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COMPETENCE CIRCLES WHITEPAPER Neue Geschäftskonzepte, die Digi- talisierung bestehender Geschäfts- modelle und neue Kundenerwar- tungen stellen traditionsreiche Branchen und klassische Vertriebs- wege auf den Kopf. Der Competence Circle hat sich zum Ziel gesetzt, Transparenz zu schaf- fen und wissenschaftlich untermau- erte Lösungswege und Best Practices aufzuzeigen. Im Fokus stehen Fragen wie: Welche Absatz- wege gibt es heute und welche Her- ausforderungen bergen diese? Klassische vs. neue Kanäle – Diver- genz, Konvergenz oder Integration? Was erwarten die heutigen und zukünftigen Kunden? Multi-Chan- nel, Cross-Channel, Omni-Channel – Welche Strategie ist die richtige und welche technischen Lösungen stehen zur Verfügung? Inhaltliche Schwerpunkte, u.a.: Best Practices, Herausforderun- gen, Kanalkonflikte und Vertriebs- strategien. Wer sind wir? Editorial Leiter des Competence Circle: Herr Dennis Radau Kontaktdaten: [email protected] 01 | 08 VERTRIEBSKANALMANAGEMENT NR. 2 | 16 Multi-Channel-Management verändert den Einzelhandel nachhaltig, und Händler stehen vor der Entscheidung, wie sie auf diese Veränderungen reagieren sollen. Zentrale Treiber sind, wie im ersten Whitepaper dargelegt, die gestiegene Bedeutung von E-Commerce und Bestandskunden- marketing sowie ein gänzlich veränder- tes Konsumentenverhalten. Amerikanische Konsumenten gelten als erfahrener und anspruchsvoller im Umgang mit E-Commerce und amerikanische Unternehmen als fort- geschrittener bei der Verschmelzung von Online- und Offline-Welten. Einer der Gründe hierfür dürfte in der unterschiedlichen Altersstruktur der Bevölkerung in den USA und Deutsch- land liegen, was den Anteil der Digital Natives beeinflusst. 2014 waren in den USA etwa ein Drittel der Bevölkerung unter 25 Jahren, während es in Deutschland weniger als ein Viertel war. Die generell jüngere Bevölkerung in den USA zeigt sich auch am Median- Alter: 37.6 Jahre in den USA gegenüber 46.1 Jahren in Deutschland (2014). Viele der Entwicklungen aus den USA sind – teils zeitverzögert – auch in Deutschland zu erwarten. Dieses Whi- tepaper betrachtet einerseits das für Multi-Channel-Management relevante Konsumentenverhalten, wie beispielsweise die stärkere Nutzung von Online- und Mobil-Kanälen. Auf der anderen Seite beschreibt es auch, wie amerikanische Einzelhändler auf die Veränderungen des Konsumenten- verhaltens reagieren und es weiter mitverändern. Der erste Schritt gilt dem Blick auf die Strategie desjenigen Unternehmens, welches die Online-Welt durch innova- tive Produkte und Geschäftsmodelle entscheidend geprägt hat und immer wieder zu Veränderungen zwingt. Multi-Channel-Management Inhalt Management-Summary 01 Vertriebskanalmanagement 02 Autoren 08 Fazit 08 Einzelhandels- und Konsumententrends in den USA und Rückschlüsse auf zu- künftige Entwicklungen in Deutschland

MultiChannelManagement Wer sind wir? Einzelhandels ... · Strategie desjenigen Unternehmens, ... tungsfirma Brick Meets Click schätzt den Online-Lebensmittel-Marktanteil auf 11–17%

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Neue Geschäftskonzepte, die Digi­talisierung bestehender Geschäfts­modelle und neue Kundenerwar­tungen stellen traditions reiche Branchen und klassische Vertriebs­wege auf den Kopf.

Der Competence Circle hat sich zum Ziel gesetzt, Transparenz zu schaf­fen und wissenschaftlich untermau­erte Lösungswege und Best Practices aufzuzeigen. Im Fokus stehen Fragen wie: Welche Absatz­wege gibt es heute und welche Her­ausforderungen bergen diese?

Klassische vs. neue Kanäle – Diver­genz, Konvergenz oder Integration? Was erwarten die heutigen und zukünftigen Kunden? Multi­Chan­nel, Cross­Channel, Omni­Channel – Welche Strategie ist die richtige und welche technischen Lösungenstehen zur Verfügung?

Inhaltliche Schwerpunkte, u.a.: Best Practices, Herausforderun­gen, Kanalkonflikte und Vertriebs­strategien.

