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Mythos Neu Schwabenland

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Bizarre Felsformationen im ewigen Eis: Die zentralen Drygalskiberge in Neu-Schwabenland

Sie kennen die deutsche Geschichte in- und auswendig? Wußten Sie auch, daß das Deut-sche Reich 1938/39 mit einer spektakulären Expedition völkerrechtliche Ansprüche auf600.000 Quadratkilometer Antarktis anmeldete? Nur NS-Propaganda? Keineswegs: Am5. August 1952 pochte das Auswärtige Amt der Bundesrepublik Deutschland im amtlichen„Bundesanzeiger” auf den Anspruch Deutschlands auf 84 deutsche Namen für Gebiete, Ber-ge, Höhenzüge und Gebirge „im Gebiet Neu-Schwabenland”. Mit Katapultflugzeugen derLufthansa — abgeschossen von dem Expeditionsschiff „Schwabenland” — hatten Mitgliederder 82köpfigen deutschen Expedition im Januar und Februar 1939 unter ständiger Lebens-gefahr ein riesiges Gebiet der Antarktis überflogen, fotografiert und kartiert, das zuvor nochkein menschliches Auge gesehen hatte. Aus unendlichen weißen Flächen tauchten dabeiplötzlich 4.000 Meter hohe Gebirge, zugefrorene Süßwasserseen und eine gewaltige Oaseauf, die in spektakulären Fotos festgehalten wurden. Eine Entdecker-Großtat! Hunderte vonStahlpfeilen mit Hakenkreuzfahnen wurden rund um das Gebiet aus der Luft abgeworfen, um

die völkerrechtlichen Ansprüche des Reiches zu bekräftigen.Nach 1945 schossen Spekulationen ins Kraut: Hatten sich deutsche U-Boote nach Neu-Schwabenland abgesetzt? Lebte Hitler noch und hatte sich dort in Sicherheit gebracht? Hat-ten die Deutschen am Südpol Basen für Geheimwaffen gebaut? Hatten gar die immer häufi-ger auftauchenden Berichte über UFO-Sichtungen etwas mit deutschen Wunderwaffen zutun? Ende 1946 brach — vielleicht auch deshalb? — eine gewaltige US-Armada mit Kriegsschif-fen, einem U-Boot, einem Flugzeugträger und 4.000 Marinesoldaten unter Admiral RichardEvelyn Byrd in die Antarktis auf. Hatte diese „Operation Highjump” militärischen Charakter?Geriet sie zum Desaster? Diente die Operation wirklich nur Forschungszwecken, wie behaup-tet wurde, oder gab es doch einen militärischen Hintergrund? Weshalb ereigneten sich

spektakuläre Unfälle mit Todesfolge?Dieses spannende Sachbuch geht allen bohrenden Fragen um Neu-Schwabenlandhartnäckig nach und dokumentiert u.a. ein Gespräch mit dem einzigen noch lebenden Teil-nehmer der Expedition von 1938/39. Rund 100, oft farbige, Fotos lassen uns die Entdeckungmiterleben und entführen uns in eine Region des Südpolargebietes, von deren Existenzdie meisten Deutschen nicht einmal eine Ahnung haben, geschweige denn ihren Namen

kennen: Neu-Schwabenland!

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

VorwortEinem Geheimnis auf der Spur

Von Neu-Schwabenland, Hitlers letzter ge-heimgehaltener Kolonie in der Antarktis, erfuhrich zum ersten Mal im Sommer 1960.

Konteradmiral Conrad Engelhardt, der dieim Auftrag der Bundesregierung an derOstakademie in Lüneburg gebildete „For-schungsstelle Ostsee”, der ich als ehrenamtli-cher Mitarbeiter angehörte, leitete, hatte mirdie Aufgabe übertragen, alle Handelsschiffe zuermitteln, die 1944 / 45 Flüchtlinge aus Ost-preußen, Westpreußen, Danzig und Pommernüber die Ostsee gerettet hatten. Hierzu gehör-ten auch Schiffe der Reederei Deutsche Dampf-schiffahrtsgesellschaft (DDG) „Hansa” in Bre-men, so zum Beispiel die Frachter „Moltke-fels”, „Neidenfels”, „Stolzenfels” und vermut-lich auch der Frachter „Schwarzenfels”. Dochbeim letztgenannten irrte ich mich. Bereits imFebruar 1934 hatte die DDG „Hansa” denFrachter „Schwarzenfels”, der 1925 bei denDeutschen Werken in Kiel gebaut und danach

im Indiendienst eingesetzt worden war, an dieDeutsche Lufthansa (DLH) verkauft.

Was wollte die Deutsche Lufthansa mit einemFrachtschiff?

Meine Recherchen ergaben, daß die DLH dasSchiff für die Verwendung als Flugzeugstütz-punkt im transatlantischen Luftverkehr er-worben hatte und daß es für diesen Zweck beider Deutschen Schiffs- und Maschinenbau-AG, Weserwerk, in Bremen, bis zum 15. Au-gust 1934 umgebaut worden war. Die In-dienststellung als Katapultschiff der Deut-schen Lufthansa erfolgte unter dem neuen Na-men „Schwabenland”.

Das Motorschiff „Schwabenland”, 8.188Bruttoregistertonnen, 142,7 Meter lang, 18,4Meter breit, mit zwei Dieselmotoren je 1.800P5 und Doppelschrauben ausgestattet, die ei-ne Höchstgeschwindigkeit von zwölf Knotenermöglichten, wurde im Auftrag der DLHzunächst von Kapitän A. Lipa geführt. Dieserwurde am 13. Mai 1935 von Kapitän AlfredKottas abgelöst.

Bei meinen weiteren Recherchen brachte ichin Erfahrung, daß M/S „Schwabenland ” 1938nochmals umgebaut und danach als Expediti-onsschiff für eine mehrmonatige, vor der brei-ten Öffentlichkeit geheimgehaltene Antarktis-expedition zum Einsatz gekommen war. Nunwar mein Interesse an dem Schicksal dieses

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VORWORT

Schiffes vollends geweckt. Ich ahnte damalsnicht, daß mich meine weiteren Nachfor-schungen über 40 Jahre lang beschäftigen soll-ten.

Erst aus dem 1942 im Auftrag der DeutschenForschungsgemeinschaft herausgegebenen Be-richt von Alfred Ritscher, Kapitän der Handels-marine und Oberregierungsrat beim Oberkom-mando der Kriegsmarine, dessen Beschaffungfür mich nicht einfach war, erfuhr ich Einzel-heiten über die mit M/S „Schwabenland” imantarktischen Sommer 1938 / 39 durchgeführteExpedition. Er war dem Reichsmarschall Her-mann Göring gewidmet und trug den Titel Wis-senschaftliche und fliegerische Ergebnisse der Deut-schen Antarktischen Expedition 1938/39. Die Tat-sache, daß diese Expedition zur Inbesitznahmevon Neu-Schwabenland führte, einem Südpo-largebiet in der Größe Deutschlands in denGrenzen von 1937, veranlaßte mich dazu, alleirgend erhältlichen Informationen über die so-wohl von der Reichsregierung als auch in derNachkriegszeit von der Bundesregierung vor-enthaltenen Fakten in bezug auf Neu-Schwa-benland zusammenzutragen. Dazu gehörtenauch Berichte über die wirtschaftliche und stra-tegische Bedeutung der Antarktis. Zunächstwar es mühevoll und zeitraubend, verläßlicheInformationen zu erhalten, doch nach und nachverdichtete sich das Bild.

Eine völlig neue Dimension erreichte dieNeu-Schwabenland-Forschung mit der Ein-führung des Internet. Dabei zeigte sich aller-

dings, daß der Legendenbildung um Neu-Schwabenland offensichtlich keine Grenzengesetzt sind und Vermutungen, die nicht be-weisbar oder nachweislich falsch sind, zu Fak-ten gemacht werden. Wer heute im Internetunter „Neu-Schwabenland” sucht, erhält eineFülle von Informationen, von denen viele nurHalbwahrheiten enthalten oder gänzlich er-funden sind.

So ist von Verschwörungen die Rede, von derThule-Gesellschaft, von deutschen Untersee-booten, die sich bei Kriegsende 1945 massen-weise nach Südamerika abgesetzt hätten, vonU-Boot-Stützpunkten in Neu-Schwabenland,von UFOs, die möglicherweise dort stationiertseien, von einem Zwangsflug des amerikaniaschen Admirals Richard Evelyn Byrd in die„hohle Erde” (den Verlauf eines weiteren amNordpol soll er in einem „Tagebuch” veröffent-licht haben), von einem Versuch der Amerika-ner, mit einem Flugzeugträger, mehreren Schif-fen und Flugzeugen sowie 4.000 Soldaten1946 / 47 Neu-Schwabenland zu erobern, derkläglich gescheitert sei, und schließlich von ei-nem amerikanischen Atombombenabwurf überNeu-Schwabenland.

Solche Informationen auf ihren Wahrheitsge-halt zu überprüfen, erforderte jahrelange Re-cherchen, als deren Ergebnis diese erste umfas-sende deutsche Dokumentation über Hitlersletztes Geheimnis, das 1938 / 39 in Besitz ge-nommene Neu-Schwabenland in der Antarktis,entstand. Die Dokumentation ist ein wichtigesKapitel der Geschichte des Dritten Reiches undder deutschen Geschichte überhaupt, nicht zu-letzt aber auch der Antarktisforschung, für diedeutsche Wissenschaftler bei der Antarktisex-pedition 1938 / 39 mit dem Katapultschiff derDeutschen Lufthansa M/S „Schwabenland”Hervorragendes geleistet haben, was bis heuteunbekannt ist oder wissentlich verschwiegenwird.

November 2004, Heinz Schön

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

EinleitungDie Antarktis, der friedlichste Teil unserer Erde

Der Kontinent Antarktis ist das kälteste,trockenste, sturmreichste, unzugänglichste undlebensfeindlichste Gebiet der Erde. Die glän-zende Eiswüste am Ende der Welt ist aber auchals waffenfreies Gebiet der friedlichste Teil un-serer Erde. Die Träume der Menschheit vomWeltfrieden sind hier Wirklichkeit.

Das Gebiet der Antarktis umfaßt einschließlicheiniger vorgelagerter Inseln eine Fläche von 14,1Millionen Quadratkilometern. Die wichtigstenInselgruppen sind Südgeorgien, Südsandwich,Südorkney und Südshetland, die sämtlich in bri-tischem Besitz sind. Mit Ausnahme der Wal-fangstation Grytviken auf Südgeorgien (600 bis1.200 Einwohner) sind sie ebenso unbewohntwie das gesamte Südpolargebiet, in dem die Be-satzungen der wissenschaftlichen Beobachtungs-und Forschungsstationen die ganze Bevölkerungdarstellen.

Der Erdteil Antarktis scheint jüngsten For-schungen zufolge kein zusammenhängenderKontinent zu sein, wie man bisher annahm,sondern am Rand, vor allem im Bereich der Fal-tenantarktis zwischen Grahamland und Ross-meer, in eine Reihe mehr oder weniger großerInseln zu zerfallen. Diese sind teilweise gebir-gig, bis zu 5.140 Meter hoch, und von einergroßen Inlandeismasse überzogen, in der Wed-dell- und Rossmeer große Buchten bilden.

Das genaue Ausmaß der Fläche der Antarktisliegt noch nicht genau fest, da sie fast völlig von

einem Eismantel überzogen ist, der durch-schnittlich 2.000 Meter dick ist, an manchenStellen sogar bis zu 4.000 Meter.

Auf der Antarktis liegen 90 Prozent des Weltei-ses. Es ist ausgerechnet worden, daß das Gewichtder insgesamt 24 Kubikkilometer Eis die Erd-oberfläche der Antarktis um 500 bis 1.000 Meterabsinken ließ. Mit einer Durchschnittshöhe vonetwa 1.500 Meter über dem Meeresspiegel ist dieAntarktis der höchste Kontinent der Erde.

Sollte die gewaltige Eismasse, aus welchenGründen auch immer, schmelzen, würde derWasserspiegel der Meere um 60 bis 70 Metersteigen. Die Folge: Mehr als die Hälfte der be-siedelten Welt würde überschwemmt werden.

Neueste Berechnungen haben ergeben, daßdie Eismasse in der Antarktis um über 1.000Kubikmeter jährlich zunimmt, was die Be-fürchtung hervorgerufen hat, daß sich die Erdeeiner neuen Eiszeit nähert. Nur etwa 320.000Quadratkilometer der auf ca. 14 Millionen Qua-dratkilometer geschätzten Antarktisoberflächesind eisfrei.

Der antarktische Kontinent befindet sich 3.000bis 4.000 Kilometer von Südafrika, Australienund Neuseeland entfernt, dagegen von derSüdspitze Südamerikas nur 1.000 Kilometer.Mit Ausnahme der Antarktischen Halbinsel(Grahamland) gegenüber Südamerika befindetsich der gesamte Kontinent innerhalb des süd-lichen Polarkreises. Es herrschen hier Tempera-turen bis zu 90 Grad unter Null, selbst im ark-tischen Sommer steigen die Temperaturen ganzselten über 0 Grad. Häufig sind Stürme, dienicht selten eine Windgeschwindigkeit von 320Kilometer pro Stunde erreichen.

80 bis 600 Millimeter Niederschläge jährlichfallen meist im Sommer als Schnee. Nur einzel-ne Gipfel, schmale Küstenstreifen und Inselnsind eisfrei.

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EINLEITUNG

In der Antarktis wächst außer Moosen undFlechten fast nichts, obwohl sich fast 70 Prozentdes Süßwassers der Welt hier befinden, bedecktmit einer Eiskappe. Landtiere fehlen in der Ant-arktis fast völlig, dagegen gibt es Pinguine undMeeressäuger, wie Robben und Wale, in großerZahl. Die wirtschaftliche Bedeutung der Ant-arktis liegt zum großen Teil im Walfang.

Doch ist der Walfang nicht der eigentlicheGrund für die Tatsache, daß viele Länder daraninteressiert sind, bei einer Aufteilung des Kon-tinents, die eines Tages stattfinden wird, nichtleer auszugehen.

Unter der gewaltigen Eisdecke, aber auch imMeer vor den Küsten, werden märchenhafteBodenschätze vermutet, die auf ihre Ent-deckung warten und Riesengewinne verspre-chen, große Ölfelder wie im Iran oder so reicheEdelmetallvorkommen wie in Südafrika.

Welche Vorstellungen einige Länder von denunter dem Eis verborgenen Schätzen haben,geht aus einer Äußerung des früheren malaysi-schen Ministerpräsidenten Dr. Mahathir Moha-med hervor, der erklärte: "Eines Tages ent-decken wir womöglich, daß der Südpol aus pu-rem Gold ist, und für uns fällt nichts davon ab."'Malaysia stellte schon zu Beginn der 1980er Jah-re die Forderung, die Antarktis zum " gemeinsa-men Erbe der Menschheit" zu erklären.

Daß unter dem Eis der Antarktis tatsächlich Bo-denschätze auf ihre Entdeckung warten, davonsind alle Länder überzeugt, die sich ihren Anteilan der Antarktis sichern wollen, und die Frage,wie diese aus dem Eismantel geborgen werdenkönnten, wird seit Jahren lebhaft diskutiert.

Tatsache ist, daß man in der Antarktis bishernoch nichts von nennenswertem kommerziel-len Wert gefunden hat. Selbst wenn die Vor-hersagen von großen Reichtümern wahr wer-den sollten, wäre ihre Erschließung unvor-stellbar schwierig und die Kosten immens.Wenn jedoch die entsprechende Technik ent-wickelt und praktisch anwendbar geworden

sein wird, wird die Erschließung der Antarktisbeginnen.

Abbauwürdig könnte in absehbarer Zeit be-reits das Öl vor der Küste sein. Geologische Da-ten lassen große Sedimentbecken im Kontinen-talschelf unter dem Eis erwarten, jedoch wärendie Förderkosten noch sehr hoch.

Die Frage, wer die Antarktis entdeckte, istnicht zu beantworten.

Vor mehr als 200 Jahren, von 1772 bis 1775, um-segelte Kapitän James Cook den antarktischenKontinent, sichtete jedoch nicht die Landmasse.

Der Engländer Edward Bransfield, ein Rob-benfänger, sichtete als erster die Nordspitze desGrahamlands, eines Teils des antarktischenFestlandes. 1820 folgte die Inbesitznahme vonGrahamland, auch Antarktische Halbinsel genannt, durch Großbritannien.

Im selben Jahr sichtete der amerikanischeRobbenfänger Nathaniel B. Palmer den antark-tischen Kontinent.

Eine französische Expedition unter Kapitän J.Dumont d'Urville führte 1839/40 zur Ent-deckung von Adaeland und zu dessen Besitz-nahme für Frankreich.

1839 bis 1843 umfuhr der Engländer Sir JamesClark Ross den Kontinent. Er kartographierteetwa 800 Kilometer der Küste von Victorialand,entdeckte das nach ihm benannte Rossmeerund die Ross-Insel und nahm beide für Groß-britannien in Besitz.

Doch es gibt auch andere Entdeckeran-sprüche. Ein amerikanischer Robbenjäger sollals erster seinen Fuß auf das Eis gesetzt haben,Franzosen hißten die erste Flagge, Norwegererreichten als erste den Südpol und überstan-den erstmalig einen arktischen Winter. Ameri-kaner schickten das erste Flugzeug, Britenüberquerten als erste den Kontinent, und daserste Antarktiskind kam 1978 in einer argenti-nischen Forschungsstation zur Welt.

Die Antarktisforschung geht weiter. WeitereEntdeckungen und Überraschungen sind sicher.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND-- -

Geheimauftragfür Alfred Ritscher

Göring plant Expedition in die Antarktis

Mit großer Sorge nahm die deutsche Reichsre-gierung in Berlin die Bemühungen andererStaaten zur Kenntnis, sich mittels Expeditionenund Einrichtung von Forschungsstationen Teil-gebiete der Antarktis durch Inbesitznahme zusichern. Besonders eingehend wurden die Akti-vitäten europäischer Länder in dem herrenlo-sen Kontinent beobachtet. Hierzu zählten vorallem Großbritannien, Frankreich, Norwegenund Rußland.

Hermann Göring brachte in seiner Eigen-schaft als Beauftragter für den Vierjahresplanzum Jahresbeginn 1938 das Thema "Die Ant-arktis und Deutschland" auf die Tagesord-nung einer Besprechung mit Adolf Hitler. Esging dabei um die "Ernährung der deutschenBevölkerung im Kriegsfall". Der HinweisGörings, daß man den Walfang in der Antark-tis durch eine deutsche Expedition nicht nursicherstellen, sondern ausbauen müsse, fandnicht nur die Zustimmung des Reichskanz-lers, sondern auch einer Reihe von Ministeri-en und Institutionen, für die nicht der Walfangund die Erschließung neuer Walfanggebiete inder Antarktis, sondern ganz andere Gründefür eine Antarktisexpedition ausschlaggebendwaren.

Die Sicherung des deutschen Anteils an denBodenschätzen, die unter dem Eis und im Mee-resboden an der Küste vermutet wurden, dar-unter 01, sowie die strategische Bedeutung derAntarktis für einen eventuellen Seekrieg, warenden Militärs und den Polarforschern außeror-dentlich wichtige Aufgaben einer deutschenSüdpolarexpedition.

Nachdem Hitler Göring grünes Licht für seinVorhaben gegeben hatte, eine deutsche Antark-tisexpedition vorzubereiten und noch im Jahr1938 zu beginnen, liefen die Vorarbeiten, für diesich der Reichsminister einen handverlesenenMitarbeiterstab gesichert hatte, an.

Deutsche Entdeckerfahrten in die Antarktis

Um sich sachkundig zu machen, forderteGöring zunächst einen Bericht über die bisheri-gen deutschen Aktivitäten in der Antarktis an,der ihm wenige Tage später vorlag.

Eduard Dallmann, 1830 in Blumenthal beiBremen geboren, 1845 Schiffsjunge, bestand sei-ne nautischen Prüfungen auf der Seefahrtschu-le Bremen 1850 und 1855 und wurde Steuer-mann auf dem Bremer Südsee-Walfangschiff„ Otaheite”. Von 1860 bis 1864 fuhr Dallmannals Kapitän das oldenburgische Walfangschiff"Planet".

Am 17. August 1866 landete Dallmann als er-ster auf Wrangel-Land. Von 1866 bis 1872 fuhrer als Kapitän auf der für Hackfeld auf derWerft von Bosse in Bremen-Burg gebauten Wal-fängerbark " Graf Bismarck". 1873 / 74 ging Ka-pitän Dallmann mit dem Segeldampfschiff"Grönland" für die PolarschiffahrtsgesellschaftHamburg auf Fangfahrt in die Antarktis. Beidieser Fahrt gelang es ihm, die Küste von Gra-hamland entlangzufahren und so einen Teil derWestküste der Antarktischen Halbinsel zu be-fahren. Dallmann fand auch den Einstich zwi-schen der Antwerpen-Insel und dem Konti-nent, den er Bismarck-Straße taufte. EduardDallmanns großer Verdienst ist der von ihm er-brachte Beweis, daß hinter den vorgelagertenInseln der eigentliche Kontinent Antarktis liegt.Dallmann, ein ausgezeichneter Kapitän undhervorragender Navigator und Kartograph,wurde zum deutschen Antarktispionier.

Bis zum Ende des Jahrhunderts fanden keinegroßen deutschen Antarktisexpeditionen mehrstatt, doch einige wichtige Ereignisse standenim Zusammenhang mit dem weißen Kontinent.1874 suchte Kapitän von Reibnitz mit der " Ar-kona" einen geeigneten Standort für die Beob-achtung des Venus-Durchgangs im südlichenindischen Ozean, während 1874 / 75 die " Gazel-le"-Expedition unter Kapitän Baron von Schlei-

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GEHEIMAUFTRAG FÜR ALFRED RITSCHER

nitz ozeanographische Forschungen in den dreisüdlichen Ozeanen durchführte.

Im Auftrag der Hamburgischen Dampfschiff-fahrtsgesellschaft fuhr Kapitän Carl Anton Lar-sen 1888 und 1893 mit dem norwe gischen Wal-f änger „Jason” die Seymaur-Inseln an sowie dieOstküste der Antarktischen Halbinsel. Er sahdabei als erster die Rückseite der Halbinsel.

Unter Leitung von Professor Karl Chunbrachte eine 1898 / 99 durchgeführte Tiefsee-Ex-pedition mit dem Schiff „Valdia” wichtige Er-kenntnisse von den Kerguelen-Inseln bis zumEnderby-Land.

Gegen „antarktische Untätigkeit”

Neue Impulse für die Antarktisforschungbrachte der Internationale Geographen-Kon-greß, der 1899 in Berlin stattfand. Das vom Kon-greß beschlossene Aktionsprogramm veranlaß-te drei Länder - Schweden, England undDeutschland — zu Expeditionen, die im Spät -

sommer und Herbst des Jahres 1901 stattfindensollten.

Die Beratungen und der Beschluß über dasAktionsprogramm war der Initiative von Georgvon Neumayer, Vorsitzender der DeutschenKommission für Südpolarforschung und Mit-glied der Internationalen Polarkommission, zuverdanken, der vehement die „antarktischeUntätigkeit” angeprangert hatte.

Georg von Neumayer, 1826 in der Pfalz gebo-ren, international anerkannter Wissenschaftlerauf den Gebieten Nautik, Magnetik, Meteorolo-gie, Hydrographie und Astronomie und Grün-der der Deutschen Seewarte in Hamburg, sahdie Erforschung der Südpolargebiete als seinLebensziel und unterstützte sie daher sowohldurch seine einflußreiche Stellung als auchdurch wissenschaftliche Arbeiten, was ihm denRuf als „Vater der deutschen Südpolarfor-schung” einbrachte. Aufgrund seiner hervorra-genden wissenschaftlichen Arbeiten ehrte dieBayerische Krone Georg von Neumayer im Jahr1900 mit dem persönlichen Adel.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Neumayer, wie Alexander von HumboldtAnhänger des erdmagnetischen Phänomens,zog aus Beobachtungen der Eisbewegung undMeeresströmung den Schluß, daß man vom In-dischen Ozean aus über die Kerguelen tief nachSüden vorstoßen könne. östlich des Küsten-streifens, im Gebiet zwischen 50° und 100° Ost,vermutete er eine tief nach Süden ragende Mee-resbucht.

Die Drygalski-Expedition 1901—1903

Am 18. Juli 1901 bestellte der deutsche KaiserWilhelm II. den 1865 in Königsberg geborenen,an der Universität Berlin lehrenden Professorfür Geographie und Geophysik Erich vonDrygalski zum Leiter einer wissenschaftlichenAntarktisexpedition. Die deutsche Reichsregie-rung bewilligte für die Expedition 1,5 MillionenReichsmark, von denen ein eigenes Schiff, derSegler „Gauss”, gebaut wurde.

Nach einer von Georg von Neumayer ausge-arbeiteten Route für die Expedition 1901 fuhrDrygalski entlang dem 90. östlichen Längen-grad Kurs nach Süden. Er wollte feststellen, obzwischen der von den Polarforschern Wilkesyund Kemp gesichteten Küste tatsächlich Landlag.

Als Drygalski Ende Februar 1902 mit seinemSegler „Gauss” die Antarktis bei 92° Ost er-reichte, sah er vor sich ein weites, eisbedecktesLand. Zu Ehren seines Auftraggebers, demdeutschen Kaiser, gab er diesem Land den Na-men Kaiser-Wilhelm-Land. Zuvor, am 21. Fe-bruar 1902, hatte er die nach ihm benanntenDrygalski-Inseln in der Ostantarktis entdeckt.

Völlig unerwartet hatte sich Drygalskis Schiff,der Segler „Gauss” festgefahren, er wurde vomEis eingeschlossen. Diese ungewollte Zwangs-pause, die einige Probleme aufwarf, wurde zuForschungsarbeiten genutzt. Man fuhr über dieEisschollen nach Süden, fand einen erloschenenVulkan, den man Gaussberg taufte, sammelteGesteins- und Lavaproben, nahm Eismessun-gen vor und förderte Kleintiere zutage.Drygalski führte die Luftvermessung in derAntarktis ein. Über eine Seilwinde und einenAnker wurde ein Fesselballon auf 500 MeterHöhe gebracht und die Umgebung fotogra-phisch aufgenommen.

Anfang März 1903 wurde die Lage auf demSegler immer kritischer, da die Kohlenvorräteverbraucht waren und die Besatzung bereits ge-zwungen war, die tranreichen Körper von Pin-guinen als Brennmaterial zu verwenden. Eswurde höchste Zeit, daß die „Gauss” aus derEisfalle freikam.

Dem Einfallsreichtum der Seglerbesatzungund ihres Kapitäns war es zu verdanken, daßdieses Mitte März 1903 gelang. Bereits im vor-ausgegangenen antarktischen Sommer hattendie Männer auf Geheiß von Drygalski das Eisvon ihrem Schiff bis zum nächsten Stück offe-nen Wassers mit Asche bestreut. Die Asche ab-sorbierte genügend Sonnenwärme, um einennahezu zwei Meter breiten Kanal aufzuschmel-zen, an dem entlang sich das Eis spaltete. So ge-lang es, den Segler vom Eismantel zu befreienund die Heimfahrt anzutreten.

Enttäuscht zeigte sich Drygalski nach seinerRückkehr darüber, daß der Kaiser zwischen-zeitlich das Interesse an der Expedition verlo-ren hatte; offensichtlich hatte er gehofft, Dry-galski würde bis zum Südpol vorstoßen, wasacht Jahre später, 1911, erst dem NorwegerRoald Amundsen gelang.

Die Auswertung aller während der Drygal-ski-Expedition aufgezeichneten Forschungser-gebnisse dauerte 16 Jahre und füllte 20 Bändeund zwei Atlanten. 1906 erhielt Erich vonDrygalski eine Professur an der Münchner Uni-versität und wurde 1921 /22 deren Rektor undVorsitzender der Geographischen Gesellschaft.Nach Drygalski wurde ein Fjord der Insel Süd-georgien benannt.

Filchner mit der „Deutschland” in der Antarktis

Mit dem Auslaufen des aus Norwegen stam-menden Polarschiffes „Deutschland” aus demHamburger Hafen begann am 3. Mai 1911 dienächste deutsche Antarktisexpedition. Leiterdieses Südpol-Unternehmens war der 34jährigein München geborene Kürassieroffizier und Geo-physiker Wilhelm Filchner. Filchner hatte einJahr zuvor eine Spitzbergen-Expedition gelei-tet, die der Vorbereitung seiner Expedition1911 /12 diente. Mit dieser zweiten deutschenAntarktisexpedition verfolgte er das kochge-steckte Ziel, über die Erreichung des Südpolshinaus als erster die Antarktis zu durchqueren,um festzustellen, ob sie einen oder zwei Konti-nente bildet.

Filchner konzentrierte seine Arbeit zunächstauf die Erforschung des südlich vom Wed-dellmeer gelegenen Gebietes. Er wollte fest-stellen, ob die Vermutung anderer Polarfor-scher richtig war, nach der sich die großenEinbuchtungen des südlichen Ross- und Wed-dellmeers nach Süden hin fortsetzten, sich trä-fen und so einen Durchstich bildeten, der dieWest- von der Ostantarktis in Form einesgroßen, eisbedeckten Meeresarmes voneinan-der trennten.

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GEHEIMAUFTRAG FÜR ALFRED RITSCHER

Erschwert wurde die Arbeit der Filchner-Ex-pedition von Beginn an durch Eisbarrieren, diesein Forschungsschiff „Deutschland ” eineng-ten. In der Umklammerung einer Eisscholle lagdas Schiff eine Woche fest. Erst Ende Januar1912 erreichte Filchner den antarktischen Kon-tinent in Coats-Land. Der Küstenlinie nach We-sten folgend entdeckte die „Deutschland” bei35° West überraschend das Gegenstück zurRoss-Barriere. Es gelang Filchner, dieser Linienoch weitere etwa 350 Kilometer zu folgen. Da-nach machte Packeis die Weiterfahrt unmög-lich. Etwa 600 Quadratkilo-meter Tafeleis, das sich beistürmischem Wetter plötzlichselbständig gemacht hatte,verhinderte in dieser östlichenEcke des Schelfs den Aufbaueiner deutschen Forschungs-station. Filchner versuchtedieses gefährliche Gebiet mitseinem Schiff sofort zu ver-lassen, was jedoch mißlang.Am 10. März 1912 saß die„Deutschland” erneut fest.Neun Monate lang trieb dasSchiff mit seiner Besatzungüber das Weddellmeer, erst imNovember 1912, als der ant-arktische Sommer begonnenhatte, kam es wieder frei.

Von dem ursprünglichen Ex-peditionsprogramm konnte nur ein Bruchteilrealisiert werden. Hierzu gehörten das Errei-chen der Südostspitze im Weddellmeer, die Be-nennung der Prinzregent-Luitpold-Küste, dieersten exakten Messungen von der großräumi-gen Drift des Packeises und die Entdeckungdes heute nach dem Polarforscher benanntenFilchner-Schelfeises.

Nicht nur während des Ersten Weltkrieges,auch in den Jahren danach ruhte die Antarktis-forschung — und dies nicht nur in Deutschland.

Erste Vorbereitungenfür die dritte deutsche Antarktisexpedition

Mit Interesse hatte Göring zur Kenntnis ge-nommen, daß Deutschland bisher nur zwei of-fizielle Antarktisexpeditionen mit unterschied-lichem Erfolg durchgeführt hatte und daß deut-sche Polarforscher und Wissenschaftler auch anausländischen Antarktisunternehmen beteiligtgewesen waren. Er hatte aber auch zur Kennt-nis nehmen müssen, daß seit der Filchner-Ex-pedition vor 25 Jahren keine deutschen For-scher mehr in der Antarktis gewesen waren

und keine weitere Expedition durchgeführtworden war.

Als Beauftragter für den Vierjahresplan wuß-te Göring, wie wichtig der Walfang in der Ant-arktis für Deutschland war und wie notwendiges erschien, diesen sicherzustellen und neueFanggebiete zu erschließen. Für ihn schien eshöchste Zeit, eine große Expedition in die Ant-arktis zu entsenden.

Am 9. Mai 1938 wurde ihm ein von Mitarbei-tern seines Ministeriums ausgearbeiteter Planfür eine Antarktisexpedition, die im antarkti-

schen Sommer 1938 / 39 durch-geführt werden sollte, vorge-legt. Er billigte ihn und beauf-tragte Staatsrat Helmut Wohl-that, Ministerialdirektor z.b.V.(zur besonderen Verwendung),mit der Vorbereitung der Expe-dition und stattete ihn mit allenVollmachten aus.

Der Ministerialbeamte hattefür diesen bedeutenden logisti-schen Großauftrag nur sechsMonate Zeit, da Göring den Be-ginn der Expedition, das Aus-laufen des Expeditionsschiffes,auf Sonnabend, den 17. Dezem-ber 1938, festgelegt hatte.

Am Tag des Auftragsemp-fangs hatte der Ministerialdi-rektor zum Beispiel weder ein

Schiff mit einem Kapitän noch einen Expediti-onsleiter. Auch war ihm noch kein Polarfor-scher und Wissenschaftler bekannt, der für dieExpedition, die große Anforderungen an dieQualifikation und die Gesundheit stellte, geeig-net erschien. Unter normalen Umständen hät-ten für die Vorbereitung der Expedition zweiJahre Zeit zur Verfügung stehen müssen.

Nach dem 9. Mai wurde auf Initiative und oftunter der Leitung von Wohlthat fast pausenlosgetagt, in den verschiedenen Ministerien wur-den Ressortbesprechungen durchgeführt, eswurde telefoniert und geschrieben und alles ge-tan, um in der kurzen zur Verfügung stehendenZeit die große Antarktisexpedition optimal vor-zubereiten.

Ministerialdirektor z.b.V. Wohlthat richtetesich bei seinen Vorbereitungen nach dem mitseinem Dienstherrn, Hermann Göring, abge-sprochenen Konzept, das detailliert die Aufga-ben der Expedition enthielt. Danach war es dasZiel, durch einen Erkundungsvorstoß in dieantarktischen Gewässer und in das Innere desantarktischen Kontinents, Deutschland ein Mit-bestimmungsrecht und seinen gebührendenAnteil bei der kommenden Aufteilung der Ant-

Organisierte die Vorbereitung:Staatsrat Helmut Wohlthat

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

arktis unter den Großmächten zu sichern unddamit die Voraussetzungen für das unge-schmälerte Recht des Deutschen Reiches aufungestörte Ausübung eines für seine 80 Millio-nen Menschen lebenswichtigen Walfangs zuschaffen. Die wissenschaftlichen Forschungender Expedition sollten an die Forschungen vonErich von Drygalski (1901-1903) und WilhelmFilchner (1911-1913) anknüpfen.

Dementsprechend waren die Aufgaben auf dieeinzelnen Wissenschaftsgebiete wie folgt verteilt:• Geographie: Gewinnung einer Landkarte des

Küstengebietes im Arbeitsabschnitt durch fo-togrammetrische Vermessung aus der Luft.

• Meteorologie: Wetterberatung der Flugzeugeund Erforschung der höheren Schichten derAtmosphäre mittels Radiosonden.

• Ozeanographie: Reliefaufnahmen des Mee-resbodens mittels Echolotungen, Oberflä-chenbeobachtungen mit dem Sund-Schöpfer.Temperaturmessungen, Durchführung hy-drographischer Serien, Erkundung der Eis-verhältnisse.

• Biologie: Beobachtungen über Vorkommenvon Walen, Robben, Vögeln, Planktonfängeund Sammlung von Erfahrungen über dieNahrungsauswahl und Nahrungsaufnahmevon Walkrebsen.

• Nautik: Erprobung nautischer Geräte und Ta-bellen, Kimmtiefenmessungen; Nachprüfungvon Angaben in den deutschem Seekarten:Herstellung von Küstenansichten für See-handbücher.Um diese Vielzahl wichtiger Aufgaben in den

wenigen Monaten des antarktischen Sommersbewältigen zu können, sah der Staatsrat vor, aufdie bisherige umständliche und zeitraubendePraxis der Polarforschung mit Hunden undSchlitten zu verzichten und an ihrer Stelle, ins-besondere für die Inlanderkundung, ein neu-zeitliches Hilfsmittel der Wissenschaft undTechnik einzusetzen: das Flugzeug.

Die Deutsche Lufthansa als Partner

Der Deutschen Lufthansa war es 1934, 17 Jahrenach der ersten Atlantiküberquerung mit einemFlugzeug durch Lindbergh, als erster Luftfahrt-gesellschaft der Welt gelungen, Amerika undEuropa auf dem Luftweg miteinander zu ver-binden.

Der erste planmäßige Transozeanflug derDeutschen Lufthansa erfolgte über die RouteBerlin - Stuttgart - Sevilla - Bathurst - Natalnach Rio de Janeiro und Buenos Aires. Die11.369 Kilometer lange Strecke wurde in fünfTagen zurückgelegt.

Die eigentliche Atlantiküberquerung begannin Bathurst / British Gambia. Das einzige fürdiese enorm weite Etappe geeignete Flugzeugwar das Dornier-Wal-Flugboot, allerdingskonnte auch dieses den Atlantik nicht nonstopüberqueren. Die Auftankung im Flug, die dieDeutsche Lufthansa erprobte, bereitete unterden damaligen Bedingungen nicht allzu großeSchwierigkeiten.

Eine Lösung brachte hier das als „schwim-mende Insel” bezeichnete Flugzeugstützpunkt-schiff, das mit Hilfe eines Schleppsegels undeines Krans ein gelandetes Wasserflugzeug(Flugboot) aufnehmen, betanken und anschlie-ßend mit Hilfe eines Katapults wieder startenkonnte

Das erste Schiff, das von der Deutschen Luft-hansa zu einem solchen Flugzeugstützpunkt-schiff umgebaut wurde, war der 1905 gebauteDampfer „Westfalen” der Reederei Norddeut-scher Lloyd Bremen (NDL), der, ausgerüstetmit einem Schleppsegel und einer Heinkel-Großflugzeugschleuderanlage, im Auftrag derDLH seinen Dienst aufnahm.

Nach der „Westfalen” übernahm die Deut-sche Lufthansa 1934 von der DeutschenDampfschiffahrtsgesellschaft „Hansa” Bremendas Motorschiff „Schwarzenfels”, ließ es zumFlugzeugstützpunktschiff umbauen und setztees unter dem neuen Namen „Schwabenland” inFahrt. Zwei weitere Flugzeugstützpunktschiff-Neubauten folgten mit „Ostmark” und „Frie-senland”.

In den Jahren 1934 bis 1937 absolvierten dieLufthansa-Flugzeuge 309 Flüge im Südatlantik-Flugdienst. Sie legten dabei 2.420.416 Flugkilo-meter zurück.

Für die vom Reichsluftfahrtministerium Ber-lin 1938 geplante Antarktisexpedition konnte eskeinen besseren Partner geben als die DeutscheLufthansa, die sich bereits im ersten Gesprächbereit erklärte, sich an der Expedition zu betei-ligen und diese partnerschaftlich zu unterstüt-zen. Die DLH bot die idealen Voraussetzungenfür eine partnerschaftliche Zusammenarbeit. Sieverfügte über jahrelange Erfahrungen auf demGebiet des Uberseeflugs sowie über eine her-vorragende technische und kaufmännische Or-ganisation, zudem besaß sie vier schwimmendeFlugzeugstützpunkte mit je zwei Dornier-Walen(Wasserflugzeugen) und einem ausgezeichnetgeschulten und flugerfahrenem Personal.

Die DLH erklärte sich sofort bereit, ihrenDampfer „Westfalen”, der als Flugzeugstütz-punkt seinen Dienst zwischen Bathurst undNatal versah, zur Verfügung zu stellen. Dafürsollte das Schiff nach Rio de Janeiro verlegtwerden, dort eine Eisverstärkung erhalten und

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Mit Alfred Ritscher war die ideale Person für die Leitungder Expedition gefunden. In dem 60jährigen Regierungsratim Oberkommando der Kriegsmarine verbanden sich Kom-petenzen als Schiffskapitän, Flugkapitän und Polarforscher.

Streckenführung des deutschen Luftpostdienstes Deutsch-land — Südamerika 1934 Hier hatten sich die Dornier-

Wal-Flugboote „Passat ” und „Koreas ” der DLH Anfang der1930erJahre auf vielen Atlantiküberquerungen bewährt.

Ein Zehn- Tonnen-Dornier- Wal auf der Schleuderanlage des Flugzeugstützpunktschiffes „Friesenland"der Deutschen Lufthansa (DLH)

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1934 setzte die DLH für den Luftpostdienst nach Südamerika ihren ersten schwim-menden Flugzeugstützpunkt ein — den Dampfer „ Westfalen `.

Hier wurden die Flugboote nach vorne geschleudert.

Als einziges Schleuderschiff der DL HDieser Kran der Berliner Firma

bis zu einer Schräglage d es

Von der Deutschen Dampfsschiffahrts-Gesellschaft „Hansa " Bremen übernahm dieDLH das Motorschiff ,,Schwarzenfels ". Nach seinem Umbau zum Flugzeugstütz-

punkt erhielt es den Namen „Schwabenland ".

Der planmäßige Luftpostdienst nachSüd1934 eröffnet. Ein Brief bis 5 Gramm kosteLuftpostlinie waren das Berliner Postamt Ctind

Staatssekretär Erhard Milch, Ministerialrat Dr. Heinz Orlovius,Freiherr Günther von Gablenz und andere beobachten am 17. August 1934 in

Hamburg das Landemanöver eines Flugbootes der „Schwabenland ".

Hier wird das Seeflugzeug Blohmcvon dem Flugzeugstützpu nkt

per Katapult gest

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erhielt die „ Westfalen " einen Drehkran.Becker konnte Lasten von 15 TonnenSchiffes von 15 Grad heben.

Das Motorschi »Friesenland" war einvon der DLH in Auftrag gegebenerFlugzeugstützpunktschiff- Neubau.

m erika wurde von der DLH am 3. Februarstete 1,75 Reichsmark. Sammelstellen für diese

und das Postamt 9 in Stuttgart.

In Bathurst/British Gambia in Westafrika begann die eigentlicheAtlantiküberquerung. Hier ist die Niederlassung der DLH

an der westafrikanischen Küste im Jahr 1935 zu sehen.

& Vo ß Ha 139 „Nordmeer ”

ktschiff» Schwabenland” ausartet (um 1937).

Deutlich zu erkennen ist, daß die Flugbootenach hinten katapultiert wurden,

was den umklappbaren Kran notwendig machte.

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Die Flugzeugstützpunktschiffe der DLH gewährleisteten in den 1930er Jahren einen reibungslosen transatlantischen Postverkehr.Oben links: Dornier-Wal-Flugboot „ Taifun” auf der Schleuderanlage der »Friesenland`: Oben rechts: Bedienanlage für die

Katapultanlage der„ Westfalen ". Unten: Das Seeflugzeug Blohm & Voß Ha 139 „Nordmeer” am Kran der „Schwabenland”

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GEHEIMAUFTRAG FÜR ALFRED RITSCHER

sachgemäß ausgerüstet werden. Dies hoffteman bis Ende November 1938 zu schaffen.

Als Frachtdampfer 1905 / 06 im Auftrag desNorddeutschen Lloyd Bremen auf der WerftJ.C. Tecklenborg in Wesermünde gebaut und imNordamerikadienst eingesetzt, wurde derDampfer „Westfalen” von der Deutschen Luft-hansa 1932 gechartert, ein Jahr später angekauftund danach bei der Deutschen Schiff- und Ma-schinenbau AG (Deschimag) Bremen zumFlugsicherungsschiff umgebaut.

Am 3. Mai 1933 verließ die „Westfalen” denKieler Hafen zur ersten Erprobungsfahrt. Diezweite Versuchsreihe begann unter Leitung desFlugleiters der Deutschen Lufthansa. Freiherrvon Buddenbrock am 6. Oktober 1933, Kapitändes Schiffes war A. Dettmering. Nach diesenbeiden erfolgreich verlaufenen Erprobungs-fahrten nahm die „Westfalen” im Februar 1934ihren Dienst als Flugzeugstützpunkt im Südat-lantik auf.

Um das relativ alte Schiff auf seine Verwend-barkeit bei der geplanten Antarktisexpeditionzu überprüfen, hatte Staatsrat Wohlthat, in des-sen Händen die Federführung des „Unterneh-mens Antarktis” lag, Marinebaurat a.D. Kayenach Rio de Janeiro geschickt. Kaye war gleich-zeitig Sachverständiger des GermanischenLloyd und Betreuer der vier Katapultschiffe derDeutschen Lufthansa.

Schiffs- und Flugkapitän Alfred Ritscher

Eine der wichtigsten und zugleich schwierig-sten Aufgaben für Staatsrat Wohlthat war zwei-fellos die Suche nach einem geeigneten Südpol-Expeditionsleiter.

Dieser sollte Polarerfahrung haben, Flugka-pitän sein und möglichst auch noch Handels-schiffskapitän. Um diese Aufgabe zu lösen undeinen entsprechend geeigneten Mann zu fin-den, kam der Staatsrat auf eine Empfehlungvon Konteradmiral Dr. Conrad zurück, der inder Tat einen Mann kannte, der diese Voraus-setzungen erfüllte und der zur Zeit als Regie-rungsrat in der Nautischen Abteilung des Ober-kommandos der Kriegsmarine tätig war undfür die ihm zugedachte Aufgabe sicherlich ab-kömmlich sein würde.

Es handelte sich um Alfred Ritscher.Alfred Ritscher, als Sohn eines Arztes am 23.

Mai 1879 in Bad Lauterberg im Harz geboren,verließ mit der Obersekundarreife das Gymna-sium, mit dem Ziel, zur See zu fahren und Ka-pitän zu werden. 1897 machte er seine erste Rei-se als Schiffsjunge auf dem Bremer Vollschiff„Emlie”. Fünfeinhalb Jahre fuhr er vor dem

Mast, bestand 1903 auf der Seefahrtschule inBremen das Patent als Steuermann auf großerFahrt und 1907 auf der Seefahrtschule Altonadas Kapitänspatent. Anschließend fuhr er vierJahre bei der Hamburg-Amerika-Linie und derHamburg-Süd.

Mittlerweile ein erfahrener und erfolgreicherSchiffsführer, bot ihm 1912 das Reichsmarine-amt eine Stelle an dem neu geschaffenen See-handbuchwerk an, die er annahm. Dort lernteer den Polarforscher Schröder-Stranz kennen,der für den Sommer 1912 eine wissenschaftli-che Expedition entlang der „NordöstlichenDurchfahrt” plante und probehalber eineDurchquerung des Nordostlandes von Spitz-bergen. Die Expedition hatte das Ziel der Er-probung von Menschen und Material im Eis.Ritscher nahm das Angebot von Schröder-Stranz an, das Expeditionsschiff „HerzogErnst” als Kapitän zu führen und die Leitungder Aeronautischen Abteilung, das heißt derErkundung mittels Flugzeug, zu übernehmen,wofür er zuvor aber noch das Patent als Flug-zeugführer erwerben mußte. Dies gelang ihm,obwohl er beim Prüfungsflug aufgrund einesBruchs des Höhenleitwerks abstürzte und nichtunerheblich verletzt wurde.

Die Expedition war vom Pech verfolgt, die be-absichtigte Ostumrundung von Spitzbergen er-wies sich als unmöglich. Das Schiff fuhr entlangder Westküste und in nördlicher Richtung wei-ter bis jenseits des Nordkaps von Nordostland.

Trotz eines plötzlichen Wetterumschlags, derdas Polareis an die Nordküste heranpreßte, ge-lang es Kapitän Ritscher, sein Schiff aus dieserbedrohlichen Lage bis zur Sorgebucht zurück-zuführen und auf Strand zu setzen. Die Besat-zung war dem Hungertod preisgegeben, wennnicht rasch Hilfe kam; man hatte nur mit einemSommerunternehmen gerechnet und war dem-entsprechend mit weniger Proviant ausgerü-stet.

Ohne zu zögern, machte sich einen Tag später,am 20. Dezember 1912, Kapitän Ritscher beiüber 30 Grad Kälte auf den Weg, um für diehungernde Besatzung seines Expeditionsschif-fes Hilfe zu holen. Begleitet von seinem Expe-ditionshund Bella bewältigte er in sieben Tagendie 210 Kilometer bis zur nächsten Siedlung,der Kohlenstadt Longyearbyen in der Advent-bucht im Eisfjord. In diesem brach er kurz vorder Ankunft noch ein, was ihm Erfrierungeneinbrachte und ihn den halben rechten Fuß ko-stete.

Dieser Alleinmarsch bei arktischer Kälte,Schneesturm und Dunkelheit war eine einma-lige Energieleistung von Alfred Ritscher, derkeine Polarkleidung besaß und vorher noch nie

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

auf Skiern gestanden hatte. An Lebensmittelnstanden ihm nur einige Kilogramm Graupenund etwas getrocknetes Rentierfleisch zur Ver-fügung.

Am Ziel vollkommen erschöpft angelangt,konnte er drahtlos den Verlauf der Expeditionnach Hause melden und die dringend benötig-te Rettung der auf dem Expeditionsschiffzurückgelassenen Besatzungsmitglieder veran-lassen; sie wurde sofort vorgenommen.

Nach Rückkehr von der mißglückten Nord-polar-Expedition kehrte Ritscher in sein Ar-beitsgebiet beim Reichsmarineamt zurück.

Während des Ersten Weltkrieges war RitscherReserveoffizier der Kaiserlichen Marine in See-fliegerstellungen, zuletzt Kommandeur derMarine-Landflieger. Nach dem Krieg kehrte erin das Reichsmarineamt zurück. Vorüberge-hend wechselte er zur Deutschen Lufthansa, beider er die Abteilung Flugnavigation leitete.1933 kehrte er in seine Tätigkeit beim Reichs-marineamt zurück und zwar zuletzt Regie-rungsrat im Oberkommando der Kriegsmarine.

Ein Auftrag unter Schweigepflicht

Der fast 60 Jahre alte Kapitän Alfred Ritscherverbrachte im Juli 1938 seinen 14tägigen Ur-laub, wie fast in jedem Jahr im Harz, dort, wo ergeboren und aufgewachsen war. Er hatte sich ineiner Pension im Siebertal eingemietet und ge-noß die Ruhe, die er im Großstadtgetriebe Ber-lins so vermißte.

Das Kalenderblatt zeigte den 26. Juli 1938. Einherrlicher Sommertag hatte begonnen. Ritscherwar Frühaufsteher. Er saß zusammen mit ande-ren Pensionsgästen am Frühstückstisch im Gar-ten des Hauses, nicht ahnend, daß dieser Tag ei-ne bedeutende Wende in seinem Leben vorsah.

Plötzlich eilte die Wirtin aus dem Haus undrief ihm zu: „Ein Telefongespräch für Sie, HerrKapitän.”

„Wer will denn so früh etwas von mir?!” mur-melte Ritscher vor sich hin, als er zum Telefonging.

Es war nur das Postamt im nahen Braunlage.Pflichtbewußt teilte ihm ein Beamter mit, daßein Haufen postlagernder Briefe für ihn auf Ab-holung warte, darunter sei ein Brief aus Berlin,der den Anschein mache, als ob er Wichtigesenthalte.

Durch diese Mitteilung neugierig geworden,machte sich Ritscher gleich nach dem Früh-stück mit seinem DKW-Wägelchen auf denWeg nach Braunlage. Der Brief, den er sofortunter vielen anderen herausfand, war in der Tatwichtig, sehr wichtig sogar. Der Absender war

der ihm gut bekannte Konteradmiral Dr. Con-rad vom Oberkommando der Kriegsmarine inBerlin. Dieser teilte ihm unter Schweigepflichtmit, daß die Regierung eine wissenschaftlicheExpedition in die Antarktis entsenden würde,deren Gesamtleitung ihm angetragen werdensolle, wenn er bereit wäre, sie zu übernehmen.Da die Angelegenheit sehr eilte, solle er am 1.August zu einer ersten Information bei ihm inBerlin persönlich vorsprechen.

Bereits zwei Stunden später sandte Ritscherein Eiltelegramm an den Admiral nach Berlin,das nur die knappe Mitteilung enthielt: „Selbst-verständlich bereit - 1. August zur Stelle!”

Was den Kapitän und Regierungsrat beimOberkommando der Kriegsmarine Alfred Rit-scher in Berlin erwartete, „als ich am 1. August,zunächst als von höherer Stelle noch unbe-stätigter Leiter der geplanten Unternehmung,versuchte, mir von dem Stand der Angelegen-heit ein Bild zu machen”, beschreibt er in seinenErinnerungen: „Einen Büroraum im Bereich ih-rer Atlantikflugbetriebsleitung stellte mir dieLufthansa zur Verfügung, und ich durfte auchder vielbeschäftigten Sekretärin des Abtei-lungsleiters - wenn sie Zeit hatte - Briefe dik-tieren! Sekretärinnen waren knapp damals; ver-geblich suchte ich nach einer Schreibhilfe,während gleichzeitig die vorbereitenden Arbei-ten auf allen Gebieten in größter Eile in Angriffgenommen werden mußten. Es galt, mit denSachbearbeitern bei den beteiligten Ministerien,Behörden und Instituten Fühlung aufzuneh-men, den Schiffsweg festzulegen, den Plan fürdie nautischen und wissenschaftlichen Aufga-ben zu umreißen, die nötigen Geräte dafür zubestellen und die Aufgaben im einzelnendurchzuberaten. Ferner waren Lieferanten aus-findig zu machen für die Kleiderausrüstungder Schiffsbesatzung, für die Polarausrüstungdes fliegenden Personals an Flug- und Marsch-kleidung, für Schlitten, Skier, Kochgeräte, Zelteu. dgl. und Preise dafür einzuholen, Abwurf-pfeile für den später noch zu nennenden Zweckherstellen zu lassen und an geeeigneter Stelleauszuprobieren, Gewehre und Munition zu be-schaffen, eine geeignete Bücherei zusammen-zustellen und vor allem das Wichtigste, das fürdie fotogrammetrische Vermessung des antark-tischen Inlandes bestimmte Lichtbildgerät zubekommen und es in die Flugzeuge einzubau-en. Darüber hinaus mußte das gesamte andereLichtbild-, Kinofilmgerät und -material zusam-mengestellt und besorgt werden; es durfte nichtvergessen werden, dem Norddeutschen Lloyd,dem die Bewirtschaftung des Schiffes oblag,Fingerzeige bezüglich der Zusammenstellungeiner geeigneten Lebensmittel- und Apothe-

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GEHEIMAUFTRAG FÜR ALFRED RITSCHER

kenausrüstung für die über 80 Mann starkeSchiffsbesatzung zu geben, Pemmikan als Not-proviant für Landungsabteilungen vom Aus-lande zu beschaffen, wissenschaftliche Geräteaus allen Teilen des Reiches und sogar aus demAuslande zusammenzusuchen; das alles so bil-lig, so gut und so schnell wie möglich. Dennvom spätesten Ausreisetermin, dem 15. De-zember 1938, trennten uns nur noch gute dreiMonate. Vorläufig war aber noch kein PfennigGeld in der Kasse, so daß alle Bestellungen im-mer wieder bis zur äußersten Grenze der Lie-fertermine hinausgeschoben werden mußten.

Hinderlich war die im Augenblick politischbewegte Zeit - es ging um die Wiedervereini-gung Sudetendeutschlands mit dem Reich -, inder Kriegs- und Luftfahrtministerium mit eige-nen Aufgaben vollauf beschäftigt waren."'

Hiobsbotschaft aus Brasilien

Wie ein Blitz aus heiterem Himmel schlug EndeAugust in Berlin die Funknachricht von Mari-nebaurat Kaye aus Rio de Janeiro ein: „Das Ka-tapultschiff ,Westfalen' der Deutschen Lufthan-sa steht für die Antarktisexpedition nicht zurVerfügung!”

Die Begründung: Die 1905 gebaute „Westfa-len” stand nicht mehr auf der Höhe der Zeit.Der für Reparatur und Umbau des desolaten,33 Jahre alten, zum Katapultschiff umgebautenFrachters zum Antarktisexpeditionsschiff erfor-derliche Zeitraum ließ eine termingerechte Fer-tigstellung unmöglich erscheinen.

Ritscher hatte sich, als er Anfang August inBerlin seine neue Aufgabe übernahm und erfah-ren hatte, daß die „Westfalen” in Rio de Janeiro

als Expeditionsschiff umgebaut werden sollte,dagegen ausgesprochen. Er kannte das Schiffaus seiner Zeit bei der Lufthansa und wußte umdessen Zustand. Mit Recht fürchtete er, daß diedringend notwendigen Reparaturen und dieumfangreichen Umbauten in einem so fernenLand nicht gewissenhaft überwacht werdenkönnten und daß die termingerechte Fertigstel-lung so kaum zu garantieren sei. „Am allerwe-nigsten”, so schreibt Ritscher in seinen Erinne-rungen, „wäre die [...] mit allen Mitteln ange-strebte und bis zuletzt in Deutschland in weitemMaße gelungene Geheimhaltung der Unterneh-mung in Rio de Janeiro durchführbar gewesen." 3

Der Verzicht darauf, das Katapultschiff„Westfalen” unter diesen Bedingungen undUmständen unter Zeitdruck in Rio de Janeiroreparieren und umbauen zu lassen, war für denMinisterialdirektor z.b.V. Wohlthat, den verant-wortlichen Beamten des Reichsluftfahrtmini-steriums für die Antarktisexpedition in Berlin,ebenso überzeugend wie für den Direktor derDeutschen Lufthansa, Freiherr von Gablenz,der sofort nach Bekanntwerden des Ausfallsder „Westfalen” den Flugzeugstützpunkt„Schwabenland” als Expeditionsschiff vor-schlug. Dieser Vorschlag wurde von Alfred Rit-scher, der auch dieses Schiff kannte, besonderslebhaft begrüßt.

Es wäre unverantwortlich gewesen, auch nureinen Tag Zeit zu verlieren. Daher wurde imReichsluftfahrtministerium und in der Atlan-tikflug-Betriebsleitung der Deutschen Lufthan-sa Einverständnis darüber erzielt, das Motor-schiff „Schabenland” nach seinem letzten Kata-pultschuß für den Nordatlantik-Flugdienst am20. Oktober vom Hafen Horta auf den Azorennach Hamburg zu überführen.

Diese Rißzeichnung zeigt das Expeditionsschiff ,,Schwabenland” im Längsschnitt sowie seine oberen Decks.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

MIS „Schwabenland” wird Expeditionsschifff

Das Motorschiff „Schwabenland” hieß ur-sprünglich „Schwarzenfels”. Es wurde im Auf-trag der Deutschen Dampfschiff ahrtsgesell-schaft „Hansa” Bremen von der AG DeutscheWerke in Kiel gebaut und nach seiner Fertig-stellung im Indiendienst eingesetzt.

1934 kaufte die Deutsche Lufthansa denFrachter, um ihn nach entsprechendem Umbauim transatlantischen Luftverkehr einzusetzen.Der Umbau zum Katapultschiff erfolgte inner-halb weniger Monate bei der Deutschen Schiffs-und Maschinenbau-AG Weserwerk in Bremen.

Am 17. August 1934 wurde das Schiff von derDeutschen Lufthansa unter dem neuen Namen„Schwabenland” in Bremerhaven an der Co-lumbuskaje des Norddeutschen Lloyd Bremenin Dienst gestellt. Zugegen war unter anderemStaatssekretär Erhard Milch, der eigens mit sei-ner Ju 52/3 nach Bremerhaven geflogen war.Anschließend gab die DLH der Presse Gele-genheit, M/S „Schwabenland” mit all seinenEinrichtungen zu besichtigen und einen Schleu-derstart mitzuerleben.

Was man an Erkenntnissen und Erfahrungenbeim ersten Katapultschiff der DLH, der "West-falen", gesammelt hatte, war nun bei dem zwei-ten, von vornherein für den Tropendienst ge-bauten Flugzeugstützpunkt M/S „Schwaben-land” berücksichtigt. Zum Unterschied ge-genüber der Anlage auf der „Westfalen” hatteman die Flugzeugschleuder bei der „Schwa-benland” auf dem Achterdeck angeordnet. DieFlugzeuge wurden also nach hinten abgeschos-sen. Der Anfang der Flugzeugschleuder war alsum 360 Grad schwenkbare Drehscheibe ausge-bildet, so daß ein Teil der Schleuderanlageselbst für die Verschiebung der Flugboote anBord auf den seitlich angebrachten Abstellbah-nen mit herangezogen werden konnte. Es warmit der eingebauten Anlage möglich, drei Flug-zeuge vom Typ des Dornier-Wal gleichzeitig anDeck zu haben und jedes beliebig auf dieSchleuderbahn zum Abschuß aufzusetzen undabzuschießen.

Das Anbordnehmen der Flugboote wurde beider „Schwabenland” dadurch erleichtert, daßdas Motorschiff am Heck offen war und dasLandsegel nicht vom obersten Deck, sondernvon dem darunterliegenden Hauptdeck aus be-dient wurde. Die Krananlage wurde am Heck,dicht neben dem Ende der Schleuderanlage an-geordnet; sein Ausleger war umlegbar, damit erbeim Abschießen der Flugboote nicht hinder-lich war. Darüber hinaus war er mit einer be-sonderen Vorrichtung versehen worden, die

das Anbordnehmen der Flugboote auch beistark bewegter See möglich machte. Die Hebe-kraft des Krans betrug zwölf Tonnen, diePrüflast 15 Tonnen. Der Kran sollte auch bei ei-nem größeren Neigungswinkel noch arbeitenkönnen. Die auf den Kran montierten Schein-werfer, ein AEG-Fabrikat, hatten 60 MillionenHefnerkerzen (HK) Lichtstärke.

Da das Motorschiff „Schwabenland” mit zweiDieselmotoren, einfach wirkenden Viertaktmo-toren von insgesamt 3.600 PS Leistung, aus-gerüstet war, erübrigte sich der Einbau einerbesonderen Dieselanlage zur Lieferung der fürdie Flugzeugschleuder notwendigen Preßluft.Diese wurde den Motoren entnommen undzunächst auf 60 atü zusammengedrückt. EinZusatzkompressor verdichtete sie auf 160 atüund leitete sie der Preßluftkammer der Schleu-deranlage zu.

Ebenso konnte vom Einbau einer besonderenKühlanlage abgesehen werden, da das Schiffbereits für den Indiendienst mit einer gut funk-tionierenden Kühlanlage versehen worden war.

In Zusammenarbeit mit einer Berliner Boots-werft war für die besonderen Zwecke einesschwimmenden Flugzeugstützpunktes ein Mo-torboot entwickelt worden, das die Flugbootenötigenfalls bei dem Landemanöver auf hoherSee unterstützen konnte.

Wie schon beim Dampfer „Westfalen” war esAufgabe des Motorschiffs „Schwabenland”,den Flugsicherungsdienst sowie die hierfürbenötigte Wetterberatung und den Peildienstzu übernehmen. Die Funkausrüstung der„Schwabenland” entsprach daher in etwa derder „Westfalen”. Hier hatte die Funkausrü-stung den hochgestellten Anforderungen invollkommen zufriedenstellender Weise ent-sprochen. Dabei fanden die Erfahrungen, diebisher während des Betriebs auf der Süd-flugstrecke mit der Funkausrüstung gesammeltworden waren, weitgehend Berücksichtigung.Die Funkstation wurde wiederum von der„Debeg” gemietet. Die Auswahl der Geräte wardie gleiche wie auf der „Westfalen”. Die Anla-ge wurde diesmal besonders zweckmäßig an-geordnet, wozu ein ursprünglich auf M/S„Schwabenland” vorhandener Funkraum be-trächtlich erweitert wurde, um Funkraum,Brücke und Navigationsraum möglichst nahebeieinander zu haben. Der Peilempfänger, dersich bisher auf der Brücke befand, wurde we-gen der günstigen Anordnung der Räume imFunkraum untergebracht, von wo aus eine di-rekte Verbindung zum Navigationsraum be-stand.

Die Verwendung eines Motorschiffs wie der„Schwabenland” als schwimmender Flugzeug-

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GEHEIMAUFTRAG FÜR ALFRED RITSCHER

stützpunkt war für die Deutsche Lufthansa hin-sichtlich der Betriebskosten von besonderemVorteil. Unter Umständen lag das Schiff länge-re Zeit still, es mußte aber auch schnell seeklargemacht werden können. Ein Dampfer muß fürdiesen Zweck dauernd unter Dampf liegen,während ein Motorschiff in sehr kurzer Zeit oh-ne weitere Vorbereitungen fahrbereit ist.

In jedem Fall war das technisch besser ausge-stattete Motorschiff „Schwabenland” für denEinsatz als Katapultschiff dem Dampfer "West-falen" vorzuziehen, so daß die Entscheidungfür M/S „Schwabenland” nur zu begrüßenwar.

An Bord des M/S „Schwabenland” befandensich zwei Flugboote des bewährten Zehn-Ton-nen-Dornier-Wal-Typs, der für den Südatlantik-Postverkehr der DLH entwickelt worden warund diesen Dienst 1933 zwischen der Westküstevon Nordafrika und der Ostküste von Südame-rika mit beachtlichem Erfolg versehen hatte.Das eine Flugboot vom Typ D-AGAT hatte denNamen „Boreas”, das andere war vom Typ D-ALOX und hieß „Passat”. „Boreas” war seitSeptember 1934 im Südatlantikverkehr einge-setzt, „Passat” seit Juli 1934, beide hatten schonviele Atlantiküberquerungen hinter sich.

Während „Boreas” alle Flüge ohne Zwischen-fall absolviert hatte, war „Passat” wenigerglücklich gewesen. Im Dezember 1936 mußtedas Flugboot etwa 400 Kilometer vor der afri-kanischen Küste nach Verlust des hinteren Pro-pellers auf offener See notlanden. Nach 24stün-digem Treiben wurde es von dem auf funktele-graphischem Weg herbeigerufenen Flugzeug-stützpunkt der DLH „Ostmark” an Bord ge-nommen, nach erfolgter Ausbesserung nahm esseinen Dienst im Luftverkehr über dem Südat-lantik wieder auf.

Beide Flugboote waren mit je zwei BMW-VIU-Motoren von je 630 PS Leistung undSchwarz-Mantelpropellern ausgerüstet. Sie hat-ten eine Doppelsteuereinrichtung und zweifa-che volle Instrumentierung für Nacht- undBlindflug. An Treibstoff konnte jedes Flugboot4.720 Liter fassen, die bei einer Geschwindig-keit von 150 bis 170 km /h eine Reichweite von16 Flugstunden oder von etwa 2.500 bis 2.800Kilometern gewährleisteten. Das Rüstgewichtder Maschinen betrug für den „Passat” 6.318Kilogramm, für den „Boreas” 6.336 Kilogramm;darin war die Funkanlage und die Seeausrü-stung enthalten, die je ein Viermannschlauch-boot mit Paddeln, einem Treibanker mit Leinen,eine Treibankerrückholleine, einen Wirbel-schäkel, zwei Wurfleinen, ein Beil, einen Werk-zeugkasten für Reparaturen während des Flu-ges sowie eine reichhaltige Bordapotheke um-

faßte. Zudem befand sich eine Sonderausrü-stung für den Fall einer Notlandung an Bord.

