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Sonderdruck Mit neuer Energie Das Fraunhofer-Magazin 2010 weiter.vorn

Mit neuer Energie - fraunhofer.de · Danach sanken die Preise deutlich – auch wegen der Wirtschaftskrise. Für dieses Jahr prognostizieren Experten ... Zwischen 2000 und 2008 wuchs

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Sonderdruck

Mit neuer Energie

Das Fraunhofer-Magazin 2010

weiter.vorn

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Inhalt

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Erneuerbare EnergienMit neuer EnergieSchon heute stammen 16 Prozent des Stroms aus regenerativen Quellen.

Strom und Wärme aus RestholzHolzgefeuerte Kraftwerke erzeugen Wärme und Strom zugleich.

Höchsteffiziente MehrfachsolarzellenKonzentratorsolarzellen wandeln besonders viel Sonnenlicht in Energie um.

Kraftwerke auf hoher SeeVor wenigen Monaten ging der erste deutsche Windpark in der Nordsee ans Netz.

Im Einsatz am LeuchtturmSensoren für Offshore-Anlagen im Härtetest.

Energie speichernÖkostrom als Erdgas speichernStrom aus Sonne, Wind und Co. lässt sich als Gas speichern.

Kohlenstoffrasen macht Batterien fitNeue Konzepte und Materialien für Lithium-Ionen-Zellen.

Energie managenStromzähler 2.0Elektronische Stromzähler informieren die Kunden über den Energieverbrauch.

Power für regenerative EnergienDie Umstellung auf eine dezentrale Stromversorgung ist machbar.

Energie effizientLeichter lernenSanierte Schulen sparen Energie und steigern die Motivation der Schüler.

Vom Altbau zum NullenergiehausRenovierte Gebäude verbrauchen bis zu 80 Prozent weniger Energie.

Kurzmeldungen

ElektromobilitätMit Laserlicht in die grüne ZukunftUmweltfreundliche Fertigungstechniken für Flachbatterien.

Fahren mit StromBatterien, Ladestationen – Fraunhofer entwickelt Lösungen für Elektroautos.

32Mit Laserlicht in die grüne ZukunftDie Autoindustrie steht vor einem Umbruch.

26Power für regene-rative EnergienErneuerbare Energien

müssen in ein über- regionales Netzwerk

eingebunden werden.

4Mit neuer EnergieImmer mehr Strom wird

aus regenerativen Quellen gewonnen.

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weiter.vorn 2010 EdItorIal- 03

Grüner aus der KriseProf. Dr. Hans-Jörg Bullinger. © Bernhard Huber

Auch in der Industrie sind mittelfristig Energieeinsparungen von bis zu 30 Prozent möglich.

Der sparsame Umgang mit Energie ist ein erster Schritt in Richtung einer nachhaltigen Energieversorgung. Langfristig müssen aber erneuerbare Energiequellen wie Sonne, Wind und Biomasse direkt genutzt werden. Die Fraunhofer-Insti-tute arbeiten nicht nur in zahlreichen Forschungsprojekten zum Thema Nachhaltigkeit mit, sondern demonstrieren dies auch selbst in Pilotprojekten. Eine kleine Auswahl unserer vielfältigen Aktivitäten finden Sie in diesem Sonderdruck des Fraunhofer-Magazins »weiter.vorn«.

Klimaschutz, Erhaltung der Umwelt sowie ein sparsamer Umgang mit Rohstoffen und Energie stehen auf der Agenda ganz oben – bei Fraunhofer und einer wachsenden Anzahl von Unternehmen. Wir betrachten diese Themen ganzheitlich und erweitern sie um den Faktor Wohlbefinden der Men-schen. Das wäre dann Nachhaltigkeit im weitesten Sinne: Die technische Gestaltung der Welt so zu planen, dass die Gesundheit von Mensch und Natur auch in Zukunft erhalten bleiben: Mit neuer Energie – für eine lebenswerte Zukunft!

Die modernen Industriegesellschaften verdanken ihren Aufstieg vor allem der Nutzung fossiler Energieträger. Öl, Kohle und Gas treiben Wirtschaft und Verkehr an. Aber langsam gehen diese Rohstoffe zur Neige. Gleichzeitig steigt der Energiebedarf der Schwellen- und Entwicklungsländer massiv an. Mit dem wachsenden Energieverbrauch nehmen aber auch die Umweltbelastungen zu. Der Übergang zu einer nachhaltigen, sicheren, wirtschaftlichen und umweltfreund-liche Energieversorgung ist die zentrale Herausforderung für Forschung, Wirtschaft und Politik.

Als Wissensnation können wir bei diesem Übergang eine starke Rolle auf den schnell wachsenden Märkten der Tech-nologien für regenerative Energie und Energieeffizienz ein-nehmen, und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft stärken. Der Einstieg in eine nachhaltige Energieversorgung bietet der Industrie große Chancen: Denn Erneuerbare Ener-gien, Elektromobilität und Umwelttechnologien sind starke Wachstumstreiber, die Arbeitsplätze schaffen.

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat das Wissenschaftschaftsjahr 2010 unter das Motto »Die Zukunft der Energie« gestellt. Regenerative Energien, neue Ener-giespeicher und die Steigerung der Energieeffizienz sind wichtige Forschungsfelder in der Fraunhofer-Gesellschaft. Schon heute verfügt Fraunhofer europaweit über die größten Kapazitäten bei der Erforschung von Erneuerbaren Energien. Fraunhofer ist als strategischer Partner am Massachusetts Institute of Technology MIT ebenso aktiv wie in dem ambitio-nierten Ökostadtprojekt Masdar City in Abu Dhabi.

Wir sind sicher: Im kommenden Jahrzehnt wird ein Umbruch bei Energieverbrauch, -umwandlung, -speicherung und -verteilung stattfinden. Untersuchungen und erste Ergebnisse zeigen, dass beim Energieverbrauch aber auch beim Einsatz von Rohstoffen große Einsparpotenziale erschlossen werden können. Massive Einsparmöglichkeiten gibt es vor allem bei Gebäuden. Etwa ein Drittel des Energiebedarfs in Deutsch-land wird für das Heizen und Kühlen von Wohnhäusern und Bürogebäuden benötigt. Mit intelligenter Gebäudetechnik lässt sich der Energieverbrauch um bis zu 40 Prozent senken.

Mit neuer Energie

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Bei einem CSP-Kraftwerk konzentriert ein parabolförmigerSpiegel das Sonnenlicht auf eine Röhre. © Paul Langrock/Zenit/laif

Mit neuer EnergieText: Birgit Niesing

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Sonne, Wind, Wasser, Biomasse — immer mehr Energie wird

aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Schon heute stammen

in Deutschland mehr als 16 Prozent des Stroms aus re-

generativen Energien. Tendenz steigend. Denn die Ener-

gieträger Öl, Gas und Kohle werden knapper. Durch mehr

Energie-Effizienz und einen nachhaltigen Energie-Mix

lassen sich die Abhängigkeit von Importen und der Aus-

stoß des Treibhausgases CO2 deutlich senken.

Riesige Windparks, glänzende Solaranlagen auf Häusern, Fabriken oder Bauernhöfen – es ist unübersehbar, Deutsch-land setzt mehr und mehr auf Energie aus Wind, Sonne und Co. Mittlerweile speisen etwa 470 000 Anlagen Strom aus regenerativen Quellen ins Netz ein. Das haben Erhebungen des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) ergeben. Im vergangenen Jahr deckten erneuerbare Energien bereits 16 Prozent des gesamten Stromverbrauchs in Deutschland. Auch zum Heizen setzen die Deutschen im-mer häufiger auf regenerative Energien – hier stieg der Anteil im Jahr 2009 auf 9,6 Prozent gegenüber 7,9 Prozent in 2008. Bezogen auf den gesamten Energiebedarf liegt der Anteil regenerativer Energien bei derzeit 10,6 Prozent.

Vor allem zwei Gründe treiben die Nachfrage nach erneu-erbaren Energien an. Da sich die Erdöl- und Erdgasvorräte langsam dem Ende nähern, steigen die Preise für Öl, Gas und Kohle. Zudem zeigen Untersuchungen der UNO, dass der Ausstoß des Treibhausgases CO2 drastisch gesenkt werden muss, um eine Erwärmung der Erde um mehr als zwei Grad Celsius zu vermeiden. Laut »BP Statistical Review of World Energy 2009« reichen die Ölreserven – unter Berücksichtigung der Fördermengen von 2008 – noch etwa 42, die Gasvorkommen 60 und Kohle 122 Jahre. Auch der Rohstoff Uran ist endlich – noch etwa 70 Jahre könnten die Vorkommen abgebaut werden. Doch der Energiebedarf der

Schwellen- und Entwicklungsländer steigt stetig an. 2008 haben diese Staaten erstmals mehr Primärenergie verbraucht als OECD-Nationen. Das treibt die Preise in die Höhe. Im Jahr 2008 kostete das Barrel Rohöl 146 Dollar – ein Rekord-hoch. Danach sanken die Preise deutlich – auch wegen der Wirtschaftskrise. Für dieses Jahr prognostizieren Experten durchschnittliche Preise von 90 Dollar je Barrel (englisch für Fass, entspricht 159 Litern). Zum Vergleich: 2003 wurde ein Barrel Öl im Schnitt für 28 Dollar gehandelt. Ein weiteres Problem: Deutschland muss die fossilen Energieträger wie Erdöl, Erdgas und Steinkohle, ebenso Uran für die Kernkraft in großem Umfang importieren.

Mit dem steigenden Energieverbrauch nehmen auch die Umweltbelastungen zu. Beim Verbrennen kohlenstoffhaltiger Energieträger entsteht CO2. Dieses Treibhausgas gilt als einer der Verursacher des Klimawandels. Seit der Veröffentlichung des UN-Klimaberichts im Jahr 2007 ist klar, dass der Ausstoß von Kohlendioxid bis Mitte des Jahrhunderts um 50 bis 85 Prozent gesenkt werden muss – verglichen mit dem Jahr 2000. Nur dann lässt sich die Erderwärmung im beherrschba-ren Bereich von etwa zwei Grad Celsius halten.

»Der Übergang zu einer nachhaltigen Energieversorgung ist eine der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts«, ist Prof. Dr. Eicke Weber überzeugt. »Um auch in Zukunft

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Strom, Wärme und Mobilität zu bezahlbaren Preisen zu erhalten, müssen wir Energie effizienter nutzen und erneuerbare Energien noch stärker erschließen. Nur so lässt sich die Abhängigkeit von Energie-Importen verringern und der Kohlendioxid-Ausstoß reduzieren, der unser Klima bedroht«, betont der Leiter der Fraunhofer-Allianz Energie (siehe Kasten). Die Europäische Union hat deshalb ein Klima-Paket beschlossen. Bis zum Jahr 2020 soll der Ausstoß von Treibhausgasen in der EU um mindestens 20 Prozent sinken. Außerdem sollen der Anteil erneuerbarer Energien und die Energieeffizienz um 20 Prozent steigen.

Lange Zeit galt Ökostrom als zu teuer. Doch mit den steigenden Preisen für Erdöl, Erdgas und Co. wird Strom aus erneuerbaren Energieträgern langsam attraktiv. Windenergie gehört derzeit zu den billigsten Quellen regenerativ erzeugten Stroms. In Deutschland liegt die Windkraft an erster Stelle bei der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Im vergange-nen Jahr kam sie auf einen Anteil von 6,4 Prozent. Ende 2009 waren in Deutschland mehr als 21 100 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleis-tung von 25 777 Megawatt (MW) installiert, so das Deutsche Windener-gie-Institut. Weltweit erzeugen Windparks mit mehr als 120 Gigawatt (GW) Leistung Strom.

Trotz Wirtschaftskrise ist der Markt für Windkraftanlagen im vergangenen Jahr weiter gewachsen. Der größte Abnehmer weltweit ist China mit etwa 10 000 bis 12 000 MW an neu installierter Leistung. Dort wurden die Kapazitäten nochmals fast verdoppelt. Auch die USA setzen verstärkt auf Windkraft. Die Regierung fördert den Bau von Windkraftsystemen über Konjunkturprogramme.

In Deutschland ist die Windenergie-Gewinnung an Land weitgehend ausgereizt. Nun sollen riesige Windparks im Meer entstehen. Vor wenigen Monaten ging die erste deutsche Offshore-Anlage ans Netz (siehe Seite 14). Im Offshore-Bereich ist der Innovationsdruck besonders hoch: Die Anlagen müssen so geplant und gebaut werden, dass sie Jahre bis Jahr-zehnte Wind, Wetter und Wellen trotzen. Welche Materialien können hier eingesetzt werden? Wie lassen sich die Windparks auf hoher See warten? Antworten auf diese und andere Fragen wollen Forscher des Fraunhofer-Netzwerks Wind geben. Sie arbeiten an Technologien für den Offshore-Markt von morgen.

Weitere wichtige Komponenten in einem künftigen Energiemix sind Biomasse und Wasserkraft. Sie tragen derzeit mit 4,4 Prozent (Biomasse) und 3,3 Prozent (Wasserkraft) zur Stromerzeugung in Deutschland bei. Fraunhofer-Forscher untersuchen, wie sich aus der Vergärung von Biomüll, landwirtschaftlichen Abfällen, Klärschlamm sowie aus Inhaltsstoffen von Abwässern Biogas gewinnen lässt. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt ist die Herstellung von Brenngasen aus Biomasse für den Einsatz in Brennstoffzellen-Systemen.

Langsam wächst auch die Bedeutung der Solarenergie. Im vergangenen Jahr produzierte die Photovoltaik 1,0 Prozent des Stroms in Deutschland. Damit stammt zum ersten Mal mehr Strom aus der Sonne als aus Müll- verbrennungsanlagen. »Die Solarenergie kann langfristig helfen, die Energieversorgung zu sichern«, sagt Professor Weber, der auch das Fraun-hofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg leitet. »Die Sonne

ist ein gigantisches und unerschöpfliches Kraftwerk, das kontinuierlich 120 000 TW produziert. Zum Vergleich: Der Energiebedarf der Mensch- heit entspricht heute einer durchschnittlichen Leistung von 15 TW. Im Jahr 2020 werden es – so Schätzungen – etwa 20 TW sein. Daher könnte eine einigermaßen effiziente Nutzung von nur etwas mehr als ein zehntau-sendstel der Solarenergie ausreichen, um den gesamten Energiebedarf der Menschheit zu decken«, führt Weber aus.

Strom und Wärme aus der Sonne

In Deutschland boomt die Solarenergie seit Jahren. Dank des Erneuer- baren-Energien-Gesetzes (EEG) lohnt sich die Einspeisung des Stroms aus der Sonne. Damit hat Deutschland die Technologie entscheidend voran- getrieben. Auch die weltweite Photovoltaik-Nachfrage steigt rasant an: Zwischen 2000 und 2008 wuchs der Markt durchschnittlich um 51 Pro- zent pro Jahr. Besonders stark zugelegt hat der PV-Markt in den USA: Dort stieg die installierte Photovoltaik-Leistung zwischen 2000 und 2008 von vier MW auf 290 MW. Das entspricht einer jährlichen Steigerung von im Schnitt 71 Prozent, so das Ergebnis der Greentech Media Research in der Untersuchung »The United States PV market through 2013«. In den kommenden Jahren wird die PV-Nachfrage in den USA im Vergleich zu den anderen Märkten am schnellsten wachsen. Die Experten von Greentech Media Research erwarten, dass sich die Investitionen im US-Photovoltaikmarkt bis 2012 auf mehr als sechs Milliarden Dollar verdreifachen werden.