Wer sind wir?Editorial

Leiter des Competence Circle: Herr Dennis RadauKontaktdaten:[email protected]

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Multi-Channel-Management verändert den Einzelhandel nachhaltig, und Händler stehen vor der Entscheidung, wie sie auf diese Veränderungen reagieren sollen. Zentrale Treiber sind, wie im ersten Whitepaper dargelegt, die gestiegene Bedeutung von E-Commerce und Bestandskunden-marketing sowie ein gänzlich veränder-tes Kon sumentenverhalten.

Amerikanische Konsumenten gelten als erfahrener und anspruchsvoller im Umgang mit E-Commerce und amerikanische Unternehmen als fort-geschrittener bei der Verschmelzung von Online- und Offline-Welten. Einer der Gründe hierfür dürfte in der unterschiedlichen Altersstruktur der Bevölkerung in den USA und Deutsch-land liegen, was den Anteil der Digital Natives beeinflusst. 2014 waren in den USA etwa ein Drittel der Bevölkerung unter 25 Jahren, während es in Deutschland weniger als ein Viertel

war. Die generell jüngere Bevölkerung in den USA zeigt sich auch am Median-Alter: 37.6 Jahre in den USA gegenüber 46.1 Jahren in Deutschland (2014).

Viele der Entwicklungen aus den USA sind – teils zeitverzögert – auch in Deutschland zu erwarten. Dieses Whi-tepaper betrachtet einerseits das für Multi-Channel-Management relevante Konsumentenverhalten, wie beispielsweise die stärkere Nutzung von Online- und Mobil-Kanälen. Auf der anderen Seite beschreibt es auch, wie amerikanische Einzelhändler auf die Veränderungen des Konsumenten-verhaltens reagieren und es weiter mitverändern.

Der erste Schritt gilt dem Blick auf die Strategie desjenigen Unternehmens, welches die Online-Welt durch innova-tive Produkte und Geschäftsmodelle entscheidend geprägt hat und immer wieder zu Verände rungen zwingt.

Multi­Channel­Management

Inhalt

Management-Summary 01

Vertriebskanalmanagement 02

Autoren 08

Fazit 08

Einzelhandels­ und Konsumententrends in den USA und Rückschlüsse auf zu­künftige Entwicklungen in Deutschland

Erst etwas über 20 Jahre alt hat sich Amazon nicht nur als eines der füh-renden online-basierten Einzelhan-delsunternehmen der Welt etabliert (neben Alibaba und eBay), sondern hat die gesamte Branche zu immen-sen und zügigen Veränderungen ge-zwungen. Inzwischen starten 44% aller produktbezogenen Recherchen und Einkäufe in den USA auf Amazon (34% auf Suchmaschinen und 21% auf den Webseiten anderer Einzelhändler), und Amazon hat über 25% Marktan-teil im US-Online-Markt. Mit ständi-gen Innovationen in allen Abschnit-ten der Wertschöpfungskette, die alle im Endeffekt den Einkaufsprozess für die Kunden verbessern, scheint das enorme Wachstum — zwischen 13,2-15,1% in den ersten drei Quartalen 2015 bei weiterhin instabiler Profitabilität — weiterzugehen. Aktuellere Neue-rungen sind unter anderem die Ein-führung des Amazon Dash Button zur automatischen Nachbestellung von Artikeln des täglichen Gebrauchs, die Ausweitung des Lebensmittel-Diens-tes Amazon Fresh, der daten-basierte Amazon-Buchladen in Seattle, die mit dem Amazon-Logo versehene Last-wagenflotte zum effizienteren Waren-transport zwischen Amazon-Distribu-tionszentren und Amazon Echo, ein

intelligenter Lautsprecher mit sprachbasierten Funktionen wie z.B. Wunsch-Musik abspie-len, Regulierung von Smart Home-Einstellungen und die Erstellung von Ama-zon-Einkaufslisten. Außer-dem hat Amazon an dem Drohnenprojekt weiterge-arbeitet für den geplanten Amazon Prime Air-Dienst zur schnelleren Auslieferung von Bestellungen (30 Minuten oder weniger; eine große Herausfor-derung für die Aufsichtsbehörden). Neben dem eigenen starken Wachs-tum wird Amazon auch weiterhin gro-ßen Einfluss auf die Veränderungen der Branche haben, indem es Kunden mit allen Annehmlichkeiten verwöhnt und damit vormacht, was möglich ist. Einer aktuellen Schätzung nach werden bis 2020 etwa die Hälfte aller amerikanischen Haushalte Mitglieder des Amazon Prime-Dienstes sein, der für $99 pro Jahr eine zweitägige Lie-ferzeit und andere Annehmlichkeiten wie den Zugang zu exklusiven Filmen bietet. Bei dem günstigen Angebot ist ein Wachstum des bequemen und preisgünstigen One-Stop-Shoppings bei Amazon vorprogrammiert.Als globale Firma überträgt Amazon