Die Besatzung jedes Flugbootes bestand ausvier Mann: dem Flugzeugführer, dem Flug-zeugmechaniker, dem Flugfunker und einemweiteren Besatzungsmitglied.

Der Flugzeugstützpunkt M/S „Schwaben-land” hatte nach seiner Indienststellung mit sei-nen zwei Flugbooten in den ersten zweieinhalbJahren, vom 15. August 1934 bis Februar 1937,insgesamt 180 Katapultabschüsse getätigt. DasSchiff war abwechselnd in Bathurst und Fer-nando de Noronha stationiert gewesen, mitAusnahme von August bis Oktober 1936. Indieser Zeit war eine Serie von Probeflügen überden Nordatlantik durchgeführt worden.

Als Stationen dienten dem Katapultschiff„Schwabenland” die Häfen Porta Delgada aufden portugiesischen Azoren, Port Washingtonbei New York, Port Sydney in Kanada und Ber-muda. Im Transozeandienst nach Südamerikawurden als Stationen für die afrikanische SeiteBathurst an der Gambenmündung und fürSüdamerika die ihm vorgelagerte Insel Fernan-do de Noronha gewählt.

Bei der Indienststellung wurde M/S „Schwa-benland” von Kapitän A. Lipa geführt, den dieDeutsche Dampfschiffahrtsgesellschaft „Han-sa” Bremen gestellt hatte. Ihm folgte am 13. Mai1935 Kapitän Alfred Kottas von der DeutschenLufthansa.

Da M/S „Schwabenland” auf seinen Statio-nen fast nur auf sich selbst angewiesen war,hatte die Deutsche Lufthansa dafür gesorgt,daß auch ein Arzt an Bord war. Daß dies not-wendig war, erwies sich erstmalig am 29. De-zember 1934 bei einer Blinddarmentzündungdes Küchenjungen, der operiert werden konn-te und in kürzester Zeit wieder dienstfähig war.

Vor der Indienststellung hatte man auf M/S„Schwabenland” für die fliegenden Besatzun-gen und das Werkstattpersonal neue Wohn-und Aufenthaltsräume geschaffen, ein großesSchwimmbad eingebaut und Turn- und Sport-geräte angeschafft. Ein Tonfilmvorführapparatund die täglich erscheinende Oceanpresse bo-ten an Bord die Möglichkeit der Unterhaltungund Information sowie Abwechslung in derFreizeit.

Im Dienst der Deutschen Lufthansa legteM/ S „Schwabenland” bis zum Herbst 1938 ins-gesamt 73.766 Seemeilen zurück, es wurdezweimal gedockt, und zwar am 21. Juni 1935 inRio de Janeiro und am 12. August 1936 in Bre-men. Die Aufenthalte in Deutschland wäh-rend der Zeit vom 1. Juli bis 15. August 1936und 1. November bis 15. November 1936 wur-den zu Reparaturen und Umbauten genutzt.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Muster dieser Pfeile wurden von der Erpro-bungsstelle der Luftwaffe in Travemünde aufverschiedenen Flughäfen in zahlreichen Versu-chen ausprobiert; sie machten in Form, Aus-stattung, Gewicht und Farbanstrich mehrereEntwicklungsstadien durch. Die endgültigeAusführung wurde auf dem Pasterzen-Glet-scher im Großglocknergebiet erprobt, also in ei-nem Gelände, das ähnliche Anforderungen andie Pfeile stellte, wie sie in der Antarktis zu er-warten waren. Es zeigte sich, daß sie in einerAbwurfhöhe von 500 Metern über Grund bis 35Zentimeter in das Firneis eindrangen und dabeizum Teil gar nicht, zum Teil wenig oder stärkerdeformiert wurden.

Die Arbeiter in den Dornier-Metallbau-Werk-stätten in Friedrichshafen, die die Pfeile her-stellten, hatten keine Ahnung von deren Ver-wendungszweck.

Neue Aufgabe für MIS „Schwabenland”

Am 28. Oktober 1938 würde, von Horta auf denAzoren kommend, M/S „Schwabenland” inHamburg eintreffen, und noch am selben Tagsollte mit dem Umbau des Schiffes, für den diePläne bereits vorlagen, begonnen werden. Dochwelche Werft würde diesen Auftrag in der Kür-ze der zur Verfügung stehenden Zeit überneh-men können?

Alfred Ritscher konnte es kaum glauben: EineWerft nach der anderen, mit denen er persön-lich verhandelte, lehnte ab. Ob die Weser AG inBremen, die Werft von Blohm & Voß in Ham-burg, die Howaldtswerke Deutsche Werft inKiel, Seebeck und noch eine Reihe anderer - je-den Tag das gleiche.

Schließlich stieß Ritscher bei der DeutschenWerft in Hamburg auf Interesse. Einer Bespre-chung im kleineren Kreis schloß sich die näch-ste an. Alle Fragen und Probleme in schiffbau-licher und maschinenbaulicher Hinsicht wur-den besprochen. Einer der schwierigsten Punk-te war die Beschaffung der notwendigen Fach-arbeiter. Alle Beteiligten gaben sich Mühe, ei-nen gangbaren Weg für die Übernahme desAuftrags zu finden. An den Verhandlungen, dieDiplomingenieur Trost, Referent im Reichs-wirtschaftsministerium, leitete, nahmen Ober-ingenieur Schneider, der Leiter der Nautisch-Technischen Abteilung des NorddeutschenLloyd, Marinebaurat a.D. Kaye und andereSachverständige teil.

Am Ende aller Gespräche erklärte sich der Di-rektor Dr. Scholz bereit, daß die Deutsche Werftin Hamburg den Auftrag als Generalunterneh-merin annehmen würde. Bedingung dafür sei

aber die Bereitstellung von 104 Schweißern,Brennern, Stemmern, Kessel- und Kupfer-schmieden, Drehern und Schiffbauern von an-deren Werften sowie die Übernahme eines Teilsder Maschinenreparatur durch die DeutschenWerke Kiel.

Mit dieser Entscheidung setzte sich der Werft-direktor wagemutig über alle Bedenken undZweifel hinweg, den vollständigen Umbau desSchiffes bis zum 15. Dezember des Jahres zu ga-rantieren. Ritscher war froh, auch diesesschwierige Problem gelöst zu haben. Die Zeitdrängte. Die Endphase der Vorbereitung derdritten deutschen Antarktisexpedition hatte be-gonnen.

Obwohl diese an die erste Expedition vonDrygalski (1901-1903) und die zweite vonFilchner (1911-1913) anschließen sollte, unter-schied sie sich von diesen grundsätzlich in zweiwesentlichen Punkten. Die ersten beiden Ant-arktisexpeditionen hatten das alleinige Ziel ge-habt, Teile der Antarktis zu erforschen. Die Vor-bereitung und Durchführung der Expeditionenwar öffentlich erfolgt, nichts wurde der Bevöl-kerung verheimlicht, auch nicht die Erfolgeund Mißerfolge. Im nationalistischen Deutsch-land, in einer Zeit zunehmender internationalerSpannungen, war das anders. Dafür gab es po-litische Zwänge und notwendige, vor allemaußenpolitisch begründete Rücksichtnahmen.Nicht nur die weitere Erforschung eines Teilge-biets der Antarktis stand im Vordergrund, son-dern die Inbesitznahme der überflogenen unddurch deutsche Hakenkreuzflaggen abgegrenz-ten Gebiete. All dies geschah unter strengsterGeheimhaltung. Ob auch militärstrategischeAbsichten mit der Expedition verbunden wa-ren, darf angenommen werden, da sowohl dasOberkommando der Kriegsmarine als auch dasReichsluftfahrtministerium bei der Vorberei-tung wie auch personell bei der Durchführungder Expedition beteiligt waren.

Expeditionsbüro verlegtvon Berlin nach Hamburg

Da die Ankunft des M/S „Schwabenland” inHamburg für den 28. Oktober vereinbart warund feststand, daß der Umbau des Schiffes inHamburg erfolgen würde, war die Verlegungdes Expeditionsbüros von Berlin nach Ham-burg erforderlich.

Mitte Oktober 1938 hatte sich bei Ritscher inBerlin ein mit besten Empfehlungen ausgestat-teter junger Wissenschaftler gemeldet, der an-bot, dem Expeditionsleiter zuzuarbeiten. DaRitscher zu dieser Zeit die Arbeit über den Kopf

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zu wachsen drohte, stellte er diesen jungenMann, Dr. Herbert Todt, am 20. Oktober alsMitarbeiter ein. Dr. Todt führte sich in wenigenTagen als umsichtiger, zielbewußter und fleißi-ger Mitarbeiter hervorragend ein, so daß Rit-scher ihn mit gutem Gewissen nach Hamburgschicken konnte mit dem Auftrag, dort ein Ex-peditionsbüro einzurichten und eine gewandteSchreibkraft zu suchen.

Bereits wenige Tage später konnte der Umzugdes Büros nach Hamburg erfolgen, wo neueRäume im Glockengießerwall zur Verfügungstanden und die Arbeit in vollem Umfang unterweit besseren personellen und räumlichen Vor-aussetzungen fortgeführt und zu Ende ge-bracht werden konnte.

Das Büro hatte in den nächsten Tagen undWochen alle Hände voll zu tun. Es mußte fürdie Bestellung der ausgewählten unzähligenAusrüstungsgegenstände und deren frist-gemäße Anlieferung und Aufbewahrung sor-gen, die termingerechte Lieferung der Polarbe-kleidung für die Schiffsbesatzung veranlassen,die Literatur für die Schiffsbücherei nach einervorliegenden Liste auswählen sowie dafür sor-gen, daß die Schußwaffen, die Munition unddie Pelzbekleidung geliefert wurden. Für alldies mußten Sammellager eingerichtet werden,und zur gegebenen Zeit war für den Transportzu dem Expeditionsschiff zu sorgen.

Das war bei weitem noch nicht alles. Eineganz wichtige Aufgabe war es, die Verträge mitden wissenschaftlichen Expeditionsteilneh-mern abzuschließen.

Ein beträchtliches Maß der notwendigen Vor-arbeiten hatte Staatsrat Wohlthat dem Reichs-minister Hermann Göring übertragen, der dieFederführung und Gesamtverantwortung fürdie Antarktisexpedition an mehrere beteiligteMinisterien, Behörden, Institute, Privatgesell-schaften und Firmen delegierte, so daß damitdie Arbeit auf viele Schultern verteilt wurde.Das war auch notwendig, um Verzögerungenzu vermeiden. Alle waren verpflichtet, sich ge-nau an den vorgegebenen Zeitplan zu halten.

Allen voran hatte die Nautisch-Wissenschaft-liche Abteilung des Oberkommandos derKriegsmarine und der dieser unterstellten wis-senschaftlichen Institute, die Deutsche Seewar-te, Abteilung Nautik und Hydrographie, inHamburg und das Marine-Observatorium inWilhelmshaven, die Erledigung wichtiger Auf-gaben übernommen. Deren auf eigenen großenwissenschaftlichen Forschungsreisen im Atlan-tischen Ozean gesammelten Erfahrungen stell-ten die Durchführung des wissenschaftlichenTeils der Antarktisexpedition auf eine sichereGrundlage.

Unter der persönlichen Leitung von Konter-admiral Dr. Conrad wurde gemeinsam das Ar-beitsprogramm des Geophysikers, des Ozeano-graphen und der Meteorologen erarbeitet. DieWissenschaftler und das Expeditionsschiff wur-den mit den nötigen Instrumenten und Gerätenausgestattet.

Gemeinsam mit dem Oberkommando derLuftfahrt, das an den Arbeiten zur weiträumi-gen Wetterforschung in gleichem Maße wie dasOberkommando der Kriegsmarine interessiertwar, wurden vom Marineobservatorium undvom Reichsamt für Wetterdienst Meteorologenund ihre Assistenten sowie umfangreiches Ma-terial für die Radiosondenaufstiege zur Verfü-gung gestellt und die zweckmäßigen Einrich-tungen der Arbeitsplätze dafür an Bord ge-schafft. Darüber hinaus hatte das Oberkom-mando der Luftfahrt die vielseitige Ausstattungder Flugzeuge mit Bordgeräten sowie die Be-schaffung der Spezial-Kleiderausrüstung fürdie Flugzeugbesatzungen übernommen.

Das Reichsministerium für Ernährung undLandwirtschaft bearbeitete durch das ihm un-terstellte Institut für Walforschung in Hamburgdie biologischen Aufgaben des wissenschaftli-chen Arbeitsprogramms. Der Leiter des Insti-tuts, Dr. Peters, der mehrere Fahrten als Walfang-inspektor auf deutschen Walfangschiffen un-ternommen hatte, gab wertvolle Hinweise in be-zug auf die in der Antarktis zu erwartenden me-teorologischen, klimatischen und nautischenVerhältnisse und die Hauptfanggebiete derdeutschen Walfänger im atlantischen Sektor derAntarktis. Er übernahm darüber hinaus die Auf-gabe, die zweckdienliche wissenschaftliche Aus-rüstung der von ihm als Biologen der Expediti-on vorgesehenen Fahrtteilnehmer zu besorgen.

Dem Reichswirtschaftsministerium war dieAufgabe übertragen worden, die Verhandlun-gen mit Werften für den Umbau des Katapult-schiffes M/S „Schwabenland” zum Expediti-onsschiff zu leiten und den Umbau selbst zu ei-nem annehmbaren Ergebnis zu führen.

Die Deutsche Seewarte Hamburg setzte sichebenso wie das Marine-Observatorium in Wil-helmshaven, das Reichsamt für Wetterdienstund das Institut für Meereskunde in Berlin fürdie Beschaffung der Geräte für die Meteorolo-gen, den Geophysiker und den Ozeanographenein. Der Ozeanograph erhielt im Institut fürMeereskunde zudem wertvolle Anregungenfür seine Expeditionsaufgaben.

Der Norddeutsche Lloyd Bremen stellte nichtnur eine mustergültige Besatzung aus seinen ei-genen Personalbeständen für das Schiff, ersorgte auch für eine ausgezeichnete sach-gemäße Lebensmittelausrüstung für die 82

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Mann starke Gesamtbesatzung des M/S„Schwabenland”.

Die Deutsche Lufthansa stellte außer dem Ex-peditionsschiff M/S „Schwabenland” und denbeiden Flugzeugen ihre kaufmännische Orga-nisation, ihre Atlantikflug-Betriebsleitung undihre Technische Leitung zur Verfügung. Siewählte das Flugzeug- und Startpersonal aus,leitete den Umbau der Flugzeuge, ermittelteden geeigneten Treibstoff für die Flugzeugeund beschaffte diesen.

Die Hansa-Luftbild GmbH stattete das Expe-ditionsschiff aus seinen Beständen mit Reihen-meßbildgeräten für die Vermessungsaufgabenaus, sorgte für die Zusammensetzung der Luft-fotoausrüstung und für die Justierung der Luft-bildgeräte in den Flugzeugen und stellte für dieExpedition erfahrene und tüchtige Luftbildnerzur Verfügung.

Vom Katapultschiff zum Expeditionsschifff

Pünktlich wie vereinbart traf M/S „Schwaben-land” in der Nacht vom 27. zum 28. Oktober1938 in Hamburg ein. Das Schiff wurde sofortan die Pfähle verholt, um vor Beginn des Um-baus die Heizöltanks zu entleeren und zu ent-gasen. Am 1. November wurde das Schiff ein-gedockt.

Danach ergoß sich ein Heer von Ingenieurenund Arbeitern über Deck, Laderäume und Ma-schine des penibel geschrubbten und gestriche-nen Schiffes mit seinen weißen, gelben undbraunen Aufbauten und verwandelten es imHandumdrehen in eine riesige mehrstöckigeBaustelle, auf die neugierige Zuschauer keinenZutritt hatten. Es wurde in Tag-, Nacht- undSonntagsschichten rund um die Uhr gearbeitet,denn der Abliefertermin für die Probefahrt am15. Dezember 1938 pünktlich um 8 Uhr war ingreifbare Nähe gerückt.

Das Umbauprogramm für M/S „Schwaben-land” war gewaltig. Das Schiff war von derDeutschen Lufthansa bisher fast nur in tropi-schen Gewässern eingesetzt worden. Ziel der Ex-peditionsreise waren aber die kältesten und stür-mischsten Gewässer der Erde mit überwiegendhohem Seegang. Die weiter südlich gelegenenantarktischen Gewässer, die das Schiff befahrenwürde, stellten, bedingt durch die Eisgefahr,noch höhere Anforderungen an die Baufestigkeitdes Schiffskörpers und seiner Außenhaut.

Deshalb war vor allem der Einbau eines Eis-schutzgürtels in ganzer Länge des Schiffes von60 Zentimeter über der Tiefladelinie bis 60 Zen-timeter unter der Leichtladelinie, der etwa zweiPlattengänge umfaßte, notwendig. Auf dem

Vorsteven mußte ein Schuh bis wenigstens einMeter über der Tiefladelinie aufgesetzt werden.Die Stärke der Platten im Vorschiff und im Be-reich des Motorraums sollte 25 Millimeter, da-zwischen gestuft 22 Millimeter, hinten 20 Milli-meter, betragen.

Hinzu kam der Einbau einer Tankbeheizungfür die Seeventile und sämtliche Bodentanks so-wie für die Vor- und Hinterpiek, um ein Einfrie-ren des Frischwasservorrats zu verhindern, so-wie der Einbau eines Heizkessels mit etwa 125Quadratmeter Heizfläche in einer Nische derHochtanks an der Vorderkante des Motorraumesanstelle des vorhandenen, aber zu kleinen Heiz-kessels oberhalb der vorhandenen Tieftanks.

Für die zusätzliche Aufnahme von 600 Ton-nen Betriebsstoff mußte der Laderaum III zumTieftank ausgebaut werden. Auch waren zu-sätzliche Frischwassertanks notwendig.

Das Schanzkleid zwischen dem mittlerenAufbau und dem Achterdeck mußte auf volleDeckhöhe gebracht werden, weiterhin ging esum den Einbau von Eisstringern im Bereich desVorschiffs und von Rahmenspanten oder geeig-neten Verstärkungen zur Stützung der Außen-haut des Schiffes im Bereich des Motoren-raums, zudem von eisernen Lukendeckeln imBereich der Laderäume I, II, IV und V.

Ferner waren teilweise die Trockenproviant-räume und Kühlräume verlegt und erweitertworden, zur Aufnahme von zwei zusätzlichenEcholoten und der Fahrtmeßanlage mußte bei-derseits des Kiels an der Achterkante der LukeI ein Schacht eingebaut werden, die Bronzepro-peller waren durch Propeller aus Stahlguß zuersetzen, und am Fockmast mußte über demvorhandenen Krähennest eine Ausgucktonneangebracht werden.

Das Umbauprogramm des Schiffes stütztesich, soweit es die Belange der Fahrt in den Eis-regionen betraf, auf die Angaben von KapitänOtto Kraul, der seine Erfahrungen in 20jährigerEismeerfahrt in der Arktis und Antarktis alsWalfänger und Walfangleiter gesammelt hatteund für die dritte Antarktisexpedition als Eis-lotse gewonnen werden konnte.

Anders war es beim Umbau und der Neuein-richtung von zusätzlichen Kabinen. Die Deut-sche Lufthansa hatte bereits die Wohneinrich-tungen weitgehend vorgenommen, um den Ka-pitän, die sieben Offiziere des Decks und Ma-schinenpersonals sowie die Flugzeugführer,Flugzeugbesatzungen und Startmannschaftenin behaglichen Kabinen unterzubringen. DieMannschaften wohnten zumeist in Dreierkabi-nen; für sie gab es eine behagliche Messe unterder Back, für die Flugzeugbesatzungen und dasStartpersonal eine Messe mittschiffs.

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Innerhalb des Kajütenaufbaus befanden sichaußer dem Salon die Kabinen und die Messefür die Schiffsoffiziere, die Kabinen der Flug-zeugführer und des Lotsen sowie eine Doppel-kabine für Direktionsmitglieder der DeutschenLufthansa, die gelegentlich dienstliche Fahrtenmit dem Schiff gemacht hatten.

Doch das reichte bei weitem nicht aus, um alleExpeditionsteilnehmer, vor allem die Wissen-schaftler, unterzubringen. Deshalb mußten zu-sätzlich neun Einzel- und Doppelkabinen einge-richtet sowie Arbeitsräume für die Wissenschaft-ler und außerdem je ein Laboratorium für denBiologen und den Ozeanographen eingebautwerden. Immerhin waren an der Expedition 82Männer beteiligt, fast die doppelte Zahl, die beimBau des Schiffes ursprünglich vorgesehen war.

Die während des Umbaus noch geäußertenspeziellen Wünsche der Schiffsleitung und ein-zelner Expeditionsmitglieder auf Verbesserungvon Einrichtungen und Anlagen ihrer Arbeits-plätze wurden, soweit möglich, erfüllt.

Die Funkanlage des M/S „Schwabenland”konnte sich bereits während des Einsatzes alsKatapultschiff der DLH mit der der größtendeutschen Passagierschiffe messen. Für denEinsatz als Expeditionsschiff wurde zusätzlicheine Funktelefonanlage installiert, die demFunkspruchverkehr bis auf 600 Kilometer Ent-fernung genügte. Wie sich später herausstellte,war bei guten atmosphärischen Verhältnissengelegentlich bis auf 1.000 Kilometer eine ein-wandfreie Verständigung möglich.

Die gesamte Funkanlage einschließlich desFunkpeilers war in einem an das Kartenhausanschließenden Raum auf dem Brückendeckbesonders zweckmäßig untergebracht. Der dasPeilgerät bedienende Funkoffizier stand also inunmittelbarer Fühlung mit dem wachhabendenOffizier auf der Kommandobrücke.

Im Kartenhaus besaß M/S „Schwabenland”eine Anschütz-Kreisekompaß-Anlage und eineAtlas-Echoanlage mit Anzeigegerät.

Die Nautisch-Technische Abteilung des Ober-kommandos der Kriegsmarine hatte für die Ex-pedition in großzügiger Weise eine HSVA-Fahrtmeßanlage zur Verfügung gestellt und fürdie mittschiffs untergebrachte Lotsenzentraleeine Universal-Echoanlage sowie ein Atlas-Tief-lot. Die Fahrtmeßanlage hatte zwei Anzeigen-geräte, eines davon war auf der Brücke, das an-dere, mit einem Meilenzähler gekuppelt, warim Kartenhaus untergebracht worden.

Die Betreuung all dieser elektrischen Geräteübernahm der 1. Elektriker Herbert Bruns vonden Atlas-Werken Bremen.

Für den Brückendienst hatte die gleiche Stel-le des Oberkommandos der Kriegsmarine fer-

ner fünf lichtstarke Nachtgläser, einen Entfer-nungsmesser mit Zweimeterbasis und einen Li-bellensextanten zur Verfügung gestellt, so daßauch in diesem Bereich M/S „Schwabenland”bestens ausgerüstet war.

Zur Ausrüstung des Schiffes gehörte auch einScheinwerfer mit einer Leistung von 60 Millio-nen HK, der seinen Platz auf dem Peildeckoberhalb der Brücke hatte.

Das Motorboot zur Unterstützung bei denWasserungen auf hoher See bedeutete eine we-sentliche Ergänzung der bereits vorhandenenRettungsboote. Es hatte seinen Platz auf demAchterdeck neben dem Kran, neben einem fürdie Expeditionszwecke aus den Beständen desNorddeutschen Lloyd geliehenen Motorbootstärkerer Bauart, das gleichzeitig als Rettungs-boot dienen sollte; es war für diesen Zweck mitFunktelegraphie ausgestattet.

Da M/S „Schwabenland” als Flugzeugstütz-punkt keine Ladung gefahren hatte, war es zurErzielung einer günstigen Trimmlage mit 3.500Tonnen Sand- und Steinballast versehen, der inden Unterräumen und im Zwischendeck ver-teilt war. Für die Fahrt im Eismeer mußte zumSchutz der beiden Schrauben ein möglichstgroßer Tiefgang erzielt werden. Um dies zu er-reichen, wäre eine Vermehrung des Ballastesmöglich gewesen. Der Leiter der DeutschenWerft Dr. Scholz hatte eine bessere Idee. Er hat-te vorgeschlagen, die höhere Belastung mit ei-ner Vergrößerung der Sicherheit des Schiffes ge-gen Sinkgefahr zu verbinden, in dem man dieleeren Unterräume des Schiffes mit leerenSicken-Fässern auffüllte. Das Problem bestanddarin, in so kurzer Zeit mehrere 1.000 dieserFässer zu beschaffen. Es wurde dadurch gelöst,daß sich die Mannesmann-Stahlblech-AG zurAnfertigung und rechtzeitiger Lieferung von23.000 Fässern bereit erklärte, 18.500 davon ver-schwanden in den riesigen Unterräumen desSchiffes, sachgemäß auf Faschinenholz ver-staut. Uber ihnen wurde das Zwischendeckwasserdicht verschweißt, und die Luken wur-den mit Eisendeckeln verschraubt. Rechnerischmußte diese Faßladung das Schiff noch eineZeitlang schwimmfähig halten, selbst wennzwei der Unterräume bei der Fahrt durch dasEis leckgestoßen würden.

Die Mitnahme von 1.785 Tonnen Treibstoff fürdie Schiffsmaschinen war durch den zusätzli-chen Einbau eines fast 600 Tonnen fassendenTanks sichergestellt. Sie garantierte dem Schiffeinen Aktionsradius von 24.000 Seemeilen undmachte eine Nachbunkerung auf der Rückreiseunnötig. Der Rest dieses Betriebsstoffes wurdeerst einen Tag nach der Probefahrt an Bord ge-nommen.

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Wissenschaftler und Besatzung vollständig

Ende Oktober bestand Klarheit darüber, welcheWissenschaftler während der Antarktisexpediti-on an Bord des M/ S „Schwabenland” arbeitenwürden. Nach und nach stellten sie sich bei demExpeditionsleiter Kapitän Alfred Ritscher vor.

Den Anfang machte Dr. Ernst Herrmann, derals Geograph vom Reichsminister für Volkser-ziehung ausgewählt worden war. Ihm folgtender 1. Meteorologe der Deutschen SeewarteHamburg, Dr. Herbert Regula, und Heinz Lan-ge vom Reichsamt für Wetterdienst Berlin als 2.Meteorologe. Als Ozeanograph machte sichKarl-Heinz Paulsen mit Alfred Ritscher be-kannt, es folgten Leo Gburek als Geophysikervom Erdmagnetischen Institut Leipzig und Stu-dienreferendar Erich Barkley als Biologe vonder Reichsstelle für Fischerei, Institut für Wal-forschung Hamburg. Ganz zuletzt erschienendie beiden technischen Assistenten, der Me-teorologe Walter Krüger vom Reichsamt fürWetterdienst Berlin und Wilhelm Gockel vomMarineobservatorium Wilhelmshaven.

Die beiden Flugkapitäne Rudolf Mayr, Führerdes Dornier-Wal-Flugbootes „Passat”, und Ri-chardheinrich Schirmacher, Führer des Dornier-Wal-Flugbootes „Boreas”, sowie die Besatzungs-mitglieder der beiden Flugzeuge, die Flugzeug-mechaniker Franz Preuschoff und Kurt Loese-ner, die Flugfunker Herbert Ruhnke und ErichGruber sowie die beiden Luftbildner, die im Auf-trag der Hansa-Luftbild GmbH an der Expediti-on teilnahmen, Max Bundermann und SiegfriedSauter, hatten schon vorher die Bekanntschaftmit Kapitän Ritscher gemacht. Alle wichtigenStellen des wissenschaftlichen Stabes und des flie-genden Personals waren somit besetzt.

Auch der Kapitän des ExpeditionsschiffesM/S „Schwabenland”, Alfred Kottas, der Ka-pitän Ritscher aus dessen Lufthansa-Zeit kannte,stellte seine Offiziere dem Expeditionsleiter vor:Herbert Amelang als 1. Offizier, Karl-Heinz Röb-ke als 2. Offizier, Hans Werner Viereck als 3. Of-fizier, Vincenz Grisar als 4. Offizier, Schiffsfunk-leiter Erich Harmsen, Schiffsfunkoffizier KurtBojahr, Schiffsfunkoffizier Ludwig Müllmer-stadt, Leitender Ingenieur Karl Uhlig, 2. Inge-nieur Robert Schulz, 3. Ingenieur Henry Maas, 4.Ingenieur Edgar Gäng, 4. Ingenieur Hans Niel-sen und Elektro-Ingenieur Herbert Bruns.

Sonderstellungen unter den Offizieren hattender Eislotse, Handelsschiffskapitän Otto Kraulvom Oberkommando der Kriegsmarine, einer derwichtigsten Männer der Expedition neben Expe-ditionsleiter Kapitän Ritscher, und der vom NDLBremen entsandte Schiffsarzt Dr. Josef Bludau.

Amerikanischer Polarforscher Byrd als Berater

Die gesamte Schiffsbesatzung, die vom Nord-deutschen Lloyd Bremen für die dritte Antark-tisexpedition nominiert worden war, und alledaran beteiligten Wissenschaftler trafen sichzum ersten Mal in der ersten Novemberwocheim Lichtspielhaus „Urania” in Hamburg. Expe-ditionsleiter Ritscher hatte sie zur Teilnahme aneiner besonderen Veranstaltung gebeten, undalle hatten sich eingefunden.

Ritscher hatte den 50jährigen, in Winchester(Virginia) geborenen amerikanischen Polarfor-scher Richard Evelyn Byrd eingeladen, seinenAntarktisfilm zu zeigen, und den Zuschauerndanach Gelegenheit gegeben, Fragen zu stellen.

Byrd war zweifelsfrei einer der profiliertestenund erfahrensten internationalen Polarforscher,der sich das Fliegen in den Polargebieten zurLebensaufgabe gemacht hatte.

Byrd trat sehr früh in die Militärschule vonVirginia und anschließend in die Schiffsakade-mie ein, wo er 1912 sein Diplom erhielt.Während des Ersten Weltkrieges, den er als Ma-rineoffizier erlebte, befehligte er die amerikani-schen Seestreitkräfte in den kanadischen Ge-wässern. 1921, inzwischen zum Konteradmiralaufgestiegen, verabschiedete er sich in den Ru-hestand, um sich voll und ganz den polarenForschungen, ganz besonders der Fliegerei inund über die Polargebiete, zu widmen.

Bei der McMillan-Expedition nach Grönlandim Jahre 1925 sammelte der damals 37jährigeerste Erkenntnisse und Erfahrungen als Polar-forscher; von Etha aus wagte er Flüge in dasGebiet der Arktis. Gemeinsam mit Floyd Ben-net überflog Byrd am 9. Mai 1926 von Ny-Ale-sund auf Spitzbergen aus den Nordpol, er be-wältigte die 2.600 Kilometer lange Strecke in15,5 Stunden. Seinen ersten Transatlantikflugvon New York nach Frankfurt am Main unter-nahm Byrd vom 29. Juni bis 1. Juli 1927.

Seine Expeditionstätigkeit in der Antarktis be-gann er 1928 mit zwei Schiffen, drei Flugzeugenund 41 Begleitern. Er erreichte auf dieser Expe-dition im Dezember 1928 die Walbucht amRoss-Schelfeis, wo er mit seinen Begleitern dieStation „Little America” errichtete. 1928 / 29überwinterte Byrd allein in der Antarktis.

Am 28./29. November 1929 überflog er mitdrei Begleitern den Südpol in 18,5 Stunden.1930 kehrt er nach Amerika zurück.

In den Jahren 1933 bis 1936 war Byrd zumzweitenmal in der Antarktis. Er wurde von 56Team-Mitgliedern begleitet, sein Basislager warwiederum „Little America”. Fast sieben Mona-te, vom 22. März 1934 bis 14. Oktober 1934 leb-

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te Byrd allein in einer kleinen Wetterbeobach-tungsstation in der Antarktis in etwa 200 Kilo-metern Entfernung zum Hauptlager.

Sowohl der Film als auch die Ausführungenvon Byrd und die Ratschläge, die er aufgrundseiner langjährigen Erfahrungen dem Expedi-tionsleiter, den Wissenschaftlern und nicht zu-letzt den Flugzeugführern der bevorstehendendritten deutschen Antarktisexpedition mit aufden Weg gab, bestätigten den internationalenRuf, der diesem Antarktisexperten vorausging.

Die Presse war zu der. Veranstaltung im „Ura-nia"-Lichtspielhaus in Hamburg nicht eingela-den, und es wurde auch mit keiner Zeile dar-über berichtet. Das Vorhaben blieb geheim.

Die letzte Phase der Vorbereitung

Mitte November 1938 hatte für Kapitän Rit-scher die letzte Phase der Expedition begon-nen. Hierüber schreibt er in seinem Bericht:„Die letzten Sorgen hinsichtlich der Vorberei-tung der Reise waren nicht die geringsten. Esgalt, noch die Verträge mit dem engeren Kreisder Expeditionsteilnehmer aufzusetzen, soweituns die Deutsche Lufthansa für ihr Personalnicht schon diese Arbeit durch ihre kaufmän-nische Leitung abgenommen hatte, ferner dieVersicherung der 82 Fahrtteilnehmer gegen al-le etwaigen gesundheitlichen Schädigungen indie verschiedensten Versicherungsarten gegenUnfall, Invalidität, Krankheit, Krankheitsbe-handlung im Auslande, Effekten- und Geräte-versicherung in die Wege zu leiten, um sie ge-gen alle denkbaren Zufälle zu schützen; aucheine hochbemessene Lebensversicherung wur-de für jeden Fahrtteilnehmer abgeschlossen.Den ganzen Versicherungskomplex übernahmdie Delvag (Deutsche Luftversicherungs-Akti-engesellschaft) unter ihrem immer hilfsberei-ten Leiter Dr. Döhring.

Die Gehälter der Fahrtteilnehmer waren aufder Grundlage der tariflichen Normalsätze umdie Hälfte als Polarzulage erhöht worden. Die-se Regelung, die nicht nur erlaubte, besondersbewährte Kräfte an allen, auch den einfacherenStellen einzusetzen, sondern ihren verstärktenEinsatz auch entsprechend zu entgelten, hattezur Folge, daß in Verbindung mit der reichli-chen und vorzüglichen, auf 2,- RM. je Kopfund Tag festgesetzten Verpflegung eine ausge-zeichnete, willfährige und einsatzfreudige Be-satzung zusammengestellt werden konnte, dieauf der Reise nie versagt hat.

Die Unterstellung der in ihren Gruppenselbständigen Leiter der einzelnen Dienstzwei-ge unter die Expeditionsleitung war durch eine

So wurde im Funkraum desMotorschiffes „Schwabenland"gearbeitet.

Die beiden Flugboote des Flugzeugstützpunktschiffes„Schwabenland „Boreas ” (oben) und „Passat ” (unten)

Und so sah der Arbeitsbereich der Flugkapitäne aus:Führerstand eines Dornier- Wals

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besondere Dienstanweisung des Beauftragtenfür den Vierjahresplan geregelt worden. ErnsteSchwierigkeiten sind in dieser Hinsicht dannauch nicht aufgetreten. Von der für den Fall et-waiger schwerwiegender Meinungsverschie-denheiten vorgesehenen protokollarischen Fest-legung der ausschließlichen Verantwortlichkeitdes Expeditionsleiters für von ihm angeordneteEntscheidungen brauchte nie Gebrauch ge-macht zu werden. Die Verhältnisse lagen hier jaauch insofern günstig, als ich selbst über eigeneErfahrungen in der Schiffsführung sowie alsfrüherer Flugzeugführer und Kommandeurgrößerer Fliegerverbände und als Expeditions-leiter in der Eismeerfahrt verfügte. Auch hatteich mir in langjähriger Beschäftigung mit deneinzelnen Wissenschaftszweigen einen Gesamt-überblick über die hier in Betracht kommendenwissenschaftlichen Aufgaben verschafft.

Eine Woche vor der Ausreise war noch immerdie Frage ungeklärt, unter welcher Flagge dieExpedition fahren sollte, für die die Bezeich-nung ,Deutsche Antarktische Expedition1938 /39' nach dem Muster vorangegangenerdeutscher Expeditionen festgesetzt wordenwar. Es stellte sich nämlich heraus, daß wederdie Deutsche Lufthansa AG., noch der Nord-deutsche Lloyd, noch die Kaiser-Wilhelm-Ge-sellschaft sich in der Lage sahen, als Reeder fürdie Unternehmung aufzutreten. Schließlichwurde zur Trägerin der Expedition die Deut-sche Forschungsgesellschaft E.B., Berlin, be-stellt. Da sie über eine Hausflagge nicht verfüg-te, fuhr die Expedition unter ihrer eigenen, vonmir entworfenen Flagge, die die Farben derSee- und Luftfahrt in sich vereinigte; ihr blauesMittelfeld war oben und unten mit je einembreiten gelben Randstreifen eingefaßt.

Die Vorbereitungen für das Weihnachtsfest,das in den Seetörn fiel, wurden noch in der Wo-che vor der Ausreise getroffen. Ein Teil der Wis-senschaftler unterzog sich unter Mitwirkung desExpeditionsbüros dieser Aufgabe. Mit Geschickund Verständnis wurden gute und zweckmäßi-ge Geschenke ausgewählt; die zufriedenen,vergnügten Gesichter der Beschenkten bewiesenspäter, wie gut die Wahl getroffen war.

Flugkapitän Mayr fiel die Aufgabe zu, beidem bekannten Sporthaus Schuster in Mün-chen die schon für die Flugzeugbesatzungen inAussicht genommene Polar-Sonderausrüstungzu besichtigen, gegebenenfalls unter eigenerVerantwortlichkeit zu ergänzen und für ihrepünktliche, maßgerechte Anfertigung und An-lieferung zu sorgen. Den Grundsätzen der Ex-peditionsleitung entsprechend war auch in die-sem Punkte bei aller selbstverständlichenZurückhaltung nicht engherzig verfahren wor-

den; für den gedachten Zweck war das bestegerade gut genug; an mengenmäßigem Einkaufkonnte dann tunlichst gespart werden.

Für Gewehre, Munition und Buntf ilmbeschaf -fung für die Bordaufnahmen sorgte Dr. Herr-mann, der auf diesem Gebiet schon über Erfah-rungen verfügte. Er tätigte auch den Einkauf derim Laufe der vergangenen Wochen ausgewähl-ten Bücher für die Expeditionsbücherei zusam-men mit dem in der einschlägigen Polarliteraturbewanderten Büroleiter Dr. Todt und bereicher-te sie durch Stiftungen eigener Erzeugnisse sei-ner schriftstellerischen Begabung.

In den Sammellagern in Travemünde, imBüro am Glockengießerwall [in Hamburg] undim Schuppen der Deutschen Werft häuften sichallmählich die wertvollen Ausrüstungen zugroßen Stapeln. Da es an Bord noch an ver-schließbaren Stauräumen fehlte, weil innen undaußen noch bis zur letzten Stunde am Schiff ge-arbeitet wurde, mußte die Anbordnahme dieserGüter immer wieder, schließlich bis zum Tagevor der Ausreise hinausgeschoben werden. Am14. Dezember waren alle Vorbereitungen abge-schlossen. Das Schiff wurde an die Imperator-Pfähle im Waltershofer-Hafen verholt und lagdort, nachdem auch schon eins der Flugbootean Bord genommen und seemäßig verzurrtwar, bereit für die auf den 15. Dezember 8 Uhrmorgens angesetzte Werk-Probefahrt."'

Die Deutsche Werft hatte damit ihre Termin-zusage eingehalten. Auf der Werft selbst warennur noch einige wenige Restarbeiten zu erledi-gen. Der Umbau des M/S „Schwabenland”zum antarktistüchtigen Expeditionsschiff hatterund eine Million Reichsmark verschlungen,ein Drittel des gesamten Expeditionsetats.

Die Probe fahrt

Für Kapitän Alfred Ritscher war der 15. De-zember 1938 ein großer Tag. An der Reling sei-nes Expeditionsschiffes M/S „Schwabenland”stehend, beobachtete er morgens um 8 Uhr, wiedie letzten Werftarbeiter, Maler, Zimmerleute,Schweißer, Meister und Ingenieure über dasBackbordfallreep das Schiff verließen und ausden Motorbarkassen die Probefahrtgäste überdas Steuerbordfallreep an Bord stiegen.

Ein sonniger Vormittag war der winterlichkühlen Nacht gefolgt, und Ritscher hatte denEindruck, daß dieses klare Wetter auch zur fest-lichen Einstimmung der Fahrgäste beitrug.

Das Elbufer hatte sein Winterkleid angezo-gen, als sich das Expeditionsschiff M/S„Schwabenland” in Bewegung setzte und lang-sam der Helgoländer Bucht zusteuerte.

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Die noch etwas besorgt dreinblickenden Ge-sichter einiger Mitglieder des Probefahrt-Kom-mandos der Deutschen Werft hellten sich nachund nach auf. Es zeigte sich, daß beide gründ-lich überholten Maschinen mit den neuenStahlpropellern in allen Fahrtstufen einwand-frei liefen, was den Erfolg des in Tag-, Nacht-und Sonntagsschichten bis an die Grenze derBelastbarkeit geleisteten Arbeitseinsatzes be-stätigte. Zu Beanstandungen gab es keinen An-laß.

Die Probefahrtgäste, die sich als Vertreter vonMinisterien, Behörden, Instituten und Gesell-schaften dienstlich an Bord befanden, hattenwährend der Fahrt die Gelegenheit, sich die fürdie Arbeiten der Wissenschaftler geschaffenenArbeitsplätze, Einrichtungen und Anlagen an-zusehen und erklären zu lassen, die Wissen-schaftler um Auskünfte zu bitten und Ratschlä-ge zu erteilen.

Staatsrat Wohlthat, der prominenteste Fahr-gast an Bord, versammelte die Wissenschaftler,die Flugzeugbesatzungen und die Schiffslei-tung im Salon, um die Gelegenheit zu nutzen,letztmalig vor Beginn der Expedition derenWichtigkeit zu betonen. Dabei wies er nocheinmal auf die für die Expedition getroffenenorganisatorischen Bestimmungen hin, die dasDienstverhältnis an Bord regelten, aber auchauf die Gemeinsamkeit der Interessen aller Ex-peditionsteilnehmer und die einheitliche Zu-sammenfassung unter der Expeditionsleitung.

Bevor Staatsrat Wohlthat den Fahrtteilneh-mern auch im Namen seines Dienstherrn, Her-mann Göring, zum Abschied eine glücklicheFahrt wünschte, vergaß er nicht, auf die großenationale Bedeutung der Expedition für das na-tionalsozialistische Deutschland hinzuweisen.

Im Gemeinschaftsraum wurde an langen Ti-schen ein deftiges Eintopf-Mittagessen serviert,zu dem alle Teilnehmer der Probefahrt eingela-den waren. Es wurden launige Tischreden ge-halten und heitere Gespräche geführt.

Zwischen Mittagessen und Kaffeetafel fandenunter Leitung von Staatsrat Wohlthat abschlie-ßende Besprechungen mit Vertretern der Mini-sterien, Behörden und Institutionen statt.

Einige Fahrtteilnehmer hatten es sich nichtnehmen lassen, die Fahrt des Schiffes elbab-wärts trotz der winterlichen Kühle auf demPromenadendeck oder auf der Brücke zu erle-ben und waren auch nicht bereit, ihre Postenbei der allmählich zunehmenden Kühle aufzu-geben. Auch an diese „Passagiere” wurde ge-dacht, sie wurden mit Kaffee, Likören undRauchwerk versorgt.

Als der Abend hereingebrochen war und dasEnde der Probefahrt näher rückte, vereinte ein

Labskausessen, in der Seemannssprache „Ze-ment” genannt, die Gäste noch einmal im Ge-meinschaftsraum.

Um 18 Uhr endete die Probefahrt in Cuxha-ven. Das Schiff fuhr anschließend weiter elb-aufwärts und machte abschließend an den Im-perator-Pfählen fest, um für den nächsten Mor-gen zur Ubernahme der letzten Ausrüstungenund des zweiten Flugzeugs bereitzuliegen.

Die meisten Gäste fuhren mit der Bahn nachHamburg, um sich danach auf dem Haupt-bahnhof zu verabschieden. Einzelne Gruppennutzten die Gelegenheit, die Probefahrt mitM/S „Schwabenland” mit einem wärmendenTrunk zu begießen.

„Alle Besucher von Bord - wir laufen aus!”

Der vorletzte Tag, Freitag, der 16. Dezember 1938,war noch einmal mit den restlichen Arbeiten, derUbernahme der letzten Ausrüstungsgegenstän-de aus den Sammellagern, der Betriebsstoffüber-nahme für die Flugzeuge und der Anbordnahmedes zweiten Flugzeugs voll ausgefüllt.

Damit waren alle Vorbereitungen für die Ab-reise beendet, Ritscher konnte aufatmen: DerTermin war eingehalten worden.

Am Vormittag des Abreisetages, Sonnabend,dem 17. Dezember 1938, war noch einmalHochbetrieb an Bord. Dafür sorgten noch eini-ge Besucher, Angehörige von Expeditionsmit-gliedern, die mit Barkassen zum Schiff gebrachtworden waren, sowie der Hamburger Polizei-präsident Christiansen mit seiner Begleitung.

Dr. Todt, der Leiter des Expeditionsbüros,brachte noch die wichtigste Post für Alfred Rit-scher sowie die wichtige Expeditionskasse anBord. Die Sekretärin, die ihm folgte, erledigtean Bord die letzten Telegramme und legte Rit-scher die letzten Briefe zur Unterschrift vor.Währenddessen drängten sich die Dampfleich-ter um das Schiff, um 49.000 Liter Treibstoff fürdie Flugzeuge überzupumpen.

Um 15 Uhr ertönte aus allen Schiffslautspre-chern des M/S „Schwabenland” das unüber-hörbare Kommando von der Brücke: „Alle Be-sucher von Bord - wir laufen aus!”

Als letzter Gast verließ Vizeadmiral Wolff, derAdmiral der Kriegsmarinedienststelle Ham-burg, das Schiff. Er hatte dem ExpeditionsleiterKapitän Alfred Ritscher und dem Kapitän desM/S „Schwabenland” Alfred Kottas die herz-lichsten Grüße des Oberbefehlshabers derKriegsmarine, Generaladmiral Raeder, über-mittelt. Er wünschte dem Schiff eine glücklicheFahrt und der Besatzung gutes Gelingen bei ih-rer Antarktisexpedition.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Von Hamburgbis ans Ende der Welt

Die Ausfahrt

Auf der Kommandobrücke des M / S „Schwa-benland” steht Kapitän Alfred Kottas. Er blicktauf das Kalenderblatt. Es zeigt Sonnabend, den17. Dezember 1938. Dann blickt er auf die Uhr:12 Uhr und 33 Minuten. Danach hallen nachein-

ander einige kurze Kommandos durch denBrückenraum. Wenig später löst sich das von ei-nem Schlepper gezogene Schiff vom Kai desHamburger Hafens.

Für den Kapitän und das Schiff, aber auch fürden neben dem Kapitän stehenden Alfred Rit-scher, den Expeditionsleiter, ist dies ein histori-scher Augenblick: In dieser Minute beginnt die

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

dritte große deutsche Antarktisexpedition. EinSchiff macht sich auf den Weg bis ans Ende derWelt; und die Welt nimmt keine Notiz davon.Keine Kapelle spielt. Statt einer großen, zumAbschied winkenden Menschenschar steht nurein kleines Häuflein winkender Menschen aufdem Kai, Angehörige der Besatzung und ande-rer Fahrtteilnehmer. Angehörige des Kapitänssind nicht darunter; er hat keine Frau und keineFamilie. Sein „Zuhause” ist seit einigen Jahrensein Schiff, seine M/S „Schwabenland”. Er iststolz darauf, sie in die Antarktis fahren zu dür-fen, einem ihm noch unbekannten Kontinent.

Der Tag hat mit hellem Sonnenschein vomwolkenlosen blauen Himmel begonnen. DieSonne scheint noch immer, während langsamdie Silhouette des Hamburger Hafens, dieWerftanlagen, die hohen Bauten und dieKirchtürme verschwinden.

Die Blicke des Kapitäns sind jetzt auf das son-nenbeschienene Elbufer gerichtet, als das Schiffflußabwärts gleitet. Der Zeiger der großen Uhrauf der Kommandobrücke rückt von Minute zuMinute, von Stunde zu Stunde, weiter.

Um 20.30 Uhr blinkt das Leuchtfeuer „AltenLiebe” bei Cuxhaven auf. Der Kapitän empfin-det es als stillen Abschiedsgruß. Im Dunkel dersternklaren Winternacht bahnt sich M/S„Schwabenland” seinen Weg. Das Thermometerist auf 18 Grad unter Null gefallen.

Mehrere Fahrtteilnehmer haben sich im Salonum den Eislotsen Otto Kraul geschart, der sichals lustiger Erzähler entpuppt und die Müdig-keit verscheucht, die einige nach den Anstren-gungen der letzten Tage befallen hat.

Gegen 23 Uhr löst sich die Runde auf. DieMänner verlassen den Salon, um sich in ihre Ka-binen zu begeben. Dort herrscht ein heillosesDurcheinander. Die Anbordnahme der persön-lichen Sachen hatte in aller Eile geschehen müs-sen. Keiner hatte Zeit gefunden, auszupackenund einzuräumen. So befindet sich fast noch al-les in Koffern und Kisten, über die man steigenmuß, um seine Koje zu erreichen. Morgen istauch noch ein Tag zum Aufklaren, Verstauenund Einordnen.

An diesem ersten Abend an Bord in der schonangebrochenen Nacht heißt es erst einmal schla-fen, nichts weiter als schlafen.

Statt Sonne Schneegestöber

Der nächste Tag, ein Sonntag, beginnt wiedermit Sonnenschein. Es herrscht Ostwind 6 bis 7,Seegang 5. In den Mittagsstunden befindet sichM/S „Schwabenland” mitten in der Nordsee,etwa 132 Seemeilen westlich von Feuerschiff

„Elbe I”. Einige Besatzungsmitglieder genießenauf dem Oberdeck die Sonne und die Seeluft.Bei kalter Luft über relativ warmen Wasser hatsich starker „Seerauch” gebildet, eine nicht allzuhäufige Erscheinung.

Am späten Nachmittag verschwindet die Son-ne, Schneegestöber beginnt. Es ist 4 bis 5 Gradunter Null, ein leichter Vorgeschmack auf dasReiseziel. Einige verlangen nach ihrer Kleider-ausrüstung, andere schließen sich an, als dasWetter nicht besser wird. Zu scherzhaften Be-merkungen veranlassen die Pelzmützen, diefast alle zum ersten Mal tragen.

Als es an Deck ungemütlicher wird, geht esunter Deck. Jeder, der es bisher versäumt hat,versucht in seiner Kabine Ordnung zu schaffen.Das ist für manchen eine Beschäftigung, die ei-nige Stunden dauert und nur vom Abendessenunterbrochen wird.

Der Expeditionsleiter Ritscher hat den Sonn-tagnachmittag für ein langes Gespräch mit Ka-pitän Kottas und dem Eislotsen Kraul genutzt.Es drehte sich um die Frage: Was wird uns inder Antarktis erwarten?

Am dritten Tag der Reise herrscht Hochbe-trieb an Luke II, hinter der es total überfüllt istund wo die gesamte Ausrüstung lagert: Boots-ausrüstungen und Manilaleinen, Bierkisten,Fässer mit Hartbrot, Kisten mit Fallschirmen,Kleiderausrüstungen, dazwischen Koffer undvieles andere, durcheinander und übereinandergestapelt, von Ordnung keine Spur. Bei An-bordnahme hatte es an Zeit, Licht und Raum ge-fehlt, von vornherein alles zu ordnen und rich-tig zu verstauen. Das muß jetzt nachgeholt wer-den und ist in einigen Stunden nicht zu schaf-fen, es wird einige Tage dauern.

Das Schiff macht inzwischen gute Fahrt. Ka-pitän Kottas ist zufrieden, wie auch sein 1.Offi-zier Amelang, der sich ebenfalls auf der Brückebefindet. Es gibt etwas zu sehen an diesemNachmittag: Aus der sonnenbeschienenen eng-lischen Kalksteinküste ist aus dem Nebel Doveraufgetaucht. Für Kottas und Amelang ist diesnichts Neues, sie haben diesen Blick bei frühe-ren Fahrten mit anderen Schiffen schon oft vorsich gehabt, doch in der Nachmittagssonne istder Anblick besonders schön.

Wie erwartet dauern die Ordnungsarbeiten inLuke II doch einige Tage, bis Material und Gerä-te an die Arbeitsgruppen verteilt sind.

Gründlich und fieberhaft und trotzdem er-folglos ist nach einer Kiste mit Pelzkleidung, ei-nem Zelt und einem Schlitten gesucht worden,die der bekannte Luftschiffkapitän Dr. EcknerRitscher zur Verfügung gestellt hat. Dann stelltsich heraus, daß diese großherzige Spende erstam Abfahrtstag in Hamburg eingetroffen ist

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und sich keine Zeit und Gelegenheit mehr ge-boten hat, die Gegenstände in den Hafen und anBord des Schiffes zu befördern.

Der Bordalltag

Das Leben an Bord kommt schon bald nach derAusreise von Hamburg in geregelte Bahnen. Al-les läuft nach Plan.

Der Tag beginnt für die wachfreien — aller-dings nicht zahlreichen — Sportler um 6 Uhr mitder Morgengymnastik an Oberdeck, deren Lei-tung die Meteorologen übernommen haben.Hieran schließt sich das Frühstück an, das zwi-schen 7.30 und 8.30 Uhr serviert wird. An-schließend geht jeder seiner Arbeit nach.

Um 12 Uhr wird das Mittagessen aufgetragen.Während die verschiedenen Messen über dienötigen Tischplätze verfügen, hat der Salon nurelf Plätze für die 14 dort zuständigen Expediti-onsteilnehmer. Da man so das Mittag- wie auchdas Abendessen in zwei Schichten hätte einneh-men müssen, mußte eine andere Lösung gefun-den werden. Der Vorschlag der Flugzeugführer,die beiden Hauptmahlzeiten in der geräumigenKabine des Flugzeugführers Schirmacher ein-zunehmen, wobei stets ein weiteres Salonmit-glied zugegen sein konnte, wurde angenommenund damit das Problem einvernehmlich gelöst.Die Schirmacher-Kabine lag dicht neben demSalon, so daß die gleichzeitige Versorgung fürdie Stewards keine Schwierigkeiten bereitete.

Ein kurzes, an das Mittagessen anschließendeKaffeestündchen wird gemeinsam im Salon ab-gehalten, es bietet immer eine günstige Gele-genheit zur Erörterung der vielseitigen Fragendes täglichen Arbeitsprogramms und der vor-aussichtlichen Weiterentwicklung der wissen-schaftlichen und fliegerischen Arbeiten.

Vesperstunde ist von 15.30 bis 16.30 Uhr. DieZeit bis zum Abendessen um 18 Uhr füllen dielaufenden Arbeiten sowie die zweimal pro Wo-che stattfindenden Vortrags- und Informations-veranstaltungen.

Nach der Abendmahlzeit treffen sich dieSchach- und Skatfreunde zu Spielen, die oft bis23 Uhr dauern, obwohl pünktlich um 22 Uhr dieVersorgung mit Getränken eingestellt wird.

Wöchentlich einmal finden Gemeinschafts-abende statt, an denen sich die wachfreien Fahrt-teilnehmer zu einem kameradschaftlichen Bei-sammensein ohne Programm zusammenfinden.

Für eine bekömmliche, ausgezeichnete Spei-senfolge und Zubereitung aller Mahlzeitensorgt, unter der fachmännischen Beratung vonSchiffsarzt Dr. Josef Bludau, der 1. Koch OttoSieland mit seinen Gehilfen. Wie auf See üblich,

sind diese an den Donnerstagen und Sonn- undFeiertagen im Rahmen des vorgesehenen Ver-pflegungssatzes besonders reichhaltig. Wer Ge-burtstag hat, wird durch den Bäcker und Kon-ditor Gottfried Thole mit einem Gedicht derKonditorenzunft erfreut. So vergehen die Tagewie im Flug. Und jeder Tag bringt die Expediti-onsteilnehmer dem Ziel näher.

Die Arbeit der Wissenschaftler beginnt

Die nächsten Tage bringen kräftigen Schiebe-wind. Bei Windstärke 7 liegt das Schiff noch be-merkenswert ruhig. Das ist gut für die „Unbe-fahrenen” an Bord, die sich langsam an die Be-wegungen des Schiffes gewöhnen können, ohnesofort von der quälenden Seekrankheit befallenzu werden.

Am 20. Dezember morgens um 6 Uhr 30 pas-siert M/S „Schwabenland” Ushant am West-ausgang des englischen Kanals. Danach steuertdas Schiff in schneller Fahrt südwärts. Es istnicht mehr so kalt. Der Einfluß des Golfstromsmildert die Temperatur. Die Pelzmützen ver-schwinden und weichen mehr und mehr derTropenkleidung.

Schon weit vor dem Erreichen von Ushant ha-ben die Meteorologen Dr. Herbert Regula undHeinz Lange unter Mithilfe ihrer Assistentenmit ihrer planmäßigen Arbeit begonnen:Höhenwind- und Temperaturmessungen sowieaerologische Messungen. Die täglich ein- bisdreimal stattfindenden Radiosondenaufstiegenehmen die Meteorologen und ihre Assistentenvoll in Anspruch. Dabei leistet auch der Geo-physiker Leo Gburek wertvolle Hilfe.

Der erste Radiosondenaufstieg ist für alleFahrtteilnehmer ein besonders sehenswertes Er-eignis, das man sich nicht entgehen läßt. Dichtumstehen sie die Luke V. Dem Lukenschachtentsteigt nach einer Weile der vom Durchmesserher eineinhalb Meter dicke Ballon mit der Ra-diosonde. Trotz der Windgeschwindigkeit von50 km / h, in der der Ballon erst einige hundertMeter fast waagerecht abtreibt, bevor er anHöhe gewinnt, erfolgt der Start problemlos. DerGeograph, Dr. Herrmann, der in aller Eile seineKinokamera geholt hat, um den ersten Aufstiegdes Ballons zu filmen, kommt zu spät an Deck,er bittet um Wiederholung. Einer der umste-henden Zuschauer begibt sich in die Luke, umdiese zu veranlassen. Es dauert und dauert.Nichts geschieht. In der feuchtkalten Luft wirdes ungemütlich. Dr. Herrmann bittet die Umste-henden auszuhalten; er braucht sie für seineFilmaufnahmen und bietet den Ausharrendeneine Runde Grog. Da bewegt sich etwas im

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Schacht der Luke V, ein Ruf ertönte: „Achtung -der Ballon kommt!” Jetzt heißt es aufpassen, dieFilmkamera surrt, und aus der Luke schaukelt,vom Gelächter der Zuschauer begleitet, ein klei-ner bunter Kinderballon vorbei an dem ver-blüfften Gesicht des Geographen, der Spaß ver-steht. Aus der versprochenen Runde Grog wer-den schließlich zwei.

Der Geograph ist ein Fachmann auf seinemGebiet, für das für ihn an Bord zunächst wenigzu tun ist. Zudem ist Dr. Herrmann ein Organi-sationstalent, er ist einsatzfreudig, hilfsbereitund will sich nützlich machen. Er organisiertden Lotdienst, verwaltet als Assistent des Expe-ditionsleiters das gesamte Expeditionsgut, lerntden 3. Schiffsoffizier Hans Werner Viereck beiseinen Kimmtiefen-Messungen und betreut dasexpeditionseigene Lichtbildmaterial, da er gera-de auf dem Gebiet der Farbfilm-Lichtbildnereiüber große Erfahrungen, die er auf eigenenSpitzbergen-Expeditionen gesammelt hat, ver-fügt.

Der Ozeanograph Paulsen hatte mit seinenOberflächenmessungen bereits vor der portu-giesischen Küste begonnen; der Geophysikerhatte frühzeitig Strahlenmessungen und Kern-zählungen vorgenommen, wobei ihm diegeräumigen Decks des M/S „Schwabenland”mit seinen windgeschützten Ecken beste Beob-achtungsplätze boten.

Nicht zu beneiden, was das Maß an Arbeit be-trifft, ist der Biologe Barkley. Er hat die umfang-reichsten Vorarbeiten aller Wissenschaftler anBord zu erledigen, um seine zahlreichen Fang-geräte bis zum Eintreffen im Arbeitsgebiet in-stand zu setzen und sein Laboratorium für dieAufnahmen der seltenen Fänge, die er zu ma-chen gedenkt, einzurichten.

Alle Wissenschaftler nutzen den langen Törn,um alle notwendigen Vorarbeiten vor dem Ein-treffen des Schiffes im Forschungsgebiet derAntarktis gewissenhaft zu erledigen.

Was tun die Flieger, wenn sie nicht fliegen?

Auch die beiden Flugzeugführer, FlugkapitänRudolf Mayr und Flugkapitän RichardheinrichSchirmacher sind mit ihren Besatzungen nichtuntätig, sich auf ihren Einsatz in der Antarktisvorzubereiten. Von ihrem erfolgreichen Einsatzhängt zu einem großen Teil der Erfolg der ge-samten Expedition ab.

Die acht Männer, wozu die zwei Flugzeug-führer, zwei Flugzeugmechaniker, zwei Flug-funker und zwei Luftbildner zählen, müssensich nicht nur um die Ausrüstung ihrer beidenFlugzeuge mit all ihren Dingen kümmern, von

denen ihre Sicherheit bei den Flügen und etwai-gen Notlandungen im Eis der antarktischen Kü-stengewässer oder, was wahrscheinlich nochschlimmer sein würde, auf dem Kontinentselbst, abhängt. Die Besatzungen der zwei Flug-zeuge sind von allen Fahrtteilnehmern auch die-jenigen, die den größten Gefahren ausgesetztsind und von denen ganz entscheidend der Er-folg der gesamten Expedition abhängt. Die Vor-bereitungen auf ihre Einsätze in der Antarktismüssen deshalb um so gründlicher erfolgen.

Die Geräte und Materialien, die in der Vorbe-reitungszeit in Hamburg beschafft worden sind,hat man bereits aus Luke II ans Tageslicht be-fördert.

In der Abenddämmerung und nachts bei ster-nenklarem Himmel üben sich die Flugzeugbe-satzungen in der Handhabung der Libellen-sextanten. Diese für die astronomische Ortsbe-stimmung aus dem Flugzeug entwickeltenGeräte unterscheiden sich von den an Bord derSchiffe gebräuchlichen Sextanten durch denEinbau einer Libelle im Blickfeld, die den Beob-achter von der Benutzung des natürlichen Hori-zonts freimachen, denn wenn dieser in starkemDunst liegt, wird die Winkelmessung zwischenGestirn und Horizont fehlerhaft.

Zur Vorbereitung ihrer Einsätze haben sich dieFlugzeugführer mit ihren Besatzungen mit denverschiedenen Geräten vertraut zu machen, vorallen den Reihenmeßbildgeräten, System RKMC/5 der Firma Zeiß-Aerotopograph, die Einzel-bilder im Format 18 x 18 Zentimeter mit 60 Pro-zent Überlappung liefern. Insgesamt sind fürbeide Geräte zusammen 60 Filmspulen zu je 60Meter Filmlänge mitgenommen worden.

Die Geräte sind im Postraum hinter dem ihnvom Treibstoffraum trennenden Schott unterge-bracht, je eines auf jeder Seite mit einer Neigungvon 20 Grad gegen den Horizont, so daß sie aus3.000 Meter über Grund nach jeder Seite desFlugzeugs hin ein Gelände von bis zu 25 Kilo-meter seitlichem Abstand vollkommen klar, bis50 Kilometer seitlichem Abstand noch ein-wandfrei erfassen und die Bilder sogar bis in 100Kilometer seitlichem Abstand vom Flugzeugnoch eine gute Deutung der Geländeform mitSicherheit erwarten lassen.

Am 21. Dezember, drei Tage vor Weihnachten,wird es merklich wärmer. Heute fährt M/S„Schwabenland” an Kap Finisterre, der spani-schen Küste vorbei. Wohl die meisten der 82Menschen, die sich an Bord des Expeditions-schiffes befinden, wissen oder ahnen, daß einigehundert Kilometer landeinwärts ein erbitterterBürgerkrieg tobt, täglich Menschen sterben, undnicht nur Soldaten, auch Frauen und Kinder,daß Bomben fallen, jahrhundertealte Baudenk-

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mäler in Schutt und Asche sinken — und daß andiesem Bürgerkrieg auch deutsche Soldatenund Flugzeuge beteiligt sind, Freiwillige derdeutschen „Legion Condor”, deren Oberbe-fehlshaber Generalfeldmarschall Hermann Gö-ring ist.

Auch auf M/S „Schwabenland” stehen zweiFlugzeuge, aber sie sind unbewaffnet und die-nen der wissenschaftlichen Forschung in einemKontinent, der noch nie einen Krieg erlebt hatund ein Kontinent des Friedens ist.

Weihnachten an Bord

Zwei Tage vor Weihnachten, am Abend des 22.Dezember um 23 Uhr, passiert M/S „Schwa-benland” Kap Vinzent an der portugiesischenKüste. Wer sich von seinen Verpflichtungen undAufgaben an Bord freimachen kann, beteiligtsich zu dieser späten Stunde an den Vorberei-tungen für das Weihnachtsfest. Das Programmsteht schon seit einigen Tagen fest. Auch die be-reits in Hamburg eingekauften Geschenke sindbereitgelegt. Eine Geldsammlung an Bord er-möglicht einen weiteren Geschenkkauf aus denBeständen des Schiffes.

Am folgenden Tag, dem 23. Dezember, nähertsich das Schiff der afrikanischen Küste. Es wer-den einige Echolotungen zur Probe und zu Ver-gleichsmessungen gemacht. Für Reihenmessun-gen liegt kein Grund vor, da keine nennenswer-ten neuen Ergebnisse zu erwarten sind.

Der Anbruch des Weihnachtstages gibt denMeteorologen einen besonderen Grund zu fei-ern: Trotz Windstärke 6 bis 7 ist ihnen ein be-sonders guter Radiosondenaufstieg gelungen.Die Meteorologen, die untätige Zuschauer nichtlieben, sind froh, daß sich im Tagesverlauf dieZahl der Zuschauer merklich verringert hat, siehoffen, daß sie für die erreichte Gipfelhöhe von30.000 Meter den ausgesetzten internationalenPreis erringen werden. Das wäre für sie dasschönste Geschenk an diesem Weihnachtstag.

