Die Formfunktionen fur das LKS mit Ursprung auf dem Mittelpunkt desElementes erhalt man dadurch, dass man x in Gln. (4.1) durchXi+(L/2)+q ersetzt. Die Formfunktionen bezogen auf dieses LKS sind:

Ni(q) =

(

1

2−q

L

)

und Nj(q) =

(

1

2+q

L

)

(4.5)

Die Koordinate q befindet sich im Bereich [−L/2, L/2].

Die Formfunktionen in (4.3), (4.4) und (4.5) sind erst dann nutzlich, wenn

eine Variablenanderung im Integral vollzogen wird. Die Formel fur Varia-

4.1. LOKALE KOORDINATENSYSTEME 47

blenanderung ist nach Integralrechnung wie folgt

∫ b

a

f(x)dx =

∫ p2

p1

f(g(p))

[

d(g(p))

dp

]

dp , (4.6)

wobei p die neue Koordinatenvariable und g(p) die Beziehung zwischen

x und p darstellt: x = g(p). Die Interpretation der Formel (4.6) bezogenauf die LKS in Bild 4.1 lauft wie im Folgenden. Fur die Koordinate s gilt:x = Xi + s, und hier bekommt man

∫ Xj

Xi

f(x)dx =

∫ s2

s1

f(Xi + s)d(Xi + s)

dsds =

∫ L

0

h(s)ds , (4.7)

wobei h(s) die f(x) in Termen von s wiedergibt. Zur Umrechnung desIntegralbereiches wurde x in x = Xi + s durch Xi bzw. Xj ersetzt und dieGleichung fur s gelost.

Fur die Koordinate q gilt: x = Xi + L/2 + q, und hier erhalt man

∫ Xj

Xi

f(x)dx =

∫ q2

q1

r(q)d(Xi + L/2 + q)

dqdq =

∫ L/2

−L/2

r(q)dq , (4.8)

wobei, r(q) die f(x) in Termen von q beschreibt.Der Vorteil von Gln. (4.7) und (4.8) zeigt sich bei der Auswertung von

Integralen wie∫ Xj

Xi

N2i dx .

In diesem Fall bekommen wir mit der Koordinate s∫ Xj

Xi

N2i dx =

∫ L

0

N2i (s)ds =

∫ L

0

(

1 −s

L

)2

ds =L

3.

Und mit der Koordinate q erhalten wir

∫ Xj

Xi

N2i dx =

∫ L/2

−L/2

N2i (q)dq =

∫ L/2

−L/2

(

1

2−q

L

)2

dq =L

3.

Versuchen Sie bitte selbst die Auswertung des oberen Integrals ohne Va-

riablenanderung.

48 KAPITEL 4. KOORDINATENSYSTEME

4.2 Naturliche Koordinatensysteme

Ein naturliches KS ist ein lokales KS, das erlaubt einen Punkt innerhalbdes Elements durch eine dimensionslose Zahl festzulegen, derer absoluterWert nie großer als 1 wird. Die lokale Koordinatensysteme s und q konnen

zur naturlichen KS konvertiert werden.

Wir fangen mit der q-Koordinate in Bild 4.1 an und bilden das Langen-verhaltnis q/(L/2) = 2q/L = ξ. Die Koordinate ξ variiert von -1 bis +1 (s.

Bild 4.2a). Die Formfunktionen in Gln. (4.5) konnen mittels Substitutionvon q durch q = ξL/2 in Termen von ξ geschrieben werden:

Ni(ξ) =1

2(1 − ξ) und Nj(ξ) =

1

2(1 + ξ) (4.9)

Die Variablenanderung bei Integration ergibt:

∫ L/2

−L/2

r(q)dq =

∫ ξ2

ξ1

g(ξ)d(ξL/2)

dξ=L

2

∫ 1

−1

g(ξ)dξ , (4.10)

wobei g(ξ) die r(q) in Termen von ξ wiedergibt. Der Vorteil von Koordi-natenvariable ξ liegt im daraus resultierenden Integrationsbereich [−1, 1].

Die meisten Rechenprogramme nutzen numerische Integrationstechnikenzur Auswertung von Elementmatrizen. Ein numerisches Integrationsver-

fahrern, das in FE-Programmen verwendet wird, ist das Gauß-Legendre-Verfahren, wobei Stutzpunkte und Gewichtsfaktoren im Interval [−1, 1]

eingesetzt werden.

Ein zweites naturliches KS beinhaltet ein Paar von Langenverhaltnissen(s. Bild 4.2b). Wenn s den Abstand vom Knoten i angibt, dann werden

i jL / 2

L

ξ = 1ξ = −1 ξ

(a)

l 2 l1

i js

L

(b)

Abb. 4.2: Naturliche Koordinatensysteme fur das lineare eindimensionale Element

4.2. NATURLICHE KOORDINATENSYSTEME 49

ℓ1 und ℓ2 als die Langenverhaltnisse wie folgt definiert

ℓ1 =L− s

Lund ℓ2 =

s

L(4.11)

Die Koordinaten ℓ1 und ℓ2 sind von einander abhangig, denn es gilt

ℓ1 + ℓ2 = 1 (4.12)

Die wichtigste Eigenschaft von Gln. (4.11) und (4.12) ist, dass ℓ1 undℓ2 mit den Formfunktionen in (4.3) und (4.4) identisch sind. Der Vorteil

dieser Koordinaten zeigt sich bei der Auswertung von Integralen der Art

∫ L

0

Nai (s)N b

j (s)ds , (4.13)

die das Produkt von Formfunktionen beinhalten. Die Regel der Varia-blenanderung und die Beziehungen Ni(s) = ℓ1, Nj(s) = ℓ2, s = Lℓ2 und

ds/dℓ2 = L ergeben

∫ L

0

Nai (s)N b

i (s)ds =

∫ 1

0

ℓa1ℓb2Ldℓ2 (4.14)

Das Integral auf der rechten Seite von (4.14) lasst sich mit Hilfe von Gl.(4.12) wie folgt umschreiben

L

∫ 1

0

(1 − ℓ2)aℓb2dℓ2 (4.15)

Diese Integral ist von der gleichen Form wie

∫ 1

0

tz−1(1 − t)w−1dt =Γ(z)Γ(w)

Γ(z + w, (4.16)

wobei Γ(n+ 1) = n! ist. Daher

L

∫ 1

0

ℓa1ℓb2dℓ2 = L

Γ(a+ 1)Γ(b+ 1)

Γ(a+ b+ 1 + 1

= La!b!

(a+ b+ 1)!(4.17)

50 KAPITEL 4. KOORDINATENSYSTEME

Koordinaten- Koordinaten- Integrations-system variable Formfunktionen bereich

Global x Ni =Xj−x

L, Nj = x−Xi

L[Xi, Xj]

Lokal s Ni =1 − s

L, Nj = s

L[0, L]

Lokal q Ni =(

12− q

L

)

, Nj =(

12

+ q

L

) [

−L

2, L

2

]

Naturlich ξ Ni =12(1 − ξ) , Nj = 1

2(1 + ξ) [−1, 1]

Naturlich ℓ2 Ni = ℓ1 , Nj = ℓ2 [0, 1]

Tabelle 4.1: Koordinatensysteme und Integrationsbereiche fur das lineare 1D-Element

Diese Gleichung besagt, dass ein relativ kompliziertes Integral mit Hilfeeiner Gleichung, die die Lange des Elements und ie Ordnungen der Pro-dukten beinhaltet, ausgewertet werden kann. Dies wird durch Auswertung

einiger Integrale gezeigt. Begonnen mit∫ Xj

Xi

N2i (x)dx =

∫ L

0

N2i (s)ds

erhalten wir von (4.12)∫ L

0

N2i (s)ds = L

∫ 1

0

ℓ21ℓa2dℓ2 = L

2!0!

(2 + 0 + 1)!=L

3.

Ein anderes Beispiel ist∫ L

0

N3i (s)N2

j (s)ds = L

∫ 1

0

ℓ31ℓ22dℓ2 = L

3!2!

(3 + 2 + 1)!=

L

60

Die Koordinatensysteme, Formfunktionen und Integrationsbereiche furdas eindimensionale lineare Element sind in Tabelle 4.2 aufgelistet.

4.3 Das Rechteckselement

Fur das Rechteckselement haben wir bereits im Abschnitt 3.2 zwei LKS,

st− und qr−KS, und daraus abgeleiteten Formfunktionen vorgestellt.

4.4. DAS DREIECKSELEMENT: FLACHENKOORDINATEN 51

η =1

=−1η

ξ=

−1

=1

ξ

i j

km

η

ξ Abb. 4.3: Ein naturliches Koor-dinatensystem fur das Rechtecks-element

Das NKS fur das Rechteckselement hat seinen Ursprung am Mittelpunkt

des Elementes (s. Bild 4.3) und seine Koordinaten sind die Langenverhalt-nisse:

ξ =q

bund η =

r

a, (4.18)

wobei q und r die lokalen Koordinaten sind (s. Bild 3.3). Somit konnen

die Formfunktionen in (3.16) leicht zu naturlichen koordinaten konvertiertwerden. Das Ergebnis lautet:

Ni =1

4(1 − ξ)(1 − η), Nj =

1

4(1 + ξ)(1 − η)

Nk =1

4(1 + ξ)(1 + η), Nm =

1

4(1 − ξ)(1 + η) (4.19)

Es ist zu beachten, dass ξ und η zwischen -1 und 1 variieren, d.h.

−1 ≤ ξ ≤ 1 und − 1 ≤ η ≤ 1

4.4 Das Dreieckselement: Flachenkoordinaten

Ein naturliches Koordinatensystem fur das Dreieckselement ist durch De-

finition von drei Langenverhalnissen L1, L2 und L3 zu erhalten (s. Bild4.4a). Jede Koordinate ist ein Verhaltnis, das zwischen dem Abstand s

von einer Seite und der Hohe h fur die gleiche Seite besteht (s. Bild 4.4b).Damit variiert jede Koordinate zwischen 0 und 1. Die Linien der konstan-

ten L1 sind in Bild 4.4c dargestellt. Diese sind alle parallel zur Bezugsseite

52 KAPITEL 4. KOORDINATENSYSTEME

L 3

L1

L 2

i

j

k

(a)

L1

s

b

B

h

k

i

j

(b)

L1

L =11

L =1/21

1L =1/4L =3/41

L =01

k

i

j

(c)

Abb. 4.4: Die drei Flachenkoordinaten fur ein Dreieckselement

jk, von der L1 gemessen wurde.Die Koordinaten L1, L2 und L3 werden Flachenkoordinaten genannt, weil

ihre Werte das Flachenverhaltnis zwischen einem Unterdreieck und demganzen Dreieckelement angeben. Betrachten wir den Punkt B im Drei-eckselement in Bild 4.5. Die Flache des ganzen Dreiecks ist A und gegeben

durch

A =bh

2,

wahrend die Flache des schraffierten Dreiecks (B, j, k) ist

A1 =bs

2(4.20)

Das Flachenverhaltnis A1/A2 ergibt

A1

A=s

h= L1 (4.21)

Die Koordinate L1 stellt das Verhaltnis der schraffierten Flache in Bild4.5 zur Gesamtflache dar. Ahnliche Gleichungen konnen fur L2 und L3

geschrieben werden:

L2 =A2

Aund L3 =

A3

A(4.22)

Da es gilt A1 +A2 + A3 = A, erhalt man

L1 + L2 + L3 = 1 (4.23)

Diese Gleichung beschreibt die Abhangigkeit der drei Koordinaten. Der

Ort eines Punktes lasst sich mit nur zwei Koordinaten festlegen.

4.4. DAS DREIECKSELEMENT: FLACHENKOORDINATEN 53

�����������������������������������

�����������������������������������

A1A2

A3

bh

k

i

j

s

B

x

y

Abb. 4.5: Aufteilung eines Drei-eckselementes in Teilflachen ent-sprechend der Flachenkoordina-ten

Die Gl. (4.21) kann in eine andere Form wiedergeben werden: Multiplika-

tion von Zahler und Nenner mit 2 ergibt

L1 =2A1

2A(4.24)

Die Determinante-Erweiterung fur 2A1 liefert:

2A1 =

1 x y

1 Xj Yj

1 Xk Yk

oder

2A1 = (XjYk −XkY j) + (Yj − Yk)x+ (Xk − Yj)y , (4.25)

wobei x und y die Koordinaten von B in Bild 4.5 sind. Einsetzen von

(4.25) in GL. (4.24) ergibt

L1 =1

2A[(XjYk −XkY j) + (Yj − Yk)x+ (Xk − Yj)y] . (4.26)

Diese Gl. ist mit der Gl. (3.6) identisch; daher gilt

L1 = Ni (4.27)

Ahnlische Verfahren fur L2 und L3 fuhren zu

L2 = Nj und L3 = Nk (4.28)

54 KAPITEL 4. KOORDINATENSYSTEME

Die Flachenkoordinaten fur das lineare Dreieckselement sind mit den

Formfunktionen identisch und konnen als zwei tauschbare Wertesatze ver-wendet werden.

Der Vorteil von Flachenkoordinaten liegt in Existenz einer Integralglei-chung, die die Auswertung von Flachenintegralen vereinfacht (Eisenbergund Malvern, 1973). Diese Integralgleichung ist mit der Gl. (4.17) ver-

wandt und lautet∫

A

La1L

b2L3cdA =

a!b!c!

(a+ b+ c+ 2)!2A (4.29)

Die Nutzung von (4.29) kann durch Auswertung vom Integral eines Pro-

duktes von Formfunktion∫

A

Ni(x, y)Nj(x, y)dA (4.30)

uber die Flache eines Dreiecks erortert werden. Die Flachenintegral ist∫

A

NiNjdA =

A

L11L

12L

03dA

=1!1!0!

(1 + 1 + 0 + 2)!2A =

2A

4!=A

12

Die Flachenkoordinaten L1 und L2 konnen anstelle Ni bzw. Nj eingesetztwerden. Da Nk nicht im Produkt vorhanden war, wurde L3 mit der Potenz

0 eingesetzt. Die 0 Fakultat ist als 1 definiert.