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natürlich Produkte und Strategi-en nach Deutschland. So schließt Deutschland-Chef Ralf Kleber den Einstieg ins stationäre Geschäft auch für Deutschland nicht aus, mit Berlin als möglichem ersten Ziel. Mit Ama-zon Pantry gibt es nun auch einen Amazon-Lebensmittellieferdienst in Deutschland, und Amazon Prime als Fokusprodukt mit Kundenbindungs-funktion wird ebenfalls stark vermark-tet. Noch nicht verfügbar sind bisher der Amazon Dash Button und Amazon Echo, aber es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis auch diese Angebote in den deutschen Markt vordringen.

Amazon ist unaufhaltsam und wird die Branche auch in Zukunft weiter maßgeblich verändern

Nicht allein wegen Amazon und des ausgelösten Dominoeffekts in der Branche haben sich amerikanische Konsumenten an ein neues Niveau von Einkaufsbequemlichkeit gewöhnt. Niemand hat Zeit und so werden zeit- und energieraubende Einkäufe verstärkt online getätigt, vor allem zweckmäßige – und für viele Konsu-menten lästige – Einkäufe wie zum Beispiel zum Aufstocken von regelmä-ßig gebrauchten Artikeln wie Lebens-mittel, Baby-, Haustier-, Schönheits-

und Haushaltsartikel. Dafür gibt es Abo- und Nachbestelldienste wie zum Beispiel den Amazon Dash Button oder den Target Subscriptions-Dienst (mit kundenspezifischen Nachbestell-daten). Amazon bietet außerdem den Prime Pantry-Dienst, der Artikel des täglichen Bedarfs für eine feste Gebühr von $5.99 pro Lieferung, un-abhängig von der Größe und des Ge-wichts, liefert.Obwohl es bisher klar ein Nischen-markt ist, werden Online-Lebens-

mittelbestellungen immer üblicher, vor allem in Ballungszentren wie New York, Los Angeles, Philadelphia, San Francisco, Chicago und Seattle. Nach einem Nielsen-Report zufolge bestellen inzwischen 12% der US-Haus-halte Lebensmittel online, obwohl der Online-Lebensmittelumsatz einem anderen Bericht zufolge nur auf etwa 1% geschätzt wird. Die Bera-tungsfirma Brick Meets Click schätzt den Online-Lebensmittel-Marktanteil auf 11–17% bis zum Jahre 2023. Neben

Bequemlichkeit als Kaufgrund – Einkäufe des täglichen Bedarfs werden immer mehr auf Online verlagert

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Vertriebskanalmanagement

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Amazon Fresh sind die Lebensmit-telhändler FreshDirect und Peapod sowie Zusammensteller Instaca Hauptaktere, die ausschließ lich on-line agieren. Die Wirtschaftlichkeit des Online-Lebensmittelhandels gilt es allerdings noch zu optimieren. Derzeit sind die Kosten hoch und der finan-zielle Erfolg unter dem Strich fraglich. Walmart hat einen Click-and-Collect-Dienst gestartet. Andere traditionelle Lebensmittelhändler wie Giant, Weg-mans und ShopRite steigen immer mehr ins Online-Geschäft ein und bieten neben Hausanlieferung auch Click-and-Collect-Dienste an.

Amazon hat auch dieses Geschäfts-modell nach Deutschland übertragen mit der Einführung des Pantry Diens-

tes. Sicherlich wird dies, wie auch vie-le andere Initiativen, neue Anbieter und Online-Investitionen wie die der Rewe zu einem Wachstum des derzeit vernachlässigba-ren Lebensmittel-Online-Handels führen. Dabei ge-hen die Prognosen über die zukünftige Bedeutung des Lebensmittel-Online-Handels weit auseinander. Die Betrachtung des ameri-kanischen Marktes zeigt, dass auch dort ungeachtet der zahl-reichen Anbieter und innovativen Dienstleistungen dieser Markt noch keine starke Bedeutung hat. Dies und die starke Preissensitivität des deut-schen Verbrauchers (s.u.) lassen eher erwarten, dass der Marktanteil des