»Lange Zeit war photovoltaisch erzeugter Strom besonders teuer. Dies hat sich in den vergangenen Jahren durch die rasanten Wachstumsraten geändert«, betont Weber. »Die Kosten sind unter einen Systempreis von drei Euro pro Watt gefallen. Die Photovoltaik kann damit schon heute stellenweise mit vielen anderen Arten der Energietechnologien konkurrie-ren.« Doch damit Solarstrom noch stärker genutzt wird, müssen die Preise weiter deutlich sinken. Der Spitzencluster »Solarvalley Mitteldeutschland« hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, spätestens 2015 Strom aus der Sonne günstiger herzustellen als Strom aus konventionellen Kraftwerken. Das wollen die Partner aus Industrie und Wissenschaft durch die Optimierung von Prozessen und Produkten erreichen. Dazu müssen nicht nur die Kos-ten entlang der gesamten Wertschöpfungskette gesenkt, sondern auch der Wirkungsgrad und die Lebensdauer der Produkte gesteigert werden. Das Fraunhofer-Center für Silizium Photovoltaik CSP in Halle koordiniert das Vorhaben wissenschaftlich.

Die PV-Technologie basiert heute vor allem auf der Nutzung von Solar-zellen aus kristallinem Silizium. Der Marktanteil beträgt etwa 80 Prozent. Fraunhofer-Forscher arbeiten daran, diese Zellen noch effizienter zu ma-chen. So haben Wissenschaftler des ISE neue Verfahren und Zellkonzepte zur Herstellung von Silizium-Solarzellen mit n-Typ-Basis entwickelt. Damit werden höhere Wirkungsgrade und Solarstromerträge auch für kom-merzielle Solarzellen möglich. Der Prototyp erreichte mehr als 23 Prozent Wirkungsgrad. »Unser Ziel ist es, die Effizienz zu erhöhen, ohne dass die Produktionskosten steigen«, betont Weber.

Noch deutlich höhere Wirkungsgrade erreichen ISE-Forscher mit Mehr-fach-Solarzellen aus den III-V-Halbleitern GaInP/GaInAs/Ge (Gallium-Indi-

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Biomasse ist ein wichtiger Energielieferant. © Paul Langrock/Zenit/laif

Fraunhofer-Allianz Energie

Die Kompetenzen im Bereich Erneuerbare Energien, Energietechnik und -wirtschaft bündelt die Fraunhofer-Gesellschaft in der Allianz Energie. Gemeinsam mit der Industrie will die Allianz die technologische Führerschaft Deutschlands bei der effizienten Nutzung von Energie und bei der Erschließung regenerativer Energieträger weiter ausbauen. Die Schwerpunkte liegen in den Bereichen Er-neuerbare Energien (Solarenergie, Biomasse, Windkraft); Effizienztechnologien (wie KWK-Technologien, Gasbereit-stellung, Speicher- und Energiewandlungstechnologien, Brennstoffzellen); Gebäude und Komponenten (Niedrigst- energiehäuser, Gebäudeenergietechnik etc.); intelligente Energienetze (wie die systemtechnische Netzintegration von verteilten Stromerzeugern); Speicher- und Mikroener-gietechnik (Lithium-Technologie für Batterien, Brennstoff-zellensysteme). Die Mitglieder sind die Fraunhofer-Institute für :

– Bauphysik IBP – Chemische Technologie ICT – Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF – Grenzflächen- und Bioverfahrenstechnik IGB – Integrierte Schaltungen und Systeme IIS – Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB – Optronik, Systemtechnik und Bildauswertung, Anwendungszentrum Systemtechnik Ilmenau IOSB/AST – Keramische Technologien und Systeme IKTS – Silicatforschung ISC– Solare Energiesysteme ISE – System- und Innovationsforschung ISI– Siliziumtechnologie ISIT – Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT – Windenergie und Energiesystemtechnik IWES – Fraunhofer-Center for Sustainable Energy Systems CSE

www.energie.fraunhofer.de

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um-Phosphid/Gallium-Indium-Arsenid/Germanium). Hierbei wird das Son-nenlicht 454-fach auf eine 5 mm2 kleine Mehrfachsolarzelle konzentriert. Der Wirkungsgrad steigt so im Labor auf 41,1 Prozent. Die noch recht junge Technologie hat bereits den Sprung in den Markt geschafft. Eine Ausgründung aus dem ISE, die Firma Concentrix Solar, bietet Photovoltaik-Konzentrator-Systeme an. Concentrix Solar ist mittlerweile ein Unterneh-men der Soitec-Gruppe. Die hocheffizienten Mehrfachsolarzellen eignen sich jedoch nur für Solarkraftwerke in Ländern mit viel direktem Sonnen-licht – zum Beispiel Spanien.

Ein vorrübergehendes Problem der Photovoltaik-Industrie war die Tatsa-che, dass angesichts des boomenden Marktes hochreines Silizium nicht in ausreichendem Maß vorhanden war. Diese inzwischen behobene Situation beschleunigte die Entwicklung von Dünnschichttechnologien. Eine Lösung bieten Dünnschicht-Solarzellen aus amorphem Silizium, Kupfer-Indium-Gallium-Selenid (CIGS) oder gar Kadmium-Tellurid (CdTe). Diese Solarzellen benötigen wenig oder gar kein Silizium. Der Nachteil: Dünnschicht-Solar-zellen haben eine deutlich geringere Energieausbeute. Die Umwandlungs-effizienz beträgt nur 8 bis 12 Prozent.

Eine andere Alternative ist die Nutzung von metallurgischem Silizium: »Anstelle des teuren, hochreinen Siliziums wollen wir metallurgisches, also weniger reines Silizium – auch »dirty silicon« genannt – nutzen«, erläutert Professor Weber den Forschungsansatz. In einem von der Fraunhofer-Stif-tung unterstützten Projekt werden Solarzellen-Technologien auf der Basis von nur wenig gereinigtem metallurgischen Silizium entwickelt. So lassen sich künftig die Fertigungskosten für Solarzellen erheblich senken, ohne die Effizienz der Solarzellen zu mindern. Neue Möglichkeiten eröffnet die Herstellung von Strom in konzentrierenden solarthermischen Kraftwerken (Concentrated Solar Thermal, CST oder auch CSP für Concentrated Solar

Power). Über einen der Sonne nachgeführten Spiegel wird das Licht auf einen Rezeptor konzentriert. So lässt sich in einer linearen Röhre oder in einem Turm zum Beispiel Dampf erhitzen und damit in einer Turbine Strom erzeugen. Diese Technologie ist besonders in sonnenreichen Gegenden mit 2000 bis 2500kW h/(m²*a) jährlicher Sonnenstrahlung interessant.

Weniger CO2-Ausstoß dank neuer Energien

Auch das geplante Projekt »Desertec« setzt auf solarthermische Kraftwer-ke. Die Idee: In Afrika erzeugter Solarstrom soll nach Europa geleitet wer-den und so im Jahr 2050 etwa 15 Prozent des europäischen Strombedarfs decken. »Die Vision ist, Strom in sonnenreichen Gegenden zu produzieren und dann dorthin zu exportieren, wo er benötigt wird, und das ohne weitere staatliche Unterstützung«, sagt Weber.

Doch wie wirkt sich die Nutzung der Energie aus Sonne, Wind und Biomasse auf unsere Umwelt aus? In welchem Umfang sinkt der CO2- Ausstoß? Die Erneuerbaren Energien haben nach Angaben des Bundes- verbands Erneuerbare Energie im vergangenen Jahr etwa 111 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent vermieden. Es konnte auf Importe fossiler Brenn-stoffe im Gegenwert von 6,4 Milliarden Euro verzichtet werden.

Wind, Sonne, Biomasse, konventionelle Kraftwerke – künftig kommt unsere Energie aus immer mehr verschiedenen Quellen. Das stellt die Energieversorger vor neue Herausforderungen. Denn Wind- und Solaranlagen haben einen Nachteil: Sie liefern weitgehend »ungeregelt« Strom. Um den Spitzenverbrauch abzufedern und auch Strom bei Windstil-le und bedecktem Himmel zur Verfügung zu stellen, ist ein »intelligentes« Energiemanagement gefragt. Neue Informations- und Kommuni- kationstechnologien bieten hierfür vielfältige Chancen. Die Fraunhofer-

Marktanteile in ProzentEnergiebereitstellung aus Erneuerbarer Energie 2009: 252 TWh

Stromerzeugung in TWhAnteil am Stromverbrauch 2009: 16,1%

Anteil am Stromverbrauch

WasserkraftAnteil am Wärmeverbrauch

WindenergieAnteil am Kraft-stoffverbrauch

Biomassegesamt

PhotovoltaikAnteil am Erd-energieverbrauch

Geothermie Gesamt

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100 TWh

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Allianz Energie setzt auf virtuelle Kraftwerke, die mehrere dezentrale Erzeuger durch interaktive Vernetzung in ihren Ertrags- und Lastprognosen aufeinander abstimmen und so als zentrale Kraftwerke im Gesamtnetz agieren können. Daran arbeitet das Fraunhofer-Netzwerks »Intelligente Energienetze«.

Mit Hilfe moderner Informations- und Kommunikationssysteme – wie elektronische Stromzähler (smart meter) – können künftig die Verbraucher über flexible Energiepreise in die Austarierung eines Netzes mit einbezo-gen werden. Die Grundidee: Wird eine große Menge Strom verbraucht, ist er teuer. Wird weniger Strom benötigt oder über Sonne und Wind viel Energie bereitgestellt, sinkt der Preis.

Außerdem helfen leistungsfähige Stromspeicher, das fluktuierende Ener-gieangebot auszugleichen. Energiespeicher im Stromnetz sind daher auch eines der zwölf Zukunftsthemen, die Fraunhofer-Forscher in den nächsten Jahren intensiv bearbeiten. Forschungsschwerpunkte sind zwei, bisher nicht für große Leistung genutzte Technologien: Redoxflow- und Lithium-Batterien. Redoxflow-Batterien verfügen über eine ähnliche Energiedich-te wie herkömmliche Bleiakkus. Ihre Lebensdauer ist jedoch zehnmal so hoch. Für kleine Einspeiser in netzfernen Gebieten könnten künftig Lithium-Batterien interessant werden.

Solche kleinen Speicher sollen auch in Elektroautos zum Einsatz kommen. Eine Idee der Forscher: Elektrowagen werden als mobile Energiespeicher für Strom aus Wind und Sonne genutzt. Scheint die Sonne, laden sich die Akkus in den Elektroautos auf. Wird das Auto nicht benötigt, greifen Netzbetreiber auf die in den Batterien gespeicherte Energie zurück. So lässt sich das Stromnetz mit Hilfe von Elektroautos stabilisieren.

Ein interessanter Energiespeicher ist auch Wasserstoff. Mit Hilfe von Brenn-stoffzellen kann man die chemische Energie äußerst effizient in Strom und Wärme umwandeln. Die elektrische Ausbeute beträgt bis zu 50 Prozent. Werden die Brennstoffzellen direkt beim Verbraucher installiert, lässt sich zudem die entstehende Wärme nutzen. Der Gesamtwirkungsgrad steigt auf bis zu 80 Prozent.

Der beste Weg, Energiekosten zu senken, ist ein Ressourcen schonender Einsatz sowie ein sparsamer Umgang mit Energie. Mehr Licht, mehr Wär-me, mehr Leistung aus einem Liter Öl oder einer Kilowattstunde Strom herauszuholen, ist nicht nur für einzelne Haushalte oder Betriebe lukrativ, auch die Volkswirtschaft profitiert davon. Eine Möglichkeit Energie effi-zienter zu nutzen, ist die gleichzeitige Wandlung von Energie in mehrere Energieträger oder die simultane Erzeugung von Elektrizität und Wärme, Polygeneration genannt. In Zukunft wird das Bereitstellen und Nutzen von Strom, Wärme und Kälte immer enger miteinander verbunden werden. Mit Organic-Rankine-Cycle-Anlagen (ORC-Anlagen) kann beispielsweise die Abwärme von Biogasmotoren genutzt werden. Für die Verwertung hochkalorischer Abfälle entwickeln Fraunhofer-Forscher dezentrale Klein-verbrennungsanlagen mit integrierter Kraft-Wärme-Kopplung.

Energiebedarf von Häusern senken

Massive Einsparmöglichkeiten gibt es vor allem bei Gebäuden. Etwa ein Drittel des Energiebedarfs in Deutschland wird für das Heizen und Kühlen von Wohnhäusern und Bürogebäuden benötigt. Vor allem Häuser, die vor 1983 gebaut wurden, sind große Energieverschwender. Sie benötigen oft mehr als 20 Liter Heizöl pro Quadratmeter und Jahr. Zum Vergleich: Heuti-ge Neubauten benötigen nur ein Drittel. Mit intelligenter Gebäudetechnik lässt sich der Energieverbrauch der Altbauten deutlich senken (siehe Seite 26). Hochwärmedämmende Gebäudehüllen, effiziente Solar- und Lüf-tungssysteme sowie Langzeitspeicher sorgen dafür, dass der Energiever-brauch von Neubauten künftig noch weiter sinkt. In Zukunft werden neue Häuser keine zusätzliche Energie mehr benötigen (Null-Energie-Häuser) oder sogar Energie produzieren (Plus-Energie-Häuser).

Die wachsende Nachfrage nach Energie und die knapper werdende Ressourcen sowie steigende Umweltschutzanforderungen stellen Politik, Industrie und Verbraucher nicht nur vor große Herausforderungen, sondern bieten auch neue Marktchancen. In den vergangenen Jahren hat sich der Bereich Erneuerbare Energien zu einer wichtigen Wachstumsbran-che und einem bedeutenden Arbeitgeber entwickelt. Heute sind mehr als 278 000 Menschen in diesem Bereich beschäftigt. 2008 wurden etwa 13,1 Milliarden Euro in neue Anlagen investiert. Addiert man die Erlöse aus dem Betrieb der Erneuerbare-Energien-Anlagen hinzu, ergibt sich für 2008 ein Gesamtumsatz in Höhe von rund 30 Milliarden Euro. Auch im internationalen Vergleich ist der deutsche Erneuerbare-Energien-Sektor nach wie vor führend. 2007 wurden Anlagen und Technik mit einem Volumen von etwa 9 Milliarden Euro exportiert.

weiter.vorn 2010 erneuerbare energien - 9

2007

2008

2009

In den vergangenen Jahren ist die Bereit-stellung von Energie aus Erneuerbaren Ressourcen kontinuierlich gestiegen. Quelle: Bundesverband Erneuerbare Energien e. V.

Podcast online: www.fraunhofer.de/audio

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10 - erneuerbare energien weiter.vorn 2010

Ob in Brunsbüttel, Pfaffenhofen, Hildesheim oder Ilmenau: Überall in Deutschland entstehen derzeit Kraftwerke, die Holzabfälle und Restholz verbrennen. Etwa 50 dieser Biomasse-Heizkraft-werke sind bereits in Betrieb oder werden dem-nächst ans Netz gehen. Wobei es eigentlich »an die Netze« heißen müsste, denn die Anlagen erzeugen dank einer Kraft-Wärme-Kopplung Fernwärme und Strom zugleich. Zwar setzen auch sie Kohlendioxid frei – aber zu Kohle-, Öl- oder Gaskraftwerken gibt es einen entschei-denden Unterschied: Es gelangt (abgesehen von den Kohlendioxidemissionen für Aufbereitungs- und Transportaufwand) nur soviel CO2 in die Atmosphäre, wie die Bäume wenige Jahrzehnte zuvor während ihres Wachstums gebunden haben.