Die Berucksichtigung von abgeleiteten Randbedingungen oder von

Flachenlasten in FE-Analyse fordert, dass ein Integral entlang einer Ele-mentkante ausgewertet wird. Diese Auswertung ist dann leicht, wenn man

weiß, wie sich die Flachenkoordinate auf dieser Kante verhalt. Betrachtewir den Punkt B auf der Seite ij (s. Bild 4.6). Die Koordinate L3 istgleich Null und L1 gleicht dem Verhaltnis der schraffierten Flache zur Ge-

samtflache. Definiert wird hier die Koordinatenvariable s, die zur Seite ijparallel ist und vom Knoten i gemessen wird. Wenn die Koordinate von

Punkt B gleich s ist und die Lange der Seite gleich b, dann erhalt man

L1 =2A1

2A=

2h(b−s)2

2bh2

=b− s

b= 1 −

s

b(4.31)

4.4. DAS DREIECKSELEMENT: FLACHENKOORDINATEN 55

����������������������������������������

����������������������������������������

A1

L 1

k

j

sb

i

B

h

x

y

Abb. 4.6: Die Flachenkoordina-ten fur einen Punkt auf einer Sei-te des Dreieckselementes

Die Flachenkoordinate L2 bekommt man als

L2 =s

b(4.32)

Die Flachenkoordinaten L1 und L2 reduzieren sich auf eindimensionale

Formfunktionen Ni(s) und Nj(s), die in Gln. (4.3) und (4.4) definiertworden sind. Wenn wir von eindimensionalen naturlichen Koordinaten ℓ1und ℓ2 gebrauch machen, die in Gl. (4.11) definiert wurden, dann werdendie Flachenkoordinaten zu

L1 = ℓ1 und L2 = ℓ2 side i→ j (4.33)

Die beziehungen fur die zwei anderen Seiten sind

L2 = ℓ1 und L3 = ℓ2 side j → k (4.34)

L3 = ℓ1 und L1 = ℓ2 side k → i (4.35)

Das Wichtige an Gln. (4.33), (4.34) und (4.35) ist, dass jedes Integral ubereine Seite eines Dreieckselementes durch ein Linienintegral in Termen von

s und ℓ2,∫

Γ

f(L1, L2, L3)dΓ =

∫ L

0

g(s)ds = L

∫ 1

0

h(ℓ2)dℓ2 , (4.36)

ersetzt und mittels Fakultatformel (4.17) ausgewertet werden kann. Der

Rand eines zweidimensionalen Elementes wurde hier durch Γ bezeichnet.

Beispiel 4.1

56 KAPITEL 4. KOORDINATENSYSTEME

4.5 Kontinuitat

Die Naherung von φ(x, y) in einem Bereich beinhaltet eine Reihe von kon-tinuierlichen stuckweise glatten Funktionen, die jeweils uber ein Element

definiert sind. Der Bedarf an Integration stellt eine Forderung an die Kon-tinuitatsordnung zwischen den Elementen. Das Integral

∫ H

0

dnφ

dxn

ist nur dann definiert, wenn φ eine Kontinuitat der Ordnung (n − 1)hat. Dies stellt sicher, dass es nur Diskontinuitat in Form von endlichen

Sprunge gibt. Diese Forderung bedeutet, dass zwischen den Elementen dieerste Ableitung der Naherungsfunktion kontinuierlich sein muss, wenn dasIntegral Termen mit zweiter Ableitung (n = 2) beinhaltet. Alle Integra-

le in diesem Skript, ausgenommen fur das Balkenelement, haben Termenmit der ersten Ableitung. Daher muss φ zwischen den Elementen konti-

nuierlich sein, aber ihre Ableitungen nicht. Kontinuitat in der Ableitungist jedoch fur das Balkenelement erforderlich.

Kontinuitat von φ ist fur das eindimensionale Element gewahrleistet,weil zwei benachbarte Elemente einen gemeinsamen Knoten haben. Kon-tinuitat von φ entlang einer gemeinsamen Seite von zwei Rechtecksele-

menten ist relativ leicht nachzuweisen. Entlang einer gemeinsamen Grenz

Φ1

Φ2

Φ4

Φ3

12

3

4(1)

(2)

φ

x

y

**

Abb. 4.7: Ein Netz von zweiDreieckselementen

4.5. KONTINUITAT 57

zwischen zwei beliebig orientierten Dreieckselementen ist es etwas schwe-

rer und wird hier behandelt.Betrachten wir die zwei benachbarten Elemente in Bild 4.7 mit Koordi-

natenursprung auf den Knoten 1. Die Knotengroßen sind Φ1, φ2, φ3 undφ4. Die Gln. fur φ sind

φ(1) = N(1)1 Φ1 +N

(1)3 Φ3 +N

(1)4 Φ4

φ(2) = N(2)1 Φ1 +N

(2)2 Φ2 +N

(2)2 Φ3 (4.37)

Aus Eigenschaften der Formfunktionen wissen wir, dass entlang der ge-meinsamen Grenze N

(2)2 = N

(1)4 = 0 ist. Unter Berucksichtigung der

Gleichwertigkeit zwischen den Formfunktionen und den Flachenkoordi-naten (4.27) und (4.28) schreiben wir die Gln. (4.37) so um:

φ(1) = L(1)1 Φ1 + L

(1)2 Φ3

φ(2) = L(2)1 Φ1 + L

(2)3 Φ3 . (4.38)

Es sei daraf hingewiesen, dass die Indizien von Flachenkoordinaten mit

den Knotennummern nicht zusammenhangen. Da L(1)3 = L

(2)2 = 0 ist,

ergeben sich die Gln. (4.38) unter Berucksichtigung der Gl. (4.23) in dieser

����������������������������������������������������������������������

����������������������������������������������������������������������

���������������������������������������������������������������������������������

���������������������������������������������������������������������������������

h(2)

h(1)

(1)L 1

(2)L 1

A1

(1)

A1

(2)

y

x

4

1

2

3

c

b

B

(2)

(1)Abb. 4.8: Die Flachenkoordi-

naten L(1)1 und L

(2)1 entlang einer

gemeinsamen Grenze zweier Drei-eckselemente

58 KAPITEL 4. KOORDINATENSYSTEME

Form

φ(1) = L(1)1 Φ1 + (1 − L

(1))1 Φ3

φ(2) = L(2)1 Φ1 + (1 − L

(2))1 Φ3 . (4.39)

Ein Punkt auf der gemeinsamen Grenze der beiden Elemente wurde in Bild

4.8 mit den entsprechenden Teilflachen (schraffiert), die mit L(1)1 und L

(2)1

korrespondieren, dargestellt. Wenn c den Abstand zwischen den Punkt B

und den Knoten 3 ist und b die Lange der Seite 1-3, dann erhlten wir furdie Flachenkoordinaten

L(1)1 =

2A(1)1

2A(1)=

2ch(1)

22bh(1)

2

=c

b

und

L(2)1 =

2A(2)1

2A(2)=

2ch(2)

22bh(2)

2

=c

b= L

(1)1

Damit ist die Kontinuitat von φ auf der gemeinsamen Grenze bewiesen.

Kapitel 5

Zweidimensionale Feldprobleme

In doesem Kapitel befassen wir uns mit der FE-Losung von stationarenFeldproblemen. Spezielle Anwendungsbereiche beinhalten Warmeleitung,

rotationsfreie Stromung und akustistische Vibrationen, die wir nach derEinfuhrung der gemischten Randbedingungen im nachsten Kapitel behan-

deln.

Die Implementierung von FE-Methode kann hier in drei Schritte einge-teilt werden: 1. Festlegung der Eigenschaften von Elementinterpolatio-

nen, 2. Auswertung der Elementmatrizen und 3. Losung eines konkretenProblems. Uber die Eigenschaften von zwei zweidimensionalen Elementenhaben wir bereits im Kapitel 3 gesprochen. Hier konzentrieren wir uns auf

die Elementmatrizen fur die zwei dimensionale Feldgleichung

Dx∂2φ

∂x2+Dy

∂2φ

∂y2−Gφ+Q = 0 . (5.1)

Wir beginnen mit einer kurzen Diskussion uber Dgln, die in (5.1) bein-haltet sind und mehrere physikalische Probleme beschreiben. Im Rest des

Kapitels werden wir den Schwerpunkt auf die Herleitung der Integralglei-chungen fur die Elementmatrizen und ihre Auswertung fur das lineare

Dreieckselement und das bilineare Rechteckselement legen. Anschließendbehandeln wir ein Anwendungsbeispiel mit der einfachsten Randbedin-

gung.

59

60 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

5.1 Problembeschreibende Differentialgleichungen

Die allgemeine Feldgleichung (5.1) hat viele wichtige Anwendungen in der

physikalischen Wissenschaften, von denen hier einige besprochen werden.Die Randbedingungen werden spater bei den Anwendungen diskutiert.

Der erste Anwendungsbereich ist die Torsion eines nichtkreiformigen Quer-schnittes. In diesem Fall ist die herrschende Dgl.

1

g

∂2φ

∂x2+

1

g

∂2φ

∂y2+ 2θ = 0 , (5.2)

wobei g den Schubmodul des Materials und θ den Verdrehungswinkel dar-stellt. Die Gl. (5.2) erhalt man aus Gl. (5.1) mit Dx = Dy = 1/g,G = 0

und Q = 2θ. Die Variable φ ist eine Spannungsfunktion, und die Schub-spannungen im Schaft hangen mit den Ableitungen von φ nach x und y

zusammen.Verschiedene stromungsmechanische Probleme sind in Dgl. (5.1) einge-

bettet. Fur die ideale wirbelfreie Flussigkeit werden die Potential- und dieStromlinienformulierung durch

∂2φ

∂x2+∂2φ

∂y2= 0 (5.3)

und bzw.∂2ψ

∂x2+∂2ψ

∂y2= 0 (5.4)

beschrieben. Die Stromlinien, ψ, stehen zu den konstanten Potentiallini-

en, φ, senkrecht, und die Komponenten der Geschwindigkeit sind von denAbleitungen von φ oder ψ nach x und y abhangig. In Gln. (5.3) und (5.4)sind Dx = Dy = 1 und G = Q = 0.

Die Stromung von Grundwasser wird ebenso durch Gln. beschrieben, diein Gl. (5.1) eingebettet sind. Das Durchsickern von Wasser unter einem

Damm oder einer Spundwand innerhalb eines geschlossenen Bodenspei-chers wird durch

Dx∂2φ

∂x2+Dy

∂2φ

∂y2= 0 (5.5)

beschrieben, wobei Dx und Dy die Durchlassigkeit des Bodens und φ der

Grundwasserspiegel im Bodenspeicher darstellen. Der Wasserspiegel um

5.1. PROBLEMBESCHREIBENDE DIFFERENTIALGLEICHUNGEN 61

einen Brunnen wahrend des Pumpbetriebes wird durch

Dx∂2φ

∂x2+Dy

∂2φ

∂y2+Q = 0 (5.6)

beschrieben, wobei Q der Term fur eine Punktsenke ist und andere Koef-

fizienten wie in (5.5) sind.

Es gibt zwei Warmeleitungsgleichungen, die in Dgl. (5.1) eingebettet sind:Die Warmeleitung durch Konvektion von einer zweidimensionalen Flosse

zu ihrer umgebenden Flussigkeit wird durch

Dx∂2T

∂x2+Dy

∂2T

∂y2−

2h

tT +

2h

tTf = 0 (5.7)

beschrieben, wobei Dx und Dy die Koeffizienten der Warmeleitfahigkeit

in x- und y-Richtung sind; h ist der Konvektionskoeffizient; t ist die Dickeder Flosse; Tf ist die Temperatur der umgebenden Flussigkeit; und T die

Temperatur der Flosse. Aus dem Vergleich zwischen (5.7) und (5.1) stelltman fest, dass G = 2h/t und Q = 2hTf/t ist.

Die der Gl. (5.7) entsprechende Flosse wurde als dunn angenommen undauf den Warmeverlust uber die Kanten wurde verzichtet. Wenn der Korper

in z-Richtung lang ist, und die Temperatur nur von x- und y-Richtungabhangt, dann wird die Warmeleitung im Allgemeinen von Dgl.

Dx∂2T

∂x2+Dy

∂2T

∂y2= 0 (5.8)

beherrscht, wobei die Koeffizienten wie bei der Gl. (5.7) definiert sind.Konvektive Warmeleitung steht durch Randbedingungen in Verbindungmit der Gl. (5.8).

Die Dgl. (5.1) wird Helmholz’sche Dgl. genannt, wenn G < 0 und Q = 0ist. Ein negatives G fuhrt zur Losung eines Eigenwertproblems. Ein paarphysikalische Probleme, die durch Helmholz’sche Dgl. beschrieben wer-

den, sind die Seiche-Bewegung des Wassers und die akustische Vibratio-nen. Seiche-Bewegung ist eine stehende Wellenbewegung in geschlossenen

flachen Gewassern und wird durch

h∂2w

∂x2+ h

∂2w

∂y2+

4π2

gT 2w = 0 (5.9)

62 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

beschrieben, wobei h die Wassertiefe im Stillstand, w die Wellenhohe uber

dem Ruheniveau, g die Erdbeschleunigung und T die Schwingungsperiodeist.

Die Vibration einer Flussigkeit innerhalb eines geschlossenen Volumenswird durch

∂2P

∂x2+∂2P

∂y2+w2

c2P = 0 (5.10)

beschrieben, wobei P der zusatzliche Druck uber den Umgebungsdruck,

w die Wellenfrequenz und c die Wellengeschwindigkeit in dem Mediumist. Die in Gl. (5.10) beschriebenen Wellen sind keine Funktion von z-Richtung.

Die Gln. (5.2) bis (5.10) beschreiben neun physikalisch unterschiedlichenProbleme, die in der allgemeinen Dgl. (5.1) enthalten sind. Dies macht

eine Diskussion uber die FE-Losung von Dgl. (5.1) interessant.