Kunden denken hauptsächlich an ihr Einkaufsziel, d.h. was sie kaufen möchten, den Einkaufsprozess (Ein-kaufserlebnis und Bequemlichkeit), das Preis-/Leistungsverhältnis und ihre bevorzugten Händler und Marken, und zwar ganzheitlich. Kunden erwar-ten nahtlose Multi-Channel-Optionen, was nicht nur eine Vielzahl an Infor-mations-- und Kaufkanälen voraus-setzt, sondern auch deren Verknüp-fung wie zum Beispiel, dass dem Händler Kundendaten zwischen Online- und Offline-Kanälen bekannt sind.

Dementsprechend beeinflussen diese Multi-Channel-Optionen auch nach-weislich die Kundenzufriedenheit. Logistisch und informationstechnisch beinhaltet das unter anderem auch höhere Anforderungen, die Kosten gene rieren und Zeit zur Umsetzung erfordern. Zum Beispiel müssen für eine naht lose Online-Offline-Inte-gration Verfügbarkeitsinformationen gesuchter Artikel in stationären Geschäften online zugänglich gemacht und Click-and-Collect-Bestellungen zur Abholung im Laden vorbereitet werden. Mit 13% aller Online-Käufer

nutzen amerikanische Konsumen-ten derartige kanalverknüp-

fende Dienste stärker als deutsche Konsumenten

(5%). Bemerkenswert hoch ist die Nutzung in Groß britannien mit 35%.

Kundenerwartungen bilden sich auch durch Übertragung der besonderen

Vorzüge eines Kanals auf die Annehmlich-

keiten eines anderen. Zum Beispiel haben Kun-

den in stationären Läden inzwischen höhere Anforde-

rungen an Informationszugang und Empfehlungen, weil sie es von On-line-Einkäufen gewohnt sind, Produkt- und Preisinformationen und Kunden-rezensionen schnell und einfach nachzuschauen. Einzelhändler können kaum mithalten mit den Kundener-wartungen und hinken Kunden tech-nologisch zum Teil nach.

Dieses kanalblinde Denken ist grund-sätzlich relevant für Kunden, die meh-rere Vertriebskanäle nutzen. In Deutschland sind dies gemäß einer Roland Berger-Studie aus 2013 40%. Die restlichen 60% sind rein stationä-re Käufer. In den USA ist laut Statista-Angaben Ende 2014 für nur 21% der Kunden der gesamte Kaufprozess bei Multi-Channel-Händlern von der In-formationssuche bis zum Kauf rein stationär abgelaufen ist, während für 39% der Einkaufsprozess gänzlich on-line abgeschlossen wurde.

Damit ist die Notwendigkeit der Vertriebskanalintegration bzw. des Angebots von Cross-Channel Services grösser, wobei auch ein weiteres Wachstum in Deutschland zu erwarten ist, unter anderem auch aufgrund der weiteren Verbreitung und Nutzung von Smart Phones.

Kunden denken nicht in Kanälen

deutschen Lebensmittel-Online-Han-dels auch mittelfristig gering sein wird.

Auch die zunehmende Verfügbarkeit des Mobile Commerce führt dazu, dass Kunden immer nahtloser zwischen Kanälen hin- und herwechseln und sie weniger an den spezifischen Kanal denken. Fast 60% der US-Bevölkerung und ca. 55% in Deutschland besitzt inzwischen ein Smart Phone. Ne-ben allerlei anderen Funktionen—von Kommunikation und Unterhaltung zu Fotoapparat, Wecker, Bedienung von Haussicherheits-, Heiz- und Kühlsys-temen zur Aufzeichnung von Fitness- und Gesundheitsdaten—, werden Han-dys auch als Einkaufsmedium immer beliebter. Zwar machten in den USA Käufe per Handy 2015 nur knapp 2% des Gesamtumsatzes aller Kanäle aus. Aber es waren etwa 25% bis fast 30% aller Online-Einkäufe, die in den USA wie auch in Deutschland über ein mo-biles Gerät, Tablets eingeschlossen, getätigt wurden, was eine Steigerung zum Vorjahr darstellt. Laut Adobe ka-men 51% der Online-Käufe und 29% des Online-Umsatzes am Thanksgi-ving-Wochenende 2015 in den USA von mobilen Geräten, eine Steigerung von 12% zum Vorjahr. Gartner erwartet, dass der Anteil bis 2017 auf 50% steigt. In China und Süd-Korea sind es schon jetzt fast 50% bei einem Gesamtanteil mobiler Käufe am Handelsgesamtum-satz von 5-8%. Amazon, eBay, Target und Walmart sind führende Händler in den USA im Mobile Commerce. Für den Amazon Dash Button spielt das Han-dy ebenfalls eine zentrale Rolle, unter anderem für die Nachbestellungsbe-stätigung. Der Anteil der Einzelhändler, die ihre Websites auf Mobile Commer-ce ausgerichtet haben, liegt je nach Quelle in beiden Ländern nur bei 15-25% und zeigt somit in Anbetracht des prognostizierten Mobile Commerce Wachstums großen Handlungsbedarf auf.