Neben den großen Holzkraftwerken der zent-ralen Energieversorger können auch kleinere, dezentrale Anlagen rentabel sein – unter zwei Voraussetzungen: Es muss genügend Holz zur Verfügung stehen, am besten als Rinde, Produk-tionsreststoff oder schwaches Ausforstungsholz. Und für die entstehende Wärme muss es eine sinnvolle Nutzung geben. »So werden Reststof-fe dort verwertet, wo sie entstehen, und die Energie kann direkt an Ort und Stelle genutzt werden«, fasst Dr. Matthias Gohla die Vorteile zusammen. Der Leiter des Geschäftsfelds Pro-zess- und Anlagentechnik am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg hat mit seinen Mitarbeitern bereits mehrere Biomasse-Heizkraftwerke für Betriebe konzipiert und während der Bauphase begleitet. Eines dieser Projekte haben die Forscher bei der Robeta Holz OHG in Milmersdorf realisiert,

einem Sägewerk in der Uckermark, auf halbem Wege zwischen Berlin und Ostsee.

»Eigentlich haben wir nach einer Lösung zum Trocknen unserer Hölzer gesucht«, berichtet Robeta-Geschäftsführer Edgar Rockel, der das Werk mit zwei Mitstreitern nach der Wende aufgebaut hat. Denn mit getrocknetem Holz lässt sich eine deutlich höhere Wertschöpfung erzielen. Und Holzabfälle gibt es nun mal im Überfluss in einem Sägewerk, das im Jahr rund 300 000 Festmeter Kiefer, Lärche, Douglasie und Fichte verarbeitet. Deshalb bot es sich an, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: das Restholz zu verbrennen und die Wärme zum Trocknen der eigenen Ware zu nutzen. Die Fraunhofer-Experten unterstützten den 150-Mann-Betrieb dabei, die effizienteste Lösung zu finden. Für sie war das nicht die erste Aufgabe dieser Art, aber es gab doch einige Besonderheiten zu berücksichtigen: Auf mög-lichst geringer Fläche sollte eine wirtschaftliche Anlage entstehen, die zudem keiner besonderen Beaufsichtigung bedarf. Denn Kraftwerkstech-niker gibt es in einem Sägewerk nicht. »Der Prozess muss weitgehend von selbst laufen«, sagt Matthias Gohla.

Holzreste und Rinden werden verbrannt

Nachdem sie mehrere Varianten geprüft und durchgerechnet hatten, entschieden sich die Magdeburger Fraunhofer-Experten gemeinsam mit dem jetzigen Betreiber für folgenden Aufbau des Kraftwerks: Holzreste und Rinden werden auf einen Vorschubrost

gefördert, auf dem die Biomasse verbrennt. Das geschieht in einer separaten Feuerbox mit einer Rauchgaszirkulation, in der die Luftzu-fuhr ebenso angepasst werden kann wie die Brennstoffmenge. So wird stets eine optimale Verbrennung erreicht. Um die entstehende Wär-me zu nutzen, haben die Fraunhofer-Forscher einen besonders effektiven Prozess der Kraft-Wärme-Kopplung gewählt: Im ORC-(Organic Rankine Cycle)-Prozess wird kein Wasser verdampft, sondern ein Silikonöl. So erreicht man einen elektrischen Wirkungsgrad von etwa 20 Prozent – bei einer einstufigen Dampfturbine dieser Baugröße sind es cirka 16 Prozent. Damit erzeugt die Robeta Holz OHG eine elektrische Leistung von 1,2 Megawatt. »Wirtschaftlich besonders interessant ist es, dass die Energie ins öffentliche Stromnetz eingespeist und nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz vergütet wird«, sagt Matthias Gohla.

Strom und Wärme aus RestholzHolzgefeuerte Kraftwerke haben einige Vorteile: Sie erzeugen Wärme und Strom zugleich und entlasten die Atmosphäre vom Treibhausgas Kohlendioxid. Auch als kleinere, dezentrale An-lagen können sich solche Kraftwerke lohnen, so die Erfahrung von Fraunhofer-Experten.

Text: Hellmuth Nordwig

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Noch mehr Energie fällt als Wärme an: 5,3 Megawatt stehen dem Sägewerk zur Verfügung, um die Betriebsgebäude zu heizen und vor allem, um das Holz zu trocknen. Auch wenn das Biomasse-Heizkraftwerk nicht zu den größten seiner Art gehört, hilft es dennoch die Umwelt zu schonen: Ein Kohlekraftwerk gleicher Leistung würde jährlich etwa 17 000 Tonnen Kohlendioxid ausstoßen – so viel wie die Heizungen von mehr als 2000 Vier-Personen-Haushalten zusammen.

Planen in der »virtuellen Realität«

Bereits in der Planungsphase bedienten sich die Magdeburger Ingenieure einer Methode, die ihr eigenes Institut zur Perfektion entwickelt hat: der »Virtuellen Realität«. Dabei werden die Daten aus einem 3-D-CAD-Modell in einer

anschaulichen Form dargestellt und miteinander verknüpft. So lässt sich die Anlage nicht nur planen, sondern schon vor dem Bau am Com-puter risikolos testen: Spielen alle Komponenten optimal zusammen? Kann die Anlage in jedem Betriebszustand problemlos bedient werden? Wie würde es sich auf die Gesamtfunktion auswirken, wenn ein Bauteil zum Beispiel anders dimensioniert würde? Konstruktionsfehler kön-nen von vornherein vermieden werden. Auch zusätzliche Elemente lassen sich in der virtuellen Darstellung hinterlegen, etwa Wartungsinforma-tionen oder Dokumentationen für das Bedien-personal. Dessen Schulung wird durch die Virtuelle Realität ebenfalls erleichtert – sie kann bereits erfolgen, bevor die Anlage gebaut wird. Und die Bedienmannschaft kann nach Herzens-lust alles ausprobieren. Fehler bleiben folgenlos. »Unsere Mitarbeiter kannten das Kraftwerk schon in- und auswendig, bevor es überhaupt

stand«, erinnert sich Edgar Rockel. Für künftige Projekte plant das Fraunhofer-Team noch eine technische Neuerung: die Wirbelschichtfeue-rung. Bei dieser Technik wird der Brennstoff in einer Sand- und Ascheschicht verteilt und von unten mit Verbrennungsluft angeströmt und verwirbelt. Das erlaubt eine deutlich homoge-nere Verbrennung, mit der Folge, dass weniger unerwünschte Schadgasanteile entstehen. So kann zudem der feuerungstechnische Wirkungs-grad noch weiter gesteigert werden.

Bei der Firma Robeta hat die Zukunft bereits be-gonnen. Etwa fünf Millionen Euro hat sie in das neue Holzkraftwerk investiert. Seit der Inbetrieb-nahme im August 2008 läuft es reibungslos: »Es passt einfach und arbeitet wie nebenbei«, freut sich Edgar Rockel. Und das Sägewerk hat sein ursprüngliches Ziel erreicht: Es kann nun auch getrocknetes Holz anbieten.

Fraunhofer-Forscher haben das Biomasse-Kraftwerk konzipiert. alle Fotos © Dirk Mahler

Täglich werden bis zu 250 Kubikmeter Holzrinde in dem Biomassekraftwerk zu Strom und Wärme veredelt.

BEn: Biomasse-Energiekataster

Wo fallen Waldabfälle an? Was ist ein ge-eigneter Standort für ein Bioenergie-Projekt? Unterstützung bei der Beantwortung dieser und anderer Fragen wird das EU-Projekt »BEn – Biomasse-Energiekataster für die nachhaltige Standortentwicklung europäi-scher Regionen« geben. Basierend auf open source-Geoinformationssystemen erarbeiten Forscher aus Italien, Großbritannien, Polen, Österreich und Deutschland ein Biomasse-Energiekataster.

Wie ein solches Kataster aussehen kann, zeigen die Forscher beispielhaft für die Modellregionen in Nord-Ost-England (UK), der Emscher-Lippe-Region, der Region Umbrien (IT) und der Gostyniner Seenplatte (PL). Die erhobenen Daten werden in das webbasiertes geographisches Informations-system eingespeist und bilden die Grundlage für die Identifizierung geeigneter Standorte für Bioenergie-Projekte in den jeweiligen Regionen. Forscher des Fraunhofer-Instituts für Umwelt-, Sicherheits- und Energietechnik UMSICHT in Oberhausen koordinieren das Projekt. Das regionale Energiekataster wird voraussichtlich 2011 veröffentlicht.

www.ben-project.eu

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Klimawandel und versiegende fossile Ressourcen bestimmen den Energiemix der Zukunft. Die Solarenergie wird dabei eine wesentliche Rolle spielen. Dr. Andreas Bett und Dr. Frank Dimroth vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg entwickelten eine metamorphe Dreifachsolar-zelle, bestehend aus den III-V-Verbindungshalbleitern Gallium-indiumphosphid, Galliumindiumarsenid und Germanium. Der spezielle Aufbau ermöglicht es, fast das gesamte Spektrum des Sonnenlichts optimal zur Energieerzeugung zu nutzen. Die Forscher konnten damit mehr Sonnenlicht in Strom umwandeln als je zuvor, bei einem Rekordwirkungsgrad von

HöchsteffizienteMehrfach-solarzellenSolarenergie wird eine bedeutende Rolle im Energiemix der Zukunft spielen. Denn Sonnenkraft steht unbegrenzt zur Verfü-gung. Mithilfe einer Konzentratorsolarzel-le lässt sich besonders viel Sonnenlicht in Energie umwandeln.

Text: Beate Koch

Die Konzentrator-Solarzellen haben einen Wirkungsgrad von mehr als 29 Prozent. © Thomas Ernsting

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41,1 Prozent. Für ihre Arbeiten erhielten sie den Joseph-von-Fraunhofer-Preis 2010. Außerdem wurde Dr. Dimroth auch mit dem Preis der »Fondation Louis D«, dem höchstdotierten Wissenschaftspreis Frankreichs, ausgezeichnet.

Der hohe Wirkungsgrad wird möglich, indem mehrere Solar-zellen mit einer sehr guten Qualität übereinander gestapelt werden. »Unsere Dreifachsolarzelle besteht aus mehr als 20 einzelnen Schichten, die wir alle optimiert haben«, sagt Dr. Frank Dimroth. »Wir haben sowohl die Struktur der Halblei-terschicht, als auch die Materialqualität, die Metallkontakte sowie die Antireflexschichten verbessert, um zu diesem Ergebnis zu kommen.« Ursprünglich wurden Mehrfachsolar-zellen für den Weltraum entwickelt, die meisten Satelliten im All sind mit ihnen bestückt. Sie liefern den Strom für den Betrieb. Da das Herstellungsverfahren vergleichsweise teuer ist, kamen diese Zellen auf der Erde bisher nicht zum Einsatz. Die Kombination der hocheffizienten Zellen mit einem Linsenverstärker sorgt dafür, dass im Vergleich zu herkömm-lichen Solarmodulen nur noch etwa ein Fünfhundertstel der Halbleiterfläche benötigt wird. Die Zellen in den eigens entwi-ckelten Konzentratormodulen sind nur drei Quadratmillimeter groß. Über dieser kleinen Solarzelle liegt in einem Abstand von etwa zehn Zentimetern eine Fresnellinse. Dieser Aufbau konzentriert das Sonnenlicht um den Faktor 400 bis 500. Damit die Zellen nicht überhitzen, sind sie auf einen Kupfer-träger aufgebracht, der die Wärme ausreichend gut verteilt. So reicht es, die Solarzelle nur passiv zu kühlen. »Dank dieses Aufbaus konnten wir Module mit Wirkungsgraden von mehr als 29 Prozent herstellen«, sagt Andreas Bett. Unter dem Na-men FLATCON® sind diese Module seit 2007 auf dem Markt und beispielsweise in einem spanischen Solarpark im Einsatz.

Damit die Technologie zügig vom Labor zur Industrie gelangt, wurde am Institut ein Demonstrationslabor mit Maschinen aufgebaut, wie sie auch in der Fertigung genutzt werden. Hier erarbeiten und testen die Forscher Produktionsprozesse für die Aufbau- und Verbindungstechnik, die Modulinteg-ration und die Qualitätskontrolle. Ein Spin-off aus dem ISE, die Firma Concentrix Solar GmbH, produziert die Konzent-ratorsysteme, die zum Beispiel in dem spanischen Solarpark mit einem Systemwirkungsgrad von 25 Prozent Solarstrom ins Netz speisen. Bei der Entwicklung der metamorphen Mehrfachsolarzellen arbeitet das Team seit Jahren eng mit der Firma AZUR Space Solar Power in Heilbronn zusammen, dem führenden europäischen Hersteller von Solarzellen für den Weltraum. Dieser Partner will die hocheffizienten Solarzellen 2011 auf den Markt bringen.

Podcast online: www.fraunhofer.de/audio

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Der Wind peitscht im Schnitt mit Windstärke 5, die Wellen türmen sich meterhoch, die Luft ist salzhaltig und feucht – 45 Kilometer nördlich von Borkum herrscht ein raues Klima. Hier wurde vor wenigen Monaten der erste deut-sche Offshore-Windpark »alpha ventus« (siehe Kasten) fertiggestellt.

Offshore-Parks in der deutschen Nordsee zu errichten, stellt Planer, Anlagenbauer und -betreiber vor große Herausforderungen. Denn vor der Küste liegt der geschützte »Nationalpark Wattenmeer«. Die Windparks können deshalb nicht – wie sonst üblich – kurz vor dem Deich gebaut werden, sondern müssen weit vor die Inselkette von Sylt bis Borkum ausweichen. Das hat einige entscheidende Nachteile: Die Anlagen werden in Wassertiefen von 20 bis 40 Metern gebaut und gestalten sich damit zu technischem Neuland. Die Verankerung im Meeresboden und die Anbindung an das Stromnetz auf dem Festland sind aufwendig und teuer.

Der Offshore-Windpark »alpha ventus« muss extremen Bedingungen trotzen: Die zwölf Wind-kraftanlagen wurden in 30 Meter tiefem Wasser gebaut. Über ein 60 Kilometer langes Seekabel ist der Park mit dem Festland verbunden. Der

Windpark – ein gemeinsames Pilotprojekt der Unternehmen EWE, E.ON Climate & Renewa-bles und Vattenfall – ist eine technische und logistische Pionierleistung. Im Testfeld kommen zwölf Windenergieanlagen der 5-Megawatt-Klasse zum Einsatz: sechs Anlagen des Typs Areva Multibrid M5000 sowie sechs Anlagen der REpower 5M. Die Anlagen sind auf zwei unterschiedliche Arten von Stahlfundamenten gebaut. Während die Areva-Multibrid-Anlagen auf Tripods stehen, dreibeinigen Füßen, wurden die REpower-Anlagen auf Stahlrohrtragwerken mit speziellen Gussverbindungen, den Jacket-Fundamenten, errichtet.

»Mit dem Pilotprojekt ‚alpha ventus‘ werden nun erstmals grundlegende Erfahrungen mit Bau und Betrieb eines Offshore-Windparks in großer Wassertiefe gesammelt«, erläutert Dr. Bernhard Lange vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES. Der Windenergie-Experte koordiniert die vom Bundesumweltministerium (BMU) mit 50 Millionen Euro geförderte Forschungsinitiative »Research at alpha ventus«, kurz RAVE. Ziel ist es, eine breite Wissensgrundlage für den Bau und den Betrieb zukünftiger Offshore-Anlagen zu gewinnen. Die Forscher wollen herausfin-

den, wie in Zukunft Offshore-Anlagen und Offshore-Parks besser und vor allem kostengüns-tiger konstruiert, errichtet und ins Stromnetz integriert werden können. Schwerpunkte der Forschungsarbeit sind die Untersuchung der Gründungs- und Tragstrukturen, Messtechnik, Anlagentechnik und Monitoring, die Netzinte-gration sowie die Aspekte Ökologie, Akzeptanz und Sicherheit.