5.2 Integralgleichungen fur die Elementmatrizen

Unser unmittelbares Ziel ist die Herleitung von Integralgleichungen, die die

Elementmatrizen fur die Probleme definieren, die in Dgl. (5.1) beinhaltetsind. Der Elementbeitrag zu dem Gleichungssytem ist durch

{

R(e)}

= −

A

[N ]T(

Dx∂2φ

∂x2+Dy

∂2φ

∂y2−Gφ +Q

)

dA (5.11)

gegeben, wobei [N ] der Zeilenvektor von Formfunktionen ist. Da die In-terpolationsfunktion φ(x, y) keine kontinuierliche Ableitung zwischen den

Elementen hat, mussen die Termen mit zweiter Ableitung in (5.11) durchTermen mit erster Ableitung ersetzt werden. Dafur soll man die Produkt-

regel fur Ableitung verwenden. Betrachte die Große

∂x

(

[N ]T∂φ

∂x

)

(5.12)

Ableitung ergibt

∂x

(

[N ]T∂φ

∂x

)

= [N ]T∂2φ

∂x2+∂[N ]T

∂x

∂φ

∂x(5.13)

5.2. INTEGRALGLEICHUNGEN FUR DIE ELEMENTMATRIZEN 63

Umsortieren und Einsetzen fur [N ]T∂2φ/∂x2 in (5.11) ergibt

A

[N ]TDx∂2φ

∂x2dA = −

A

Dx∂

∂x

(

[N ]T∂φ

∂x

)

dA+

A

Dx∂[N ]T

∂x

∂φ

∂xdA

(5.14)Nutzung des Green’schen Theorems lasst das erste Integral auf der rechtenSeite von (5.14) durch ein Integral uber den Rand ersetzen:

A

∂x

(

[N ]T∂φ

∂x

)

dA =

Γ

[N ]T∂φ

∂xcos θdΓ (5.15)

Darin ist Γ der Elementrand und θ der Winkel zu der Normale nach außen.

Einsetzen von (5.15) in (5.14) ergibt die endgultige Beziehung fur denTerm mit der zweiten Ableitung als

A

Dx[N ]T∂2φ

∂x2dA = −

Γ

Dx[N ]T∂φ

∂xcos θdΓ +

A

Dx∂[N ]T

∂x

∂φ

∂xdA

(5.16)Ahnliche Operationen, angefangen mit

∂y

(

[N ]T∂φ

∂y

)

(5.17)

ergeben

A

Dy[N ]T∂2φ

∂y2dA = −

Γ

Dy[N ]T∂φ

∂ysin θdΓ +

A

Dy∂[N ]T

∂y

∂φ

∂ydA

(5.18)Einsetzen von Gln. (5.16) und (5.18) in die Gl. (5.11) ergibt

{

R(e)}

= −

Γ

[N ]T(

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ

)

+

A

(

Dx∂[N ]T

∂x

∂φ

∂x+Dy

∂[N ]T

∂y

∂φ

∂y

)

dA

+

A

G[N ]TφdA−

A

Q[N ]TdA (5.19)

Durch Einsetzen von

φ(e) = [N ]{

Φ(e)}

(5.20)

64 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

fur φ in Gl. (5.19) und Umordnung erhalt man

{

R(e)}

= −

Γ

[N ]T(

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ

)

+

(∫

A

(

Dx∂[N ]T

∂x

∂[N ]

∂x+Dy

∂[N ]T

∂y

∂[N ]

∂y

)

dA

)

{

Φ(e)}

+

(∫

A

G[N ]T [N ]dA

)

{

Φ(e)}

A

Q[N ]TdA , (5.21)

dass die allgemeine Form{

R(e)}

={

I(e)}

+[

k(e)]{

Φ(e)}

−{

f (e)}

(5.22)

hat, wobei

{

I(e)}

= −

Γ

[N ]T(

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ

)

dΓ , (5.23)

[

k(e)]

=

A

(

Dx∂[N ]T

∂x

∂[N ]

∂x+Dy

∂[N ]T

∂y

∂[N ]

∂y

)

dA+

A

G[N ]T [N ]dA

(5.24)und

{

f (e)}

=

A

Q[N ]TdA (5.25)

ist. Die Variable φ in Gl. (5.23) wurde nicht ersetzt, weil die Große

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ (5.26)

in ableitungsenthaltenen Randbedingungen auftritt und spater ausfuhrlich

behandelt wird. Das erste Integral in Gl. (5.24) kann durch die Definition

[D] =

[

Dx 00 Dy

]

(5.27)

und den Gradientenvektor

{gv} =

{ ∂φ∂x

∂φ∂y

}

=

∂[N ]∂x

∂[N ]∂y

{

Φ(e)}

= [B]{

Φ(e)}

(5.28)

5.3. ELEMENTMATRIZEN: DREIECKSELEMENT 65

in kompackterer Form geschrieben werden. Die erste Reihe von [B] ist die

Ableitung von [N ] nach x und die zweite Reihe die Ableitung von [N ]nach y. Die Matrix [B]T ist gegeben durch

[B]T =[

∂[N ]T

∂x∂[N ]T

∂y

]

(5.29)

Mit den Gln. (5.27), (5.28) und (5.29) erhat man

A

[B]T [D][B]dA =

A

(

Dx∂[N ]T

∂x

∂[N ]

∂x+Dy

∂[N ]T

∂y

∂[N ]

∂y

)

dA . (5.30)

Die Steifigkeitsmatrix fur das Feldproblem mit der Dgl. (5.1) ergibt sich

als[

k(e)]

=

A

[B]T [D][B]dA+

A

G[N ]T [N ]dA (5.31)

Die einzelnen Matrizen werden hier durch [k(e)D ] und [k

(e)G ] bezeichnet. So-

mit erhalten wir[

k(e)]

=[

k(e)D

]

+[

k(e)G

]

. (5.32)

5.3 Elementmatrizen: Dreieckselement

Nach der Erkennung der allgemeinen Form von Steifigkeitsmatrix fur zwei-dimensionale Feldprobleme beschaftigen wir uns mit der Auswertung der

Elementmatrizen fur das Dreieckselement. Die Große φ uber eine Drei-ecksregion ist durch

φ(e) =[

Ni Nj Nk

]

{

Φ(e)}

(5.33)

definiert, wobei die Formfuktionen

Ni =1

2A(ai + bix+ ciy)

Nj =1

2A(aj + bjx+ cjy)

Nk =1

2A(ak + bkx+ cky)

66 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

und die Koeffizienten a, b und c aus dem Abschnitt 3.1 bekannt sind. Der

Gradinetenvektor fur dieses Element ist

{gv} =

∂Ni

∂x∂Nj

∂x∂Nk

∂x

∂Ni

∂y∂Nj

∂y∂Nk

∂y

{

Φ(e)}

(5.34)

oder

{gv} =1

2A

[

bi bj bkci cj ck

]

{

Φ(e)}

= [B]{

Φ(e)}

(5.35)

Die zwei Matrizen [B] und [D] bestehen nur aus Konstanten, weil bβ, cβ,β = i, j, k Konstanten und Dx und Dy auch Materialkonstanten sind.

Daher ist das erste Integral in Gl. (5.31) leicht auszuwerten. Es ergibt sichzu

[

k(e)D

]

=

A

[B]T [D][B]dA = [B]T [D][B]

A

dA

oder[

k(e)D

]

= [B]T [D][B]A (5.36)

Die Erweiterung des Matrizenproduktes ergibt

[

k(e)D

]

=Dx

4A

b2i bibj bibkbibj b2j bjbkbibk bjbk b2k

+Dy

4A

c2i cicj cickcicj c2j cjckcick cjck c2k

(5.37)

Das zweite Integral in Gl. (5.31) beinhaltet ebenso Formfunktionen. Wennwir annehmen, dass G innerhalb des Elementes konstant ist, dann wird

dieses Integral zu

[

k(e)G

]

=

A

G[N ]T [N ]dA = G

A

Ni

Nj

Nk

[

Ni Nj Nk

]

dA

= G

A

N2i NiNj NiNk

NiNj N2j NjNk

NiNk NjNk N3k

dA

= G

A

L21 L1L2 L1L3

L1L2 L22 L2L3

L1L3 L2L3 L33

dA , (5.38)

5.4. ELEMENTMATRIZEN: RECHTECKSELEMENT 67

weil fur lineares Dreieckelement gilt: Ni = L1, Nj = L2 und Nk = L3. Die

Nutzung der Integrationsformel (4.29) zur Auswertung dieses Integralsliefert

[

k(e)G

]

=GA

12

2 1 11 2 1

1 1 2

(5.39)

Die Elementsteifigkeitsmatrix des Dreieckselements ergibt sich fur diezweidimensionale Feldgleichung (5.1) aus der Summe von (5.37) und

(5.39).Der Kraftevektor des Elementes beinhaltet ebenso Formfunktionen unddie Auswertung von (5.25) ist ganz ahnlich wie [k

(e)G ]. Mit der Annahme,

dass Q innerhalb des Elementes konstant ist, ergibt das Einsetzen

A

Q[N ]TdA = Q

A

Ni

Nj

Nk

dA = Q

A

L1

L2

L3

dA . (5.40)

Nutzung der Integrationsformel (4.29) ergibt

{

f (e)}

=QA

3

1

11

(5.41)

Beispiel 5.1

5.4 Elementmatrizen: Rechteckselement

Die Auswertung der Elementmatrizen fur das Rechteckselement ist nichtso einfach wie fur das Dreieckselement. Jeder Koeffizient der Element-matrizen wird durch Integration eines Polynoms uber ein Gebiet gerech-

net. Die Integrale konnen mittels Formfunktionen in (3.14) oder (3.16)ausgewertet werden. Aus Grund der Ahnlichkeit zwischen den lokalen st-

Koordinaten und den globalen xy-Koordinaten nutzen wir die Formfunk-tionen in (3.14), die im st-Koordinaten entwickelt worden sind.

Dass alle Integrale im xy-Koordinaten definiert wurden, bereitet ein klei-nes Problem. Insbesondere die Gradientenmatrix mit Koeffizienten, die

Ableitungen von Formfunktionen nach x und y beinhalten.

68 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

Die Gleichung fur Variablenanderung bei Doppelintegralen wird hier nicht

diskutiert, aber ihrer Anwendung fur ein Rechteckselement, das in st-Koordinaten definiert wurde, kann wie folgt zusammengefasst werden. Da

das st-Koordinatensystem parallel zum xy-Koordinatensystem ist und ei-ne Einheitslange in s oder t die gleiche Einheitslange in x und y ist, erhaltman

A

f(x, y)dxdy =

A

f(s, t)dsdt . (5.42)

Genauso wichtig sind die Beziehungen zwischen den Ableitungen. Die Ket-

tenregel ergibt∂Nβ

∂x=∂Nβ

∂sund

∂Nβ

∂y=∂Nβ

∂t(5.43)

Die Formfunktionen in st-Koordinaten haben wir aus (3.14):

Ni = 1 −s

2b−

t

2a+

st

4ab, Nj =

s

2b−

st

4ab

Nk =st

4ab, Nm =

t

2a−

st

4ab. (5.44)

Die Auswertung von [k(e)] und {f (e)} wird durch Betrachtung eines spe-

ziellen Integrals in jedem Fall erlautert. Die einfachsten Integrale gehorendem Elementkraftevektor {f (e)}:

{

f (e)}

=

A

Q[N ]TdA =

∫ 2b

0

∫ 2a

0

Q

Ni

Nj

Nk

Nm

dtds (5.45)

Fur den dritten Koeffizient bekommt man∫ 2b

0

∫ 2a

0

Nkdtds =

∫ 2b

0

∫ 2a

0

st

4abdtds

=

∫ 2b

0

st2

8ab

2a

0

ds =

∫ 2b

0

as

2bds =

A

4(5.46)

Die drei weiteren Koeffizienten liefern das gleiche Ergebnis und daher ist

{

f (e)}

=QA

4

1

11

1

. (5.47)

5.4. ELEMENTMATRIZEN: RECHTECKSELEMENT 69

Das Integral im Zusammenhang mit [k(e)G ] ist

[

k(e)G

]

=

A

G[N ]T [N ]dA

=

A

G

N2i NiNj NiNk NiNm

NiNj N2j NjNk NjNm

NiNk NjNk N2k NkNm

NiNm NjNm NkNm N2m

dA (5.48)

Fur den ausgewahlten Term N2k erhalten wir

∫ 2b

0

∫ 2a

0

(

st

4ab

)2

dtds =

∫ 2b

0

∫ 2a

0

s2t2

16a2b2dtds =

4ab

9=A

9(5.49)

Den kompletten Satz von Koeffitzienten erhalten wir als

[

k(e)G

]

=GA

36

4 2 1 22 4 2 1

1 2 4 22 1 2 4

(5.50)

Die Auswertung von [k(e)D ] erfordert Ableitungen von Formfunktionen. Die

Gradientenmatrix lautet

[B] =

∂Ni

∂x∂Nj

∂x∂Nk

∂x∂Nm

∂x

∂Ni

∂y∂Nj

∂y∂Nk

∂y∂Nm

∂y

(5.51)

Setzen wir die Beziehungen in (5.43) hier ein, lasst sich [B] in Termen vons und t ausdrucken. Die Ableitung von Formfunktionen fuhrt dann zu

[B] =1

4ab

[

−(2a− t) (2a− t) t −t−(2b− s) −s s (2b− s)

]

(5.52)

Den Koeffizient in der ersten Reihe und der ersten Spalte von [k(e)D ] erhalt

man nach Durchfuhrung des Produktes [B]T [D][B] in folgender Form

Dx

16a2b2(2a− t)2 +

Dy

16a2b2(2b− s)2 , (5.53)

und das dazu assoziierte Integral lautet∫ 2b

0

∫ 2a

0

Dx

16a2b2(2a− t)2dtds+

∫ 2b

0

∫ 2a

0

Dy

16a2b2(2b− s)2dtds . (5.54)

70 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

Durchfuhrung der Integration resultiert in

Dxa

3b+Dyb

3a. (5.55)

Das vollstandige Ergebnis fur [k(e)D ] ist dann

[

k(e)D

]

=Dxa

6b

2 −2 −1 1

−2 2 1 −1−1 1 2 −2

1 −1 −2 2

+Dyb

6a

2 1 −1 −2

1 2 −2 −1−1 −2 2 1−2 −1 1 2

(5.56)

Die Elemntsteifigkeitsmatrix [k(e)] fur das Rechteckselement ergibt sich

aus der Summe von (5.50) und (5.56).