Kapitän Kottas stellt am Nachmittag alle ent-behrlichen Mannschaftsmitglieder zur festli-chen Ausschmückung des mittschiffs auf demHauptdeck unter den Oberdecksbauten gelege-nen Gemeinschaftsraums zur Verfügung. Über-all ist festtagsmäßig Reinschiff gemacht.

Um 17.30 Uhr beginnt die Feier, aus räumli-chen Gründen zunächst getrennt in den einzel-nen Messen, mit einem Festtagsessen. Es gibtSpargel mit Schinken, nicht abgezählt nach Stan-gen und Scheiben. Jeder kann essen, soviel ermag und vertragen kann. Das gilt übrigens füralle Tage der Reise für alle 82 Fahrtteilnehmer.Auch sind die Mahlzeiten in allen Messen gleich.

Um 18.30 Uhr wird die Feier im Gemein-schaftsraum fortgesetzt. Mit Einfallsreichtumund Geschick ist der Raum in einen Festsaal ver-wandelt worden. In der Mitte des Raumes sinddie mit Tannengrün geschmückten Tische undBänke aufgestellt. An der Backbordseite stehenzwei frische Tannenbäume mit strahlendemLichterschmuck. Zwei etwas abseits stehendeTische sind mit einem blütenweißen Tischtuchverdeckt, die numerierten Geschenkpäckchenverbergend.

Die vier Wände des Raumes zieren Reichs-flaggen, die hauseigene Expeditionsflagge unddicht an dicht bunte Signalflaggen. Die Elektri-ker und die Fotografen haben für zusätzlicheLichtquellen an den Ecken des Raumes gesorgt.Es gibt auch eine kleine Bordkapelle; sie ist in ei-ner Nische an der Steuerbordseite plaziert. Aufjedem Tischplatz stehen drei silberhalsige Fla-schen Bill-Bräu-Bier, eine Spende der Expediti-onsleitung.

In einer kurzen Ansprache erläutert Expediti-onsleiter Alfred Ritscher Zweck und Ziel desUnternehmens, die den vollen Einsatz allerKräfte und die kameradschaftliche Zusammen-arbeit aller zur Sicherung des Erfolgs erfordert.Abschließend wünscht er allen Fahrtteilneh-mern einen glücklichen Verlauf ihrer Arbeit undviel Erfolg für die Erledigung ihrer Aufgabenbei der Expedition sowie ein frohes Fest.

Um 20 Uhr wird das Fest unerwartet unter-brochen. Aus den Lautsprechern ertönt dieWeihnachtsansprache des FührerstellvertretersRudolf Heß. Doch die atmosphärischen Störun-gen sind so groß, daß die Ubertragung abgebro-chen werden muß. Der 2. Offizier Karl-HeinzRöbke bringt als ehrenamtlicher politischer Lei-ter der „Schwabenland” diesen Teil der Feiermit einem „Sieg Heil” auf den Führer und dasReich zum Abschluß.

Es folgt die Verlosung der Weihnachtsge-schenke, die für manchen eine Überraschungbietet. Viel Beifall erntet die kleine Bordkapelle,die mit ihren dargebotenen Volks- und Weih-nachtsliedern wesentlich zu der festlich-frohenStimmung fern der Heimat beiträgt. Die Kapel-le besteht aus einem Geiger, einem Zitherspieler,einem Akkordeonspieler und einem Flötisten.Seit Beginn der Reise haben sie in ihrer Freizeitoft für dieses Fest geübt.

Im weiteren Verlauf des Abends folgen Erzäh-lungen aus der Seefahrt, in Nacht und Eis, wo-bei der Eislotse Kraul mit seiner gekonnt hu-morvollen Art, Geschichten zu erzählen, mitdem stärksten Applaus bedacht wird.

Je weiter der Uhrzeiger vorrückt, je mehr dieStimmung wächst, desto mehr Vortragstalentewerden entdeckt. Das Repertoire des Katapult-

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führers Wilhelm Hartmann ist fast unerschöpf-lich, und der Matrose Emil Brandt entpuppt sichals Naturtalent.

Kurz nach Mitternacht verlassen die erstenfast unbemerkt die gelungene Feier. Einige be-geben sich an Oberdeck, schauen in den ster-nenklaren Himmel, denken an die Heimat, vonder sie an diesem Weihnachtsabend mehr als3.500 Kilometer entfernt sind, an die Familie, anliebe wertvolle Menschen in ihrem Leben, umüber Entfernung und Zeit hinweg Zwiesprachemit ihnen zu halten.

Andere ziehen sich in ihre Kabinen zurück,wollen mit ihren Gedanken allein sein, packenGeschenke aus, die sie beim Abschied aus Ham-burg in die Hand gedrückt bekommen haben.

Erst gegen 2 Uhr morgens verlassen die Letz-ten den festlich geschmückten Gemeinschafts-raum, in dem ihnen an diesem Weihnachts-abend einige Stunden der Freude geschenktwurden.

Äquatortaufe am Silvestertag

In den ersten Morgenstunden des 1. Weih-nachtsfeiertages, am 25. Dezember 1938, pas-siert M/S „Schwabenland” die nördlichste derKanarischen Inseln, Lanzerote, und um 7 Uhrmorgens liegt Las Palmas querab an Steuerbordim Passatdunst. Die Lufttemperatur ist inzwi-schen stark angestiegen.

Das Schiff fährt im Nordost-Passat. Der Windmit Stärke 5 bis 6 und leichtem Druck schiebtM/S „Schwabenland” südwärts. Die Fahrt gehtdicht entlang der afrikanischen Küste auf gera-dem Kurs weiter, an Kap Berde vorbei, mit derAbsicht, auf 15° West den Aquator zu kreuzen.

Aus dem Passatdunst heraus taucht gegenMittag an Backbord voraus die afrikanische Kü-ste bei Cap Corvoeiro auf. Sie ist eintönig undöde: Sandstrand und dahinter Sanddünen, so-weit das Auge reicht. Gegen die hier und davorgelagerten Klippen rollt die atlantische Dü-nung mit ganzer Macht an. Dann wandelt sichder Sandstrand zu einer felsigen Steilküste, diebis Cap Blanco reicht. Es werden einige Probe-lotungen mit dem Echolot gemacht und mit denKartenangaben verglichen; sie stimmen überein.

Am 27. Dezember begegnet M /S „Schwaben-land” dem deutschen heimkehrenden Dampfer„Wangoni” der Woermann-Linie: ein Flaggen-gruß wird ausgetauscht.

Leider flaut der Passat weiter ab, aber derStrom hilft dem Schiff vorwärts, so daß die täg-liche Marschleistung noch immer um 275 See-meilen aufweist. Da jetzt Fahrt und Rücken-wind die gleiche Geschwindigkeit haben, wird

die Hitze gelegentlich drückend, und schon dieleichteste Kleidung wird als unbequem emp-funden. Die Freizeit wird jetzt in Liegestühlenund Hängematten an Deck verbracht. DieNächte aber bringen Kühle und ermöglichen ei-nen erfrischenden Schlaf.

Am 29. Dezember nähert sich M/S „Schwa-benland” dem Balmen-Gürtel. Der Passatschläft ganz ein, und wie eine große ölige Flächeliegt das Meer, in das das Schiff eine Furchepflügt. Übermorgen ist Silvester, kein winterli-cher, sondern ein warmer Tag zum Ausklangdes Jahres 1938. Die Silvesterfeier wird mit derAquatortaufe zusammenfallen, zwei Feste aufeinmal erwarten die 82 Fahrtteilnehmer auf der„Schwabenland”. Die Vorfreude ist groß.

Plötzlich, am Nachmittag des 31. Dezember,ein überraschender Stopp. Eine unangenehmeÜberraschung. Von 16.55 Uhr bis 19.20 Uhrkann das Schiff wegen Luftdüsenverstopfungan einem Motor die Fahrt nicht fortsetzen. Auchdie Kühlwasserrohrbrüche, die vor einigen Ta-gen aufgetreten sind, wollen kein Ende nehmen.Die tägliche Marschleistung ist von 275 Seemei-len inzwischen auf 261 am 30. Dezember undauf 233 Seemeilen am 31. Dezember gesunken.Es muß erwartet werden, daß sie am nächstenTag noch weiter zurückgeht. Das ist zwar uner-freulich, doch soll dies die festliche Stimmungbei Aquatortaufe und Silvesterfeier nicht min-dern.

Kapitän Alfred Kottas hat für 14 Uhr Rein-schiff befohlen. Danach gibt er den Weg für„Neptun” und seinen „Stab” frei zu einemRundgang durch das Schiff; er beginnt pflicht-gemäß mit der Anbordmeldung beim Kapitän,bei dem auch die ersten Empfangsschnäpse von„Neptun” persönlich abgeholt werden. Sein„Stab” vergewissert sich dann, daß alle Täuflin-ge zur Stelle sind und sich nicht in dunkle Eckenoder ihre Kabinen verdrückt haben.

Dann geht auf dem Vordeck der Zauber los;alle Beteiligten sind voller Ausgelassenheit. Ka-tapultführer Wilhelm Hartmann spielt als Pa-stor der Meeresgemeinde „Aquator” dabei dieHauptrolle; seine für die Lachmuskeln derZuhörer und die Gemüter der Täuflinge berech-neten Ansprachen und Ermahnungen sind un-übertrefflich. Die Ermahnungen legt den Täuf-lingen nahe, innerlich und äußerlich gesäubertvon der nördlichen in die südliche Meereshälf-te hinüberzuwechseln, wobei „Neptun” seineMeeresgeister bereitstellt. Die Täuflinge hättenlieber auf diese Hilfeleistung verzichtet, dochsind sie in der Minderzahl und müssen die Hil-fe annehmen, ob sie wollten oder nicht. DasGaudium, daß die Aquatortaufe hervorruft, istnicht zu überbieten.

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Der erste Eindruck im südlichen Eismeer:die Insel Bouvet

Dieser 1.500 m lange Tafeleisberg ragt 40 m aus demWasser heraus und hat einen Tiefgang von 300 m.

In dem glasklaren Wasser ist das Eis bis weitunter die Oberfläche zu erkennen.

Vom Schelfeisrand steigt das Landerst allmählich zur Südpol-Hochfläche an.

Verwitterte Tafeleisberge in zerklüftetem Treibeisfeld vom Vorjahr. Alle Fotos auf dieser Seite stammen aus dem fahr 1939.

Ideales Flugwetter vor der Schelfeisküste Mitternachtsstimmung im antarktischen Hochsommer

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Zur Silvesterfeier sind die „Täuflinge” jedochwieder in bester Form und halten sich an denErfrischungen, die angeboten werden, schadlos.Die Bordkapelle sorgt mit flotter Musik dafür,daß auch dieses Fest in bester Stimmung ver-läuft. Man ist ausgelassen, und der Silve-sterabend verläuft in bester Harmonie.

MIS „Schwabenland”mit geringerer Marschleistung

Bereits vor Weihnachten hatten Kapitän Kottasund den Leitenden Ingenieur Uhlig die wieder-holten Kühlwasserrohrbrüche, besonders ander Backbordmaschine des Schiffes, Sorge berei-tet. Die aufgetretenen Schäden konnten zwarmit Bordmitteln behoben werden, doch zwan-gen sie die Schiffsleitung jedes Mal dazu, dieFahrt des Schiffes für mehrere Stunden zu ver-langsamen. In Anbetracht der vorgerückten Jah-reszeit und der Zeitvorgaben für das Erreichendes Expeditionszieles ist jede Verzögerung un-angenehm. Am bedenklichsten ist die Tatsache,daß die Ursache der Schäden in der außeror-dentlich starken Vibration des gesamten Back-bordmaschinenblocks liegt, die natürlich nichtbeseitigt werden kann. Ein Ausweg wird durcheine elastische Verbindung des Motors mit demKühlwasserrohr gefunden, die sich zu be-währen scheint. Jedenfalls treten die Schädendanach seltener auf.

Der am Nachmittag des 31. Dezember 1938aufgetretene Schaden an einer Maschine, der dieHerabsetzung der Marschleistung des Schiffeszur Folge hatte, ist erheblicher als erwartet. Amersten Tag des neuen Jahres in den Mittagstun-den ergibt eine Ortsbestimmung eine Gesamt-leistung von 238 Seemeilen in den letzten 24Stunden. Der Leitende Ingenieur fühlt sich zuUnrecht so schuldbeladen, und er zieht es vor,sich auf einige Zeit, so gut das an Bord einesSchiffes überhaupt möglich ist, unsichtbar zumachen, um unsachgemäßer Kritik aus demWeg zu gehen. Er will sich nicht zum „Sünden-bock” abstempeln lassen, denn alles, was mitvorhandenen Mitteln zur Abstellung des Scha-dens getan werden konnte, ist auf seine Veran-lassung hin geschehen.

Kapitän Kottas als verantwortlicher Schiffs-führer kann nichts weiter tun, als sich mit dergeringeren Marschleistung des Schiffes abzufin-den und zu hoffen, daß die „Rauhen Vierziger”weit unten im Süden das Schiff nicht noch mehraufhalten werden. Der Name kennzeichnet denMeeresraum zwischen dem 40. und 55. Gradsüdlicher Breite. In ihm toben gewaltige West-stürme, die, durch Landmassen ungehindert,

dort rings um den Erdball fegen und durch ihregroße Beständigkeit die See zu hoher Dünungaufpeitschen.

Alfred Ritscher liegt als Expeditionsleiter vieldaran, das Interesse der Fahrtteilnehmer an denExpeditionsaufgaben nicht nur wach zu halten,sondern tatkräftig zu fördern. Um dies zu errei-chen, richtet er eine Vortragsreihe ein, die in je-der Woche ein bis zwei Vorträge aus allen Ar-beits- und Aufgabengebieten vorsieht. Nach sei-nem Vortragsplan soll der Schiffsarzt Dr. Bludauüber Hygiene, Vorbeugung gegen Frostschädenund deren Behandlung, über erste Hilfe bei Un-glücksfällen usw. sprechen, der Eislotse Kraulüber die Handhabung von Booten in Treib- undPackeis, die Wissenschaftler über ihre Arbeits-gebiete und die Hilfestellung der ihnen zuge-teilten Besatzungsmitglieder, auf die sie dabeiangewiesen sind, die Katapultführer und Flug-zeugführer über Abschuß und Wiederaufnah-me der Flugboote und die dabei erforderlicheUnterstützung durch eine geschickte Führungdes dabei immer bereitzuhaltenden Motorboo-tes, der Werkmeister der Startmannschaft Her-bert Bolle über Einrichtung und Arbeitsweiseder Flugzeugschleuder. Erfreulicherweise wer-den alle Vorträge von den „Freiwächtern” sehrgut besucht, Zeichen dafür, daß das Vortrags-programm das Interesse der Fahrtteilnehmerfindet.

Loten ist angesagt

Vom Äquator, der planmäßig auf 15° West ge-kreuzt wird, wird der Kurs auf die Insel Ascen-sion gesetzt. Von dort soll unter ständigem Lo-ten längs dem zentralen Teil der Südatlanti-schen Schwelle gefahren werden, um die dortlückenhaften Messungen zu vervollständigen.

Im Lotdienst an Bord des M/S „Schwaben-land” wechseln sich die Wissenschaftler und der1. Elektriker ab; von Bovet bis zur Schelfeisküstespringen auch die Flugzeugführer einige Maleein.

Die Südatlantische Schwelle ist der Teil der At-lantischen Schwelle, der, am Äquator durch dieRomancho-Rinne von der NordatlantischenSchwelle getrennt, bis etwa 55° Süd läuft, wo erdann unter dem Namen Atlantisch-IndischeSchwelle seine Fortsetzung in östlicher Rich-tung findet. Die Südatlantische Schwelle trenntdas Angola- und das Kap-Becken auf der afri-kanischen Seite von dem Brasilianischen unddem Argentinischen Becken auf der amerikani-schen Seite des Südatlantischen Ozeans.

Während die Becken Meerestiefen bis zu 6.000Meter aufweisen, steigt die Schwelle von 4.000

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Meter an einzelnen Stellen bis über die Mee-resoberfläche auf und gipfelt in den Inseln As-cension (860 Meter) und Tristan da Cunha (2.320Meter) mit ihren Nebeninseln. Dazwischen rei-chen andere Spitzen der Schwelle bis in dieHöhe von 2.500 Meter unter Wasser.

Der Lotdienst auf M/S „Schwabenland” läufthalbstündlich, an interessanten Stellen, wo einschnelles Absinken oder Ansteigen der Wasser-tiefen festgestellt wird, wird die Reihe aufZehn-, Fünf- und Zweiminutenabstände ver-dichtet. Dadurch gelingt es, die Kenntnis desBodenreliefs längs dieser Schwelle nicht unbe-trächtlich zu ergänzen.

nicht befriedigend, so daß ein weiterer Versuchauf einen späteren Tag verschoben wird. Zweckder Verbindung ist es, einen Treffpunkt zu ver-abreden, um „Wickinger” die für ihn mitge-brachten Funkröhren übergeben zu können.

Die neue Ausgucktonne oben am Fockmast,20 Meter über Deck, muß abmontiert und aufdie Sahling gesetzt werden. Dort ist sie für einengewandten und geübten Turner in leichter Be-kleidung mit Sicherheit noch erreichbar. Für dieKörpermaße des Eislotsen Kraul, für den dieAusgucktonne zum stundenlangen Aufenthaltin dicker Winterkleidung gedacht war, ist sieviel zu klein geraten.

Passieren der Insel Ascension

Am 2. Januar 1939 wird Ascension passiert. Diekleine Insel hat nur 150 Bewohner. Es sind meistArbeiter, Angestellte und Beamte der englischenKabelstation, die sich auf der Insel befindet; sieführen ein sehr einsames Leben. Nur sehr seltenstellt ein Schiff die Verbindung zwischen ihnenund der Außenwelt her. Da M/S „Schwaben-land” erst in tiefer Abenddämmerung dicht ander Insel vorbeiläuft, ist ein Besuch der Insel,der sicher interessant geworden wäre, nichtmöglich, zumal das Schiff in großer Eile ist undein Aufenthalt im Hafen zuviel Zeit gekostethätte.

Durch einen weiteren Kühlwasserrohrbruchverzögert sich die Fahrt des M/S „Schwaben-land” erneut. Die elastische Verbindung, diedies verhindern sollte, hat doch nicht den ge-wünschten Erfolg. Fast alle zwei Tage neueBrüche, was jeweils zu weiterer Fahrtminde-rung führt. Der Leitende Ingenieur hat eineneue Idee, er läßt eine Trompete des Motors miteiner vier Millimeter weiten Bohrung versehen.Hoffentlich hilft dieses Experiment. Die fort-währenden Fahrtverzögerungen fangen an un-erträglich zu werden.

Der 6. Januar 1939 bringt eine Abwechslung.Bootsmanöver ist angesagt. Das gilt für alleMann an Bord, nicht nur für die Besatzungsmit-glieder des Norddeutschen Lloyd. Mit umge-legten Schwimmwesten nimmt jeder seinenPlatz in den Rettungsbooten ein. Keiner fällt insWasser. Jeder hofft, daß der geprobte „Ernstfall”auf M/S „Schwabenland” nie eintritt.

Endlich gelingt zum ersten Male der Versuchder Funkstation des MS „Schwabenland”, mitKapitän Kirchheiß, dem Führer der Walkocherei„Wickinger” und ihrer Fangflotte, in funktelefo-nische Verbindung zu treten, obwohl der Ab-stand zwischen beiden Schiffen noch über 1.500Seemeilen beträgt. Die Verständigung ist jedoch

Tristan da Cunha — die einsamste Insel der Welt

In den Abendstunden des 9. Januar kommt diekleine Vulkaninsel Tristan da Cunha in Sicht.Die meisten Inseln des südlichen Ozeans sindvon tüchtigen portugiesischen Seefahrern An-fang des 16. Jahrhunderts entdeckt worden. As-cension, Ferando Noronha, Trinidad, St. Helena,Gough und auch Tristan da Cunha. Mit weni-gen Ausnahmen sind diese Inseln in britischemBesitz, Trinidad ist brasilianisch.

Die Insel hat folgende Geschichte: 1506 soll sievon dem portugiesischen Admiral Tristan daCunha entdeckt worden sein, dann fanden dieHolländer 1643 sie von neuem, denn die Kennt-nis ihrer Existenz war längst verloren gegangen.1767 kamen die Franzosen und 1790 amerikani-schen Pelztierjäger. Nach so vielen Besuchen sovieler Nationen hielt es England für notwendig,die Insel 1806 kurzerhand zu annektieren, siesetzten eine Garnison Soldaten, 50 Europäerund 50 Hottentotten ab. Die Garnison wurdespäter wieder aufgelöst. Nur einer blieb, derSchotte William Glass. Er ließ seine Frau nach-kommen, setzte 16 Kinder in die Welt und istder Stammvater der heutigen Bevölkerung dort.Mehr oder weniger gescheiterte Seefahrer sie-delten sich hier an. Die Frauen holte man sichvon der nahe gelegenen Insel St. Helena. Ein be-freundeter Walfänger besorgte dieses Geschäft,wie Berichte besagen. Er brachte die Frauennach Tristan da Cunha und stellte sie dort amStrand auf. Die Junggesellen kamen und kno-belten, und so kamen die Frauen „unter dieHaube”.

Auf der etwa 115 Quadratkilometer großen In-sel Tristan da Cunha leben 128 Menschen, dieKartoffel- und Obstbau und etwas Viehzuchtbetreiben und die unter der Regierung ihresSchulmeisters ein kümmerliches Leben führen.Hier passiert nichts. Die Insel hat noch nicht ein-mal eine Kabelverbindung mit der Außenwelt

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und nur selten läuft ein Schiff die Insel an undbringt Lebensmittel und Bedarfsgegenstände.Manchmal kommt eine Walkocherei, die imSchutz der Insel ihre Fangboote mit Treibstoffversorgt.

Im Abstand von 1,5 Seemeilen fährt M / S„Schwabenland” an der Insel vorbei. Inselbe-wohner scheinen das bemerkt zu haben. In denHäusern werden Lichter angesteckt. Ein Lichtgeht häufiger an und aus, offensichtlich scheint je-mand zu morsen. Die Bordfunker versuchen zuantworten; sie funken auf allen möglichen Wellenund als keine Antwort kommt, morsen sie mit derLampe auf englisch, französisch, portugiesischund deutsch. Doch es kommt keine Antwort.

Die Fahrt geht weiter. Tristan da Cunha, dieeinsamste Insel der Welt, kommt außer Sicht.

Am Morgen des 10. Januar 1939 umsegeln zumersten Mal große Albatrosse die „Schwaben-land”, die in Westdünung bei auffrischendemNordwind so stark rollt, daß man zum ersten Malwährend der Reise die Schlingerleisten an den Ti-schen befestigen muß, um Kaffeekannen, Tassenund anderes Geschirr festzuhalten.

Erfolgsgewißheit

Nach dem Frühstück findet unter Leitung vonAlfred Ritscher eine Besprechung statt, an derdie Schiffsleitung, die Wissenschaftler, die Flug-besatzungen und die Katapultführer teilneh-men. Der Expeditionsleiter liest den vollständi-gen Organisationsplan vor, der das gesamte Ar-beitsprogramm an der Eiskante enthält. Wennsich nur ein Teil davon realisieren läßt, bringtdie Expedition beachtliche Ergebnisse mit nachHause. Das Ziel ist hochgesteckt, aber erreich-bar. Viele der Anwesenden wären sicher froh,schon alles hinter sich zu haben, denn die An-forderungen im ewigen Eis der Antarktis sindgroß. Jeder ist gefordert. Jeder ist aber auch stolzdarauf, zu dem Erfolg der Expedition mit einereigenen Leistung beitragen zu können.

Ritscher glaubt fest an den Erfolg. Diese Ge-wißheit überträgt sich auf alle, die ihm zuhören.Jedes Wort ist genau bedacht, jeder Vorschlag ei-ner fliegerischen Erkundung fußt auf einem zu-vor wohl abgewogenen Für und Wider. DieDreifacherfahrung Ritschers — er ist Handels-schiffskapitän, Flugkapitän und Polarforschermit jahrzehntelanger Praxis - macht ihn zumidealen Experten für diese Expedition. Aller-dings wird nur dann alles planmäßig verlaufen,wenn sich jedes Expeditionsmitglied, vom Lei-ter herab bis zum Schiffsjungen, in jedem Au-genblick für die gesamte Expedition verant-wortlich fühlt.

Als bei der abschließenden Erörterung dernotwendigen Flugsicherheit von einem Flug-zeugmechaniker gefragt wird, was geschähe,wenn ein Flugzeug 500 Kilometer vom Eisrandentfernt notlanden müßte, sagt Ritscher: „SeienSie sicher - ich hol Sie da raus!” Er sagt diesenSatz in einem Tonfall, der letzte Zweifel besei-tigt. Jeder hat nach diesen Worten das unbe-dingte Zutrauen, im Fall eines Unglücks nichtim Stich gelassen zu werden.

„Anker klar zum Fallen”

Am frühen Abend kommt die unbewohnte InselGough in Sicht, deren oberer Teil sich ab etwa400 Meter Höhe unter einer Wolkenhaube be-findet, die Nord- und Ostseite sind jedoch klargenug, um eine Annäherung des Schiffes an dieklippenreiche Ostseite bis auf gut drei Seemei-len versuchen zu können.

Gerade im Augenblick der größten Annähe-rung an die klippenreiche Ostküste versagt derelektrische Strom und damit die Steuerablagedes Schiffes. Auf alle Fälle wird, da das Schiffschräg auf die Klippen zutreibt, jetzt sofort alseinziges und letztes Rettungsmittel zur Verhin-derung eines Unglücks der Anker „klar zumFallen” befohlen. Aber ehe es zum Ä ußerstenkommt, ist der Reservedynamo angesprungen;die Steuerung funktioniert wieder, und in ei-nem scharfen Bogen kann das Schiff den dro-henden Klippen ausweichen. Was wäre gesche-hen, wenn? Nicht auszudenken!

Die Insel Gough lädt nicht gerade zu unfrei-willigen Siedlungsversuchen ein, sie ist eintrostloser Vulkanfelsen mit einigen grünen Mat-ten zwischen dem braunroten Gestein. Hier undda ist an einigen geschützten Stellen kümmerli-ches Buschholz zu sehen.

Das einzige, was diese öde Insel offensichtlichbesitzt, ist die Vogelwelt, die in vielen Arten dieInsel mit ihrem Umfeld belebt. Vor allem Alba-trosse und Seeschwalben scheinen hier zu Hau-se zu sein. Pinguine führen in dichter Nähe desM / S „Schwabenland” scharenweise ihre Tauch-kunststücke vor.

Wenig später fegen die ersten Regenschauerüber das Wasser. Mit zunehmender Dunkelheitentschwindet bald diese letzte menschenleereInsel auf dem Weg vor dem Erreichen der ant-arktischen Gewässer den Blicken.

Wie ist die Eislage?

Mit Kurs auf Bouvet setzt die „Schwabenland”ihre Reise fort, dem Reiseziel immer näher kom-

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mend. Da die vorgerückte Jahreszeit zu jedemnur erdenklichen Mittel der Zeit- und Weg-einsparung zwingt, liegt die Frage nahe, warumRitscher nicht unmittelbar auf die West- oderOstgrenze des Arbeitsabschnitts zusteuern läßt.Er hat dafür triftige Gründe.

Im allgemeinen reicht ein mehrere 100 See-meilen breiter Treib- und Packeisgürtel vomWeddellmeer ostnordostwärts über Bouvet hin-aus. Seine Ausdehnung in der Breite und nachOsten hin ist abhängig von dem Eisvorkommendes vergangenen Winters in den antarktischenGewässern überhaupt. In eisreichen Sommernkann er noch bis 10° und 20° östlicher Länge rei-chen, in eisarmen Zeiten weicht er oft weit nachWesten zurück und ist dann mit fortschreiten-der Jahreszeit oft nur durch breite Waken in Ein-zelfelder aufgeteilt, die ein eisverstärktes Schiffmit der nötigen Vorsicht durchfahren kann, umsüdlich von etwa 62° bis 65° Süd ein Gebieteisärmeren Wassers zu erreichen.

Gespeist wird der Treibeisgürtel sowohl durchdas von Süden herangetriebene einjährige Win-tereis als auch durch aus dem Weddellmeer her-andrängende Eismassen, die sich dort in Jahrenangestaut und unter dem ständigen Druck desZuzugs aus dem Osten längs der Schelfeisküsteübereinander geschichtet und getürmt haben.Deshalb findet man in dem Treib- und Packeis-gürtel viel mehrjähriges, aus Brocken bestehen-des Packeis, das oft mit mächtigen Eisbergendurchsetzt ist und dem man deshalb weit aus-weicht.

Da die diesjährige Eislage weder Kapitän Kot-tas noch Expeditionsleiter Ritscher und auchnicht dem Eislotsen Kraul bekannt ist, würdedie Gefahr bestehen, daß das Schiff bei gerademKurs verfrüht auf den Eisgürtel treffen könnte.In diesem Fall wäre das Schiff gezwungen, längsder Eiskante weit nach Osten auszuholen, bis ei-ne Möglichkeit für einen Durchschlupf nach Sü-den gefunden wäre. Den dadurch entstehendenZeitverlust will die Schiffsleitung in jedem Fallvermeiden, sie will kurz vor dem Ziel jedes Ri-siko von M/ S „Schwabenland” fernhalten.

Bei Bouvet ist dagegen jetzt um diese Jahres-zeit damit zu rechnen, daß das Schiff ohneSchwierigkeiten südwärts an das Eis herange-führt werden kann und eine Durchbruchstellegefunden wird. Das Insichtlaufen der Insel bie-tet zudem den Vorteil, daß dadurch vor demEintritt in die Antarktis noch einmal ein genau-er Abgangsort gewonnen wird.

Die bisherige Schönwetterfahrt ist zu Ende.Ein untrügliches Zeichen dafür ist die hoheWestdünung bei Gough. Die „Schwabenland”muß sich jetzt auf die „Rauhen Vierziger” vor-bereiten.

Während das Schiff seinen Abstand zur Ant-arktis Tag für Tag verringert, sind die Wissen-schaftler und die Flugzeugführer mit ihremPersonal vollauf mit den Vorbereitungen derersten Arbeit nach der Ankunft am Ziel be-schäftigt. Der Biologe hat nach dem Kreuzendes 31. Grades südlicher Breite bereits mit sei-nen Planktonfängen begonnen. Für die Navi-gation der Flugzeuge hat der Geograph einKartennetz in Merkatorprojektion im Maßstab1 : 1 250.000 entworfen. Hiervon erhält jederFlugzeugführer eine Ausfertigung, währendein Exemplar zur Verfolgung des Flugwegesanhand der Flugfunkmeldungen als Arbeits-karte an Bord des Schiffes dienen soll. DieFlugzeuge sind fertig überholt, die Lebensmit-telvorräte als eiserner Bestand in je Zweimann-portionen für einen Monat und die Notausrü-stung für etwaige Notlandungen auf See oderim Inland in den Maschinen zweckmäßig ver-staut, so daß sogleich nach Eintreffen im Ar-beitsgebiet der Probeabschuß und der Probe-flug verbunden mit Probeaufnahmen der Rei-henbildner erfolgen kann.

Eisberge in Sicht

Von Tag zu Tag ist es merklich kühler geworden.Wollsachen ersetzen die leichtere Kleidung.Auch die Heizung wird wieder in Gang ge-bracht.

In den nächsten Tagen bleibt M/S „Schwa-benland” von dem üblichen stürmischen Wetterder „Rauhen Vierziger” wider Erwarten ver-schont. Doch immer dichter werdender Nebelund bald auch Schneetreiben zwingen dieSchiffsleitung am 14. Januar 1939 wegen der Ge-fahr eines möglichen unverhofften Zusammen-stoßes mit einem Eisberg zu verlangsamterFahrt, in der Nacht sogar zum Treiben ohne Ma-schinenkraft.

Erst gegen Morgen des 15. Januar klart es wie-der auf. Dem wachhabenden 3. Offizier gelingteine gute Ortsbestimmung, nach der das Schiffnoch etwa 30 Seemeilen von der Insel Bouvetentfernt ist.

Mittags taucht die Vulkaninsel Bouvet unterihrer zweihundert Meter dicken Eisdecke alsrechtes Eingangstor zur Antarktis aus dem Ne-bel auf. Ihr südlicher Teil, gegen dessen zerris-sene Steilhänge die Brandung mit lautem Getö-se anrollt, liegt im grellen Sonnenschein, der sel-ten sichtbare höhere nördliche Teil unter einerdichten Nebelkappe. Dicht unter der Südküsteder Insel treibt ein einzelner Eisberg, der seinerForm nach von Gletscherbrüchen der Inselstammt. Es ist der erste Eisberg, den die Expe-

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ditionsteilnehmer der „Schwabenland” sehen,doch sicher nicht der letzte.

Von Bouvet besonders begeistert ist KapitänKottas. Er ist zumeist in den Tropen und inwarmen Ländern gefahren und hat Eis nie ge-liebt. Er hat es nie verstanden, warum sich Leu-te ausgerechnet mit Steigeisen und Seilen aufGletschern erholen wollen, wo es doch so schö-ne warme Plätzchen auf der Erde gibt. Jetzt,nachdem er Bouvet gesehen hat, das einen ge-waltigen Eindruck auf ihn macht, beginnt erdas Eis zu lieben. Er wird noch Berge davon se-hen.

M/S „Schwabenland” setzt seine Fahrt fort,um die geeignetste Durchbruchstelle durch denzu erwartenden Packeisgürtel nach der Schelf-eisküste hin zu finden. Die Zahl der Eisberge,denen die „Schwabenland” aus dem Weg geht,vermehren sich zusehends, am Morgen warenes 26, am Nachmittag 53, darunter einige großeund gefährliche, deren Ausmaße auf einen Kilo-meter Länge und etwa 20 Meter Höhe geschätztwerden. Es sind zumeist Tafeleisberge. Einigelassen auf die Herkunft aus westlicheren Ge-genden schließen, wahrscheinlich aus demWeddellmeer. Vom Packeisgürtel ist noch nichtszu sehen.

Die Heimatpost geht ab

Wiederholt haben die Funker der „Schwaben-land” versucht, funktelefonische Verbindungmit der deutschen Walkocherei „Wickinger”aufzunehmen, um endlich die Funkröhren los-zuwerden, die aus Hamburg mitgebracht wur-den und die für die Walkocherei bestimmt sind.

Am 14. Januar war abgesprochen worden, daßder Tanker „Anna Knudsen”, der „Wickinger”mit Treibstoff versorgt, die Röhren am 17. Janu-ar in Empfang nehmen soll. Sogar der genaueZeitpunkt und der Treffpunkt sind vereinbartworden.

Nach den Vorausberechnungen von Kurs undGeschwindigkeit des Expeditionsschiffes unddes Tankers sollen beide Schiffe am Nachmittagum 15.30 Uhr auf etwa 63° Süd, 3,5° Ost zusam-mentreffen.

Und tatsächlich, es klappt. Um 15.30 Uhr sich-tet Alfred Kottas „Anna Knudsen” backbordvoraus. Der Tanker kommt schnell näher. Der„Schwabenland"-Kapitän hat noch eine andereVereinbarung getroffen: „Anna Knudsen” solldie Briefe und Karten mitnehmen, die von denExpeditionsmitgliedern in den letzten Tagen ge-schrieben wurden. Das ist die erste Post vondem fast erreichten „Ende der Welt” nachDeutschland.

Um 17 Uhr legt der Geograph Dr. Ernst Herr-mann als „Schwabenland"-Postbote mit demschiffseigenen Motorboot ab und liefert wenigspäter die Post und die Funkröhren auf demTanker ab, nicht ohne dem Kapitän und derMannschaft eine „Gute Fahrt in die Heimat” zuwünschen.

Als er wieder an Bord kommt, hat Dr. Herr-mann noch etwas mit. Sieland, der 1. Koch, hat-te den Funkern aufgetragen, bei ihrem Telefonatmit „Wickinger” ein Walfilet zu bestellen. Die-sen Wunsch hat „Anna Knudsen” gern erfüllt.Noch am Abend wird das Fleisch in der Bord-küche zubereitet, danach erst zaghaft, doch neu-gierig, dann aber mit großem Genuß verspeist.

Drei Kapitäne und ein Schifff

Die Nacht zum 18. Januar 1939 ist so hell, daßvoraus bis an den Horizont die Wasserflächenoch klar zu sehen ist. Die Lufttemperatur liegtknapp über dem Gefrierpunkt, obwohl schonfast der südliche Polarkreis erreicht ist. Denäußeren Packeisgürtel müßte das Expeditions-schiff längst hinter sich haben, doch seltsamer-weise ist weder Treibeis noch Packeis zu sehen.Es fehlen auch noch alle Anzeichen für die Nähedes inneren Packeisgürtels.

Auch der Schneesturmvogel, ein schnee-weißer schnittiger Luftsegler, der am Morgenam Schiff vorbeigeflogen war, brachte keineKlarheit. Von diesem Vogel sagt man, er würdesich höchstens 80 bis 100 Seemeilen von derPackeisgrenze entfernen. Doch seit seinem Er-scheinen hatte die „Schwabenland” bereits weitmehr als 100 Seemeilen zurückgelegt, ohne daßder helle Reflex des Eises am Wolkenhimmel,den man Eisblink nennt, zu erkennen gewesenwäre.

Da die Eisberge merklich abgenommen habenund die Eislage günstig ist, kann das Expediti-onsschiff ohne Gefahr mit voller Kraft weiter-laufen. Der Kurs führt über den östlichen Teilder Maud-Bank auf 65° Süd, wo Tiefen von2.000 Meter gelotet werden. Die geringsten Tie-fen von bis etwa 1.200 Meter liegen 30 bis 40 See-meilen westlicher.

Auf einem Eisberg, der von Bord des M/S„Schwabenland” gesichtet wird, hocken großeScharen von Pinguinen. In ihrer Mitte, alle über-ragend, ein stattlicher Kaiserpinguin.

Inzwischen ist der 18. Januar vorüber und der19. bereits drei Stunden alt. ExpeditionsleiterKapitän Ritscher treibt die Unruhe aus seinerKoje. Er begibt sich auf die Kommandobrückezu Schiffsführer Kapitän Kottas. Auch der Eis-lotse Kapitän Kraul befindet sich bereits seit ei-

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ner Weile dort; ihn hat die Unruhe ebenfalls ge-packt.

Nach der Norvegia-Karte, die die drei Kapitä-ne mit dem Patent für „Große Fahrt” gemein-sam einsehen, muß in der Gegend, in der sichdas Schiff jetzt befindet, die Schelfeisküste lie-gen. Die letzte Mittagsposition am Vortag, dem18. Januar, war 66° 8' Süd gewesen. Seitdem istdas Schiff schon wieder zwölf Stunden mit vol-ler Kraft gefahren.

Die Ungeduld bei den drei Kapitänenwächst. Nach einer kurzen Beratung erfolgt ei-ne Kursänderung von Süd nach fast West.Man will sehen, wie weit das Schiff auf dieserbisher kaum je vorher erreichten Breite von 69°Süd in den undurchdringlichen Westen vor-stoßen kann.

Dort im Westen liegt das Weddellmeer, dasbisher nur ein einziger Mensch eisfrei gesehenhat, der Entdecker Weddell, dem es 1823 ge-lang, bis 75° 30' Süd vorzudringen. Nach ihmist es trotz eifrigster Versuche noch nieman-dem gelungen, dieses fürchterlichste allerMeere zu befahren. Dafür sind mehrere Schif-fe bekannt, die hier von Eisschollen zer-quetscht und zerschlagen wurden, so zum Bei-spiel Otto Nordenskjölds „Antarktic” (1903)und Shackletons „Enduranca” (1915). Dage-gen konnten sich Filchners „Deutschland”(1911) und das englische Expeditionsschiff„Discovery II” (1932) in größter Not retten.Doch bis zum Weddellmeer will die „Schwa-benland” nicht.

Um 4.30 Uhr morgens zeigt ein niedriger grell-weißer Dunststreifen am Horizont steuerbordvoraus die Packeisgrenze an. Der Expeditions-leiter ist erleichtert. Er läßt sofort den Kurs auf70° Süd, 5° West ändern, um nun an die West-grenze des vorgesehenen Arbeitsgebietes zu ge-langen. Die Mittagsbeobachtung ergibt denSchiffsort 69° 9' Süd, 0° 6' West. Jetzt ist auchvoraus schon der weiße Horizontstreifen inSicht.

Zwei Stunden später befindet sich M/S„Schwabenland” vor der Packeisgrenze, die sichvon hier aus unabsehbar weit nordwärts hin-zieht, während nach Süden hin eine Ansamm-lung von Tafeleisbergen die dichte Nähe derSchelfeisküste anzeigt.

Der Ruf „Eis voraus!” auf und unter Deck desExpeditionsschiffes hat viele veranlaßt, sich anOberdeck zu begeben. Offiziere stehen auf demPeildeck, Wissenschaftler und andere auf derBrücke, und auch das Oberdeck ist voller Schau-lustiger, die über das seit langem gefürchteteund zugleich ersehnte Eis staunen. Es ist faszi-nierend, was hier zu sehen ist: eine höher undhöher werdende, nach rechts und nach links

sich unabsehbar fortsetzende Eiswand, die keinEnde zu haben scheint.

Ist M/S „Schwabenland” am Ziel? Kann mor-gen die Arbeit beginnen? Oder heute noch?

Am Ziel: Der erste Probeflug

Expeditionsleiter Ritscher entscheidet, nochheute mit der Arbeit, mit einem Probeflug, zubeginnen. Im Laufe des Tages sind beide Flug-zeuge abschußklar gemacht worden.

Den ersten Probeflug, der der Erprobung allerInstrumente und Bordgeräte und der Eiserkun-dung dient, wird von „Boreas” vorgenommen.Es herrscht so etwas wie eine Generalproben-stimmung, als der Abschuß des Flugzeugs anBord der „Schwabenland” vorgenommen wird.

Flugkapitän Richardheinrich Schirmacherklettert ins Flugzeug, Flugzeugmechaniker KurtLoesener, Funker Erich Gruber und LichtbildnerSiegfried Sauter folgen. Die Türen werden ge-schlossen.

„Boreas” ist startbereit. Am Katapult steht derWerkmeister der Startmannschaft Herbert Bolle.Er wartet auf das Aufleuchten des Signallämp-chens, das vom Flugzeugführer eingeschaltetwird. Als es aufflammt, legt er den Hebel um.Im nächsten Augenblick rast „Boreas” die Gleit-bahn hinaus. Der Abschuß ist gelungen.

Es ist ein bemerkenswerter historischer Au-genblick: Das erste deutsche Flugzeug über derAntarktis!

Gegen 17.30 Uhr kehrt „Boreas” von seinemeinstündigen Probeflug zurück. Auch die An-bordnahme des Flugzeugs klappt tadellos.Doch der Flugzeugführer bringt eine überra-schende und aufregende Neuigkeit mit.

Der Eisrand, an dem das Expeditionsschiff sei-nen Liegeplatz hat, gehört nicht zu der Schelf-eisküste. Diese ist vom Schiff noch durch eine et-wa 50 Kilometer breite, mit Packeis, das sich un-absehbar weit nordwärts und westwärts er-streckt, durchsetzte Wasserfläche getrennt. Einebreite gewundene Wake bietet jedoch die Mög-lichkeit, das Schiff weiter nach Westen zu verle-gen.

Expeditionsleiter Ritscher und der EislotseKraul halten eine Verlegung des Schiffes weiternach Westen für einen Vorteil und bei windstil-lem Wetter für verantwortbar; sie lassen dasSchiff in die Wake einsteuern. Bei vorsichtigerFahrt in der sommerhellen Nacht kann dasSchiff bis zu der Position 69° 14' Süd, 4° 30' Westvordringen. Dort aber gebietet das dicht ge-schlossene Packeis Halt.

Jetzt erst ist M / S „Schwabenland” am Ziel sei-ner Reise.

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Die Entdeckung vonNeu-Schwabenland

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DIE ENTDECKUNG VON NEU-SCHWABENLAND

Die Flugboote sind gerüstet

19. Januar 1939. Alfred Ritscher blickt währenddes Abendessens an Bord der „Schwabenland”immer wieder auf seine Uhr. Für 19 Uhr hat erdie beiden Flugkapitäne Mayr und Schirmacherund den Eislotsen Kraul zu einer Besprechunggebeten.

Kurz nach dem vereinbarten Zeitpunkt treffensich die vier Männer, die vor der wichtigstenPhase der Expedition stehen, der Entdeckungeines Teilgebietes der Antarktis, nach Vorausbe-rechnungen etwa so groß wie das DeutscheReich. Dieses Gebiet hat bisher noch keinMensch gesehen, es gehört niemandem, es istherrenloses, mit Eis bedecktes Land. Niemandweiß, was sich unter diesem Eis verbirgt.

Flugzeuge sollen es „entdecken”, deutscheFlugzeuge: „Boreas” und „Passat”, stationiertauf dem schwimmenden Flugzeugstützpunkt„Schwabenland” der Deutschen Lufthansa.

Der Expeditionsleiter bittet zunächst Flugka-pitän Schirmacher, Pilot des Flugbootes „Boreas”,um einen Bericht über den vor wenigen Stundenerfolgten einstündigen Probeflug von 16.22 Uhrbis 17.22 Uhr. In diesem vermerkt Schirmacher:„Es erwies sich [...] als notwendig, die gesamteAusrüstung anders zu verteilen, da die Maschinedurch den achteren Fotoeinbau doch rechtschwanzlastig geworden war. Des weiteren muß-ten die Kühler weiter abgedeckt werden." 5

Der Flugkapitän weist darauf hin, daß dasRüstgewicht des Zehn-Tonnen-Wales „Boreas”6.336 Kilogramm beträgt. Im Rüstgewicht ent-halten ist die Seeausrüstung, bestehend aus ei-

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

nem Treibanker, der Treibankerleine, derTreibankerrückholleine, einem Wirbelschäkel,zwei Wurfleinen, einem Schlauchboot, einemBeil, einem Werkzeugkasten für Reparaturenwährend des Fluges und einer Bordapotheke.

Hinzu kommt zusätzliches Gewicht, das sichergibt aus Brennstoff für 15 Stunden, 4.200 Liter,Reservewasser, navigatorische Ausrüstung, Fo-togeräte, 50 Abwurfpfeile und zehn Abwurf-flaggen, vier Mann Besatzung in Polarkleidungund die Polarausrüstung im Falle einer Notlan-dung. Das Fluggewicht des Flugbootes „Bo-reas” beträgt insgesamt 4.180 Kilogramm.

Die navigatorische Ausrüstung des Flugboo-tes besteht aus einem Sextanten, einem Abtrift-messer, einem Sonnenkompaß, einem Sonnen-stift, einem Fernglas, einer nautischen Tafel, ei-ner Karte 1 : 250.000, einem Logbuch, einemZirkel, einem Dreieck, einem Bleistift und ei-nem Radiergummi.

Die Bekleidung der Besatzung während desFluges setzt sich wie folgt zusammen: wollenesUnterzeug, lange Skihose, Leinenhemd, Pull-over, Wollsocken, Pelzschuhe, Pelzhandschuhe,Lederpelzkappe. Als Überanzug nimmt derFlugbootkapitän und auch der Funker die See-hundskombination, die Mechaniker und Foto-grafen die Pelzlederkombination, die Mechani-ker und Fotografen ihre Seehundkombinationmit der Ausrüstung mit. Außerdem trägt jederMann der Besatzung eine Schwimmweste.

Beide Flugboote sind auch für eine Notlan-dung gerüstet. Folgende Notausrüstungsge-genstände befinden sich an Bord jeder Maschi-ne: zwei Zweimannzelte, vier Schlafsäcke mitGummimatratzen, ein Schlitten mit Abdeckpla-ne und 20 Meter Zugseil, vier paar Skier, einEispickel, zwei Primuskocher mit zwei Ersatz-brennern und Zusatzgeräte, ein Liter Brennspi-ritus, zehn Liter Petroleum, ein Gewehr mitZielfernrohr, Gewehrputzzeug, 100 SchußSchrot, 50 Schuß Kugel, zwei Kanister Leucht-munition grün-weiß-rot, eine transportableKurzwellenstation, eine Notapotheke, vier be-packte Rucksäcke.

Jeder Rucksack beinhaltet: ein Messer, einenNähbeutel, eine Schneeschaufel, in Eßbesteck,ein zehn Meter lange Leine, eine Ersatzskibin-dung, ein Päckchen Makrobiotik, Skiwachs, einPaar Seehundfelle, ein Paar Schneereifen, einPaar Gamaschen, zwei Paar Skihandschuhe, ei-ne lange Wollunterhose, ein Wollunterhemd,ein Trinkbecher und eine Zahnbürste.

Eingehend wird vom Expeditionsleiter nocheinmal das Thema Notlandung angesprochen.Bei den geplanten Fernflügen wird mit einerFlugdauer von bis zu neun, zehn Stunden ge-rechnet.

Was kann die Flugbootbesatzung bei einerNotlandung tun, wie kann sie überleben?

Bei einer Wasserlandung könnte sie mit demMotorboot der „Schwabenland” abgeholt werden.

Bei einer Notlandung landeinwärts, einemBruch der Maschine oder wenn das Flugboot inFlammen aufgeht, müßte über Funk der Startdes zweiten Flugbootes angefordert werden,um die Suche aufzunehmen. Diese wird da-durch erleichtert, daß die Flugboote den vorge-schriebenen Kurs einhalten und jede Kursän-derung mit genauer Zeitangabe der „Schwa-benland” per Funk melden, damit der Expedi-tionsleiter jederzeit weiß, wo sich das Flugbootbefindet.

Wird der Einsatz des zweiten Flugbootes not-wendig, dann fliegt es mit dem gleichen Kurswie das erste, ändert die Richtung nach den an-gegebenen Minuten und kann durch Vergleichder verschiedenen Geländeformen Richtungund Ziel noch genauer festlegen.

Sowohl „Boreas” als auch „Passat” sind mit ei-ner Lebensmittel-Notausrüstung versehen. DerNotproviant für vier Wochen ist in tägliche Ra-tionen aufgeteilt, die für je zwei Mann in Leinen-beuteln verpackt sind. Jeder Leinenbeutel enthält255 Gramm Pemmikan, 250 Gramm Schwarz-brot,115 Gramm Zucker, 56 Gramm Hafermehl,50 Gramm Schokolade, 50 Gramm Erbswurst, 40Gramm Speck, 15 Gramm Tee, 25 Gramm Butter,20 Gramm Trockenmilch, 15 Gramm Kakao, 20Gramm Gewürze und zwölf Zigaretten.

Nach dem mehrstündigen Gespräch ist Expe-ditionsleiter Ritscher beruhigter als zuvor. Erhat sich davon überzeugen lassen, daß allesMenschenmögliche für die Sicherheit der Flug-zeugbesatzungen getan worden ist. Zwingendnotwendig ist es, daß sich die Flugzeugführerund Besatzungen an die Vorgaben für jedenFlug und ständige Funkverbindung mit demExpeditionsleiter auf der „Schwabenland” hal-ten. Es ist vereinbart, daß jeweils nur ein Flug-zeug startet, und erst wenn dieses sich auf demRückflug befindet oder schon gelandet ist, daszweite Flugzeug Starterlaubnis erhält.

Als der Expeditionsleiter die beiden Flug-zeugführer und den Eislotsen Kraul verab-schiedet, blickt er noch einmal auf seine Uhr:„Vielen Dank für das Gespräch - in vier Stun-den sehen wir uns wieder!”

„Boreas” startet zum ersten Fernflug

Mitternacht ist vorüber. Der 20. Januar 1939 hatbegonnen. Seit einigen Stunden bemüht sichder 1. Meteorologe, Dr. Herbert Regula, für dienächsten 24 Stunden um verläßliche Wetterda-

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DIE ENTDECKUNG VON NEU-SCHWABENLAND

ten, die über seine eigenen Beobachtungen hin-ausgehen. Täglich um 20 Uhr übermittelt derSender Quickborn Wetterdaten für die Walfän-ger, die Dr. Regula regelmäßig abhört.

Um 3 Uhr hat Regula alle Daten zusammen,er sagt für die nächsten 15 Stunden sehr schö-nes Wetter voraus. Diese Wettervoraussage istfür den Flugkapitän und die Besatzung desFlugbootes „Boreas” die erste erfreuliche Nach-richt des noch frühen Tages. Die Besatzung,Flugkapitän Richardheinrich Schirmacher,Flugzeugmechaniker Kurt Loesener, FunkerErich Gruber und Luftbildner Siegfried Sautersind bereits seit 2 Uhr dabei, ihr Flugzeug fürden ersten Fernflug zu betanken und für denStart vorzubereiten.

Um 4 Uhr morgens steht die Sonne hoch amHimmel, denn auf 69° Süd, dem Liegeplatz desM/S „Schwabenland”, scheint Ende Januar dieMitternachtssonne am glasblauen wolkenlosenHimmel. Es ist zwar antarktischer Sommer, aberdennoch ist es empfindlich kalt. Die beiden „Sa-lon"-Stewards, Wilhelm Malyska und RudolfStawiki, die auch schon auf den Beinen sind, stel-len an Oberdeck heißen Kaffee auf den Tisch.

Flugkapitän Schirmacher mit seiner dickenPelzkleidung blickt, während er den dampfen-den Kaffee genießt, um sich. Tatsächlich, dasWetter kann für seinen ersten Fernflug über et-wa neun Stunden nicht besser sein. Uber derEislandschaft wölbt sich der wolkenlose Him-mel. Kein Luftzug ist hier inmitten der Eisland-schaft zu spüren. Da und dort liegen einigeRobben träge auf den Eisschollen, sie lassensich durch die Anwesenheit des Schiffes nichtstören und auch später nicht durch das Don-nern der Flugzeugmotoren.

Als sich alle Besatzungsmitglieder an Borddes „Boreas” befinden, befiehlt Expeditionslei-ter Alfred Ritscher um 4.38 Uhr den Abschußdes Flugbootes.

Die Motoren heulen auf, lassen wieder nach,heulen erneut auf, dann rast auch schon das elfTonnen schwere Flugboot die Gleitbahn ent-lang, hebt mustergültig ab und saust in die freieLuft. Nach einer „Ehrenrunde” um M/S„Schwabenland” braust das Flugboot auf sei-nem Flug polwärts.

Die an Bord der „Schwabenland” Zurückblei-benden sehen dem Flugboot teils mit Sorge,teils auch mit einer Spur von Neid, jeder abermit höchster Spannung nach. Noch nie habenMenschenaugen gesehen, was weit hinter demEis dieser antarktischen Küste und hinter denGipfeln der eisüberzogenen Gebirgszüge ver-borgen ist. Die vier Männer an Bord des „Bo-reas” werden die ersten Menschen sein, die dasbisher Verborgene zu Gesicht bekommen.

Ein weiteres Mal erlebt der Flugzeugstütz-punkt M / S „Schwabenland” auf seiner Antark-tischen Expedition ein historisches Ereignis:Mit dem geglückten Abschuß des Flugbootes„Boreas” beginnt am 20. Januar 1939 um 4.40Uhr morgens das wissenschaftliche Hauptpro-gramm der Expedition, die Erkundung des ant-arktischen Sektors zwischen 10° West und 20°Ost in einem Gebiet, das nie zuvor von Flug-zeugen überflogen wurde und das noch nie einMensch gesehen, geschweige denn betretenhat.

Der Flug erfolgt nach einem zuvor exakt aus-gearbeiteten Plan. Ritscher schrieb darüber inseinem Expeditionsbericht: „Der Flugweg mitden zu steuernden Kursen, Umkehrpunktenund Entfernungen war im Organisationsplangenau vorgeschrieben; Abweichungen davondurften nur wenn die angetroffenen Verhältnis-se dazu zwangen auf eigene Verantwortungdes Flugzeugführers vorgenommen werden.Vorgesehen war, vom Schiff aus 880 km recht-weisend Süd zu steuern, dann 30 km rechtwei-send Ost und dann den Rückweg mit rechtwei-send Nordkurs parallel zum Hinflug zu neh-men. Diese zu umfliegenden Rechtecke sollteneins an das andere ostwärts mit je 50 km Ab-stand voneinander anschließen. Der Anord-nung lag die Reichweite der Flugzeuge und dieder Reihenmeßbildkammern zugrunde. Auf je-dem Flug konnte theoretisch unter günstigstenUmständen aus einer Flughöhe von 3.000 müber Grund ein Gelände von rund 200.000 qkmaufgenommen werden. Natürlich war ich mirdarüber klar, daß die Spitzenleistung nicht er-reicht werden könnte, weil mit einem Anstiegdes Geländes im Innern bis auf 4.000 m gerech-net werden mußte und die Steigleistung derFlugzeuge kaum 4.000 m übersteigen würde.Aber bei bescheidener Schätzung konnte jederFlug wohl wenigstens etwa 65.000 qkm imLichtbild erfassen. Jeder Punkt der umflogenenRechtecke würde so mindestens zweimal, vieledreimal und nur das Randgebiet jenseits derSüdgrenzen der Rechtecke sowie der Westgren-ze jenseits des westlichsten und der Ostgrenzejenseits des östlichsten Rechtecks einmal mitden sich um 60 % überlappenden Aufnahmengedeckt werden. Das sicherte die Grundlage füreine fotogrammetrische Vermessung unter Ver-zicht auf eine unnötige größte Genauigkeit, dienur auf dem Wege der Triangulation zu errei-chen gewesen wäre; eine solche hätte aber zurVoraussetzung gehabt, daß nach ihrer geogra-phischen Lage genau bekannte Geländepunktein genügender Zahl zur Verfügung standen.Für unsere Vermessungsflüge hatten wir indes-sen als einzige Bezugspunkte nur die Abschuß-

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":fl,Re,e

Vorbereitung des Abschusses eines Flugbootes durch das technische Personal So sah die Ausrüstung

Beim Abschuß ist die Flugbootbesatzung einem heftigen Druck ausgesetzt. Nach dem Wassern: Mit,,Boreas "am Schelfeis

Glücklich wieder am Flugbootmutterschiff gewassert Flugboot„Boreas " mit Expeditionsleiter Expeditionsleiterk

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fiir einen Fotoflug aus. Die Krananlage der „Schwabenland” muß vor dem Start des Flugbootes umgelegt werden.

and Die Besatzung setzt ihren Fuß an „Land". Flugkapitän Mayr, Flugmechaniker Preuschoff und Flugfunker Ruhnke auf dem Eis

cher wirdfür die Anbordnahme vorbereitet. Der umklappbare Kran hebt das Flugboot zum nächsten Start auf die Katapultanlage Katapultanlage.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

positionen der Flugzeuge, die Angaben ihrerbarometrischen Höhenmesser und die verän-derliche Flugzeuggeschwindigkeit."'

Während des Fluges steht „Boreas” in ständi-gem Funkkontakt mit dem Schiff, alle 15 Minu-ten läuft auf der „Schwabenland” eine Meldungüber Position und Vorkommnisse ein. AlfredRitscher studiert diese Meldungen sehr genau;sie zeigen, daß vor den Augen der „Boreas"-Be-satzung ein geographisch außerordentlich inter-essantes Gebiet liegt. Bis etwa 50 Kilometerlandeinwärts reicht ebenes Schelfeis, dann folgtallmählich ansteigendes blau-grün-weißesFirneis mit zumeist glatter Oberfläche, auf demdie im Winter darüber hinweggebrausten Stür-me nur eine dünne harte Schneeschicht zurück-gelassen haben. Aus dem Firneis ragen erst ver-einzelt, dann häufiger, hohe zackige oder nied-rigere rundlich abgeschliffene Nunatakker, wei-ter landein Berge mit messerscharfen zerhack-ten Rücken und spitzgipflige Gebirge auf. Süd-lich von ihnen erhebt sich hinter einer stellen-weise zutage tretenden schroffen, felsigen Steil-wand in sanfter Wölbung das über 4.000 Meterhoch ansteigende Inlandeis, das sich westlichvon dem Gebirgskomplex fast ohne Unterbre-chung durch felsige Gebilde ziemlich gleich-mäßig zum Schelfeis hin senkt. Nach Ostenaber, durch ein zweites Gletscherbecken vonden überflogenen Gebirgen getrennt, verliertsich eine 60 bis 100 Kilometer breite Kette vonnordsüdlaufenden Bergstöcken und Gebirgs-massiven in unabsehbarer Ferne.

600 Kilometer südlich von der „Schwaben-land” muß „Boreas” umkehren. Auf dem Rück-flug, der wie angeordnet um 11 Uhr angetretenwird, bemerkt der Lichtbildner plötzlich, daßdas Steuerbordmeßgerät ausgefallen ist. DieMission wird abgebrochen und Kurs auf M/ S„Schwabenland” genommen.

Während des Uberfliegens bekommen auffal-lende Berge und Gipfel sofort ihrer Form ent-sprechende Namen wie „Kugel”, „Kegel”,„Matterhorn”, „Klotz”, „Hasenrücken”, „Napf-kuchen”, „Teufelswand” und dergleichen. Die-se Angaben werden in die vorbereitete Arbeits-karte an Bord des Schiffes eingetragen und da-durch nicht nur ein ungefähres Kartenbild ge-wonnen, sondern auch für den Fall einer Not-landung des Flugzeugs ein wertvolles Hilfs-mittel zu seiner sicheren Wiederauffindungdurch das Reserveflugzeug und damit zur Ret-tung seiner Besatzung oder schlimmstenfalls zuihrer Versorgung mit Material und Lebensmit-teln geschaffen.

Nach einer Flugzeit von acht Stunden und 57Minuten erreicht „Boreas” um 13.35 Uhr denFlugzeugstützpunkt „Schwabenland”. Als das

Flugboot in der Nähe des Schiffes wassert, wirdihm ein festlicher Empfang bereitet. Die ganzeBesatzung steht am Heck der „Schwabenland”und sieht zu, wie das Flugzeug aufgenommenwird. Katapultführer Wilhelm Hartmann stehtam Kran und hebt den elf Tonnen schweren„Boreas” mühelos aus dem Wasser. Für alle, diezuschauen, ein großer Augenblick.

Als die Flugbesatzung ausgestiegen ist, wirdsie sofort umringt: „Was habt ihr alles gese-hen?” - „Wie war's?” - „Ist es kalt dort?” Soschwirren die Fragen über Deck und übertönendie schnurrenden Filmkameras, die den histori-schen Augenblick der Rückkehr des Flugbootes„Boreas” vom ersten Fernflug am 19. Januar1939 im Bild festhalten.

Dann die Hiobsbotschaft des LichtbildnersSiegfried Sauter über den Ausfall der Reihen-bildkamera. Gründe dafür weiß er nicht. SeineVermutung: Die Welle ist gebrochen. Da keineErsatzkamera vorhanden ist, muß schnellstensrepariert werden. Der Werkmeister Herbert Bol-le, der technische Assistent Walter Krüger, derLuftbildner Max Bundermann von der „Passat”und Siegfried Sauter beheben in Nachtarbeitden Schaden und machen die Kamera wiederflott; sie funktioniert von da an während derweiteren Flüge des „Boreas” einwandfrei.

MIS „Schwabenland” in der Eisfalle

Während sich das Flugboot „Boreas” noch aufdem Rückflug befindet, gerät M / S „Schwaben-land” in eine äußerst bedrohliche Lage. Die Eis-lage um das Schiff herum hat sich sehr raschverändert. Zunehmender stürmischer Windund der Strom haben das Eis und die Wake, inder sich das Schiff befindet, so zusammenge-schoben, daß die Gefahr besteht, vom Eis zer-drückt zu werden. Von der Kommandobrückeder „Schwabenland” ist kein offenes Wassermehr zu erkennen. Das Wasser der Wake ist of-fensichtlich gänzlich mit Eis gefüllt. Sollte sichdies bestätigen, wäre das Schiff verloren. Daszurückgekehrte Flugboot „Boreas” meldet aber,daß eine gewundene Wake vielleicht noch ei-nen Ausweg nach Osten möglich macht.

Alfred Ritscher gibt dem um 13.10 Uhr von„Schwabenland” zu einem Probeflug abge-schossenen Flugboot „Passat” über Funk dieAnweisung, die Eislage zu erkunden und fest-zustellen, ob und wie sich das Schiff aus derEisumklammerung befreien könnte.

Flugkapitän Rudolf Mayr und seine Besat-zung lösen diese Aufgabe hervorragend. In im-mer wiederholten Anflügen fliegt „Passat” vorder „Schwabenland” her, entlang einer schma-

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Ein Kaiserpinguin ist gefangen wordenund wird mit an Bord des „Boreas "genommen.

Flugkapitän Rudolf Mayr pflanzt mit seinem MechanikerFranz Preuschoff und seinem Funker Herbert Ruhnke dieReichsflagge zum Zeichen der völkerrechtlichen Inbesitz-

nahme Neu-Schwabenlands in der Westbucht auf.

Bis zu vier Meter dick ist die Eisplatte des Schelfeises, anderen Kante der „Passat ” als erstes deutsches Flugzeug in ei-

nem Eisfjord wassert.

Auf Tuchfühlung mit einem „Eingeborenen "—der Flugzeugmechaniker Franz Preuschofff '

Nur an wenigen Stellen ist die Schelfeiskante niedriggenug,um „Land” betreten zu können. Meist steigt ein über

30 Meter hoher Steilhang aus dem Meer auf

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len, nur von oben erkennbaren eisfreien Was-serstraße, die sich mit vielen Windungen in öst-licher und südöstlicher Richtung durch dasPackeis windet, und lotst so auf einem etwa 20Seemeilen langen Wasserweg das gefährdeteSchiff aus der Eisfalle, in der es steckt. Dieser 20-Meilen-Fahrweg stellt an das seemännischeKönnen von Kapitän Kottas und seinen Deckof-fizieren hohe Anforderungen. Immer wiederwird das Schiff von kräftigen Stößen erschüttert,die von tief gehenden Eisbrocken hervorgerufenwerden. Die eisverstärkte „Schwabenland”kommt aber ohne Beschädigungen davon.

Der Vorfall beweist auch die richtige Beurtei-lung der Eisverhältnisse durch den EislotsenKraul. Waken, offene Wasserstraßen durch dasPackeis, werden künftig nicht mehr genutzt.