Neben dem steigenden mobilen Trans-aktionsvolumen und –wert haben Mo-bilgeräte vor allem eine immer wichti-gere Funktion in verschiedenen Phasen des Kaufprozesses, selbst wenn Kun-den im Endeffekt im Laden oder per Desktop-Computer kaufen. Handys werden zum Beispiel für die Infosuche genutzt (Kunden-Kommentare zu Pro-dukten und Händlern, Preisvergleiche,

etc.) und zum Empfangen von Angebo-ten per Email und SMS-Nachrichten. Laut der PwC Total Retail 2016-Studie haben fast 33% der deutschen Handy-Nutzer ihr Handy benutzt, um Preisver-gleiche zu machen oder Produktinfor-mation zu suchen. In den USA liegt der Anteil bei etwas über 29%. Das macht nutzerfreundliche, bequeme Apps und Webseiten zu einer immer wichtigeren Priorität für Händler.

Auch für den lokalen stationären Han-del haben Handys eine immer größe-re Bedeutung. So suchen Kunden per Handy zum Beispiel nach Läden in der lokalen Umgebung, die bestimmte Arti-kel führen, und schauen deren Vorrats-zahlen nach (falls vorhanden), bevor sie gezielt in die gefundenen Geschäfte gehen. Dies ist auch für die neuen lo-kalen Online-Marktplätze in Deutsch-land relevant. Für Händler ist es umso wichtiger, durch Search Engine Opti-mization so weit oben wie möglich auf der Liste der Suchergebnisse zu lan-den, damit der Link auf dem kleinen Bildschirm direkt gesehen wird.

Handys werden auch zunehmend zum Bezahlen benutzt, wenn die Häufigkeit auch derzeit noch relativ gering ist. Verschiedene Unternehmen — unter

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anderem Finanzinstitute (z.B. Master-Card, Visa, American Express), Techno-logieunternehmen (z.B. PayPal, Apple, Google/Android, Samsung, Square, Jawbone) und Einzelhändler (z.B. Star-bucks, Walmart, Target) investieren in mobile Bezahlsysteme. Forrester schätzt, dass sich mobile Bezahlungen von 2014 bis 2019 fast verdreifachen werden (von $52 Milliarden auf $142 Milliarden). Die verstärkte Nutzung dürfte auch die Zahl von auf Handys geschickten Angeboten und Einlö-sungsquoten erhöhen, da Coupons in Bezahlsystemen gespeichert werden könnten.

Wieviel Potential gute nutzerfreund-liche Apps haben, zeigen unter ande-rem die äußerst erfolgreichen Apps von Starbucks und Uber. Die Star-bucks App verknüpft ein Bestell- und Bezahlsystem mit dem “My Starbucks Rewards” Kundentreueprogramm. Der Erfolg von Uber wäre undenkbar ohne deren nutzerfreundliche App, von der sowohl die Fahrer als auch die Passa-giere profitieren, unter anderem durch datenbasierte aktuelle, nützliche In-formationen, wie z.B. wo sich der an-geforderte Fahrer befindet oder wo für Fahrer die besten Orte sind, auf neue Aufträge zu warten.

Handy als Schlüsselkanal und Fernbedienung des Lebens

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Während Sparsamkeit in der deut-schen Mentalität steckt, hat das Kon-zept in den USA vor allem durch die Wirtschaftsschwäche der letzten Jahre an Bedeutung gewonnen (neben gleichzeitiger Bequemlichkeitsorien-tierung wie oben erläutert am Beispiel der steigenden Online-Bestellungen, sowie Beliebtheit von differenzierten Konzepten wie unten angesprochen). Discounter werden auch in den USA immer beliebter, nicht nur im Lebens-mittelbereich, wo sich Aldi und Trader Joe’s wachsender Beliebtheit erfreuen und Marktanteile gewinnen und Lidl sich auf seinen USA-Eintritt sorgfältig vorbereitet.