5.5 Torsion eines nichtkreiformigen Querschnitts

Nach der Auswertung von Elementmatrizen fur das lineare Dreiecksele-

ment und das bilineare Rechteckselement befassen wir uns nun mit ihrerAnwendung zur numerischen Losung eines praktischen Problems. Wir wol-

len die Schubspannungen in einem Stab mit quadratischem Querschnittermitteln, der durch Torsion belastet wird. Diese Aufgabe wurde gewahlt,

weil sie die einfachste Randbedingung hat: φ ist am gesamten Rand gleichNull.

5.5.1 Allgemeine Theorie

Zur Berechnung von Schubspannungen im Torsionsstab mit nicht-

kreisformigem Querschnitt gibt es zwei Theorien: Die erste ist von St.

Venant und die zweite von Prandtl. Hier wird die Theorie von Prandtl

zu Grunde gelegt. Nach dieser Theorie konnen die Schubspannungen ineinem nichtkreisformigen Stab, der mit einem Torsionsmoment T um die

z-Achse belastet wird, mit

τzx =∂φ

∂yund τzy = −

∂φ

∂x(5.57)

5.5. TORSION EINES NICHTKREIFORMIGEN QUERSCHNITTS 71

τ zxy

x

z

ϕ

τ zxτ zy

(a)

(b)

y

z

x

T

Abb. 5.1: (a) Komponenten derSchubspannung in einem nicht-kreisformigen Querschnitt unterTorsionslast (b) Die Flache desSpannungsfeldes φ(x, y) und dieSchubkomponente

berechnet werden, wobei φ(x, y) eine Spannungsfunktion ist. Die Problem-

beschreibende Dgl. ist

1

g

∂2φ

∂x2+

1

g

∂2φ

∂y2+ 2θ = 0 (5.58)

und uberall am Rand (Querschnittsumfang) gilt

φ = 0 . (5.59)

Die physikalischen Parameter in Dgl. (5.58) sind der Schubmodul,

g [N/cm2], und der Verdrehwinkel, θ [rad/cm]. Die Prandtl-Formulierunghat kein Torsionsmoment, T [N.cm], in der herrschenden Dgl., stattdessen

wird das Torsionsmoment durch

T = 2

A

φdA (5.60)

berechnet, wenn die Spannungsfunktion φ(x, y) bekannt ist.Die Spannungsfunktion stellt eine Flache dar, die uber den Stabquer-

schnitt verlauft und ihn abdeckt (s. Bild 5.1). Das Torsionsmoment istzu dem Volumen unter dieser Flache proportional, wahrend die Schub-

spannungen mit den Flachengradienten in x- und y-Richtung zusam-menhangen.

Wenn der Stab aus einem Material besteht, schreibt man die Gl. (5.58)

72 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

normalerweise in der Form

∂2φ

∂x2+∂2φ

∂y2+ 2gθ = 0 , (5.61)

die im Vergleich mit der Gl. (5.1) folgende Konstanten besitzt:Dx = Dy =

1, G = 0 und Q = 2gθ.

5.5.2 Verdrehung des quadratischen Torsionsstabs

Anhand dieses Beispiels wollen wir die Auswertung von Elementmatri-

zen und ihrer Assembelierung zu einem System von linearen Gleichungenerlautern. Der Torsionsstab (s. Bild 5.2) hat vier Symmetrieachsen und

deshalb reicht es, ein achtel von seinem Querschnitt zu analysieren. Die-ser Teilquerschnitt wird durch drei Elemente diskretisiert (Bild 5.2b). DreiElemente reichen fur eine genaue Losung nicht aus, fur die Darstellung der

Berechnungsweise schon.Die Element-Knoten-Numerierung ist wie folgt

e i j k m

1 1 2 4

2 2 3 5 43 4 5 6

Dreieckselemente 1 und 3 haben dieselbe Orientierung und dieselben Di-

mensionen, daher sind ihre Elementmatrizen identisch. Die Elementma-trizen fur ein Dreieckselement sind laut Gln. (5.37) und (5.41)

[

k(e)D

]

=Dx

4A

b2i bibj bibkbibj b2j bjbkbibk bjbk b2k

+Dy

4A

c2i cicj cickcicj c2j cjckcick cjck c2k

(5.62)

und

{

f (e)}

=2gθA

3

11

1

. (5.63)

5.5. TORSION EINES NICHTKREIFORMIGEN QUERSCHNITTS 73

θ = 0,01 Grad/cmg = 8E+6 N/cm2

������������������������������

������������������������������

0,25

cm

0,25

cm

(1)(2)

(3)

1 2 3

4 5

6

1 cm

(a) (b)

1 cm 0,25 cm 0,25 cm

Abb. 5.2: (a) Der Teilquerschnitt aus Symmetriegrunden (b) Netz der finiten Elemente

Fur das Rechteckselement mit 2a = 2b bekommt man aus Gln. (5.56) und(5.47)

[

k(e)]

=1

6

4 −1 −2 −1−1 4 −1 −2

−2 −1 4 −1−1 −2 −1 4

(5.64)

und

{

f (e)}

=2gθA

3

1

11

1

. (5.65)

Nun werten wir die Gl. (5.62) fur die Elemente 1 und 3 aus. Die Element-flache betragt 1

32und daher 4A(1) = 1

8. Die Koeffizienten b und c sind

b(1)1 = Y2 − Y4 = −0, 25, c

(1)1 = X4 −X2 = 0

b(1)2 = Y4 − Y1 = 0, 25 c

(1)2 = X1 −X4 = −0, 25

b(1)4 = Y1 − Y2 = 0 c

(1)4 = X2 −X1 = 0, 25

Durch Einsetzen von Koeffizienten in (5.62) unter Berucksichtigung von

1/4A(1) = 8 und der Tatsache, dass die Produktformen bibj und cicj ent-

74 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

weder Null oder ± 116 ergeben, bekommen wir

[

k(1)]

=8

16

1 −1 0−1 1 0

0 0 0

+8

16

0 0 00 1 −1

0 −1 1

. (5.66)

Addition der beiden Matrizen ergibt

[

k(1)]

=1

2

1 −1 0−1 2 −1

0 −1 1

=[

k(3)]

. (5.67)

Fur den Elementkraftevektor {f (e)} mussen wir zuerst den Term 2gθ be-

rechnen. Einsetzen von Werten aus dem Bild (5.2) ergibt

2gθ = 2(8.106)(0, 01)( π

180

)

= 2790.

Substitution von 2790 und A(1) in (5.63) fuhrt zu

{

f (1)}T

=[

29, 1 29, 1 29, 1]

={

f (3)}T

(5.68)

Fur das Element 2 ist der Elementkraftevektor mit A(2) = 116 und 2gθ =

2790 gleich

{

f (2)}T

=[

43, 6 43, 6 43, 6 43, 6]

. (5.69)

Die Elementmatrizen sind hier zusammengefasst. Die Knotennummer be-

zeichnen die Zeilen und Spalten von [K] und {F} auf die der jeweilige

5.5. TORSION EINES NICHTKREIFORMIGEN QUERSCHNITTS 75

Koeffizient zu addieren ist.

[

k(1)]

=1

2

1 2 4

1−1

0

−12

−1

0−1

1

,{

f (1)}

=

29, 129, 1

29, 1

12

4

(5.70)

[

k(2)]

=1

6

2 3 5 4

4−1

−2−1

−14

−1−2

−2−1

4−1

−1−2

−14

,{

f (1)}

=

43, 643, 6

43, 643, 6

23

54

(5.71)

[

k(1)]

=1

2

4 5 6

1−1

0

−12

−1

0−1

1

,{

f (1)}

=

29, 129, 1

29, 1

45

6

(5.72)

Das Aufaddieren der Elementbeitrage nach direkter Steifigkeitsmethode

und Multiplizierung mit 6 fuhrt zum Gleichungssystem des Problems

3 −3 0 0 0 0−3 10 −1 −4 −2 0

0 −1 4 −2 −1 00 −4 −2 10 −4 0

0 −2 −1 −4 10 −30 0 0 0 −3 3

Φ1

Φ2

Φ3

Φ4

Φ5

Φ6

175436

262611

436175

=

00

00

00

(5.73)

Die Knotengroßen Φ3, Φ5 und Φ6 sind gleich Null, weil sie auf dem außeren

Rand liegen. Daher konnen die Gleichungen drei, funf und sechs gestri-chen werden. Der Einfluss von Spalten drei, funf und sechs muss auf den

Kraftvektor [F ] berucksichtigt werden. Da aber Φ3 = Φ5 = Φ6 = 0 ist,liefern diese Spalten keinen Beitrag und das modifizierte Gleichungssytem

ist

3 −3 0

−3 10 −40 −4 10

Φ1

Φ2

Φ4

175

436611

=

0

00

.

Losung des Gleichungssystems liefert

Φ1 = 217, Φ2 = 159, und Φ4 = 125

76 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

zyτ

zxτ

(b)

1 2 3

4 5

6

y

232

136

568

68

500

0

636

x

Φ = 1592

Φ = 05

Φ = 06

Φ = 03

Φ = 1254

Φ = 2171

xy

φ

(a)

Abb. 5.3: (a) Die φ(x, y)-Flache fur ein achtel des Querschnittes vom Torsionsstab mitquadratischem Querschnitt (b) Die Scherspannungswerte in den Elementmittelpunkten

Die Flache von φ fur diesen Satz von Knoten ist in Bild 5.3 dargestellt.

Bestimmung der Knotengroßen ist der Hauptteil der Losung, aber es gibtauch eine Reihe von Elementgroßen, die anhand Knotengroßen zu berech-

nen sind. In diesem Beispiel sind die Schubspannungen und das Torsions-moment von Interesse.

5.5.3 Komponenten der Schubspannung

Die Komponenten der Schubspannung hangen mit den Gradienten derSpannungsfunktion wie folgt zusammen:

τzx =∂φ

∂yund τzy = −

∂φ

∂x(5.74)

Der Gradientenvektor ist fur das lineare Dreieckselement durch Gl. (5.35)

als

{gv} =1

2A

[

bi bj bkci cj ck

]

Φi

Φj

Φk

(5.75)

5.5. TORSION EINES NICHTKREIFORMIGEN QUERSCHNITTS 77

gegeben und ist uber das Element konstant. Der Gradientenvektor ist fur

das Rechteckselement durch Gl. (5.52) als

{gv} =1

4ab

[

−(2a− t) (2a− t) t −t−(2b− s) −s s (2b− s)

]

Φi

Φj

Φk

Φm

(5.76)

gegeben und ist uber das Element nicht konstant. Die Elementflache und

die Koeffizienten b und c sind fur beide Dreieckselemente gleich und bereitsvor der Gl. (5.66) berechnet worden. Mit Berucksichtigung der Knoten-

großen Φ1, Φ2 und Φ4 erhalten wir

{

gv(1)}

=16

4

[

−1 1 0

0 −1 1

]

217159125

=

{

−232

−136

}

und

τ (1)zx =

∂φ

∂y= −136 N/cm2

τ (1)zy = −

∂φ

∂x= 232 N/cm2

fur das Element 3 bekommt man auf gleicher Art und Weise

τ (3)zx = 0 und τ (3)

zy = 500 N/cm2

Die Gradiantenwerte sind innerhalb des Rechteckselements nicht konstant.Wir berechnen die Komponeneten der Schubspannung am Knoten 3, wo

τxy am großten ist. Die lokalen Koordinaten vom Knoten 3 sind: s = 2bund t = 0, dabei ist 2a = 2b = 0, 25. Der Gradientenvektor ist damit

{

gv(2)}

=16

4

[

−1 1 0 00 −1 1 0

]

Φ2

Φ3

Φ5

Φ4

=

[

−4 4 0 00 −4 4 0

]

159

00

125

=

{

−6360

}

78 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

und

τ (2)zx = 0 und τ (2)

zy = 636 N/cm2

Die berechneten Schubspannungen sind anhand der Werte von τzx und τzy

am Mittelpunkt der Elemente in Bild ?? dargestellt.Es gibt mindestens zwei Wege fur die Verbesserung der Spannungswer-

te bei diesem Beispiel. Der erste Weg geht uber eine hohere Anzahl vonElementen (feinere Diskretisierung). Wenn die Große des Elementes ab-

nimmt, wird die Annahme uber die konstante Spannung uber das Elementrealistischer. Der zweite Weg geht uber den Einsatz von Elementen mit

Ansatzfunktionen von hoherer Ordnung (quadratisch oder qubisch). Imletzten Fall erhalt man durch Ableitung Gradienten, die Funktionen vom

Ort innerhalb des Elementes sind.

5.5.4 Berechnung des Torsionsmoments

Eine weitere interessante Große ist das Torsionsmoment T , das in Gl.

(5.60) definiert wurde und fur unser Beispiel mit

T =n

e=1

2

A(e)

φ(e)dA . (5.77)

aquivalent ist. Das Integral∫

A(e)

φ(e)dA

ist fur das lineare Dreieckselement gleich∫

A(e)

φ(e)dA =A

3(Φi + Φj + Φk) (5.78)

und fur das Rechteckselement gleich∫

A(e)

φ(e)dA =A

4(Φi + Φj + Φk + Φm). (5.79)

Das Torsionsmoment T ist die Summe aller Elementbeitrage:

T = T (1) + T (2) + T (3)

5.5. TORSION EINES NICHTKREIFORMIGEN QUERSCHNITTS 79

Die Elementbeitrage sind hier

T (1) = 2(1

32)(

1

3)(Φ1 + Φ2 + Φ4)

=1

48(217 + 159 + 125) = 10, 4

T (2) = 2(1

16)(

1

4)(Φ2 + Φ3 + Φ5 + Φ4) = 8, 88

T (3) = (1

48)(Φ4 + Φ5 + Φ6) = 2, 6

und das Torsionsmoment fur den Querschnittsachtel ist

T = 10, 4 + 8, 88 + 2, 6 = 21, 9 N.cm (5.80)

Auf den Gesamtquerschnitt wirkendes Torsionsmoment ist damit gleich8(21, 9) ≃ 175 N.cm.