Research at Alpha ventus www.rave-offshore.de

Forscher des IWES koordinieren nicht nur die Forschungsinitiative, sondern leiten auch zwei Arbeitsschwerpunkte. Im Projekt »Offshore WMEP« untersuchen die Wissenschaftler fol-gende Fragestellung: Welchen Einfluss haben die besonderen meteorologischen Bedingungen auf hoher See auf den Betrieb? Wie wirken sich Extremwerte auf die Verfügbarkeit der Anlagen aus? Wie hoch sind die Stromgestehungskosten? Lassen sich die Kosten in Zukunft reduzieren?

Die zweite Aufgabe der IWES-Wissenschaftler ist es, zu untersuchen, wie sich Offshore-Windparks in das Stromnetz integrieren lassen. Dazu bedarf es einerseits zuverlässiger Vorhersagen für die

Kraftwerke auf hoher See Auf dem Meer weht der Wind stetiger und deutlich kräftiger als an Land. Deshalb setzt die Windenergiebranche verstärkt auf den Bau von Offshore-Anlagen. Vor wenigen Monaten ging der erste deutsche Windpark in der Nordsee ans Netz. Forscher begleiten das Test- und Demonstrationsprojekt »alpha ventus«.

Text: Birgit Niesing

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Windleistung. Andererseits muss auch geklärt werden, wie sich die Leistungen der Windparks im Meer managen lassen.

Die Erkenntnisse aus der Forschungsinitiative RAVE werden dringend benötigt. Die Bundesre-gierung möchte bereits 2020 etwa 30 Prozent des deutschen Energiebedarfs aus regenerativen Quellen erzeugen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen verstärkt auch Offshore-Anlagen gebaut werden. »Die Windparks im Meer erzeugen erheblich mehr Energie als Anlagen an Land«, sagt Lange. Deshalb sollen in den kommenden 20 Jahren Windkraftanlagen in Nord- und Ostsee mit einer Leistung von 20 bis 25 Gigawatt errichtet werden. Ihre Stromprodukti-on würde dann mehr als 15 Prozent des deutschen Bedarfs decken.

Deutschland steht bei der Erschließung der Offshore-Windenergie erst am Anfang. Viele Europäische Länder setzen schon seit Jahren auf die Stromerzeugung auf hoher See. Dä-nemark hat bereits 1991 den ersten Offshore-Windpark in Betrieb genommen. Und auch andere Länder setzen bereits seit Jahren auf die Kraftwerke auf hoher See. Ende 2009 waren auf den Weltmeeren 33 Windparks am Netz.

Insbesondere Europa setzt auf den Ausbau der Offshore-Parks: 2009 nahmen acht neue Windparks mit 199 Offshore-Turbinen und einer Leistung von 577 Megawatt den Betrieb auf. Dieses Jahr, so schätzt der Branchenver-

band European Wind Energy Association EWEA, werden zehn zusätzliche Offshore- Windparks mit einer Leistung von 1000 Mega-watt fertig gestellt. Das entspräche einem Plus von 75 Prozent.

alpha ventus

Gemeinsam haben die Ener-gieversorgungsunternehmen EWE, E.ON und Vattenfall in der Nordsee in einer Entfer-nung von etwa 60 Kilometer vor der deutschen Küste das Offshore-Testfeld »alpha ventus« aufgebaut. Der erste deutsche Offshore-Windpark ist ein De-monstrations- und Forschungs-objekt zugleich. Im vergangenen Jahr wurden im 30 Meter tiefen Wasser zwölf Windkraftanla-gen der Firmen Multibrid und REpower mit einer Leistung von je fünf Megawatt errichtet. Die Anlagen sollen künftig Strom für etwa 50 000 Haushalte liefern. Die Firmen haben 250 Millionen Euro in das Vorhaben investiert. Die ersten sechs Anlagen laufen bereits im Probebetrieb und erzeugen Strom.

www.alpha-ventus.de

Fraunhofer-Netzwerk Wind

Zuverlässige und effektive Windenergieanlagen zu entwickeln und ins Netz zu integrieren ist eine komplexe Aufgabe. In dem Fraunhofer-Netzwerk Wind haben sich neun Institute aus den Bereichen Materialforschung, Betriebssicherheit, Simulation, Leistungselektronik und Energie-systemtechnik zusammengeschlossen. Das Leistungsspektrum reicht von Vorhersageverfahren für Windenergie, Methoden des Lastmanagements und der Netzauslegung, Algorithmen für Leittechnik und Simulationswerkzeuge bis zu zerstörungsfreien Prüfmethoden für Anlagenkom-ponenten. Die beteiligten Institute sind: – Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES – Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF – Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS/EAS – Fraunhofer-Anwendungszentrum Systemtechnik IOSB/AST – Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE – Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI – Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM – Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren IZFP – Fraunhofer-Institut für Holzforschung WKI– Fraunhofer-Institut für für Betriebsfestigkeit und Systemzuverlässigkeit LBF – Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM

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Im Einsatz am LeuchtturmUm Offshore-Windenergieanlagen zu überwachen, benötigt man eine aus-gefeilte Sensorik. Seefeste Materialien müssen sie vor Wasser, Salz, Sonne und Muschelbewuchs schützen. Forscher vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES testen Werkstoffe und Sensorprototypen auf hoher See.

Fotos: Jan Meier

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Niklas Peters lässt sich sachte am Seil ab. Zentimeter für Zentimeter viert er sich vom Sockel des Leuchtturms »Alte Weser« hinab zum Probengestell. Er ist doppelt gesichert, das Sicherheitsseil ist in seinen Brustgurt eingeklinkt. Unter ihm rollen die Wellen gegen den Turm. »Mehr Seil«, ruft Peters und rutscht noch ein Stückchen tiefer. Mit einem Maulschlüssel schraubt er eine Stahlplatte vom Probengestell. Die Platte ist mit flachen Sensoren bestückt, die durch mehrere Materialschichten geschützt werden. Per Seilwinde wird sie zu seinen Kollegen hochgezogen, die drei Meter über ihm auf dem Sockel des Leuchtturms stehen. Die Platte ist mit Seepocken und schwarzen Miesmuscheln bewachsen.

Doch welche Arten genau haben sich auf der Platte niedergelassen? Das untersuchen die Forscher später mit einer DNA-Sequenzierung im Labor. So lässt sich ermitteln, welche Organis-men auf welchem Material siedeln. »Anhand ihrer Stoffwechseltätigkeit und des Besiedlungs-profils lässt sich sogar das Schädigungspotenzial für die Werkstoffe bestimmen«, erläutert Peters. Unterstützt wird das Team bei seinen Untersu-chungen von einem Biologen des Bremerhave-ner Forschungsinstituts IMARE, einer Ausgrün-dung des Alfred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung. »All diese Erkenntnisse nutzen wir, um Laborprüfverfahren zu verbessern und

letztlich Schutzstrategien für die Materialien zu entwickeln«, sagt Peters.

Vor ihrem ersten Hochsee-Einsatz haben Peters und seine Kollegen vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES ein Offshore-Überlebenstraining mit Rettungs-übungen absolviert. Seither begleiten die Forscher etwa alle drei Monate die Mannschaft vom Bremerhavener Schifffahrtsamt hinaus zum Leuchtturm in der Wesermündung. Während die einen den Leuchtturm instand halten, kontrollie-ren die anderen die Probenplatten. Die Forscher wollen herausfinden, wie stark Salz, Sonne, Temperaturunterschiede und Seegang der Sen-sorik, dem Abdeckmaterial und dem Klebstoff zusetzen und wie zerstörerisch der biologische Bewuchs wirkt. »Sensoren werden zunehmend in Offshore-Windenergieanlagen eingesetzt, um Materialermüdung zu registrieren. Die Sensoren nehmen kleinste Veränderungen in der Werk-stoffstruktur wahr«, sagt IWES-Abteilungsleiter Dr. Holger Huhn.

Mit Sensoren lassen sich Offshore-Anlage überwachen

Offshore-Windparks, die Kilometer vor der Küste aus dem Meer herausragen, sind schwer zu erreichen, die Arbeitseinsätze schlecht planbar und im Winter zeitweise nicht durchführbar.

Deshalb ist der Einsatz von Sensoren essenziell wichtig. Nur so lässt sich aus der Ferne der Zustand der Anlage überwachen. Dank der Sensoren kann man die Lebensdauer wichtiger Komponenten der Windkraft-Anlage konti-nuierlich abschätzen und die Serviceeinsätze besser planen. Aber wie müssen die Sensoren aufgebaut sein und geschützt werden, damit sie 20 Jahre auf hoher See überstehen? Genau das wollen die IWES-Experten herausfinden. »Ein Schiff kann man zur Wartung ins Trockendock bringen«, sagt Huhn. »Eine Windenergieanlage aber bleibt zwei Jahrzehnte draußen im Meer. Dafür müssen Vorkehrungen getroffen werden.« Die Sensoren sollten während der gesamten Betriebsdauer der Anlage zuverlässig arbeiten. Denn ein Austausch auf offener See ist zeitrau-bend und schwierig.

Normen und Standards für die Prüfung von Klebstoffen und Oberflächenmaterialien gibt es zwar – einen Einsatz auf offener See hatte bei ihrer Festlegung aber noch niemand im Auge. »Die Zerstörungskraft der Biologie wird bisher jedoch von keinem Verfahren berücksichtigt«, betont Jens-Uwe Jakomeit, der Klebstoff-Experte im IWES-Team. Nach gut einem Jahr weiß der Ingenieur recht genau, was der Begriff »biolo-gisch induzierte Korrosion« in der Praxis bedeu-tet: »Seepocken schieben sich unter Gummi- dichtungen. Wenn dann Salzwasser eindringt,

Etwa zehn Kilogramm wiegen die Probenplatten, die Niklas Peters (links) und Jens-Uwe Jakomeit im Labor vorbereitet haben.

Kasten für Kasten hieven die Wissenschaftler die im Labor vorbereiteten neuen Proben vom Schiff auf den Sockel des Leuchtturms.

Mehrere Materialschichten sollen die Sensoren vor Salz, Wasser, Sonne und biologischem Bewuchs schützen.

Ein ungewöhnlicher Arbeitsplatz: Auf dem Leuchtturm »Alte Weser« testen IWES-Forscher Werkstoffe und Senso-ren auf ihre »Tauglichkeit« für den Einsatz auf hoher See.

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kann man den Sensor abschreiben. Und scharf-kantige Austern können sogar beim Wachsen Kabel durchtrennen.«

Im Labor fertigen Jakomeit und der Projektin-genieur Dr. Hanno Schnars unterschiedliche Sandwichaufbauten zum Schutz von Sensoren. Sie kleben Sensoren auf Stahlprobebleche, testen die Funktionalität verschiedener Abdeck-schichten und suchen nach Lösungen für die wasserdichte Verklebung der Sensorkabel.

Heute aber arbeiten die Forscher wieder weit draußen auf See. Das Mehrzweckschiff »Alte Weser« hat die IWES-Mitarbeiter auf dem Leuchtturm abgesetzt und seine Route fort-gesetzt. Jakomeit reicht Peters eine frische Stahlplatte, auf die ein Sensor unter einer dicken schwarzen Schicht platziert ist. Gute zehn Kilo wiegt das Stück Metall. Peters schraubt den Probenkörper an der Nordwestseite des Leucht-turms fest. Dort sind die Platten dem Hauptwel-lenschlag ausgesetzt. Bis zu acht Tonnen pro Quadratmeter beträgt die Flächenbelastung, die auf die Proben drückt. »Im Spritzwasser ist der Sauerstoffgehalt am höchsten, was die Korrosi-on befeuert«, erklärt Jakomeit.

Der Leuchtturm ist nicht der einzige Hochsee-Ar-beitsplatz der IWES-Forscher. Im Hafen von Hel-goland, vor Wilhelmshaven und auf Sylt haben

sie Stahlplatten an den Kaimauern angebracht. »Da die Bedingungen bei jedem Standort anders sind, treten ganz verschiedene Schädigungen auf. Wir müssen daher auch unterschiedliche Schutzstrategien entwickeln«, sagt Jakomeit. Im Wesermündungsgebiet vor Wilhelmshaven herrscht Sandboden vor. Weil es überall an festem Untergrund fehlt, siedeln sich Mikroor-ganismen an jedem festen künstlichen Riff an. Schon nach wenigen Monaten sind die Sen-soren dicht bewachsen. Auf der Hochseeinsel Helgoland dagegen gibt es so viele Felsen, dass die Probenplatten für Muscheln, Seepocken und Mikroorganismen nicht die erste Adresse sind. Sogar nach einem Jahr sind die Platten kaum bewachsen. Allerdings liegt vor Sylt ein beliebter Lebensraum der pazifischen Auster, die mit ihren scharfkantigen Schalen Kabel beschädigen kann. »Dafür müssen besondere Schutzmechanismen entwickelt werden«, betont Jakomeit.

Von den Forschungsergebnissen profitiert die Industrie

»Die Ergebnisse unserer Untersuchungen kommen der Industrie unmittelbar zu Gute«, sagt Abteilungsleiter Huhn. »Im Projekt TeMMSa sind zahlreiche Unternehmen eingebunden, für die wir als Forschungspartner die Materialtests durchführen.« Projektpartner sind der Sensor-hersteller HBM aus Darmstadt und Preusser

Messtechnik aus Bergisch Gladbach. Für beide ist der boomende Offshore-Markt interessant. Sensoren, die trotz Salz, Wellen und Seepocken zuverlässige Ergebnisse liefern, sind da beson-ders wichtig.

Der ideale Ort für die Erforschung seefester Lösungen ist der erste deutsche Offshore-Wind-park Alpha Ventus vor Borkum. Das Fraunhofer IWES koordiniert als Leiter des Projektes RAVE (Research at Alpha Ventus) die zahlreichen For-schungsaktivitäten. Allein in den dort errichteten zwölf Anlagen sind 1200 Sensoren integriert.

Mit mächtiger Bugwelle rauscht das Einsatz-boot heran: Die Arbeiter vom Wasser- und Schifffahrtsamt wollen zurück nach Bremer-haven. »Bitte verlassen Sie den Leuchtturm, wir fahren jetzt zurück«, schallt es aus dem Bordlautsprecher. Huhn und sein Team müssen sich beeilen, Werkzeuge verstauen, Kletterseile aufrollen. Dann ein langer Schritt hinüber zur Schiffsleiter, die auf und ab tanzt im Takt der Wellen. Die Schiffsmotoren dröhnen. Das Boot des Wasserschifffahrtsamtes bäumt sich auf, stampft durch die Wellen. Bald ist der Leucht-turm nur mehr ein dünner roter Strich – weit draußen vor der Küste.

Video online:www.fraunhofer.de/windenergie

Nach einigen Wochen sind die alten Probenplatten am Leuchtturm »Alte Weser« dicht bewachsen. Die neuen Stahlplatten strahlen hingegen noch.

Sicherheit hat höchste Priorität: Erst wenn der Forscher doppelt gesichert ist, darf er langsam an der Stahlwand herabgelassen werden.