Über die Gefahr, die das Eis der Antarktis fürdie „Schwabenland” bedeutete, berichtet Rit-scher: „Die Durchfahrt durch das mit Eisbergenund schweren Brocken durchsetzte Packeisfeldhätten wir bei auffrischendem Winde mit unse-rem eisernen Schiff nur mit einem erheblichenRisiko erzwingen können. [...] Denn ein Eisfeldvon vielen hundert Kilometern Ausdehnungnach allen Seiten ist in dauernder Bewegung,aber nicht als einheitliches Ganzes, da es ausdicken und dünnen Schollen, aus Brockeneisund Eisbergen verschiedenster Größe bestehtund die Bewegung dieser Einzelbestandteile jenach ihrem Tiefgang durch den Unterstrom oderden Oberflächenstrom oder den Wind bestimmtwird. Eisberge, die mehrere hundert Meter Tief-gang haben können, da 5

/6 bis 6/7 ihrer Masse un-

ter Wasser liegt, stemmen sich deshalb oft derBewegung des Scholleneises mit der Geschwin-digkeit des Oberflächenstromes plus der desUnterstromes entgegen, stauen es vor sich aufund schieben und türmen es nun mit elementa-rer Gewalt zu Hümpeln und Pyramiden mit denbizarrsten Formen übereinander. Diese Gebildemit ihren zackigen Fundamenten und weit unterWasser vorspringenden Spornen lösen sichdann wieder von den Eisbergen, durchsetzendas Pack- und Treibeis und überdauern oft mehrals einen Winter; die zusammengepackten Mas-sen sind härter als Granit und bedeuten für jedesSchiff den Tod, das zwischen sie gerät und sichihrer alles zermalmenden Gewalt nicht rechtzei-tig entziehen kann. Wir begnügten uns alsokünftig damit, unsere ,Schwabenland' nur sodicht wie möglich an die äußere Packeisgrenzeheranzulegen und paßten gut auf, daß wir denRücken immer eisfrei behielten.

Auch die Wissenschaftler sind am 20. Januarnicht untätig. So erledigt der Ozeanograph dieReihenmessungen für Temperatur und Salzge-halt des Seewassers auf der ersten hydrogra-

phischen Station: Eine Lotung mit Grundprobeergibt 2.000 Meter. Der Biologe nutzt die Zeitfür Planktonfänge mit dem Brutnetz, und auchsonst sind verschiedene Aktivitäten an Bord zubeobachten.

Auf der Brücke wird die nächste Abschußpo-sition ostwärts auf 68° 43' Süd, 2° 53' West vor-verlegt, und um 23 Uhr erreicht das Schiff dieneue Abschußposition.

Den Abschuß des nächsten Flugbootes hatRitscher für den nächsten Morgen, den 21. Ja-nuar, um 4.56 Uhr vorgesehen; zum Einsatz sollzunächst das Flugboot „Passat” mit Flugka-pitän Rudolf Mayr und den Besatzungsmitglie-dern Franz Preuschoff, Herbert Ruhnke undMax Bundermann kommen.

„Passat” wird zum Fernflug abgeschossen

Am 21. Januar um 4.56 Uhr wird wie geplant„Passat” mit seiner Stammbesatzung von derPackeisgrenze, etwa 100 Kilometer nördlichvom Schelfeisrand, zum Fernflug abgeschos-sen.

Nach dem gelungenen Katapultschuß wirdim starken Steilflug geflogen. Das mit 10.700 Ki-logramm stark überladene Flugboot steigt sehrschlecht.

Als bald nach dem Abflug über Land dieTemperatur um 14 Grad fällt, bemerkt Flugka-pitän Mayr, daß die Trimmvorrichtung desFlugbootes immer schwerer zu bedienen ist.Die Trimmvorrichtung dient zur Regelung derGewichtsverteilung entsprechend dem Treib-stoffverbrauch und wird vom Führersitz ausmittels Handrad betätigt. Ihr Ausfall mußdurch ständigen - und da die Lufttemperaturschließlich bis auf minus 24 Grad fällt - weitervermehrten Druck auf das Tiefensteuer aus-geglichen werden, was auf Dauer zu einemstarken Kräfteverbrauch des Flugzeugführersführt.

Die Schwierigkeiten, die „Passat” per Funk an„Schwabenland ” meldet, lösen bei Ritscher Be-sorgnis aus. Eine Meldung jagt die andere:„Motoren meckern, Außenthermometer schei-nen nicht richtig anzuzeigen, da sich die Tem-peratur überhaupt nicht verändert, Außentem-peratur muß mindestens 30 Grad minus sein.”Die nächste Meldung: „Stark böig. Maschinekaum noch zu halten.”

Ritschers Besorgnis steigt. Er weiß, was es be-deuten würde, wenn die Maschine auf dem Eisnotlanden müßte. Der Expeditionsleiter ordnet an,sofort „Boreas” startklar zu machen, um erforder-lichenfalls „Passat” zu Hilfe kommen zu können,sollte sie irgendwo auf dem Eis aufsetzen.

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An Bord des „Passat” befinden sich über 60Fallschirme, mit denen im Notfall Proviant,Werkzeug, Heizmaterial und andere zusätzlicheAusrüstungsgegenstände abgeworfen werdenkönnten. Fraglich wäre allerdings, ob überhaupteine Chance bestünde, die Flugzeugbesatzungnoch in diesem Sommer bergen zu können.

Während das Schlimmste befürchtet wird,kommt von „Passat” die Meldung: „12.17 Uhr,Trimmung bei minus 14 Grad Celsius wiederokay.”

Nach einer Flugdauer von neun Stunden undzwölf Minuten erfolgt um 14.06 Uhr die Lan-dung des Flugbootes „Passat” an der „Schwa-benland”.

Den dramatischen Minuten auf „Passat” wid-mete Flugkapitän Mayr am Ende seines schriftli-chen Flugberichts nur wenige Zeilen: „Durch diegroße Kälte fielen bei etwa -15° C beide Bario-meter aus. Bei -17° C ließ sich die Trimmvor-richtung des Flugbootes nicht mehr bewegenund war erst wieder bei -7° C voll zu gebrau-chen. Durch das Ausfallen der Trimmvorrich-tung wurde das Fliegen kolossal erschwert." 8

Als sich das Flugboot mitsamt seiner Besat-zung wieder an Bord der „Schwabenland” be-findet, atmet Ritscher auf: „Das ist noch einmalgut gegangen”, kommentiert er die Schreckmi-nuten.

Alfred Ritscher an Bord des „Boreas”

Am 22. Januar tritt Wetterverschlechterung ein,die den Voraussagen der Meteorologen zufolgeeinige Tage anhalten wird. Der Vormittagsflugdes „Passat” mit Start um 6.29 Uhr und Rückkehrum 13.47 Uhr, der also sieben Stunden und 18Minuten dauerte, hat bereits darunter gelitten.

Bevor sich das Wetter weiter verschlechtert,entschließt sich der Expeditionsleiter zu einemMitflug in dem Flugboot „Boreas”, das um13.36 Uhr abgeschossen wird und nach dreiStunden und 42 Minuten an der „Schwaben-land” landet. Für Ritscher muß der LuftbildnerSauter bei diesem Flug pausieren.

Ritscher schildert diesen Flug wie folgt: „Ummir selbst einen Überblick über den bisher er-kundeten Geländeabschnitt zu verschaffen, ehedie Wetterverschlechterung ihn vereiteln wür-de, startete ich am Nachmittage dieses Tagesmit ,Boreas' zu einem Sonderfluge über die Ber-ge. [...] Kurs von 69° S, 0° 29' W auf ,Kugel' und,Kegel'; kreuzen die Küste der Schelfeiszungeauf 0° 45' W, dann den Scheitel der mit Packeisgefüllten Bucht an ihrer Westseite; 50 km land-ein liegt offenbar die Innengrenze des Schelf ei-sen; blau-grün-weißes Firneis mit dünner, ver-

härteter Schneedecke steigt dahinter erst all-mählich, dann steiler an; [...] im Süden zeich-nen sich ,Matterhorn', ,Klotz', ,Pyramide' unddie noch höheren Gebirgsstöcke dahinter unterder Wolkendecke klar ab; sie reichen, wennauch nur einige hundert Meter über demFirneis, doch bis in 2.000 und 3.000 m über Mee-reshöhe; nach Westen wölbt sich Eishochland,ansteigend nach Süden, allmählich abfallendnach Norden; dort keine Berge oder Nunataker;Sicht unter den Wolken noch schätzungsweise150-200 km. Umfliegen rückkehrend in 40-50m Abstand ,Kugel' und ,Kegel', zuckerhutför-mige, abgerundete basaltähnliche Felsen ausrötlich braunem Gestein, mit stäbchen- oderkästchenartigem Aufbau; dann Kurs Nord in5-10 m Höhe über dem Firneis, das in langen,dünenartigen Wellen mit Ost-West laufendenKämmen liegt, bis an fjordähnliche Bucht auf 5°W; diese schneidet etwa 25 km südwärts in dasSchelfeis ein. Am Innenende, etwa 1 km land-ein, Pressungen, Falten, Brüche im Schelfeis,das also wohl auf Land oder Klippen ruht.Zahlreiche Robben am Innenende der Bucht,wo die Eiskante nur etwa 1 m hoch ist, Pingui-ne in Scharen, die sich beim Nahen des Flug-zeugs auf den Bauch rutschend in Sicherheit zubringen suchen; Fjord anscheinend gute Lan-dungsstelle, muß auf nächstem Sonderflug un-tersucht werden, ebenso Westbucht auf 4° W,die ebenfalls niedrigen Schelfeisrand hat;Grund wohl auch die Landnähe. [.. . ]

Um den ganzen Eindruck des' Fluges nieder-zuschreiben, war natürlich die Zeit viel zu kurz,besonders da sich der Flug so niedrig über demBoden in scheinbar rasendem Tempo vollzog;doch ist er mir [...] in unauslöschlicher Erinne-rung geblieben.

Der Grund für die auf dem Rückflug einge-haltene niedrige Flughöhe war, die Firneis-fläche auf Landemöglichkeiten zu prüfen, weilich beabsichtigte, an zwei Stellen möglichstweit im Süden des Arbeitsabschnittes nach Ab-schluß der Vermessungsarbeiten eine Landungvorzunehmen, dort die deutsche Flagge alsSymbol der Besitzergreifung zu heißen und ei-ne entsprechende Urkunde zu hinterlegen, fer-ner um die Landeverhältnisse ganz allgemeinauch für andere Flugzeugtypen auf späterenUnternehmungen übersehen zu können.” 9

Als sich das Flugboot „Boreas” wieder anBord der „Schwabenland” befindet, steigt alserster Alfred Ritscher aus. Er kommt mit Begei-sterung zurück, zum einen wegen der Land-schaft, die er gesehen hat, zum anderen des-halb, weil er als alter Kriegsflieger seit Jahrenwieder einmal einen Steuerknüppel zwischendie Finger bekommen hat.

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Keine Ruhepause für die Wissenschaftler

Wenngleich in diesen Tagen, seit dem 19. Janu-ar, die Flüge von „Passat” und „Boreas” beson-dere Aufmerksamkeit und Interesse finden, be-deutet dies nicht, daß die Wissenschaftler anBord der „Schwabenland” untätig sind. Im Ge-genteil, besonders wenn die Flugzeuge in derLuft sind, können sie ihren Aufgaben nachge-hen. Expeditionsleiter Ritscher sorgt immerdafür, daß es keinen „Leerlauf” gibt.

Der Biologe Erich Barkley, der GeophysikerLeo Gburek und der Geograph Dr. Ernst Herr-mann nutzen die Zeit, um mit dem Motorbootan das Packeis heranzufahren und dort wissen-schaftliche Arbeiten durchzuführen.

Dr. Herrmann und Leo Gburek, die sichschon mehrmals auf Spitzbergen begegnet sind,freuen sich, endlich wieder einmal einen Fußaufs Eis setzen zu können. Gburek will eine ma-gnetische Messung vornehmen, das Gerät wirdaufgebaut, das schwere Stativ steht eisern fest.Doch eine Ablesung ist unmöglich, die Ma-gnetnadel tanzt hin und her. Die Eisscholle, aufder das Gerät steht, ist nicht so solide gebautwie das Stativ, mit jeder Dünung gerät sie insSchaukeln. Der Biologe hat mehr Glück, er er-beutet einige Vögel für seine Sammlung. Insge-samt verläuft diese Exkursion also nicht völligbefriedigend.

Unbefriedigend fällt an Bord der „Schwaben-land” auch der Versuch von Werkmeister Bolleaus, die Trimmschwierigkeiten am Flugboot„Passat” zu beheben. Trotz aller Bemühungengelingt es ihm nicht, eine Besserung zu erzielen.So wird eine Notlösung gefunden: Zur Entla-stung der Tiefensteuerung muß der Lichtbild-ner nach Beendigung seiner Luftaufnahmenmit dem 190 Kilogramm schweren Reihenmeß-bildgerät seinen Arbeitsplatz hinter dem Flug-zeugschwerpunkt verlassen und sich damitnach vorn in den Treibstoffraum begeben.

Erste Flugperiode abgeschlossen

Die Wetterverschlechterung bringt mehr Wol-ken über Land und See, Schnee- und Graupel-schauer bei nördlichen und östlichen Winden,verbunden mit mittelstarker Dünung. Der fürden 23. Januar um 5 Uhr angesetzte Flug wirdverschoben, dann ganz abgesagt. Die Fortset-zung fotografischer Arbeiten ist nicht möglich.Für die Flugzeuge besteht erhöhte Vereisungs-gefahr in der Luft, erhöhtes Bruchrisiko bei derWasserung und der Wiederaufnahme mit demKran.

Die Zwischenbilanz, die der Expeditionslei-ter Alfred Ritscher am Abend des 22. Januarüber die erste Flugperiode zieht, schließt mitfolgendem Ergebnis: Bei den bisherigenEinsätzen der Flugboote „Boreas” und „Pas-sat” vom Flugzeugstützpunktschiff „Schwa-benland” sind rund 250.000 Quadratkilometererkundet worden, davon rund 140.000 Qua-dratkilometer zusammenhängend, die teilwei-se sogar mit mehrfacher Uberlappung imLichtbild aufgenommen wurden. Die Flugwe-ge sind in Abständen von 20 bis 30 Kilometernmit den Abwurfpfeilen abgesteckt worden,von denen die an den Umkehrpunkten abge-worfenen mit der deutschen Reichsflagge ver-sehen sind.

Das Ergebnis der bisherigen Flüge wird amAbend des 22. Januar mit dem zweiten, all-wöchentlich fälligen Funktelegramm dem Be-auftragten für den Vierjahresplan HermannGöring nach Berlin übermittelt. Der Wortlautwird bei der Abendbesprechung an Bord der„Schwabenland” bekanntgegeben.

Aufgrund der veränderten Situation undder Wetterlage, die den Ausfall mehrererFlugtage wahrscheinlich macht, trifft der Ex-peditionsleiter am Abend des 22. Januar einewichtige Entscheidung. Das eingetreteneschlechte Wetter begrenzt die Möglichkeitendes Einsatzes der beiden Flugboote „Boreas”und „Passat” sowie die damit verbundenenluftfotografischen Arbeiten. Dies erfordert ei-ne grundlegende Anderung in der Führungder Flugwege. Sie hat zum Ziel, eine Ver-schwendung von kostbarer Zeit und Filmma-terial zu vermeiden und sich bei den nochausstehenden Aufgaben auf das Wichtigste zukonzentrieren.

In der für die Expedition sehr ungünstigenWetterlage macht das Packeis der „Schwaben-land” keine größeren Schwierigkeiten mehr,denn je mehr das Schiff ostwärts verlegt, de-sto schmaler wird der Packeisgürtel vor derSchelfeisküste; an manchen Stellen reicht ernur bis 30 oder 40 Seemeilen nördlich von ihr.Dieser Abstand kann von den Flugzeugen be-quem überbrückt werden, so daß für dasSchiff kein Grund besteht, in den Packeisgür-tel hineinzufahren. Daß dies für das Schifftödlich enden kann, hatte der 20. Januar ge-zeigt.

Das schlechte Wetter hat auch Auswirkungenauf den Liegeplatz des Schiffes. In der Zeit vom22. bis 24. Januar treibt die „Schwabenland” mitdem losen Treibeis in 40 Stunden wieder so na-he an das Packeis heran, daß nachts die Teil-strecke bis zur Abschußposition für den näch-sten Flug zurückgefahren werden muß.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Schlechtwetterperiode und Wartezeit

Für die Durchführung der Flüge von „Boreas”und „Passat” spielt das Wetter die wichtigsteRolle. Nur bei gutem Wetter, bei entweder wol-kenlosem oder zumindest bedecktem Himmel,kann geflogen werden. Diese Erfahrung desEislotsen Otto Kraul, von der er den Flugka-pitänen bereits auf der Hinreise Mitteilung ge-macht hatte, findet ihre Bestätigung in den inder Antarktis vorgefundenen Wetterverhältnis-sen. Ablandiger Wind, also Südost- und Süd-westwind, deuten immer auf gute Wetterbe-dingungen für die Flüge hin, bei östlichen undnördlichen Winden muß mit Wetterverschlech-terung gerechnet werden, mit Schneeschauernund der Gefahr der Vereisung der Flugzeuge.

Über die Dauer des schlechten Wetters, das inder Nacht vom 22. zum 23. Januar begonnenund zur Einstellung des Flugbetriebs geführthatte, können weder der 1. Meteorologe Dr. Re-gula noch der erfahrene Eislotse Kraul, auchkeine externe Wetterstation Auskunft geben.Zeitweise sind kleine Ansätze einer Wetterver-besserung erkennbar, sie bleiben aber schwacheHoffnungsschimmer, da keine grundlegendeWetterbesserung eintritt. Also ist Warten ange-sagt - Dauer unbestimmt.

Den Startmannschaften unter Leitung vonWerkmeister Bolle und Katapultführer Hart-mann kommt die Flugruhe sehr gelegen. Anden ersten drei Flugtagen waren sie bis zu 18Stunden am Tag im Einsatz und finden nunendlich Zeit, Wartungsarbeiten an den Flugzeu-gen nachzuholen. Insgesamt ist die Arbeitslei-stung, die von der Startmannschaft erwartetwird, gewaltig. Die Vorbereitung für jeden Ka-tapultabschuß auf M/S „Schwabenland” dauertmindestens eine Stunde. Ist der Abschuß gelun-gen, muß das zweite Flugzeug aus dem soge-nannten „Versaufloch ” herausgekurbelt und aufdas Katapult übergeführt werden, ein Arbeits-gang von gut vier Stunden. Inzwischen sind dieVorbereitungen für die Wiederaufnahme desFernflugzeugs zu treffen. Sodann erfolgt der Ka-tapultabschuß für den Sonderflug. Wenn dasFernflugzeug zurückkommt, wird es mit demKran an Bord gehievt, in das „Versaufloch” hin-abgekurbelt und verzurrt. Nach Rückkehr derMaschine vom Sonderflug wird auch diese anBord gehievt, als Fernflugzeug auf das Katapultgesetzt und für den Start am frühen nächstenMorgen vorbereitet. Das ist das Arbeitspro-gramm der Startmannschaft für einen Tag.

Während der Flugperiode muß jeder Mannder Startmannschaft mit drei bis vier StundenSchlaf auskommen, mehr ist nicht drin. Der

störungsfreie Verlauf des Katapultabschussesund der Wiederaufnahme der Flugzeuge sindwesentliche Voraussetzungen für den Gesamt-erfolg der Expedition. Der Ausgleich für dieseenorme Leistung ist die größere Muße auf derHin- und Rückreise.

Außer den Flugbesatzungen hoffen auch dieWissenschaftler auf günstigeres Wetter. Zu ih-nen gehört Dr. Ernst Herrmann, der Geograph.Er schreibt über diese Wartezeit: „Zunächst tre-ten wir auf der Stelle. Das Wetter bleibt mies. AnFlüge nicht zu denken. Die einzige Abwechs-lung bietet das Essen. Frühstück 1 /29 Uhr, Mittag12 Uhr, Kaf f ee1 /2 4 Uhr, Abendbrot 6 Uhr. -

Wie schützen wir uns gegen Skorbut? Man ent-sinne sich, daß zahllose frühere Polar-Expeditio-nen an dieser scheußlichen Krankheit zugrundegingen. Skorbut ist eine Mangelkrankheit, Vita-min C fehlt. In der modernen Schiffsküche sinddie Kühlräume groß genug, daß jetzt beliebigeMengen von Frischgemüse mitgenommen wer-den können. Auch die täglichen frischen Kartof-feln sind ein gutes Gegengewicht. Der alte JamesCook, von dem die Zeitgenossen rühmten, daßer es als einziger Schiffskapitän verstand, seineMannschaft stets vollzählig und gesund wiedernach Haus zu bringen, pfropfte das halbe Schiffmit Sauerkohl voll. [ ... ]

Und wir? Wir haben Frischfleisch und Frisch-gemüse in Kühlräumen, sogar etwas Obst.Auch die modernen Gemüsekonserven sind soeingekocht, daß die Vitamine größtenteils er-halten bleiben. Außerdem nehmen wir reinesC-Vitamin in Pillenform mit [...]

Auch unsere tägliche Kost auf dem Schiffstellt sich auf ,Anti-Skorbut' um. Auf dem Tischerscheinen Zwiebeln, fein geschnitten, als Zutatzu Fleisch, Fisch, Salat, Butterbrot, Wurst undSchweizer Käse. "10

Endlich wieder Sonnenschein

Am 28. Januar scheint sich die lang erwarteteWetterbesserung endlich einzustellen.

Ab 9 Uhr vormittags fährt die „Schwaben-land” südost- und ostwärts entlang der Pack-eisgrenze zum nächsten Abschußort 69° 46'Süd, 1° 13' Ost, der am Abend erreicht wird. Esist der südlichste Ort, bis zu dem in dieser Ge-gend je ein Schiff vorgedrungen ist.

Alfred Ritscher berichtet: „Die Fernsicht warunter der Wolkendecke außerordentlich gut,merkwürdig tot aber die Luft, das Eis und dasWasser; abgesehen von wenigen Vögeln warkaum eine Spur von Tierleben zu sehen, wederRobben noch Wale, noch Pinguine tauchten auf,soweit der Blick von Bord aus reichte.

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DIE ENTDECKUNG VON NEU-SCHWABENLAND

Der 29. Januar brachte Flugwetter. Die Sichtwar klar. Nur wenige Wolken hingen über demwestlichen Horizont, die annehmen ließen, daßder Wind nach Westen drehen und gutes Wettervon einiger Beständigkeit bringen würde.'

Nach der üblichen Wetterberatung durch denMeteorologen wird das Flugboot „Boreas” nachder neuen Flugweganordnung um 5 Uhr mor-gens zum Inlandflug abgeschossen. Der vonSchirmacher erstellte stichwortartige Flugbe-richt des über neun Stunden dauernden Fern-fluges hat folgenden Wortlaut: „Trotz der nie-deren Außentemperaturen von -22° C Kühler-abdeckung und Lauf der Motoren gut.StB[Steuerbord]-Bariometer fiel aus, arbeitetejedoch wieder [...]. FT-Verkehr war normal.

[...] Der Abschuß war gut. Maschine steigt ge-gen ersten Flug besser, da auf Grund der zu er-wartenden Flugzeit mit weniger Betriebsstoffgestartet wurde. 06.18 Ausgangspunkt vonFlug III laut Flugplan erreicht. 07.27 querab vonKegel und Kugel, kommen an Untergrenze derAstra-Bewölkung, deren Durchziehen mit derschweren Maschine nicht möglich war, wegensofortiger starker Vereisung. Unter uns einigeFelsen, die aus dem spaltenreichen Eis hervor-ragten. 08.05 erreichen NW-Ausläufer des neu-en Ostgebirges und setzen von dort Kurs aufden SW-Ausläufer wegen weiterer niedrigerBewölkung im Westen ab. 08.40 am Endpunktdes SW-Ausläufers folgen der Gebirgskette bis09.30. Das bis dahin überflogene Gebirgsmassivweist die Form eines Y auf. Vom Schnittpunktdes NW- und SW-Ausläufers erstreckt sich klei-ner Südausläufer, der sich in einer großen Run-dung an die auf den ersten Flügen beobachte-ten weiter südlich befindlichen Felshängeanschließt. Von Standort 09.30 Uhr fliegen mitKurs 85 dem weiteren Verlauf der Gebirgskettein einem Abstand von 30 km entlang, befindenuns 09.45 nördlich Hohenstaufen, 10.00 nörd-lich vom Kubus. 10.18 Kurswechsel auf 175quer über Gebirgskette, um 10.35 mit Kurs 260den Südrand der Gebirgskette abzufliegen.11.55 erreichten das Westende der Kette und än-derten Kurs auf 360° bis 12.00. Bei der anhal-tend guten Wetterlage wurde von da ab mitKurs 80° die Kette in ihrer Mitte nochmals über-flogen, um ein möglichst gutes Kartenbild zugewinnen. Am Endpunkt angelangt, war dasEnde der Gebirgskette nach 0 nicht abzusehen.Mit Kurs 323 wurde von 13.15 mit abnehmen-der Höhe die ,Schwabenland` angeflogen, wo-bei um 14.09 an StB der Schelfeisrand mit vielennach S vordringenden Waken passiert wurde.

Im S des heute überflogenen Gebirges steigtdas Eisplateau weiterhin an auf etwa 4.000 m,weitere Bergzüge südlich waren nicht festzu-

stellen. Die Gebirgskette scheint also das Hoch-eisplateau nach N hin zu begrenzen, wobei dieVerbindung mit dem tieferliegenden Eis durchgewaltige Gletscher hergestellt wird. " 12

Dieser „Boreas"-Flug am Morgen des 29. Ja-nuar ist einer der wichtigsten und erfolgreich-sten Flüge. Er hat die Fläche des vermessenenGeländes um mindestens 70.000 Quadratkilo-meter erweitert und gibt Auskunft über dieAusdehnung der Gebirgskette, deren Ostendeetwa 500 Kilometer weiter östlich zu liegenscheint. Die Strecke des fast zehnstündigen Flu-ges hat 1.500 Kilometer betragen.

„Passat” landet in einem Eisfjord

„Boreas” befindet sich noch auf dem Flug, alsbereits um 10 Uhr „Passat” von der „Schwa-benland” abgeschossen wird. Mit Blick auf denFlugausfall während der Schlechtwettertagewill der Expeditionsleiter nun keine Zeit mehrverlieren.

Für „Passat” ist dies ein Sonderflug mitanschließender Außenlandung in einem Eis-fjord. Neben Flugkapitän Rudolf Mayr sind anBord der Maschine der FlugzeugmechanikerFranz Preuschoff und der Flugfunker HerbertRuhnke. Auf die Mitnahme des LuftbildnersMax Bundermann muß verzichtet werden, weilAlfred Ritscher angeordnet hat, daß der Geo-graph Dr. Ernst Herrmann mitfliegt und dieLeitung dieser wichtigen Expedition über-nimmt.

Flugkapitän Mayr hält in seinem Flugberichtunter anderem folgendes fest: „Laut Flugauf-trag des Expeditionsleiters sollte eine Außen-landung in einem Eisfjord vorgenommen wer-den. Die Lage des Eisfjords war durch die Flü-ge der Vortage auf etwa 70.00° S, 02.30° W fest-gelegt worden. Der Fjord entsprach, von derLuft gesehen, ein günstiger Lande- und Anle-geplatz für Flugzeuge zu werden und es schienin unmittelbarer Eisnähe Land zu sein. Zwi -

schen dem Fjord und dem freien Wasser warein etwa 40 sm breiter Packeisgürtel vorgela-gert. Ich studierte den Fjord lange Zeit genauaus dem Flugzeug und landete erst, nachdemich vollkommen von der Möglichkeit einesWiederstarts überzeugt war. Die zur Verfügungstehende Lande- und Startfläche im eisfreienWasser betrug etwa 1.500 m. Um 11.42 landetenwir in dem Fjord und konnten das Flugboot aneiner etwa 40 cm hohen Eisdecke anlegen unddann die Maschine mit Eisankern und Leinenfestlegen. Die Anlegestelle war etwa 500 m breitin N-S-Richtung und etwa 2 km tief in W-Rich-tung. Nach diesen 2 km stieg das Eis langsam

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Im westlichen Mühlig-Hofmann-Gebirge befindet sich diese steile Felswand.

Die von Flugkapitän RudolfMayr entdeckte Mayrkettebei 72 ° 03 ' Süd, 2 ° 45' Ost

Nach dem Organisator der(71°40'Süd, 12

Südliche Ausläufer (links) und Ostrand des Mühlig-Hofinann-Gebirges (rechts) Bizarre Formation:.) n

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Einer der sich endlos dahinziehenden „Eisflüsse , Gletscher, die bisweilenmehrere Kilometer breit sein können

Impression aus Stein: Jahrmillionen formten diesen Fels.

dition wurde das Wohlthatmassiv30' Ost) benannt.

N amenloser Granitfinger Eis und Stein — man fühlt sich an die Anfänge der Erdgeschichte zurückversetzt.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

mit einer Steigung von 1-2 % an und ging oh-ne sichtbaren Übergang ins Schelfeis über. DieNord- und Südseite des Fjords wurde von etwa70 m hohen Hügeln (vollkommen mit Eis über-zogen) begrenzt. Preuschoff bestieg den nördli-chen Hügel, wurde aber durch breite Eisrisseverhindert, bis an den obersten Punkt vorzu-dringen. An einem erhöhten Punkte, etwa 500m in südlicher Richtung landeinwärts, wo un-ter der Eisdecke festes Land vermutet werdenkonnte, hißte ich die deutsche Flagge. Herr-mann machte fotografische Aufnahmen undneben der Anlegestelle des Flugbootes eineEcholot-Messung. Gleich nach der Landungnahm ich drei Sonnenhöhen mit dem Libellen-sextanten und vier Stunden später noch zweiweitere, so daß die Lage des Fjords genau fest-gelegt werden konnte: mit 69.55° S, 03.57° W."

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Der Geograph Dr. Ernst Herrmann, der aufbesonderen Wunsch des Expeditionsleiters andiesem „Passat"-Flug teilnahm, berichtete dar-über in teils humorvoller Weise: „Der ,Lust-flug' am Nachmittag hat eine besondere Auf-gabe: Einige von früheren Flügen her bekann-te Stellen des Schelfeisrandes sollen auf eineLandemöglichkeit hin untersucht werden. Diein Frage kommenden Stellen sind etwa 25 kmtief in das Schelfeis einschneidende Buchten.Auf den Flügen I, II und Sonderflug 1 warübereinstimmend festgestellt worden, daß bei-de Buchten in dieser Zeitspanne ihre Lagenicht verändert hatten und ferner auf ihrerWestseite, im Gegensatz zur Umgebung, nurflach abfallende Eisränder aufwiesen. Die Ver-mutung liegt nahe, daß hier Landnähe vor-handen sei. [...]

Die beiden Buchten werden auftragsgemäßumflogen, die größere scheint zu einer Wasse-rung günstiger, weil weniger Treibeis vorhan-den ist. Nach der gut geglückten Wasserungkann der nur etwa 30 cm hohe Eisrand betretenwerden. [...]

Der erwähnte Eisrand gehört dem Schelfeis-rand an, der einen Teil der Bucht ausfüllt. Da-hinter steigt auf drei Seiten ein flachhügeligesGelände an von - soweit die Beobachtung ge-stattet - festem Land mit aufliegender Eisdecke.Die Mächtigkeit des Eises kann nicht festge-stellt werden. Die 50 bis 70 m hohen Hügel be-stehen aus Gletschereis und sind durch Stauhochgewölbt. Etwaige Spalten werden durchFirn verdeckt.

Die Bucht ist zum Teil mit völlig ebenemSchelfeis ausgefüllt, der Eisrand von den Hü-geln etwa 1 bis 2 km entfernt. Eine Echolotungmit einem Handbehmlot am Rande ergibt dierelativ geringe Wassertiefe von 435 m, die eben-falls auf Landnähe deutet.

Die Eisscholle wird von wenigen nur einigeDezimeter breiten Spalten durchzogen. Die ge-ringe Dicke der Scholle kommt hier deutlichzum Ausdruck, denn die Dünung geht unterder Platte hinweg und verschiebt die Spalten-wände vertikal gegeneinander. Eine Belastungs-probe der im ganzen etwa 3 bis 4 m dicken Eis-platte kann nicht durchgeführt werden.

Es scheint mir indessen ohne Gefahr, an einersolchen Stelle ein Depot auszuladen, nur wärezu beachten, daß die relativ dünne Eisplattedurch die Dünung zerbrechen und durch ab-landigen Wind in Stücken fjordauswärts getrie-ben werden kann.

Wieweit es überhaupt möglich ist, die be-schriebene Bucht mit einem kleinen Schiff an-zulaufen, hängt von den Treibeisverhältnissenab. Bei dreimaligem Anflug innerhalb von 10Tagen waren beide Buchten bis auf wenigeTreibeisblöcke eisfrei, vielleicht sogar währendder ganzen Zeitspanne; aber zwei Tage späterwar beim Fernflug VI schon so viel Eis vorhan-den (zum Teil durch Abbruch der Schelfeisplat-te, an der wir vorher gewassert hatten), daß ei-ne erneute Wasserung nicht mehr möglich war.Ich hatte allerdings den Eindruck, daß dasTreibeis nur von außen stammte und durch Eb-be- und Flutstrom und lokale Winde herein-und hinausgetrieben wurde. Trotz gelegentli-cher Abbrüche werden die Ränder der Buchtnur unbedeutend an der Treibeisbildung betei-ligt sein.

Mayr mißt mit einem Libellensextantenmehrmals die Sonnenhöhe und bestimmt da-durch genau die geographische Lage unseresLandeplatzes.

Soweit die Wissenschaft! Jetzt kommt die Po-litik! Wir nehmen eine Abwurffahne undstecken sie ein paar hundert Meter landein-wärts in das Eis. Das ist das äußere Zeichen,daß wir Deutsche dieses Niemandsland betre-ten haben und für Groß-Deutschland bean-spruchen.

Die erste deutsche Kolonie! "14

Begegnung mit Antarktisbewohnern

Dr. Herrmann erzählt weiter: „Da kommt auchschon ein Eingeborener! Von weit her stürzt erheran, rennt, schlägt hin, rutscht ein Stück aufdem Bauch, huppt hoch, rennt weiter, fällt wie-der hin, einen kleinen Hang abwärts schlidderter richtig auf dem Bauch, dann mit einem Hopsauf die Füße, nur weiter, gestikulierend, rufend,weiter ... Er kommt im Frack, die weiße Hemd-brust wird immer deutlicher, nur der Schlipsfehlt, den hat er in der Aufregung vergessen ...

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DIE ENTDECKUNG VON NEU-SCHWABENLAND

Da fällt er zum drittenmal auf sein weißes Vor-hemd ... macht nichts, rutscht, springt hoch ...bis er schließlich, ein richtiger Dreikäsehoch,vor uns steht und uns neugierig von allen Sei-ten beguckt ... ein Pinguin.

Wir verständigen uns, so gut es geht. Erst mitGuten Morgen! und Heil Hitler! Das macht ihmwenig Eindruck. Dann hockt sich Ruhnke hin,daß er so klein wird wie der Pinguin, schlägtmit den Armen wie mit Flügeln und tanzt umihn herum. Das gefällt ihm schon besser. Damacht er mit. Daß er uns natürlich auch nur füreine Abart von seinesgleichen hält, ist selbst-verständlich. Wie er, gehen wir ja aufrecht aufzwei Beinen, haben eine Art Flügel, mit denenwir in der Luft herumfuchteln können. Nur et-was größer sind wir, und der Schnabel ist beiuns noch nicht sehr entwickelt, außerdem fehltder schöne glänzende schwarze Frack. Das istder ganze Unterschied.

Bald kommen noch ein paar dazu, alles Ade-liepinguine, die zu neugierig sind. Nach einemWeilchen erscheint ein Kaiserpinguin, fast dop-pelt so groß, gravitätisch, voller Würde. Errennt nicht aufgeregt auf uns zu, er schreitet.Das nervöse Gefuchtel seiner kleineren Ver-wandten berührt ihn nicht, er schreitet -näher,besieht sich eingehend die merkwürdigen Gä-ste, dreht sich herum und will wieder ent-schreiten. Da faßt ihn Mayr an die Hand, ge-nauer: die Flügelspitzen, und willig geht er mitdem großen Onkel hierhin und dorthin. Natür-lich wehrt er sich beim Einsteigen in das Flug-zeug, aber es hilft ihm auch nichts, er muß sei-nen Brüdern und Vettern im Laderaum Gesell-schaft leisten. [...]

Auf dem Schiff ist alles über die neuen Passa-giere begeistert. Schnell wird ein Verschlag ge-zimmert, daß die Tierchen nicht wieder aus-reißen können. " 15

In der Tagesbesprechung, die am Abend des29. Januar stattfindet, lobt Alfred Ritscher denTageseinsatz der Flugboote „Boreas” und „Pas-sat” und deren Besatzungen, die nach seinerÜberzeugung „Hervorragendes” geleistet hät-ten.

Auf vier Inlandflügen sind nun mehr 180.999Quadratkilometer geschlossen im Lichtbildaufgenommen worden. Dieses Ergebnis wirddem Beauftragten für den Vierjahresplan mitder fälligen Wochenmeldung nach Berlin überFunk gemeldet.

Punkt Mitternacht sinkt zum ersten Malwährend der „Schwabenland"-Expedition imSüdpolarmeer am Schelfeisrand die Sonne hin-ter den Horizont. „Amtlich” war sie schon amTag zuvor zum ersten Mal untergegangen, dieStrahlenbrechung hatte jedoch bewirkt, daß ihr

Licht noch einen Tag länger, wenn durch denKontinent auch abgeschirmt, zu sehen geblie-ben war.

Gedenkfeier zum „Tag der Machtergreifung”

Der nächste Tag, der 30. Januar, ist in Groß-deutschland ein „Nationaler Feiertag”, der anden Tag der Machtergreifung durch Adolf Hit-ler vor sechs Jahren erinnert.

Die gesamte Besatzung und alle Wissen-schaftler finden sich um 10 Uhr im festlich her-gerichteten Gemeinschaftsraum ein. Nur dieBesatzung des Flugbootes „Passat” fehlt, da siebereits um 9 Uhr mit ihrem Flugboot von der„Schwabenland” abgeschossen wurde.

Der 3. Offizier, Hans Werner Viereck, verliestals Stellvertreter des 2. Offiziers, Karl-HeinzRöbke, der an Bord Ortsgruppenleiter derNSDAP ist, eine Rede. Alle Expeditionsteilneh-mer bilden übrigens die „Ortsgruppe M/SSchwabenland”. Dies ist keine Besonderheit,sondern war auf allen deutschen Handelsschif-fen zwischen 1933 und 1945 so üblich.

Am Abend um 19 Uhr versammeln sich nocheinmal alle Expeditionsteilnehmer im Gemein-schaftsraum, um die Rundfunkrede Adolf Hit-lers zu hören, die wegen atmosphärischerStörungen allerdings nur bruchstückhaft aufM/S „Schwabenland” ankommt. Ansonstenverläuft der Feiertag auf der „Schwabenland”wie ein normaler Arbeitstag, auch schon des-halb, weil erneut eine Wetterverschlechterungzu erwarten ist.

Bereits am frühen Morgen hatten Ritscher,Kottas und Kraul festgestellt, daß der Stromdie „Schwabenland” in den letzten Stundenwieder um acht Seemeilen westwärts getrie-ben hat.

Das Flugboot „Passat”, das um 9 Uhr zu ei-nem Fotoflug gestartet war, kehrt nach sechsStunden und 53 Minuten, um 15.53 Uhr, zumFlugzeugstützpunkt zurück. Auch bei diesemInlandflug sind die Barometer ausgefallen,auch hat die Trimmung trotz vorheriger Uber-holung an Bord erneut versagt. Der Flugzeug-führer hält fest, daß „Passat” künftig nur nocheingeschränkt eingesetzt werden könne. Instru-mente, Motoren und Funk hätten indessen ein-wandfrei gearbeitet.

Noch vor der Rückkehr von „Passat” ist„Boreas” um 14 Uhr zu einem Forschungsfluggestartet. Der Auftrag besteht darin, denSchelfeisrand nach einer Landemöglichkeitabzufliegen. Von der vierköpfigen Flugboot-besatzung muß auf die Mitnahme des Luft-bildners Sauter verzichtet werden, dafür wird

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

als Gast der Geophysiker Leo Gburek an Bordgenommen, um diesem die Möglichkeit zugeben, erdmagnetische Messungen am Schelf-eisrand oder an einer großen Eisscholle vor-zunehmen.

Da sich der Schelfeisrand für das Anlegen alszu hoch erweist, setzt das Flugboot zur Lan-dung in einer freien Wake an, um dort an einerEisscholle anzulegen. Aber auch die Schollensind für die geplanten Beobachtungen undMessungen ungeeignet, daher wird durchge-startet und zu den südwestlich des Schiffes be-obachteten Fjorden geflogen. Dort landet „Bo-reas” um 16.35 Uhr in einer großen Wake. DieMaschine wird an der etwa 1,50 Meter hohenSchelfeiskante verankert. Gburek führt seinemagnetischen Messungen durch. Beim Über-schreiten des Schelfeises wird festgestellt, daßdie aus der Luft für vollkommen glatt und ebenangesehene Schelfeisoberfläche in allen Rich-tungen von Rissen und Spalten durchzogen ist,die vom Schnee verweht sind und eine großeGefahr bilden. Bei Märschen über das Schelfeiserscheint es daher wichtig, die einzelnen Teil-nehmer durch Anseilen zu sichern. Eine Lan-dung mit dem nur durch Kufen verstärktenZehntonnenwal bedeutet daher das Eingeheneines großen Risikos, da die Maschine nachdem Aufsetzen in einer der vielen Spalten ein-brechen könnte.

Um 18.55 Uhr erfolgt der Start für den Rück-flug mit Kurs 53, um 18.35 Uhr wird das Schifferreicht.

Gegen Ende des 30. Januar treffen sich kurzvor Mitternacht Besatzungsmitglieder und Wis-senschaftler, Flugzeugbesatzungen und ihreHelfer und alle, die sonstwie abkömmlich sind,an Oberdeck der „Schwabenland” zu einemeinmaligen mitternächtlichen Schauspiel. Aufder Brücke stehen Ritscher, Kottas und Kraulund einige Schiffsoffiziere, und alle schauen siegebannt auf das faszinierende Farbspiel des Po-larlichts.

Expeditionsleiter Alfred Ritscher schildertdieses Erlebnis folgendermaßen: „Um Mitter-nacht erstrahlte der Himmel in noch nie gese-hener Farbenpracht; der Horizont glich einemgleißenden goldenen Band, über dem sich zar-teste Farben von grün, rosa und blau zu einemdurchsichtigen Schleier verwoben, nach obenhin abgeschlossen durch eine alto-stratus-Wol-kendecke, die fast bis zum Zenith reichte undan der Unterseite rosig rot getupft einen war-men Schein über das ganze Landschaftsbildgoß."

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Für alle, die als Augenzeuge dabei sind, wirddiese Mitternachtsstunde zu einem der schön-sten Erlebnisse der Expedition.

Mit „Passat” auf Pinguin fang

Der 31. Januar beginnt trübe. Entsprechenddem Fortschritt der fotografische Arbeiten hat„Schwabenland” in der Nacht Kurs nach Ostengenommen und erreicht eineinhalb Stundennach Mitternacht die nächste Abschußposition:69° 33' Süd, 7° 12' Ost, hart an der Packeisgren-ze, etwa 30 Seemeilen nördlich vom Schelfeis.Die merklich abnehmende Helligkeit zwingtdazu, die Abschußzeiten täglich später zu le-gen.

Deshalb findet der Abschuß des „Boreas”zum nächsten Fotoflug am 31. Januar erst um8.08 Uhr statt. Bedingt durch die Wetterverhält-nisse kann Flugkapitän Schirmacher den ei-gentlichen Flugauftrag, die weiter im Osten be-findlichen Berge fotografisch zu erfassen, nichtausführen. Da nach Süden und Osten schon ei-ne dicke Wolkendecke auf dem Inlandeis unddem weiter östlichen Massiv liegt, fliegt Schir-macher nach Westen, da die Sicht noch gut ist.Als sich auch dort das Wetter verschlechtert,tritt „Boreas” den Rückflug an und landet nachneunstündigem Flug um 17.13 Uhr an der„Schwabenland”.

„Passat” war bereits um 13.57 Uhr gestartet.Der Flugauftrag: Küstenaufklärung mit Außen-landung. Flugkapitän Mayr hatte den Licht-bildner zurückgelassen und dafür als Gast denBiologen Barkley an Bord genommen, um die-sem einen Einblick in das Tierleben an der Eis-kante zu ermöglichen und um eine astronomi-sche Ortsbestimmung zu machen.

Mayr fliegt zunächst ohne einen bestimmtenKurs alle Fjorde in westlicher Richtung ab, umeinen Landeplatz zu finden, doch ohne Erfolg.Als von „Boreas” die Funkmeldung eintrifft,daß alle Fjorde voll Eis seien und keine Lan-demöglichkeit bestehe, geht „Passat” auf Ost-kurs.

Um 15.40 Uhr erblickt Preuschoff auf einergroßen Scholle am Südrand des Packeises einegroße Menge Kaiserpinguine. Zwischen Schelf-eiskante und Packeis befindet sich genügendfreies Wasser zum Landen und Starten.

„Passat” landet um 15.42 Uhr; das Flugbootwird mit dem Eisanker, den Preuschoff ge-schmiedet hat, festgemacht. Flugkapitän Mayrsteigt an einer niedrigen Stelle als erster auf dasSchelfeis und pflanzt dort einen Abwurfpfeilmit der deutschen Reichsflagge ein.

Danach beginnt die vierköpfige „Passat"-Be-satzung mit dem Pinguinfang, den Mayr wiefolgt schildert: „Wie eine gutgeschulte Poli-zeitruppe fegten wir vier zwischen die Pingui-ne und in 25 Minuten saßen 5 lebende Kaiser im

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Wal. Es war unbedingt nötig, dies Manöver mitder größten Schnelligkeit auszuführen, da sichdas Packeis, an dessen Kante wir lagen, dau-ernd veränderte und von der nicht gerade vielVertrauen erweckenden Scholle beim Überset-zen der Pinguine ins Flugboot Stücke abbra-chen. Da der Wind günstig von der Scholle ab-stand, konnten wir, nachdem wir unseren Fangerledigt hatten, das Flugboot von der Schollewegtreiben lassen und warfen im manövrier-fähigen Abstand von der Scholle die Motorenan. Um 16.22 starteten wir zum Rückflug. [...]Um 18.00 Uhr landete D-ALOX bei M.S.,Schwabenland' . " 17

Ein Eisberg kalbt

Nach Rücksprache mit den Meteorologenfürchtet Alfred Ritscher, daß der nächste Tag ei-ne weitere Wetterverschlechterung bringt. Er istsich auch darüber im klaren, daß in dieser fürdie Antarktis vorgerückten Jahreszeit wohlkaum noch mit einer Wiederkehr von besseremFlugwetter zu rechnen ist. Im Gegenteil, derantarktische Winter scheint unmittelbar vor derTür zu stehen.

Er entschließt sich deshalb in der Nacht zum1. Februar, Fahrt nach Osten aufzunehmen, umwenigstens von Bord aus die bisherigen Erkun-dungen zu ergänzen. Dichtes Schneetreibenund viel loses Eis, das auf Packeisnähe imOsten schließen läßt, stören die Nachtfahrt.Weil der Eisgürtel vor der Küste sehr breit wirdund die Schelfeisküste fast außer Sicht gerät,muß der Kurs auf nordostwärts gesetzt wer-den. Schließlich taucht aber auch steuerbordvoraus Eis auf. Es stellt sich heraus, daß hier auf0° eine mächtige Schelfeiszunge bis auf 69° 10'Süd nordwärts vorspringt. Der Himmel ist im-mer noch völlig bedeckt.

Dicht südlich von der „Schwabenland” wer-den 27 mächtige Eisberge gezählt, von denen ei-ner auf eine Länge von einem Kilometer ge-schätzt wird. Ein anderer, etwa drei Kilometervom Schiff entfernt, kalbt am frühen Morgenmit mächtigem Getöse, das bis in die geschlos-senen Kabinen hinein zu hören ist. Zwei Buckel-wale, die in dichter Nähe eine Weile lang umdas Schiff herum bummeln, lassen sich dadurchnicht stören. Ihr Auftauchen in dieser Gegendveranlaßt den Biologen zu der Feststellung, daßdies auf die Zunahme von Plankton und dieNähe der Packeisgrenze zurückzuführen sei.Wie sich später zeigt, befindet sich M/S„Schwabenland” tatsächlich dicht vor der Pack-eisgrenze, die so fest geschlossen ist, daß sie vonkeinem Schiff durchstoßen werden kann.

Ein für den 1. Februar um 14 Uhr geplanterFlug wird verschoben, dann ganz abgesagt.Auch am 2. Februar herrscht kein Flugwetter.

Vollbeschäftigung für den Biologen

Erich Barkley, der Biologe an Bord der „Schwa-benland”, hat in den letzten Tagen Gelegenhei-ten gefunden, seine Planktonfänge zu vervoll-ständigen. Seitdem die Flugboote von ihren In-landflügen Ladungen mit Tieren, vor allem Pin-guine, mitgebracht haben, gibt es für ihn täglichalle Hände voll zu tun. Er muß nicht nur seinewissenschaftlichen Arbeiten programmgemäßund ohne Abstriche erledigen, sondern darüberhinaus auch viel Zeit für die Tierpflege aufbrin-gen. Pinguine sind zwar zugängliche Tiere, mitdenen man sich sehr gut beschäftigen kann,Pinguine sind aber auch hungrig.

Alfred Ritscher schildert die BemühungenErich Barkleys um das Wohlergehen der Tierean Bord der „Schwabenland”: „Die Pinguinefühlten sich an Bord scheinbar sehr wohl. Umden Tieren Gesellschaft zu geben und sie um sosicherer nach Hause zu bringen, sollten noch soviele dazugefangen werden, wie die Futter-vorräte es gestatten würden. Die farbenpräch-tigen Kaiserpinguine, stattliche Vögel, ausge-streckt bis etwa 90 cm hoch und an 30–35 kgschwer, waren mit ihren komischen Bewegun-gen, dem watschelnden Gang und ihren unme-lodischen Trompetentönen, mit denen sie so-wohl ihren Hunger anzeigten wie ihren Dankfür die Fütterung abstatteten, für die ganze Zeitihrer Gefangenschaft an Bord eine stete Quelleder Belustigung; aber viel beweglicher und be-triebsamer und in ihrer Mimik possierlichersind die Adeliepinguine, von denen sich drei ineinem unbewachten Augenblick die Freiheitselbst wieder nahmen. Die Frage ihrerErnährung löste der Biologe Barkley dadurch,daß er ihnen gut gewässerte Salzheringe vor-setzte, die nach kurzer Gewöhnung auch gerngenommen und gut vertragen wurden. Die Füt-terung versammelte stets einen großen Zu-schauerkreis um die Tiere, in deren Mitte ihr lie-bevoller Pfleger sich anfänglich sehr quälenmußte, den Hungerstreik seiner Pfleglinge zubezwingen. Schließlich konnte er sich aber ihrerFreßlust kaum noch erwehren, so daß er sichangesichts der nur zu bald geleerten Herings-tonnen nach anderen geeigneten Futtermittelnumtun mußte; geschabtes Rindfleisch mit ge-riebenem Hartbrot in Boulettenform und ver-suchsweise Robbenspeck dienten dann als Er-satz; auch die uns abgesparten Eierportionensahen wir neidvoll in den Mägen der ewig

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hungrigen Tiere verschwinden. Trotzdemschwanden ihre rundlichen Bäuche mehr undmehr. Erst auf der Rückreise in Kapstadt undPernambuco gekaufte frische Fische gaben ih-nen zum Teil ihre Ansehnlichkeit zurück."

Der letzte Flug des „Passat”

Am 1. und am 2. Februar ist an einen Abschußder beiden Flugboote nicht zu denken; sie blei-ben an Bord der „Schwabenland”. Der Tag wirdzu Bootsfahrten an das Packeis genutzt.

Ritscher sieht in den Bootsfahrten eine guteund sinnvolle Abwechslung in dem anstren-genden Flug- und Borddienst der vergangenenTage. Die Bootsfahrten finden am Nachmittagstatt. Nicht nur das dienstfreie Flugpersonal,auch Besatzungsmitglieder beteiligen sich dar-an. Wissenschaftler nutzen die Gelegenheit zuweiteren Studien, aber auch zum Fotografieren.Objekte für interessante Aufnahmen gibt es ge-nug.

Die Aufsicht über die Durchführung derBootsfahrten hat der Expeditionsleiter dem 1.Offizier des Schiffes, Herbert Amelang, über-tragen, dem die seemännische Besatzung der„Schwabenland” zur Verfügung steht. DieFahrten durch das Eis sind nicht ungefährlich,sie stellen hohe Anforderungen an das seemän-nische Können und die Entschlußkraft derBootsbesatzungen.

Der 2. Februar endet mit einem Gemein-schaftsabend an Bord, den der GeophysikerLeo Gburek mit viel Talent leitet.

In der Nacht vom 2. zum 3. Februar klart dasWetter überraschend auf. Es sind 6 Grad unterNull. Die Windverhältnisse lassen kein gutesWetter erwarten. Dies ist in dieser Gegend nurbei Winden aus Nordwest bis West wahr-scheinlich. Der Wind weht aber aus entgegen-gesetzten Richtungen. Dennoch ist die Sichtnach Osten und Süden noch gut. Nur am west-lichen Horizont von Südwest nach Nord türmtsich eine Wolkenbank bis zur Hälfte der Ze-nithöhe auf. Die See ist ruhig, nur eine leichteDünung aus nördlicher Richtung ist zu spüren.

Der Kapitän führt um 5 Uhr morgens ein Ge-spräch mit den Meteorologen und den beidenFlugzeugführern, um zu klären, ob bei diesenGegebenheiten ein Einsatz der beiden Flugboo-te möglich sei. Da keine Bedenken erhobenwerden, entscheidet sich der Expeditionsleiterzunächst für den Einsatz des Flugbootes „Pas-sat”, dessen Abschuß auf 7.19 Uhr festgelegtwird.

Das Schiff hat inzwischen die neue Abschuß-position 69° 5' Süd, 14° 46' Ost bezogen. Pünkt-

lieh startet das Flugboot mit 9.660 Kilogramm,dabei ein Brennstoffvorrat für einen Zehnstun-denflug.

Flugkapitän Mayr hat den Auftrag, das östli-che und damit letzte Gebirgsmassiv des Ar-beitsgebiets der Expedition zu erkunden; erüberfliegt die Längsachse der Schelfeiszungemit Südostkurs und erreicht das Wohlthatmas-siv, aus dem einige 4.000 Meter hohe, zackigeund spitzkegelförmige Gipfel aufragen. Andessen Nordseite steuert er mit Westkurs ent-lang, dann auf der Westseite mit Südkurs undan der Südseite mit Ostkurs. Zuletzt will er vonOsten aus noch einmal mit Westkurs die Mit-tellinie des Massivs überfliegen.

Doch dazu kommt es nicht mehr. In 4.150 Me-ter Höhe werden die bereits früher aufgetrete-nen Schwierigkeiten, das schwanzlastige Flug-zeug auf ebenem Kiel zu halten, immer größer,und während der letzten Flugstunde bedarf esder vereinten Körperkräfte von Mayr und Preu-schoff, um durch dauerndes Drücken derHöhensteuerung den Ausfall der Trimmvor-richtung auszugleichen. Im Fallwind kommt esbeinahe zu einer Katastrophe. Diese kann nurdadurch verhindert werden, daß der Luftbild-ner schleunigst seine Meßbildkammern abbautund mit ihnen nach vorn in den Treibstoffraumflüchtet.

Die Lufttemperatur in Flughöhe ist zu derZeit auf schätzungsweise minus 32 Grad Celsi-us gesunken, vielleicht liegt sie noch tiefer, aberdas läßt sich nicht mehr kontrollieren, weil dasAußenthermometer ausgefallen ist. Barometerund Staudruck funktionieren ebenfalls nicht.Schon beim Erreichen der Nordkante des Ge-birges hatten die Motoren angefangen unregel-mäßig zu laufen.

Erst beim Rückflug, als die Temperatur nachVerlassen der großen Höhen in etwa 1.000 Me-ter wieder minus sieben Grad betrug, arbeitendie Motoren, die Instrumente und die Trim-mung wieder normal.

Die aufgetreten Schwierigkeiten an der Trim-mung und an den Motoren sind derart gravie-rend, daß unter normalen Verhältnissen an ei-nen Weiterflug nicht zu denken wäre. Da dieFlughöhe sehr gut ist und im Norden des Ge-birges überall auf dem Eis geeignetes Lande-gelände zu sein scheint, das im Gleitflug zu er-reichen gewesen wäre, entschließt sich Flugka-pitän Mayr trotz dieser Hindernisse zu demFlug um das Gebirge herum. Um 14 Uhr, nacheiner Flugzeit von sechs Stunden und 41 Minu-ten und einer Flugstrecke von ca. 1.000 Kilome-tern, landet „Passat” an der „Schwabenland”.Es ist der letzte Flug dieses Bootes bei der Ex-pedition.

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Packeis und schlechtes Wetter

Alfred Ritscher ist zwar enttäuscht, daß ihmFlugkapitän Mayr gegen 13 Uhr über Funkmelden muß, daß das Flugboot „Passat” wegender erneut aufgetretenen Mängel für weitereEinsätze nicht mehr zur Verfügung steht, dochmit den Ergebnissen des letzten „Passat"-Flu-ges ist er sehr zufrieden.

Nach den Funkmeldungen, die Ritscher imLaufe des Vormittags von „Passat” erhaltenhat, geht er davon aus, daß trotz der aufgetre-tenen Schwierigkeiten der letzte Flug des„Passat” einen neuen, im Lichtbild aufgenom-menen Geländegewinn von etwa 70.000 Qua-dratkilometern gebracht hat. Darüber hinausist bei der klaren Luft nach Süden und über20° Ost hinaus aufgeklärt worden, so daß da-mit der Auftrag der Expedition im Osten er-füllt ist.

Doch den Expeditionsleiter bewegen amVormittag des 3. Februar ganz andere Proble-me. Nach Ansicht der Meteorologen ist eineneue Wetterverschlechterung von längererDauer zu erwarten, und wie die Eiserkundungergeben hat, drängen von Osten her ungeheu-re Massen von Packeis heran, die bereits bis120 Seemeilen vor der Küste reichen und,westwärts vordringend, bis auf etwa 50 Kilo-meter an die „Schwabenland” herangekom-men sind.

Der „Schwabenland” droht Gefahr. DasSchiff liegt an der Südseite einer breiten undtiefen Eisbucht, in der ein längeres Verblei-ben angesichts der vorgerückten Jahreszeitund der beobachteten Neueisbildung nichtmehr ratsam ist. Wenn sich draußen derPackeisgürtel schließt, würde das Expediti-onsschiff in den nächsten Tagen in eine un-angenehme, in eine gefährliche Lage gera-ten.

Ritscher trifft noch am Vormittag des 3. Fe-bruar eine wichtige Entscheidung in eigener Sa-che. Er will nicht warten, bis es soweit ist, daßer mit seinem Schiff vor dem aus dem Ostenandrängenden Eis den Rückzug antreten muß.Zuvor will er sich selbst noch einen Uberblicküber den östlichen Teil des Expeditions-Ar-beitsgebietes verschaffen.

Deshalb startet er um 12.40 Uhr mit demFlugboot „Boreas” zu einem Erkundungsflug.An Bord befinden sich außer ihm FlugkapitänSchirmacher, der Flugzeugmechaniker KurtLoesner und der Flugfunker Erich Gruber.Nach einer Flugstunde und sieben Minutenkehrt „Boreas” zurück und wassert an der„Schwabenland”.

Ritscher entdeckt Seenplatte

Die persönlichen Aufzeichnungen Alfred Rit-scher über diesen Flug, bei dem eisfreie Seenund ein eisfreier Geländestreifen entdeckt wer-den, besagen folgendes: „12.10 Uhr kreuzenNordrand der Schelfeiszunge auf 15° 0; derbraunrote Staub ist von oben kaum erkennbar;12.20 Uhr aus 400 m Höhe an Backbord querabWolkenbank, voraus an Backbord Ostmassiv inSicht, an Steuerbord in weiter Ferne die erstenAnzeichen des nächst westlicheren; die Sicht-weite beträgt danach fast 300 km. Die rötlichbraunen Bergzüge des Ostmassivs gleichen vonweitem vielfach dreiflächigen Prismen, wieBaukastensteine auf einem weißen Tischtuch,und sind ihrer Form nach geschlossener als diefelsigen Erhebungen weiter westlich mit ihrennadelspitzen fingerartigen oder runden Säulen,Türmen und Türmchen; wenige selbständigeGletscher; in nach Osten offenen Tälern vielSchnee, Westseiten vielfach ganz schneefrei,ebenso wie die höchsten Grate, Gipfel undSteilseiten; einige Gipfel bis 4.000 m hoch überMeereshöhe; 15.30 Uhr 3.700 m Flughöhe, Luft-temperatur etwa -30° C; unter uns auf demFirneis eine Anzahl runder Teiche überfrorenenSchmelzwassers; bei weiterer Annäherung anOstmassiv taucht an Steuerbord schneefreierGeländestreifen auf, zwischen dessen Buckelnanscheinend eisfreie Wasserflächen liegen; mußrückkehrend untersucht werden; vom Eistalzwischen 13° und 14° 0, aus 3.700 m Höhe, frei-er Uberblick nach Süden bis auf das über 4.000m hohe kahle Inlandeis und nach Nordwestenüber das Firneis des Borfeldes; Rückflug mitKurs auf das Teichgelände; überfliegen dieseskreuz und quer in 50-100 m über Grund; Teichebis auf Grund durchsichtig, anscheinend meh-rere Meter tief ohne Eisbildung, obwohlAußenthermometer -5° C zeigt, eingebettetzwischen knollenartigen, rundlichen Kuppenaus rotbraunem Schichtgestein; Stützpunkt fürspätere Landexpedition? Muß morgen noch zu-sammenhängend fotografiert werden; Rück-flug dicht über das Borfeld und die Schelfeis-zunge; Firneis netzartig mit vielen 1-2 m tiefenRinnen durchzogen, die zum Teil Schmelzwas-ser führen. " 19

Am Abend findet unter Leitung des Expediti-onsleiters die Besprechung über die Tagesereig-nisse und die Ergebnisse der Flüge statt. Flugka-pitän Mayr äußert sich ausführlich über dieSchwierigkeiten, die am Flugboot „Passat” auf-getreten sind, und begründet den Ausfall fürweitere Fernflüge; damit wird auch der Einsatzdes Flugbootes „Boreas” eingeschränkt, da es als

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Hilfsleistungsflugzeug ausfällt. Die Konsequenz:Wie der „Passat” kann auch der „Boreas” nurnoch für Küstenflüge eingesetzt werden.

Trotz geringer Aussicht auf besseres Flugwet-ter wird ein Start des „Boreas” für den nächstenMorgen angesetzt, um das Teichgelände zusam-menhängend zu fotografieren.

Die Nacht vom 3. zum 4. Februar bringt eineweitere Wetterverschlechterung, die aberlangsamer als erwartet fortschreitet. Gegen 6Uhr erreichen von Südosten heranziehendeSchneeschauer das Schiff. Da auch das Packeisaus dem Osten näher kommt, läßt Ritscher Fahrtnach Westen aufnehmen, um aus dem Nieder-schlagsgebiet herauszukommen und eine Mög-lichkeit für den Abschuß des Flugbootes „Bo-reas” zu finden. Ritscher will das Teichgelände,das etwa 150 Kilometer von der „Schwaben-land” entfernt liegt, fotografieren lassen.

„Boreas” wird um 9.55 Uhr von „Schwaben-land” abgeschossen. An Bord befinden sichFlugkapitän Schirmacher, der Flugzeugmecha-niker Loesener, der Flugfunker Gruber, die bei-den Luftbildner Bundermann und Sauter undals Gast Dr. Regula, der 1. Meteorologe.

Die Reihenbildkammern bleiben zurück, umdas Flugzeug zu entlasten. Zum ersten Mal fliegenzwei Luftbildner mit, ein Zeichen dafür, daß derExpeditionsleiter auf Aufnahmen von der Borea-sischen Seenplatte, wie sie später genannt wird,sehr großen Wert legt. Die Aufnahmen bei diesemFlug werden nur mit der Siemens-Handkameraund mit einer Kino-Buntfilmkamera gemacht.

Flugkapitän Richardheinrich Schirmacher be-richtet über diesen wichtigen Fotoflug: „DerFlug war angesetzt worden, um die Eisverhält-nisse im N und 0 der Schiffsposition zu unter-suchen sowie die am Vortage entdeckte borea-sische Seenplatte fotografisch zu erfassen. MitKurs 359° wurde vom Schiffsort bis 10.45 ge-steuert, wobei in dem überflogenen Gebiet kei-ne größeren Treibeismassen gesichtet wurden.11.05 wurde Kurs 180° gesteuert, von dem je-doch 11.38 wegen Wetterverschlechterung abge-gangen werden mußte. 12.05 wurde die NW-Ecke des Treibeises erreicht, wobei niedrige Be-wölkung nur eine Flughöhe von 300 m zuließ.Der weitere Flugweg folgte der äußeren Treibeis-grenze, die in etwa 20 sm breitem Abstand pa-rallel zu Schelfeisküste lag. Das Wetter war überdem Kontinent selbst günstiger, so daß der Fo-toauftrag ausgeführt werden konnte. 13.30 wur-de die Seenplatte erreicht und bis 13.47 mit W-und N-Kurs abgeflogen. 14.06 wurde der Heim-flug angetreten, der wegen fotografischer Auf-nahmen in niedriger Höhe durchgeführt wurde.Auf Wunsch des Fotografen wurde die Schelf -eisküste sowie das Treibeis niedrig abgeflogen,

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Diese Aufnahmen des Fotografen und Filmregisseurs FranzLazi zeigen die Vielfalt der antarktischen Landschaft im

Gebiet der Schirmacheroase: ein zerklüftetes Schneefeld(oben links), eine eisfreie Bergkuppe (oben Mitte), erdfar-

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bene Hügel (oben rechts), den Rand einer Gletscherzunge(unten links) und einen weiten Blick auf die Oase — hier

sind im Hintergrund die blauen Seen zu erkennen (untenrechts).

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um den Expeditionsfilm zu ergänzen. Die Lan-dung erfolgte [...] um 15.10 Uhr. "20

Eine am gleichen Tag durchgeführte Boots-fahrt an das in dieser Gegend lockere Packeisgalt Eisuntersuchungen. Außer dem Geophysi-ker beteiligten sich daran der 2. und der 3. Of-fizier der „Schwabenland”.