Der Dollar Store-Sektor ist stark ge-wachsen (zwischen 4-6% pro Jahr zwi-schen 2009-2012), obwohl das Wachs-tum etwas geringer geworden ist seit 2013. Auch die kostengünstigen Club Stores sind beliebt. Im Modebereich sind Off-Price-Läden wie TKMaxx, Mar-shalls, Ross und Burlington erfolgreich wie auch die Discount-Ketten von eta-

blierten Warenhäusern wie Nordstrom Rack, Saks Off 5th, Neiman Marcus Last Call und seit neuestem Macy’s Backstage. All diese Discounter sind übrigens aufgrund ihres variierenden, nicht standardisierten Sortiments und der Schnäppchenjagd-Philosophie der Kunden sicherer gegenüber Amazon. Fast Fashion-Marken wie Forever 21, H&M, Zara, Uniqlo und seit neuestem Primark sind sehr beliebt, vor allem bei jüngeren Segmenten. Grosse Ra-batte, oft 20-50%, in Modegeschäften wie zum Beispiel the Gap, Old Navy und J. Crew sind inzwischen gang und gäbe, und Konsumenten haben sich daran gewöhnt.

Eine Preispolitik, die immer häufiger vorkommt, nicht nur im Einzelhandel, sondern auch für die Nutzung von Zollstrassen, Parken, Zoo-Eintritt, Ski-pässe und Internetverbindungen auf Flügen, ist dynamisches Pricing, nicht nur online, sondern nun auch in stati-onären Läden. Zum Beispiel hat Kohl’s elektronische Preisschilder in 1.200

Läden, die jederzeitige Preisänderun-gen erlauben basierend auf der aktu-ellen Nachfrage.

Auch in Deutschland greifen Händler die Möglichkeiten der neuen Techno-logien auf, um ihr Pricing flexibler zu gestalten. So wird dynamisches Pri-cing immer häufiger eingesetzt wie zum Beispiel bei Amazon, wo die Prei-se für das gleiche Produkt teilweise innerhalb weniger Stunden um bis zu 240% schwankten. Und auch erste elektronische Preisschilder kommen im stationären Handel zur Anwen-dung. Die Media-Saturn Holding bei-spielsweise hat nach einer Testphase beschlossen, sukzessive 430 Läden im Bundesgebiet hiermit auszustatten. Es wird sich jedoch zeigen, ob deut-sche Konsumenten nicht kritischer auf individuelle Preise und häufige Prei-sanpassungen reagieren als amerika-nische Konsumenten. Erste Studien zur Kundenakzeptanz zeigen, dass dy-namisches Pricing mit individuellen Preisen ein Image-Risiko beinhaltet.

Preis­ und Wertorientierung spielt eine immer größere Rolle

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Neben Bequemlichkeit und Preis ist Differenzierung — z.B. durch Qualität, Innovation in kundenrelevanten Berei-chen, Beratung, engagierende Kunden-ansprache, Personalisierung und Unter-haltung, um Einkaufen zum Erlebnis zu machen — ein weiterer Erfolgsfaktor. US-Einzelhändler, die sich durch Diffe-renzierung hervortun, sind zum Beispiel Nordstrom (Service, ständige Sorti-mentsinnovation, Mobil-Ausrichtung, Online-Offline-Integration, Social Me-dia), Sephora (Kosmetik zum Ausprobie-ren, Beratung) und Rebecca Minkoff, deren digital ausgestattete und vernetz-te Läden interaktive Wände und Spiegel integrieren und Artikel per RFID-Anhän-ger erfassen. Die Technologie ermög-licht unter anderem das Auswählen von anzuprobierenden Kleidungsstücken, die Bestellung von Getränken und die Buchung von Umkleidekabinen. In der Umkleidekabine lassen sich die Licht-verhältnisse über den interaktiven Spie-

gel anpassen und andere Größen be-stellen. Warby Parker ist ein innovativer Pionier im Online-Verkauf von verschrei-bungspflichtigen Brillen, der anfangs nur online agierte. Zwar gibt es inzwi-schen auch stationäre Warby Parker-Ge-schäfte, doch nach wie vor können Kun-den für fünf Tage fünf Brillen kostenlos und ohne Versandgebühren zur Auswahl bestellen. Per Social Media können Kun-den dann von Warby Parker-Angestell-ten, ihrem eigenen sozialen Netzwerk und anderen Social Media-Nutzern Fee-dback zum Aussehen der Brillen bekom-men, wenn sie Fotos von sich mit den Brillen einstellen und mit dem Hashtag #WarbyHomeTryOn versehen.