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Wind und Sonne liefern »saubere Energie«. Doch nicht immer weht der Wind oder scheint die Sonne. Speicher sind gefragt, denn wenn es stürmt, speisen die Windkraftwerke mehr Strom ein als das Stromnetz aufnehmen kann. Leistungsfähi-ge Speicher – wie Redoxflow-Batterien oder Pumpspeicher-kraftwerke – stellen dann bei Flaute Energie zur Verfügung.

Jetzt nutzen Forscher und Unternehmer eine andere Möglich-keit, Energie vorrätig zu halten. Sie möchten überschüssigen Strom aus Windkraft und Photovoltaik als klimaneutrales Methan, ein Erdgassubstitut, speichern. Bisher wurde Erdgas in Strom umgewandelt, jetzt gehen die Kooperationspartner den umgekehrten Weg. Mithilfe eines neuen Verfahrens wandeln die Forscher Strom in synthetisches Erdgas um.

Das Verfahren wurde vom Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ko-operation mit dem Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES entwickelt. Derzeit bereitet das Partnerunternehmen Solar Fuel GmbH mit Sitz in Stuttgart

die industrielle Umsetzung vor: »Mit dem schnellen Aus-bau der erneuerbaren Energien wächst der Bedarf für neue Speichertechniken immens. Wir sehen hier einen sehr großen Markt. Denn die Langzeitspeicherung erneuerbarer Energien ist die Grundlage für den Ausbau von Wind- und Sonnen-energie«, erklärt der Geschäftsführer, Dipl.-Ing. Gregor Wald-stein. Eine im Auftrag von Solar Fuel in Stuttgart errichtete Demonstrationsanlage läuft bereits erfolgreich. Von 2012 an soll eine deutlich größere Anlage im zweistelligen Megawatt-bereich entstehen.

Bekannte Technologien neu kombiniert: Wasserstoff-Elektrolyse und Methanisierung

Wie funktioniert das Verfahren? Dr. Michael Specht vom ZSW erklärt: »Unsere Stuttgarter Demonstrationsanlage spaltet aus überschüssigem erneuerbarem Strom Wasser per Elektro- lyse. Dabei entstehen Wasserstoff und Sauerstoff. Durch eine chemische Reaktion des Wasserstoffs mit Kohlendioxid ent-steht dann Methan – und das ist nichts anderes als Erdgas,

Ökostrom als Erdgas speichernWissenschaftler haben eine neue Idee zur Energiespeicherung: Sie wandeln Strom aus Sonne und Wind in Gas um und speichern so die Energie in bestehenden Leitungen und Gasometern.

Text: Marion Horn

Bisher wurde Erdgas in Strom umgewandelt. Jetzt gehen Forscher den umgekehrten Weg: Sie erzeugen aus Strom ein Erdgassubstitut, das wie herkömmliches Erdgas gespeichert werden kann. © Heinz Wohner / LOOK-foto

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nur synthetisch erzeugt.« Erstmals werden die Technologien Wasserstoff-Elektrolyse und Methanisierung kombiniert. Das Gas lässt sich nicht nur speichern, sondern auch als Treibstoff oder zum Heizen und Kühlen nutzen. Auch flüssige Treibstof-fe wie Benzin und Kerosin kann man daraus herstellen.

Am IWES werden die systemtechnischen Aspekte des Ver-fahrens erforscht. »Mit der neuen Technik können wir den Ökostrom als Erdgas vorrätig halten. Ein Ziel ist es, die Ener-gielieferung von Windparks plan- und regelbar zu gestalten. Das neue Konzept ist ein wesentlicher Baustein für die Inte-gration erneuerbarer Energien in ein nachhaltiges Energie- system«, sagt IWES-Forscher Dr. Michael Sterner. Das Ver-fahren eröffnet neue Möglichkeiten Wind- und Solarenergie für die Mobilität zu nutzen. »Wir stellen auch CO2-neutrale Kraftstoffe mit hoher Energiedichte her«, ergänzt Sterner.

Der Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Strom zu Erdgas beträgt mehr als 60 Prozent. »Das ist unserer Meinung nach besser als ein vollständiger Verlust«, betont Michael Specht.

Ein solcher Verlust droht, wenn etwa die Windkraft nicht genutzt werden kann.« Die bisher vorherrschende Spei- cherform – Pumpspeicherkraftwerke – ist in Deutschland nur noch begrenzt ausbaufähig. »Bei der Entwicklung der Technik hat sich das ZSW von der Kernfrage leiten lassen«, sagt Specht: »Welche Speicher bieten eine ausreichende Kapazität für die je nach Wind und Wetter unterschiedlich stark anfal-lenden erneuerbaren Energien?«

Das Speicherreservoir des Erdgasnetzes in Deutschland ist groß: Es beträgt mehr als 200 Terawattstunden – der Ver-brauch von mehreren Monaten. Das Stromnetz verfügt nur über 0,04 Terawattstunden. Und die Integration in die Infra-struktur ist einfach: Das Erdgassubstitut kann wie herkömm-liches Erdgas in Versorgungsnetze, Pipelines und Speicher eingespeist werden, um dann Erdgasautos anzutreiben oder Erdgasheizungen anzufeuern.

Die Kooperationspartner

Das ZSW gehört zu den renom-miertesten Forschungsinstituten auf den Gebieten Photovoltaik, Energiesystemanalyse, regenera-tive Kraftstoffe, Batterietechnik und Brennstoffzellen. An den drei Standorten Stuttgart, Ulm und Widderstall sind derzeit etwa 170 Wissenschaftler, Ingenieure und Techniker beschäftigt. Sie erwirt-schaften einen Umsatz von mehr als 22 Millionen Euro.

www.www.zsw-bw.de

Die Solar Fuel GmbH entwickelt Technologien und Anlagen zur Kompensation schwankender Netzeinspeisung von erneuerba-rem Strom. Der Strom wird dabei zu CO2-neutralem, erneuerbarem Erdgas konvertiert, das für vielfälti-ge Zwecke genutzt werden kann. Solar Fuel wurde im November 2007 gegründet. Gründer und Geschäftsführer ist Dipl.-Ing. ETH, MBA Gregor Waldstein.

www.www.solar-fuel.com

Podcast online: www.fraunhofer.de/audio

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22 - EnErgiE spEichErn weiter.vorn 2010

Lange Zeit wurden sie belächelt, galten als schwach und klein. Doch im Zeitalter der Klimaerwärmung kommen Elek-troautos groß raus. Wenn es nach dem Willen der Bundes-kanzlerin geht, sollen bis zum Jahr 2020 auf den bundesdeut-schen Straßen eine Million elektrisch angetriebener Fahrzeuge lautlos und schadstofffrei für Mobilität sorgen. Um dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen, braucht man aber entsprechend leistungsfähige und sichere mobile Energiespeicher.

Bisher wurde die Elektromobilität gebremst durch Batteri-en, die zu schwer waren, zu wenig Power in einem kleinen Volumen speichern konnten, zu langsam Energie wieder abgaben,und zu lange brauchten, um sich wieder aufzula-den. Hier Abhilfe zu schaffen, haben sich unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC in Würzburg acht Forschungseinrichtungen vorgenommen. Im Projekt »KoLi-WIn« – das Kürzel steht für »Konzeptstudien für neuartige Lithium-Ionen-Zellen auf der Basis von Werkstoff-Innovatio-nen« – erforschen sie seit September 2009, wie man Batte-rien entscheidend verbessern kann. Acht Millionen Euro hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) dafür bereitgestellt.

Im Fokus des Interesses steht dabei die Lithium-Ionen-Batte-rie, denn sie erreicht von allen heute üblichen Konzepten die höchste Energiedichte. Handys und Laptops sind ohne sie kaum mehr vorstellbar, und zunehmend werden sogar Elek-trowerkzeuge mit den relativ umweltfreundlichen Lithium-Ionen-Akkus ausgestattet. Für den Einsatz im Automobil gelten allerdings höhere Anforderungen: Vor allem müssen die Batterien schneller ent- und geladen werden können. Zwar gibt es heute schon Stromspeicher, die sich sehr schnell entladen lassen – Doppelschicht-Kondensatoren, auch Super-caps genannt – aber diese taugen nicht fürs Elektroauto, weil sie nicht genügend Energie speichern können. Der Grund: Elektrische Ladungen werden nur an der Oberfläche des Elektrodenmaterials gespeichert.

Die Vorteile von Lithium-Ionen-Batterien und Supercaps zu kombinieren, ist das ambitionierte Ziel des KoLiWIn-Projekts. »Die acht Partnerinstitute wollen gemeinsam neue Materi-alkonzepte entwickeln, die nicht nur ein schnelleres Laden

ermöglichen und eine größere Energiemenge bereitstellen als herkömmliche Batterietypen, sondern die auch erheblich sicherer sind. Das ISC hat in den vergangenen Jahren bereits neuartige Materialien für polymere, nicht entzündliche Elektrolyte gefunden, deshalb ging die Initiative zu dem Ver-bundprojekt von uns aus.«, sagt Projektleiter Dr. Kai-Christian Möller vom ISC. Der Chemiker weiß aber auch, dass das Ziel hoch gesteckt ist: »Wir müssen eine Menge Probleme lösen, bis es uns gelingt, die Vorteile der beiden Systeme zu vereinigen und gleichzeitig deren Nachteile zu vermeiden.«

Batterien müssen schnell ent- und geladen werden können

Lithium-Batterien mit metallischem Lithium sind schon lange bekannt: Jeder verwendet sie in Taschenrechnern und Armbanduhren. Doch die Batterien müssen, wenn sie leer sind, entsorgt werden. Aufladen funktioniert nur schlecht, weil sich das beim Entladen gelöste metallische Lithium nicht ohne weiteres regenerieren lässt. Vielfach bilden sich verästelte Nadelstrukturen, die zum Kurzschluss führen – die Zelle wird zerstört. Ungefährliche und zuverlässige Lithium-Batterien zu bauen, die man tausendfach wiederaufladen kann, ist erst gelungen, seit man für die Elektroden nicht mehr metallisches Lithium verwendet, sondern Lithium-Ionen in ein Wirtsmaterial einbaut, zum Beispiel in Grafitschich-ten. Die Lithium-Ionen kehren beim Aufladen wieder in ihre angestammten Schichten zurück, die Batterie lässt sich damit erneut aufladen, der Prozess ist beliebig oft wiederholbar.

Im Projekt KoLiWIn sollen nun die einzelnen Batteriekompo-nenten weiter optimiert werden – mit völlig neuartigen Mate-rialkonzepten. Wissenschaftler der Universität Ulm wollen den Vorteil der schnellen Leistungsabgabe der Supercaps ins Spiel bringen, indem sie mesoporöse Kohlenstoffe mit maß-geschneiderten Poren entwickeln, in deren großer innerer Oberflächenstruktur sich viele Lithium-Ionen schnell anlagern können. Mit einem ähnlichen Ziel lassen Forscher vom Fraun-hofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme IKTS in Dresden eine Art Rasen aus Carbon-Nanotubes auf den Elektroden wachsen. Der Rasen vergrößert die aktive Oberflä-che. Auf diese Weise wollen die Forscher erreichen, dass sich

Kohlenstoffrasen macht Batterien fit Ein Projekt unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Silicatforschung ISC in Würzburg soll Lithium-Ionen-Batterien einen technologischen Schub geben.

Text: Brigitte Röthlein

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an die Kohlenstoffröhrchen im Nanomaßstab mehr Lithium-Ionen anlagern als an bisher gebräuchlichen Elektroden. Die Gesamtenergie, die sich mit den neuartigen Elektroden speichern lässt, soll durch Zusätze von fein verteiltem Silizium erhöht werden – Silizium erreicht zehnmal bessere Werte als der bisher verwendete Grafit. »Damit würde eine Elektrode als Mischung aus Supercap und Lithium-Ionen-Batterie ent-stehen, die durch die Kombination beider Mechanismen der Ladungsspeicherung sowohl hohe Leistungs- als auch hohe Energiedichten verspricht«, erklärt Kai-Christian Möller.

Dünne Membranen sollen Kurzschluss verhindern

Spezialisten der Universität Köln erproben, wie man Elektro-den mit Hilfe von Nanopartikeln, Nanodrähten oder feins-ten Härchen – auch aus Silizium oder geeigneten anderen Lithium-Speichermaterialien – so strukturieren kann, dass die Lithium-Ionen möglichst oft und schnell hinein- und hinaus-schlüpfen können. Parallel dazu beschäftigen sich Forscher am ISC sowie an den Universitäten Marburg und Münster mit der Entwicklung dünnerer Membranen, die einen Kurzschluss zwischen den Elektroden verhindern und die Lithium-Ionen leichter von einer Seite zur anderen passieren lassen.

Alle Verbesserungsvorschläge werden in der Praxis erprobt, indem man sie in Batteriezellen einbaut und deren elektroche-mische Eigenschaften misst. Dies erledigen Forscher am ISC und am Institut für Werkstoffe der Elektrotechnik des Karlsru-her Instituts für Technologie. Die Verbindung zwischen Theo-rie und Praxis schaffen in dem Projekt neue Simulationsverfah-ren, die am Fraunhofer-Institut für Werkstoffmechanik IWM in Freiburg entwickelt wurden. Dort können die Forscher die neuen Werkstoffe bewerten – von der Wechselwirkung der Atome im Material bis hin zum Einsatzverhalten im Produkt.

»Wenn unsere Pläne gelingen, wird Deutschland in der Batterietechnik aufholen können«, hofft Projektleiter Möller. Angesichts des großen Marktes, der sich für Elektroautos abzeichnet, wäre das ein lohnendes Ziel. Fachleute schätzen, dass bis zum Jahr 2020 weltweit Batterien im Wert von zehn Milliarden Euro jährlich verkauft werden.

ORMOCER®-Lithium-Ionen-Leiter – Testpräparat für Batteriezellen. © Volker Steger

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Wissen Sie, wie viel Strom Sie gestern verbraucht haben? Oder ob es günstiger ist, die Waschmaschine am Nachmittag oder besser doch erst nach 22 Uhr zu starten? Nein, ich auch nicht. Wie viel Strom man verbraucht hat, erfährt man meist nur einmal im Jahr mit der Endabrechnung. Doch ob die dicke Nachforderung nur an den gestiegenen Preisen liegt, oder ob man vielleicht doch trotz Energiesparlampen wegen des riesigen neuen Flachbildschirms, der Setbox und dem täglichen Internetsurfen einfach mehr Strom verbraucht hat, weiß man meist nicht. Und auch wie man durch sein Verhal-ten dazu beitragen kann, Energie aus erneuerbaren Quellen effizienter zu nutzen, ist für viele Stromkunden ein Rätsel.

In dem Projekt »RESIDENS – Effizientere Energienutzung durch systemtechnische Integration des privaten Endabneh-mers« untersuchen Forscher, wie Stromkunden motiviert werden können, Energie aus erneuerbaren Quellen effizienter

Designstudien © Andreas Ingerl

Stromzähler 2.0Wie kann man private Stromkunden motivieren, Energie effizi-enter und verstärkt auch aus erneuerbaren Quellen zu nutzen? Eine Möglichkeit ist der Einsatz elektronischer Stromzähler. Wie das geht, untersuchen Forscher im Projekt RESIDENS.