Am Abend des 4. Februar gibt der Expediti-onsleiter bekannt, daß die „Schwabenland”Fahrt nach Westen aufnimmt, um die Eislage ander Westgrenze des Arbeitsgebiets zu erkun-den. Falls ein Vordringen westwärts nicht mög-lich sein sollte, würde man die Rückreise antre-ten. Auf dem Weg dorthin sollen die beidenFlugzeuge noch einmal zu Küstenflügen einge-setzt werden, und es soll die Möglichkeit zuBootsexkursionen bestehen.

Am gleichen Abend erklärt ExpeditionsleiterRitscher in einer besonderen Besprechung mitden beiden Flugkapitänen und den Besatzungender Flugboote „Boreas” und „Passat” die ihnengestellte Aufgaben als beendet. Er verbindet da-mit den Dank für ihre hervorragenden Leistun-gen. Geplant sei nur noch die Durchführung ei-nes Erkundungsfluges am nächsten Tag, dem 5.Februar, um auch den beiden WissenschaftlernLange und Paulsen, die bisher an keinem Flughatten teilnehmen können, Gelegenheit zur Ver-vollständigung ihrer Arbeiten zu geben.

Die letzte deutsche Fahne wird gehißt

Am frühen Morgen des 5. Februar verdeckentiefhängende Wolken das Inland. Der für 9 Uhrbeabsichtige Sonderflug zur Erkundung derKüste und der Packeislage muß zunächst auf11.30 Uhr und dann um weitere zehn Minutenverschoben werden.

Um 11.40 Uhr wird „Boreas” mit der „Passat"-Besatzung an Bord abgeschossen. Neben demFlugkapitän Mayr, dem FlugzeugmechanikerPreuschoff und dem Flugfunker Ruhnke befin-den sich der Ozeanograph Karl-Heinz Paulsenund der 2. Meteorologe Heinz Lange an Bord.

Flugkapitän Mayr berichtet über diesen letz-ten Flug des „Boreas” unter anderem: „Das Zieldes Fluges war, im W oder 0 der großen Schelf-eiszunge auf 0° Länge einen günstigenAußenlandeplatz zu finden und dem Ozeano-graphen eine Arbeitsmöglichkeit am Schelfran-de zu verschaffen. [...] Um 13.37 landeten wirzwischen Schelf und Packeis. An der Anle-gestelle, die wir fanden, ragte das Schelf etwa1,70 m aus dem Meeresspiegel heraus. Ein An-legen war nur möglich, weil z. Z. des Manöversablandiger Wind herrschte. Wir legten dasFlugboot wieder mit dem bewährten Preu-

schoffschen Eisanker fest. Das Einrammen desEisankers wurde durch die glasharte und sprö-de Beschaffenheit des Eises außerordentlich er-schwert. Da das Eis von unserem Standort ausgleichmäßig hügelförmig zur Höhe des norma-len Schelfeises bis etwa 25 m anstieg, nahm ichan, daß auch diese Stelle über Land sei, undhißte die deutsche Flagge. Eine astronomischeStandortbestimmung war wegen der Wolkennicht möglich. In der Nähe unserer Anlegestel-le in unzugänglichem Gelände lagen riesigeRobben- und Pinguinenschwärme. Zwei leben-de Kaiserpinguine konnten wir wieder an Bordbringen. Der Ozeanograph Paulsen verlor beimUbersteigen aufs Schelf seinen Handkoffer. Um15.35 ließen wir die Motoren an und startetenum 15.46 zum Rückflug. Um 16.45 landeten wirbei M.S. ,Schwabenland`."

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Einer der Kaiserpinguine, die von der „Bo-reas"-Besatzung mitgebracht worden war, gabdem Biologen Rätsel auf; er konnte ihn auf-grund seines Aussehens nicht in eine der be-kannten Arten eingruppieren. Erst später stell-te sich heraus, daß er in der Mauser war.

Letzte Nacht und letzter Tag in der Antarktis

Während das Flugboot „Boreas” noch unter-wegs war, hatte M/S „Schwabenland” seineFahrt nach Westen fortgesetzt und befand sicham Abend des 5. Februar auf der Position 69°00' Süd, 0° 00'.

Über die letzte Nacht und den letzten Tag derExpedition hat Alfred Ritscher folgendes nieder-geschrieben: „Am Abend lag das Schiff [...] dichtan der Packeisgrenze, die sich von dort in nord-westlicher Richtung bis an den Horizont er-streckte. Angesichts dieser Eislage und der fort-schreitenden Wetterverschlechterung entfiel dieMöglichkeit, in absehbarer Zeit die Erkundungüber 11 1 /2' W westwärts auszudehnen. Denn fürdas Schiff war ein weiteres Vordringen in dieserRichtung ausgeschlossen, und das voll verwend-bare Flugzeug hätte einen 1.000 km weiten An-und Rückflug gehabt, wenn es, ohne in das In-land vorzustoßen, nur längs der Schelfeisküstegeflogen wäre. Im Notfalle wäre ihm dort wederauf dem Flugwege noch mit dem Schiff Hilfe zubringen gewesen. Ein Warten auf etwaigesZurückweichen des Packeises nach Westen warin dieser Jahreszeit auch nach Ansicht des Eislot-sen aussichtslos, und für eine Wetterbesserung inder nächsten Zeit sah der Meteorologe keine An-zeichen. Ich erklärte deshalb am Abend diesesTages die Ausreise der Expedition für beendetund setzte die Rückreise auf 12 Uhr mittags des 6.Februar fest. Der Vormittag sollte noch zu einer

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Bootsexkursion an das Packeis ausgenutzt wer-den, um Eis- und Deklinationsmessungen vor-zunehmen sowie Filmstudien zu machen undJagd auf Robben und Pinguine auszuüben. DerStandort 69° 00' Süd, 0° 00' sollte Ausgangspunktdes ozeanographisch-biologisch-meteorologi-schen Schnitts längs dem Nullmeridian sein, wieihn das Expeditionsprogramm vorsah.

An die Erklärung der Ausreisebeendigungschloß sich eine kleine Feier in den einzelnenMessen und Gemeinschaftsräumen an. Von ei-ner regelrechten Gemeinschaftsfeier wurde inAnbetracht der für den frühen Morgen desnächsten Tages angesetzten Bootsexkursion andas Eis abgesehen. An den Beauftragten für denVierjahresplan ging die vierte Wochenmeldungdiesmal mit dem Gesamtergebnis der Expediti-onstätigkeit ab. Gleichzeitig wurde die Geneh-migung zu einem Abstecher nach Südgeorgienerbeten, der der weiteren Bereicherung der wis-senschaftlichen Ergebnisse und Eiserfahrungenim Hinblick auf später noch folgende Unter-nehmungen dienen sollte. "22

Am nächsten Morgen, dem 6. Februar, wer-den um 5 Uhr drei Boote, die beiden Motor-boote und das Arbeitsboot, ausgesetzt. Wissen-schaftler, Teile der Flugzeug- und der Schiffsbe-satzungen, insgesamt 25 Mann, werden bis andie Packeisgrenze gebracht. Das Wetter ist trü-be, der Himmel bedeckt. Die im Laufe des Vor-mittags zunehmende Norddünung zeigt heran-nahenden Sturm an. Das Packeis ist in dieserGegend mit einigen Tafeleisbergen durchsetzt.

Vor der Dünung und Brandung finden dieBoote wohl einigen Schutz in der Eisbucht, aberdie vertikale Eisbewegung ist auch dort nocherheblich und erschwert die Landung.

Wie notwendig Otto Krauls Mahnung zurVorsicht auf dem Eis war, zeigt sich, als beimBetreten der Eisschollen der Messesteward Ru-dolf Burghard beim Springen von einer Eis-scholle auf eine andere zwischen diese fällt undzu versinken droht. Nur die Tatsache, daß erangeseilt ist und daher von seinen Kameradenrasch wieder aufs Trockene gezogen werdenkann, rettet ihm das Leben. Das kurze Wasser-bad hätte trotzdem zur Bildung leichter Frost-schäden genügt, und er wird für einige Tage inärztliche Behandlung gebracht.

Einige Filmaufnahmen werden gedreht, vierRobben geschossen und vier Adeliepinguineeingebracht. Der Geophysiker nimmt für späteran Bord anzustellende Untersuchungen Eis-stücke mit.

Um 12 Uhr sind alle Boote zurück an Bordund wieder eingesetzt. Der Biologe und derOzeanograph mit ihren Helfern waren an Bordgeblieben, um mit den Stationsarbeiten des ge-

planten Schnitts zu beginnen. Dieses nimmtdann noch mehr als die vorgegebene Zeit inAnspruch. Erst um 15.20 Uhr sind der Drahtder Serienmaschine des Ozeanographen unddas Fangnetz des Biologen eingehievt.

Dann erst laufen die Maschinen an, und dreilange Töne aus dem Heuler verhallen als letz-ter Abschiedsgruß der „Schwabenland”, derSchiffsbesatzung und aller Expeditionsteilneh-mer in der unendlichen Weite der Antarktis, diebei dicht bezogenem Himmel den Blicken ent-schwindet.

Neu-Schwabenland ist in Besitz genommen

Während M/S „Schwabenland” mit vollerKraft auf Heimatkurs gegangen ist, bereitet Al-fred Ritscher eine abschließende Erklärung vor,die am nächsten Tag per Funk dem Beauftrag-ten für den Vierjahresplan Hermann Göringübermittelt werden soll.

In seinen Erinnerungen resümiert der Expedi-tionsleiter: „Die Hauptaufgabe der Expedition,die luftfotogrammetrische Vermessung des Ar-beitsabschnittes zwischen 20° W und 20° 0 desantarktischen Kontinents polwärts, soweit dieSteigfähigkeit und Reichweite der Flugzeuge einVordringen in dieser Richtung erfolgten, war er-füllt bis auf den Raum zwischen 11 1

/2' W und 20°W, der wegen ungünstiger Umstände nicht hat-te bearbeitet werden können. Die 11.600 Licht-bilder der Reihenmeßbildkammern decken ei-nen geschlossenen Raum von mehr als 350.000qkm; darüber hinaus ist ein Randgebiet vonmehr als 250.000 qkm nach Westen, Süden undOsten durch Augenbeobachtung zuverlässig er-kundet worden, so daß die [. . . ] Karte ein Ge-samtgebiet von über 600.000 qkm Bodenflächeumschließt. Es hat den Namen ,Neu-Schwaben-land' erhalten. Längs aller Flugwege ist es mitden metallenen Abwurfpfeilen mit eingepreß-tem Hakenkreuz abgesteckt worden, von denendie an den Umkehrpunkten der Flugzeuge ab-geworfenen eine Reichsflagge trugen. [. .. ]

Durch die Erkundung und Kartierung sowiedie Abgrenzung und Besitznahmehandlungenin Neu-Schwabenland hat Deutschland völker-rechtlich den ersten Schritt zur Besitzergreifungdieses Gebietes getan. Schon jetzt darf festge-stellt werden, daß das Reich durch die Tätigkeitder Expedition ein vollgültiges Mitbestim-mungsrecht bei der bevorstehenden Aufteilungder Antarktis durch die interessierten Mächte er-langt hat. Auch für sein Recht auf Beteiligung amWalfang in den antarktischen Gewässern, der fürunsere Fettversorgung äußerst wertvoll ist, wirddie Expedition von größter Bedeutung sein."

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dem beabsichtigt der Expeditionsleiter vonBouvet aus einen Abstecher nach Südgeorgien,für den er die besondere Genehmigung vonHermann Göring über Funk eingeholt hat.

Die am 6. Februar begonnene Schlechtwetter-periode setzt sich auch in den folgenden Tagenfort. Zunehmender lebhafter Ostwind sowieSeegang und erhebliche nördliche Dünung be-gleiten M/S „Schwabenland”.

Am 7. Februar setzt dichtes Schneetreiben einund stört ganz erheblich die auf den Stationenbegonnenen Arbeiten der Wissenschaftler. Somuß der Ozeanograph wegen des zu hohenSeegangs und der Dünung, die den Draht derSerienmaschine zum Reißen zu bringen droht,bei 3.500 Metern erreichter Wassertiefe eilendsseine Arbeiten abbrechen.

Bei der Wetterlage, die kaum Besserung er-warten läßt, stellt sich rasch heraus, daß es un-zweckmäßig ist, Ozeanograph und Biologe zu-sammen auf der Luvseite des Vordecks arbeitenzu lassen; sie behindern sich dort mit ihrenDrähten und Fanggerätschaften zwangsläufig,und dies kann neben dem Zeit- auch einenGeräteverlust bedeuten. Das Problem wird da-durch gelöst, daß die Wissenschaftler ihre Ar-beiten nacheinander vornehmen, was allerdingsSchichten von sechs bis acht Stunden erfordert.

Eisberge im Dunkel der Nacht

Am B. Februar kommt Sturm aus RichtungNorden auf, und auch die Dünung nimmt er-heblich zu. Am späten Nachmittag trifft eineFunknachricht aus Berlin ein. Staatsrat Wohl-that antwortet Alfred Ritscher auf dessen tele-graphischen Schlußbericht vom 5. Februar undwünscht den Expeditionsteilnehmern eine guteHeimreise nach Hamburg.

Am 9. Februar verhindert stürmisches Wetterweitere wissenschaftliche Arbeiten an Ober-deck von M/ S „Schwabenland”. Im Dunkel derNacht treiben nur schattenhaft erkennbare Eis-berge unterschiedlicher Größe wie unheimlicheGespenster nahe dem Schiff vorbei. Der Gefahrvon Zusammenstößen mit ihnen kann bei derdurch Schnee- und Hagelböen noch verstärktenSichtbehinderung nur dadurch entgangen wer-den, daß sich M/S „Schwabenland” mit ge-stoppten Maschinen mehrere Stunden lang trei-ben läßt. An die Wachsamkeit und das seemän-nische Können von Kapitän Alfred Kottas undseinen Offizieren auf der Kommandobrückewerden hohe Anforderungen gestellt. Mehr-mals wird versucht, den Gefahren mit abge-schossenen Ortungskennzeichen und Schein-werfern rechtzeitig auszuweichen.

Da der Himmel tags und nachts ganz bedecktist, ist eine genaue Ortsbestimmung nicht mög-lich. Behelfsmäßig muß sie nach Koppelungvorgenommen werden, die nach Schätzungzurückgelegte Triftstrecke wird dann von Zeitzu Zeit in mehrstündiger Fahrt wieder aufge-holt.

Am Nachmittag des folgenden Tages wirddas amerikanische Walkochereischiff „Ulys-ses”, das eine norwegische Besatzung an Bordhat, passiert. Die zu ihr gehörenden Fangbootetauchen bald darauf aus dem Nebel auf.

Nach einer vorübergehenden Wetterbesse-rung können am 12. Februar die wissenschaft-lichen Arbeiten wieder aufgenommen werden,doch bereits am 14. Februar müssen sie wegenerneuter Wetterverschlechterung wiederholtabgebrochen werden. Sie enden mit dem Ver-lust eines Fangnetzes des Biologen mit 100 Me-tern Draht. Der Ozeanograph kann geradenoch eine Grundprobe aus 4.200 Metern Tiefeheraufholen, beim nächsten Versuch reißt auchbei ihm der Draht, und die Probe bleibt mitsamtdem einzigen Greifer auf dem Meeresgrundzurück.

Windstärke 11— Gefahr für die Flugzeuge

Das Wetter bleibt weiterhin schlecht. Am näch-sten Tag treibt dicht am Schiff ein toter Finnwalvorbei, ein Festmahl für Scharen von Vögeln.Aus allen Richtungen kommen sie angeflogen,schwarze Stinker, Raubmöwen, Kaptauben undandere; sie hocken dicht an dicht auf der ausdem Wasser ragenden Körperfläche des Walsoder umfliegen ihn mit lauten Gekreische, einfürchterliches Geräusch, das manchen an Decklockt.

Während der letzten Tage hatte der Wind eineStärke von 6 bis 8, nimmt dann aber auf 10 zu.Eisberge und Growler geben dem Schiff ein un-erwünschtes Geleit.

Am 15. Februar wächst der Wind zur Sturm-stärke 11 an, und in der Nacht zum 16. Februarreißt eine besonders hohe See die beiden Pode-ste zur Bedienung des Schleppsegels am Heckmitsamt ihren Geländern fort.

Den beiden Flugbooten an Bord der „Schwa-benland” droht Gefahr. Obwohl das Schiffschon am Vortag bei Windstärke 10 schwer roll-te und stampfte, standen die Flugzeuge aufihren Plätzen, von überkommenden Seen gänz-lich ungefährdet. Die anhaltenden Erschütte-rungen des Schiffskörpers versetzen jedoch ih-re Trag-, Leit- und Steuerflächen in dauerndeVibrationen, die befürchten lassen, daß Schar-niere, Nieten, Führungen der Steuerzüge und

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ZURÜCK NACH HAMBURG VIA KAPSTADT

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ähnliches ausschlagen könnten, was einen Ka-tapultstart ohne gründliche Überholung un-möglich machen würde. Doch die gefürchteteBeschädigung der Flugboote tritt nicht ein, sieüberstehen den Sturm, der dem Schiff und sei-ner Mannschaft, den Flugbootbesatzungen undWissenschaftlern stark zusetzt.

Gut überstehen die Pinguine die stürmischeSeefahrt. Bei den Sonderflügen und Bootsex-kursionen war es gelungen, insgesamt acht Kai-serpinguine und sieben Adeliepinguine zu fan-gen und an Bord zu nehmen; sie fühlen sich indem Pferch, der ihnen im Auftrag von KapitänKottas von den beiden Zimmerleuten gebautwurde, sehr wohl und tummeln sich oft in demeigens für sie angelegten Schwimmbad. Jetztbei der stürmischen Heimreise stehen sie imWindschutz einer Persenning oft dichtge-drängt, Kopf an Kopf, im Kreis. Sie ähneln einerGruppe trauriger Ratsherren in dunklen Re-genmänteln bei der Beratung lebenswichtigerMaßnahmen. Wie erfahrene Seefahrer passensie sich den Bewegungen des Schiffes an, sichbald nach der einen, bald nach der anderen Sei-te wiegend.

Sie können nicht ahnen, daß ihnen in dennächsten Tagen der „Brotkorb” höher gehängtwerden muß. Die durch das anhaltend schlech-te Wetter sich ständig hinauszögernde Reise-dauer hat die Futtervorräte an gesalzenen He-ringen so stark zusammenschrumpfen lassen,daß der Biologe Barkley, nebenbei Pflege- undFuttermeister für die Tiere, jeden Tag tiefer indie Heringstonne greifen muß, um die Freßlustder Pinguine zu befriedigen. Eine Überprüfungdes Heringsrestbestands ergibt schließlich, daßnur noch fünf Heringe täglich für elf Pinguinevorhanden sind. Um sie einigermaßen satt undfit zu halten, muß jetzt verstärkt zu Ersatzfut-termitteln gegriffen werden. Erst im nächstenHafen, den das Schiff anlaufen wird, wahr-scheinlich Kapstadt, können Frischfische einge-kauft werden.

Das seit Tagen bestehende unfreundlichestürmische Wetter zehrt an den Nerven dermeisten Fahrtteilnehmer, die sich oft nicht mehran Oberdeck wagen. In den achtstündigen dun-klen Nächten finden viele keinen Schlaf. Auchbefindet sich das Schiff noch immer in akuterGefahr. Immer wieder tauchen in SchiffsnäheEisberge größerer und mittlerer Abmessungenauf, die die Schiffsleitung dazu zwingen, dieFahrt bis zum Tagesgrauen zu stoppen.

Der Rückreiseplan der „Schwabenland” istderart durcheinander geraten, daß von der er-teilten Genehmigung, einen Abstecher nachSüdgeorgien zu machen, abgesehen werdenmuß, was Alfred Ritscher besonders bedauert.

In jedem Fall möchte der Expeditionsleiter zurVervollständigung der Küstenerkennung undfür das Ausloten der Bank westlich von Bouvetdie Insel umfahren, da es auf der Anreise hier-zu keine Gelegenheit gegeben hatte.

Droht eine " Expeditionspsychose'?

Auf Geheiß von Alfred Ritscher nimmt derSchiffsführer, Kapitän Kottas, Kurs auf Bouvet.Zwischen Nebel- und Schneeböen gelingt es je-doch nur, bis auf etwa zwei Seemeilen an dieNordküste der Insel heranzukommen. Ihr obe-rer Teil von 100 bis 200 Meter Höhe und auchdie gesamte Ostküste liegen in dichtem Dunst.Ritscher läßt deshalb von der Nordosthuk vonBouvet die 300 Seemeilen westlich von ihr ge-legene Bank ansteuern.

Zwölf Tage lang hält das schwere Wetter be-reits an. Es macht den Aufenthalt an Bord un-gemütlich, beinahe unerträglich. Vor allem fürdie schiffsungewohnten Wissenschaftler ist eseine Höllenfahrt. Bei allen Mahlzeiten wirbelnTische, Stühle, Tassen, Teller und Gläser durch-einander. In den Kabinen fallen die See- undLandkarten, Tintenfässer, Bücher, Zeitschriften,Papiere und Aufzeichnungen herab. Schubladenrutschen Tag und Nacht aus den Kommodenund verteilen ihren Inhalt, Wäsche und andereHabseligkeiten, auf dem Fußboden, Wasserfla-schen hüpfen aus den Regalen und zerknallenam Boden, Waschbecken schwappen über undgießen ihren Inhalt in die zum Gebrauch fürden nächsten Morgen bereitgestellten Seestiefel.Im Zwischendeck führt ein in den Kabinen hinund wieder für einen Augenblick zur Lüftunggeöffnetes Bullauge zu Uberschwemmungen.

Der ursprünglich geplante Abstecher nachSüdgeorgien hätte Abwechslung und Erholungbedeutet, doch auch so rückt die Ankunft inKapstadt in immer weitere Ferne.

Kein Wunder, daß die Stimmung an Bord aufdem Nullpunkt angelangt ist. Da die Haupt-aufgaben größtenteils gelöst sind, stellt sich ei-ne gewisse körperliche und seelische Anspan-nung bei dem einen oder anderen ein, die sichin leichter Reizbarkeit äußert. Die Gefahrwächst, daß bereits kleinere Anlässe zum Streitführen, der je nach Temperament ausgetragenwird. Nicht alle Menschen verfügen über eingroßes Maß an Selbstbeherrschung. Diese demGemeinschaftsleben auf einem Schiff abträgli-che Entwicklung kann zu einer gefährlichenSpannung, zu einer Art „Expeditionspsychose”führen.

Der Expeditionsleiter Alfred Ritscher, der alsfast 60jähriger über jede Menge Lebenserfah-

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

rung verfügt, hat auch für diese Situation eineLösung parat: Er animiert den GeophysikerGburek zu humorvollen Veranstaltungen. Gbu-rek findet für seine Gemeinschaftsabende anBord des M/S „Schwabenland” auch bereitwil-lige Mitglieder sowohl in der Besatzung undbei den Wissenschaftlern als auch unter demFlugpersonal. Er gründet einen „Gesangsver-ein”, der bis zum Ende der Reise Bestand hat,und eine Theaterspielgruppe, außerdem akti-viert er die Bordkapelle. Heitere Vortragsaben-de, Musikabende der Bordkapelle und dieTheateraufführungen finden immer ein dank-bares Publikum.

Zu einem Höhepunkt wird die Aufführungdes Dramas „Der König von Salern”. Bereits amVormittag des Aufführungstages kündigt ein inBuntstift künstlerisch gestaltetes Plakat amschwarzen Brett die Vorführung an. Als dieDarbietung der Theaterspielgruppe beginnt, istder Gemeinschaftsraum auf der „Schwaben-land” bis auf den letzten Platz besetzt. Zuvorhat die Bordkapelle das Publikum musikalischeingestimmt.

Nach Ankündigung und Einführung durchden „Herrn Theaterdirektor ” rollt das Dramaab. Es spielen: Preuschoff den König, Lange dasumworbene Schäfermädchen, Hartmann denanfangs geschmeichelten und bedenklichen,nach Aufdeckung des Tatbestands zornerfüll-ten Brautvater und Gburek als Schmierendirek-tor den Vermittler zwischen den dreien. Die mitviel Humor und improvisierten lustigen Einfäl-len gewürzte Darstellung endet unter denLachsalven der begeisterten Zuschauer - undselbstverständlich mit dem Mord bzw. Selbst-mord der vier Mimen.

Diese Art der Freizeitgestaltung, die Unter-haltungsveranstaltungen, erweisen sich als diebeste Medizin gegen die drohende „Expediti-onspsychose”.

Arbeit, Wind und Eisberge

Sowohl die Wissenschaftler als auch die Flug-zeugbesatzungen haben in den folgenden Ta-gen mit der Erarbeitung ihrer Berichte vollaufzu tun.

Alfred Ritscher beabsichtigt, den „Vorläufi-gen Gesamtbericht” über den Expeditionsver-lauf mit dem nächsten von Kapstadt gehendenDampfer nach Deutschland zu schicken, einDurchschlag soll sicherheitshalber von Per-nambuco aus mit dem Transozeanflugzeug derDeutschen Lufthansa nach Berlin abgehen.

Ungeachtet dessen nehmen die Arbeiten derWissenschaftler ihren Fortgang. Dr. Regula er-

probt einen neuen Weg zur Windstärkenmes-sung dicht über der Wasseroberfläche, indem ereinen Anemometer auf einen Rettungsringmontiert und dieses Gerät an einer Leine vomHeck aus achteraus fiert. Der Anemometer istmit einem Zählwerk an Bord gekoppelt.

Die Fahrt des M/S „Schwabenland” verlangtnachts weiterhin erhöhte Vorsicht, insbesonde-re bei schlechter Sicht, wie etwa 100 Seemeilenwestlich von Bouvet. Dort tauchen am 20. Fe-bruar plötzlich acht Eisberge und Growler inunmittelbarer Nähe vom Schiff auf. Die Gefahrdurch das Eis ist noch nicht vorbei.

Seit dem Passieren der Insel Bouvet hat es kei-ne Möglichkeit zur astronomischen Ortsbe-stimmung mehr gegeben. Am 21. Februar klartdas Wetter auf. Am 22. Februar sind noch eini-ge vereinzelte Growler am Horizont zu sehen,ein nicht weit vom Schiff vorübertreibenderGrowler zeigt schon starke Verfallserscheinun-gen, er ist der letzte seiner Art, der der „Schwa-benland” begegnet.

Obwohl sich die Fahrt des Schiffes in den letz-ten zwei Wochen wetterbedingt verzögert hat-te, hoffen Ritscher und Kottas den spätestenAnkunftstermin in Kapstadt, den 6. März, ein-halten zu können, wenn nicht noch Unvorher-gesehenes eintritt. Die Einhaltung des An-kunftstermins ist deshalb wichtig, weil man be-absichtigt, die Kurierpost der „Schwabenland ”

mit dem am 24. März von Pernambuco nachBathurst startenden Flugzeug der DeutschenLufthansa mitzugeben.

Doch das Wetter spielt nicht mit. Mehr alsdrei volle Tage, bis zum 28. Februar, wird dasSchiff von heftigem Sturm, Schnee und Regenbegleitet. Die Unbilden des Wetters werdennoch schlimmer, als die „Rauhen Vierziger” er-reicht werden, die in wahrer Gewalt, Wind, Dü-nung und Seegang aus Westen quer zum Kursdas Schiff wie toll hin und her werfen. Es ist, alsob der Wind- und Meeresgott den der „Schwa-benland” zugedachten Gesamtanteil anschlechtem Wetter nur für diesen Teil der Reiseaufgespart hätte.

Als sich das Wetter endlich beruhigt, bietetsich eine neue Möglichkeit der Freizeitgestal-tung: der schon in den Segelschiffszeiten be-liebte Fang von Albatrossen, eine willkomme-ne Abwechslung im Bordleben. Diese prächti-gen Vögel umsegeln das Schiff in ihrem be-wundernswert eleganten Flug, doch werdensie, sobald die „Albatros-Falle ” in die See ge-worfen ist, leicht das Opfer ihrer Freßgier. Die-se Falle besteht aus einem rhombusförmigenBlech mit ausgesparter Mitte und speckbeklei-deten Seiten. Der Albatros hackt sich mit sei-nem stark abwärts gekrümmten Schnabelober-

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Auf der Fahrt Richtung Kapstadt werden zwischen dem 20. und 22. Februar 1939die letzten Eisberge und Growler gesichtet.

teil in dem ausgesparten Mittelstück fest undkann mühelos und unverletzt an Bord gezogenwerden.

Einer der so gefangenen Vögel hat eineSpannweite von 2,87 Meter, ein noch größererhat wohl schon schlechte Erfahrungen gemachtund läßt sich nicht zum Anbeißen verlocken.Im Verhältnis zur Flügelspannweite ist der Kör-per des Albatros sehr leicht, die größeren Kno-chen sind hohl, so daß man sie auf Segelschiffenoft zu Pfeifenmundstücken verarbeitet.

Am frühen Nachmittag des 28. Februarkommt noch einmal Sturm auf, doch schon amnächsten Tag setzt eine durchgreifende Wetter-besserung ein. Wind und Seegang nehmen ab,auch geht die Bewölkung zurück, um bald wär-merem und sonnigerem Wetter zu weichen.

Kapstadt begrüßt die „Schwabenland”

Der Kurs der „Schwabenland” führt über dieDiscovery-Bank, auf der das englische For-schungsschiff, dessen Namen sie trägt, als ge-ringste Wassertiefe 670 Meter gefunden hatte.Die Lotmannschaft der „Schwabenland” iststolz darauf, diese Messung noch um 220 Meterüberbieten zu können, ganz plötzlich lotet sienach Tiefen von 4.000 Metern 450 Meter als ge-ringste Tiefe.

Für eventuell erforderlich werdende Eis-sprengungen hatte die „Schwabenland” einigeKilogramm Dynamit mit auf die Expeditions-

reise genommen; 25 Kilogramm befinden sichnoch an Bord. Da Alfred Ritscher befürchtet,das Schiff könnte in Kapstadt Schwierigkeitenmit den Hafenbehörden bekommen, wenn sichder Sprengstoff dann noch an Bord des Schiffesbefindet, ordnet er dessen Versenkung an.

Mit jeder zurückgelegten Seemeile nähert sichdas Schiff der südafrikanischen Küste. Das hebtdie Stimmung an Bord, fast alle erwarten Postaus der Heimat, die sie in Kapstadt vorzufin-den hoffen.

Im Morgengrauen des 2. März kommt dieBergkette der „Zwölf Apostel” in Sicht; siereicht vom Westende des Tafelbergs südwärtsbis ans Ende der Kapinsel. Beim Näherkommenwerden der dem Tafelberg nordwestlich vorge-lagerte Gipfel Lion's Head und der 1.082 Meterhohe, ausnahmsweise wolkenfreie Tafelbergsichtbar.

Wenig später tauchen die ersten Dampfer auf,die in den Hafen von Kapstadt einlaufen oderihn verlassen. Dann kommt schon der Lotse anBord, der das Schiff in den inneren Hafenmanövriert. Durch Vermittlung des deutschenKonsuls in Kapstadt stellt die HafenbehördeM/ S „Schwabenland” kostenlos einen Platz amKai der Fahrgastschiffe, dicht neben dem kurzzuvor eingelaufenen deutschen Schnelldamp-fer „Pretoria” der Deutschen Afrika-Linien zurVerfügung. Dadurch lassen sich nach dem Fest-machen die Hafenformalitäten viel leichter undschneller erledigen, als dies sonst der Fall ge-wesen wäre.

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Kaum hat die „Schwabenland” festgemacht,melden sich die ersten Besucher bei Ritscher.Zunächst kommt Legationssekretär Dr. Wertzan Bord, der den Willkommensgruß des Deut-schen Gesandten Dr. Leitner übermittelt; erübernimmt auch die Kurierpost, um diese demdeutschen Dampfer „Ryassa” zu übergeben,der noch am selben Tag auslaufen soll.

Danach melden sich mehrere Zeitungsrepor-ter bei dem Expeditionsleiter. Da Ritscher einegewisse Zurückhaltung gegenüber der Pressegeboten scheint, hat er für die Journalisten einekurze Presseerklärung über Woher und Wohinvorbereitet. Doch sind diese damit nicht zufrie-den, sie wollen mehr wissen. Da Ritscher zuweiteren Auskünften jedoch nicht bereit ist,schwärmen die Presseleute aus und suchenüberall auf dem Schiff nach Besatzungsmitglie-dern, um diese zu befragen. Obwohl die Besat-zung, die Wissenschaftler, die Flugkapitäneund die Flugbesatzungen vor dem Einlaufen inKapstadt darauf hingewiesen wurden, Presse-vertretern keine Auskünfte über die Expeditionzu geben, halten einige von ihnen nicht dicht,wie Ritscher den am nächsten Morgen erschei-nenden Zeitungen entnehmen kann.

Die Berichterstattung ist jedoch durchauswohlwollend - bis auf eine Ausnahme. Die Zei-tung Cape Times äußert den völlig unbegründe-ten und abwegigen Verdacht, die beiden aufder „Schwabenland” befindlichen Flugzeugehätten nachts zu Spionagezwecken Kapstadtüberflogen. Es werden sogar Zeugen angeführt,die die deutschen Flugzeuge mit Bestimmtheiterkannt haben wollen. Behördlicherseits wirdallerdings von dieser offensichtlichen Falsch-meldung keine Notiz genommen, und Ritschersieht sich daher auch nicht zu einer Gegendar-stellung veranlaßt.

Die „Schwabenland"-Besatzung ist nach demAnlegen des Schiffes vom Dienst befreit. Siegeht sofort von Bord, um sich Kapstadt anzuse-hen, und der engere Kreis der Expeditionsmit-glieder folgt den Einladungen zu Besichtigun-gen und Autofahrten durch die herrliche Um-gebung und zu Besuchen bei den in der Stadtansässigen Deutschen.

Die Meteorologen und der Geophysiker wer-den zum Besuch des englischen Observatori-ums eingeladen, der sie gern folgen, anderefahren in den Badeort Muizenberg oder bre-chen nach dem Tafelberg auf.

Alfred Ritscher stattet zunächst dem deut-schen Konsul und dem deutschen Gesandten Dr.Leitner einen Besuch ab. Dr. Leitner ist mit sei-nem Stab für die Dauer der gerade stattfinden-den Parlamentswahlen der SüdafrikanischenUnion von Pretoria nach Kapstadt übergesiedelt.

Kapstadt - Wiedersehen nach 38 Jahren

Alfred Ritscher verknüpft mit Kapstadt ganzbesondere Erinnerungen, über die er in seinemExpeditionsbericht schrieb: „Es war ein herrli-cher sonniger Tag und in den Straßen viel Le-ben. Die Parlamentssitzungen hatten dieführenden Männer der Union zum Teil mitihren Familien hier zusammengeführt; so be-gegnete man in den Straßen und Parks und aufden Wegen in der Umgebung vielen Spazier-gängern und -fahrern. Die Stadt weckte in mirErinnerungen an die Zeit vor 38 Jahren, als ichals Matrose durch einen Zufall, den ich alseinen glücklichen pries und noch heute preise,von dem deutschen Segelschiff ,Peru' hier hat-te abmustern können. Damals war gerade derBurenkrieg im Gange und das Hafengebiet we-gen der herrschenden Pest gegen die Stadt ab-geschlossen. Als Schiffsmann im Auslandsha-fen abmustern zu können, ist eine seltene Aus-nahme, aber ich war in dieser glücklichen Lageund hatte einige Goldstücke in der Tasche, sodaß ich zu Fuß, zu Wagen, zu Pferd und mit derEisenbahn die Kap-Provinz durchstreifenkonnte. Der Krieg gab ihr damals das Gepräge.In den Straßen wimmelte es von Soldaten; Kon-zentrationslager mit Gefangenen waren dichtvor der Stadt eingerichtet [...]. Als mein Geldvertan war - das ging schneller als ich mir vor-genommen hatte - lockte mich ein Plakatan-schlag ,Fifty Policemen wanted'. Kurz ent-schlossen meldete ich mich für diesen ,Job' undhalf als Hilfs-Policeman die Stadt vier Wochenlang zu bewachen. In meinem Revier, einemVillenviertel am Lion's Head, war aber nichtslos, deshalb musterte ich auf der zur Abfahrtnach Melbourne bereiten englischen Viermast-bark ,Grenada' an und kehrte so Kapstadt nachsechswöchigem Aufenthalt den Rücken. " 24

Das schrieb Ritscher in Erinnerung an seinenKapstadt-Besuch 1901, als er noch Matrose aufeinem Segelschiff war.

Über seinen Besuch mit M/ 5 „Schwaben-land” im März 1939, an den er sich ebenso gernerinnert, schreibt er: „In der Zwischenzeit hatsich die Stadt erheblich ausgedehnt, und dasburische Element scheint stark an Einfluß ge-wonnen zu haben. Schon in der Beschriftungder Anzeigetafeln zeigt sich das, die den Texterst in burischer und dann in englischer Spra-che bringen. Auf freundliche Einladung derAgentur führte mich eine einstündige Auto-fahrt mit Kapitän Kottas und Dr. Herrmannlängs dem Nordhang des Tafelberges nach demvon Cecil Rhodes angelegten Wildpark, wo Ze-bras, Steinböcke, zahlreiche Stelzvogelarten

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und Pfaue auf weitem, baumbestandenem Ge-biet volle Bewegungsfreiheit genießen, dann zuder prachtvollen Schöpfung des Cecil RhodesMemorial, einer Ehrung für den Mann, dessenWirken England den reichen Besitz der heuti-gen Südafrikanischen Union verdankt. DerBlick von der Höhe des Denkmals beherrschtnach Norden und Nordosten die weite Niede-rung, die die Tafel-Bucht umgibt, bis an die inkobaltblauer Ferne liegenden Höhenzüge hin-an. Zurück gings vorbei an der paradiesischzwischen herrlichen, gepflegten Steingärteneingebetteten Universität, zu deren Füßen sichdie Stadt ausbreitet. '25

Gastfreundschaft der deutschen Kolonie

Die nächste Einladung läßt nicht lange auf sichwarten, sie kommt vom deutschen Gesandten.Alfred Ritscher rühmt die einmalige Gast-freundschaft der in Kapstadt ansässigen Deut-schen. „Am Lunch im Hause des DeutschenVereins, zu dem der deutsche Gesandte einge-laden hatte, nahmen außer einer Reihe von Ex-peditionsmitgliedern der neuernannte und ge-rade in Kapstadt eingetroffene Generalkonsulfür Deutsch-Südwest-Afrika, Dr. Lierau, Pro-fessor Ogg vom Observatorium und etlicheHerren der Deutschen Kolonie teil, und nach-her hatte ich das Vergnügen, mit dem Leiter derAgentur, Herrn Spielhaus, auf seiner Farm 50km östlich von Kapstadt einen schönen Nach-mittag zu verleben; er fand seine Fortsetzungmit einer Cocktail-Stunde auf dem Musterguteines schon Jahrzehnte in der Kapkolonie an-sässigen Deutschen, des Herrn Wirth, dasfrüher Cecil Rhodes' Privatbesitz gewesen war.Als besondere Seltenheit war dort, zwischenzwei Steinpfeilern aufgehängt, die letzte Glockezu sehen, die in alter Zeit die Negersklaven zurArbeit rief. Den Abend beschloß ein Besuch beiden Familien der Herren Spielhaus und Obersta. D. Küppers. So wenig wie mir hatte es denübrigen Expeditionsteilnehmern an Zerstreu-ung gefehlt; schlecht war nur der Geophysikerweggekommen, der den ganzen Tag im Obser-vatorium hinter seinen Rechnungen gesessenhatte. Einzelne Kameraden verlebten anregen-de Abendstunden auf dem monatlich einmalauf einem der deutschen Schnelldampfer, indiesem Falle der ,Pretoria', stattfindenden deut-schen Gesellschaftsabend. Diesmal wohnte ihmauch der Außenminister der SüdafrikanischenUnion, Mr. Pirow, bei."26

Am nächsten Morgen erhält Ritscher vonHermann Göring ein Telegramm mit folgen-dem Wortlaut: „Zu dem bedeutenden Erfolg,

den Sie und Ihre Expedition mit der Erfor-schung eines großen Gebietes der Antarktis er-rungen haben, beglückwünsche ich Sie auf dasherzlichste. Ich bin stolz auf den hervorragen-den Einsatz der Flieger, auf die erfolgreiche Ar-beit der Wissenschaftler und auf die vorbildli-che Haltung der ganzen Besatzung. Sie und Ih-re Expedition haben an die große Traditiondeutscher Forschung anknüpfen können undeine Leistung vollbracht, die der Stellung Groß-deutschlands in der Welt würdig ist. Göring”"

Ritscher heftet das Telegramm an dasSchwarze Brett auf der „Schwabenland” undgibt damit den Dank an alle Expeditionsmit-glieder weiter.

Der letzte Tag in Kapstadt

Bevor M/S „Schwabenland” den Hafen vonKapstadt verläßt, werden noch Frischlebens-mittel und Nachschub an frischen Fischen fürdie Pinguine an Bord genommen. Der Auslauf-termin ist von Alfred Ritscher auf 17 Uhr fest-gelegt.

Die dienstfreie Besatzung und die anderenExpeditionsteilnehmer haben am Vormittagnoch einmal Landgang.

Ritscher unternimmt mit Dr. Wertz und Dr.Lierau eine „Besteigung” des Tafelberges aufdem mühelosen Weg mit der Drahtseilbahn,die vom Autoparkplatz abfährt und die drei„Wanderer” in wenigen Minuten auf die Hoch-fläche des Gipfels befördert, der ausnahmswei-se völlig wolkenfrei ist. Der frische Südwindläßt allerdings baldige Bewölkung vermuten.Wenn Bewölkung aufkommt, stellt die Draht-seilbahn ihren Betrieb ein. Wer sich dann nochoben befindet, dem bleibt dann nur noch einmehrstündiger beschwerlicher Abstieg zu Fuß,kein großes Vergnügen, wenn man keine Zeithat und nicht mit Kletterbekleidung ausgerü-stet ist. Beides fehlt Ritscher und seiner Beglei-tung.

Vom Tafelberg bietet sich ein einmaligerRundblick, nach Süden über die Kap-Halbinselmit der False-Bay und dem KriegshafenSimonstown, nach Norden über die Tafel-Buchtund unmittelbar zu Füßen des Berges über dieStadt, die sich mit ihren Vororten noch weitnach Osten und Westen ausdehnt.

Die kahle Hochfläche des Berges ist mit wilddurcheinander gewürfelten, losen und gewach-senen, vom Winde abgeschliffenen Felsblöckenbesät; nach Norden und Süden fällt sie in senk-rechten Steilwänden einige hundert Meter ab.

Um 12 Uhr gibt Dr. Wertz das Zeichen zurTalfahrt. Bereits eine Stunde später ist der Gip-

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fel des Tafelbergs unter der Wolkendecke, dem„Tafeltuch”, verschwunden.

Zum Abschluß des Kapstadt-Aufenthalts der„Schwabenland"-Besatzung haben der deut-sche Gesandte und seine Gattin einige Expedi-tionsteilnehmer zum Lunch eingeladen. NebenExpeditionsleiter Ritscher und Eislotse Kraulnehmen der Biologe Barkley, der Leitende In-genieur Uhlig und der 4. Offizier Grisar sowieeinige Mitglieder der deutschen Kolonie unddie beiden Töchter des Gesandten an dem Es-sen teil.

Ritscher lädt diesen Kreis dann zum Nach-mittagskaffe auf M/ S „Schwabenland” ein, woman bis zur Abfahrt zusammensitzt und plau-dert.

Fünf Minuten vor 17 Uhr verlassen die Gästedas Schiff, danach werden die Leinen losge-worfen, ein Schlepper hilft beim Ablegen vomKai, auf dem die letzten Gäste stehen und demSchiff zuwinken.

Dann sind die erholsamen und erlebnisrei-chen Tage von Kapstadt, an die sich alle nochlange erinnern werden, vorbei.

Auf Heimatkurs

Quer über den Ozean geht die Heimreise desM/S „Schwabenland” mit einem Zwischen-stopp in der brasilianischen Hafenstadt Per-nambuco. Dort soll dem am 24. März nach Ba-thurst an der afrikanischen Küste startendenFlugzeug der Deutschen Lufthansa die Kurier-post mitgegeben werden.

In Kapstadt scheinen sich die ängstlichenGemüter über den „Schwabenland"-Besuchnoch immer nicht beruhigt zu haben. Die Zei-tung Cape Times fragt am Morgen nach demAuslaufen des Schiffes noch einmal funktele-graphisch an, ob eines der beiden Flugzeugenicht doch in der Nacht vor dem Einlaufen, vorder Ankunft Kapstadt überflogen habe. Rit-scher antwortet: „Beide Flugzeuge seit Wochenaußer Betrieb. Wir mißbrauchen Eure Gast-freundschaft nicht!”

Unbeirrt fährt M / S „Schwabenland” der Hei-mat entgegen. Doch es ist noch ein weiter Weg.

Am 18. März taucht die schon zu Brasiliengehörende Insel Trinidad auf, sie ist vulkani-schen Ursprungs. Hier müssen gewaltige vul-kanische Kräfte gewütet haben. Aus dem Was-ser steigen pechschwarze Lavapfropfen steil indie Luft.

Ein Blick aus den Gläsern läßt erkennen, daßdie Brandung haushoch gegen die steilen Fel-sen schlägt. Die Landung wird sicher nichtganz einfach sein, doch sie gelingt. M/S

„Schwabenland” ankert im Windschutz derCochoeiro-Bucht, der Windschutz auf Trinidadist berühmt.

Zur gleichen Zeit ankert dort eine norwegi-sche Walkocherei, deren Fangboote einige Zeitspäter eintrafen, um Betriebsstoff für ihreHeimreise vom Mutterschiff zu übernehmen.

Der Aufenthalt des Schiffes auf Trinidad isterforderlich, um dringende Außenarbeiten vor-zunehmen: den „Malern” an Bord die Gelegen-heit zu geben, die während der Reise und demAufenthalt in der Antarktis schadhaft gewor-denen Stellen zu übermalen. Das dauert denganzen Tag.

An der Nordseite der Insel sieht man mitbloßem Blick verfallene Häuser, die von frühe-ren brasilianischen Besatzungstruppen stam-men. Jetzt sind, wie im Seehandbuch berichtetwird, nur Herden von wilden Ziegen hier undÜberbleibsel aus der Weltkriegszeit, als manhier einige Dutzend Menschen internierte.Während die Maler von der Schiffsbesatzungam Werk sind, nutzen viele dienstfreie Besat-zungs- und Expeditionsmitgliedern die Gele-genheit, ein Sonnenbad zu nehmen. Einigevergnügen sich damit, am Kai zu angeln. Eswimmelt dort von in wunderbaren Farbenschillernden Fischen, die nach dem Urteil desBiologen aber giftig sind und deshalb wederzur Abwechslung für den Mittagstisch nochfür die Fütterung der Pinguine an Bord tau-gen.

Da in Pernambuco, dem nächsten Anlaufha-fen, Landgang zu erwarten ist, hat der Bordfri-seur, der 2. Koch der „Schwabenland” FritzTroe, gelernter Schlachter und Amateurfriseur,seinen Haarschnitt-Stuhl aufgebaut, auf dem ei-ner nach dem anderen Platz nimmt. Er hat denganzen Tag zu tun, so stark ist der Andrang.

Andere Länder, andere Sitten

Der Abschied von der weltverlorenen Insel mit-ten im Ozean fällt nicht schwer, das nächsteZiel, Pernambuco, verspricht ein größeres Er-lebnis zu werden.

Am 19. März verläßt die „Schwabenland”ihren Ankerplatz und nimmt Kurs auf Pernam-buco. Am 22. März kommt die brasilianischeKüste in Sicht; um 11 Uhr legt das Schiff an undankert im Vorhafen. Nach den üblichen Forma-litäten ist ab Mittag Landgang angesagt, werdienstfrei hat, kann das südamerikanische Fest-land betreten, die meisten haben dazu zum er-sten Mal Gelegenheit.

Einige Besatzungsmitglieder besuchen dasFlugzeugstützpunktschiff „Friesenland” der

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Nach einem Zwischenstopp in der brasilianischen Hafenstadt Pernambucogeht es mit direktem Kurs Richtung Hamburg.

Deutschen Lufthansa, das im Hafen liegt, an-dere sehen sich die Stadt an.

Dazu gehört auch der Geograph Dr. ErnstHerrmann. Er schreibt darüber in seinen Erin-nerungen: „Der Eindruck der Stadt ist wie dereiner süditalienischen oder südspanischen. Dasgleiche bunte Treiben, nur noch etwas erregterund hitziger.

Wir Nordländer müssen ja grundsätzlich um-lernen. Fahren wir z. B. in Berlin oder Hamburgin der Straßenbahn, dann haben wir das wohl-tuende Gefühl: hier paßt jemand auf uns auf:der Wagenführer, daß wir nicht zu schnell fah-ren und schwindelig werden, der Schaffner,daß wir nicht von der Plattform fallen, nicht zurUnzeit aussteigen, nicht im Fahren oder ver-quert rum den Wagen verlassen usw. [...]Durch zahlreiche Verbotstafeln wird [.. .] auf al-le möglichen Gefahren aufmerksam gemacht.

Nicht so in Brasilien! Der Direktion der Per-nambuco-Straßenbahn ist es völlig gleichgültig,auf welche Art ein Fahrgast befördert zu wer-den wünscht. Sie fährt, das ist alles. Sie fährtschnell, denn time is money. Sie hält sogar ge-legentlich, das ist schon viel. Und die Fahrgä-ste? Sie huppen so rauf und runter, wie es ihnenSpaß macht. In den verkehrsreichen Stundensieht eine Bahn wie ein Bienenschwarm aus.Von dem Wagen sieht man nichts mehr, dafürhängen, stehen, knien, baumeln, schweben un-gezählte männliche Wesen - nur Männer -außen an dem Wagen dran. Wenn einer losläßtund irgendwann - aber immer glücklich - aufs

Pflaster knallt, ist er ,ausgestiegen'. Von wel-chen Passagieren der Schaffner eigentlich dasFahrgeld fordert, ist mir schleierhaft. [...]

Es gibt aber noch mehr zu sehen als Straßen-bahnen. Vor allem Menschen. Unendlich vieleund alle Gattungen. Außer Männlein undWeiblein Weiße, Schwarze, Braune, Rote mitsämtlichen Schattierungen und Mischfarben.[...] Der Brasilianer soll einen sechsten Sinndafür haben, sich zwischen den reinenWeißen, Negern, Indianern und Mulatten undMestizen mit sämtlichen Zwischenstufendurchzufinden.

Am ,Potsdamer Platz' in Pernambuco, derwichtigsten Straßenkreuzung, liegt das CafLafayette, Tische und Stühle stehen weit aufden Bürgersteig hinaus. Ich setze mich an einenTisch, trinke einen phantastischen Kaffee, rau-che eine unerhörte Zigarre und staune über die-ses Verkehrstempo.

In der Mitte des Platzes steht ein Verkehrs-schutzmann [...], ein Neger, der mit groß aus-holenden - geradezu charmanten Armbewe-gungen den Verkehr regelt. D. h. er gibt nur an,welche Fahrtrichtung er jetzt von sich aus vor-schlagen möchte. Wenn es einer sehr eilig hat,fährt er trotzdem genau senkrecht dazu. Haupt-sache ist nur, daß er sich dann wie ein Besesse-ner durch die Wagen der anderen Richtung hin-durchschlängelt. Dem Schutzmann ist das ganzgleich, er hat nur den Verkehr zu regeln, abernicht auf das Wohl und Wehe der Leute aufzu-passen.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Da kommt ein Zeitungsjunge zu dem Schutz-mann und gibt ihm eine Zeitung. Dieser läßtjetzt Verkehr Verkehr sein, geht auf den näch-sten Bürgersteig, lehnt sich gegen eine Laterneund liest die Zeitung. Er liest sie gründlich, vonSeite zu Seite. [. . .] der Verkehr wickelt sich auchohne ihn ab. Nach etwa 20 Minuten ist er fertig,steckt das Blatt in die Tasche, geht wieder in dieMitte des Platzes [...] und schlägt mit liebens-würdigen Arm- und Körperbewegungen denFahrzeugen andere Richtungen vor. " 28

Alfred Ritscher selbst findet keine Zeit zumLandgang. Zunächst kommt der deutsche Kon-sul v. d. Steinen mit einem Begleiter an Bord,um die Kurierpost in Empfang zu nehmen, diesein Begleiter sofort an Land bringt, damit sieam nächsten Morgen mit einer Do 17 in drei Ta-gen über den Atlantik, Lissabon, Marseille,Stuttgart nach Berlin gelangt. Die „Schwaben-land” wird noch drei Wochen für die Heimreisenach Hamburg benötigen.

Der deutsche Konsul lädt Ritscher und Kottaszum gemeinsamen Besuch bei Kapitän Detme-ring auf dem Flugzeugstützpunktschiff „Frie-senland” ein, das ganz in der Nähe im Hafenliegt. Es wird ein fröhlicher und unterhaltsamerAbend, der erst gegen Mitternacht endet. Rit-scher revanchiert sich mit einer Einladung zumFrühstück auf M/S „Schwabenland”.

Bevor das Schiff den Hafen verläßt, wirdNachschub an frischen Fischen für die Pingui-ne, der hoffentlich bis zur Ankunft in Hamburgausreicht, an Bord genommen. Schließlich willman die Pfleglinge dort wohlbehalten abliefern.Die mehr als dreiwöchige Reise durch die Tro-pen hat die Tiere sichtlich angegriffen. Die auf-opfernde Pflege des Biologen hat nicht verhin-dern können, daß ein Kaiserpinguin und zweiAdeliepinguine verendet sind.

Fernando de Noronha — der „Finger Gottes”

Jetzt geht es mit direktem Kurs auf Cuxhavenund Hamburg zu. Zunächst kommt die Vulkan-insel Fernando de Noronha in Sicht, eine wun-derbare Insel mit einem prachtvollen La-vapfropfen, den man den „Finger Gottes”nennt.

Als der Vulkan noch tätig war, sah er so auswie ein hoher Aschenkegel, der gelegentlichauch Lavaströme hervorbrachte. Nach demAufhören der vulkanischen Tätigkeit setzte dieVerwitterung ein und zerstörte den Berg. Dieweichen Ascheschichten und die dünnen Lava-ströme wurden durch Wind und Wetter sehrbald fort gewaschen. Nur die harte, feste Lava-masse blieb erhalten. Dazu gehörte vor allem

die Ausfüllung des Vulkanschlots, ein riesigerLavapfropfen hatte sich hier festgesetzt.

Dieser Pfropfen wurde mehr und mehr ausder umgebenden Asche herausmodelliert undreckte sich bald wie ein ungeheurer Finger indie Luft: So entstand auf der Insel Fernando deNoronha der „Finger Gottes”.

Schmucke Häuschen zieren diese herrlichebrasilianische Insel nordöstlich der OstspitzeSüdamerikas, sie war einmal eine Strafkolonie.Doch das ist längst vorbei.

Fernando de Noronha ist nur 27 Quadratkilo-meter groß und hat nur etwa 1.300 Bewohner.Einige Jahre zuvor hat sie als wichtiger Hafenfür die Katapultschiffe der Deutschen Lufthan-sa, so auch des schwimmenden Flugzeugstütz-punktschiffes M/S „Schwabenland” große Be-deutung gewonnen.

Bewohner der Insel, die das Schiff in besterErinnerung haben, haben die Annäherung desSchiffes beobachtet und kommen ihm mit Boo-ten entgegen. Die Menschen in den Booten ru-fen und winken dem auf dem Deck der„Schwabenland” stehenden Kapitän, seinen Of-fizieren und den Besatzungen der Flugboote„Boreas” und „Passat” zu. Der Austausch derGrüße kann nur per Distanz erfolgen. M/S„Schwabenland” kann die Grüße nur mit Tutenbeantworten. Ein Anlegen und Ankern ist ausZeitgründen nicht möglich, vor dem Schiff lie-gen an diesem Tag noch etwa 100 Seemeilen,die zu bewältigen sind, um den genau festge-legten Ankunftstermin in Cuxhaven nicht zuverpassen.

Ritscher sitzt unterdessen in seiner Kabineund ist mit der Fertigstellung des Expeditions-berichts beschäftigt. Die Wissenschaftler unddie Flugzeugführer haben ihm ihre Berichteübermittelt. Ritscher hat sie alle gelesen und istseit Tagen dabei, sie in seinen Gesamtberichteinzufügen. Zuletzt hat er den Bericht desSchiffskapitäns Kottas erhalten, den kürzestenvon allen. Zusätzlich hat der Expeditionsleiterden Eislotsen Kraul gebeten, ihm ein Exposeüber die Bedeutung des Walfangs für dieErnährung in Deutschland zu schreiben. Auchdiesen hat er erhalten und gerade gelesen.

In diesem Augenblick bringt ihm der Funkof-fizier ein langes Telegramm. Es ist ihm aus Ber-lin übermittelt worden. Er liest es sehr auf-merksam, denn es enthält bis ins letzte Detaildas Begrüßungsprogramm für die Ankunft desExpeditionsschiffes M/S „Schwabenland ” inCuxhaven und danach in Hamburg. Was ihmdaran nicht gefällt, ist die Tatsache, daß manauch von ihm als Expeditionsleiter eine Redeerwartet. Nun muß er sich auch darauf nochvorbereiten.

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An Kapitän RitscherLeiter der „Deutschen

antarktischen Expedition”7. III. 1939

Zu dem bedeutenden Erfolg, den Sie und Ihre Expedition

mit der Erforschung eines großen Gebietes der Antarktis

errungen haben; beglückwünsche ich Sie auf das herzlichste.

Ich bin stolz auf den hervorragenden Einsatz der Flieger,

auf die erfolgreiche Arbeit der Wissenschaftler und auf

die vorbildliche Haltung der ganzen Besatzung. Sie und

Ihre Expedition haben an die große Tradition deutscher

Forschung anknüpfen können und eine Leistung vollbracht,

die der Stellung Großdeutschlands in der Welt würdig ist.

In dem Buch Deutsche Forscher im Südpolarmeer des Geographen Dr. Ernst Herrmann ist der Wortlautvon Hermann Görings Glückwunschtelegramm als einleitendes Grußwort abgedruckt.

Hamburg wirft seine Schatten voraus

Alfred Ritscher hatte erwartet, daß die Be-grüßung der Expeditionsteilnehmer amAbend des Ankunftstages im Hamburger No-belhotel „Vier Jahreszeiten” von HermannGöring als Beauftragtem für den Vierjahres-plan vorgenommen wird. Jetzt erfährt er mitdem Telegramm aus Berlin, daß diese Be-grüßung durch den Präsidenten der Deut-schen Forschungsgemeinschaft, SS-Standar-tenführer Prof. Dr. Rudolf Mentzel, erfolgensoll. Ritscher weiß zwar, daß die Antarktisex-pedition im Auftrag der dem Reichswissen-schaftsministerium unterstellten DeutschenForschungsgemeinschaft erfolgt ist, doch die-se Mitteilung enttäuscht ihn und wird sicherauch den Kapitän und die Besatzungen der„Schwabenland"-Flugboote „Boreas” und„Passat” enttäuschen.

Mittlerweile ist Ritscher nicht sicher, ob ihnnicht noch andere Überraschungen in Cuxha-ven und in Hamburg erwarten. In Cuxhavensollen bereits die besonderen Ehrengäste anBord der „Schwabenland” kommen; auch dabeisind Überraschungen nicht ausgeschlossen.

Die Arbeit, die noch vor ihm liegt, läßt Rit-scher keine Zeit; die Fertigstellung des Expedi-tionsberichtes ist für ihn die dringendste Auf-gabe. Zunächst widmet er sich dem Thema„Walfang”, über das ihn Otto Kraul eingehendinformiert hat.

Die Teilnahme Deutschlands am Walfang be-gann erst 1936/37. Die erste deutsche Walko-cherei „Jan Wellem” wurde unter KapitänKraul als Fangleiter in die Arktis geschickt undschoß 920 Wale. Das war zwar ein bescheidenerAnfang, doch schon im folgenden Jahr waren esweit mehr. Trotzdem mußte Deutschland 1937noch etwa die Hälfte des gesamten Weltvor-kommens kaufen, um seinen eigenen Bedarf zu

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

decken. Der Walfang mußte wesentlich erwei-tert werden. Dies sollte im Südpolarmeer ge-schehen. Deshalb war das Deutsche Institut fürWalforschung, eine Abteilung der Reichsstellefür Fischerei, an der Antarktisexpedition sehrinteressiert. Blauwale zum Beispiel haben eineSpeckschicht von bis zu mehr als 20 ZentimeterDicke, der Walspeck enthält bis zu 80 Prozentreines 01. Ein Blauwal von 24 Metern Länge lie-fert im Durchschnitt 13,5 Tonnen Walöl. Die be-ste Sorte dieses Öls wurde für die Margarinefa-brikation verwendet, die übrigen zu techni-schen Zwecken wie zum Beispiel Seifen,Schmieröle usw. Deutschlands Bedarf an Walöllag mit jährlich etwa 200.000 Tonnen außeror-dentlich hoch. Die Sicherung weiterer Fangge-biete in der Antarktis für deutsche Fangflottenerschien aufgrund dieses hohen Bedarfs beson-ders wichtig.

Mitternacht ist längst vorbei, als sich Ritscheran diesem Abend zum Schlafen legt.

Unbeirrt setzt M / S „Schwabenland ” in dieserNacht und den folgenden Tagen seine Fahrtfort. Jeder Tag bringt das Schiff der Heimatnäher.

Der Aquator ist längst überquert, es ist kühlergeworden. Am 29. März wird Kapverden pas-siert. Am 1. April findet an Bord der letzte Sing-abend im Gemeinschaftsraum statt. Am näch-sten Morgen tauchen die Kanarischen Inselnauf.

Am 9. April ist Ostersonntag. M/S „Schwa-benland” ist bereits aus dem Kanal heraus. DasWetter ist prächtig. Die Ostersonne strahlt voneinem blauen Himmel.

Einige Fahrtteilnehmer packen bereits ihre Ta-schen und Koffer. Geräte werden in Kisten undKästen verstaut. Es herrscht bereits Abbruch-stimmung, das Ende der Expedition naht.

Ritscher hat seinen Expeditionsbericht mit ei-nem Leistungsbericht der Schiffsbesatzung er-gänzt: „Die Bewegungen des Schiffes warenwährend des dreiwöchigen Aufenthaltes amSchelfeis durch die Flugtätigkeit bestimmtworden. Für die Schiffsleitung war mit ihremAbschluß eine verantwortungs- und arbeitsrei-che Zeit zu Ende gegangen. Sprechen diegroßen Erfolge der Flieger und Wissenschaft-ler, deren Arbeiten auf einem bisher uner-forschten Teil des arktischen Kontinents und indem zugehörigen Küstengewässer viel Neuesgebracht haben, für sich, so tritt auf den erstenBlick die Arbeitsleistung der Schiffsleitung ih-nen gegenüber weniger in Erscheinung. Aberdie Rekordziffer von 1.126 Manövern in denantarktischen Gewässern zum Ausweichen vordrohenden Zusammenstößen mit gefährlichenEisgebilden, zum Umfahren von Packeisfel-

dern, zum Absetzen der Flugzeuge und Booteund zu ihrer Wiederaufnahme, sowie für dieArbeiten der Wissenschaftler, macht das Maßihrer verantwortlichen Tätigkeit deutlich. Einnicht geringer Teil der erzielten Gesamterfolgeist daher der unermüdlichen Einsatzbereit-schaft des Kapitäns und seiner Offiziere undMannschaften des Deck- und Maschinendien-stes zuzuschreiben und der ebenso unermüdli-chen und wertvollen Beratung durch den Eis-lotsen. " 29

Bei strahlendem Wetter erreicht am Morgendes 10. April M/S „Schwabenland” Feuerschiff„Elbe III” und ankert. Kapitän Kottas hat Rein-schiff befohlen, das Schiff wird für den Emp-fang am nächsten Morgen in Cuxhaven land-fein gemacht.

Mit Reißnägeln heftet der ExpeditionsleiterAlfred Ritscher an diesem Morgen ein Dank-und Abschiedswort an alle Expeditionsteilneh-mer:

„Kameraden!Die Deutsche Antarktische Expedition

1938 / 39 ist zu Ende. Eine treue Arbeitsgemein-schaft, die sich in vier Monaten gemeinsamenErlebens herausgebildet hat, wird dadurchgelöst. Aber so lange sie bestand, hat sie sich inguten und in schlechten Tagen bewährt. Daszeigen die Erfolge der Unternehmung, die Eu-re Erfolge sind und nur errungen werden konn-ten dadurch, daß einer für den anderen ein-stand und alle am gleichen Strang gezogen ha-ben.

Als Leiter dieser treuen Arbeitsgemeinschaftist es mir eine große Freude, Euch allen, denFliegern und ihren Mitarbeitern, den Wissen-schaftlern und den Seeleuten des Deck- undMaschinendienstes, für Eure freudige Mitarbeitherzlich zu danken, und ich möchte denWunsch aussprechen, daß jeder von Euch allenan die nun beendete Reise immer gern und mitStolz zurückdenken möge.

Für Eure künftige Tätigkeit und Euer Wohler-gehen spreche ich Euch meine besten Wünscheaus! Der Expeditionsleiter. " 30

„Herzlich willkommen in der Heimat”

Am frühen Morgen des 11. April legt M/S„Schwabenland” über die Toppen geflaggt ander Steubenhöft-Brücke in Cuxhaven an. EinigeAngehörige der Fahrtteilnehmer stehen aufdem Kai und winken mit Taschentüchern, siehaben keinen Zutritt auf das Schiff, dieser istnur den Ehrengästen vorbehalten.

Am 12. April 1939 treffen mit dem aus Ham-burg kommenden Frühzug die Ehrengäste ein.

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Um 11 Uhr kommen sie unter Führung vonStaatsrat Wohlthat an Bord: der Präsident derDeutschen Forschungsgemeinschaft, SS-Stan-dartenführer Prof. Dr. Mentzel in Vertretungdes Beauftragten für den Vierjahresplan Her-mann Göring, Konteradmiral Dr. Conrad alsVertreter des Oberkommandos der Kriegsmari-ne, Admiral Dr. Spieß, der Präsident der Deut-schen Seewarte sowie Vertreter des Reichsmini-steriums für Erziehung und Volksbildung, desFinanzministeriums, des Außenministeriums,weiterer Behörden und wissenschaftlicher In-stitutionen.

Es bleibt dem SS-Standartenführer Prof. Dr.Mentzel in seiner Eigenschaft als Präsident derDeutschen Forschungsgemeinschaft vorbehal-ten, in Anwesenheit aller Ehrengäste die 82Fahrtteilnehmer der Antarktisexpedition, dieauf dem Vorschiff angetreten sind, zu ihrerglücklichen Heimkehr von der erfolgreichenExpedition zu beglückwünschen und in derHeimat willkommen zu heißen.