Ein Torsionsmoment von 175 N.cm ist notwendig um einen Stab mit derLange 100 cm und dem quadratischen Querschnitt der Kantenlange 1 cm

um 1◦ zu verdrehen. Die Genauigkeit dieses Ergebnisses ist wegen derGrobheit des FE-Netzes fraglich. In der Tat liegt unsere Losung um 11%unter dem theoretischen Wert1 von 196 N.cm.

Solange wir den Verdrehungswinkel, θ, nur nach Schatzung anneh-men, kann der rechnerische Wert vom Torsionsmoment nur zufallig dem

tatsachlich aufgebrachten Moment entsprechen. Die korrekten Werte vonτzx, τzy und θ sind durch Skalierung mit dem Faktor Tact/Tcal zu berech-

nen. Als Beispiel nehmen wir an, dass das belastende Torsionsmoment inunserer Aufgabe 250 N.cm ist, so wird der wahre Verdrehungswinkel

θtrue =

(

Tact

Tcal

)

θassumed =

(

250

175

)

(0, 01) = 0, 0143 rad/cm (5.81)

sein. Die Schubspannungen werden auf gleicher Art skaliert. Der großte

Wert von τzy fur das tatsachliche Torsionsmoment ergibt sich dann als

τzy =

(

Tact

Tcal

)

τzy =

(

250

175

)

(636) = 909 N/cm2. (5.82)

1Die Beziehung zwischen dem Torsionsmoment und der Verdrehung ist fur einen quadratischen Quer-schnitt der Kantenlange 2a durch T = 0, 1406gθ(2a)4 gegeben (Timoshenko and Goodier, 1970).

80 KAPITEL 5. ZWEIDIMENSIONALE FELDPROBLEME

Kapitel 6

2D-Feldprobleme mit gemischten

Randbedingungen

Im Gegensatz zur Torsion eines nichtkreisformigen Querschnittes, wobei

der Spannungsverlauf, φ(x, y), uber den Querschnitt am gesamten Randdefiniert ist, haben die meisten physikalischen Feldprobleme eine Mischung

von Randbedingungen. An einem Teil des Randes ist die Feldvariableφ(x, y) definiert und an einem anderen Teil sind Randbedingungen vor-

gegeben, die von den Ableitungen der Feldvariable, ∂φ/∂x und ∂φ/∂y,abhangen. In diesem Abschnitt wollen wir uns mit den ableitungsenthal-tenen Randbedingungen befassen. Hier beschranken wir uns weiterhin auf

zweidimensionale Feldprobleme, fur die wir die allgemeine Form der her-schenden Dgl., namlich die Gl. (5.1), kennen gelernt haben. Fur diese

Problemklasse haben wir bereits in den Abschnitten 5.3 und 5.4 die Ele-mentmatrizen fur das lineare Dreieckselement und das bilineare Recht-

eckselement hergeleitet.

Unter den Elementmatrizen (Steifigkeitsmatrix, Kraftevektor und Inter-elementvektor) haben wir bis jetzt auf den Einfluss von Interelementvek-tor,

{

I(e)}

, in der Restegleichung (5.22) verzichtet, weil die Unabhangig-

keit der Randbedingungen von den Ableitungen von φ vorausgesetzt war.Nun ist diese Voraussetzung nicht mehr erfullt. Da der Vektor

{

I(e)}

die

Moglichkeit zur Implementierung der gemischten Randbedingungen bie-tet, beschaftigen wir uns zuerst mit diesem Vektor und daraus resultieren-

den Einflussen auf die Steifigkeitsmatrix und den Kraftevektor im Glei-chungssystem. Anschließend behandeln wir verschiedene Anwendungsbe-

reiche.

81

82KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

6.1 Ableitungsenthaltene Randbedingungen

Die zwei Randbedingungsarten fur zweidimensionale Feldprobleme sind

im Bild 6.1 schematisch dargestellt. Uber einen Teil des Randes, Γ1, ist φdefiniert, und uber den Restteil des Randes, Γ2, ist eine Randbedingung

der Art

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ = −Mφb + S (6.1)

vorgegeben. Fur Dx = Dy reduziert sich diese Gleichung auf

Dx∂φ

∂n= −Mφb + S, (6.2)

wobei ∂φ/∂n die Ableitung von φ bezogen auf die Normale zum Randdarstellt. In beiden Fallen steht φb fur den Wert von φ auf dem Rand Γ2

und ist vorerst unbekannt. Die Gln. (6.1) und (6.2) vereinfachen sich mitM = S = 0 zu

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ = 0 (6.3)

und

Dx∂φ

∂n= 0. (6.4)

Die Bedingung M = S = 0 gilt fur isolierte und undurchlassige Rander

und Symmetrieachsen. Situationen sind auch moglich, in denen M oderS, aber nicht beide, Null sind.

Die ableitungsenthaltenen Randbedingungen werden mit Hilfe des Inter-elementvektors

{

I(e)}

in FE-Analyse der Feldprobleme eingearbeitet. Die-

x

y

Γ1

Γ2

φ(x, y)φdie Ableitungen von enthalten.

Γ2Auf gelten Randbedingungen,

Γ1Auf ist bekannt.φ

θ

n

Abb. 6.1: Feldprobleme mit gemischten Randbedingungen.

6.1. ABLEITUNGSENTHALTENE RANDBEDINGUNGEN 83

ser Vektor ist nach Gl. (5.23) wie folgt definiert:

{

I(e)}

= −

Γ

[N ]T(

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ

)

dΓ, (6.5)

wobei das Integral uber den Elementrand und gegen den Uhrzeigersinnauszuwerten ist. Fur das Dreieckselement ist das Integral in (6.5) die Sum-

me von drei Integralen, ein Integral fur jede Elementseite.Wir konnen den Vektor

{

I(e)}

in zwei Komponenten zerlegen

{

I(e)}

={

I(e)bc

}

+{

I(e)i

}

. (6.6)

Die erste Komponente steht fur die Elementseite mit vorgegebener Rand-

bedingung, Γbc, und daher

{

I(e)bc

}

= −

Γbc

[N ]T(

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ

)

dΓ. (6.7)

Die zweite Komponente, der Vektor{

I(e)i

}

, beinhaltet Integrale von (6.5),

die uber die Elementseiten ohne vorgegebene Randbedingung auszuwerten

sind. Diese Integrale fuhren zu den interelementaren Bedingungen, dieerfullt werden mussen, bevor der Galerkin’sche Rest verschwindet.

Unter Berucksichtigung der Gl. (6.1) erhalten wir aus (6.7)

{

I(e)bc

}

=

Γbc

[N ]T (Mφb − S)dΓ. (6.8)

φb ist durch folgende Elementgleichung gegeben

φ(e) = [N ]{

Φ(e)}

. (6.9)

Das Einsetzen von (6.9) in (6.8) ergibt

{

I(e)bc

}

=

Γbc

[N ]T(

M [N ]{

Φ(e)}

− S)

dΓ, (6.10)

das man in zwei Integrale schreiben kann:

{

I(e)bc

}

=

(∫

Γbc

M [N ]T [N ]dΓ

)

{

Φ(e)}

Γbc

S[N ]TdΓ. (6.11)

84KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

������������������������������������������������������������������������������������������

������������������������������������������������������������������������������������������

Dx∂φ

∂x= Mφb − S

−Dx∂φ

∂x= Mφb − S

Dy∂φ

∂y= Mφb − S

−Dy∂φ

∂y= Mφb − S

R :1

R :4

R4

R4

R3

R3

R1 R2 R1 R2

R :3

R :2

Abb. 6.2: Randbedingungen fur eine rechteckige Region mit Aussparung.

Durch Randbedingung am Randelement entstehen also zwei Komponen-ten mit unterschiedlichen Auswirkungen. Die eine Komponente addiert

sich auf Elementsteifigkeitsmatrix[

k(e)]

, weil sie mit{

Φ(e)}

multipliziertwird. Die andere komponente addiert sich auf den Elementkraftevektor{

f (e)}

. Die zwei Komponenten von{

I(e)bc

}

in (6.11) werden wie folgt dar-

gestellt:{

I(e)bc

}

=[

k(e)M

]{

Φ(e)}

−{

f(e)S

}

, (6.12)

wobei die erste Komponente

[

k(e)M

]

=

Γbc

M [N ]T [N ]dΓ (6.13)

und die zweite{

f(e)S

}

=

Γbc

S[N ]TdΓ (6.14)

ist. Bevor wir mit der Auswertung dieser Elementintegrale fortfahren, ist

darauf hinzuweisen, dass die Randbedingung (6.1) verschiedene Formenannimmt, wenn wir die Außen- und Innenseite eines rechteckigen Gebietes

mit einem Loch betrachten. Die unterschiedlichen Formen fur

(

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ

)

(6.15)

sind im Bild 6.2 gegeben. Die mitM und S assoziierten Vorzeichen mussenanhand der Informationen aus dem Bild 6.2 bestimmt werden. Die art die-

ser Bestimmung wird in einem Anwendungsbeispiel gezeigt. Es sei darauf

6.1. ABLEITUNGSENTHALTENE RANDBEDINGUNGEN 85

hingewiesen, dass θ der Winkel zwieschen der x-Achse und der Außennor-

male (n im Bild 6.1) ist.

6.1.1 Auswertung von Elementintegralen

Die Integrale in (6.13) und (6.14) sind fur jedes zweidimensionales Ele-

ment gultig und konnen ausgewertet werden, sobald die Formfunktionenbekannt sind. Diese Integrale wollen wir fur das lineare Dreieckselement

und das bilineare Rechteckselement auswerten und beginnen wir mit derGl. (6.14) und dem Rechtseckselement, weil es die einfachste Kombination

ist.Nehmen wir an, dass S uber die ij-Seite eines Rechteckelementes vorgege-ben ist und die Dicke des Elementes einer Langeneinheit entspricht, somit

bekommen wir

Γbc

S[N ]TdΓ =

∫ b

−b

S

Ni

Nj

Nk

Nm

dq, (6.16)

wobei die Formfunktionen im qr-Koordinatensystem durch die Gln. (3.16)

gegeben sind. Unter Berucksichtigung, dass fur die ij-Seite Nk = Nm = 0ist, erhalten wir durch Einsetzen von Formfunktionen und r = −a:

{

f(e)S

}

=

∫ b

−b

S

2b

(b− q)(b+ q)

00

dq =SLij

2

11

00

. (6.17)

Die Große S ist mit der Lange der ij-Seite, Lij = 2b, multipliziert und

dann zwischen den beiden Knoten auf der ij-Seite geteilt worden. Es blei-ben noch drei weitere Auswertungen ubrig, eine fur jede weitere Seite.Ergebnisse dieser Auswertungen sind fur die jk-, km- und im-Seiten:

{

f(e)S

}

=SLjk

2

0

11

0

,SLkm

2

0

01

1

undSLim

2

1

00

1

(6.18)

86KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

Wenn S fur mehr als eine Seite eines Elementes vorgegeben ist, sind die

Werte von{

f(e)S

}

fur entsprechende Seiten aufeinander zu addieren. Die

Auswertung von (6.14) fur das Dreieckselement ergibt:

{

f(e)S

}

=SLij

2

11

0

SLjk

2

01

1

undSLik

2

10

1

(6.19)

wobei Lij, Ljk und Lik die Langen von ij-, jk- bzw. ik-Seiten sind und

nicht die Flachenkoordinaten. Das erste Ergebnis in (6.19) wurde wie folgtberechnet: Fur gegebene Seite ij haben wir

{

f(e)S

}

=

Γbc

S[N ]TdΓ = Lij

∫ 1

0

S

Ni

Nj

Nk

dℓ2 (6.20)

Da entlang der ij-Seite Nk = 0 ist, erhalt man

{

f(e)S

}

= Lij

∫ 1

0

S

Ni

Nj

0

dℓ2 = Lij

∫ 1

0

S

ℓ1ℓ20

dℓ2, (6.21)

weil die Formfunktionen Ni und Nj sich auf der ij-Seite auf

Ni = L1 = ℓ1 und Nj = L2 = ℓ2 (6.22)

reduzieren. Die Integration findet entlang einer Linie statt, daher konnen

wir die Fakultatsformel (4.17) anwenden und direkt zu den Ergebnissenin (6.19) gelangen.

Die mit [k(e)M ] assoziierten Integralen werden auf gleicher Art und Weise

ausgewertet. Der Unterschied liegt in der Anzahl der Terme, die zu beruck-sichtigen sind. Fur das Rechteckselement fuhrt das Integral in (6.13) zu

[

k(e)M

]

=

Γbc

M

N2i NiNj NiNk NiNm

NiNj N2j NjNk NjNm

NiNk NjNk N2k NkNm

NiNm NjNm NkNm N2m

dΓ (6.23)

6.1. ABLEITUNGSENTHALTENE RANDBEDINGUNGEN 87

Mit der Annahme, dass M auf der ij-Seite definiert ist, haben wir Nk =

Nm = 0 und (6.23) wird zu

[

k(e)M

]

=

∫ b

−b

M

N2i NiNj 0 0

NiNj N2j 0 0

0 0 0 00 0 0 0

dq. (6.24)

Die Auswertung der einzelnen Komponente unter Berucksichtigung vonr = −a ergibt

∫ b

−b

N2i dq =

∫ b

−b

(b− q)2

4b2dq =

2b

3=Lij

3(6.25)

∫ b

−b

NiNjdq =

∫ b

−b

(b− q)(b+ q)

4b2dq =

2b

6=Lij

6(6.26)

und∫ b

−b

N2j dq =

∫ b

−b

(b+ q)2

4b2dq =

2b

3=Lij

3. (6.27)

Durch Einsetzen der Integralergebnisse erhaltren wir

[

k(e)M

]

=MLij

6

2 1 0 0

1 2 0 00 0 0 0

0 0 0 0

(6.28)

Es gibt fur jede weitere Seite ein Ergebnis fur[

k(e)M

]

. Diese drei Ergebnisse

sind

[

k(e)M

]

=MLjk

6

0 0 0 0

0 2 1 00 1 2 0

0 0 0 0

(6.29)

[

k(e)M

]

=MLkm

6

0 0 0 0

0 0 0 00 0 2 1

0 0 1 2

(6.30)

88KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

und

[

k(e)M

]

=MLim

6

2 0 0 10 0 0 00 0 0 0

1 0 0 2

. (6.31)

wobei Ljk, Lkm und Lim die Lange der entsprechenden Seiten darstellen.