Text: Birgit Niesing

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zu nutzen. In dem Projekt arbeiten Forscher der Technischen Universität Ilmenau, des Fraunhofer-Anwendungszentrums für Systemtechnik AST und des Fraunhofer-Instituts für Digitale Medientechnologie IDMT in Ilmenau zusammen. Das Thüringer Kultusministerium fördert das Vorhaben mit 1,2 Millionen Euro.

www.residens-projekt.de

Doch die Stromkunden können Energie nur dann effizienter nutzen, wenn sie genau wissen, wann sie wie viel Strom ver-brauchen, wie teuer er aktuell ist, und ob der Gebrauch von Öko-Strom auch wirtschaftlich interessant ist. Deshalb setzen die Forscher auf den Einsatz »elektronischer Stromzähler«. Die Smart Meter messen den Verbrauch und speichern die Daten. »Die Geräte ermöglichen es, die Werte auf unterschiedli-che Art und Weise auszuwerten«, erläutert Dr.-Ing. Peter Bretschneider vom AST. So lässt sich zum Beispiel der aktuelle Stromverbrauch anzeigen, oder was eine Kilowattstunde Strom kostet. Und man kann verfolgen, wie viel Energie man in einer bestimmten Zeit – zum Beispiel in der vergangenen Woche – abgenommen hat.

Von den intelligenten Stromzählern profitieren Stromanbieter und Kunden: Dank der Smart Meter lässt sich jeden Monat der tatsächliche Verbrauch abrechnen, und der Kunde spart Geld, wenn er zum Beispiel nur in Nebenzeiten die Wasch-maschine startet. »Die Stromanbieter können so Anreize zur Verschiebung der Stromnutzung weg von Spitzenlastzeiten schaffen«, sagt Bretschneider.

Damit Stromkunden die neuen Möglichkeiten unkompliziert nutzen können, arbeiten die Forscher auch an Anwendun-gen für das Webportal. Dort können die Nutzer auf einen Blick sehen, wie hoch die Stromkosten im vergangenen Jahr waren, wie viel Energie sie heute verbraucht haben und wie hoch die Stromkosten gestern waren. Außerdem lässt sich in der Jahresübersicht erkennen, in welchen Monaten man besonders viel elektrische Energie verbraucht hat. Die Tagesübersicht macht deutlich, um welche Uhrzeit der

Stromverbrauch am höchsten war. Über das Portal erfahren die Nutzer aber auch, wann Öko-Strom günstig ist. Dann entscheiden sich Stromkunden vielleicht öfter, auf Energie aus erneuerbaren Quellen umzusteigen.

»Smart Metering ist mehr als nur »intelligentes« Auslesen von Zählerdaten. Es umfasst das gesamte Spektrum von der Tarifierung über die Zähler- und Kommunikationstechnologi-en bis hin zur Datenverwaltung und -aufbereitung«, betont Bretschneider. »Die Technologie hat das Potenzial, die Strom-kunden durch Tarifanreizsysteme und variable Tarifgestaltung zur Veränderung ihres Abnehmerverhaltens zu bewegen.« Das hilft, Spitzenlasten zu senken.

Nutzen Verbraucher Smart Meter?

Das Forschungsvorhaben ist in drei Teilprojekte unterteilt: Zunächst untersuchen die Forscher, wie das Thema Energie in Medien dargestellt wird, und wie gut die Verbraucher über die Thematik informiert sind: wie die Stromkunden energie-politische Maßnahmen bewerten und welche energiebezoge-nen Einstellungen und Verhaltensweisen sie haben. In der zweiten Projektphase prüfen die Experten, ob die Kun-den den elektronischen Stromzähler annehmen. »Dabei sollen die Stärken und Schwächen der systemtechnischen Integra-tion der Smart Meter sowie mögliche Verbesserungen aus Endabnehmersicht umfassend analysiert werden«, berichtet Bretschneider. Ein weiteres Ziel ist es, zu untersuchen, ob die Nutzer ihren Stromverbrauch ändern, wenn sie zum Beispiel zu bestimmten Uhrzeiten elektrische Energie besonders günstig beziehen können. Auf Basis der Ergebnisse aus den ersten beiden Untersuchungen wollen die Forscher dann die Kompetenz der Stromkunden im Umgang mit Smart Metern und Energieeffizienz-Maßnahmen generell fördern.

Die Energie wird durch den Einsatz von Smart Metern zwar nicht billiger, aber es wird reizvoller, Strom einzusparen. Und wer weiß, vielleicht wird schon bald in immer mehr Haushal-ten die Waschmaschine erst mitten in der Nacht gestartet?

Smart Meter sind elektronische Strom-zähler, die gemessene Daten speichern und in nahezu beliebigen Zeitabständen zum Messdienstleister zu senden können. © Andreas Ingerl

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Lässt sich mit regenerati-ven Energien die Strom-versorgung der Zukunft sichern? Und wenn ja, mit welchen Techniken? Im EU-Projekt FENIX gehen Forscher diesen Fragen auf den Grund. © ddp/Henning Kaiser

Power für regenerative Energien

Die Partner im EU-Projekt FENIX

Projektleitung: José Corera Iberdrola S.A., Spanien ||| Iberdrola, Spanien, Verteilnetzbetreiber | EDF, Frankreich, Energiever- sorger | EDF Energy Networks, Großbritannien, Verteilnetzbetreiber | Red Eléctrica de España, Spanien, Übertragungsnetz-betreiber | National Grid Transco, Großbritannien, Übertragungsnetzbetreiber | Siemens, Österreich, Komponentenhersteller (DEMS, DMS) | Areva T&D, Frankreich, Komponentenhersteller (DEMS) | Gamesa, Spanien, Hersteller von Windenergieanla-gen | ZIV, Spanien, Komponentenhersteller (FENIX-box) | Korona, Slowenien, Projektierer und Consultant | ScalAgent, Frank-reich, Projektierer und Consultant | ECRO, Rumänien, Projektierer und Consultant | Poyry Energy Consulting, Großbritanni-en, Consultant | Fundación Labein, Spanien, Forschung und Entwicklung | IDEA, Frankreich, Forschung und Entwicklung | Fraunhofer IWES, Deutschland, Forschung und Entwicklung | ECN, Niederlande, Forschung und Entwicklung | The Universi-ty of Manchester, Großbritannien, Forschung und Entwicklung | Vrije Universiteit Amsterdam, Niederlande, Forschung und Entwicklung | Imperial College, Großbritannien, Forschung und Entwicklung

26 - EnErgiE managEn

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Europa wird grün: Wenn es nach dem Willen der EU-Kommission geht, werden im Jahr 2020 mindestens zwanzig Prozent aller in Europa benötigten Energie aus erneuerbaren Quellen stammen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen immer mehr Solarparks, Windräder und Block-heizkraftwerke die Rolle von Öl-, Kohle- oder Atomkraftwerken übernehmen. Theoretisch kein Problem, aber ist die Vision auch realistisch? Können alternative Anbieter genügend Strom liefern, wenn am Montagmorgen um acht Uhr überall die Maschinen und Computer hochge-fahren werden? Erzeugen die Solarzellen und Windparks genügend elektrische Leistung, um die Energieversorgung selbst in abgelegenen Regionen aufrechtzuerhalten?

Im EU-Projekt FENIX – die Abkürzung für Flexible Electricity Networks to Integrate the Expected Energy Evolution – sind die Forscher diesen Fragen auf den Grund gegangen. Das Ergeb-nis: »Die Umstellung von der derzeit zentralen Stromversorgung durch Atom-, Öl oder Kohle-kraftwerke auf eine dezentrale Versorgung wird nicht einfach, aber sie ist machbar«, resümiert Dr. Martin Braun, der die FENIX-Forschung am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energie-systemtechnik IWES in Kassel koordiniert. »Bisher war die Situation sehr überschaubar: Es gab einige große Kraftwerke – europaweit vielleicht einige Hundert – deren Leistung sich jederzeit an den gerade herrschenden Verbrauch anpassen ließ. In Zukunft wird es komplizierter: Es wird Hunderttausende von kleinen Erzeugern geben, von denen viele Strom nur dann liefern, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht. Damit müssen Netzbetreiber und Energieversorger umzugehen lernen.«

www.kombikraftwerk.de

Zusammen mit zwanzig Partnern aus neun euro-päischen Ländern haben die Fraunhofer-Forscher Lösungen erarbeitet, die die dezentrale Energie-versorgung nicht nur technisch möglich, sondern auch wirtschaftlicher machen. Die Lösung sind »virtuelle Kraftwerke«, kleine Strukturen von alter-nativen Anbietern, die miteinander vernetzt sind.

Ein solcher Zusammenschluss würde sich für alle Beteiligten lohnen, erklärt der IWES-Forscher Braun: »Bislang können die kleinen Betreiber auf den Strommärkten, wo täglich die Preise für den nächsten Tag ausgehandelt werden, gar nicht in Erscheinung treten, weil sie sich die relativ hohen Kosten des Marktzutritts nicht leisten können. Wenn sich die kleinen Anbieter jedoch vernetzen, dann können sie nicht nur einen wichtigen Beitrag zur Stromversorgung leisten, sondern auch als Gemeinschaft auf dem Strommarkt mitbieten.«

www.fenix-project.org

Die Vernetzung der kleinen Anbieter ist aller-dings nicht ganz trivial: Alle Kraftwerke müssen mit einer zentralen, intelligenten Steuereinheit verbunden sein, die die technischen Möglichkei-ten sämtlicher beteiligten Erzeuger genau kennt und optimal nutzt. Eine Solarzelle beispielsweise muss immer Strom ins Netz einspeisen können, wenn die Sonne scheint; die Kapazität von Windrädern gilt es zu nutzen, sobald der Wind weht; mit Biogas betriebene Blockheizkraftwer-ke können die Puffer-Funktion übernehmen – sie lassen sich bei jedem Wetter und zu jeder Tageszeit zuschalten.

Im Projekt FENIX haben die Forscher untersucht, welche Informationen zwischen den Anbietern ausgetauscht werden müssten, wie sich der Da-tentransfer organisieren lässt, welche Regelungs-mechanismen notwendig wären. »Dabei konnten wir zeigen, dass kleine Anbieter, wenn sie ver- netzt sind, zuverlässig dieselben Netzdienst-leistungen erbringen können, wie traditionelle Großanbieter«, so Braun. »Sie unterstützen den Netzbetrieb auf gleiche Weise, leisten denselben Beitrag zur Frequenzhaltung, Spannungshaltung und Stromversorgung.« Im nächsten Schritt haben die Forscher Komponenten für ein virtu-elles Kraftwerk entwickelt – beispielsweise ein Kommunikationssystem, das aus einer zentralen Steuereinheit, dem Dezentralen Energiemanage-mentsystem DEMS, besteht. Diese ist verbunden mit den Erzeugereinheiten, die wiederum durch FENIX-Boxen geregelt werden.

Dass all das auch wirklich funktioniert, hat ein Feldversuch in Spanien gezeigt. Über die zentrale Steuerungseinheit wurde ein dezentrales Netz aufgebaut, mit Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung, in denen die Generatoren Wärme und Strom erzeugen: Biogasanlagen und Windturbi-nen. Das Zusammenspiel klappte, die Spannung lag überall im Netz innerhalb der vorgeschrie-benen Grenzen. Die Miniatur-Variante eines virtuellen Kraftwerkes – inklusive Steuereinheit, Kommunikationsnetz und regelbaren Generato-ren – wurde jetzt am Fraunhofer-Institut in Kassel aufgebaut: Im Demo-Labor können Netz- und Anlagenbetreiber neue Technologien erproben. »Mit dem FENIX-Projekt, das jetzt abgeschlossen ist, haben wir einen ersten, aber entscheiden-den Schritt getan zur Integration erneuerbarer Energiequellen in das bestehende elektrische Ver-sorgungssystem«, resümiert Braun. »Wir haben Werkzeuge und Konzepte entwickelt, getestet und gezeigt, dass diese in der Tat helfen können, die Ziele der EU-Kommission von 20 Prozent erneuerbarer Energie bis 2020 zu erreichen.«

www.regmodharz.de

Und wie geht es weiter? Die virtuellen Kraft-werke müssen wachsen. »Wir wollen die Technik weiterentwickeln, damit möglichst viele Anbieter regenerativer Energien integriert werden können. Das ist nicht ganz einfach, weil die Kommunikationstechnik der Anlagen derzeit oft aufwendig ist. Wir arbeiten aber auch hier bereits an Lösungen. Gleichzeitig müssen wir praktische Erfahrungen sammeln«, so Braun. Gelegenheit dazu hat der Forscher derzeit im Harz. In der E-Energy-Modellregion entsteht ein großes virtuelles Kraftwerk – Windpark, Biogas-anlagen, Wasserkraftwerke und Solaranlagen sind darin intelligent vernetzt. Wenn alles klappt wie geplant, kann die dezentrale Stromversor-gung weiter ausgebaut werden. Nach Berech-nungen der Fraunhofer-Experten eignet sie sich nicht nur für die regionale, sondern auch zur überregionalen Stromversorgung. »Theoretisch«, sagt IWES-Institutsleiter Prof. Jürgen Schmid, »lässt sich ganz Europa mit dezentral erzeugtem Strom versorgen.«

Lässt sich Deutschland mit alternativer Energie versorgen? Eine Stromversorgung ohne Öl-, Kohle- und Atomkraftwerke galt bisher als kühne, jedoch unrealistische Vision. Doch neue Forschungen beweisen: Regenerative Energiequellen können fossile Rohstoffe vollständig ersetzen — vorausgesetzt, sie werden effektiv genutzt und in ein überregionales Netzwerk eingebunden.

Text: Monika Weiner

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Als Schüler besuchte Klaus Sedlbauer das Gymnasium Miesbach. Vor drei Jahren zog es den Leiter des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Stuttgart noch einmal dorthin zurück. Er wollte herausfinden, ob vielleicht Akustik und Raumklima des Gebäudes dazu beigetragen haben, dass seine Noten damals nicht immer so berauschend waren. Er stellte fest, dass die Schule eine miserable Akustik hat: Die Nachhallzeiten in den Klassenzimmern sind mit mehr als zwei Sekunden extrem lang, im Treppenhaus sind es sogar über drei Sekunden – ideal wäre eine halbe Sekunde. »Es ist erwiesen, dass unter der harten Akustik die Sprachverständ-lichkeit und damit die Leistungen der Schüler leiden«, so Sedlbauer. Der Fraunhofer-Forscher hat damit nicht nur eine mögliche Erklärung für seine Abiturleistung gefunden. Das Gymnasium Miesbach wurde inzwischen nach IBP- Empfehlungen für 125.000 Euro saniert. Es hat jetzt eine bessere Akustik und verbraucht weniger Energie bei an- genehmerem Raumklima.

Die Bildungseinrichtung in Miesbach gehört zu einer Serie von energetischen Modellvorhaben, die das IBP seit 1995 im Schulbereich realisiert hat. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) hat das Programm »EnEff-Schule« aufgelegt und der Abteilung Wärmetechnik des Instituts die wissenschaftliche Begleitforschung dazu übertragen. Es fördert gezielt Schulsanierungen und Neu-bauten. Voraussetzung: Das Gebäude darf hinterher jährlich nicht mehr Energie pro Quadratmeter verbrauchen, als in drei

Litern Heizöl steckt, oder es sollte gar als Plus-Energie-Haus mehr Energie gewinnen, als es verbraucht. Derzeit sind sechs Projekte in der Planung oder Ausführung, weitere befinden sich in Vorbereitung.