Im Gemeinschaftsraum findet danach einfestliches Labskausessen statt. Anschließendträgt der Expeditionsleiter Alfred Ritscher aufBitten von Prof. Mentzel einen kurzen Berichtvor. Schließlich setzt M/ S „Schwabenland”nach einer kurzen Führung durch das Schiff dieFahrt nach Hamburg fort und macht um 19 Uhrim Hamburger Hafen an der Überseebrückefest.

Vor der Überseebrücke ist ein Ehrensturm derMarine-SA und des NS-Fliegerkorps angetre-ten. Nach einer kurzen Begrüßung durch Sena-tor von Allwörden werden die Expeditionsteil-nehmer und die Ehrengäste mit bereitgestelltenAutobussen zum Rathaus gefahren.

Im großen Festsaal des Rathauses heißt Bür-germeister Vincent Krogmann im Namen desGauleiters und Reichsstatthalters Karl Kauf-mann und der Bevölkerung der HansestadtHamburg die Expedition willkommen undweist darauf hin, daß gerade in Hamburg, derHeimat des deutschen Walfangs, die Anteil-nahme an der Expedition und ihren glänzen-den Ergebnissen besonders groß ist.

Ritscher spricht den Dank der Expeditions-teilnehmer aus und berichtet noch einmal in ge-raffter Form über die Expedition.

Danach folgen Forscher, Flieger und Schiffs-offiziere der Expedition mit den zur Begrüßungnach Hamburg gekommenen Vertretern derReichsregierung und führenden Persönlichkei-ten aus Partei, Staat und Wehrmacht Hamburgseiner Einladung des Reichsministers Rust zumAbendessen im Hotel „Vier Jahreszeiten”.

Der Präsident der Deutschen Forschungsge-meinschaft, SS-Standartenführer Prof. Dr.

Mentzel, begrüßt die Expeditionsteilnehmer imAuftrag des verhinderten Reichsministers undüberbringt dessen Glückwunsch und Dank andie Beteiligten. Unter allgemeinem Beifallnennt Prof. Mentzel an erster Stelle Ministerial-direktor, Staatsrat Wohlthat, als den Organisa-tor und Betreuer der Fahrt, weiter Kapitän Al-fred Ritscher als Expeditionsleiter, Kapitän Al-fred Kottas als Führer des ExpeditionsschiffesM/S „Schwabenland” und den HamburgerEislotsen der Expedition, Kapitän Otto Kraul.

Im Laufe des Abends trifft ein Telegramm desNSFK-Korpsführers, General der Flieger Chri-stiansen ein, in dem er der Expedition, vor al-lem den Flugzeugführern und den Besatzun-gen der Flugboote „Boreas” und „Passat” fürihre ausgezeichneten Leistungen Glückwunschund Anerkennung ausspricht.

Noch am Abend trifft ein Spezialfahrzeug ausBerlin ein, um die Pinguine und die anderenVögel, die M/ S „Schwabenland” von seiner Ex-pedition vereinbarungsgemäß für den Zoologi-schen Garten mitgebracht hat, abzuholen unddorthin zu transportieren. Die Pinguine sindübrigens die ersten Bewohner der Antarktis,die man je unversehrt und gesund über denAquator auf die nördliche Hälfte der Erdkugelgebracht hat.

Adolf Hitler dankt und ehrt Alfred Ritscher

Am nächsten Morgen trifft ein Telegramm ausBerlin ein. Absender ist die Reichskanzlei,Adressat ist Kapitän Ritscher, Leiter der Deut-schen Antarktischen Expedition 1938/39. DerWortlaut:

„Herrn Kapitän Ritscher,Deutsche Antarktisexpedition Hamburg.Den Teilnehmern der Deutschen Antarkti-

schen Expedition 1938 / 39 danke ich für dieMeldung von ihrer Rückkehr in die Heimat.

Ich verbinde damit meine herzlichen Glück-wünsche zu der erfolgreichen Durchführungder der Expedition übertragenen Aufgaben.

Adolf Hitler"31

Am Nachmittag desselben Tages trifft einweiteres Telegramm aus Berlin auf M/S„Schwabenland” in Hamburg ein, es ist an Al-fred Ritscher persönlich gerichtet, Absender isterneut die Reichskanzlei. Der Wortlaut: „DerFührer hat auf Vorschlag des Oberbefehlsha-bers der Kriegsmarine, Großadmiral Dr. h. c.Raeder, den Leiter der zurückgekehrten Deut-schen Antarktischen Expedition 1938/39, Re-gierungsrat Kapitän Ritscher, in Anerkennungseiner Leistung zum Oberregierungsrat beför-dert."32

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Ein Empfang, der nicht stattfand

Für den 60jährigen Kapitän Ritscher bedeutetdie Beförderung eine besondere Ehre. Trotz-dem ist er über das geringe Echo, das die Ex-pedition in der Offentlichkeit auslöst, ent-täuscht. Die Rückkehr der Antarktisexpedition,die mit ihren Erfolgen eine historische Leistungfür Deutschland erarbeitet hat, wird zu einemHamburger Lokalereignis herabgestuft. Auchgibt es keinen Empfang für die Expeditions-mitglieder in Berlin.

Eine Pressekonferenz, in der Ritscher überdie Expedition hätte berichten können, findetnicht statt. Nur in wenigen, fast ausnahmslosHamburger Lokalzeitungen wird in kurzenBeiträgen über die Expedition berichtet. KeineZeitung stellt die deutsche Besitzergreifungvon Neu-Schwabenland heraus. Nur in Ne-bensätzen wird der Abwurf der Begrenzungs-pfeile und der deutschen Reichsflaggen er-wähnt.

Ritscher hatte gehofft, in einer Pressekonfe-renz begründen zu können, warum er es fürrichtig hält, im nächsten oder übernächsten ant-arktischen Sommer eine weitere Antarktisexpe-dition mit größeren Flugzeugen mit höhererSteigfähigkeit durchzuführen und einer inten-siven Landerkundung, die bei der zuletztdurchgeführten Expedition nicht möglich war.Das alles bleibt Wunschdenken.

Ritscher hat für die Zurückhaltung offiziel-ler Stellen die Expedition betreffend zunächstkeine Erklärung. Er ist in den ersten Tagennach Rückkehr der Expedition auch zu sehrmit der Nachbereitung beschäftigt, um sichauch noch um die Öffentlichkeitsarbeit zukümmern, die auch nicht in seinen Aufgaben-bereich fällt.

Nach und nach verabschieden sich die Wis-senschaftler. Danach verlassen die Flugzeug-führer und die Flugbesatzungen M / S „Schwa-benland”, nachdem die während der Expediti-on entstandenen und aufgetretenen Mängel anden Flugzeugen genau aufgelistet wordensind, eine Generalüberholung der beiden Flug-boote „Boreas” und „Passat” scheint unerläß-lich.

Auch das Katapultschiff M/S „Schwaben-land” hat bei dem fast viermonatigen Einsatzbei der Expeditionsreise gelitten. Wenn auchgravierende Schäden nicht festzustellen sind,eine Überholung des Schiffes in Hamburg istnotwendig, zudem die Klärung der Frage, obdas Schiff nach seinem der Expedition voran-gegangenem Umbau zum Expeditionsschiffüberhaupt noch für den Einsatz als Katapult-

schiff der Deutschen Lufthansa verwendbar ist.Eine Generalüberholung und ein nochmaligerUmbau scheinen auch deshalb nicht möglich,weil alle Schiffsbauwerften in Hamburg, Bre-men und Kiel bis zum Jahresende 1939 und dar-über hinaus mit Rüstungsaufträgen - beispiels-weise im U-Boot-Bau -, die absoluten Vorranghaben, voll ausgelastet sind.

Die Deutsche Lufthansa muß unter diesenUmständen wohl oder übel abwarten, was mitihrem Katapultschiff M/S „Schwabenland”und den beiden Flugbooten „Boreas” und „Pas-sat” in Zukunft geschehen soll.

Sichergestellt sind inzwischen die mehr als11.000 Luftaufnahmen, die von den beidenLuftbildnern der DLH, Sauter und Bunder-mann, mit ihren Reihenbildkammern bei denFlügen über Neu-Schwabenland „geschossen”worden waren. In Stahlkisten verpackt sind dieFilme bereits einen Tag nach Ankunft der„Schwabenland” in Hamburg per Flugzeugnach Berlin-Tempelhof gebracht und dort in ei-nem Bunker der Deutschen Lufthansa sichereingelagert worden.

Im Mai 1939 ist Alfred Ritscher im Expediti-onsbüro in Hamburg mit Abwicklungsarbeitenbeschäftigt; er hofft, Ende des Monats nach Ber-lin zurückkehren zu können, um dort seine Ar-beit, jetzt als Oberregierungsrat, in der Nauti-schen Abteilung des Oberkommandos derKriegsmarine wieder aufnehmen zu können.

Am Pfingstmontagnachmittag, dem 29. Mai,erlebt Ritscher in Hamburg einen Empfang,den er sich bei der Heimkehr der „Schwaben-land” von der erfolgreichen Antarktisexpe-dition gewünscht hätte. Begleitet von demPanzerschiff „Graf Spee” läuft die gesamte„Kraft durch Freude"-Flotte, allen voran die„Robert Ley” und die „Wilhelm Gustloff” inHamburg ein, an Bord befinden sich die deut-schen Freiwilligen der „Legion Condor”, diein Spanien gekämpft haben. Eine unüberseh-bare Menschenmenge drängt sich an der Über-seebrücke und jubelt den „Helden von Spani-en” zu. Der Jubel übertönt die Kapelle, die „Inder Heimat gibt's ein Wiedersehen” unddanach den Preußischen Grenadiermarschspielt.

Als die Schiffe nebeneinander angelegt haben,meldet der Befehlshaber der „Legion Condor”,Generalmajor Wolfram Freiherr von Richthofen,auf dem Kai dem Chef der deutschen Luftwaf-fe, Generalfeldmarschall Hermann Göring, dieHeimkehr des Expeditionskorps aus Spanien.Brausender Beifall begleitet diese Zeremonie.Göring ist umgeben von hohen Militärs allerWaffengattungen und führenden Vertretern vonStaat, Partei und Hamburger Senat.

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Norwegen erklärt:Neu-Schwabenland gehört uns

Nach Auflösung des Expeditionsbüros verläßtKapitän Ritscher am 2. Juni Hamburg, um inBerlin seine Tätigkeit in der Nautischen Abtei-lung des Oberkommandos der Kriegsmarine,jetzt als Oberregierungsrat, wieder aufzuneh-men.

Wenige Tage später lädt ihn Staatsrat Wohl-that, mit dem Ritscher während seines Ham-burg-Aufenthaltes mehrfach telefoniert hatte,zu einem Gespräch ein. In diesem Gespräch er-hält Ritscher eine für ihn unerwartete neue In-formation, die auch erklärt, warum der„Schwabenland"-Expedition, gemessen an de-ren Bedeutung, nur ein sehr bescheidener Emp-fang bereitet wurde und warum die überregio-nale Presse und der Rundfunk gar nicht dar-über berichteten und somit die Besitzergreifungvon Neu-Schwabenland der breiten Offentlich-keit verschwiegen wurde.

Ritscher ist erstaunt, erst jetzt in dem Ge-spräch mit Staatsrat Wohlthat zu erfahren, daßbereits am 18. Januar 1939, also noch vor An-kunft des M/S „Schwabenland” im Arbeitsge-biet der Antarktisexpedition im Reichsaußen-ministerium in Berlin eine Königliche Resoluti-on aus Oslo vom 14. Januar 1939 eingegangenwar, in der festgestellt wurde, daß das Königin-Maud-Land in der Antarktis von Norwegen be-ansprucht wird und daß die Absicht der deut-schen Antarktisexpedition, Teile dieses Gebieteszu erforschen, illegal sei. Der norwegische Ein-spruch gegen die deutschen Aktivitäten wurdedamit begründet, daß dieses Gebiet nach meh-reren norwegischen Expeditionen von Norwe-gen in Besitz genommen worden sei.

Das Reichsaußenministerium reagierte sofort.Es unterrichtete den norwegischen Gesandtenin Berlin darüber, daß die deutsche Reichsre-gierung die Besitzergreifung Norwegens aufdieses Gebiet zurückweist.

Tatsache ist, daß Norweger den Teil des Köni-gin-Maud-Landes, das nach seiner deutschenErforschung den Namen Neu-Schwabenlanderhielt, zu keiner Zeit erforscht und betreten ha-ben, dieses Teilgebiet war bis zur Entdeckungdurch die Antarktisexpedition 1938 / 39 „her-renloses Land”.

Das Königreich Norwegen reagierte auf dieZurückweisung ihres Anspruches durch dasdeutsche Reichsaußenministerium nicht, auchdagegen nicht, daß in dem fraglichen Gebiet zueinem späteren Zeitpunkt, und zwar ab dem 20.Januar 1939, deutsche Reichsflaggen gesetztund Begrenzungspfähle mit dem deutschen

Hoheitszeichen abgeworfen wurden. Da Nor-wegen nicht dagegen einschritt, hat es die Rech-te auf Neu-Schwabenland, sofern diese über-haupt bestanden haben sollten, verwirkt.

Alfred Ritscher, der erstmalig über die außen-politische Sachlage informiert wird, ist mehr alserstaunt. Für ihn ist eindeutig, daß vor derdeutschen Expedition, die er geleitet hat, keinanderer Staat dieses Gebiet erforscht hat undBesitzansprüche erheben kann. Neu-Schwa-benland ist und bleibt für ihn eine deutscheEntdeckung, an der nicht zu rütteln ist. Ritscherhofft, daß dieser begründete Standpunkt vonder deutschen Reichsregierung der norwegi-schen Regierung in aller Deutlichkeit übermit-telt wird, und er bittet Staatsrat Wohlthat, dar-auf hinzuwirken.

Wohlthat wirft in dem Gespräch die Frageauf, woher Norwegen die Information über dieAbsichten der „Schwabenland"-Expedition ha-ben könnte. Darauf kann Ritscher einen Hin-weis geben: Kapitän Kottas hatte bei der An-kunft im antarktischen Gebiet beobachtet, daßnorwegische Walfangboote die „Schwaben-land” einige Zeit begleiteten. Die Funkstationhatte auch Kontakt mit den Fangbooten, dernicht sehr freundlich war. Die Norweger hattenangedeutet, daß die Deutschen hier nichts zusuchen hätten. Es soll sogar zu üblen Be-schimpfungen gekommen sein. Ritscher, derdies von Kapitän Kottas bei dem gemeinsamenEssen erfahren hatte, maß diesen Außerungenkeine weitere Bedeutung bei. Nun sieht er nachdem Gespräch mit Wohlthat die Vorgänge ausanderer Sicht. Möglicherweise hatten die nor-wegischen Walfänger die Nachricht vom Auf-tauchen der „Schwabenland” im antarktischenGebiet per Funk weitergetragen.

Ritscher hofft, daß die Frage „Wem gehörtNeu-Schwabenland? ” zwischen der deutschenund der norwegischen Regierung in den näch-sten Monaten noch eindeutig zugunstenDeutschlands geklärt wird. Doch umsonst. Diedeutsche Regierung hat jetzt aufgrund der sichverschärfenden internationalen Spannungenunmittelbare Probleme zu bewältigen.

Am 1. September 1939 beginnt der Polenfeld-zug, der sich zum Zweiten Weltkrieg ausweitensoll. Er wird auch Norwegen erfassen, dort der„Schwabenland ” das Ende bereiten, die Ant-arktisexpedition und Neu-Schwabenland inVergessenheit geraten lassen. Nach dem Unter-gang Deutschlands bleibt allen, die bei der Ant-arktisexpedition dabei waren, auch Alfred Rit-scher, nichts als die Erinnerung.

Doch die Antarktis lebt weiter und wird fürviele Länder noch einiges an Begehrlichkeitenwecken.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Die „Schwabenland”im Kriegseinsatz

Alfred Kottas bleibt Kapitänauf der „Schwabenland”

Der Beginn des Zweiten Weltkrieges beendetdie deutsche Antarktisforschung, die mit der„Schwabenland"-Expedition 1938 / 39 einen er-folgversprechenden Neuanfang genommenhatte.

Das wertvolle, für eine Million Reichsmarkzum Expeditionsschiff umgebaute Motorschiff„Schwabenland”, Eigentum der Deutschen

Lufthansa, wird in den letzten Monaten vorKriegsbeginn generalüberholt und danach am12. Oktober 1939 der deutschen Luftwaffe unterGeneralfeldmarschall Hermann Göring alsSchleuderschiff zugeteilt.

In den ersten beiden Kriegsjahren wird dasSchiff an der Westfront eingesetzt; es dient denFernaufklärungsgruppen der Marineflieger derLuftwaffe als Schleuderschiff. Geführt wird die„Schwabenland” noch immer von Kapitän Al-fred Kottas, auch die Handelsschiffsbesatzungdes Norddeutschen Lloyd befindet sich noch an

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DIE „SCHWABENLAND” IM KRIEGSEINSATZ

schiffen, der „Westfalen”, der „Friesenland”und der „Ostmark”, die ebenfalls der Luftwaf-fe zugeteilt worden sind, bei der Bekämpfungder alliierten Geleitzüge für die Sowjetunioneingesetzt werden.

Der geplante Kanaldurchbruch ist ein großesRisiko und wirft Probleme auf. Gefahr drohtnicht nur von alliierten Schiffen, sondern auchvon der britischen Luftwaffe, die besonders überdem Kanal sehr aktiv ist. Über die Rückführungder „Schwabenland” vom Westeinsatz nachNorwegen sind Kriegstagebücher der Geleit-fahrzeuge erhalten geblieben, die den Kanal-durchbruch schildern. Nachstehend ein Auszug:„Bei der Rückführung vom Westeinsatz ging die,Schwabenland' in der Nacht vom 5. zum 6. Au-gust 1942 von Le Havre nach Boulogne. Hierwurde das Geleit 2322 zusammengestellt.

Es bestand aus der 2. R-Flottille mit zweiRäumbooten, aus der 12. R-Flottille mit achtBooten, aus der B. M-Flottille mit fünf Minen-suchbooten, aus der 15. V.-Flottille mit drei Vor-postenbooten, aus der 18. V.-Flottille mit vierVorpostenbooten sowie den beiden Geleitschif-fen ,Von der Groeben' und ,Brommy'.

Bord. Viele Besatzungsmitglieder denken nochimmer an ihre erlebnisreiche Fahrt in die Ant-arktis.

Alfred Kottas wird in den Weihnachtsfeierta-gen 1940 noch eine besondere Ehrung zuteil. Ererhält auf M / S „Schwabenland” einen Brief derDeutschen Lufthansa mit folgendem Inhalt: „Esist uns eine besondere Freude, Ihnen anliegendmit dem Schreiben des Präsidenten der Deut-schen Seewarte vom 17.12.1940 die Urkundeüber die Ihnen von Herrn Reichsminister derLuftfahrt verliehene bronzene Seewarten-Me-daille überreichen zu können.

Wir beglückwünschen Sie zu dieser Aus-zeichnung und übermitteln Ihnen gleichzeitigunsere Grüße und Wünsche für ein frohesWeihnachtsfest und ein erfolgreiches neuesJahr.”"

Der geglückte Kanaldurchbruch

1942 wird die „Schwabenland” dringend aufdem „Kriegsschauplatz Norwegen” benötigt.Hier soll sie mit den drei anderen Schleuder-

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Am 6. August 1942 um 23.00 Uhr verließ die-ses Geleit, bestehend aus insgesamt 24 Schiffen,die das Geleitobjekt M/S ,Schwabenland' si-chern sollten, den Hafen von Boulogne.

Während des Kanaldurchbruches am 7. Au-gust 1942 entwickelten sich drei Gefechte mitkleineren britischen Flotteneinheiten.

Nach der ab 23 Uhr 59 erfolgten Feindortungschoß das Begleitschiff ,Von der Groeben' gegen01.00 Uhr Leuchtgranaten. In ihrem Licht wur-den erst 3, danach 6 britische Motortorpedo-boote (MTB) erkannt und durch die Voraussi-cherung des Geleits beschossen. Um 01.08 Uhrdrehte die Voraussicherung auf Kurs 73° underöffnete um 01.10 erneut das Feuer. Von 5 nachSteuerbord ablaufenden britischen MTB's wur-de ein Boot durch konzentriertes Feuer der R-Boote in Brand geschossen.

Der Findverband lief weiter nach Steuerbordab und geriet dort in das Feuer der M- und VBoote. Bei diesem Angriff wurde ein britischesMTB vernichtet, ein weiteres versenkt.

Das zweite Gefecht fand zwischen 01.45 und01.55 Uhr statt. Nachdem backbord vorausdunkle Schatten erkannt worden waren, die imSchein von Leuchtgranaten als britische MTB'serkannt wurden, entwickelte sich ein Feuerge-fecht mit allen Räumbooten, die sich auf dasMittelboot der britischen Gruppe konzentrier-ten. Der Gegner erhielt zunächst schweres Feu-er, versuchte ein Ramming und passierte in nur5-8 sm Abstand unter Dauerfeuer von 6-800Schuß 2-cm-Panzerbrand- und Sprenggrana-ten. Die letzten drei Magazine waren Volltrefferauf dem gegnerischen Boot. Danach griffenauch die M- und V -Boote in das Feuergefechtein.

Ein feindlicher Torpedo, der an M/S ,Schwa-benland' vorbeilief, wurde von M 257 gesichtet,ein zweiter Torpedoschuß lief unter M 254durch. M 27 erhielt bei dem Gefecht 2 Kanonen-und 17 MG-Treffer.

Um 03.15 Uhr wurden an Backbord erneut inetwa 2.000 Meter Entfernung mitlaufendeGegnerboot festgestellt. Es kam aber nur zu ei-nem kurzen Anlauf der britischen Boote zwi-schen 03.42 und 03.45 Uhr. Bei diesem drittenAnlauf wurde nur noch eine geringe Angriffs-bereitschaft der britischen Boote festgestellt.

Die einzigen Ausfälle auf deutscher Seite be-standen in einem Schwerverletzten und fünfLeichtverletzten. Als Erfolge konnten die Ver-senkung von fünf MTB's gemeldet werden.

Der doppelte Erfolg, die geglückte Durch-führung der Geleitaufgabe ohne Schäden an M/S„Schwabenland” und die Versenkungserfolgewurden mit einem sehr hohen Munitionsaufwandin drei Nachtgefechten errungen. Insgesamt wur-

den 450 Schuß der schweren und 31.000 Schuß derleichten Waffen des Geleits abgegeben."

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Nachdem die „Schwabenland” aus demWestraum nach Norwegen verlegt worden war,wurde sie am 14. September 1942 nach Tromsöverlegt, um den dortigen Fernaufklärern alsschwimmender Stützpunkt zu dienen.

Torpedotreffer, aber nicht gesunken

Umgebaut wurde das Schiff, sieht man vondem Einbau einiger leichter Flakgeschütze ab,nicht mehr.

Am 24. März 1944 befand sich M/S „Schwa-benland” vor Egersund. Hier wurde das Schiffvon dem britischen U-Boot „Terrapin” unterder Führung von Leutnant Martin durch Tor-pedobeschuß schwer beschädigt. In dem Ge-fechtsbericht des britischen U-Bootes „Terra-pin” ist unter anderem vermerkt: „,Terrapin'machte einen Viererfächer los gegen einen Kon-voi von fünf Schiffen und fünf bis sechs Be-gleitschiffen. Der Kommandant nahm an, einSchiff mit zwei Torpedos getroffen und ein wei-teres beschädigt zu haben."

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Tatsächlich wurde die „Schwabenland”schwer beschädigt, ebenso der Dampfer„Wörth” mit 6.256 BRT.

Die „Schwabenland ” unmittelbar nach der Torpe-dierung durch das britische U-Boot „ Terrapin”

Die Beschädigung der „Schwabenland” durchdie Torpedotreffer war erheblich. HannesKempf, zunächst Besatzungsmitglied des inNorwegen eingesetzten Katapultschiffes „Frie-senland”, im Oktober 1943 auf dem Seeschlep-per „Atlas”, der dem „Kommando Schiffe undBoote der Luftwaffe” in Kiel zugeordnet war,hat die damaligen Ereignisse miterlebt. Er be-richtet: „Am 24. März 1944 erhielt der Schlepper,Atlas' die Order, sofort in den Egersund zu lau-fen und Hilfe zu leisten an der schwer beschä-digten M / S ,Schwabenland'. Das Katapultschifffanden wir in einer Bucht an der Einfahrt zum

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DIE „SCHWABENLAND” IM KRIEGSEINSATZ

Flekkefjord mit starker Schlagseite und Leck ander Steuerbordseite mittschiffs. Die Besatzungwar bis auf die Schiffsführung bereits von Bord.Wir versuchten, das Schiff leer zu pumpen, wasuns auch mit viel Mühe gelang. Danach warM/ S ,Schwabenland' wieder schwimmfähigund unser Auftrag erfüllt. Das Abdichten desLecks und das Abschleppen des Schiffes wurdevon einem anderen Kommando übernommen.

Es gelang, das havarierte Schiff am Egersundauf Strand zu setzen und später nach Oslo zuschleppen. Das nicht mehr reparable Schiffwurde ab 7. Februar 1945 als Wohnschiff imOslofjord eingesetzt, später in Oslo-Sandvik,wo es das Kriegsende erlebte.

Das Ende: Versenkt im Skagerrak

Wie alle Männer der Handelsmarine, die nichtder Kriegsmarine angehörten und keine Soldatenwaren, wurde der „Schwabenland"-Kapitän Al-fred Kottas interniert. Er glaubte nicht, sein nichtmehr reparaturfähiges Schiff je wiederzusehen.Doch er sollte sich irren. Anfang Dezember 1946holte man ihn plötzlich und für ihn überraschendaus dem Internierungslager, brachte ihn auf diebis in den letzten Winkel mit Gasmunition voll-beladene „Schwabenland” und befahl ihm, seinSchiff im Skagerrak zu versenken.

Wie schwer es Kapitän Kottas fiel, seine„Schwabenland” auf Befehl und unter Aufsichtder Engländer mit seiner tödlichen Fracht zuversenken, schilderte er in einem noch erhalte-nen Brief vom 17. Dezember 1952 an den Chefder Deutschen Lufthansa:

„Sehr geehrter Herr Dr. Hädrich!In meinen 12 Dienstjahren bei der Deutschen

Lufthansa von Februar 1935 bis Juni 1947 warenauch für mich die Friedensjahre die schönstenunvergeßbaren Zeiten.

Die ,Schwabenland' war mir, dem Junggesel-len, eben alles. Sie war nicht nur mein Schiff,nein, sie war mein Heim, meine Arbeit, meinArbeitsfeld, auf dem ich mich austoben konnte.

Und zum Schluß, am 31. Dezember 1946,mußte ich ,sie' auf Order vom Feind noch ver-senken mit widerlichstem Giftgas, 7.500 Ton-nen ekelhaftestem Stoff, der uns manchmal inNase, Schlund und Augen spürbar war. Daswar schon bittere Medizin, aber sie mußte nochgeschluckt werden.

Während des Untergangs der ,Schwabenland'stand ich ganz für mich allein auf dem Schlep-per, der uns an Bord genommen hatte, meistensdas Doppelglas vor den Augen, vielleicht um,ihr' irgendwie näher zu sein. Zuerst noch aufebenem Kiel, langsam vollaufend, versank das

treue Schiff dann schnell über das Heck in dergroben See, in der Nordsee, wo sie am tiefstenist. Die Mütze in der Hand stand ich noch eineWeile da. Man war seltsam verschlossen, manheulte nicht, man betete nicht und man fluchtenicht, man setzte langsam die Mütze auf und -lebte weiter. Jawohl!

Ein neuer Lebensabschnitt mußte jetzt ange-fangen werden, das war sicher. Vorbei war dasLeben auf der schönen, weiten und grausamenSee, zerschlagen war die Heimat, Schiffahrt,Reederei und die Flagge.

Einige Übergangsstationen für mich ins Le-ben an Land waren dann: Lagerarbeiter, Tisch-lergehilfe, Holzschnitzer und Wachmann imHafen, nicht immer angenehm, aber immerhinernährend.

1949 bringt mich eine grausame Rippenfell-und Lungenentzündung von halbjähriger Dau-er fast um. Stark wertgemindert lerne ich lang-sam wieder gehen. Das Geld war fast alle,Krankenkassen etc. zahlten nichts mehr. Danimmt mich eine Kaffeefirma als Vertreter an,für die weitläufigen, westlichen Randgebietevon Hamburg, dort wo die reine Luft weht. Daswar mein Glück. Schwer und langsam ging esvorwärts; aber jetzt ernährt mich meine Arbeitund auf Befragen male ich es noch rosiger. Jam-mern finde ich blöd, und Mitleid ist irgendwieerniedrigend.

Alles wird für mich darauf ankommen, wielange ich noch laufen und arbeiten und eventu-ell noch etwas ersparen kann.

Das ist das erste Mal, daß ich über das Endeder ,Schwabenland' geschrieben habe. Es gababer auch keine Stelle, wohin man berichtenoder wo man sich melden konnte ... " 36

Seit der Kapitän diesen Brief verfaßt hatte,lebte er noch fast 17 Jahre völlig zurückgezogenin Hamburg-Eppendorf. Er starb im Alter von84 Jahren und wurde am 13. Juni 1969 um 12Uhr mittags auf dem Ohlsdorfer Friedhof inHamburg beigesetzt.

Über seinen Tod berichtete die in Hamburgerscheinende Zeitung Die Welt in der Ausgabevom 13. Juni 1969 auf der Lokalseite Hamburgunter der Uberschrift „Kapitän Kottas gestor-ben”. In der einspaltigen, gerade mal 28zeiligenNotiz wird unter anderem erwähnt, daß M/S„Schwabenland” unter Führung von AlfredKottas Kaiserpinguine für den Berliner Zoo ausder Antarktis mitgebracht hatte. Doch über diegroßartige Leistung der Forscher, Flugzeugfüh-rer und Luftbildner, die zur Besitzergreifungvon Neu-Schwabenland in der Antarktis führ-te, wird kein Wort verloren.

Warum? Weil die Expedition zur Zeit DrittenReiches stattgefunden hatte?

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

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„OPERATION HIGHJUMP” DER US-MARINE

Die Hinterlassenschaft des Zweiten Weltkrieges

War die Deutsche Antarktische Expedition1938 / 39 unter Alfred Ritscher selbst schon vorAusbruch des Krieges kein großes Thema gewe-sen - zunächst aus Gründen der Geheimhaltung,dann aus politisch-diplomatischen Erwägungenheraus -, so denkt nach 1945 in Deutschland, aberauch in vielen anderen Ländern der Welt nie-mand mehr an diese großartige Unternehmungauf dem sechsten Kontinent am Ende der Welt.

Die Menschen im besiegten, zerbombten, zer-störten, mehrfach geteilten Deutschland, in denTrümmerstädten, den ausgebrannten Häusern,haben im Krieg vieles, manche alles verloren.Jetzt stehen sie vor einer ungewissen Zukunft.Die meisten der aus dem deutschen Osten inden Westen geflohenen Menschen besitzen nurnoch das, was sie auf dem Leibe tragen, sie hau-sen in überfüllten Flüchtlingslagern, in Mas-senquartieren oder in den Kellern halbzerstör-ter Häuser. Mehr als eine Million deutscher Sol-daten befindet sich noch in russischer, amerika-

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

nischer, britischer oder französischer Gefan-genschaft. Ganz zu schweigen von den Millio-nen toten deutschen Soldaten und Zivilisten,die von ihren Hinterbliebenen betrauert wer-den.

Das ist die Hinterlassenschaft des ZweitenWeltkrieges für das Deutsche Reich, das als Ver-lierer aus dem gigantischen globalen Ringenhervorgegangen ist. Viele Deutsche erwartetnichts Gutes, sie fürchten Schlimmes — weheden Besiegten!

Adolf Hitler und sein Reichspropagandami-nister Joseph Goebbels, die zwei wichtigstenMänner des Dritten Reiches, hatten sich nochvor dem Zusammenbruch durch Freitod demZugriff der Alliierten entzogen. Die anderenVerantwortlichen des Dritten Reiches aus Par-tei, Politik, Wehrmacht, SS, Polizei, Wirtschaftund Arzteschaft werden bei Kriegsende oderdanach von den Besatzungsmächten verhaftetund in Nürnberg, der ehemaligen „Stadt derReichsparteitage der NSDAP”, in 13 Prozessenwegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen dieMenschlichkeit, Planung und Führung einesAngriffskrieges und Mitgliedschaft in einer ver-brecherischen Organisation angeklagt. Am 6.Oktober 1945 wird die Anklage erhoben, am 20.November 1945 beginnt der Prozeß, und am 1.Oktober 1946 ergehen die Urteile: zwölfmal To-desstrafe, dreimal lebenslängliche Haft unddrei Freisprüche. Die zum Tode Verurteiltenwerden am 16. Oktober 1946 hingerichtet.

Amerika sucht Adolf Hitler

Martin Bormann, dem „Sekretär Hitlers”, wieer sich selbst nannte, glückte nach dem Freitoddes Reichskanzlers am 1. Mai 1945 noch derVersuch, aus dem eingeschlossenen Berlin aus-zubrechen. Somit konnte er sich der drohendenVerhaftung entziehen. Er war unauffindbar undgalt als „verschollen”. War ihm möglicherweisedoch noch die Flucht aus Deutschland gelun-gen?

Doch wo Bormann tatsächlich geblieben war,dafür interessierten sich nur wenige. Und derReichskanzler Adolf Hitler selbst war für diemeisten Deutschen tot.

Nicht aber für die Amerikaner. Sowohl dieMedien als auch die breite Öffentlichkeit in denUSA zeigten ein ungewöhnlich großes Interes-se am Schicksal Adolf Hitlers.

Zweifel wurden laut über die Angaben derRussen, die vor den Amerikanern in Berlin ge-wesen waren, daß sie tatsächlich den totenAdolf Hitler gefunden hätten, sowie an ihrerAussage, sie hätten die Leiche Hitlers außer-

halb von Berlin an einem unbekannten Ort ein-geäschert. Beides war für die Amerikaner nichtnachprüfbar, so daß Zweifel berechtigt erschie-nen.

Die erste große Zeitschrift in den USA, dieden Tod Adolf Hitlers in Frage stellte, war dasMagazin TIME in New York. In der Ausgabevom 7. Mai 1945 veröffentlichte sie eine Ge-schichte, die die Diskussion über die Frage vonTod oder Leben und den möglichen VerbleibHitlers nicht nur in den USA, sondern weltweitanheizte.

Das Magazin behauptete, daß der in Berlinvon den Russen aufgefundene Leichnam Hit-lers nicht der Führer Adolf Hitler gewesen sei,sondern ein Doppelgänger von ihm mit demNamen August Wilhelm Bartholdy, ein Lebens-mittelhändler aus Plauen im Vogtland. DieserMann solle eine verblüffende Ahnlichkeit mitAdolf Hitler gehabt haben und sei für seineDoppelgängerrolle intensiv geschult worden.Danach habe man ihn in der zweiten Aprilhälf-te 1945 nach Berlin gebracht, um ihn im hel-denhaften Einsatz die Reichskanzlei verteidi-gen zu lassen, während der richtige Adolf Hit-ler die lange geplante Flucht ins Ausland ange-treten habe.

Immer neue Versionen vom Überleben Hit-lers in Berlin und seiner Flucht erschienengroß aufgemacht in amerikanischen Zeitun-gen, stets davon ausgehend, Hitler habe denKrieg überlebt und ihm sei die von langerHand vorbereitete Flucht aus Berlin ins Aus-land gelungen.

An dieser Informationsflut zum Thema Hit-ler-Flucht beteiligte sich auch eine chilenischeZeitung, die behauptete, Hitler, Eva Braun undeinige Getreue des Führers, unter anderemauch Martin Bormann, wären am 30. April 1945von Berlin-Tempelhof nach Tondern geflogen.Von dort habe sie eine andere Maschine nachKristiansund in Norwegen gebracht. Hier habebereits seit dem 24. April eine Gruppe deut-scher U-Boote gewartet, die Hitler und seineBegleitung schließlich an Bord genommen undnach Südamerika gebracht hätten.

„Kommandant, Sie haben Hitler versteckt!”

Deutsche U-Boote, die sich angeblich in großerZahl kurz vor Kriegsende aus deutschen Häfen,vor allem aber von Norwegen aus, nach Süd-amerika abgesetzt hatten, spielten trotz Man-gels an Beweisen in den Spekulationen, die US-amerikanische, argentinische und chilenischeZeitungen über die Hitler-Flucht verbreiteten,den Schwerpunkt.

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„OPERATION HIGHJUMP” DER US-MARINE

'Am frühen Morgen des 17. August 1945 pas-siert etwas Unvorhergesehenes: Nach 66tägigerUnterwasserfahrt taucht das deutsche U-BootU 977, das mit dem Walter-Schnorchel über ei-ne der neuesten Schnorchelanlagen für Lang-zeittauchgänge verfügt, vor der argentinischenKüste auf. Noch außerhalb der Dreimeilenzoneläßt der Kommandant Heinz Schaeffer durchLichtzeichen an die Signalstelle „German Sub-marine” absetzen.

Kurze Zeit später treffen das Minenräum-boot „Py 10” und zwei Unterseeboote beidem gestoppt liegenden deutschen U 977 ein.Auf Englisch teilt man Schaeffer mit, daß einKommando an Bord kommen würde. EinMotorkutter wird zu Wasser gelassen, erbringt das Kommando, bestehend aus einemOffizier, einem Unteroffizier und mehrerenMatrosen, zu dem U-Boot. An Oberdeckmacht der deutsche U-Boot-Kommandantdem argentinischen Offizier Meldung undgeleitet ihn auf den Turm. Der argentinischeOffizier erläutert seine Aufgabe, das Boot un-versehrt in den Hafen von Mar del Plata zubringen. Schaeffer befehligt zum letzten Malsein Boot U 977.

Nach der Ankunft im Hafen werden Schaefferund seine Besatzung als Kriegsgefangene derargentinischen Flotte auf den Kreuzer „Belgra-no” gebracht; sie werden dort gut unterge-bracht und verpflegt, Schaeffer erhält eine Offi-zierskabine. Am Nachmittag wird HeinzSchaeffer dem Stützpunktkommandanten vor-gestellt, es ist mehr eine Unterhaltung als einVerhör, sie wird in Englisch geführt.

Der argentinische Flottenchef sagt zu, die ihmvon Schaeffer ausgehändigten Unterlagen undDokumente weiterzugeben; er gehe davon aus,daß diese schnellstens von seiner vorgesetztenStelle geprüft würden, was auch geschieht.

Doch da passiert etwas Sensationelles, wasdie Weltpresse auf den Plan ruft. Heinz Schaef-fer berichtet darüber in seinen Erinnerungen:„Die argentinischen Behörden überzeugten sichvon der Richtigkeit meiner Angaben. Dochwährend diese Untersuchung schwebte, be-gann die Zeitung ,El Dia' in Montevideo eineverhängnisvolle Kampagne im Sinne der Be-hauptung, daß Hitler an Bord meines U-Bootesnach Patagonien und dann in die Antarktis ge-flohen sei. Man kann sich denken, wie diese Ge-schichte in der ganzen Welt wirkte. Das Stich-wort aus Montevideo wurde überall aufgegrif-fen. Sensationsberichte überfluteten die Welt-presse. Ich saß indessen in Gefangenschaft undwar zum Schweigen verurteilt.

Eines Tages gab es eine Überraschung. Ichwurde einer Gruppe hoher angloamerikani-

scher Offiziere vorgeführt, einer Untersu-chungskommission, die eigens nach Argentini-en angereist war, um den ,mysteriösen Fall vonU 977' aufzuklären. Diese Herren waren hart-näckig.

,Sie haben Hitler versteckt! Reden Sie schon!Wo steckt er?'

Da ich ihnen nichts anderes sagen konnte, alsich bereits den Argentiniern gegenüber erklärthatte, wurden sie ungeduldig; denn draußen inder Welt verursachte die Reise meines Bootesimmer noch Schlagzeilen. Keine Zeitung er-kannte die große Leistung einer der ersten Un-ternasser-Langstrecken-Fahrten der Kriegsge-schichte an. Alle Berichte, Informationen, Re-portagen, Spekulationen und zusammengelo-genen Geschichten drehten sich immer wiederum das gleiche Thema: ,Hitler-Verstecker HeinzSchaeffer'.

Dieser aber stand zur Wahrheit und brachtedie Herren in Harnisch, die da unbedingt an-hand seiner Informationen den längst totgesag-ten Führer noch fangen wollten. Um mich unterstärkeren Druck setzen zu können, veranlaßtensie meine Verbringung in die USA. MeineMannschaft und mein braves Boot ,U 977' folg-ten nach.

Ich landete in einem Lager für prominenteKriegsgefangene in Washington, wo sich hohedeutsche militärische Persönlichkeiten befan-den. Wochenlang wurde mir immer und im-mer wieder von den Amerikanern der Satzentgegengeschleudert: ,Sie haben Hitler ver-steckt!' Wochenlang versuchte ich nachzuwei-sen, wie unsinnig dieses ganze Gerede war.Schlüssige Beweise konnte ich ebenso wenigvorlegen, wie man mir andererseits etwasnachzuweisen vermochte. Nachdem in Wa-shington meine Angelegenheit klargestelltwar, die Behandlung war keinesfalls unkor-rekt, wurde ich nach Deutschland verschifft,landete aber in Antwerpen, da alle deutschenHäfen mit beschlagnahmten Schiffen überfülltwaren.

Hier nahmen mich die Engländer in Emp-fang, steckten mich in ein Gefangenencamp für,schwere Fälle' und versuchten noch einmaldas, was die Amerikaner zuvor vergeblich ver-sucht hatten. Auch diese Vernehmungen über-stand ich. Nach weiteren erfolglosen Bemühun-gen, von mir zu erfahren, wo ich Hitler ver-steckt hätte, wurde ich entlassen.”'

Heinz Schaeffer war wieder in Deutschland.Doch er blieb nicht lange. 1950 kehrte er seinerHeimat den Rücken und wanderte nach Argen-tinien aus. Dort schrieb er unter dem Titel LT977: Geheimfahrt nach Südamerika ein auf-schlußreiches Buch über seine Erlebnisse.

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Oben links: Admiral Byrd (rechts) plant einen Aufklärungs-flug. Hinter ihm drei seiner engsten Berater (v.l. n. r.): Kapitänzur See G.F. Kosco und Fregattenkapitän C.M. Campbell, imVordergrund Kapitän zur See H.R. Horney, Byrds Stabschef.

Bild unten: Das dem Konvoi der Mittelgruppe angegliederteU-Boot „Sehnet” erwies sich als deutlicher Hemmschuh: ImPackeis des Rossmeeres stellte sich dessen Manövrierunfähigkeitheraus, weshalb es wie hier immer wieder aus riskanter Lage

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befreit werden mußte. Schließlich diente „Sehnet ” im offenenWasser der Scott-Insel als Wetterstation.Oben Mitte: Sechs große Flugzeuge Douglas R4D hatte derFlugzeugträger „Phillipine Sea " an Bord.

Oben rechts: Eine Douglas-Maschine startet zur Basisstation„LittleAmerica `: Unten: US-Marinesoldaten testen in der Wal-bucht ein 16 Tonnen schweres Amphibienkettenfahrzeug, dassowohl im Wasser als auch an Land und auf Eis operieren kann.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Hitler in Neu-Schwabenland?

Der amerikanische Polarforscher Richard Eve-lyn Byrd, der vor den Teilnehmern der Deut-schen Antarktischen Expedition 1938 / 39 einenVortrag gehalten hatte, war nach dem ZweitenWeltkrieg zum Admiral der US-Marine aufge-stiegen. Er sammelte alles, was über die Ant-arktis und insbesondere über Neu-Schwaben-land in den Gazetten veröffentlicht wurde. DasThema interessierte aber auch höchste Kom-mandostellen der US-Marine. Hier hatte mandie Vernehmungsprotokolle „U 977 - Korn-mandant Heinz Schaeffer” besonders aufmerk-sam studiert. Hatte Schaeffer tatsächlich dieWahrheit gesagt, die volle Wahrheit?

Der südamerikanische Journalist LadislaoSzabo, ein Argentinier, der sich ebenfalls inten-siv mit dem Thema auseinandergesetzt undgründlich recherchiert hatte, lenkte die Auf-merksamkeit der Offentlichkeit, auch die derUSA, im Jahre 1947 auf sein Buch Hitler estd vi-vo (Hitler lebt). In ihm geht der Autor der Fra-ge nach einem „neuen Berchtesgaden in derAntarktis” nach. Dem Buch ist ein Vorwort vonClemente Cimorra vorangestellt, der versichert,daß die Argumente Szabos „wirklich beein-druckend” seien, denn nun wisse man, daß der„schwarze Vogel Hitler” seine Flügel über 14Millionen Quadratkilometer der weißen un-schuldigen Unendlichkeit des antarktischenKontinents ausgebreitet habe. Szabo behauptet,daß nach der Deutschen Antarktischen Expedi-tion 1938 /39 das Flugzeugstützpunktschiff„Schwabenland” auf Anordnung des späterenGroßadmirals Karl Dönitz in der Antarktis das„neue Berchtesgaden” aufgebaut habe. Dorthinsei Hitler mit seiner Frau, seinen Kindern undseinem Hofstaat - sie seien mit einem U-Boot-Konvoi dorthin gebracht worden - geflüchtet.Abschließend fordert der Autor die „GroßenVier”, die Regierungschefs der USA, Großbri-tanniens, Frankreichs und der Sowjetunion,auf, den versteckten deutschen Diktator sofortzu suchen und festzunehmen. Das sei eine Ge-wissensaufgabe, um die Wiederkehr des Nazis-mus zu verhindern.

Obwohl Szabos Publikation von Halbwahrhei-ten, Unwahrheiten und Spekulationen strotzt,erregte sie Aufsehen in Südamerika, in den USAund, nachdem Presseagenturen darüber berich-tet hatten, in der ganzen Welt. Hitler in Neu-Schwabenland?! Niemand konnte das beweisen.Es gab allerings auch keinen Gegenbeweis.

Die Amerikaner waren aber bereits zuvor aufanderen Wegen auf Aussagen gestoßen, dievermuten ließen, daß sich die Deutschen

während des Krieges in Neu-Schwabenlandfestgesetzt und einen militärischen Stützpunkterrichtet haben könnten So sollen Heinz Sie-wert und Richard Wehrend, die Teilnehmer ander Deutschen Antarktisexpedition 1938 / 39waren, berichtet haben, daß sie auch noch nachBeendigung der Expedition auf der „Schwa-benland” gedient hätten, um verschiedene Aus-rüstungsgegenstände in die Antarktis zu brin-gen. Merkwürdigerweise werden Siewert undWehrend in diesem Zusammenhang als „Sol-daten” zitiert.

Einen zweiten Hinweis gibt es angeblich vonGroßadmiral Karl Dönitz. Noch im Jahr 1944 soller als Chef der U-Boot-Flotte und Oberbefehls-haber der deutschen Kriegsmarine in einer An-sprache vor U-Boot-Fahrern versichert haben:„Die deutsche U-Boot-Flotte ist stolz darauf, daßsie für den Führer in einem anderen Teil der Weltein irdisches Paradies errichtet hat, eine unein-nehmbare Festung.” Diese Aussage des späterenHitler-Nachfolgers bezogen die Amerikaner aufNeu-Schwabenland. Dönitz erklärte nach demKrieg, er habe diese Aussage nie gemacht.

Das Zitat wurde durch den israelischenSchriftsteller und ehemaligen GeheimagentenMichael Bar-Zohar überliefert. In seinem BuchThe Avengers (Die Rächer) schreibt er außer-dem: „Im März 1945 wurde dem State Depart-ment in Washington ein ausführlicher Berichtunterbreitet, in dem es hieß: ,Das Nazi-Regimehat genaue Pläne für die Verfolgung seinerDoktrin und der Herrschaft nach dem Krieg.Einige dieser Pläne sind schon zur Wirkung ge-langt.”`

Die Amerikaner jedenfalls scheinen ent-schlossen zu sein, der Sache auf den Grund zugehen. Ihre folgenden Schritte jedenfalls legenden Schluß nahe, daß sie davon überzeugt sind,daß in der Antarktis eine Gefahr heranwächst,die beseitigt werden müsse. Möglicherweiseglaubten sie sogar tatsächlich, daß Hitler sich inNeu-Schwabenland aufhielt. Sollte dies der Fallgewesen sein, so dürften sie sich durch SzabosVeröffentlichung im nachhinein in ihrer An-nahme bestätigt gefühlt haben.

Mit einer US-Armada in die Antarktis

Bereits im Sommer 1946 laufen in den USA dieVorbereitungen für die größte Antarktisexpedi-tion an, die jemals durchgeführt wurde. Unterdem Decknamen „Operation Highjump” plantdie US-Marine offiziell die Erprobung vonMannschaften und Material unter so extremenBedingungen, wie sie nur in antarktischen Re-gionen zu finden sind. Die Expedition hat somit

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„OPERATION HIGHJUMP” DER US-MARINE

vorrangig militärischen Charakter. Die Ent-deckungen und wissenschaftlichen Erkenntnis-se, die man sich dabei erhofft, stehen in diesemKontext.

Wie wichtig den Amerikanern das bevorste-hende Unternehmen zu sein scheint, ist bereitsanhand der Zusammensetzung der Planungs-kommission zu ersehen, der höchstrangige Of-fiziere der US-Marine angehören: der Chef derUS-Marine, Admiral Chester W. Nimitz, Vi-zeadmiral Forrest P. Sherman und Konteradmi-ral Roscoe F. Good. Konteradmiral H. Cruzenwird die Detailplanung übertragen, Marine-staatssekretär James V. Forrestal die Feder-führung.

Mit dabei ist selbstverständlich Admiral Ri-chard Evelyn Byrd. Als einziger ranghoher Ma-rineoffizier mit Polarerfahrung wird er im Auf-trag der US-Marine die „Operation Highjump”in Vertretung von Admiral Nimitz befehligen.Für Byrd ist es die fünfte von ihm persönlichgeleitete Polarexpedition, und es ist seine ersteExpedition, die, abgesehen von einigen Heeres-und Zivilbeobachtern, ausschließlich unter Be-teiligung von Marineleuten verläuft.

Nach gründlichen Beratungen wird ent-schieden, wie sich die Schiffskonvois, die imantarktischen Sommer, spätestens im Dezem-ber 1946, auf die Reise ins ewige Eis geschicktwerden sollen, zusammensetzen werden. Die„Operation Highjump” wird durch den Flot-tenverband Task Force 68 ausgeführt. Flagg-schiff und zugleich allgemeines Verbindungs-schiff ist die „Mount Olympus”, die auch dieMittelgruppe unter Konteradmiral Cruzen, ei-ne der drei Einsatzgruppen, anführt. AdmiralByrd geht am 2. Dezember 1946 an Bord diesesSchiffes. Es kommen noch die Eisbrecher„Northwind” und die erst frisch vom Stapelgelaufene „Burton Island”, die bewaffnetenFrachter „Yancey” und „Merrick” sowie dasU-Boot „Sennet” hinzu. Dieser Konvoi startetvon Norfolk, Virgina, bzw. Port Hueneme undSan Diego, Kalifornien, aus, fährt durch dieKanalzone zur Scott-Insel und weiter zur Wal-bucht. Diese gilt als eine der günstigsten An-kerstellen der Antarktis. Von hier aus lassensich Flüge bis über den Südpol hinaus unter-nehmen.

Die von Kapitän zur See Charles A. Bondkommandierte Westgruppe setzt sich zusam-men aus dem Zerstörer „Henderson”, demTreibstofftanker „Cacapon” und dem Flug-bootmutterschiff „Currituck”, das drei Flug-boote mit drei Flugbootbesatzungen an Bordhat. Diese drei Schiffe beginnen ihre Reise inNorfolk und fahren durch die Kanalzone zurPeter-I.-Insel.

Die Ostgruppe unter Kapitän zur See GeorgeJ. Dufek besteht aus der „Brownson”, einemweiteren Zerstörer, dem Treibstofftanker „Cani-steo” und dem Flugbootmutterschiff „eine Is-land” ebenfalls mit drei Flugbooten und dreiFlugbootbesatzungen. Diese Gruppe beginntihre Fahrt in San Diego und San Pedro, Kalifor-nien, und nimmt via Marquesas-Inseln Kursauf die Balleny-Inseln.

Hinzu kommt ein Flugzeugträger. Es handeltsich um die „Philippine Sea”, eines der größtenund modernsten Kriegsschiffe der US-Marine,das erst am 29. Dezember 1946 in Norfolk aus-läuft und etwa einen Monat später zu der Mit-telgruppe dazustoßen wird. Es hat sechs Flug-zeuge, große Douglas-Eindecker vom Typ R4D,sowie Hubschrauber an Bord.

An Bord der insgesamt 13 Schiffe werden sichsage und schreibe 4.000 Mann befinden: Marine-infanteristen, Seeleute, Bordpersonal und eini-ge Wissenschaftler. Letztere setzen sich nebenein paar Zivilforschern vor allem aus Speziali-sten vom Heer und von der Marine zusammen,aber auch staatliche Stellen sind beteiligt wieder Geological Survey, der Fish and WildlifeService und der Coast and Geodetic Survey. Füralle Expeditionsmitglieder wird Proviant füracht Monate mit auf die Reise genommen. Zu-züglich zu den Flugzeugen, Transportmaschi-nen und Fernaufklärern, sowie Hubschraubernwerden Planierraupen, Zugmaschinen, Gelän-defahrzeuge und sonstiges technisches Gerätmitgeführt.

Unklarheit bestand bei den Planern der „Ope-ration Highjump” anfänglich darüber, ob dieseExpedition den Medien und damit der ameri-kanischen Offentlichkeit als „wissenschaftli-che” oder als „militärische” präsentiert werdensolle. Die offizielle Sprachregelung deutete aufein „sowohl als auch” hin: „Material- undMannschaftserprobung unter antarktischen Be-dingungen”.

Richard Byrd veröffentlicht im Oktober 1947in dem weltweit anerkannten National Geogra-phic Magazine einen fast 100 Seiten umfassen-den Bericht über die von ihm geleitete Expedi-tion. Unter der Überschrift „Our Navy ExploresAntarctica” (Unsere Marine erforscht die Ant-arktis) schreibt er, daß sie dazu gedacht war,dem amerikanischen Volk zu demonstrieren,daß die Marine nicht allein kriegsentscheiden-den Charakter trage, sondern auch in Zwi-schenkriegszeiten unerläßlich sei.38 Illustriert istder Beitrag mit Fotos von Schwimmpanzern,Kettenfahrzeugen, Bulldozern, Soldaten, Flug-zeugen und Hubschraubern, die bei der „Ope-ration Highjump” in der Antarktis zum Einsatzkamen.

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Oben: Für„Gods own country" wird auf„LittleAmerica"dieUS-Flagge gehißt. Sie wurde nie wieder heruntergeholt. NachBeendigung der „ Operation Highjump " flatterte sie weiter überdem verlassenen Basislager. Unten: Mit zwei dieser Douglas Ma-

schinen R4D überflog Admiral Richard Byrd am 15./16 Fe-bruar 1947 den Südpol. Was den Motor- und Heizungsausfallsowie weitere Unannehmlichkeiten an den völlig intakten Flug-zeugen unterwegs verursachte, blieb ungeklärt.

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Oben: Jedes Flugbootmutterschiff hatte für Erkundungen derKüstenbereiche und für Inlandsflüge drei Flugboote an Bord. ImBild das Deck der zur Ostgruppe gehörenden „eine Island`”.

Mitte: Wertvolle Zeit ging verloren, weil sich die Eisbrecher —hier die „Northwind” (links im Bild) — mühsam durch dasPackeis des Rossmeeres kämpfen mußten.

Unten: Erst Ende Januar 1947 erreicht die Mittelgruppe desan der .. Oteration Hi(fhiumv " beteili(ften Konvois ihr Ziel

„Little America `; wo ihre Basisstation errichtet wird. Am23. Februar wird diese schließlich wieder aufgegeben.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Der Durchführungsplan für die „wissen-schaftlich-militärische” Operation sieht vor,daß sich die drei Einsatzgruppen wie folgtaufteilen: Die von Admiral Byrd geleiteteMittelgruppe soll die Scott-Insel ansteuernund auf dem schon während früherer Expe-ditionen genutzten Stützpunkt „Little Ameri-ca” im McMurdo-Sund ein Basislager samtFlugfeld errichten, um von dort aus Erkun-dungs- bzw. Fotovermessungsflüge in dasunbekannte Innere der Antarktis unterneh-men zu können. Die West- und die Ostgrup-pe haben beide die Aufgabe, in ihrem jewei-ligen Bereich die antarktische Küste zu er-kunden und von den Flugbootmutterschiffenaus Flüge ins Landesinnere zu unternehmen.Sie sollen im Bereich der westantarktischenKüste und der Antarktischen Halbinsel bzw.im Bereich der Küste der Ostantarktis Wetter-station errichten und die Flugoperationenüberwachen.

Grob gesehen ist dies die Aufgabenstellungfür die „Operation Highjump”, deren Vorberei-tung und Organisation mit großer Eile, beinaheüberhastet, vorangetrieben werden mußte, dahierfür nur äußerst wenig Zeit zur Verfügungstand. So wurden etwa keine Testflüge mit denDouglas-Flugzeugen durchgeführt, obwohl esdie größten waren, die je von einem Flugzeug-träger aus gestartet werden sollten. Dies sollteden Technikern später vor Ort noch manchKopfzerbrechen bereiten. Weshalb diese Aufge-regtheit so kurz nach der siegreichen Beendi-gung des Zweiten Weltkrieges? Welchen neuenKrieg hatten die USA im Auge, wenn Byrd da-von spricht, daß er sich und die Marine „zwi-schen den Kriegen” sieht?

Zunächst ist zur Kenntnis zu nehmen, daßNeu-Schwabenland in dem Bericht des Admi-rals keinerlei Erwähnung findet. Das scheintnur logisch, denn das von Alfred Ritscher 1939entdeckte Land liegt den von den drei Byrd-Gruppen im Pazifischen Ozean angesteuertenInseln - der Peter-I.-Insel, der Scottinsel undden Balleny-Inseln - genau gegenüber, auf derentgegengesetzten Seite des antarktischen Kon-tinents: im Atlantisch-Indischen Südpolar-becken in der Nähe des Weddellmeers. Zwi-schen der Scott-Insel und Neu-Schwabenlandbeträgt die direkte Entfernung gut 4.000 Kilo-meter, die kürzeste Entfernung ist die zur Peter-I.-Insel, doch selbst das ist noch eine Streckevon reichlich 3.000 Kilometer Luftlinie - Entfer-nungen, die mit Flugzeugen wie den mitge-führten auch nicht annähernd zurückzulegengewesen wären.

Der Operationsplan enthält jedoch folgendesinteressantes Detail: Die beiden am Rand ope-

rierenden Gruppen sollen sich während ihrerMission mit ihren je drei Schiffen von 90° Westaus in östlicher bzw. von den Balleny-Inseln ausin westlicher Richtung an der Küste entlangbe-wegen, und zwar soweit, bis sie gemeinsam ei-nen Kreis um den Kontinent geschlossen ha-ben. Ziel und Treffpunkt ist die Gegend um denNullmeridian, jenes Gebiet also, in der das Kö-nigin-Maud-Land zu finden ist, das Neu-Schwabenland beinhaltet. Kurzum, das Zieldieser „Einkreisung eines Kontinents”, wieByrd selbst sich ausdrückt, ist es, ihn „von dreiFronten her zu attackieren".

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Die drei Schiffe der Westgruppe treffen kurznach Weihnachten 1946 nördlich der Balleny-Inseln ein, unmittelbar vor dem südlichen Po-larkreis. Ein paar Tage vor Silvester sind auchdie drei Schiffe der Ostgruppe an ihrem Ziel-punkt, der Peter-I.-Insel, versammelt. Der Ein-satz der Mittelgruppe in der Antarktis beginnteinen Tag vor Neujahr.

Um auf die Frage „wissenschaftlich oder mi-litärisch” zurückzukommen: Bemerkenswertist, daß die Medien bei der Planung und derRealisierung der Expedition eine nicht ganzunbedeutende Rolle spielen. Elf Korrespon-denten fahren mit in die Antarktis: neun Zei-tungsreporter und zwei Rundfunkleute. Ver-treten sind die drei großen internationalenPresseagenturen Reuters, AP und UPO, mehre-re große Zeitungen und führende Rundfunk-stationen. Dieser Medienaufwand ist für einerein wissenschaftliche Expedition völlig unge-wöhnlich und bestätigt, daß hinter dem mitKriegsschiffen, Marinesoldaten und Flugzeu-gen durchgeführten Unternehmen tatsächlichmehr steckt.

Was die Amerikaner tatsächlich in der Ant-arktis erreichen oder entdecken - oder sogarbekämpfen - wollen, darüber kann nur speku-liert werden. Muß nicht hinter diesem unge-wöhnlich großen Aufwand von Kriegsschiffen,Flugzeugen und Soldaten für eine angeblich„wissenschaftliche Expedition” mehr steckenund welches Ziel hatten die USA in der Ant-arktis tatsächlich im Visier?

Unvorhergesehene Zwischenfälle

Während sich die Konvois zum Teil noch aufdem Weg in die Antarktis befinden, wird am26. Dezember 1946 von britischer Seite be-kannt gegeben, daß eine britisch-norwegischeExpedition in den Südpolargewässern der Ba-hia Marguerite unterwegs sei und AdmiralByrd zur Unterstützung zur Verfügung stehe.Weitere acht Nationen, darunter auch Ruß-

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„OPERATION HIGHJUMP” DER US-MARINE

Flugrouten der drei Einsatzgruppen. Insgesamt sollen 64 Fotoflüge unternommen worden und dabei 70.000Luftbilder entstanden sein. Auch das Gebiet von Neu-Schwabenland (Pfeil) wurde beflogen.

land und Kanada, sind zur gleichen Zeitzwecks Klima- und Wetterstudien in der Ant-arktis tätig. Sind diese Länder von den Ame-rikanern vorab über den Grund ihrer „Opera-tion Highjump” und deren Ziel informiertworden?

In inoffiziellen Darstellungen über die Byrd-Expedition ist meist unisono die Rede davon,daß der Admiral bereits drei Wochen nach Ein-treffen in der Antarktis den plötzlichen Ab-bruch der „Operation Highjump” sowie diesofortige Rückkehr aller Schiffe in die USA be-fiehlt. Als Zeitpunkt wird allgemein der 3.März 1947 angegeben. Der Abbruch nach sokurzer Zeit soll fast panikartig erfolgt sein, sodaß angeblich neun Flugzeuge mit ihren Be -

satzungen im ewigen Eis zurückgelassen wer-den mußten.

Diese Angaben stimmen mit den oben ange-führten Daten für das Eintreffen der Konvois -Ende Dezember 1946 - nicht überein. Am Bei-spiel der gesamten Einsatzzeit des Flaggschiffs„Mount Olympus” sei die tatsächliche Dauerdes Aufenthalts in der Antarktis verdeutlicht.Das Schiff war am 2. Dezember 1946 in Norfolkausgelaufen. Es hatte am 10. Dezember die Ka-nalzone passiert und war am 30. Dezember na-he der Scott-Insel eingetroffen. Am 14. Januar1947 war die Ross-Eisbarriere gesichtet worden.In der Zeit vom 22. Januar bis 6. Februar 1947hatte die „Mount Olympus” in der Walbuchtfestgemacht, und am 13. Februar war sie wie-

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

der in der Nähe der Scott-Insel. Vom 7. bis 14.März lag das Schiff in Wellington vor der Küstevon Neuseeland, um genau einen Monat späterwieder Heimatgewässer zu erreichen: die Ost-küste der USA. Am 14. April 1947 wurde Ad-miral Byrd in Washington von Marinestaatsse-kretär Forrestal und Marine-Chef Admiral Ni-mitz empfangen.

Was ist hierzu bei Byrd selbst zu lesen? DerLeiter der „Operation Highjump” schreibtrückblickend von großen Schwierigkeiten, vordie sich die Mittelgruppe aufgrund von Wetter-unbilden und der extrem ungünstigen Eislage —die mit Abstand schlechteste in diesem Jahr-hundert — gestellt sah. Es dauert bis Ende Janu-ar, bis man sich per Eisbrecher durch das starkvereiste Rossmeer hindurchgearbeitet hat undbis der Flugzeugträger „Philippine Sea” dieSchelfeiskante erreicht, von wo aus die Erkun-dungsflüge mit den sechs R4D unternommenwerden sollen. Auf diese Weise geht ein Gutteildes antarktischen Sommers und damit etlicheWochen besten Flugwetters verloren. Auch ma-chen es die Eisverhältnisse erforderlich, das Ge-biet eher als geplant wieder zu verlassen, umkein Risiko einzugehen und keine Schiffe zuverlieren. Am 6. Februar anstatt wie geplantMitte März wird die Flucht Richtung Nordenangetreten, „bevor wir auch nur einen einzigengroßen Flug unternommen hatten" . 40

Es war kalkuliert worden, daß das Gesamt-programm für die Mittelgruppe, gute Sicht fürdie Luftbilder vorausgesetzt, mit 25 Einzelflü-gen zu bewältigen sein würde. Am Ende waren29 Flüge absolviert worden, von denen Byrd 17als erfolgreich und drei als teilweise erfolgreicheinstufte. Die restlichen neun brachten keinnennenswertes Resultat; Byrd macht Schlecht-wetter und technische Mißstände hierfür ver-antwortlich.

Selbst der von dem Admiral als eine der größ-ten Leistungen der „Operation Highjump” ein-gestufte Flug über den Südpol verlief alles an-dere als reibungslos. Die US-Marine sah eineder Hauptaufgaben der Expedition darin, bisüber den Pol hinaus „ins ,Gebiet der Unzu-gänglichkeit', ins große Unbekannte" 41 vorzu-stoßen. Mit zwei Douglas-R4D verließ Byrd„Little America” am 15. Februar kurz nach 23Uhr. Die Flugzeuge waren stark überladen. Umden Pol überhaupt erreichen und sicher wiederzum Basislager zurückkehren zu können, muß-ten allein 40 Prozent mehr Treibstoff als üblichgetankt werden; hinzu kam die schwere Aus-rüstung.

Unterwegs sank die Temperatur rapide. DieHeizung in einem der beim Start völlig intaktenFlugzeuge und der Autopilot streikten, Treib-

stoffdämpfe erfüllten das Cockpit. Dann be-gann die Maschine zu meckern, es folgte einvölliger Motorausfall. Niemand konnte sagen,weshalb. Nachdem zu einem anderen Tank um-gestellt worden war, sprang der Motor wiederan. Die Fenster beschlugen von innen und fro-ren in wenigen Augenblicken zu, die Scheibenmußten pausenlos mit Messern freigekratztoder mit Alkohollösung freigerieben werden.