Die Sport- und Freizeitmodefirmen Lululemon und Athleta bieten kostenlo-se Yoga-Stunden im Laden und auch Laufprogramme an, was weitere erfolg-reiche Beispiele für differenzierende Kunden bindungsprogramme sind. Jegli-

che Initiativen, die einen Ladenbesuch für Kunden attraktiv machen, helfen stationären Geschäfte wettbewerbs-fähig zu bleiben gegen die Online- Konkurrenz. Das ist speziell für die Malls in den USA und deutsche Innenstädte besonders wichtig, um ihre Anziehungs-kraft für Kunden zu erhalten und dem Frequenzverlust entgegenzuwirken.

In der Modewelt versuchen inzwischen viele Marken, einschließlich Rebecca Minkoff, Proenza Schouler, Thakoon und selbst Banana Republic, Moden-schauen mehr auf Endkunden (statt wie traditionell auf Facheinkäufer) aus-zurichten und statt Kollektionen für die nächste Saison die aktuelle Kollektion zu zeigen, um sie direkt käuflich zu machen. Modenschauen könnten dann exklusive Veranstaltungen für geladene Top-Kunden sowie Einzelhandelspart-ner werden — ein hochwertiger Weg zur Kundenbindung.

Differenzierung und Erlebniseinkäufe bestimmen den Erfolg der stationären Läden und Malls

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Generell sind Amerikaner wohl im Durchschnitt risiko- und experimen-tierfreudiger als deutsche Konsumen-ten, vor allem sobald Technologie involviert ist, und wenn Datenschutz auch eine wichtige Rolle in den USA spielt, so ist die Besorgnis um das The-ma generell jedoch nicht so groß wie in Deutschland.

Diese Einstellung, zusammen mit ei-nem ausgeprägtem Verbesserungs-, Innovations- und Bequemlichkeitssinn, ist mitverantwortlich dafür, dass Tech-nologie in den USA früh vertraut und so die entsprechende Infrastruktur früh-zeitig geschaffen wurde, was auch die Gründung technologie- und innovati-onsbasierter Unternehmen wie zum Bespiel Amazon, eBay, Airbnb, Uber und Tinder einen guten Nährboden gegeben hat. Der weitflächigere offene Internet-Zugang in den USA trägt auch zu der größeren Online-Nutzung bei.

Die Risikobereitschaft und das Vertrau-en in Technologie in den USA drücken sich auch in kleinen Dingen aus, wie zum Beispiel in unüblicher gewordenen Quittungen für Kreditkartenzahlungen über kleinere Beträge. In den USA ist die weitaus dominierende Online-Bezahlmethode die Kreditkarte, wäh-

rend es Bezahlung auf Rechnung nach Empfang der Ware generell nicht gibt. Die in Deutschland neue erforderliche Doppel-Identifikation beim Bezahlen online, die den Kaufprozess kompli-ziert und damit umsatzhemmend sein könnte, gibt es ebenfalls nicht in den USA.

Technologie hat die Sharing Economy (z.B. Airbnb, Uber, Kiva Mikrodarlehen) und Marktplätze wie Amazon, eBay und Etsy (für handgemachte Kunst-, Bas-tel- und Geschenkwaren) ermöglicht. Leihen und mieten statt kaufen und besitzen, d.h. Verpflichtungen generell gering halten, haben an Beliebtheit ge-wonnen. Innovative Unternehmen wie Rent the Runway, ein Dienst zum Lei-hen von Designer-Ausgehmode, haben diesen Trend mitbegründet.

Auch der Trend zum Strea-ming von Musik und Filmen wie durch Pandora, Spotify, Apple Music, Netflix, Ama-zon Video und Hulu ist technologie- und kun-dengetrieben. Immer mehr Menschen in den USA bestellen wegen der Streaming-Optio-nen ihre Kabel-TV-Abos

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ab. Laut einer Studie sollen in einigen Jahren 23 Prozent der Haushalte in den USA kein Kabelfernsehen mehr haben. Technologie und der Selbstverbesse-rungssinn haben auch das Aufnehmen von Fitness-, Schlaf, Ess- und ande-ren Gesundheitsdaten durch tragbare Fitnesstracker und Gesundheitsapps so beliebt gemacht. Fitbit war die am meisten heruntergeladene App Weih-nachten 2015. Aufgrund dieser Ent-wicklungen kann man auch vermuten, dass sich medizinische Dienstleistun-gen aus der Ferne (Tele Medicine) in den USA mehr verbreiten werden in Zukunft.