Die Auswertung von (6.13) fur das Dreieckselement ergibt

[

k(e)M

]

=MLij

6

2 1 01 2 0

0 0 0

(6.32)

[

k(e)M

]

=MLjk

6

0 0 0

0 2 10 1 2

(6.33)

und[

k(e)M

]

=MLik

6

2 0 10 0 0

1 0 2

. (6.34)

6.2 Punktquellen und Punktsenken

Mit dem Konzept von Punktquelle und Punktsenke wird eine physikalischwichtige Situation beschrieben. Eine Punktquelle oder -senke existiert,

wenn Q in Dgl. (5.1) in einem sehr kleinen Bereich konzentriert ist. Bei-spiele aus dem Bereich der Linienquellen sind unterirdische Dampf- und

Heißwasser-Rohranlagen, sowie konduktive drahtformige Heizkorper in-nerhalb eines massiven Teils. In solchen Fallen ist die Schnittflache des Lei-tungsrohres oder des Heizelementes im Vergleich mit ihrem Umgebungs-

medium sehr klein und wird als einen Punkt auf einer Ebene betrachtet.Punktsenke treten bei Grundwasserproblemen auf, z.B. bei Auspumpen

von Wasser aus einem Brunnen.Unsere Diskussion hier ist auf zweidimensionalen Elementen basiert. Die

Prozedur lasst sich jedoch zur Behandlung von ein- oder dreidimensiona-lem Element einfach modifizieren. Betrachten wir das Dreieckselement im

Bild 6.3 mit einer Quelle Q∗ am Ort (X0, Y0). Da die Quelle an einem

6.2. PUNKTQUELLEN UND PUNKTSENKEN 89

X0 , Y0( )

Q*

i

y

x

j

k

Abb. 6.3: Ein Element mit einerPunktquelle oder Punktsenke, Q∗

am (X0, Y0).

Punkt fest liegt, ist Q uber das gesamte Element nicht konstant, son-

dern eine Funktion von x und y. Mit Hilfe von Impuls-Einheitsfunktionenδ(x−X0) und δ(y − Y0) kann man fur die Feldvariable Q(x, y) innerhalbdes Elementes schreiben

Q = Q∗δ(x−X0)δ(y − Y0) (6.35)

Das Integral{

f(e)Q

}

=

A

Q[N ]TdA (6.36)

fuhrt zu

{

f(e)Q

}

= Q∗

A

Ni

Nj

Nk

δ(x−X0)δ(y − Y0)dxdy. (6.37)

Das Integral einer Große, die mit einer Impulsfunktion multipliziert wurde,

ist dem Wert der selben Große am X0 und Y0 gleich. Daher gilt

{

f(e)Q

}

= Q∗

Ni(X0, Y0)

Nj(X0, Y0)Nk(X0, Y0)

. (6.38)

Das Verhaltnis, zu dem Q∗ jedem Knoten zugeteilt wird, beruht auf denrelativen Werten von Ni, Nj und Nk, die mit den Koordinaten der Quel-

le ermittelt worden sind. Da die Summe der Formfunktionen fur jedenPunkt innerhalb des Elementes den Wert 1 ergibt, haben wir nur die Q∗

zuzuweisen.

90KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

Q*

j

α

k

i

Abb. 6.4: Eine Punktquelle aneinem Knoten.

Die beste Lage fur eine Quelle oder Senke ist an einem Knoten. DieseLage andert die Ergebnisse in (6.38). Nehmen wir an, dass die Quelle am

Knoten j (s. Bild 6.4) liegt, dann gilt Ni = Nk = 0 und

{

f(e)Q

}

= Q∗

0

10

. (6.39)

Der Betrag von Q∗ muss korrigiert werden, wenn die Quelle (oder Senke)mehr als einem Element angehort. Der Wert der Quelle wird zwischen den

Elementen geteilt, die den gemeinsamen Knoten an der Quelle haben. DieQuelle wird unter Berucksichtigung des Verhaltnisses α/360◦ zugeteilt,

wobei α der an der Quelle liegende Winkel des Elementes ist. Daher istdie korrekte Beziehung fur das Element (e) im Bild 6.4

{

f(e)Q

}

=αQ∗

360

01

0

. (6.40)

Es ist nicht notig den Winkel α fur jedes Element um die Quelle (oder

Senke) zu bestimmen. Wenn die Gleichungen durch direkte Steifigkeits-methode zusammengesetzt werden, summieren sich die Elementanteile auf

Q∗. Daher kann man einfach Q∗ auf die Reihe des Vektors {F} addieren,die der Knotennummer der Quelle entspricht. Eine Quelle hat einen posi-

tiven und eine Senke einen negativen Wert.

Beispiel 6.1

6.3. DREHFREIE STROMUNG IDEALER FLUSSIGKEIT 91

6.3 Drehfreie Stromung idealer Flussigkeit

Die drehfreie Stromung von idealen Flussigkeiten wurde intensiv studiert,

weil sie reichlich Informationen uber die Stromung um die Ecken, uberStauanlagen , durch Bauelementen und um die Tragflugel liefert. Idea-le drehfreie Stromung ist eine Approximation, die annimt, dass es keine

Reibung zwischen der Flussigkeit und den mit ihr in Kontakt stehendenFlachen gibt (ideal) und dass es keine Rotation oder Formanderung der

Flussigkeitspartikeln wahrend des Fließens gibt (drehfrei). Das Fließen desGrundwassers durch die Erde kann mit der Annahme der Rotationsfreiheit

sehr gut approximiert werden.

6.3.1 Stromung einer idealen Flussigkeit

Die zweidimensionale Stromung einer idealen Flussigkeit kann in Termen

von Stromfunktion ψ oder in Termen von Geschwindigkeitspotential φ for-muliert werden. Linien der konstanten ψ stehen senkrecht zu den Linien

der konstanten φ und die herrschenden Dgln. sind identisch und wie folgt

∂2ψ

∂x2+∂2ψ

∂y2= 0 und

∂2φ

∂x2+∂2φ

∂y2= 0. (6.41)

Die Randbedingungen fur ψ und φ sind jedoch nicht gleich und fuhren zu

unterschiedlichen Ergebnissen, die hier diskutiert werden.

Stromlinien-Formulierung

Eine Linie, bei der alle Punkten einen konstanten ψ-Wert besitzen, nennt

man eine Stromlinie. Die Stromungsrate, Qij, zwischen jedem Paar vonStromlinien ist gleich der Differenz in ihren ψ-Werten. Zwischen denStromlinien i und j ist die Stromungsrate

Qij = ψi − ψj. (6.42)

Senkrecht zu einer Stromlinie gibt es keine Stromung. Die Stromungsge-schwindigkeit an jedem Punkt ist ein Vektor, der tangential zur Stromlinie

an diesem Punkt lauft und seine Komponenten mittels

Vx =∂ψ

∂yund Vy =

∂ψ

∂x(6.43)

92KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

4,5

cm

xV =5 cm/Sek

12 c

m

Abb. 6.5: Ebene Stromung umeinen Zylinder.

gerechnet werden. Die Annahme von einer idealen Flussigkeit impliziert,

dass die Flussigkeit nicht in ihre Umgebung dringt und sich auch nicht vonihren Kontakflachen trennt und damit keine freie Raume entstehen lasst.

Diese Bedingungen haben es zur Folge, dass die Stromungsgeschwindigkeitnormal zur Kontaktflache mit der Geschwindigkeit der Kontaktflache inder gleichen Richtung gleich ist (Duncan et al., 1970). Dies bedeutet, dass

es keine Stromung senkrecht zu einem festen Rand gibt, und die normaleGeschwindigkeitskomponente zum Rand gleich Null ist. Feste Rander so-

wie die Symmetrisachse parallel zur Fließrichtung stellen Stromlinien dar,weil die Geschwindigkeitskomponente und damit die Stromung senkrecht

zu denen Null ist.Die Randbedingungen fur Stromlinien-Formulierung werden bezuglich desim Bild 6.5 dargestellten Problems diskutiert. Eine horizontale und eine

vertikale Linie, die durch den Zylindermittelpunkt laufen, bilden fur die-ses Problem zwei Symmetrieachsen. Daher wird ein Viertel des Problems

betrachtet (s. Bild 6.6). Randbedingungen fur Stromlinien-Formulierungbestehen aus bekannten ψ auf einem Teil des Randes und aus Ableitun-

gen von ψ auf dem Restteil. Auf dem linken Rand ist eine konstante und

∂ψ

∂x= 0

∂ψ

∂x= 0

ψ = 30

ψ = 0

ψ = 0S.A

S.A

Abb. 6.6: Randbedingungen furStromlinien-Stromung um einenZylinder.

6.3. DREHFREIE STROMUNG IDEALER FLUSSIGKEIT 93

gleichmaßige Vx vorgegeben und damit ist Vy = 0. Mit Vy = 0 erhalt man

aus (6.43) fur diesen Rand ∂ψ/∂x = 0. Die gleichen Randbedingungengelten fur den rechten vertikalen Rand, weil er eine Symmetrieachse ist,

und die Stromlinien mussen um sie symmetrisch sein.Die horizontale Symmetrieachse, der Zylinderrand sowie der obere Randformen jeweils eine Stromlinie (s. Bild 6.6 und argumentiere warum). Der

Stromlinie am unteren Rand hat den Wert ψ = 0, weil auf dieser Liniekeine Stromung stattfindet. Die obere Stromlinie kann jeden vom Null

verschiedenen Wert haben; der entsprechende Wert ist hier 30, weil dieStromungsrate fur die Einheitstiefe 30 [cm3/sek] betragt (die Halfte der

Stromung uber den Gesamtquerschnitt).

Potential-Formulierung

In Potentialformulierung stehen die Geschwindigkeitskomponenten im Zu-

sammenhang mit φ:

Vx =∂φ

∂xund Vy =

∂φ

∂y. (6.44)

Bezogen auf die Stromung um das Zylinder im Bild 6.5 erhalt man fur den

linken Rand ∂φ/∂x = 5 und entlang der horizontalen Symmetrieachse unddem oberen Rand ∂φ/∂y = 0, weil dort keine vertikalen Geschwindig-

keitskomponenten vorhanden sind. Da die Geschwindigkeit normal zumZylinderrand Null ist, gilt am Zylinderrand ∂φ/∂n = 0. Dass die Potenti-

allilien senkrecht zu den Stromlinien stehen, nutzen wir zur Bestimmung

0∂φ

∂n= 0

∂φ

∂x= 5

5∂φ

∂y= 0

5∂φ

∂y= 0

φ = 50

S.A

S.A

Abb. 6.7: Randbedingungen furPotential-Stromung um einen Zy-linder.

94KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

der letzten Randbedingung auf der rechten Seite. Die rechte vertikale Kan-

te muss eine Potentiallinie sein, weil sie eine Symmetrieachse ist und alleStromlinien senkrecht dazu verlaufen. Dieser Kante wird den beliebigen

Wert φ = 50 zugewiesen. Der zugewiesene Wert hat keinen Einfluss aufdas Ergebnis, weil die Komponenten der Geschwindigkeit allein von denGradienten von φ abhangen und nicht von seinem absoluten Wert. Diese

Randbedingungen sind in Bild 6.7 dargestellt.Der quantitative Wert der Randbedingung entlang der linken Kante wird

durch den Vergleich zwischen der aktuellen und der theortischen Randbe-dingung bestimmt. Die aktuelle Randbedingung ist

∂φ

∂x= 5 (6.45)

und die theoretische Randbedingung nach Gl. (6.1) und Bild 6.2 lautet

−Dx∂φ

∂x= S oder

∂φ

∂x= −S, (6.46)

wenn Dx = 1 ist. Der Vergleich zwischen (6.46) und (6.45) ergibt S = −5.Die Randbedingung φ = 50 auf der rechten Seite im Bild 6.7 ist ein

Sonderfall. Wenn der umstromte Korper eine irregulare Form hat, mussdas FE-Netz soweit in Stromabwarts gestreckt sein, dass die Stromungeine konstante Geschwindigkeit erreicht (s. Bild 6.8). An solchen Stellen

sind die konstanten Potentiallinien zur Fließrichtung senkrecht und φ darfein beliebiger Wert zugewiesen werden.

0∂φ

∂n= 0

5∂φ

∂y= 0

5∂φ

∂y= 0

∂φ

∂x= Vx φ=konst.

Abb. 6.8: Randbedingungen fur Potential-Stromung um eine irregulare Form.

6.3. DREHFREIE STROMUNG IDEALER FLUSSIGKEIT 95

6.3.2 Grundwasserstromung

Es gibt zwei wichtige Grundwasserprobleme, die mit der zweidimensio-

nalen Feldgleichung beschrieben werden. Das erste Problem ist das Ver-sickern vom Wasser unter einem Staudamm und wird mit folgender Glei-

chung

Dx∂2φ

∂x2+Dy

∂2φ

∂y2= 0 (6.47)

beschrieben. Dx und Dy sind in dieser Gleichung Durchlassigkeitskoef-fizienten [m/Tag] und φ steht fur die Wassersaulenhohe [m], die vondem Boden des Wasserspeichers gerechnet wird. Die Randbedingungen

bestehen in der Regel aus bekannten Werten von φ innerhalb des Wassersund verschwindendem Durchsickern auf anderen Rander (s. Bild 6.9). Ei-

ne undurchlassige vertikale Wand unter der Staumauer wird durch einenschmalen Spalt modeliert. Die FE-Methode erzeugt automatisch eine un-

durchlassige Randbedingung, ∂φ/∂n = 0, auf beiden Seiten des Spaltes,wenn dort keine expliziten Randbedingung vorgegeben wird.

Das zweite Grundwasserproblem besteht in der Bestimmung von Absen-

kung des Wasserspiegels wahrend des Pumpens im Boden rund um einenBrunnen und fern davon. Die folgende Gleichung ist die herrschende Feld-

gleichung fur einen beschrankten Grundwasserspeicher mit einem Zapf-

Dx

Dy

φ = bφ = a

0∂φ

∂n= 0

0∂φ

∂n= 0

∂φ

∂n

ba

Abb. 6.9: Randbedingungen fur das Versickern vom Wasser unter einem Staudamm.

96KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

brunnen

Dx∂2φ

∂x2+Dy

∂2φ

∂y2+Q = 0, (6.48)

wobei Dx, Dy und φ die gleichen Bedeutungen wie bei der Gl. (6.47) ha-

ben. Der Term Q steht fur eine Punktsenke, nammlich den Brunnen, undmuss mittels des diskutierten Konzeptes in 6.2 ausgewertet werden. Das

beste Ergebnis wird naturlich dann erreicht, wenn die Senke sich direktauf einem Knoten befindet. Die mit der Gl. (6.48) assoziierten Randbe-

dingungen bestehen aus bekannten φ-Werten auf einen Teil des Randesund aus dem Versickern des Wassers in den Speicher entlang des restlichenRandes. Das Versickern ist durch folgende ableitungsenthaltene Randbe-

dingung definiert

(

Dx∂φ

∂xcos θ +Dy

∂φ

∂ysin θ

)

= S (6.49)

Die Geschwindigkeitskomponenten des Wassers werden mittels Darcy-Gleichungen gerechnet

Vx = −Dx∂φ

∂x

Vy = −Dy∂φ

∂y(6.50)

6.4 Warmeubertragung durch Leitung und Strah-

lung

Eine der fruheren Anwendungen von FE-Methode außerhalb der Struk-turmechanik ist in den Problemen der Warmeubertragung durch Leitungund Strahlung gewesen (Visser, 1965). Losung von Warmeubertragungs-

problemen mittels FE-Methode ist besonders bei den jenigen beliebt, diesich mit der Analyse von thermischen Spannungen beschaftigen, weil die

Losung des Warmeubertragungsproblems als Eingabe fur die Spannungs-analyse dient und das gleiche FE-Netz fur beide Aufgaben verwendet wer-

den kann.Wir diskutieren in diesem Abschnitt die Losung von vier unterschiedli-

chen Warmeubertragungsproblemen, wovon zwei die Warmeubertragung

6.4. WARMEUBERTRAGUNG DURCH LEITUNG UND STRAHLUNG 97

bei einer Schaufel behandeln. Bei dem dritten geht es um eine Verbund-

mauer, und das vierte ist die Analyse eines klassischen zweidimensionalenProblem mit konvektiven Randbedingungen.

6.4.1 Eindimensionale Schaufel

Die herrschende Dgl. fur stationare Warmeubertragung von einer eindi-

mensionalen Schaufel ist

kAd2φ

dx2− hPφ + hPφf = 0, (6.51)

wobei k die thermische Leitfahigkeit, h den Konvektionskoeffizient, A dieQuerschnittsflache, P der Querschnittsumfang von Schaufel und φ die

Temperatur ist. Alle Punkte auf einem Querschnitt mit einem bestimmtenKoordinate x haben den gleichen Temperaturwert. Die mit der Gl. (6.51)

assoziierte Randbedingung ist normalerweise eine bestimmte Temperaturan der Stelle x = 0

φ(0) = φ0 (6.52)

und der konvektive Warmeverlust am freien Ende der Schaufel

−kAdφ

dx= hA(φb − φf) an x = H, (6.53)

wobei φb die Temperatur am freien Schaufelende und vorerst unbekannt

ist. Der Konvektionskoeffizient in (6.53) kann der gleiche sein wie in (6.51)oder auch nicht.Die herrschende Dgl. (6.51) hat die allgemeine Form

Dd2x

dx2−Gφ+Q = 0, (6.54)

bei der D = kA, G = hP und Q = hPφf ist. Der Elementbeitrag zu denGalerkin’schen Restgleichung {R(e)} ist

{

R(e)}

= −

∫ xj

xi

[N ]T(

Dd2φ

dx2−Gφ+Q

)

dx

= −

∫ xj

xi

[N ]T(

Dd2φ

dx2+Q

)

dx+

∫ xj

xi

G[N ]Tφdx (6.55)

98KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

Das erste Integral in (6.55) haben wir in den vorigen Kapiteln studiert.

Es ist gleichwertig mit {I(e)} + [k(e)]{Φ} − {f (e)}. Das zweite Integral in(6.55) ist eine neue Große, die auszuwerten ist. Mit Berucksichtigung von

φ(e) = [N ]{Φ(e)} und dem Einsatz ins Integral erhalten wir∫ xj

xi

G[N ]Tφdx =

(∫ xj

xi

G[N ]T [N ]dx

)

{

Φ(e)}

(6.56)

Da dieses Integral mit {Φ(e)} multipliziert wird, ist es einen Teil von Ele-

mentsteifigkeitsmatrix. Fuhren wir die Definition[

k(e)G

]

=

∫ xj

xi

G[N ]T [N ]dx, (6.57)

ein, dann erhalten wir{

R(e)}

={

I(e)}

+([

k(e)D

]

+[

k(e)G

]){

Φ(e)}

−{

f(e)Q

}

. (6.58)

wobei [k(e)D ] in (2.57) und {f

(e)Q } in (2.58) definiert wurde.

Das Integral in (6.57) wird am einfachsten in s- oder ℓ1, ℓ2-Koordinatenausgewertet. Das Auswertungsergebnis ist (vom Leser zu zeigen)

[

k(e)G

]

=GL

6

[

2 11 2

]

. (6.59)

Die Formulierung mittels Interelementvektor {I(e)} beinhaltet die ablei-tungsenthaltene Randbedingung, die durch (6.53) definiert wurde. Dieser

Vektor ist nach (2.56)

{

I(e)}

=

Ddφdx

x=Xi

−Ddφdx

x=Xj

(6.60)

und kann in zwei Komponenten aufgeteilt werden:

{

I(e)}

=

{

Ddφdx

x=Xi

0

}

+

{

0

−Ddφdx

x=Xj

}

, (6.61)

dass mit dem Ausdruck{

I(e)}

={

I(e)i

}

+{

I(e)b

}

(6.62)

6.4. WARMEUBERTRAGUNG DURCH LEITUNG UND STRAHLUNG 99

gleichwertig ist, wenn {I(e)i } die interelementare Anforderung und {I

(e)b }

mit der Randbedingung assoziiert ist. Der vom Null verschiedene Term in

{I(e)b } ist allerdings gleich der linken Seite von (6.53). Daher

{

I(e)b

}

=

{

0hA(φb − φf)

}

=

{

0hAΦj

}

{

0hAφf

}

, (6.63)

weil φb und Φj dasselbe sind. Die Gl. (6.63) ist mit

{

I(e)b

}

=

[

0 0

0 hA

]{

Φi

Φj

}

{

0

hAφf

}

=[

k(e)M

]{

Φ(e)}

−{

f(e)S

}

(6.64)

gleichwertig, wobei gilt

[

k(e)M

]

=

[

0 00 hA

]

,{

f(e)S

}

=

{

0hAφf

}

. (6.65)

Die komplette Restgleichung erhalt man durch Einsetzen von {I(e)} in(6.58):{

R(e)}

={

I(e)i

}

+([

k(e)D

]

+[

k(e)G

]

+[

k(e)M

]){

Φ(e)}

−{

f(e)Q

}

−{

f(e)S

}

(6.66)

Mit dem Verzicht auf interelementare Forderung {I(e)i } erhalt man

{

R(e)}

=[

k(e)]{

Φ(e)}

−{

f (e)}

(6.67)

Ein Beitrag von [k(e)M ] zu [k(e)] gibt es nur fur das letzte Element und nur

dann, wenn fur das Schaufelende h 6= 0 ist. Fur ein isoliertes Ende gilt

[k(e)M ] = 0.

Beispiel 6.2

6.4.2 Verbundwand

Die herrschende Dgl. fur die Warmeubertragung durch eine Verbundwandist

kAd2φ

dx2= 0, (6.68)

100KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

wobei entweder φ auf einer Seite oder auf beiden Seiten der Wand bekannt

ist, oder der konvektive Warmeverlust von einer Seite oder von beidenSeiten bekannt ist. Die konvektive Randbedingungen sind

kAdφ

dx= hA(φb − φf) am x = 0 (6.69)

und

−kAdφ

dx= hA(φb − φf) am x = H (6.70)

Die Elementsteifigkeitsmatrix ist durch

[

k(e)]

=kA

L

[

1 −1−1 1

]

+

[

hAi 00 0

]

+

[

0 00 hAj

]

=[

k(e)D

]

+[

k(e)Mi

]

+[

k(e)Mj

]

(6.71)

gegeben, wobei die zweite Matrix, [k(e)Mi

], aus der konvektiven Randbedin-

gung am Knoten i resultiert und die dritte Matrix, [k(e)Mj

], aus der konvek-tiveb Randbedingung am Konten j resultiert und mit der Matrix in (6.65)identisch ist. Der Elementkraftevektor ergibt sich als

{

f (e)}

=

{

hAiφf

0

}

+

{

0hAiφf

}

, (6.72)

wobei der erste Vektor von (6.69) und der zweite von (6.70) resultiert.Wenn die Temperatur auf der beiden Seiten der Wand gegeben ist, werden

die Großen {f (e)}, [k(e)Mi

] und [k(e)Mj

] vernachlassigt.

Beispiel 6.3

6.4.3 Zweidimensionale Schaufel

Eine zweidimensionale Schaufel ist eine dunne Metalplatte, die an ei-

nem Heißwasser- oder Heißdampfrohr, wie im Bild 6.10, appliziert wurde.Warme wird durch Leitung vom Rohr in die Schaufel und von der Schaufel

durch Strahlung (Konvektion) zum Umgebungsmedium (oft Luft) ubert-ragen. Der konvektive Warmeverlust geschieht uber beide Seiten und die

Kante der Schaufel. Da die Kante im Vergleich mit den Flachen sehr klein

6.4. WARMEUBERTRAGUNG DURCH LEITUNG UND STRAHLUNG 101

ist, wird der Warmeverlust uber die Kante vernachlassigt.

Die herrschende Dgl. fur die zweidimensionale Schaufel ist durch

kxt∂2φ

∂x2+ kyt

∂2φ

∂y2− 2hφ+ 2hφf = 0 (6.73)

gegeben, wobei kx und ky die thermischen Leitfahigkeitskoeffizienten in x-

und y-Richtung sind, t die Dicke der Schaufelplatte angibt, h fur die Kon-vektionskoeffizient steht und φf die Umgebungstemperatur von Schaufelist. Die Randbedingungen sind: Entlang des Rohrrandes gilt

φ(Γ) = φs (6.74)

und entlang der Schaufelkante gilt

kxt∂φ

∂xcos θ + kyt

∂φ

∂ysin θ = 0. (6.75)

Diese letzte Randbedingung ist eine isolierte Randbedingung. DieWarmeubertragung in dieser Schaufel ist ein zweidimensionales Problem,

weil die kleine Dicke der Schaufel lasst in Dickenrichtung keine Tempera-turgradienten entstehen.Die herrschende Dgl. (6.73) hat eine Form identisch mit der Dgl. (5.1),

wenn es gilt:

Dx = tkx, Dy = tky, G = 2h, Q = 2hφf . (6.76)

Die Elementmatrizen, die im Kapitel 5 entwickelt wurden, sind hier ohne

Modifikation anwendbar (sehen Sie dazu bitte nochmal das Beispiel imAbschnitt 5.3).

φ(Γ) bekannt

kxt∂φ

∂xcos θ + kyt

∂φ

∂ysin θ = 0

t

x

y

z Abb. 6.10: ZweidimensionaleSchaufel und ihre Randbedingun-gen.

102KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

konvektiveWärmeübertragung

vorgegebenTemperatur

Γ1

Γ3

Γ2

Wärmefluss

Oberflächedurch

Abb. 6.11: Randbedingungsar-ten fur klassische Warmeubertra-gungsprobleme.

6.4.4 Lange zweidimensionale Korper

Eine andere Form von zweidimensionaler Warmeubertragung ist der Fall,in dem ein langer Korper mit konstantem Querschnitt entlang seiner ge-

samten Lange die gleichen Randbedingungen hat. In dieser Situation istder Temperaturgradient in der Langsrichtung des Korpers (z-Koorinate)

gleich Null und die herrschende Dgl. ist durch

kx∂2φ

∂x2+ ky

∂2φ

∂y2+Q = 0 (6.77)

gegeben, wobei kx und ky die thermischen Leitfahigkeitskoeffizienten sind

und Q eine innere Warmequelle oder -senke darstellt. Die innere Warme-quelle oder -senke muss entlang der gesamten Korperlange (z-Richtung)

existieren, um die Zweidimensionalitat gewahrleistet zu sein. Das Problemist damit zweidimensional, weil die Temperatur sich nur in xy-Ebene va-

riieren kann.Die Dgl. (6.77) ist mit folgenden Beziehungen bereits in der Dgl. (5.1)

enthalten

Dx = kx, Dy = ky, G = 0, Q = Q. (6.78)

und die im Kapitel 5.3 und 5.4 entwickelten Elementmatrizen sind ohneModifikation anwendbar.

Die Warmeubertragung in einem langen Korper unterscheidet sich von derin einer dunnen Schaufel in den Randbedingung. Die moglichen Randbe-

dingungen sind, vorgegebene Temperaturwerte, konvektive Warmeubert-ragung und Warmefluss durch Oberflachen (s. Bild 6.11). Die letzten

zwei Randbedingungen wurden in ihren allgemeinen Termen bereits im

6.4. WARMEUBERTRAGUNG DURCH LEITUNG UND STRAHLUNG 103

qc

∂φ

∂n

n

qc

∂φ

∂n

n

qh = hA(φb − φf) qh = hA(φf − φb)

(b)(a)

Abb. 6.12: Konvektive Warmeubertragung auf der Oberflache.