Ziel des Fluges war es, herauszufinden, wassich im Gebiet auf der Südamerika zugewand-ten Seite des Südpols befindet. Byrd schreibtdarüber: „Insgesamt hatten wir an die 25.000Quadratkilometer des ,Landes hinter dem Pol'beflogen. Wie zu erwarten, wenn auch etwasenttäuschend zu berichten, gab es nichts Beob-achtenswertes hinter dem Pol. Nur die sich voneinem Horizont zum anderen hinziehendeweiße Wüste. "

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Gegen Mittag des nächsten Tages, nach einemmehr als zwölf Stunden andauernden Flug, ka-men die beiden Flugzeuge nach „Little Ameri-ca” zurück. Die Piloten waren erschöpft. DieKälte, aber auch der Sauerstoffmangel durchdie beständig eingeatmeten Alkoholdämpfehatten ihnen arg zugesetzt.

Wäre ihnen bei ihrem Vorstoß in RichtungKönigin-Maud-Land „Beobachtenswertes vondritter Art” begegnet, Byrd würde kaum dar-über berichtet haben. Immerhin gibt der Ex-peditionsleiter offiziell zu, daß es im Verlaufdes Unternehmens Todesfälle gab. Beginnenwir mit dem tragischsten Ereignis, das Byrdauch selbst erwähnt und von dem es in sei-nem Bericht heißt: „Lichtphänomen verur-sacht Tragödie". 43 Es spielte sich im Bereichder Ostgruppe ab. Von dem Flugbootmutter-schiff „eine Island” aus wurden mit demFlugboot „George One” verschiedene Erkun-dungsflüge durchgeführt. Von Beginn an wares ständig im Einsatz, jedesmal mit einer an-deren Mannschaft. Als es am 30. Dezember1946 um 2.24 Uhr zu seinem dritten Rundfluginnerhalb kürzester Zeit startete, waren neunMänner an Bord: Leutnant Ralph Paul Le-Blanc als Pilot, Leutnant William H. Kearnsals Copilot, der Navigator Ensign MaxwellLopez, die beiden Flugfunker Wendell K.Hendersin und James H. Robbins, die Flug-mechaniker Frederick Warren Williams undWilliam George Henry Warr, der LuftbildnerOwen McCarty und schließlich der Kapitänder „Pine Island”, Henry Howard Caldwell,der als Beobachter mitflog. Das Wetter sah al-les andere als vielversprechend aus, als manin südwestlicher Richtung über ansteigendesEis hinflog, erinnerte sich Kearns später. DieSicht war schlecht, und es war kein Horizont

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mehr auszumachen. Man wußte nicht, ob esNebel, Dunst oder Schnee war, durch denman steuerte. Das Glas des Cockpits fing anzuzufrieren. Der Einsatz des an Bord befind-lichen Enteisers zeigte keinerlei Wirkung.Plötzlich gleißte helles Licht auf, so als seiman mit dem Flugzeug in ein Wolkenloch ge-flogen, durch das mit einemmal die Sonnehervorbrach. Die feinen Eiskristalle auf derScheibe verwandelten sich in Zigtausendeglitzernde Punkte. Was die Orientierung zu-sätzlich erschwerte, war die Tatsache, daß dieBordinstrumente sich widersprechende Anga-ben lieferten. Es war höchste Zeit umzukeh-ren. Nachdem Kearns den etwas ermüdetenLeBlanc am Steuer abgelöst hatte, wurde ge-wendet. Da gab es plötzlich einen Ruck, derdie ganze Maschine erschütterte. Wahrschein-lich hatte sie an einem Berghang Bodenkon-takt bekommen. Kearns zog sofort nach oben.Was dann folgte, war eine Explosion. „Geor-ge One” wurde in vier Stücke gerissen.

Drei Männer, Hendersin, Williams und Lo-pez, überlebten den Absturz nicht. McCarty,Warr, Robbins und Caldwell krochen, nachdemsie lange Zeit später wieder zu sich gekommenwaren, mit mehr oder weniger leichten Verlet-zungen aus den Trümmern. Kearns, der sichzum ersten Mal in seiner Fliegerlaufbahn nichtangeschnallt hatte, war aus seinem Sitz ge-schleudert worden und landete im Schnee. NurLeBlanc steckte noch in dem brennendenWrack, er wurde von seinen Kameraden befreitund überlebte ebenfalls.

Mit Hilfe von Nahrungsmittelresten undÜberlebenspaketen, die man im Laufe der fol-genden Tage zwischen den Resten des Flug-bootes hervorzog, richtete man sich an der Un-glücksstelle ein. Die Brandwunden machtenLeBlanc derart zu schaffen, daß er ins Deliriumfiel, das größte Problem war der Mangel anTrinkwasser.

Die Suche nach den Vermißten konnte auf-grund des schlechten Wetters erst nach eini-gen Tagen aufgenommen werden. Auch gabes Probleme, die beiden anderen Flugboote,„George Two” und „George Three”, flugfähigzu bekommen. Schließlich konnte gestartetwerden, doch mußten verschiedene Testflügeund Suchaktionen zwischen dem 5. und 9. Ja-nuar aufgrund diverser Widrigkeiten immerwieder vorzeitig abgebrochen werden. ZweiTage später wurden die völlig entkräftetenMänner endlich gefunden, etwa 20 Kilometervon einer eisfreien Wasserstelle entfernt, vonwo aus sie schließlich geborgen werden konn-ten. Doch auch hier verzögerten Schneefallund Nebel die Rettungsaktion noch erheblich.

Am 18. Januar traf die „eine Island” mit demZerstörer „Brownson” zusammen, der dieüberlebenden Opfer der Katastrophe zur„Philippine Sea” brachte, von der aus siezurück in die USA gelangten. Die Männer ge-nasen, nur LeBlanc mußten noch auf demFlugzeugträger, zwei Wochen nach der Ret-tung, beide Beine wegen Erfrierungen ampu-tiert werden.

Auf Byrds zahlreichen früheren Expeditionenhatte es nie auch nur einen einzigen vergleich-baren Zwischenfall gegeben. Wie schon gesagt,er erwähnt die Tragödie in seinem Bericht, gehtaber nicht in dieser Ausführlichkeit auf sie ein.Was von ihm hinsichtlich unvorhergesehenerZwischenfälle noch zu erfahren ist, betrifft nurdie lapidare Information über ein gebrochenesBein des Biologen Jack Perkins und immer wie-der technische Mängel, die gerade auf FlügenSchwierigkeiten verursachten. Beispiel: „Baldgerieten wir in schlechtes Wetter mit null Sicht,und zehn Minuten später hatten wir ein Leck inder Benzinleitung."

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Ein weiteres Unglück passierte am 21. Januarkurz nach der Ankunft des Frachtschiffes „Yan-cey” am Ross-Schelf eis. Ein Schlepper hatte aufdem Eis eine Last zu befördern, was wegen derBodenbeschaffenheit Schwierigkeiten bereitete,so daß einige Männer Hand anlegen mußten.Dabei geriet der erst seit sieben Monaten beider Marine dienende Vance Woodall mit demrechten Arm und dem Kopf in die Transport-vorrichtung, was ihm in der Folge die Wirbel-säule zertrennte und ihn sofort tötete. Hiervonschreibt Byrd nichts, der Fall ereignete sich imBereich der Mittelgruppe, dort, wo er auchselbst stationiert war.

Auch daß hier nur einen Tag später ein fürden Start vorbereiteter Hubschrauber von demFlugzeugträger „Philippine Sea” ins eisige Was-ser fällt, ist aus seiner Feder nicht zu erfahren.Unmittelbar nachdem die Maschine abgehobenhatte, verlor der Pilot die Kontrolle über sie -als Ursache wird eine plötzliche Böe angegeben-, und der Helikopter wurde über Bord gefegt.Der Pilot konnte jedoch mit einem Rettungs-boot geborgen werden.

Gibt es Dinge, die Byrd darüber hinaus ver-schweigt? Gelegentlich liest man davon, daßbereits in den ersten Tagen nach der Ankunft inder Antarktis vier Flugzeuge samt ihren Besat-zungen spurlos verschwunden sein sollen. DerVersuch einer Klärung, wo sie geblieben wären,hätte kein Ergebnis gebracht. Und wie verhältes sich mit jenen neun Flugzeugen, die bei Be-endigung der US-amerikanischen Antarktis-mission samt ihren Besatzungen im ewigen Eiszurückgelassen worden sein sollen?

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Mit Amphibienfahrzeugen ging es auf eine Sechstageexpedition ins Inland. Byrd war überzeugt davon,daß man eines Tages mit Motorkraft über Land zum Pol fahren könne.

Mit Hilfe von Stahl und Schnee wird eine Eisspalte überbrückt. „Litte America " erhält ein Flugfeld aus gepreßtem Schnee,von hier aus werden 29 Aufklärungsflüge bis weit ins Landesinnere hinein unternommen.

Der Oberbefehlshaber der „ Operation Highjump "Admiral Byrd befand sich an Bord des Flaggschiff „Mount Olympus”(oben). Hier wird es von Marinesoldaten mit der Achterleine festgemacht. Rechte Seite: Die bewaffneten Frachter „Merrick ”

(im Hintergrund) und,, Yancey" haben in der Walbucht unweit der Basisstation festgemacht und werden entladen.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Eine „höchst erfolgreiche Expedition”

Tatsächlich wurde „Little America” am 23. Fe-bruar 1947 aufgegeben, und die Schiffe allerdrei Einsatzgruppen verließen Anfang Märzdie antarktischen Gewässer. Der Polarwinterhatte begonnen.

„Die Expedition war insgesamt höchst erfolg-reich”, resümiert Admiral Richard Byrd. 45 Waswaren die wissenschaftlichen Errungenschaf-ten, die er im Anschluß an seine von der US-Marine in Auftrag gegebene Mission zu verbu-chen hatte?

Insgesamt wurden 64 Forschungsflügedurchgeführt, auf denen 70.000 Luftbildauf-nahmen von der Antarktischen Küste und voneinzelnen Inlandregionen des Kontinents ent-standen sein sollen. Dieses Ergebnis wird alsdie größte Leistung der Expedition gewertet.Mit einem gewissen Stolz gibt Byrd an, daßwährend der Flüge ein Gebiet erkundet wurde,das halb so groß ist wie das der USA. Die Auf-zählung der Errungenschaften liest sich wie einKapitel aus dem Guinness-Buch der Rekorde:Tausende Kilometer Küstenlinie kartiert; neueInselgruppen, Halbinseln, Inseln und Seen ent-deckt; einige der größten Gletscher der Erdegefunden und fotografiert; zehn neue Bergket-ten, darunter einige der höchsten der Erde, ent-deckt; Gebiet der Walbucht kartiert; Hundertebis dato unbekannte Berge und Bergspitzen ge-sichtet; mehr als 500.000 Quadratkilometer derPolkappe erforscht; eine Reihe von „Oasen”,eisfreien Tälern mit Seen, entdeckt; und, und,und.

Eine der Entdeckungen soll besonders her-vorgehoben werden, da sie auch von Byrd be-handelt wird - erneut aber nicht in der hier vor-liegenden Ausführlichkeit. Einer der Piloten,Leutnant David E. Bunger, war auf einem derletzten von der Westgruppe durchgeführten Er-kundungsflüge in der Antarktis Anfang Febru-ar 1947 mitten im Eis auf ein riesiges eisfreiesGebiet gestoßen. Diese Fläche, die später nachihrem Entdecker Bunger-Oase genannt wurdeund etwa 750 Quadratkilometer mißt, ist fürpolare Verhältnisse schwer zugänglich, obwohlsie von der Küste nicht sehr weit entfernt liegt.Es ist verwunderlich, daß sie bei ihrer Größenicht schon auf früheren Antarktisexpeditionenentdeckt wurde.

Die Bunger-Oase gilt als eine der eigentüm-lichsten und schönsten Landschaften in derAntarktis. Sie ist völlig eisfrei und weist durcheine erhöhte Strahlungsbilanz des freiliegendenGesteins im Vergleich zur Umgebung ein rela-tiv mildes Mikroklima auf. Bunger beschrieb sie

später als „ein Land von blauen und grünenSeen sowie braunen Hügeln in einer ansonstenendlosen Weite aus Eis" .46

Auf einem weiteren Flug einige Tage nachder Entdeckung wurde die Oase, die Byrd alsdie bei weitem wichtigste geographische Ent-deckung der Expedition einstuft, schließlichgenauer untersucht. Drei große Seen und 20kleinere Wasserflächen wurden gezählt. Aufeinem der großen Seen konnte mit dem Flug-boot ohne weiteres gewassert werden. Für ant-arktische Verhältnisse hatte er sogar relativwarmes Wasser, wie sich duch Eintauchen derHand feststellen ließ. Man vermutete unterir-dische thermische Aktivität, was jedoch nichtnachgewiesen werden konnte. Der See warvoller Algen von roter, blauer und grüner Far-be, die der Seenlandschaft ihr charakteristi-sches Erscheinungsbild gaben. Als man dasWasser vor Ort einer näheren Untersuchungunterziehen wollte, stellte sich jedoch heraus,daß keine technische Vorrichtung hierfür vor-handen war. Sogar die Temperatur mußte ge-schätzt werden, da man nicht daran gedachthatte, ein Thermometer mitzunehmen. AnBord des Flugbootes fand sich aber schließlicheine leere Flasche, so daß immerhin eine Probeabgefüllt werden konnte. Wie sich später her-ausstellte, handelte es sich um Brackwassermit einem relativ hohen Salzgehalt von zweiDritteln des Ozeans. Hatte der See Zugangzum offenen Meer?

Folgende weitere peinliche Begebenheit istüberliefert: Bei dem Versuch, die 70.000während der „Operation Highjump” entstan-denen Luftbildaufnahmen zu Kartierungs-zwecken auszuwerten, stellte sich heraus, daßein hoher Prozentsatz völlig wertlos war, daman vergessen hatte, Bodenkontrollpunkte an-zugeben. Ein Manko, das ein Jahr später, imSüdsommer 1947/ 48, während einer wesent-lich bescheideneren Expedition unter dem Na-men „Operation Windmill” wettgemacht wer-den sollte. Wurden die 70.000 unter hohemtechnischem Aufwand gemachten Fotos des-halb nicht an die große Glocke gehängt? Byrdjedenfalls tut es nicht. Und weshalb gab es nachder Rückkehr der - um einige Köpfe dezimier-ten - 4.000 Marinesoldaten weder eine offiziel-le Pressekonferenz noch Interviews mit Admi-ral Byrd oder anderen Expeditionsteilnehmern?Entsprechend mager fiel das Presse-Echo überdie größte Antarktisexpedition aller Zeiten, die„Operation Highjump” der USA 1946 /47, auchaus.

Übrigens: Die Westgruppe war bei ihren Er-kundungen tatsächlich wie vorgesehen bis zumNullmeridian vorgestoßen, wie die Karte der

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Antarktis zeigt, auf der die Flugrouten einge-tragen sind (siehe Karte S. 123). Im Bereich derOstgruppe ist in diesem Bereich - also vor demKönigin-Maud-Land bzw. vor Neu-Schwaben-land nur ein kurzer Flug verzeichnet, weit ab-geschlagen von den anderen von der Ostgrup-pe im Küstenbereich unternommenen Erkun-dungen, die sich auf Gebiete in der Nähe derMittelgruppe und vor der Antarktischen Halb-insel beschränken. Offensichtlich hatte sie esnicht geschafft, in der vorgesehenen Weise mitder Westgruppe zusammenzutreffen. Warenauch hier Wetterkapriolen schuld?

Neben den geographischen Entdeckungengeht Byrd auf die Untersuchungen im Bereichder Physik, Chemie, Geologie und Biologie ein.Leider sei die Arbeit der Wissenschaftler etwaim Zusammenhang mit der Erforschung desErdmagnetismus, der kosmischen Strahlungoder verschiedener Sonnenlichtphänomene nursehr eingeschränkt möglich gewesen. AlsGrund gibt er Zeitmangel und Transport-schwierigkeiten an.

Was wird zur Erprobung von Mannschaftenund Material ausgesagt? Hier werden techni-sches Gerät und neue Instrumente in den Vor-dergrund gerückt, die unter extremen Bedin-gungen getestet wurden: angefangen von denEisbrechern mit 6.600 BRT und einer Leistungvon 10.000 PS, die selbst in relativ starkemPackeis Manövrierfähigkeit bewiesen, über dieHubschrauber, die sich für die Vorauserkun-dung der Eislage bewährten, bis hin zu eiswas-sertauglichen Schwimmanzügen, die zum Teilwährend des Krieges zur Rettung von Han-delsschiffsmannschaften eingesetzt gewesenwaren oder die man in anderer Ausführungspeziell für eine für Herbst 1945 geplante Inva-sion Japans entwickelt hatte. Außerdem wurdevon Marinesoldaten der Einsatz von Amphi-bienkettenfahrzeugen getestet, die sowohl aufnormalem Grund als auch auf Eis und im Was-ser operieren können. Mit solchen 16 Tonnenschweren Fahrzeugen wurde eine Sechstagerei-se von insgesamt 450 Kilometern unternom-men. Byrd, der dies als eines der wichtigstenExperimente der Expedition einstuft, ist in sei-nem Bericht davon überzeugt, daß man früheroder später mit Motorkraft über Land zum Polfahren wird. 47

Abgesehen von der konkreten, sehr ausführ-lichen Aufzählung der gemachten Entdeckun-gen und sonstigen Erfolge bemerkt man Anzei-chen von Zurückhaltung: „Es gibt viele Ge-heimnisse hinter den glitzernden Schutzwällenaus Eis und den weißgetünchten Kulissen ausNebel und sturmgepeitschtem Schnee. " 48 Oder:„Der Kampf gegen Sturm, Entfernung, Kälte,

Einsamkeit und Hunger steht in der Traditionder Marine beinahe ebenso hoch wie der gegenfeindliche Flotten. " 49 Wo der Poet vage bleibt,soll nicht willkürlich hineininterpretiert wer-den. Und daß sich Byrd einer Rhetorik bedient,die mit der Militärsprache entlehnten Meta-phern angereichert ist, das ist wohl seinem Be-ruf geschuldet.

Der Admiral verheimlicht indes nicht, daß erzumindest die Arktis (Nordpol) als potentiellesSchlachtfeld sieht. So räsoniert er etwa sehrdeutlich: „Es ist darüber diskutiert worden, obder Flugzeugträger, der eine so außerordentlichwichtige Rolle in unserem Krieg im Pazifik ge-spielt hat, mit der Entwicklung größerer Flug-zeuge und ihrer Möglichkeit, größere Distan-zen zu bewältigen, nicht zu einer obsoletenWaffe geworden ist.

Warum, so könnte man fragen, einen Trägernehmen statt eines Bombers, der 8.000 Meilenam Stück schafft? Es dürfte wenige Ziele geben,die mehr als 4.000 Meilen entfernt liegen. Dochmuß man sich als generelle Regel stets vor Au-gen halten: Je kürzer die zu fliegende Strecke,desto größer die zerstörerische Fracht.” Und erschlußfolgert: „Die kürzeste Entfernung zwi-schen der Neuen und der Alten Welt verläuftquer über den Arktischen Ozean und die Nord-polarzone. Es ist vorherzusehen, daß hier einesder großen Schlachtfelder künftiger Kriege zufinden sein wird. "50 Und insofern sei der Erfolgvon „Operation Highjump” nicht zuletzt da-hingehend zu verstehen, daß 'die hier in derAntarktis gewonnenen Erkenntnisse auch fürkriegerische Auseinandersetzungen in der Ark-tis von großem Nutzen sein würden.

Zur Antarktis selbst äußert sich Richard Byrdetwas verhaltener, indem er auf dort vermute-te Naturressourcen - Kohle, 01 und Buntmetal-le - verweist: „Eines Tages wird es wohl mög-lich sein, das Unterste des Erdballs zu Geld zumachen.' Und an anderer Stelle schreibt er:„Ich empfehle dringend, daß die nächste großePolarexpedition ein von Heer und Marine ge-meinsam durchgeführtes Projekt sein sollte.”'

Mit diesen Aussagen wird der militärischeCharakter der von Byrd kommandierten „Ope-ration Highjump” noch einmal unzweifelhaftunterstrichen. Die Hoffnung des Admirals gingin der Tat lange Zeit, im Grunde bis zu seinemTod, dahin, daß eine noch größere, kombinier-te Marine /Heer-Expedition in die Antarktisentsandt werden würde. Doch Byrds Visionwird niemals Wirklichkeit. Eine weitere ameri-kanische Antarktisexpedition vergleichbarenAusmaßes kommt nie zustande, nicht zu Leb-zeiten des Admirals und auch nicht nach sei-nem Tod.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Nach sorgfältiger Vorbereitung startete Ende1949 das norwegisch-britisch-schwedische Ge-meinschaftsunternehmen mit dem norwegi-schen Robbenfangschiff „Norsel” in die Ant-arktis. Die Royal Air Force stellte leihweisezwei Auster-Flugzeuge mit der dazugehörigenBesatzung zur Verfügung. Südwestlich vonKap Norwegia, auf dem Riiser-Larsen-Schelf-eis, das fest zu sein schien, richtete die Expedi-tion ihr Hauptlager Maudheim ein. Hier über-winterte die 15köpfige Gruppe sechs Monatelang in einem Gefühl der Sicherheit. Nach eini-ger Zeit stellten die Wissenschaftler jedoch fest,daß sich das gesamte Gebiet, einschließlich ih-res Lagers, bedingt durch die Gezeiten ständigum einen Meter hob und senkte. Diese Er-kenntnis zwang sie zur Einrichtung einer zwei-ten Station, die mit Hilfe von drei Motorschlit-ten 300 Kilometer landeinwärts errichtet wurde- Ausgangspunkt für verschiedene Schlittenrei-sen, die mit dem Ziel geologischer und glet-scherkundlicher Untersuchungen erfolgten.

Eisdeckenmessungen entlang eines Profilsvom Hauptlager Maudheim zum zweiten La-ger und darüber hinaus weiter nach Südenzeigten, daß unter der Eisoberfläche ein starkzerschnittenes Gebirgsland mit zahlreichenFjorden lag. Im Hauptlager wurde hauptsäch-lich auf meteorologischem Gebiet gearbeitet.Während der gesamten Expeditionszeit wur-den Wetterkarten gezeichnet und 650 Radio-sondenaufstiege durchgeführt.

Gegenüber Vorkriegsexpeditionen war dienorwegisch-britisch-schwedische Antarktisex-pedition besser und moderner ausgestattet, sieverfügte auch über einen größeren „Fuhrpark”an Motorschlitten. Dieses mechanisierte Trans-portwesen barg aber auch Gefahren. Im Febru-ar 1951 fiel ein Motorschlitten über eine Eis-klippe und riß drei Expeditionsmitglieder mitsich; sie ertranken.

Mit zwei Flugzeugen an Bord erschien im De-zember 1951 das Expeditionsschiff „Norsel”, umdie Expeditionsmitglieder abzuholen. Bevor dasSchiff im Januar 1952 auf Heimatkurs ging, wur-de das Gebiet, in dem die Expeditionsteilnehmergearbeitet hatten, von den beiden Flugzeugenaus fotogrammetrisch aufgenommen.

Fast zur gleichen Zeit hatte auch Frankreichden Versuch unternommen, eine Expedition indie Antarktis zu entsenden. Der erste Versuch1949 scheiterte jedoch. Schweres Treibeis ver-hinderte die Landung im Adelieland. Erst einJahr später, im Februar 1950, gelang der erneu-te Versuch. 1953 kehrten die letzten französi-schen Expeditionsmitglieder aus der Antarktiszurück, sie hatten vorwiegend geophysikali-sche und meteorologische Arbeiten verrichtet.

Sowohl die „Norsel"-Expedition mit norwe-gischen, schwedischen und britischen Wissen-schaftlern (1949-52) als auch das französischeAntarktisunternehmen (1950-53) glaubten, dieAnwartschaft auf die erste Nachkriegsexpediti-on in die Antarktis erheben zu können. Doch sieirrten: Es waren russische Wissenschaftler.

Die friedliche Besetzungvon Neu-Schwabenland

Nach Kriegsende entsandte die Sowjetunion ei-ne großangelegte wissenschaftliche Expeditionin die Antarktis, die ein besonderes Ziel auf demsechsten Kontinent hatte: das 1938 / 39 von Al-fred Ritscher entdeckte Neu-Schwabenland. Be-reits während der dritten deutschen Antarktis-expedition hatten sich russische Walfangschiffeim Südpolarmeer aufgehalten und die deut-schen Aktivitäten mit Interesse beobachtet. Siewaren auch präsent, als 1946 / 47 die USA mitAdmiral Richard Byrd, mit einem Flugzeugträ-ger, mehreren weiteren Schiffen und einem Heervon Marinesoldaten ausgerüstet, im Gebiet derAntarktis sichtbar Stärke demonstrierten. Diesmag die Sowjetunion, die sich im kalten Kriegmit den Amerikanern fühlte, bewogen haben,sich ebenfalls in der Antarktis festzusetzen, umden sechsten Kontinent nicht allein den USA zuüberlassen. Vielleicht hatten die Russen bei derEroberung der Reichshauptstadt Berlin tatsäch-lich auch Fotos erbeutet, die bei der DeutschenAntarktischen Expedition 1938 / 39 angefertigtworden waren, womit sich auch das besondereInteresse an Neu-Schwabenland erklären ließe.

Mit professionellen Aktivitäten und beachtli-chem personellen und materiellen Aufwand er-richtete die Sowjetunion 1961 in der Region derSchirmacheroase auf dem Schelf eis die For-schungsstation „Lasarew”. Später wurde sie indie Schirmacheroase selbst umgesetzt und in„Nowolasarewskaja” umbenannt. Die Stationwurde fast ständig erweitert, und später gabman auch der Deutschen Demokratischen Re-publik die Möglichkeit, in unmittelbarer Nähedie Station „Georg Forster” einzurichten, derenVersorgung die sowjetische Station „Nowolasa-rewskaja” übernahm. „Georg Forster” diente ab1976 als Ausgangsbasis für umfangreiche geo-physikalische, glaziologische, meteorologischeund geodätische Forschungen in der Schirma-cheroase selbst sowie in den südlich gelegenenGebirgsketten des Wohlthatmassivs. Die Stati-on wurde 1996 aus Kostengründen geschlossenund komplett abgebaut.

Zu den friedlichen Besetzern von Neu-Schwabenland, insbesondere der Schirma-

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DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND DIE ANTARKTIS

cheroase, gehörten nach den Russen die Süd-afrikanische Union mit der Station „Sanae” undIndien mit der Station „Dakshin Gangotri”.Auch die Japaner richteten im Bereich derSchirmacheroase ein temporäres Lager ein, das„Azuka Camp”.

Der erste Rüstungsbegrenzungsvertragnach dem Zweiten Weltkrieg

Da das Interesse von Staaten aller Erdteile andem noch herrenlosen sechsten Kontinent vonJahr zu Jahr wuchsund immer mehrLänder Forschungs-stationen in der Ant-arktis errichteten,unterzeichneten am1. Dezember 1959,ein Jahr nach dem In-ternationalen Geo-physikalischen Jahr1957 / 58, in Wa-shington zwölf Staa-ten, und zwar Ar-gentinien, Australi-en, Belgien, Chile,Frankreich, Großbri-tannien, Japan, Neu-seeland, Norwegen,die Sowjetunion,Südafrika und dieUSA, den Antarktisvertrag. Nach Hinterlegungder Ratifikationsurkunden traten weitere 13Staaten bei: Brasilien, Bulgarien, die Bundesre-publik Deutschland, Dänemark, die DeutscheDemokratische Republik, Italien, die Nieder-lande, Papua-Neuguinea, Peru, Polen, Rumäni-en, die Tschechoslowakei und Uruguay.

Zweck und Ziel des Antarktisvertrags, der am23. Juni 1961 in Kraft trat und nach den Zusatz-verträgen zum Schutz der antarktischen Um-welt von 1991 bis mindestens 2041 gültig ist, be-steht offiziell darin, die Unversehrtheit des Ge-bietes südlich des 60. Breitengrades zu erhaltenund es ausschließlich für friedliche Zwecke zunutzen. Der Vertrag sichert die freie Erfor-schung des Gebietes zum allgemeinen Nutzenund untersagt militärische Maßnahmen jegli-cher Art sowie Kernexplosionen und die Besei-tigung radioaktiven Abfalls in der Antarktis.

Der Antarktisvertrag ist damit der ersteNichtrüstungsvertrag nach dem Zweiten Welt-krieg. So gesehen hat er zugleich die erste kern-waffenfreie Zone der Welt geschaffen.

Die verantwortliche Gestaltung des Antark-tisregimes obliegt den Konsultativstaaten, das

heißt den ursprünglichen zwölf Unterzeichner-staaten oder jenen Vertragsstaaten, denen auf-grund erheblicher wissenschaftlicher For-schungsarbeiten in der Antarktis der Konsulta-tivstatus zuerkannt worden ist. Hierzu gehörtseit März 1981 auch die BundesrepublikDeutschland. Mit ihrer Aufnahme in die Kon-sultativrunde wurden die langjährigen Lei-stungen der deutschen Antarktisforschung, ins-besondere die Einrichtung der ständigen For-schungsstation „Georg von Neumayer” im Fe-bruar 1981 in der Atka-Bucht im atlantischenSektor der Antarktis, gewürdigt.

Die Konsultativstaa-ten nehmen ihre beson-dere Verantwortung fürdie Förderung derGrundsätze und Zieledes Antarktisvertragsvor allem durch die Ini-tiierung von Maßnah-men auf folgenden Ge-bieten wahr: Nutzungder Antarktis für friedli-che Zwecke, Förderungder wissenschaftlichenForschung, Erleichte-rung der wissenschaftli-chen Zusammenarbeitzwischen den Parteiendes Antarktisvertragsund zwischen diesenund anderen Staaten so-

wie Erhaltung des Ökosystems der Antarktisund des Südpolarmeers.

Keine deutschen Ansprücheauf Neu-Schwabenland?

Der Bundesrepublik Deutschland war es 40Jahre nach der dritten deutschen Antarktisex-pedition nicht möglich, mit ihrer neuen Ant-arktisforschung dort einzusetzen, wo sie 1939ihr vorläufiges Ende gefunden hatte. Dafür warzu viel Zeit vergangen und das Gebiet Neu-Schwabenland mittlerweile bereits mit For-schungsstationen anderer Länder besetzt.Außerdem standen noch die Ansprüche Nor-wegens im Raum, nach dessen Meinung Neu-Schwabenland ein Teil des Königin-Maud-Lan-des ist, für das Norwegen bereits Ansprücheangemeldet hatte, Ansprüche, die in den letztenVorkriegsmonaten 1939 nicht mehr hatten ge-klärt werden können.

Die Inbesitznahme von Neu-Schwabenlandwährend der Deutschen Antarktischen Expedi-tion 1938 / 39 ist jedoch eindeutig nachweisbar

Von der „ Gauss ” (1901—1903) bis zur „Polarstern "(seit 1982) und zur „ Georg von Neumayer "Station(seit 1981) — 2001 wurde mit dieser Sondermarke100Jahren deutscher Antarktisforschung gedacht.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

und unbestritten. Dennoch erklären heute offi-zielle Stellen in der Bundesrepublik Deutsch-land, das Deutsche Reich habe in der Antarktiskeine Gebietsansprüche erhoben. Das Auswär-tige Amt erklärte auf eine entsprechende An-frage in einem Schreiben vom 20. Januar 2004an den Autor: „Das frühere Deutsche Reich hatGebietsansprüche in der Antarktis nicht erho-ben, und zwar auch nicht in bezug auf das vonder deutschen Antarktisexpedition 1938 / 39entdeckte Gebiet Neu-Schwabenland. Einernorwegischen Erklärung vom 14. Januar 1939,mit der ein größeres Gebiet in der Antarktis un-ter Einbeziehung von Neu-Schwabenland inAnspruch genommen wurde, hat die deutscheReichsregierung am 23. Januar 1939 widerspro-chen und sich bezüglich des Gebietes Neu-Schwabenland die volle Handlungsfreiheit vor-behalten, die sich aus den Grundsätzen desVölkerrechts ergibt.

Konkrete Ansprüche auf das fragliche Gebiethat das Deutsche Reich allerdings weder da-mals noch später erhoben. Die Bundesregie-rung hat lediglich im Jahre 1952 das auf der Tat-sache der Entdeckung gestützte Recht zur geo-graphischen Namensgebung für Neu-Schwa-benland ausgeübt.'

Dieser Feststellung des Auswärtigen Amtessteht folgende Rechtsauffassung gegenüber:„Zeitgleich mit dem Aufenthalt der deutschenExpeditionsgruppe in Neu-Schwabenland be-anspruchte Norwegen das Königin-Maud-Land, also den Teil der Antarktis, in dem auchNeu-Schwabenland liegt, durch eine königlicheResolution vom 14.01.1939 für sich. DasReichsaußenministerium unterrichtete darauf-hin am 23.01.1939 den norwegischen Gesand-ten in Berlin, daß die deutsche Regierung dieseBesitzergreifung nicht anerkennen könne undsich ,bezüglich des Gebietes die volle Hand-lungsfreiheit vorbehalte, die sich aus denGrundsätzen des Völkerrechts ergibt'.

Norwegen führte als Beleg für seine Rechteauf das Königin-Maud-Land dessen Ent-deckung und Erforschung an. Entdeckung undErforschung eines Gebietes sichern dem Ent-deckerstaat aber nicht für immer, sondern nurfür einen kurzen Zeitraum die Erwerbsrechtezu. Ein Staat kann demnach jeden Versuch ei-nes anderen Staates, entdecktes Land zu ver-einnahmen, abwehren. Macht er dies nicht, ver-fällt der Gebietsanspruch des Entdeckerstaates.

Da Norwegen nicht gegen das Ausbringendeutscher Hoheitszeichen auf dem von ihm be-anspruchten Gebiet eingeschritten war, hat esdie Entdeckungen und Erforschungen abgelei-teten Rechte für Neu-Schwabenland nach demVölkerrecht verwirkt.”'

In seinem Schreiben vom 20. Januar 2004 wie-derholt das Auswärtige Amt seine Feststellung:„Konkrete Gebietsansprüche hatte auch dasDeutsche Reich nie gestellt” und bemerkt hierzu:„Durch den Antarktisvertrag von 1959, der imJahre 1979 von Deutschland ratifiziert wurde, istdie Frage von Gebietsansprüchen überholt."

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Obwohl in der deutschen Nachkriegsliteraturim Grunde ausgeblendet, nimmt interessanter-weise gerade eine Publikation der DDR von1957 Bezug zu dem Thema Entdeckung und In-besitznahme von, wie es hier heißt, „Schwa-benland” durch die Ritscher-Expedition1938 /39. Das unter dem Titel Schwingen überNacht und Eis herausgekommene Buch, das sichmit der Geschichte der Erforschung der beidenPole beschäftigt und die einzelnen Expeditio-nen in jeweils einem Kapitel vorstellt, widmetsich auf immerhin 16 Seiten auch der drittendeutschen Antarktisexpedition. Zudem doku-mentieren drei Fotos das damalige Geschehen.

Beachtenswert ist der Tenor des mit „Flugbootüber dem Schelf eis” überschriebenen Kapitels.Bleibt erwartungsgemäß einerseits der Bezug zueinem Hitler-Deutschland vollkommen ausge-blendet, so wird andererseits mit keiner Silbe er-wähnt, daß ein anderes Land als DeutschlandAnspruch auf die knapp 20 Jahre zuvor erkunde-ten 600.000 Quadratkilometer antarktisches Eisauch nur angemeldet hat. Zweifel an den beste-henden deutschen Besitzverhältnissen kommenbei der Lektüre gar nicht erst auf, wenn es etwaheißt: „Da stehen sie nun auf einem Gebiet dessechsten Kontinents, das bis dahin noch keinMensch betreten hat."56 Oder: „Auf sieben Foto-flügen mit einer Gesamtlänge von zehntausendKilometern wurden nicht weniger als 350.000Quadratkilometer unbekannten Gebietes um denGreenwich-Meridian zwischen dem Königin-Maud- und dem Prinzessin-Astrid-Land karto-graphisch erfaßt und über mehr als 600.000 Qua-dratkilometer [. . .] vermessen, der Küstenstreifenzwischen 11° 30' westlicher und 20° östlicher Län-ge." 57 Am deutlichsten wird die Bildunterschriftzu dem Foto, welches das Flugboot „Boreas”zeigt: „Der Dornier-Wal der Ritscher-Expeditionwassert am Eisrand der Antarktis und nimmt das,Schwabenland' in Besitz (1939)." 58

Die deutschen Namen in der Antarktis

In nüchtern-sachlicher Weise widmet sich etlicheJahre später — 1986 — auch eine vom Verlag desInstituts für Angewandte Geodäsie in Frankfurtam Main herausgegebene bundesdeutsche Ver-öffentlichung dem Thema. In der speziell derDeutschen Antarktischen Expedition 1938/39

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1995/96organisierte die Bundesanstalt für Geowissenschaf-ten und Rohstoffe, Hannover, die GeoMaud-Expedition zurgeowissenschaftlichen Erforschung des Gebietes zwischen 6°und 8 ° Ost. Hierzu zählten die Gebirgszüge des Wohlthat-massivs, die östlichsten Ausläufer des Mühlig-Hofmann-Ge-

birges, teilweise das südlich angrenzende Wegenerinlandeisund die Schirmacheroase. Oben: Zeltlager nördlich der Pe-termannketten im Schein des Vollmonds. Unten: Basislagerder Expedition in der Schirmacheroase unweit der russischenStation „Nowolasarewskaja `:

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Oben links: Die Station „ Georg Forster ” in der Schirmacheroasewurde ab 1976 von der DDR betrieben. 1996 wurde sie von derBRD abgebaut. Oben Mitte: Ein majestätischerAnblick: Kaiser-pinguine mit Küken. Oben rechts: Während einer deutschen Ex-

pedition 1993 in der Schirmacheroase. Solche großen Container-schlitten werden von Raupenschleppern gezogen. Unten links: Mitdem deutschen Eisbrecher „Polarstern `; hier vor der Station „ Ge-org von Neumayer ; wurden zahlreiche Expeditionen in die Po-

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larzonen unternommen. Unten rechts: 1981 errichtete die BRDit die Forschungsstation „ Georg von Neumayer "und schuf damit die

Voraussetzung zur Aufnahme in die Konsultativrunde der An-tarktisvertragsstaaten. Das Foto zeigt die Station im Jahr 1989.

Anfang der 1990er Jahre mußte sie aufgrund von Eisbewegungund Schneelast aufgegeben werden, zehn Kilometer vom ur-sprünglichen Standort entfernt wurde sie im März 1992 wieder-errichtet.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

gewidmeten Schrift Kartographische Arbeiten unddeutsche Namengebung in Neuschwabenland, Ant-arktis von Karsten Brunk wird zunächst einÜberblick über die bisherigen kartographischenArbeiten sowie die deutsche und ausländischeNamengebung in Neu-Schwabenland gegeben.Sodann geht es um die kartographische Erfas-sung des unter Alfred Ritscher erstmals erkun-deten Gebietes und um die Rekonstruktion derFlugwege seiner Expedition. Schließlich wird ei-ne Neubearbeitung des deutschen Namengutesin Neu-Schwabenland vorgenommen.

Dem Textteil ist ein Fototeil angefügt, in demerstmals insgesamt 100 Schrägluftbilder abge-druckt sind, die zwischen dem 21. und 31. Janu-ar 1939 von den beiden Flugbooten „Passat” und„Boreas” aus über dem westlichen und mittlerenNeu-Schwabenland gemacht worden sind. In ei-nem ausführlichen Anhang schließlich wird eineListe der Namenversionen gegeben, die einenhistorischen Überblick über die Entwicklung derDaten des deutschsprachigen Namengutes er-möglicht. Dabei werden Angaben gemacht zuHöhe, Zweitnamen, Begründung und Datumder Entdeckung bzw. Namenvergabe.

Die Arbeit geht von der Bestandsaufnahmedes deutschen Namengutes in der Antarktisaus, die vor allem die Erfassung der vor 1945vergebenen Namen zum Gegenstand hatte.Aus den Originalquellen, das heißt den Expe-ditionsberichten und -karten, konnten insge-samt 427 im Zeitraum zwischen 1873 / 74 und1938 /39 vergebene Namen ermittelt werden.Davon entfallen 96 Benennungen auf die Deut-sche Antarktische Expedition 1938 / 39 unter Al-fred Ritscher.

Wie es heißt, seien aufgrund unzureichenderQualität der älteren Antarktiskarten im Laufeder Jahrzehnte Lageverschiebungen und zumTeil auch erhebliche Identifizierungsschwierig-keiten von mit Namen belegten Objekten zuverzeichnen. Dies hätte zur Folge, daß noch inälteren Karten enthaltene Namen in den Neu-ausgaben fehlten. Auch in den mittleren undwestlichen Gegenden von Neu-Schwabenlandwürden solche Identifizierungsprobleme auf-treten, was unter anderem in den bisher durch-geführten Korrekturversuchen der Expediti-onskarte von 1939 bzw. 1942 zum Ausdruckkomme. Mangels von Identifizierungshilfenseien diese Versuche recht unbefriedigend aus-gefallen, was schließlich zu dem fast völligenFehlen der deutschen Namen in den aktuellennorwegischen Übersichtskarten dieser Gebietegeführt habe.

So sei auch die durch die Auswertung der fo-togrammetrischen Vermessungsflüge entstande-ne Expeditionskarte - „Neu-Schwabenland 1 :

1.500.000” - der Ritscher-Expedition mit vielenFehlern behaftet. Dies hing mit den Navigations-schwierigkeiten, dem Versagen von Funkpeilun-gen in größerer Entfernung von dem Flugzeug-stützpunktschiff „Schwabenland” und dem häu-figen Ausfall der Geschwindigkeits- und Höhen-messer zusammen, aber auch damit, daß dieWindabdrift nur geschätzt werden konnte. Zuberücksichtigen ist außerdem, daß den Karto-graphen zur Auswertung der Luftbilder und zurHerstellung einer mehrfarbigen Expeditionskar-te im Zeitraum Mai / Juni 1939 nur sechs Wochenzur Verfügung standen. Zur Aufdeckung derFehler war nunmehr die Rekonstruktion derFlugwege, aber auch die Kenntnis des entspre-chenden Luftbildmaterials unabdingbar.

Im Dezember 1982 tauchten über 600 Papier-kontaktabzüge der seit Kriegsende verschollengeltenden insgesamt 11.600 Schrägluftbilderauf. Mit Hilfe dieser, nahezu alle eisfreien Teileund große Bereiche der Schelfeisfront zeigen-den Aufnahmen konnte die Arbeit beginnen.Nicht zuletzt anhand der Beschriftung auf eini-gen der Luftbilder war es möglich, die Flugwe-ge nachzuvollziehen und die richtigen Bezie-hungen zwischen den Flugpolygonen und denaufgenommenen Objekten in der alten und inden neuen Karten herzustellen. So konnten diemeisten mit deutschen Namen belegten Objek-te in den neueren norwegischen Übersichtskar-ten identifiziert sowie die aktuellen Koordina-ten bestimmt werden.

Was ergibt sich hieraus nun für die Namen-situation im Gebiet Neu-Schwabenland heute?Die im August 1939 erschienene „Übersichtsta-fel von dem Arbeitsgebiet der Deutschen Ant-arktischen Expedition 1938-39. Neu Schwaben-land 1 : 5.000.000” war zugleich auch die ersteVeröffentlichung von 66 deutschen Benennun-gen für in der Karte dargestellte geographischeObjekte. Diese waren von Alfred Ritscher be-reits auf der Rückreise der Expedition aufgeli-stet worden. Im Hinblick auf die Verwendungin der Übersichtstafel wurden die Vorschlägedem Beauftragten für die Antarktisexpedition,Staatsrat Helmut Wohlthat, zur Bestätigungvorgelegt und von diesem bestätigt. Die zweiteAusgabe der Karte von 1942 enthält neben eini-gen geänderten Höhenwerten noch zwei weite-re Namen. Zudem weist Ritscher als Herausge-ber auf mögliche Lageänderungen im „östli-chen Teil der Gebirgskette” hin, was späterdurch die fotogrammetrische Auswertung derauf dem siebten Fotoflug gemachten Reihen-bildaufnahmen bestätigt werden konnte. Er-gebnisse, die in Folgeveröffentlichungen zu-nächst unberücksichtigt blieben, da sie sichstets auf die unkorrigierte Erstauflage stützten.

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DIE BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND UND DIE ANTARKTIS

Deutscherseits vorgenommene Nachkriegs-korrekturen, die unter anderem von Ritscherbearbeitet wurden, beschränkten sich aufgrundnicht verfügbarer Luftbilder auf Teilgebiete. ImAugust 1950 konnte der damalige Expeditions-leiter auf der Geodätischen Woche in Köln so-wie im Juni 1951 auf der Jubiläumstagung desArchivs für Polarforschung in Kiel eine überar-beitete Fassung präsentieren. Diese Überarbei-tung war insofern von Bedeutung, als sie dieGrundlage für die von Ritscher 1952 zusam-mengestellten geographischen Positionen bil-dete, eine Liste, die schließlich im Bundesanzei-ger vom 5. August 1952 „amtlich bestätigt”wurde. In dieser schon am 12. Juli erfolgten„Bekanntmachung über die Bestätigung der beider Entdeckung von ,Neu-Schwabenland' imAtlantischen Sektor der Antarktis durch dieDeutsche Antarktische Expedition 1938 / 39 er-folgten Benennungen geographischer Begriffe”sind außerdem Begründungen für die vergebe-nen Namen, 84 an der Zahl, zu finden.

Die Folgejahre bringen ständig Neubearbei-tungen auch von Einzelregionen, wie desWohlthatmassivs oder der Küstengebiete, unddie Einfügung von Neu-Schwabenland in eineArbeitskarte der gesamten Antarktis; die deut-schen Vorlagen wurden im wesentlichen un-verändert übernommen. Hin und wieder wur-den, neuen Erkenntnissen zufolge, leichte Ver-schiebungen, Maßstabsverkleinerungen undDrehungen vorgenommen. Aufgrund verschie-dener nach wie vor bestehender Unsicherheitender Identifizierung blieb die Zuordnung einigerdeutscher Namen unsicher.

Ab 1954 erschien die von H. P. Kosack bear-beitete „Karte der Antarktis, 1 : 4.000.000” invier Blättern, die den Stand von 1953 wieder-gibt. Diese Fassung beinhaltete ebenfalls wie-der Änderungen bei der Zuordnung der deut-schen Namen zu den dargestellten geographi-schen Objekten vor allem im Gebiet zwischenRitscherhochland und Wohlthatmassiv, wenn-gleich die in den Übersichtskarten der Expedi-tion von 1938 / 39 selbst enthaltenen Mängelauch hier wieder nicht bereinigt wurden.

Diese Antarktiskarte stellt die letzte deutscheBearbeitung einer Karte im Gebiet von Neu-Schwabenland mit dem nahezu vollständigendeutschen Namengut dar. Lediglich 1957 er-schien noch eine verkleinerte Ausgabe im Maß-stab 1 : 7.500.000 mit Stand vom Mai 1956, imBereich Neu-Schwabenland sind hier jedochkeine Änderungen mehr erfolgt.

So also die - deutscherseits bisher nicht revi-dierte - kartographische Situation der deut-schen geographischen Namen im Bereich Neu-Schwabenland in der Antarktis. Aber auch an-

dere Nationen haben später geographischenObjekten in diesem von den Deutschen erkun-deten Gebiet Bezeichnungen gegeben. Von ei-niger Bedeutung ist in diesem Zusammenhangdie Tatsache, daß das amerikanische Namen-buch für die Antarktis noch bis zu seiner 2.,überarbeiteten Ausgabe mit Stand vom Januar1956 die für Neu-Schwabenland existierendengeographischen Namen den bis dahin erschie-nenen deutschen Karten entnahm. Gegenüberder 1. Ausgabe vom Mai 1947 waren allerdingsmehrere deutsche Namen im westlichen Neu-Schwabenland gestrichen worden, weil diesenicht mit den neueren Kartierungen der nor-wegisch-britisch-schwedischen Antarktisexpe-dition 1949-52 übereinstimmten. Ab der 3. Aus-gabe (Juni 1969) sind fast ausschließlich norwe-gische Benennungen verzeichnet.

Ihren kartographischen Niederschlag fandendiese Namensentscheidungen in den verschie-denen Ausgaben von Antarktiskarten derAmerican Geographical Society (AGS) „Antarc-tica 1 : 5.000.000”. Während die Karte von 1962noch die gleiche Situation zeigt wie die Über-sicht von Kosack von 1954, das heißt auch dieentsprechenden deutschen Namen in diesemGebiet übernimmt, fehlen in einem weiterenKartenwerk der AGS von 1962 im Maßstab 1:3.000.000 sowie in der nächsten Ausgabe der„Antarctica” von 1965 im westlichen Teil vonNeu-Schwabenland die deutschen Namen.Statt dessen wurden die norwegischen Namenberücksichtigt. Ahnlich gestaltete sich die Si-tuation in der Folgezeit auch bezüglich des Be-reiches des Mühlig-Hofmann-Gebirges und deröstlich bis zum Wohlthatmassiv anschließen-den Gebirge, der 1958 /59 von den Norwegernim Luftbild festgehalten wurde.

Die unterlassene Übernahme der deutschenNamen in die norwegische Kartenserie „Dron-ning Maud Land” hängt mit den schon ge-nannten Identifizierungsschwierigkeiten zu-sammen. Die des Wohlthatmassivs und des Ge-bietes bis zum Ostrand des Mühlig-Hofmann-Gebirges sind jedoch fast lückenlos übernom-men worden. In diesem Gebirge selbst wie auchim Westteil Neu-Schwabenlands hat man deut-sche Namen jedoch kaum benutzt. Allerdingskommen Ubersetzungen vor. Beispielsweisewird ein Teil der Seilkopf berge in den norwegi-schen Karten als „Seilkopffjella” bezeichnet.

Größere Bemühungen bei der Verwendungder deutschen Namen in Neu-Schwabenlandsind interessanterweise im sowjetischen Karten-werk zu erkennen. Mehrere Karten sind auf Be-fliegungen des Wohlthatmassivs und Umge-bung im Südsommer 1959 / 60 sowie ein Jahrdarauf im östlichen und mittleren Neu-Schwa-

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r.

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benland hin entstanden. In einigen, zwischen1966 und 1972 erschienen russischen Karten sinddie deutschen Namen fast vollständig berück-sichtigt worden. Allerdings erscheint in man-chen Fällen die richtige Zuordnung fraglich.

Weitere Karten, die das deutschen Namengutin Neu-Schwabenland weitgehend berücksichti-gen, waren die 1957 veröffentlichte Karte „Ant-arctica 1 : 7.000.000” des National Geographic Ma-gazine und die Karte „Antarctique 1 : 5.000.000”des Institut Geographique National von 1969.

Mit dem Erscheinen des sowjetischen undnorwegischen Kartenmaterials lag gegen Endeder 1960er Jahre das heute gültige KartenbildNeu-Schwabenlands fast vollständig vor. Teilsdifferierende Bezeichnungen zwischen russi-schen und norwegischen Karten konnten aller-dings nicht ausgeschlossen werden. Am stärk-sten durchgesetzt haben sich mittlerweile dienorwegischen Benennungen, was stark mit derOrientierung an der 3. Ausgabe des amerikani-schen Namenbuches für die Antarktis von 1969zusammenhängt. Die 4. Ausgabe von 1981 be-stätigt diese Namenentscheidungen noch ein-mal, die schließlich so beibehalten wurden.

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Die neue deutsche Antarktisforschung

Spät, doch nicht zu spät, erkannte die Bundes-regierung die Wichtigkeit, sich an der Erfor-schung der Antarktis aktiv zu beteiligen undsich den Antarktisvertragspartnern anzu-schließen, um bei einer späteren Rohstoffnut-zung in der Antarktis ein entscheidendes Wortmitreden zu können. Der deutsche Wiederein-stieg in die Antarktisforschung vollzog sich inmehreren Etappen.

Bereits 1975 schickte die BundesrepublikDeutschland ihre erste Krill-Forschungsexpedi-tion unter Beteiligung der Bundesforschungs-anstalt für Fischerei und des Instituts für Mee-reskunde der Universität Kiel in die Antarktis.Im Winter 1977 / 78 folgte die zweite Expeditionin Sachen Krill, gleichzeitig führte die Bundes-anstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe(BGR) seegeophysikalische Forschungsarbeitenim südlichen Weddelmeer durch.

Währenddessen beschloß die Bundesregie-rung am 18. Januar 1978 den deutschen Beitrittzum Antarktisvertrag. Im Mai 1978 wurde dieDeutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), diefür die Polarforschung eine Kommission gebil-det hatte, in das Scientific Committee an Antar-tic Research (SCAR, Internationales Komitee fürAntarktisforschung), ein Gremium von wissen-schaftlichen Beratern für die Vertragsgemein-schaft, aufgenommen. Im Oktober 1978 strebte

die Bundesrepublik Deutschland den Konsulta-tivstatus an, der die internationale Zusammen-arbeit in der Südpolarregion regelt. Mit diesenEntscheidungen stellte die Bundesregierung dieWeichen für die neue deutsche Antarktisfor-schung, um bei der Erforschung des sechstenKontinents aktiv mitwirken zu können.

Am 5. Februar 1979 schließlich wurde dieBundesrepublik Deutschland einfaches Mit-glied des Antarktisvertrags, der Beschluß zurAufnahme Deutschlands in die Konsultativ-runde der Antarktisvertragsstaaten erfolgteeinstimmig am 3. März 1981.

Die Bundesregierung war sich von vornher-ein bewußt, daß die Antarktisforschung ein teu-res Unternehmen werden würde, nicht nur we-gen der riesigen Entfernung von 14.000 Kilo-metern. Daß die Bundesregierung trotz knap-per Staatsfinanzen die Aktivierung der Antark-tisforschung einleitete, hat mehrere gute Grün-de: Zum einen ist Deutschland ein rohstoffar-mes Land und darauf angewiesen, an eventuellvorkommenden antarktischen Ressourcen zupartizipieren. Zum anderen ist Deutschland ei-ne traditionsreiche Wissenschafts- und Kultur-nation und hat naturgemäß ein ausgeprägtesInteresse an der Erforschung eines noch weit-gehend unerschlossenen Kontinents oder Oze-ans. Nicht zuletzt blickt Deutschland hinsicht-lich der Antarktisforschung auf eine eigene Tra-dition zurück, hat also auch ein historisch be-gründetes Interesse und will daher an eigeneErfahrungen anknüpfen.

Mit der Aufnahme in die Konsultativrundegehört die Bundesrepublik Deutschland zu denStaaten, die im Gegensatz zu den „einfachen”Mitgliedsländern das Antarktisregime verant-wortlich gestalten können. Dafür hat die Bun-desrepublik Deutschland die Verpflichtungübernommen, eine kontinuierliche Forschungs-tätigkeit in der Antarktis vorzunehmen, insbe-sondere eine eigene ganzjährig besetzte For-schungsstation als Basis wissenschaftlicher Ar-beit aufzubauen und zu betreiben.

Am 12. Dezember 1979 verabschiedete dieBundesregierung ein Antarktisprogramm, dasden Verpflichtungen aus dem Antarktisvertragentsprach. Neben dem Aufbau einer Winter-und Sommerstation und dem Bau eines Polar-forschungs- und Versorgungsschiffes wurde dieGründung eines Polarforschungsinstituts in derBundesrepublik vorgesehen. Für die Realisie-rung des Programms bis 1983 wurden rund 300Millionen DM bereitgestellt. An der Programm-erarbeitung waren nicht nur die zuständigenBundesministerien, sondern darüber hinausauch Bundesforschungsanstalten, Universitäts-institute, Institute der Max-Planck-Gesellschaft

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sowie der Industrie beteiligt, zwischenzeitlicherklärten mehr als 200 deutsche Wissenschaftlerihr Interesse an der Antarktisforschung.

Vom Unternehmen „Eiswarte” bis zumForschungsschiff „Polarstern”

Die Realisierung der Planungen für die neuedeutsche Antarktisforschung machte zügigFortschritte. Im antarktischen Sommer 1979 / 80lief unter Leitung des Geophysikers HeinzKohnen das Schiff „Polarsirkel” in die Antark-tis mit dem Auftrag, einen geeigneten Standortfür die erste deutsche Antarktisstation zu er-kunden, deren Errichtung als eine der Bedin-gungen für die Unterzeichnung des Antarktis-vertrags galt. Man entschied sich zunächst füreinen Standort im Filchner-Schelfeis. Als dieBaumannschaft des ebenfalls von Heinz Koh-nen geleiteten Unternehmens „Eiswarte”1980 / 81 diesen Standort wegen ungünstigerEisverhältnisse jedoch nicht erreichen konnte,wich man zu einem Ersatzstandort im Ekström-Schelfeis aus. Hier wurde am 3. März 1981 diedeutsche „Georg von Neumayer"-Station alswissenschaftliches Observatorium für Geophy-sik, Meteorologie und Luftchemie sowie als lo-gistische Basis für Sommerexpeditionen einge-weiht. Der Namensgeber der Station, Georgvon Neumayer (1826-1909), war ein bedeuten-der Förderer der Polarforschung.

Im Juli 1980 erteilte die Bundesregierung denBauauftrag für das eisbrechende Polarfor-schungsschiff „Polarstern”, das bei den Ho-waldtswerken-Deutsche Werft in Kiel und beider Werft Nobiskrug in Rendsburg gebaut undam 9. Dezember 1982 in Bremerhaven vom da-maligen Forschungsminister Dr. Heinz Riesen-huber seiner Bestimmung übergeben wurde.Entworfen nach Versuchen in den Eistanks derHamburger Schiffsbau-Versuchsanstalt, gebautauf den Howaldtswerken-Deutsche Werft undausgestattet auf der Werft Nobiskrug, galt esbei seiner Indienststellung als das modernstePolarforschungsschiff der Welt. Von diesem Rufhat das Schiff bis heute nichts eingebüßt, nachdem es in den letzten Jahren grundlegendeUberholungsarbeiten erlebt hat: Seit seiner In-dienststellung hat „Polarstern” bis Dezember2002 insgesamt 37 Expeditionen abgeschlossen,19 in die Antarktis, 18 in die Arktis. Bis zum 7.September 2002 hat das Forschungsschiff eineMillion Seemeilen zurückgelegt.

Der Bau des 118 Meter langen und 25 Meterbreiten Schiffes, das einen Tiefgang von 11,21Meter hat und eine Höchstgeschwindigkeit von16 Knoten erreicht, kostete 100 Millionen Euro,

die Betriebskosten pro Tag betragen 33.500 Eu-ro. Das Schiff hat maximal 44 Besatzungsmit-glieder und kann bis zu 70 Wissenschaftler anBord nehmen. Seit der Indienststellung haben6.700 Wissenschaftler aus 35 Nationen an Expe-ditionen mit „Polarstern” teilgenommen.

Eines der herausragenden Ereignisse des Jah-res 1980 war zweifellos die Errichtung des Al-fred-Wegener-Instituts für Polar- und Meeres-forschung (AWI), das sich als „nationale Kon-taktstelle für Anfragen zu Aktivitäten, wissen-schaftlichen Beobachtungen und Ergebnissenin der Antarktis” versteht. Es ist eine Stiftungdes öffentlichen Rechts und wurde benanntnach dem Geophysiker und Polarforscher Al-fred Wegener (1880-1930). Die Stiftung AWIhatte 1998 einen Etat von mehr als 135 Millio-nen DM und beschäftigte 680 Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter.

Anfang der 90er Jahre zwangen Eisbewegungund Schneelast zu einem Neubau der For-schungsstation „Georg von Neumayer”. ImMärz 1992 wurde, etwa zehn Kilometer vomursprünglichen Standort entfernt, die neue Sta-tion fertiggestellt. Das Forschungs- und Meß-programm der Station wurde seitdem ständigerweitert und schließt auch die Erfassung desatmosphärischen Ozons mit ein.

Am 9. Januar 1999 lief die „Polarstern” mit 43Besatzungsmitgliedern und 43 Wissenschaft-lern von Kapstadt zur 16. Antarktisexpeditionaus. Neben verschiedenen Forschungspro-grammen hatte diese Reise das Ziel, die auf ei-nem Eisberg driftende deutsche Filchner-Stati-on zu bergen. Im Oktober 1998 war vom Filch-ner-Schelfeis die Eisinsel A-38 abgebrochen, dieschnell in mehrere Teile, darunter die EisbergeA-38A und A-38B, zerfiel. Auf dem 2.980 Qua-dratkilometer großen Eisberg A-38B befandsich die Filchner-Sommerstation des Alfred-Wegener-Instituts, sie mußte abgebaut und mitder „Polarstern” abtransportiert werden.

Die Arbeiten gestalteten sich schwierig. Erstam 7. Februar 1999 konnten die ersten 20 Ton-nen Material von der „Polarstern” übernom-men werden. Am 11. Februar war die Beladungder „Polarstern” mit 120 Tonnen Stationsmate-rial und 50 Tonnen Transportgerät abgeschlos-sen. Von der Filchner-Station blieb nur noch dieim Schnee versunkene Unterkonstruktion ausStahl zurück.

Die Antarktisforschung der BundesrepublikDeutschland genießt heute ein hohes internatio-nales Ansehen, das allerdings nicht für umsonsterworben wurde. Nach Auskunft des Bundes-ministeriums für Bildung und Forschung belie-fen sich die Gesamtkosten allein in den Jahren1994 bis 2003 auf 590 Millionen Euro.

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tionsverbreitung durch das Internet Vorschub.Doch blieb alles, was auf den dortigen Seitenverbreitet wird, bisher unwidersprochen. Dieheute für die Antarktisforschung zuständigenwissenschaftlichen Institute wie auch die fürdie Finanzierung der Polarforschung zuständi-gen Ministerien sehen sich zu Stellungnahmengegen die im Internet verbreiteten Informatio-nen bisher nicht veranlaßt. Nach Gründen hier-für sucht man vergebens.

Welche Geschichten, die nie offiziell zu erfah-ren waren, machten über die letzten Jahrzehn-te aber hinter vorgehaltener Hand allmählichdie Runde? Eine der Legenden, die sich um dasdeutsche Land in der Antarktis rankt, berührtdie Frage, ob M / S „Schwabenland” Baumateri-al nach Neu-Schwabenland gebracht habenkönnte. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt,sollen die beiden „Soldaten” Heinz Siewert undRichard Wehrend, beide Teilnehmer der Deut-schen Antarktischen Expedition 1938 /39, be-richtet haben, daß sie auch noch nach Beendi-gung der Expedition, und zwar ab Frühjahr1939, weiterhin auf der „Schwabenland” ge-dient hätten. Ihr Schiff sei im vierteljährigenRhythmus zwischen dem Heimathafen Ham-burg und Neu-Schwabenland pausenlos hinund her gependelt, um Ausrüstungsgegenstän-de und ganze Bergbaueinrichtungen in die Ant-arktis zu befördern. Dazu hätten auch Gleisan-lagen und Loren und sogar eine riesige Fräsegehört, um Tunnelsysteme in das Eis bohren zukönnen.

Heinz Siewert - ein Soldat? In zeitgenössi-schen Publikationen wird er als Ingenieur-Assi-stent auf der „Schwabenland” bezeichnet, ergehörte der Handelsmarinebesatzung an, seinArbeitgeber war der Norddeutsche Lloyd inBremen. Und Richard Wehrend? Für ihn trifftim Grunde dasselbe zu, auch er gehörte zurNDL-Handelsschiffsbesatzung und war anBord als 1. Zimmermann tätig.

Sowohl dem Schiffseigner, der DeutschenLufthansa, als auch der für die Personalgestel-lung zuständigen Reederei, dem Norddeut-schen Lloyd Bremen, zufolge war M / S „Schwa-benland” nach seiner Rückkehr von der Ant-arktisexpedition dringend überholungsbedürf-tig, und das Schiff hat bis zum Kriegsbeginnkeine Fahrten mehr durchgeführt.

Wäre die „Schwabenland” als Transportschifffür Baumaterial nutzbar gewesen? Bezüglichdieser Frage erklärt der ExpeditionsteilnehmerSiegfried Sauter: "M/S ,Schwabenland' war einalter Kasten und nach dem Umbau zum Kata-pultschiff der Lufthansa für Materialtransportevöllig ungeeignet. Auf dem Achterschiff befandsich die Katapultanlage, die mehr als zwei Drit-

tel des Decks einnahm. An Oberdeck war keinStauraum vorhanden, auch nicht unter Deck.Die Fahrzeit von Hamburg nach Neu-Schwa-benland betrug im antarktischen Winter (Märzbis Oktober) etwa fünf bis sechs Wochen, einAnlegen des Schiffes an der Eiskante und Aus-laden von Fracht war völlig unmöglich. MeinesWissens hat die ,Schwabenland' nach Rückkehrvon der Antarktisexpedition Hamburg bisKriegsbeginn nicht mehr verlassen! " 60

Und während des Krieges? Mit welchen Auf-gaben wurde das Schiff nach der Expeditiontatsächlich noch betraut?

Es ist zu vermuten, daß Alfred Kottas, derweiterhin als Kapitän auf der „Schwabenland”diente, zusätzliche Törns nach Neu-Schwaben-land wohl abgelehnt hätte, zumal im antarkti-schen Winter (April bis Oktober) und mit einemüberholungsbedürftigen Schiff. Die DeutscheLufthansa, nach wie vor Eigentümer des Schif-fes, würde den Einwänden stattgegeben haben.Und schließlich: Hatte die vorausgegangeneExpedition nicht gezeigt, daß es in Neu-Schwa-benland gar keine Möglichkeit gab, mit einemgroßen Schiff anzulegen und Ausrüstungsge-genstände, Bergbaueinrichtungen oder sogareine „riesige Fräse” an Land zu bringen?

Aber Kottas mußte eine solche fiktive Ableh-nung gar nicht vornehmen, denn die Weiter-verwendung der „Schwabenland” ist lückenlosgeklärt, wie wir im Kapitel „Die /Schwaben-land' im Kriegseinsatz” gesehen haben.