In Deutschland besteht bei Schulgebäuden ein Sanierungs-bedarf von 80 Milliarden Euro bis 2020, hat das Deutsche Institut für Urbanistik errechnet. »Schulgebäude sind die Hardware und wichtig, damit die Software, der Unterricht, gut läuft«, so Prof. Dr. Karl Robl vom Zentralverband Deut-sches Baugewerbe auf dem Kongress »Zukunftsraum Schule«, der im November in Stuttgart stattfand. »Aus bauphysikali-scher Sicht ist eine Schule der ´worst case´«, sagt Sedlbauer: Lange Ferienzeiten kühlen das Gebäude aus, die große Anzahl von Schülerinnen und Schüler in einem Raum lassen die Luftfeuchtigkeit schnell ansteigen und verbrauchen Luft so schnell, dass häufig gelüftet werden muss – bei entspre-chendem Verlust von Heizwärme. Doch die Experten am IBP haben für jedes Problem eine Lösung: Neuartige Dämmplat-ten halten die Wärme im Haus, gut integrierbare Schallabsor-ber dämpfen den Lärm in Klassenzimmern und Turnhallen, hocheffiziente Sonnenschutzsysteme sorgen für angenehmes Sommerklima und leiten gleichzeitig ausreichend Tageslicht in die Unterrichtsräume und spezielle Beschichtungen der Wände dienen als Feuchtigkeitspuffer. Um dies vor dem Feld-einsatz zu testen, hat das IBP am Standort in Holzkirchen ein komplettes Klassenzimmer nachgebaut, als Schüler dienen Dummys, die mit Sensoren gespickt sind.

Viele marode Schulgebäude müssten saniert werden. Fraunhofer-Forscher entwickeln Konzepte, die nicht nur Energie und Geld sparen, sondern auch Motivation und Leis-tung von Lehrern und Schülern steigern.

Text: Bernd Müller

Leichter lernen

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Mit ihren modernen Baumaterialien haben sich die Stutt-garter als eines der renommiertesten Institute ihrer Zunft etabliert. Doch für Klaus Sedlbauer ist das nur der erste Schritt. »Wir wollen herausfinden, wie sich die Qualität eines Gebäudes auf Motivation und Leistung der Nutzer auswirkt.« Dazu arbeitet das IBP mit Psychologen der Katholischen Uni-versität Eichstätt und der Technischen Universität Chemnitz zusammen, um »leistungsfördernde Raumumgebungen« zu entwickeln. Sedlbauer: »Die Verknüpfung von Bau und Psychologie ist ein Zukunftstrend, und dieses Feld wollen wir besetzen.« Das Gymnasium in Miesbach ist dafür ein gutes Beispiel. Früher richteten sich die Anforderungen an die Akustik allein nach dem Arbeitsschutz, also nach dem Schutz der Gesundheit der Lehrer. Heute soll Akustik auch das Ler-nen der Schüler erleichtern, und das bemisst sich nicht allein an nackten Dezibel-Werten.

Wie Schüler und Lehrer vor und nach der Sanierung eines Gebäudes Raumklima und Akustik empfinden, untersucht das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI zusammen mit seiner Ausgründung IREES GmbH, dem Institut für Ressourceneffizienz und Energiestrategien. Die beiden Karlsruher Institute haben die sozialwissenschaftliche Begleitforschung des EnEff-Schule-Programms übernommen. Edelgard Gruber hat gerade die ersten 410 Fragebögen ausgewertet, die von Schülern des Science College Overbach in Jülich-Barmen stammen. In einem halben Jahr steht der Vergleich zwischen dem bestehenden, nicht sanierten

Schulgebäude mit dem energieeffizienten Neubau an. Wie die dort realisierten baulichen Maßnahmen und die innovati-ven technischen Lösungen von den Nutzern angenommen werden, soll die zweite Befragung zeigen. Energieeffizientes Bauen und Sanieren hätten auch einen Lerneffekt, so Gruber: »Einstellungen und Verhaltensweisen werden schon in der Kindheit geprägt. Daher ist es wichtig, Energie- und Umwelt-bewusstsein in der Schule zu vermitteln. Energieeffizienz-Projekte an Schulgebäuden bieten hierzu eine hervorragende Gelegenheit.«

In Zeiten knapper Kassen steht und fällt eine Schulsanierung mit einer günstigen Kosten-Nutzen-Rechnung. Hier hel-fen neue Materialien. So wollen manche Schulträger Geld sparen, indem sie in den Klassenräumen seltener feucht wischen lassen. Doch das erhöht die Staubbelastung. Also entwickelt das IBP Bodenbeläge mit weniger Abrieb, die Staub schlucken. Im Schnitt lassen sich mit einer integra-len Planung und dem Einsatz innovativer Techniken 40 bis 70 Prozent der Betriebskosten sparen. Allerdings sind die Amortisationszeiten zum Teil noch sehr lang. Hans Erhorn, Leiter der Abteilung Wärmetechnik am IBP, rechnet damit, dass sich die Kosten für Energieeffizienzmaßnahmen in den 3-Liter-Gebäuden im EnEff-Programm im Mittel erst in etwa 15 Jahren amortisieren, bei den Plus-Energie-Varianten dauert es derzeit noch etwas länger. »Wenn man die letzten Kilowattstunden rauskitzeln will, wird es halt teurer«, betont Sedlbauer.

Schule produziert nach ganzheitlicher Sanierung sogar Strom

Dass durch eine ganzheitliche Sanierung ein Gebäude mit bisher hohem Energieverbrauch sogar noch Strom produzie-ren kann, soll die Uhland-Schule in Stuttgart-Zuffenhausen beweisen. Die Landeshauptstadt will ihr Gebäude aus dem Jahr 1954 in den nächsten zwei Jahren nach einem wegwei-senden Konzept des IBP sanieren. Das sieht eine hocheffizien-te Dämmung im Dach und an der Fassade vor, in der auch Teile der Anlagentechnik integriert werden, eine hybride Lüftung, die 85 Prozent der Wärmeenergie aus der Abluft wiedergewinnt, eine LED-Beleuchtung ergänzt mit bedarfsge-führten Regelsystemen, eine Erdreichwärmepumpe, die Niedertemperatur-Flächenheizungen versorgt, sowie eine Photovoltaikanlage, welche mehr Strom produziert, als für den Betrieb des Gebäudes benötigt wird.

Finanziert wird die Sanierung über Public Private Partnership, ein Modell, das bei immer mehr Schulsanierungen zur An-wendung kommt: Ein privater Investor bezahlt die Sanierung und betreibt das Gebäude, dafür erhält er vom Schulträger einen festen Betrag für die Betriebskosten. Solche Konzep-te lohnen sich für alle, so der Tenor der Veranstaltung in Stuttgart – auch für die Umwelt: Weil der Investor schwarze Zahlen schreiben will, hat er ein Interesse daran, möglichst wenig Energie zu verbrauchen.

Wie ist das Raumklima im Klassenzimmer? Das unter- suchen die Forscher mit verschiedenen Messungen. © Fraunhofer IBP

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Unerfreuliche Post: Mit der Heizkostenabrech-nung flattert auch gleich eine dicke Nach-zahlungsforderung ins Haus. Insbesondere Bewohner von Wohnungen und Häusern, die vor 1983 gebaut wurden, müssen fürs Heizen oft tief in die Tasche greifen. Denn die Altbauten sind große Energieverschwender. Meist benö-tigen sie mehr als 20 Liter Heizöl pro Quadrat-meter und Jahr. Heutige Neubauten kommen mit einem Drittel aus. Mit guter Dämmung, effizienter Heiztechnik und Warmwasseraufbe-

reitung lässt sich jedoch auch in Altbauten der Energieverbrauch deutlich senken – um mehr als 80 Prozent.

Wie effektiv die energetische Sanierung von Altbauten ist, haben Forscher des Fraunhofer- Instituts für Solare Energiesysteme ISE in Frei-burg und des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP in Stuttgart an Gebäuden aus den 30er-, 50er- und 60er-Jahren untersucht. Die Gebäude wurden in dem Projekt »Niedrigenergiehaus

im Bestand« – je nach Konzept in KfW 40 (der Jahres-Primärenergiebedarf ist auf maximal 40 kWh/m² Gebäudenutzfläche beschränkt), KfW 60, 3-Liter-Häuser oder Passivhäuser – umgebaut. Dank optimierter Gebäudehüllen, thermischer Solaranlagen, neuer Heizsysteme und Lüftungsanlagen konnte der Energiebedarf drastisch gesenkt werden. »Der Primärbedarf für Heizen und Trinkwasser hat sich im Schnitt um 80 bis 90 Prozent reduziert. Damit werden die aktuellen Anforderungen der Energieeinspar-verordnung etwa um die Hälfte unterschritten«, erläutert Sebastian Herkel vom ISE.

Von niedrigen Mehrfamilienhäusern und 16-geschossigen Hochhäusern

Nun sollen die Altbauten im Quartier Weingar-ten in Freiburg saniert werden. Im Sanierungs-gebiet stehen vier Gebäudetypen, überwiegend aus den 1960er-Jahren: 16-geschossige Hoch-häuser, acht- und viergeschossige Mehrfamili-enhäuser, sowie Gewerbe-Gebäude und soziale Einrichtungen. In dem Projekt »Weingarten 2020« arbeiten die Freiburger Stadtbau FSB, badenova WÄRMEPLUS und das ISE gemeinsam. Das Bundeswirtschaftsministerium fördert das Vorhaben in dem Förderprogramm EnEff-Stadt. Das geplante Investitionsvolumen allein der Freiburger Stadtbau beträgt circa 114 Millionen Euro für die Gebäudesanierung.

Es ist geplant, den Stadtteil Weingarten West in drei Abschnitten zu sanieren. Zunächst werden die vier Hochhäuser renoviert. Die Planung der anderen Gebäudetypen startet in diesem Jahr. »Das Vorhaben soll exemplarisch ein zukunftsfä-higes Modell energetischer Stadtsanierung dar-stellen, um so den Pfad zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Energieversorgung aufzuzeigen«, sagt Sebastian Herkel.

Vom Altbau zum NullenergiehausUm alte Häuser zu heizen, braucht man viel Energie. Durch Sanierung lässt sich der Energiebedarf um mehr als 80 Prozent senken.

Text: Birgit Niesing

Sanierungsgebäude Bugginger Straße 50 im Freiburger Stadtteil Weingarten. © Freiburger Stadtbau GmbH

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Komplett versorgtAusschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien können Haushalte und Unternehmen 2050 versorgt werden. Das ist technisch machbar: Wie es funktioniert, stellen Forscher vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamts (www.umweltbundesamt.de) vor. Die unterschiedlichen Energiequellen wie Wind, Sonne, Biomasse und Speicher ergänzen sich und können gut miteinander kombiniert werden, so dass jederzeit eine sichere und stabile Stromversorgung gewährleistet ist. In dem Szenario »Regionenverbund« berechneten die Forscher, wie dazu in Zukunft deutschlandweit Strom ausgetauscht werden müsste. Nur eine geringe Men-ge kommt hierbei aus den Nachbarstaaten. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es notwendig, die erneuerbaren Energien, die Netze und Speichersysteme hierzulande deutlich auszubauen. Außerdem gilt es, Energie einzu-sparen – beispielsweise durch Gebäudedämmung. Auch die Stromnachfrage für Elektroautos, Wärmepumpen und Klimatisierung lässt sich durch ein intelligentes Lastma-nagement optimieren und zielgerichtet steuern.

Hochleistungsmotoren und andere elektrische Anlagen arbeiten häufig mit Frequenzumrichtern, die das je-weils nötige Anlauf- und Drehzahl-verhalten verbessern oder anpas-sen. Ein Frequenzumrichter ist ein Gerät, das aus Wechselstrom eine in Amplitude und Frequenz verän-derte Spannung generiert. Mit die-ser umgerichteten Spannung wird dann der Motor betrieben. Häufig kommt es hierbei zu ungewollten Ableitströmen, die durch EMV-Filter verstärkt werden können. Schutz-schalter interpretieren diese Ströme als Gefahr, stoppen den Strom-kreislauf und somit den Motor, um

gefährliche Unfälle oder Brände zu vermeiden. Ein neuartiger, paten-tierter EMV-Filter schafft Abhilfe. Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Zuverlässigkeit und Mikrointegration IZM in Berlin und der TU Berlin haben den Filter durch eine Bandsperre erweitert, mit der die abgeleiteten Ströme durch Gegenresonanzen doppelt bis dreimal so stark gedämpft werden. Hierdurch können längere Gerätekabel zum Einsatz kommen, was eine größere Freiheit bei der Anlageninstallation ermöglicht.

Stromausfälle vermeidenMobil mit regenerativer EnergieMit Wind, Wasser und Sonnenenergie auf den Straßen unterwegs – umweltfreundlich und CO2-neutral –, an dieser Zukunftsvision arbeitet ein großes Konsortium aus For-schungseinrichtungen sowie großen und mittelständischen Firmen in der Modellregion Harz.

Ziel des Projekts »Harz.ErneuerbareEnergien-mobility« ist es, die regional erzeugte regenerative Energie in einem ausge-klügelten Netz von Stromtankstellen für die Autofahrer zur Verfügung zu stellen. Durch intelligente Infrastrukturen und Informationstechnologien kann der Energiebedarf der Fahr-zeuge mit dem schwankenden Angebot der regenerativen Energiequellen abgestimmt werden. In dem vom Bundes-umweltministerium (BMU) geförderten Projekt arbeiten Wissenschaftler der Fraunhofer-Institute für Fabrikbetrieb und -automatisierung IFF in Magdeburg und für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Bremerhaven an Energiesyste-men und Fahrzeugmanagement (www.harzee-mobility.de).

Es ist technisch machbar, in Zukunft Deutschland komplett mit Strom aus erneuerbaren Energien zu versorgen. © MEV

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32 - elektromobilität weiter.vorn 2010

Heimat der amerikanischen Automobilindustrie: Detroit. © David Rochkind/Rapport/laif

Mit Laserlicht in die grüne Zukunft

Ein Technologiesprung kommt selten allein: Die Umstellung auf rege-nerative Energien wird nicht nur Märkte für Elektroautos, sondern auch für neue, umweltfreundliche Fertigungstechniken schaffen.

Text: Monika Weiner

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weiter.vorn 2010 elektromobilität - 33

Die USA, bisher nicht als Vorreiter im Klima-schutz bekannt, starten durch. Noch in diesem Jahr will General Motors das erste Elektro-auto auf den Markt bringen. Wenn man der Homepage des Autoriesen glaubt, wird das Modell VOLT die Welt verändern. Sicher ist: Die US-Autobauer, die durch die Wirtschaftskrise schwer getroffen wurden, setzen derzeit all ihre Hoffung auf eine saubere, emissionsfreie Mobilität. Mit einer neuen Generation von strombetriebenen Fahrzeugen wollen sie den Weltmarkt erobern. Unterstützt wird die Auto-mobilindustrie dabei von der US-Regierung und vom Bundesstaat Michigan, der Heimat der »Big Three« – Ford, General Motors und Chrysler – sowie zahlreicher Zulieferfirmen.

2,4 Milliarden Dollar hat die Regierung im American Recovery and Reinvestment Act zur Förderung neuer Technologien für Hybrid- und Elektrofahrzeuge zur Verfügung gestellt. Ziele des Programms sind der rasche Aufbau von Produktionskapazitäten für neue Batterietechno-logien und die Entwicklung effizienter Elektroan-triebe. 1,4 Milliarden Dollar gingen an Batterie-entwickler und -produzenten in Michigan, die außerdem durch Steuervergünstigungen vom Bundesstaat unterstützt werden. Das ist viel Geld, aber es steht auch viel auf dem Spiel: die Zukunft der amerikanischen Automobilindustrie mit Hunderttausenden von Arbeitsplätzen.