Abschnitt 5 diskutiert. Nun wollen wir diese Bedingungen in Bezug auf

Warmeubertragung betrachten und nehmen dabei an, dass kx = ky = kist. Diese Annahme andert die ableitungsenthaltene Randbedingung (6.1)zu

k∂φ

∂n= −Mφb + S (6.79)

Konvektive Randbedingung

Das Thema ist hier die Bestimmug von Parametern, M und S in (6.79)und ihre Vorzeichen fur konvektive Randbedingung. Es sind zwei Situa-

tionen zu beachten: Warme, die den Korper verlasst und Warme, die inden Korper fließt. Betrachte die Konvektionsbedingung in Bild 6.12a, wo-

bei der Korper Warme verliert. In diesem Fall ist der Temperaturgradient∂φ/∂n negativ und die zur Oberflache geleitete Warme ist:

qc = −kA∂φ

∂n. (6.80)

Das negative Vorzeichen bringt, dass die Warmemenge positiv bleibt. Die

zur Oberflache geleitete Warme muss der Warmemenge entsprechen, diedie Oberflache durch Konvektion verliert; daher

−kA∂φ

∂n= hA(φb − φf). (6.81)

104KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

Das Umschreiben von (6.81) in die Form von (6.79) ergibt

k∂φ

∂n= −hφb + hφf (6.82)

und daraus schließen wir:

M = h und S = hφf (6.83)

Nun betrachten wir den Fall, wenn die Warme in den Korper fließt (s.

Bild 6.12b). Der Temperaturgradient ∂φ/∂n ist dann positiv und dahergilt

qc = kA∂φ

∂n. (6.84)

Ein negatives Vorzeichen ist hier nicht mehr notig, weil der gradient positivund damit auch die Warmemenge qc positiv ist. Durch Gleichsetzen von

dieser Warme mit der, die auf die Oberflache antrifft, erhalt man

kA∂φ

∂n= hA(φf − φb). (6.85)

und

k∂φ

∂n= −hφb + hφf (6.86)

Daraus schließen wir nochmal

M = h und S = hφf . (6.87)

Diese Analyse zeigt, dass M = h und S = hφf ist, unabhangig davon,

ob der Korper durch Konvektion Warme verliert oder gewinnt. Diese Er-gebnisse gelten sowohl fur die außere als auch fur innere Flachen wie bei

einem Schornstein. Eine positive Normale, n, zeigt bei diesen Analysenstets von der Flache nach außen.

Warmefluss in den Korper

Bild 6.13 zeigt schematisch die Situation, in der Warme auf einen Teil des

Randes aufgebracht wird. Diese Warme muss von dem Rand weggeleitetwerden. Daher hat man

qc = kA∂φ

∂n. (6.88)

6.4. WARMEUBERTRAGUNG DURCH LEITUNG UND STRAHLUNG 105

qc

q*A

∂φ

∂n

n

Abb. 6.13: Warmefluss durcheine Oberflache.

Die auf die Flache aufgebrachte Warme ist gleich q∗A und durch Gleich-setzen der Warmeflusse erhalt man

kA∂φ

∂n= q∗A. (6.89)

Das Gleichsetzen von (6.89) und (6.79) ergibt

M = 0 und S = q∗, (6.90)

wobei q∗ den Warmefluss pro Einheitsflache darstellt. Wenn Warme vom

Korper abgefuhrt wird, dann gilt S = −q∗. Die Schlussfolgerung aus die-ser Analyse ist, dass Warmefluss auf dem Rand mit einem Vorzeichen

assoziiert ist. Warme gilt als positiv, wenn sie in den Korper fließt undals negative, wenn sie vom Korper abgefuhrt wird. Wenn am Rand einWarmefluss statfindet, ist der Koeffizient M gleich Null.

Abschließende Bemerkungen

Konvektive Warmeubertragung und Warmefluss-Randbedingung werden

durch Elementmatrizen, die im Kapitel 5 entwickelt wurden, in die FE-Analyse eingebracht. Im Falle der konvektiven Warmeubertragung gilt:

M = h und S = hφf und im Falle der Warmefluss-Randbedingung:M = 0und S = ±q∗. Warme gilt sowohl fur q∗ als auch fur Q als positiv, wenn

sie in den Korper hineingeht.

106KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

6.5 Akustische Vibrationen

Wenn in der stationaren Feldgleichung (5.1) der Wert von Q gleich Nullund der von G negativ ist, erhalt man die Helmholz’sche Gleichung

Dx∂2φ

∂x2+Dy

∂2φ

∂y2+Gφ = 0 (6.91)

Physikalische Probleme, die mit dieser Dgl. beschrieben werden, sind die

Wellenausbreitung in flachen Gewasser und akustischen Vibrationen ingeschlossenen Raumen.

Die Losung von Helmholz’scher Gleichung bedingt die Losung eines Eigen-wertproblems, weil die Randbedingungen der Art sind, dass der globale

Kraftevektor, {F}, gleich Null ist. Die Losung der Helmholz’schen Glei-chung ist das Thema dieses Abschnittes und die akustische Vibration stellt

das Problemgebiet dar, mit dessen Hilfe die Losungstechniken diskutiertwerden. Wir fangen mit eindimensionalem Probelm an, weil die Berech-nungen ohne Rechner durchgefuhrt werden konnen. Die naturlichen Fre-

quenzen und die Schwingungsformen eines zweidimensionalen Problemsrunden diesen Abschnitt ab.

6.5.1 Eindimensionale Vibrationen

Die herrschende Dgl. fur ein Druckfeld, das mit den akustischen Vibratio-nen in ein einem zweidimensionalen Raum mit festen Randern assoziiert,

ist durch∂2φ

∂x2+∂2φ

∂y2+w2

c2φ = 0 (6.92)

gegeben, wobei φ der Druckunterschied zur Umgebung, w die Wellenfre-quenz und c die Wellengeschwindigkeit im betrachteten Medium ist. Die

Randbedingung, die an jedem Rand erfullt sein muss, ist

∂φ

∂n= 0. (6.93)

Das eindimensionale Anlogon zu (6.92) lautet

d2φ

dx2+w2

c2φ = 0 (6.94)

6.5. AKUSTISCHE VIBRATIONEN 107

mit dφ/dx = 0 an jedem Ende. Die Gl. (6.94) hat die allgemeine Form

Dd2φ

dx2−Gφ = 0 (6.95)

mit D = 1 und G = −w2/c2. Die Elementsteifigkeitsmatrix fur den ersten

Term, d2φ/dx2, ist durch die Gl. (2.57) gegeben und der Beitrag vom Term−Gφ dazu durch die Gl. (6.59). Die komplette Elemetsteifigkeitsmatrix fur

(6.95) ergibt sich zu

[

k(e)]

=1

L

[

1 −1−1 1

]

−w2L

6c2

[

2 11 2

]

. (6.96)

Der Elementkraftevektor, {f (e)}, beinhaltet nur Nullen, weil es keinen

Quellenterm in (6.95) gibt und die Randbedingung dφ/dx = 0 an beidenEnden keinen vom Null unterscheidenen Term in {f (e)} erzeugt.

Das zu untersuchende Problem ist ein geschlossenes Rohr wie im Bild ??

dargestellt. Das FE-Modell hat zwei Elemente der gleichen Lange H/2.

Einsetzen von H/2 fur L in (6.96) und Multiplizieren des Gesamten mitH/2 ergibt

[

k(e)]

=

[

1 −1

−1 1

]

− Z

[

2 1

1 2

]

, (6.97)

wobei gilt:

Z =w2H2

24c2(6.98)

Das Kombinieren der zwei Elementsteifigkeitsmatrizen fuhrt zu einem Sy-

stem von drei Gleichungen:

1 −1 0

−1 2 −10 −1 1

Φ1

Φ2

Φ3

− Z

2 1 0

1 4 10 1 2

Φ1

Φ2

Φ3

=

0

00

(6.99)

oder in kompakter Form

([KD] − Z [KG]) {Φ} = {0} (6.100)

Beide Matrizen, [KD] und [KG], sind symmetrisch. Wahrend [KD] einepositiv-definierte Matrix ist, ist [KG] eine semidifinierte Matrix (Determi-

nante gleich Null). Nach Eigenwert-Theorie sind alle Eigenwerte, Zi, die

108KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

die Gl. (6.99) erfullen, reele, positive und getrennte Zahlenwerte und die

entsprechenden Eigenvektoren, {Φ}i, sind voneinander unabhangig.Die Eigenwerte, Zi, sind die Werte von Z, mit denen die Determinante von

(6.99) Null wird. Die Kombination der beiden Matrizen in (6.99) ergibt

(1 − 2Z) −(1 + Z) 0−(1 + Z) (2 − 4Z) −(1 + Z)

0 −(1 + Z) (1 − 2Z)

Φ1

Φ2

Φ3

=

00

0

(6.101)

Die Determinante der Koeffizientenmatrix ist

2(1 − 2Z)[

(1 − 2Z)2 − (1 + Z)2]

= 0, (6.102)

die die folgenden Nullstellen (Eigenwerte) hat:

Z1 = 0, Z2 =1

2und Z3 = 2 (6.103)

Es gibt zu jeder Nullstelle in (6.103) einen assoziierten Eigenvektor {Φ}i.

Es ist unmoglich die drei Komponenten von {Φ}i eindeutig zu bestim-men, weil das resultierende Gleichungssytem homogen ist. Das ubliche

Verfahren hier ist die Zuweisung eines beliebigen Wertes zu einem derKomponenten und die Berechnung der weiteren zwei in Termen des er-

sten.Mit Z1 = 0 liefert die Gl.(6.101) das folgende Gleichungssystem

Φ1 − Φ2 = 0

−Φ1 + 2Φ2 − Φ3 = 0 (6.104)

−Φ2 + Φ3 = 0

Aus diesem Gleichungssystem resultiert: Φ1 = Φ2 = Φ3 und der ersteEigenvektor ergibt sich mit dem beliebigen Wert Φ1 = 1 zu

{Φ}T1 = [ 1 1 1 ] (6.105)

Mit Z2 = 12 in (6.101) erhalt man das Gleichungssystem

−3

2Φ2 = 0

−3

2Φ1 −

3

2Φ3 = 0 (6.106)

−3

2Φ2 = 0

6.5. AKUSTISCHE VIBRATIONEN 109

Daraus resultiert: Φ1 = 1, Φ2 = 0 und Φ3 = −1. Der zweite Eigenvektor

ergibt sich mit dem beliebigen Wert Φ1 = 1 zu

{Φ}T2 = [ 1 0 −1 ] (6.107)

Den dritten Eigenvektor bekommt man mit Z3 = 2 und Φ1 = 1 als

{Φ}T3 = [ 1 −1 1 ] (6.108)

Die theoretischen Werte fur die naturlichen Frequenzen, wn, sind durch

wn =nπc

H(6.109)

gegeben. Die rechnerischen Werte fur wn erhalt man durch Einsetzen der

Nullstellenwerte, Z1, Z2 und Z3, in die Gl. (6.98) und Losen fur wn. Diegerechneten Werte fur wn sind

w1 = 0, w2 =3, 464c

Hund w3 =

6, 928c

H,

die sich sehr gut mit den theoretischen Werten

w1 = 0, w2 =3, 142c

Hund w3 =

6, 283c

H,

vergleichen lassen, wenn das FE-Netz nur aus zwei Elementen besteht.Die theoretischen Schwingungsformen haben die allgemeine Form P =

cos(nπx/H). Die theoretischen Schwingungsformen und die berechnentenEigenvektoren sind in Bild ?? dargestellt. Fur die erste Schnigungsformsind die theoretischen und gerechneten Formen deckungsgleich.

6.5.2 Zweidimensionale Vibrationen

Die zweidimensionale akustische Schwingungsgleichung und ihre Randbe-dingungen sind durch (6.92) und (6.93) gegeben. Fur diese Gleichung sind

die Elemetmatrizen fur das Dreieckselement durch (5.37) und (5.39) undfurs Rechteckselement durch (5.50) und (5.56) gegeben.

Ein rechteckiger Raum mit der Lange 20 m und der Breite 10 m wirddurch vier Dreieckselemente diskretisiert (s. Bild ??). Mit der Definition

Z = w2/c2 erhalt man das globale Gleichungssystem als

([KD] − Z[KG]){Φ} = {0}, (6.110)

110KAPITEL 6. 2D-FELDPROBLEME MIT GEMISCHTEN RANDBEDINGUNGEN

wobei

[KD] =1

8

10 3 0 −3 −10

3 10 −3 0 −100 −3 10 3 −10

−3 0 3 10 −10

−10 −10 −10 −10 40

(6.111)

[KG] =1

6

100 25 0 25 5025 100 25 0 500 25 100 25 50

25 0 25 100 5050 50 50 50 200

(6.112)

und

{Φ}T = [ Φ1 Φ2 Φ3 Φ4 Φ5 ]. (6.113)

Handberechnungen der Z-Werte, die den Wert von Determinante, |([KD]−

Z[KG])|, gleich Null machen, ist nicht gerade sehr vernunftig; ein Rechen-programm muss hier eingesetzt werden. Diskussion uber direkten und it-

terativen Methoden fur die Auswertung der Eigenwerte gibt es in vielenTextbuchern. Bathe und Wilson (1976) presentieren eine ausfuhrliche Dis-

kussion uber Eigenwertberechnung in Bezug auf FE-Probleme. Fur die Gl.(??) sind die Eigenwerte und Eigenvektoren wie folgt:

Z1 = 0 {Φ}T1 = [ 1 1 1 1 1 ]

Z2 = 0, 030 {Φ}T2 = [ 1 −1 −1 1 0 ]

Z3 = 0, 120 {Φ}T3 = [ 1 1 −1 −1 0 ] (6.114)

Z4 = 0, 150 {Φ}T4 = [ 1 −1 1 −1 0 ]

Z5 = 0, 450 {Φ}T5 = [ −0, 5 −0, 5 −0, 5 −0, 5 1 ]

Die berechneten Eigenwerte lassen sich gut mit den theoretischen Ergeb-nissen aus Z = w2/c2 vergleichen. Die theoretischen Werte sind:

Z1 = 0 , Z2 = 0, 0247 , Z3 = 0, 0987 , Z4 = 0, 123 , Z5 = 0, 395

Jede Schwingungsform kann wie im eindimensionalen Fall grafisch darge-

stellt werden. Die Schwingungsformen, die {Φ}2 und {Φ}4 entsprechen,sind im Bild ?? dargestellt.