Vertrauen in Technologie, Sharing Economy und Geringhaltung von Verpflichtungen

Die verstärkte Online- und Mobilnutzung und auch technologische Fortschritte zum Sammeln von Offline-Infor ma-tionen, unter anderem in Läden, ermög-licht immer mehr die Datensammlung und –nutzung zur Personalisierung von Angeboten (Artikel, Preise, etc.), zum

Kundenbeziehungs mana gement, dyna-mischem Pricing und zur Sortiments-opti mierung. Das ist ein äußerst wichti-ger und wertvoller Neben effekt der verstärkten Online-Nutzung. Überwie-gend wissen amerikanische Kon su-menten den Nutzen von Daten, wie zum

Daten und Analytics sind der Schlüssel zu allem

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Beispiel personalisierte Angebote, zu schätzen. Deutsche Konsumenten dürften vergleichsweise kritischer sein gegenüber der weitreichenden Nut-zung persön licher Daten und auf Datenschutz regelungen verweisen.

ImpressumHerausgeber: Deutscher Marketing Verband e.V. (DMV) Sternstraße 58, 40479 Düsseldorf,Fon +49 (0) 211.864 06-0, Fax: +49 (0) 211.864 06-40 [email protected]: © Fotolia

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Competence CirclesDie 5 Competence Circles bilden eine inhaltliche Themen- und Kompetenz-Plattform für den DMV und sorgen mit ihrer Exper-tise u.a. durch die Erstellung der WHITEPAPER für einen Know-how Transfer auf allen Ebenen des Deutschen Marketing Verbands. Die einzelnen Gruppen stehen für folgende 5 Themen:1 Marken-Management2 Vertriebskanalmanagement3 Marketingplanung- und

Optimierung4 Media-Management5 Online-Performance Marketing

Dr. Denise DahlhoffResearch Director(Baker Retailing Center, Wharton School - University of Pennsylvania, USA)

Prof. Dr. Ralf Schlottmann Professor Marketing und Vertriebsmanagement(Hochschule Bochum)

Kontaktdaten des Leiters desCompetence Circle:

Dennis [email protected]

Ansprechpartnerinnen:Katja Mentzel Telefon: 0211.864 06-10 [email protected]

Annika Holst Telefon: 0211.864 06-16 [email protected]

AutorenEin Blick in die USA macht deutlich, dass in Deutschland eine weitere Ver-änderung des Konsumentenverhal-tens zu erwarten ist. Neue Technolo-gien wie der Dash Button von Amazon und die steigende Smartphone-Nut-zung führen dazu, dass Konsumenten immer weniger in Vertriebskanälen denken, sondern vielmehr ein ganz-heitliches Einkaufserlebnis erwarten.

Dies findet seinen Ausdruck u.a. in einer starken Nutzung von kanalüber-greifenden Services wie Click-and-Collect. Außerdem werden zukünftig auch Produktkategorien wie Lebens-mittel, die heute noch hauptsächlich in Geschäften eingekauft werden, stärker online gekauft. Allerdings deutet vieles darauf hin, dass der Online-Anteil im Lebensmittel handel auch mittelfristig vergleichsweise ge-ring sein wird.

Durch das veränderte Konsumenten-verhalten erhöht sich auch für die Händler die Notwendigkeit, die neuen Technologien aufzugreifen und kanal-übergreifende Services anzubieten. In den USA können wir hierfür zahlrei-che Beispiele finden wie die Verknüp-fung von Online- und Offline-Daten, die Vereinfachung des Einkaufsvor-gangs durch den Dash Button, die Flexibilisierung des Pricings durch elektronische Preisschilder und dyna-misches Pricing und die digitale Aus-stattung und Vernetzung der Läden wie bei Rebecca Minkoff. Letztendlich zeigen die Beispiele aus dem ame-rikanischen Markt, dass es eine Viel-zahl von Handlungsoptionen gibt. Ein integriertes Multi-Channel-Ma-nagement sollte insbesondere dem Kunden dienen und entsprechend gestaltet sein. Es kann letztendlich eine Chance zur Differenzierung im Wettbewerb sein.

Fazit

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Autor: Prof. Dr. Ralf SchlottmannKontaktdaten:[email protected]

Autorin: Dr. Denise DahlhoffKontaktdaten:[email protected]