Amerika gibt Gas: Milliarden fließen in die Elektromobilität

Forscher in Unternehmen und an Universitäten arbeiten derzeit mit Hochdruck an technologi-schen Entwicklungen, die Autos fit machen sollen für eine benzinfreie Zukunft. »Die Amerikaner sind weiter als die Europäer, mehr als 1,6 Million Hybridfahrzeuge sind derzeit in den USA zugelassen. Zusammen mit Japan repräsentieren die USA damit 90 Prozent des Weltmarkts«, sagt Stefan Heinemann, Leiter des Fraunhofer Center for Laser Technology CLT in Plymouth. In enger Zusammenarbeit mit Wissen-schaftlern an der nur 30 Autominuten entfern-ten University of Michigan in Ann Arbor entwickelt er neue Fertigungsprozesse für die Automobilbranche. »Unser Ziel ist es, nicht nur kostengünstige und energiesparende Verfahren zu entwickeln und zu testen, sondern diese auch in die industrielle Produktion zu integrie-ren«, so der Forscher.

Lasertechnologie spielt dabei eine Schlüsselrol-le: »Mit ihr können wir berührungslos, schnell

und sauber arbeiten. Bei der Herstellung von Lithium-Ionen Batterien lassen sich auf diese Weise Zeit und Geld einsparen«, erklärt Heine-mann. Sparen ist angesagt, denn die Batterien sind teuer – derzeit das teuerste Bauteil am Elek-troauto. Der Erfolg der Elektromobilität wird mit davon abhängen, ob es gelingt, kostengünstige Batterien zu produzieren.

Theoretisch ist die Herstellung einfach: Jedes Batteriepack besteht aus mehreren Dutzend kleiner Akkus. Die Akkus wiederum sind kleine Zylinder, in deren Innerem sich eine elektrolyti-sche Flüssigkeit sowie Stapel von dünnen, elektrisch leitenden Schichten befinden – die Elektroden. Die Zylinder sind verschlossen – oben ragen nur die elektrischen Kontakte heraus. Zusammengeschaltet ergeben die Akkus eine leistungsstarke Batterie, die genug Energie speichern kann, um ein Elektroauto 60 bis 300 Kilometer weit fahren zu lassen.

Die Tücke liegt im Detail: Die Produktion der Batterien ist relativ aufwändig: Die elektrisch leitenden Folien, aus denen die Elektroden gefertigt werden, sind sehr dünn, was die Erzeu-gung sauberer, glatter Schnittkanten erschwert. Um gute Ergebnisse zu erzielen, mussten die Techniker bisher regelmäßig Schneid- oder Stanzwerkzeuge nachjustieren und immer wie-der die Messer austauschen. Lange Stillstandzei-ten der Maschinen und hohe Werkzeugkosten waren die Folgen. Stefan Heinemanns Team am CLT hat jetzt eine Alternative entwickelt: In der Pilotanlage fixiert Unterdruck die Folie auf der Arbeitsfläche, geschnitten wird mit Laser-licht. Das Verfahren ist zehnmal schneller als klassische Schneid- oder Stanzwerkzeuge, der Ausschuss ist geringer, lange Wartungszeiten der Maschinen entfallen.

Wenn das Schneiden mit Laser so einfach ist, warum wird es dann nicht schon längst in der Batterieproduktion eingesetzt? »Die Ingenieure haben bisher befürchtet, dass sich durch das Erhitzen die Materialeigenschaften der dünnen Metallfolien verändern und die Performance der fertigen Batterien verschlechtert«, erläutert Heinemann. Bei der Prozessentwicklung ging er daher vorsichtig ans Werk: »Wir arbeiten immer mit der minimalen Energiezufuhr. Besonders bewährt haben sich gepulste Festkörperlaser mit Wellenlängen von 0,6 bis 0,1 Mikrometern, die wir mittels Scanner mit Geschwindigkeiten von bis zu drei Metern pro Sekunde über die Elektro-denfolie führen. Diese Technik hat zwei Vorteile: Die Schneidezeit ist kurz, und die Laserstrahlung

liegt genau in dem Bereich, in dem Elektroden-folien ihr Absorptionsmaximum haben. Damit schneiden wir das Material schneller und effekti-ver auf, es geht wenig Energie verloren.«

Laser optimieren die Produktion von Flachbatterien

Tatsächlich ist die Schnittqualität der mit Laser bearbeiteten Folien nicht schlechter als die von Vergleichsfolien, die mit klassischen Werkzeugen zertrennt wurden, das bestätigen Untersuchungen vom Fraunhofer-Institut für Chemische Technologie ICT in Pfinztal. Dort hat Dr. Jens Tübke die Proben aus den USA unter das Rasterelektronen-Mikroskop gelegt, um mögliche Materialveränderungen an den Schnittkanten aufzuspüren. Anschließend hat der Forscher mit seinem Team Testzellen aus den in den USA geschnitten Elektroden hergestellt und diese geprüft. »Die Langzeitstabilität lässt sich checken, indem man die Akkus immer wie-der be- und entlädt. Bei diesen Tests konnten wir keinen Unterschied feststellen zwischen tra-ditionell und den mit Laser bearbeiteten Folien beziehungsweise den fertigen Flachbatterien«, berichtet Tübke.

Mit Lasertechnik lassen sich übrigens nicht nur Folien schneiden. Auch bei der Fertigung und Montage der Akkus leistet sie gute Dienste: Heinemann und sein Team verwenden Licht, um die mit Elektroden und Elektrolyt gefüllten Zylinder zu verschließen und am Ende miteinan-der zu verschweißen. »Das geht schneller und ist kostengünstiger als klassische Schweißmetho-den«, weiß der Ingenieur. Die Prozessentwick-lung ist mittlerweile abgeschlossen, zur Zeit bauen die Fraunhofer-Forscher die ersten Prototypen für die Fertigung. Die serienreife Maschine soll schon bald Zehntausende von Batterien pro Jahr liefern – übrigens nicht nur für die amerikanische, sondern auch die deutsche Automobilindustrie.

»Die Möglichkeiten der Lasertechnik sind noch lange nicht erschöpft«, resümiert Heinemann: »Die Notwendigkeit, Energie zu sparen und regenerative Energie zu nutzen, wird viele neue Fragestellungen aufwerfen, die innovative Lösungen verlangen – bei der Produktion von Leichtbauteilen, der Fertigung von Solarzellen, der Entwicklung neuer Energiespeicher. Die Lasertechnik, die schneller, flexibler und kosten-günstiger ist als klassische Verfahren, bietet hier eine Fülle von Möglichkeiten deren Potenzial wir heute nur erahnen können.«

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Eine Million Elektrowagen sollen bereits in zehn Jahren auf deutschen Straßen unterwegs sein. Das ist das Ziel der Bundesregierung. Doch damit in Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt und München schon bald Stromer fahren können, bedarf es noch ausgiebiger Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Denn vieles wird sich ändern beim Umstieg auf Elektroautos: Die Fahrzeugin-dustrie wird einige Bauteile für Pkws bald nicht mehr herstellen – dafür kommen neue hinzu. Und die Energiekonzerne benötigen veränderte Geschäftsmodelle und Tarifstrukturen für die Stromversorgung der Fahrzeuge.

»Wir arbeiten umfassend am Thema Elektromobi-lität: an Konzepten, Systemintegration, Energieer-zeugung- und -verteilung, Speichertechnologien und vielem mehr. Die Kompetenzen von 33 Insti-tuten bündeln wir in unserem Zusammenschluss ›Fraunhofer-Systemforschung Elektromobilität‹«, sagt Forschungsvorstand Professor Ulrich Buller. Ziel ist die Entwicklung von Prototypen für Hyb-rid- und Elektrofahrzeuge, um den Einstieg der deutschen Automobilindustrie in die Elektromo-bilität zu unterstützen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF fördert dieses Vorhaben mit insgesamt 44 Millionen Euro aus den Konjunkturprogrammen I und II.

»Mit der ›Systemforschung Elektromobilität‹ unterstützt Fraunhofer den Wandel zu einer nachhaltigen ›All-electric Economy‹. Wir wollen Wissen und Technologien entlang der gesamten Wertschöpfungskette – insbesondere an den Schnittstellen – generieren und der Industrie zur Verfügung stellen«, betont der Hauptkoordinator der Systemforschung Elektromobilität, Professor

Holger Hanselka. Erste Ergebnisse präsentierte Fraunhofer auf der diesjährigen Hannover-Messe.

www.elektromobilitaet. fraunhofer.de

Die Forscher entwickeln nicht nur die einzelnen Bauteile, sondern auch das Gesamtsystem. Die verschiedenen Komponenten werden in das Konzeptfahrzeug »Frecc0« integriert, das Fraun-hofer E-Concept Car Typ 0, eine wissenschaftli-che Versuchsplattform. Basis des Demonstrators ist ein bestehendes Fahrzeug: der neue Artega GT der Firma Artega Automobil GmbH. So kön-nen die Forscher zum Beispiel testen, wie sich Radnabenmotoren oder crashsichere Batterie-systeme im Gesamtsystem Auto verhalten. Den »Frecc0« können von 2011 an auch Automo-bilhersteller und Zulieferer nutzen, um neue Komponenten zu erproben.

Radnabenmotoren haben gute Chancen, sich als Antriebskonzept für Elektrofahrzeuge durchzu-setzen. Fraunhofer-Forscher entwickeln diese Aggregate, die in den Rädern der Autos integ-riert sind. Die Vorteile: Durch den Wegfall von Getriebe und Differenzial gibt es keine Verluste und keinen Verschleiß in mechanischen Über-tragungselementen. Außerdem kann der direkte Antrieb des einzelnen Rads die Fahrdynamik und Fahrsicherheit verbessern.

»Wir arbeiten an einem Radnabenmotor, bei dem alle wesentlichen elektrischen und elektronischen Komponenten, insbesondere die Leistungs- und Steuerungselektronik, im Bauraum des Motors integriert sind«, erklärt

Professor Matthias Busse, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen. Außer-dem entwickeln die Forscher ein innovatives Sicherheits- und Redundanzkonzept, damit die Fahrsicherheit auch beim Ausfall des Systems gewährleistet ist. Daran arbeiten Ingenieure vom IFAM und den Fraunhofer-Instituten für Integ-rierte Systeme und Bauelementetechnologie IISB in Erlangen, für Werkstoffmechanik IWM sowie für Betriebsfestigkeit und Zuverlässigkeit LBF in Darmstadt.

Die Batterie ist eine wichtig Schlüsselkomponente

Eine Schlüsselkomponente für Elektrowagen ist die Batterie. Die Stromer setzen sich nur durch, wenn es leistungsfähige, sichere, langlebige und kostengünstige Energiespeicher gibt. An solchen Batteriesystemen forschen Experten aus elf Fraunhofer-Instituten. Die Ingenieure setzen auf das Lithium-Ionen-Batteriesystem, das aus mehreren hundert Zellen besteht. Das Problem: Die Zellen entladen sich nicht immer gleichmäßig schnell. Wenn jedoch einzelne Zellen ausfallen oder nicht mehr die vorgesehe-ne Leistung bringen, kann die gesamte Batterie in Mitleidenschaft gezogen werden. Um das zu verhindern, arbeiten die Forscher an einem ausgefeilten und vernetzten Batteriemanage-mentsystem sowie einem übergeordneten Energiemanagementsystem. Solche Systeme gibt es bereits bei stationären Batterien. »Die Elektronik misst in Bruchteilen von Sekunden den Strangstrom, die Einzelzellspannung sowie die Temperatur jeder Zelle und ermittelt daraus

Fahren mit StromBatteriesysteme, Radnabenmotor, Ladestationen — wie sind Elektroautos in Zukunft aufgebaut und wie lassen sie sich in das vorhandene Strom-netz integrieren? Auf der Hannover-Messe wurden erste Ergebnisse der Fraunhofer-Systemforschung Elektromobilität vorgestellt.

Text: Marion Horn und Birgit Niesing

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deren Lade- und Alterungszustand. So lässt sich für jede einzelne Zelle erkennen, ob Überladun-gen, Tiefentladungen, zu starke Erwärmung oder vorzeitige Alterung drohen«, erläutert Pro-jektleiter Dr. Matthias Vetter vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg das Grundprinzip.

Das komplexe Autobatteriesystem besteht aus zwei Strängen mit je acht Modulen à zwölf Zellen. Zur Steuerung werden insgesamt 16 miteinander vernetzte Batteriemanagement-systeme eingesetzt. Diese kommunizieren über den in der Automobilindustrie weit verbreite-ten Datenbus CAN (Controller Area Network) mit einem in dem Batteriepack integrierten Energiemanagementsystem. Das System gleicht beispielsweise unterschiedliche Ladezustände der Zellen aus und stellt so maximale Leistung und Energie bereit. Gleichzeitig kommuniziert

es mit dem Fahrzeug und gibt zum Beispiel Prognosen ab zu Reichweite und Grenzwerten. Zudem überwacht es, ob die geforderten Leis-tungen kritische Strom- und Spannungsgrenzen verletzen. Der Fahrer kann an seiner Instru-mententafel ablesen, wie weit er noch fahren kann, bis er die Batterie aufladen muss. Auch bei einem Unfall sorgt das System vor: Über Leistungsschalter schaltet dann das Energiema-nagement die Batterie insgesamt oder auch nur strangweise ab.

Bremsenergie soll in die Batterie eingespeist werden

Im Gegensatz zu konventionellen Fahrzeugen kann bei elektrisch angetriebenen Wagen die beim Bremsen entstehende Energie zurück ge-wonnen und wieder in die Batterie eingespeist werden. Die Experten sprechen hierbei von »Re-

kuperation«. Sie arbeiten daran, diese Energie-rückgewinnung in Zukunft zu maximieren.

Elektromobilität ist nur sinnvoll, wenn Autos Strom aus erneuerbaren Energien tanken. Doch die Energie von Sonne und Wind ist schwan-kend. Die Idee der Forscher: Elektrowagen dienen als mobile Energiespeicher für Strom aus regenerativen Quellen. Da der durchschnittliche Pkw an mindestens 20 von 24 Stunden parkt, lassen sich die Akkus bequem aufladen, wenn der Wind auffrischt oder die Sonne scheint. Ist zu wenig Energie vorhanden, greifen die Netz-betreiber auf die gespeicherte Energie zurück.

Eine Stromversorgung, die sich wie bisher allein am Verbrauch orientiert, ist dem allerdings nicht gewachsen. »Wir benötigen ein intelligentes Netz, ein Smart Grid, in dem sowohl Strom als auch Informationen fließen«, sagt Dominik Noeren vom ISE. Der Tarif soll sich an die Situati-on im Stromnetz anpassen: In nachfragestarken Zeiten ist Strom teuer. Bei einem Überangebot an erneuerbaren Energien sinken die Preise. Fraunhofer-Forscher haben eine »Intelligente La-destation« entwickelt. Dort können Elektrofahr-zeuge Strom zapfen, wenn die Netzlast gering und der Anteil erneuerbarer Energien hoch sind. So lassen sich Lastspitzen vermeiden und die Beiträge von Sonne und Wind voll nutzen.

Radnabenmotoren, Batteriesysteme, Lade- stationen sind nur einige wenige Bausteine für eine elektromobile Zukunft, an denen Fraun- hofer forscht. In den kommenden Monaten wollen die Experten noch weitere Komponen- ten entwickeln.

In dem Verbundprojekt Systemforschung Elektromobilität arbeiten Fraunhofer-Experten an neuen Fahrzeugkonzep-ten, der Energieerzeugung und -verteilung, der Speicher-technik sowie an der technischen Systemintegration. © Fraunhofer

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