Antarktisstützpunkt 211

In verschiedenen Quellen wird verbreitet,Deutschland habe bereits in den Jahren 1940 / 41weitere geheime Expeditionen in die Antarktisunternommen. Als Anlegepunkte, so die Ver-mutung, könnten zwei oder drei Markierungs-buchten nordwestlich des Mühlig-Hofmann-Gebirges am Nordrand von Neu-Schwaben-land gedient haben. Diese seien von Expediti-onsleiter Alfred Ritscher 1939 als Anlandebuch-ten markiert worden. 1942 / 43 sei daraufhin mitdem Bau des deutschen Antarktisstützpunkts211 unter dem Eis begonnen worden. Die Ein-richtungen für die Basis habe man mit Hilfevon Transport-U-Booten herangeschafft. Dafürseien deutsche U-Boot-Kommandanten einge-setzt worden, die im Laufe des Krieges bei derVersorgung der Nordstützpunkte ausgezeich-nete Erfahrungen gesammelt hatten. In über 20dokumentierten Unternehmen entlang derArktis habe sich dies gezeigt, wobei deutscheU-Boote zum Teil unter extremen BedingungenPersonen und Material entlang der nördlich-

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sten Forschungsstationen entladen und versor-gen mußten.

Als Bestätigung für den Bau des Antarktis-stützpunktes 211 wird die schon zitierte,Großadmiral Dönitz zugeschriebene Aussageherangezogen: „Die deutsche U-Boot-Flotte iststolz darauf, daß sie für den Führer in einemanderen Teil der Welt ein irdisches Paradies er-richtet hat, eine uneinnehmbare Festung.”

Verfügte die deutsche U-Boot-Waffe über-haupt über besondere Transport-U-Boote? Oderwaren die im Zweiten Weltkrieg eingesetztendeutschen U-Boote selbst zum Transport vonBaumaterial zum Bunkerbau geeignet? Die offi-zielle Quellenlage sagt: nein! Weshalb wohlauch kein einziges deutsches U-Boot Baumate-rial in die Antarktis gebracht haben und in Neu-Schwabenland angelandet sein kann.

Auf die Frage, ob es theoretisch überhauptmöglich gewesen wäre, in Neu-Schwabenlandunter dem Eis U-Boot-Bunker zu bauen, meintder Expeditionsteilnehmer Siegfried Sauter: „Esist unmöglich, Bunker unter dem Eis zu bauen,auch keine U-Boot-Bunker. Das Material müß-te mit Schiffen nach Neu-Schwabenland ge-bracht worden sein. Mit normalen Frachtschif-fen ohne Spezialausrüstung war dies über-haupt nicht möglich, es wären Eisbrecher not-wendig gewesen. Die Schiffe stoßen zunächstauf Schelfeis, dann auf Randeis, das bis zu 100Meter hoch ist, oft noch höher. Das Eis schiebtsich im antarktischen Winter nach außen undbricht dann nach einiger Zeit ab. Einen Bunkerin das Eis oder unter das Eis zu bauen, ist tech-nisch unmöglich, denn das Eis bewegt sich undtreibt nach außen. U-Boote könnten da über-haupt nicht hineinfahren! " 61 Die Faktenlagescheint also auch hier eindeutig.

Zudem scheint fraglich, ob ein Mensch reinpsychisch imstande wäre, dauerhaft ohne seinenatürliche Umwelt zu überleben, etwa ohneSonnenlicht auszukommen, von der Frage derVersorgung mit Lebensmitteln noch gar nichtzu reden. Wie steht es also um die führende Na-tionalsozialisten, Politiker, Militärs, Wissen-schaftler, die in hervorragend organisierten Ab-setzbewegungen während und nach dem Kriegnebst ihren Familien in großer Zahl in diverseRückzugsgebiete verbracht worden sein sollen?

Ein Telegramm Martin Bormanns vom 22.April 1945, das in seinem Büro im Führerbun-ker gefunden wurde und seine Unterschrifttrug, könnte Aufschluß geben. Es lautete:„Stimme dem Vorschlag einer Absetzung in diesüdliche Zone über den Ozean zu.” Damit kannsowohl Neu-Schwabenland als auch Südameri-ka gemeint gewesen sein. Angeblich soll es derReichsregierung noch vor 1939 gelungen sein,

in Argentinien, Chile, Paraguay und Uruguaybedeutende Ländereien zu erwerben, und bisheute sollen sich in Argentinien Flächen vonder Größe Bayerns in deutschem Eigentum be-finden. Auch hatte der argentinische PräsidentJuan Domingo Peron während des Krieges In-teresse am Erwerb deutscher Technologie be-kundet.

Wie wahrscheinlich ist also eine unterirdischeBasis in der Antarktis? Eine entsprechende Hy-pothese war übrigens interessanterweise erst-mals von dem chilenischen Schriftsteller undPhilosophen Miguel Serrano, der als Begründerdes „esoterischen Hitlerismus” gilt, aufgestelltund in Umlauf gebracht worden. Ihm ging esvor allem um eine Mystifizierung der PersonAdolf Hitlers, in dem er die Inkarnation schick-salhafter Mächte sah. Doch vielleicht lenkte Ser-rano, der 1947/48 selbst die Antarktis bereisthatte, mit seiner These um die Absetzungreichsdeutscher Prominenter auch bewußt vomwirklichen Standort der „uneinnehmbaren Fe-stung” ab? Dann wäre „Antarktisstützpunkt211” nur ein halbes Ammenmärchen.

Warmwasser-Tiefseestraße

Verschiedenen Quellen zufolge hatten diewährend der Deutschen Antarktischen Expediti-on 1938 / 39 von M/S „Schwabenland” vorge-nommenen Echolotmessungen sowie umfang-reiche Forschungen mit U-Booten ergeben, daßein unterseeischer Graben von Neu-Schwaben-land bis zum gegenüberliegenden Rand desKontinents verläuft. Man habe damals heraus-gefunden, daß der Graben vulkanischen Ur-sprungs sei. Als die deutschen Forscher ihmfolgten, sollen sie warme Seen, Höhlen, Glet-scherspalten und Eistunnel entdeckt haben. Ananderer Stelle heißt es, im Rahmen der Material-transporte nach Neu-Schwabenland sei eine U-Boot-fähige Warmwasser-Tiefseestraße entdecktworden, die sich hervorragend benutzen ließ.

Nicht uninteressant in diesem Zusammen-hang ist die Tatsache, daß der deutsche For-scher Wilhelm Filchner 1911 vor der Fragestand, ob es sich beim Weddellmeer um eineBucht wie die Walbucht des Rossmeeres, auchRossbucht, handelt oder ob beide Buchtennichts weiter seien als die Enden eines riesigenKanals, eines Meeresarms, der die Antarktis inzwei Hälften teilt. Könnte man diesen eisbe-deckten Meeresarm in günstigen Monaten viel-leicht sogar befahren?

Ein Problem, auf das übrigens auch AdmiralRichard Byrd während der von ihm geleiteten„Operation-Highjump” 1946 / 47 stieß, es aber

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in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeitnicht lösen konnte. Auf zahlreichen Flügen vonder Basisstation „Little America” aus wurdeversucht, hinter das Geheimnis der großenBergkette zu kommen, die quer zwischen Ross-und Weddellmeer verläuft und an einer signifi-kanten Stelle eine Aussparung - eine Art „Sat-tel” - aufweist: eine Ebene, über die Byrd sin-nierte, ob es sich um eine Schelfeisfläche oderum schneebedeckte Landmasse handelte. Auf-grund seiner Beobachtungen schloß auch Byrdnicht aus, daß sich am Fuße der Welt statt einesKontinents zwei befinden könnten.

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Was also ist dran an der Vermutung, daß querunter dem antarktischen Kontinent eine Warm-wasser-Tiefseestraße verläuft? Wie oft im Lebenhaben unglaubliche Geschichten manchmal einKörnchen Wahrheit. Und so gibt es tatsächlichin der Antarktis warme Quellen, allerdings aufder Neu-Schwabenland gegenüberliegendenSeite, mehrere tausend Kilometer weit entfernt.

Deutsche U-Boote verschwunden

Gelegentlich ist davon die Rede, bei Kriegsende1945 seien deutsche Unterseeboote verschwun-den: Über 100 bis heute vermißte reichsdeut-sche U-Boote - gegen Kriegsende sollen sie sichnach Südamerika, in die Antarktis, aber auchnach Nordamerika und in die Arktis abgesetzthaben. Sie seien mit dem sogenannten Walter-Schnorchel, einem Hochleistungsschnorchel fürUnterseefahrten, ausgerüstet gewesen, der esihnen technisch möglichte, praktisch die ganzeStrecke über zu tauchen und somit unerkanntzu bleiben.

Die statistischen Angaben über den Einsatzder deutschen U-Boote im Zweiten Weltkrieg le-gen die Vermutung nahe, daß eine größere An-zahl vor der Kapitulation entkommen seinkönnte. Daß die Geschichte der deutschenKriegsmarine zur Zeit des Zweiten Weltkriegesheute zu den am besten dokumentierten Gebie-ten der Militärgeschichte gehört, ist das Ver-dienst von Karl Dönitz. Zu Ende des ZweitenWeltkrieges gab der Großadmiral, in der festenÜberzeugung, die deutsche Marine habe ehren-voll gekämpft und nichts zu verbergen, den Be-fehl, keinerlei Kriegstagebücher, weder der See-kriegsleitung noch der U-Boot-Führung, zu ver-nichten. Nur diesem Befehl ist es zu verdanken,daß heute alle Tagebücher der Marine den histo-rischen Forschungen zur Verfügung stehen.

Daß man hierzulande noch nicht so viel übereine Flucht reichsdeutscher U-Boot-Besatzungenwährend und nach dem Krieg gehört hat, könn-te wiederum damit zusammenhängen, daß fast

alle Unterlagen sämtlicher Kommandobehör-den, Stäbe, Flottillen und U-Boote nach demZweiten Weltkrieg in die Hände der Alliierten,vor allem an Großbritannien, fielen und sichzum größten Teil noch immer dort befinden.

Doch auch ohne Kenntnis dieser Unterlagenscheint gewiß, daß mehr als 100 deutsche U-Boote zwar offiziell ausliefen, aber nirgendwoankamen. Sie wurden weder als versenkt nochals in Feindeshand gefallen gemeldet. In keinerdiesbezüglichen Statistik tauchen sie auf, siebleiben wie vom Ozean verschluckt. Das gleichebetrifft eine große Anzahl anerkannter Ingeni-eure, Wissenschaftler, Mediziner und Technikerdes Dritten Reiches, die kaum alle den Alliiertenin die Hände gefallen und dort auf Nimmer-wiedersehen verschwunden sein dürften.

Ist der Inhalt der folgenden Internet-Meldungein reines Phantasieprodukt? Ihr zufolge heißtes, ein letzter Konvoi von U-Booten mit Mate-rial und Blaupausen habe Ende April 1945deutsche Häfen mit Bestimmungsziel Antarktisund/oder Andenstützpunkt verlassen. Unterihnen seien auch die U-Boote U 530 und U 977gewesen, die am 26. April 1945 vollbeladen ausder Kieler Förde ausgelaufen seien. Dies sei derletzte Versuch gewesen, sich dem Zugriff derAlliierten zu entziehen. Dem Konvoi soll im At-lantik mit seinen Groß-U-Booten ein bis heuteverschwiegener Seesieg über alliierte Seestreit-kräfte gelungen sein.

Weiter heißt es, daß einzelne U-Boot-Besat-zungen, die nicht im „Antarktisstützpunkt 211”bleiben wollten oder aus verschiedenen Grün-den nicht aufgenommen werden konnten, nachBeendigung ihrer Mission nach Südamerika(Argentinien) weitergezogen seien und dortden argentinischen Behörden ihre völlig leer-geräumten Boote übergeben hätten, darunterauch U 977 unter dem Kommando von HeinzSchaeffer. Zudem wird eine Ubersicht veröf-fentlicht, die die Nummern der über 100 ver-schwundenen deutschen U-Boote auflistet.

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Tatsache ist, daß die deutsche Marine beiKriegsbeginn 1939 über keine Transport-U-Boo-te verfügte. Auch gab es keine U-Boote, die oh-ne Zwischenversorgung bis in die Antarktishätten fahren können. Die größten vorhande-nen U-Boote gehörten zum Typ IX, von denenam 1. September 1939 insgesamt fünf (U 37-U41) einsatzbereit waren. Sie liefen am 20. Au-gust 1939 aus Positionen westlich der Iberi-schen Halbinsel aus und kehrten mit Ausnah-me von U 39, das versenkt wurde, zwischendem 15. und 18. September 1939 zurück.

Wie aber sah es bei Kriegsende aus? Nach offi-ziellen Angaben sind nur zwei U-Boote nach derKapitulation entgegen den gegebenen Befehlen

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., DER SPIEGL”, Donnerstsg. 30. März 1950 33

Der Spiegel Nr. 13/1950 zitiert in seinem Bericht überUFOs die spanische Zeitung Madrid mit den Worten: "Hit-ler ist mit einer Gruppe Wissenschaftler in die Himalaja-Ber-ge entkommen, von wo aus er die fliegenden Untertassen los-

läßt." Die abenteuerlichsten Versionen über den Verbleib des

deutschen Reichskanzlers und sein " letztes Bataillon " kursie-

ren bis heute im Internet und beflügeln auch die Phantasien

bezüglich Neu-Schwabenland.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

nach Argentinien gefahren: Das erste war U 530unter Oberleutnant z.S. Werwuth. Es lief am 10.Juli 1945 in Mar del Plata ein, wurde US-Beute,nach den USA überführt, dort zu Tests verwen-det und am 20. November 1947 per Torpedodurch das US-U-Boot „Toro” etwa 40 Seemeilennordöstlich von Kap Cod versenkt. Das zweitewar U 977 unter Oberleutnant zur See Schaeffer,das am 17. August 1945 in Mar del Plata einlief,am 25. August 1945 zur Überführung in die USAauslief, US-Kriegsbeute wurde und am 13. No-vember 1946 durch Torpedo des US-U-Bootes„Atule” vor Kap Cod versenkt wurde.

Die bereits erwähnte veröffentlichte Liste derverschwundenen U-Boote enthält nur Zwei-mann-U-Boote (U 2111 bis U 2113 und U 2251bis U 2294). Es handelt sich um Zweimann-U-Boote vom Typ „Hecht”, die bei drei KnotenGeschwindigkeit einen Fahrbereich von 45 bis78 Seemeilen hatten. Die Boote U 5034 bis U5037, U 5051 und U 5052 bis U 6300 gehörten al-le zum Typ „Seehund”, ebenfalls einem Zwei-mann-U-Boot-Typ, der bei sieben Knoten einenFahrbereich von 300 Seemeilen hatte.

Es wird kein Zweifel darüber bestehen, daßdiese Boote nie die Antarktis erreicht haben kön-nen. Auch hätten mit ihnen nie deutsche U-Boot-Basen oder sonstige Stützpunkte in der Antark-tis errichtet werden können, weder während desKrieges noch bei oder nach Kriegsende.

Was die Anzahl der vorhandenen deutschenU-Boote am Ende des Zweiten Weltkrieges be-trifft, so liefert die Nachkriegsliteratur durch-aus widersprüchliche Angaben. Michael Salew-ski nennt in seinem dreibändigen Werk Diedeutsche Seekriegsleitung 1935–1945 für Februar1945 eine Zahl von 551 einsatzfähigen U-Boo-ten. Der französische Marinehistoriker LeoncePeillard wiederum kommt in seinem Buch Ge-schichte des U-Boot-Krieges 1939 bis 1945 auf ins-gesamt 404 U-Boote, die im Frühjahr 1945 nocheinsatzfähig waren. Dönitz selbst nennt in sei-nen Erinnerungen Zehn Jahre und zwanzig Tagefür den Zeitraum von 1943 bis 1945 eine Anzahlvon 595 neu produzierten U-Booten. SeinenAngaben zufolge umfaßte die deutsche Marinewährend der Zeit von 1939 bis zum B. Mai 1945insgesamt 1.170 Boote, von denen 863 zumFronteinsatz kamen und eine oder mehrereFeindfahrten unternahmen. Dabei gingen 630Boote verloren. Im Heimatgebiet beliefen sichdie Verluste durch Feindeinwirkung auf 81Boote. Weitere 42 Boote gingen durch Unfälleverloren. Bei der Räumung von Stützpunktensowie zu Ende des Krieges wurden 251 Bootedurch die eigenen Besatzungen gesprengt oderversenkt. Weitere 38 U-Boote wurden währenddes Krieges wegen Überalterung oder nicht

mehr reparabler Schäden außer Dienst gestellt.Insgesamt elf U-Boote dienten in den Streit-kräften fremder Länder oder wurden währenddes Krieges in ausländischen Häfen interniert.Nach der Kapitulation wurden 153 Boote in bri-tische oder andere alliierte Häfen überführt.

Aus diesen verschiedenen, sich teilweise wi-dersprechenden Aussagen läßt sich zumindestableiten, daß es tatsächlich möglich gewesenwäre, U-Boote mit einer geheimen Mission alsverschollen, selbstversenkt oder verunfallt zuführen. Dönitz gibt in seinen eigenen Büchernjedoch keinen einzigen Hinweis auf eine Abset-zung deutscher U-Boote. Dabei ist allerdings zubeachten, daß er seine Bücher nach zehnjährigerHaft unter vollkommen geänderten politischenund gesellschaftlichen Bedingungen verfaßte.

Bleibt also die Frage, ob jemals ein deutschesU-Boot in der Antarktis gewesen ist. Da sich dieAngaben über vorhandene und verschwunde-ne deutsche U-Boote widersprechen, wird siewohl noch offen bleiben müssen. Die doku-mentierten Probleme, die Admiral Byrd mitdem einzigen bei der „Operation Highjump”mitgeführten amerikanischen U-Boot hatte,sprechen eher dagegen.

Hitlers Flucht ins ewige Eis

Mit einem der reichsdeutschen U-Boote, die zwarausgelaufen sind, aber nirgends ankamen, wederversenkt noch irgendwo Beute der Alliiertenwurden, soll dem deutschen Reichskanzler AdolfHitler noch rechtzeitig die Flucht geglückt sein.Diese Geschichte, von der in der Hauptsachezwei Versionen kursieren, klingt zu phantastisch,als daß man ihr ohne weiteres Glauben schenkenkönnte. Schauen wir uns an, wie hier historischeTatsachen mit Mythen verwoben werden.

Die erste Version hebt auf den angeblichenAntarktisstützpunkt 211 ab: Adolf Hitler, vondem allgemein angenommen wird, daß er sicham 30. April 1945 im Führerbunker der Reichs-kanzlei in Berlin zusammen mit seiner Frau,Eva Braun, das Leben genommen hat, soll inWirklichkeit über Italien aus Deutschland ge-flohen sein und dann bis zu seinem Tod in Neu-Schwabenland, in einer unterirdischen Stadt imAntarktisstützpunkt 211, gelebt haben. Nebenseiner kurz zuvor angetraute Ehefrau begleite-ten ihn weitere hochrangige Nationalsozialstenauf der Flucht.

Man ist allerdings verblüfft, daß die Vorberei-tungen für den Bau dieses allerletzten Ver-steckes bereits 1938 /39 mit Hilfe der deutschenAntarktisexpedition begonnen worden sein sol-len. Zu diesem Zeitpunkt war Hitler innenpoli-

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HITLER AM SÜDPOL – „SURFEN” IN NEU-SCHWABENLAND

tisch auf der Höhe seiner Macht. Wenig späterdominierte er auch außenpolitisch fast denganzen europäischen Kontinent militärisch.Wozu hätte er in einer solchen Situation an dieSchaffung eines letzten Fluchtpunktes denkensollen?

Die zweite Version bezieht sich auf die bereitserwähnte geheimnisumwobene Fernfahrt vonU 977 unter dem Kommando von HeinzSchaeffer nach Argentinien. Zur Erinnerung sei-en hier noch einmal in Kürze die wichtigstenFakten wiedergegeben: Am 17. August 1945läuft U 977 nach 66tägiger Unterwasserfahrt inden argentinischen Hafen Mar del Plata ein.Kommandant und Besatzung gelten als Kriegs-gefangene der argentinischen Marine, das U-Boot wird gründlich durchsucht. Wonach suchtman? Nach Indizien, die den Verdacht erhärtenwürden, Hitler sei zusammen mit seiner Frau,Martin Bormann und anderen NS-Größen nachArgentinien geflohen und habe sich von dortnach Neu-Schwabenland abgesetzt.

In sensationellen Pressemeldungen wird tat-sächlich davon ausgegangen, U 977 habe Hitleran Bord gehabt und nach Patagonien gebracht,von wo er weiter nach Neu-Schwabenland ge-flohen sei. Daraufhin erscheint einen Tag spätereine eiligst aus den USA angereiste angloame-rikanische Offiziersdelegation, eine Untersu-chungskommission, die Schaeffer hochnotpein-lich befragt. Ihr Verhör leitet sie mit den Wortenein: „Sie haben Hitler versteckt! Reden Sieschon! Wo steckt er?”

Schaeffer, der fließend Englisch und Franzö-sisch spricht, versucht die Kommission davonzu überzeugen, daß außer der Besatzung keineandere Person an Bord seines U-Bootes gewe-sen sei. Die einzeln verhörten Besatzungsmit-glieder bestätigen dies.

Die Kommissionsmitglieder glauben wederSchaeffer noch seiner U-Boot-Besatzung undlassen alle Mann in die USA bringen. Schaefferlandet in einem Lager für prominente Kriegsge-fangene in Washington, wo die Verhöre fortge-setzt werden. Als auch dies kein anderes Ergeb-nis bringt, schiebt man den Kommandantenvon U 977 nach Deutschland ab, wo ihn dieEngländer in Haft nehmen und weiter verhören- mit demselben Erfolg. Nach seiner Entlassungkehrt der „Hitler-Verstecker” Deutschlandschließlich den Rücken - von seiner Heimat ent-täuscht, wie es heißt - und wandert nach Ar-gentinien aus.

Weshalb gerade wieder nach Argentinien,dorthin, wo er sich, seine Mannschaft und seinU-Boot in die Hände des Feindes gab? WarenHitler und Bormann vielleicht doch nach Süd-amerika gelangt? Hatte es Schaeffer nur ver -

Beispiel aus dem Internet: Angeblicher unterseeischerWarmwassergraben unter dem antarktischen Konti-

nent, der sich als U-Boot-Straße nutzen läßt.

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standen, standhaft zu bleiben? Oder gefielSchaeffer einfach das argentinische Klima gut?

In jedem Fall bleibt die Frage bestehen, wes-halb man sich auf seiten der Sieger noch so lan-ge nach Kriegsende nach dem Verbleib der Per-son Adolf Hitlers interessierte, obwohl seinSelbstmord durch viele Zeugen dokumentiertist? Wenn man bedenkt, daß selbst eine Persön-lichkeit wie General Reinhard Gehlen als Chefdes deuschen Bundesnachrichtendienstes nochJahrzehnte nach Kriegsende Martin Bormannlebend in Südamerika wähnte, dann sollte auchjeder andere das Recht auf uneingeschränkteSpekulationen haben.

Flugscheiben im Endkampf

Wiederum das Internet ist es, das unter ande-rem US-Autoren eine Plattform bietet, zu ver-breiten, die „Antarctica German Base 211” mitder Hauptstadt Neu-Berlin sei die eigentlicheSupermacht der Welt. Von hier aus gäbe es ei-nen regen Pendelverkehr zu ihren Ablegernund Kolonien auf dem „German Moon” sowieanderen Planeten und Planetoiden - und zwarmittels Flugscheiben, den sogenannten UFOs.

Auch hier darf vermutet werden, daß die Ta-buisierung aller Erfindungen und Entdeckun-gen in Deutschland während der Zeit des Drit-ten Reiches die Ursache für Spekulationen die-ser Art ist. Wer kann schon verstehen, daß dieDeutsche Antarktische Expedition 1938 /39 infast jeder populären Darstellung über die Er-forschung der Antarktis fehlt? Als Reaktiondarauf sind mißtrauische Zeitgenossen bereit,jede noch so abenteuerliche Theorie über dieGründe des Totschweigens der Expedition unddes entdeckten Neu-Schwabenland zu glauben.Nicht anders verhält es sich mit dem Thema derFlugscheiben. Vieles spricht dafür, daß zu derbreiten Palette von Fluggeräten, die währenddes Dritten Reiches erfunden und erprobt wur-den - darunter Düsenflugzeuge, Hubschrau-ber, Nur-Flügler, Raketen - auch Flugkreiselgehörten. Zeitzeugen wollen mehrere Testflügeauf dem Gebiet des Reichsprotektorats Böhmenund Mähren gesehen haben. Verschiedenedeutsche Zeitungen und Illustrierte berichtetenin den 50er Jahren darüber.

Und genauso, wie beim Beginn der US-ame-rikanischen und sowjetischen bemanntenRaumfahrt der Offentlichkeit gegenüber ver-schwiegen wurde, daß es sich um die Fortent-wicklungen deutscher Projekte aus Deutsch-lands Raketenschmiede Peenemünde handelte,so wird man davon ausgehen dürfen, daß diedeutschen Forschungen über Flugkreisel 1945

ebenfalls in die Hände der Alliierten fielen.Wen nimmt es Wunder, wenn sich daraus un-gehemmte Spekulationen entwickeln: Nutztendie Alliierten diese Erfindung selbst? Handeltes sich bei den angeblich immer wieder gesich-teten UFOs in Wirklichkeit um irdisches Flug-gerät aus dieser Quelle?

Im Zusammenhang mit Neu-Schwabenlanderhalten solche Theorien weitere Nahrung:Wenn Hitler in Neu-Schwabenland überlebthat, warum dann nicht gleich unter Mitnahmedeutscher Flugkreisel - dramatisch „Reichs-flugscheiben” genannt? Und wem die Idee desUberlebens Hitlers 1945 gefällt, der wird auchgerne daran glauben, daß es sich bei UFOs um„Hitlers letztes Bataillon” handelt, das auf sei-ner Basis in Neu-Schwabenland auf den Befehlzur letzten Offensive wartet ...

Und nicht zu vergessen jene, die das Innereder Erde als Heimathafen der etwa seit 1953weltweit beobachteten „fliegenden Untertas-sen” betrachten: die „hohle Erde”. Dieser Theo-rie zufolge käme es auf Neu-Schwabenland garnicht an. Denn Neu-Schwabenland sei, so derehemalige SS-Angehörige Wilhelm Landigkurz vor seinem Tod in einem Interview, 1961„geschlossen” worden. (Eine Information, dieanderen Interpretationen zufolge wiederum alsbloßes Ablenkungsmanöver zu lesen ist.) Manmüsse sozusagen über den Tellerrand hinaus-schauen, denn der Südpol sei die Einflug-schneise zum „Erdinnenkontinent Agarthi”,wo die Reichsdeutschen bzw. deren „letztes Ba-taillon” ein komplettes neues Deutsches Reichaufgebaut hätten. Solche Theorien erinnern ver-blüffend an alten Sagenstoff, so z.B. den Mythosvom schlafenden Kaiser Barbarossa, der imKyffhäuser auf seine Rückkehr wartet.

In abgewandelten Versionen heißt es, riesigeThermalhöhlen unter dicken Gletscherpanzern,von denen die größte 30 Meilen lang sei, wür-den das gigantische Neu-Berlin beherbergen.Dieses läge in einer Grünzone inmitten einergroßen Thermalseenplatte, wo sogar Elche leb-ten. Und hier stünden auch riesige Fabriken zurHerstellung von „Wunderwaffen”.

Ein letztes Moment sei im Zusammenhangmit der Frage nach der (irdischen) Existenzvon UFOs angemerkt: Es grassiert die Mei-nung, die allerorten mehr und mehr beobach-teten Kornkreise hätten unmittelbar mit ihnenzu tun. Sie seien Botschaften des „letzten Ba-taillons” an die gesamte Menschheit, sich aufihr Eingreifen vorzubereiten, um der sich im-mer schneller drehenden Spirale von Materia-lismus und Gewalt Einhalt zu gebieten. DieBewohner Neu-Schwabenlands bzw. von des-sen Ablegern als ethisch-moralisch erleuchte-

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te Friedensritter? Sind sie jene „himmlischenHeerscharen” der Apokalypse, die uraltenProphezeiungen der Menschheitskulturen zu-folge jetzt kurz bevorsteht?

Atombomben über Neu-Schwabenland

Im Jahr vor der Unterzeichnung des Antarktis-vertrags sollen die Vereinigten Staaten vonAmerika drei Atomwaffen in der Antarktis ge-zündet haben: am 27. und 30. August sowie am8. September 1958. Aber nicht irgendwo in derAntarktis, sondern bemerkenswerterweise ge-rade über dem Gebiet von Neu-Schwabenland,der zweiten Hälfte des Deutschen Reiches.

Vorausgegangen war einer nicht verifizierba-ren Darstellung nach folgendes: 1947 sei Ri-chard Byrd zusammen mit seinem Bordmecha-niker und seinem Kopiloten auf einem Flug ineiner DC 3 von Flugscheiben (UFOs) zur Lan-dung gezwungen worden. Hierbei könnte essich um jenen Flug gehandelt haben, in dessenFolge der Admiral schließlich das Unternehmen„Operation Highjump” urplötzlich abblies.Während des Aufenthalts bei den „großen,blonden Wesen mit den blauen Augen” sei ervon diesen vor den Folgen eines Einsatzes ober-irdischer Atombomben gewarnt worden.

Nach seiner Rückkehr von einem Reporter be-fragt, sei es zu Byrds Aussage über die bevorste-hende Bedrohung der USA mit Hochgeschwin-digkeitsflugzeugen, die in der Lage seien, binnenkurzem von einem zun anderen Pol zu fliegen,gekommen. Die USA müßten sich gegen dieseArt von Bedrohung aus der Polarregion schüt-zen, fügte der Admiral angeblich hinzu. Schließ-lich mußte sich Byrd einem scharfen Kreuzver-hör durch die US-Navy unterziehen. In diesemhabe er seiner Meinung darüber Ausdruck gege-ben, daß man die Antarktis zum Atombomben-testgebiet machen solle, wobei er Bezug auf dendort stationierten Feind genommen haben soll.

Weiteren Theorien zufolge sollen die USA auchim September 1979 sowie am 5. März 1986 in derAntarktis Atomtests durchgeführt haben, erneutin Neu-Schwabenland, dem nach offizieller Les-art norwegischen Sektor des sechsten Kontinents,ohne daß norwegische Protestnoten bekannt ge-worden wären. Und über den Köpfen der sowje-tischen Forschungsstation in der Schirmacheroa-se - mitten im kalten Krieg. Wie das? Dies wäreein eklatanter Verstoß gegen die im Antarktisver-trag festgehaltenen Regelungen gewesen, die un-ter anderem besagen, daß die Errichtung von Mi-litärbasen und der Einsatz von Waffen, wie etwaKernwaffenversuche, sowie die Lagerung vonAtommüll untersagt ist. In Artikel V, Absatz 1 ist

eindeutig festlegt: „Kernexplosionen und die Be-seitigung radioaktiven Abfalls sind in der Ant-arktis verboten.” So in der gültigen Fassung vom5. August 2003.

Zu dieser Zeit tobte bereits der dritte Irakkrieg,zu dessen Beginn die USA in Neu-Schwaben-land erneut eine Atombombe gezündet habensollen, diesmal unterirdisch. Das Seismogrammder amerikanischen Südpolstation weist angeb-lich am 20. März 2003 um 17.15 Uhr einen eng-begrenzten intensiven Ausschlag auf. Die Inten-sität deutet auf die Detonation eines 20 bis 50 Ki-lotonnen starken nuklearen Bunkerbrechers hin.Einen Tag darauf versuchten die USA mit ihremArsenal an MOAB-Bomben in Neu-Schwaben-land einzudringen, was das Seismogramm vom21. März mit einer erheblichen Erschütterungs-welle gegen 20:20 Uhr dokumentiert. EineMOAB-Bombe enthält über neun TonnenSprengstoff und ist in der Lage, alles im Umkreisvon mehr als 1.500 Metern zu vernichten.

Doch in welchem Zusammenhang stehen dieAntarktis und der Irakkrieg? In der Politik unddamit in der Weltgeschichte gibt es keine Zufäl-le. Daher wird behauptet, daß der Irakkrieg un-ter anderem inszeniert worden sei, um die letz-te Invasion Neu-Schwabenlands, ein restlosesVernichten des alten Kriegsgegners DeutschesReich, im Schatten medienwirksamer Ereignissezu bewerkstelligen! Immerhin sollen noch amselben Tag drei US-Bomber beim Eindringen inden irakischen Luftraum spurlos verschwun-den sein. Hierbei handelte es' sich um einenzwei Milliarden Dollar teuren Stealth-BomberB2 „Spirit” und zwei je 250 Millionen Dollar teu-re Stealth-Bomber F117 A „Nighthawk”. Ein Ra-cheakt der „Reichsflugscheiben”?

Übrigens: Was das sogenannte Ozonloch überder Antarktis betrifft, das 2003 fast die dreifacheGröße Europas erreicht hat und das größte derErdatmosphäre ist, so könnte es durch oben be-schriebene Kernexplosionen hervorgerufenworden sein, wie verschiedene Seiten mut-maßen. Ein diametral entgegengesetzter An-satz geht davon aus, daß auch die Ozonloch-Theorie eine Erfindung zu Ablenkungs-zwecken darstellt. Das gebetsmühlenartige Be-schwören einer Gefahr, die angeblich von ei-nem Loch in der Ozonschicht über dem Südpolausgehe, diene demnach in Wirklichkeit dazu,Gelder für ganz andere Dinge zusammenzu-klauben. Zum Beispiel für die militärische Ob-servierung gewisser Gebiete in der Antarktis?

Wer sich ein paar Stunden höchsten Unter-haltungswertes gönnen und sich dabei zugleichein bißchen gruseln möchte, der sollte es kei-nesfalls versäumen, einmal im Internet durchNeu-Schwabenland zu „surfen”.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

grammiert. Allein schon deshalb, weil ver-schiedene Gebietsabschnitte seit Jahren vonverschiedenen Ländern zugleich beanspruchtwerden.

Noch während des Zweiten Weltkrieges be-anspruchten bereits sieben Länder keilförmigeStücke der Antarktis, die bis zum Südpolreichten. Eine Ausnahme bildete Norwegen,das sich auf das Köngin-Maud-Land be-schränkte, dies jedoch einschließlich des vonden Deutschen 1938 / 39 entdeckten Neu-Schwabenlands.

Australien reklamierte fast die Hälfte des ge-samten Kontinents. Mittendrin liegt das vonFrankreich beanspruchte Adelieland. Auf demvon Neuseeland beanspruchten Gebiet stehtdie Hauptforschungsstation der USA, und aufder Antarktischen Halbinsel überlappen sichdie Gebietsansprüche von Großbritannien, Chi-le und Argentinien. Die Halbinsel ist deshalb sowichtig, weil sie in das eisfreie Wasser nahe dersüdamerikanischen Landspitze hineinreicht.Auf der König-Georg-Insel vor der Spitze derAntarktischen Halbinsel liegen sieben For-schungsstationen, darunter eine der früherenSowjetunion.

Diese Ansprüche einvernehmlich zu regeln,wird zu einer der schwierigsten Aufgaben derAntarktisvertragsstaaten gehören. Gelingtdies nicht, ist der Friede auf dem sechstenKontinent nicht mehr sicher. Es hat schon ge-ringere Anlässe in der Welt gegeben, Kriege zuführen. Man denke nur an den Falkland-Krieg1982.

Die Tatsache, daß die Antarktis der einzigeKontinent ist, auf dem noch nie ein Krieg ge-führt wurde, ist darauf zurückzuführen, daß siekeine ständigen Bewohner hat. Nur die die Ant-arktis umgebenden Ozeane und einige darin

liegende Inseln haben in den beiden Weltkrie-gen eine gewisse Rolle gespielt.

Einer der bedeutendsten Antarktiskenner,Polarforscher- und Flieger, der amerikanischeAdmiral Richard Byrd, hat mehrfach auf diestrategische Bedeutung der Antarktis, desGrahamlandes und seiner umliegenden Insel-gruppen hingewiesen. Er erkannte als erster,daß, wenn der Panamakanal durch Sabotage-akte unschiffbar gemacht werden sollte, dieUSA auf den Seeweg um Kap Horn angewie-sen wären. Das bedeute aber eine große Ge-fahr, denn dieser Seeweg läge im Abschußbe-reich der Antarktischen Halbinsel und dervorgelagerten Inseln. Von hier aus seien alleSchiffe Artillerie- oder Raketenbeschuß ausge-setzt.

Es gibt aber auch noch andere strategischeAspekte, auf die zum Beispiel Alphonse Maxin seiner Publikation Die Antarktis: Eine geo-strategische Studie hinweist. Er schreibt hier:„Ein weiterer strategischer Aspekt der Antark-tika ist, daß ihre Küste und vorgeschobenenInselfestungen sich vorzüglich für Untersee-boot Schlupfwinkel eignen und daß man vongeheimen antarktischen Flugbasen aus die ge-samte südliche Halbkugel kontrollieren könn-te. Ein Zusammenwirken von Flugzeug undU-Boot, beide mit antarktischen Versorgungs-basen, könnte eine ungeahnte militärische Si-tuation schaffen. Erst recht aber kann eine Ab-schußrampe für interkontinentale Raketen-waffen am Rande der Antarktika oder auf ei-ner der vorgeschobenen Inseln, für den Geg-ner schwer erreichbar und schwer zerstörbar,Weltherrschaft bedeuten. All das bezieht sichnicht auf eine nicht genau definierte Zukunft,sondern könnte vielleicht schon morgen ein-treten. "

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Anmerkungen 35 Schreiben Prof. Dr. JürgenRohwer, Historiker, anden Autor, 2.12.2003

53 Schreiben AuswärtigesAmt an den Autor,20.1.2004' Zit. nach Dyson, S. 223 2Ö Zit. nach ebd., S. 264

2 Ritscher, Textteil, S. 3 f. 21 Zit. nach ebd., S. 265 36 Schreiben Kottas an 54 www.volksmacht.de/3 Ebd., S. 4 f. 22 Ebd., S. 78 f. Hädrich, DLH, 17.12.1940 schwab.htm4 Ebd., S.13 ff. 23 Ebd., S. 80 f. 37 Schaeffer, S. 258 55 Schreiben Auswärtiges5 Zit. nach ebd., S. 249 24 Ebd., S.108 f. 38 Vgl. Byrd, S. 430 Amt an den Autor,6 Ebd., S. 49 f. 25 Ebd., S. 109 39 Vgl. ebd., S. 431 20.1.20047 Ebd., S. 54 ff. 26 Ebd., S. 109 f. 40 Ebd., S. 455 56 Tilgenkamp, S. 2748 Zit. nach ebd., S. 252 27 Zit. nach ebd., S. 110 41 Ebd., S. 463 57 Ebd., S. 2789 Ebd., S. 59 f. 28 Herrmann, S. 152 f. 42 Ebd., S. 466 58 Ebd., Bildteil nach S. 30410 Herrmann, S. 77 29 Ritscher, Textteil, S. 84, 86 43 Ebd., S. 501 59 Vgl. Brunk, S. 7 ff.11 Ritscher, Textteil, S. 64 30 Zit. nach Herrmann, S. 180 44 Ebd., S. 456 60 Aussage Sauter gegenüber12 Zit. nach ebd., S. 255 f. 31 Zit. nach Frankfurter Zei- 45 Ebd., S. 517 dem Autoren13 Zit. nach ebd., S. 256 tung, 28.4.1939 46 Ebd., S. 498 61 Aussage Sauter gegenüber14 Herrmann, S. 78 ff. 32 Zit. nach Hamburger Frem - 47 Vgl. ebd., S. 513 dem Autoren15 Ebd., S. 81 f. denblatt, 29.4.1939 48 Ebd., S. 517 62 Vgl. Byrd, S. 48716 Ritscher, Textteil, S. 69 f. 33 Schreiben DLH an Kottas, 49 Ebd., S. 429 63 Vgl. www.mental-' 7 Zit. nach ebd., S. 261 Dezember 1940 5° Ebd., S. 453 ray. de / Mental-Ray / ge-18 Ebd., S. 70 34 Jung /Wenzel /Abendroth, 51 Ebd., S. 517 heim / zeittafel.htm19 Ebd., S. 75 S. 80 ff. 52 Ebd., S. 434 64 Max, S. 20

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Das von Alfred Ritscher 1939 erforschte Gebiet in der Antarktis ist in den 1950er Jahren noch im deutschen KartenwerkJRO-Weltatlas als „Neu-Schwabenland ” verzeichnet, hier sogar mit zusätzlichen Angaben zu Einzelgebieten.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Im Gespräch mitSiegfried Sauter

Schön: Herr Sauter, Sie haben 1938/39 als Luft-fotograf an der deutschen Antarktisexpedition teil-genommen. Wie kamen Sie zu dieser Ehre und zuIhrem Beruf?

Sauter: Ich wurde bei der Luftwaffe als Luft-fotograf ausgebildet und danach, 1937, von derHansa-Luftbild GmbH als Luftbildner ange-stellt.

Schön: Wann erfuhren Sie, daß Sie für dieTeilnahme an der deutschen Antarktisexpedition1938/39 ausgewählt wurden?

Sauter: Etwa zwei Monate vorher. Ich wurdegefragt und habe sofort ja gesagt.

Schön: Haben Sie das Flugboot „Boreas ", auf demSie in der Antarktis eingesetzt werden sollten, vor-her gesehen oder erst an Bord des Katapultschiffesfesder Deutschen Lufthansa „Schwabenland”?

Sauter: Ich habe es vorher gesehen und in Tra-vemünde mit meinem Kollegen Bundermannan Probeflügen teilgenommen. Es zeigte sichdabei, daß die Bullaugen des Flugbootes aus-geschnitten werden mußten, damit die großenKameras hinten eingebaut werden konnten.Das Flugboot war deshalb hinten offen, undwir Luftbildner waren damit der unbarmherzi-gen Kälte ausgesetzt.

Schön: Mit welchen Kameras waren die beidenFlugboote „ Boreas” und „Passat” ausgestattet?

Sauter: Die Luftbildvermessungskammernhatten die alte Größe von 18 mal 18 Zentimtern.Wir verwendeten Luftbild-Aqua-Topograph-Filme. Man mußte sie mit der Hand wechseln.Bei 20 bis 30 Grad Kälte blieb immer ein StückHaut kleben.

Schön: Wann gingen Sie an Bord des Katapult-schiffes M/S „Schwabenland”?

Sauter: Kurz vor dem Auslaufen des Schiffesim Dezember 1938. Mir wurde eine Doppelka-bine in Wasserhöhe zugewiesen, die ich mitmeinem Kollegen Bundermann bewohnte.

Schön: Wann hatten Sie den ersten Kontakt mitFlugkapitän Schirmacher?

Sauter: Ich lernte den „Boreas"-Kapitän Schirma-cher — wie auch den „Passat"-Kapitän Mayr — be-reits in Travemünde bei den Probeflügen kennen.

Schön: Wie haben Sie die wochenlange Seereisevon Hamburg bis in die Antarktis überstanden?

Sauter: Es war meine erste Hochseefahrt beioft stürmischer See. Die „Schwabenland” warkein modernes und komfortables Passagier-schiff, sondern ein umgebauter Frachter. Es waralles sehr eng, gegessen wurde in drei Messen.

Schön: Wie war das Verhältnis zwischen denGruppen an Bord, den Kapitänen und Offizieren, denWissenschaftlern, den Flugzeugbesatzungen, demKatapultpersonal und der Handelsschiffsbesatzung?

Sauter: Es gab keinen Raum an Bord, in wel-chem alle 83 an Bord befindlichen Personenhätten gemeinsam essen können, 'deshalb dieAufteilung in mehrere Messen. Das Verhältniszwischen den verschiedenen Gruppen wardurchaus kameradschaftlich.

Schön: War Alfred Ritscher, Handelsschiffska-pitän, Flugkapitän und Polarforscher, damals bereits60 Jahre alt und als Regierungsrat im Oberkom-mando der Kriegsmarine tätig, ein guter Expediti-onsleiter und Vorgesetzter?

Sauter: Das kann ich uneingeschränkt mit jabeantworten. Ritscher hatte Polarerfahrung,Schiffs- und Flugerfahrung; er war der wichtig-ste Mann der Expedition.

Schön: Sie haben nicht nur Weihnachten und Sil-vester an Bord erlebt, sondern auch die Aqua-tortaufe. Waren Sie einer der Täuflinge?

Sauter: Ja. Ich wurde aber nur kurz „behan-delt”, da ich das Spektakel fotografieren sollte.Alle Täuflinge erhielten eine Urkunde, die ichheute noch besitze.

Schön: Waren Sie und viele Expeditionsmitgliederwährend der Reise in die Antarktis seekrank?

Sauter: Die Schiffsbewegung, auch beiSturm, hat mir nichts ausgemacht. Ich war ab-solut seefest. Vom Lufthansa-Personal weiß ich,daß keiner seekrank wurde.

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IM GESPRÄCH MIT SIEGFRIED SAUTER

Schön: Am 19. Januar 1939 erreichten Sie mit M/S„Schwabenland” die Antarktis und sahen zumersten Mal große Eisberge. Welchen Eindruckmachte die Antarktis auf Sie?

Sauter: Beim ersten Eisberg, den wirbereits bei der Insel Bouvet sahen,rannten wir an Oberdeck und sag-ten: „Wunderbar!” Später, als derganze Horizont voller Eisberge war,war der Eindruck noch schöner,noch gewaltiger und überwältigen-der. Manche Eisberge waren über100 Meter hoch.

Schön: Das Flugboot „Boreas” war dieerste Maschine, die nach der Ankunft inder Antarktis am Nachmittag des 19. Januar1939 zum Probeflug startete. Waren Sie beidiesem Flug an Bord des „ Boreas”?

Sauter: Ja. Wir sollten erkunden, obsich die „Schwabenland” an der richti-gen Stelle befindet, von wo aus die bei-den Flugboote an den folgenden Tagenstarten konnten. Wir stellten fest, daßdies nicht der Fall war und daß dasSchiff weit südlicher in eisfreies Was-ser verlegt werden mußte. Das ge-schah unmittelbar nach Rückkehrdes „Boreas”. Zum Landenbrauchten die Flugboote eis-freies Wasser. Am näch-sten Morgen hattenwir unseren Schiffs-standort erreicht.

Siegfried Sauter 1939mit seiner Handkamerafür Schrägaufnahmen.Mit ihr machte er etli-che Bilder von derSchirmacheroase.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Schön: Die beiden Flugboote „Boreas” und „Pas-sat” wurden für Fotoflüge, Sonderflüge und Inland-flüge eingesetzt. Die Inlandflüge, bei denen unterUmständen Notlandungen auf dem Eis erforderlichwurden, waren die gefährlichsten Flüge. Hatten Siedabei Angst?

Sauter: Angst? Dafür hatten wir keine Zeit.Ich mußte so viele Dinge tun und anschauen,daß mir die Zeit fehlte, Angst zu haben. Ichhatte nur das Gefühl, die grandiose Schön-heit der Eisfelder und der Berge, die zuvornoch kein Mensch gesehen hatte, zu genießen.Das war ein überwältigender positiver Ein-druck.

Schön: Sie sahen viele Berge, die über 4.000 Meterhoch waren. Die stark überlasteten Flugboote konn-ten diese Höhe jedoch nicht erreichen. War das einNachteil?

Sauter: Nein. Wir konnten an den Bergspitzenvorbeifliegen. Deswegen mußten wir immermit Sicht fliegen. Bis zum dritten oder viertenFlug sind wir genau nach Plan geflogen. Da-nach wurde auf Intervention der beiden Flug-kapitäne der Flugplan geändert.

Schön: Haben Sie miterlebt, wie eine deutscheReichsflagge auf dem Eis gehißt wurde?

Sauter: Flugkapitän Mayr hat mit „Passat”am flachen Eis geankert. Er konnte dann zu Fußauf das Eis gehen, um dort eine Hakenkreuz-flagge in das Eis zu rammen und sich dann mitzwei seiner Besatzungsmitglieder fotografierenzu lassen.

Schön: Am 30. Januar 1939 war auf der „Schwa-benland” wie in Deutschland „Nationaler Feiertag”zur Erinnerung an den Tag der Machtergreifung am30. Januar 1933, die Rede von Adolf Hitler wurdeübertragen. Können Sie sich daran erinnern?

Sauter: Nein, ganz schwach. Das war für unseine ferne Welt. Wir hatten den Kopf voll mitder Vorbereitung des nächsten Fluges.

Schön: Erinnern Sie sich an die Rede, die derOrtsgruppenleiter der NSDAP auf der „ Schwaben-land”, der 2. Offizier Karl-Heinz Röbke, an diesemTag durch seinen Stellvertreter verlesen ließ?

Sauter: Nein, auch daran nicht. Röbke war füruns einer der Handelsschiffsoffiziere und keinParteimann. Er lief auch nicht in Parteiuniformmit Hakenkreuzbinde durch das Schiff.

Schön: Gab es an Bord der „Schwabenland” einepolitische Schulung?

Sauter: Nein. Es gab nur Sachvorträge, die füralle Expeditionsmitglieder wichtig und sehr in-formativ waren.

Schön: Welche Atmosphäre herrschte hinsichtlichdes damaligen Zeitgeschehens an Bord? War es einerein wissenschaftliche Expedition ? Welche Rollespielte die Tatsache, daß diese Expedition zur Zeitdes Dritten Reiches stattfand?

Sauter: Es war eine wissenschaftliche Expedi-tion. Man kann sie auch als Lufthansa-Expedi-tion bezeichnen, denn das Schiff „Schwaben-land” gehörte der Deutschen Lufthansa, ebensodie beiden Flugboote „Boreas” und „Passat”,die Flugkapitäne und die Mechaniker warenAngestellte der Lufthansa. Die Luftbildner wa-ren Angestellte der Hansa-Luftbild, deren Ei-gentümer ebenfalls die Lufthansa war. Aller-dings: Die Finanzierung der Expedition erfolg-te vom Deutschen Reich, das auch die Kostendes Umbaus des M/S „Schwabenland” zumExpeditionsschiff übernommen hatte. UnserAuftrag war es, einen Teil der Antarktis zu ver-messen. Meine Aufgabe und die meines Kolle-gen Bundermann war es, Land zu vermessen.Wir waren Vermessungsingenieure.

Schön: Während des gesamten Aufenthalts in derAntarktis waren nach Ihrer Meinung die Besatzun-gen der beiden Flugboote „Boreas” und „Passat” diewichtigsten Expeditionsmitglieder?

Sauter: Das ist richtig. Natürlich waren auchdie Wissenschaftler wichtig, nur, wir waren amwichtigsten. Ich sage Ihnen auch, warum. Wä-re einer von uns ausgefallen, dann wäre dieganze Expedition zusammengebrochen undhätte abgebrochen werden müssen. Außerdemwaren wir die einzigen an Bord, die bei jedemFlug ihr Leben aufs Spiel setzten, von keinemWissenschaftler wurde dies erwartet.

Schön: Welche Gefahr für Ihr Leben sahen Siedenn bei den Flügen?

Sauter: Die Notlandung in der' Eiswüste beieinem Inlandflug. Ich habe damals auch mitKapitän Ritscher darüber gesprochen und ihngefragt, was geschieht, wenn wir sechs Flug-stunden oder weiter zum Südpol notlandenmüssen. „Wie wollen Sie uns in einer solchenSituation vom Schiff aus helfen und retten?” —„Wir würden Ihnen Lastenfallschirme abwer-fen mit Proviant für vier Wochen!” antworteteer. „Und die weiteren Wochen?” fragte ich.„Sollen wir die mit Beten verbringen?” Ich ha-be Kapitän Ritscher mit meinen bohrenden Fra-gen ganz schön unter Druck gesetzt. Aber erwollte uns die Beruhigungspille geben: „Wirholen Sie da raus, wenn Sie notlanden!” Wasaber, wenn wir gegen einen Berg geknalltwären? Wir hätten daran geklebt, tot oder le-bendig. Der Bordarzt Dr. Bludau hat uns er-zählt, wie man Beine abbindet oder absägt. Die-ses Thema Absägen wurde sehr ausführlich be-handelt, denn es wurde angenommen, wennwir notlanden, gibt's einen furchtbaren Crash,und wir liegen da, eingeklemmt, und müssendann losgesägt werden, mit der Handsäge, diezu unserem Notgepäck gehörte, und das oh-ne Betäubung.

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IM GESPRÄCH MIT SIEGFRIED SAUTER

Schön: Stellen Sie sich vor, Ende Januar/AnfangFebruar 1939, als das Wetter schlechter wurde, hät-ten Sie notlanden müssen. Sie hätten dann im ark-tischen Sommer nicht mehr herausgeholt werdenkönnen.

Sauter: In diesem Fall wären wir rettungslosverloren gewesen, denn man hätte uns dannerst im Herbst befreien können, doch zu diesemZeitpunkt hätte keiner mehr gelebt.

Schön: Gab es bei den Fernflügen besonders kriti-sche Situationen?

Sauter: Ich erinneremich an zwei. Beim er-sten Flug waren wirnoch unerfahren undwußten nicht, wie ein„Whiteout” aussieht.Aber er kam schlagartig.Wir flogen in RichtungSüdpol, als er uns er-reichte, alles war plötz-lich „weiß”. Der Flugka-pitän sagte: „Ich sehenichts mehr, nur nochweiß!” Im selben Mo-ment sagte ich: „Anten-ne schlägt auf.” Das be-deutete höchste Gefahr.Der Flugkapitän meister-te sie: Steilkurve rausund wieder zurück. Daswar eine der schlimm-sten Situationen. Wahr-scheinlich wäre die Ma-schine gegen das Eis ge-rast und wir alle vierwären weg gewesen. Da-mit wäre die ganze Ex-pedition gestorben. Mitdem zweiten Flugbootallein hätte man die Expedition nicht fortsetztenkönnen. Die zweite gefährliche Situation ergabsich beim Fernflug Nummer 7, als über demWohlthatmassiv plötzlich die Motoren aussetzten.Der Flugkapitän und der Mechaniker schafften estrotz heftigen Gegenstemmens nicht, die Maschi-ne zu halten. Erst nachdem ich allen Ballast nachvorn gebracht hatte, glückte es. Das war auch dasEnde unseres Fernfluges. „Jetzt nichts wie runterin wärmeres Gebiet”, sagte der Flugkapitän. Washeißt wärmer! Statt 30 Grad minus waren es 20,später 10. Bei dieser Temperatur hat die Trieban-lage wieder funktioniert, und wir sind brav nachHause geflogen — „nach Hause” bedeutete auf un-ser Flugzeugstützpunktschiff „Schwabenland”.

Schön: Die Schirmacherseenplatte ist erst bei ei-nem der letzten Flüge entdeckt worden. Wie kam esdazu?

Sauter: Die Schirmacherseenplatte habenwir erst beim siebten, dem letzten Fernflug ent-deckt. Ich habe sie gesehen, haargenau. Es warwohl eine der wichtigsten Entdeckungen an derExpedition. Sie erhielt später die BezeichnungSchirmacheroase, benannt nach unserem Flug-kapitän, dem die Entdeckung zugeordnet wur-de.

Schön: War aus Ihrer persönlichen Sicht die Ant-arktisexpedition ein Erfolg?

Sauter: Aus der Sichtder beiden Luftbildnerein großer Erfolg mit11.600 Luftaufnahmen.Das hat niemand erwar-tet, dieses Ergebnis wareine Sensation. Wir ha-ben später in sechs Wo-chen eine Karte vonNeu-Schwabenland fer-tiggestellt.

Schön: An wen wurdendie 11.600 Luftaufnahmennach der Expedition abge-liefert?

Sauter: Die Fotoswurden sofort nachRückkehr des M/S„Schwabenland” nachBerlin gebracht, dortbei der Hansa-Luftbildin Berlin-Tempelhofabgeliefert und imBunker, der sich unterdem Gebäude befand,aufbewahrt.

Schön: Es gibt Aussa-gen, nach denen sämtlicheExpeditionsfotos währenddes Krieges bei einem

Bombenangriff f auf Leipzig verbrannt wären.Sauter: Das stimmt nicht. Die Aufnahmen

sind nie nach Leipzig gebracht worden.Schön: Was ist das Schicksal dieser Aufnahmen?

Sind sie möglicherweise im Bunker der Hansa-Luft-bild in Berlin verbrannt?

Sauter: Tatsache ist, daß die Filme im Bunkerder Hansa-Luftbild in Berlin-Tempelhof einge-lagert wurden. Der Eingang zu den Bunkernwurde später zugemauert, in der Hoffnung,daß niemand von der Filmeinlagerung weiß.Die Russen, die bei Kriegsende das Geländebesetzten, erfuhren es jedoch und öffneten denBunker, der bei einem Luftangriff beschädigtworden war. Da sie Kameras fanden, ist davonauszugehen, daß der Bunker nicht völlig aus-gebrannt war. Das aber behaupteten die Russenund gaben an, daß alle Filme verbrannt seien.

Siegfried Sauter nahm als Luftbildner an der Deut-schen Antarktischen Expedition 1938/39 teil. An

Bord des Flugbootes „Boreas"nahm er ungefähr dieHälfte der insgesamt 11.600 Schrägluftbilder auf.

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DEUTSCHE ANTARKTISCHEEXPEDITION 1938/39

BERLIN W 35, DEN 14. Juli 1 39MATTHÄUFKIRCHIPLATZ 0FERNSPRECHER: 22 26 10

HerrnSiegfried Sauter

Bundesring 30

Sehr geehrter Herr Sauter!

Die vorläufige Karte von "Neu-Schwabenland" wurde in-zwischen fertiggestellt. Bei der Benennung der einzel-nen Gebirgsstöcke, Berge, Kämme, Grate usw. wurden die-jenigen Expeditionsteilnehmer berücksichtigt, deren Mit-arbeit für die Expedition von besonderer Bedeutung war.

Das Gebiet zwischen 3 0 und 3 2/3 0 Ost auf 72 1/2 ° Süderhielt den Namen

"Sauter - R i e g e l "=================================

Lit bestem Gruß und Heil Hitler!

Bis heute hat Siegfried Sauter den Brief mit dem ihm die Benennung eines Gebirges in Neu-Schwabenland mit seinemNamen mitgeteilt wurde, aufbewahrt. Rechts: Auch die ,, Urkunde" über seine Äquatortaufe, unterzeichnet

von Expeditionsleiter Ritscher und Kapitän Kottas, ist noch in seinem Besitz.

Der Sauter-Riegel (nach heutigen Messungen 72° 10' Süd, 2 ' 45' Ost) wurde nach seinem Fotografen benannt.

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Doch nach dem Krieg sind in Berlin Bilder auf-getaucht, die von den Filmen kopiert waren.Darüber hinaus hat die Witwe von Kapitän Rit-scher lange nach Kriegsende etwa 600 Fotosdem Institut für angewandte Geodäsie inFrankfurt übergeben. Ich habe Zweifel daran,daß alle Filme in Berlin verbrannt sind, denn siewaren alle gut verkapselt und eingeschweißt.Es wäre denkbar, daß einige Filme als Beute-stücke mitgenommen wurden, da die Russenan dem Ergebnis der deutschen Antarktisexpe-dition 1938 / 39 sehr interessiert waren; sie ha-ben davon immer mit größter Hochachtung ge-sprochen, dies auch auf der Antarktistagung inNeuseeland. Aber daß sie Filme mitgenommenhätten, haben sie nicht zugegeben.

Schön: Sie halten es also für möglich, daß irgend-wo noch Filme existieren, vielleicht als „Beutegut”?Was aber könnten die Russen für ein Interesse andiesem Filmmaterial gehabt haben?

Sauter: Sofort nach dem Krieg haben die Rus-sen im Antarktisgebiet Neu-Schwabenland eineForschungsstation aufgebaut. Warum geradedort? Sie waren die ersten, die an Ort und Stellewaren und die ihre Station weit vorangetriebenhaben, bis zu der Schirmacheroase. Diese warfür sie das Wichtigste. Waren die Russen mögli-cherweise im Besitz von Luftfotos und weiterenDetailinformationen über Neu-Schwabenland?Die Russen haben der DDR genehmigt, unweitihrer Station ebenfalls eine Station aufzubauen,beide haben sehr eng zusammengearbeitet.

Schön: Könnten auch militärstrategische Überle-gungen eine Rolle gespielt haben?

Sauter: Mit Sicherheit nicht. Da gibt es keinGras, keinen Halm, keinen Baum, keinenStrauch. Nichts, nur am Rand Pinguine undRobben. Schon die Versorgung der For-schungsstationen ist nicht einfach. Alleführenden Nationen haben nach Kriegsendein der Antarktis Stationen aufgebaut, die dasganze Jahr über mit Forschern besetzt sind.Besonders große Stationen haben die Ameri-kaner und die Russen. Aber auch China, Ja-pan, Indien, einige afrikanische Staaten undvor allem die Länder Südamerikas habenStationen errichtet und betreiben sie, man-che nur im antarktischen Sommer, andereganzjährig. Doch militärische Stationen auf-zubauen ist unmöglich.

Schön: Dann halten Sie es wohl auch für unmög-lich, daß kurz vor Kriegsbeginn und während desKrieges Baumaterial nach Neu-Schwabenlandtransportiert wurde, um dort Bunker im Eis zu bau-en, Bunker für Unterkünfte und U-Boot-Bunker?

Sauter: Alle Gerüchte und Spekulationendarüber, die nach dem Krieg in Umlauf ge-bracht wurden, sind barer Unsinn. Schiffe

konnten nicht landen wegen des Packeisgür-tels, der Neu-Schwabenland umgibt. Nur Eis-brechern wäre dies möglich gewesen oder be-sonders gepanzerten Schiffen. Jede Station, inder Forscher überwintern, muß für ein Jahrmit Lebensmitteln versorgt werden. Das reichtnur für eine geringe Anzahl von Menschen.Daß für Hitler in Neu-Schwabenland ein Bun-ker gebaut wurde, ist völliger Unsinn, ebensodie Behauptung, dort wären U-Boot-Bunkergebaut worden. Wer solche Gerüchte in dieWelt setzt, hat keine Ahnung, wie es in derAntarktis aussieht, sie ist der wüsteste Konti-nent, den es gibt. Über ihn rasen Stürme mit200 und mehr Stundenkilometern Geschwin-digkeit dahin, und ein halbes Jahr lang istNacht, völlige Nacht.

Schön: Die während der Antarktisexpedition1938/39 entdeckte Schirmacheroase, die auch Schir-macherseenplatte genannt wird, scheint von vielenLändern für die Errichtung von Forschungsstatio-nen besonders bevorzugt worden zu sein. Woranliegt das? Ist die Bezeichnung „Oase” eigentlichrichtig oder handelt es sich nur um eine größere eis-freie Fläche mit einigen kleineren Seen?

Sauter: „Oase” ist für die Schirmacherseen-platte eine etwas irreführende Bezeichnung.Unter dem Begriff Oase stellt man sich norma-lerweise einen Ort mit Palmen vor. In der Ant-arktis gibt es keinerlei Vegetation. Die Schirma-cheroase ist eine eisfreie Zone mit einem blauenSee mittendrin.

Schön: Wo liegt diese Oase, wie erreicht man sie?Sauter: Die Schirmacheroase liegt in einem

ganz flachen Gebiet mit einigen kleinen Bergen,deren Wände sich aufheizen. Das flache Gebietreicht bis zu einer Bergkette, die mit ihren Spit-zen etwa 3.000 Meter hoch ist. Die Oase liegt et-wa eine Flugstunde von der Schelf eisgrenzeentfernt und ist im antarktischen Sommer, derim Januar beginnt, eisfrei. Nur diese Zeit kanngenutzt werden für den Bau und die Einrich-tung von Forschungsstationen.

Schön: Welche Länder betreiben heute For-schungsstationen im Gebiet der Schirmacheroase,die bei der Antarktisexpedition 1938/39 von Luft-hansa-Kapitän Schirmacher entdeckt wurde und diezu dem von der deutschen Expedition vermessenenGebiet Neu-Schwabenland gehört?

Sauter: Die größte Forschungsstation „Nowo-lasarewskaja” hat in den ersten Nachkriegsjahrendie Sowjetunion hier aufgebaut, fast ständig er-weitert und ausgebaut, später auch der DDR ei-nen Teil übergeben, die hier ihre eigene Stationaufbaute, die inzwischen aufgelöst wurde. BeideStationen haben sehr eng zusammengearbeitet.Darüber hinaus haben Südafrika, die Volksrepu-blik China, Japan und Indien Stationen im Bereich

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Page 167: Mythos Neu Schwabenland

IM GESPRÄCH MIT SIEGFRIED SAUTER

Heinz Schön (links) im Gespräch mit dem einzigennoch lebenden Expeditionsteilnehmer Siegfried Sauter

der Schirmacheroase aufgebaut. Bei meiner letz-ten Antarktisreise mit Franz Lazi 1989 habe ichmir erzählen lassen, daß in der indischen Station,die aus Zelten besteht, während des antarktischenSommers 200 Inder sitzen, Karten spielen und amEnde des Sommers wieder abreisen.

Schön: Wie erklären Sie sich, daß die Deutschen,als sie in den 70er Jahren die Antarktisforschung mitgroßem Aufwand neu begannen, nicht wieder inNeu-Schwabenland angefangen haben? Warumwurde die deutsche Neumeyer-Station nicht in Neu-Schwabenland aufgebaut?

Sauter: Als die Bundesrepublik die Antarktis-forschung neu begann, hatten bereits die Russenin Neu-Schwabenland ihre Station aufgebautund der DDR einen Teil davon als Souvenirüberlassen. Deshalb war es nicht möglich, hiernoch eine Station der Bundesrepublik aufzubau-en. Man suchte sich deshalb für die Station derBundesrepublik einen anderen Platz und fandihn am Kap Norwegia, wo die Neumeyer-Sta-tion errichtet wurde. Die Bundesrepublik wolltein jedem Fall in der Polarforschung ein gewich-tiges Wort mitreden und dabeisein. Wir hatten inder Antarktisforschung bereits beachtliche Erfol-ge aufzuweisen. Wir konnten uns in der Zeit deskalten Krieges wohl kaum an die gleiche Stellesetzen wie die Russen und die DDR. Die Neu-meyer-Station ist weit weg, sie liegt nicht im Ge-biet von Neu-Schwabenland.

Schön: Haben die Norweger nicht protestiert, alsman die bundesdeutsche Station am Kap Norwegiaerrichtete?

Sauter: Von einem Protest ist mir nichts be-kannt, obwohl die Norweger, was die Antarktisbetrifft, nicht gut auf uns zu sprechen sind. Nor-wegische Walfänger haben uns bereits bei derExpedition 1938 / 39 ständig verfolgt, sie hattenFunk- und Sichtkontakt mit uns. Sie wollten ge-nau wissen, wie viele Flugzeuge wir hatten undwas wir in der Antarktis vorhatten. Ich vermu-te, daß die norwegischen Walfänger ihre Beob-achtungen norwegischen Regierungsstellenübermittelt haben, da die Norweger das zumKönigin-Maud-Land gehörende Gebiet vonNeu-Schwabenland als ihren Besitz ansahen.

Schön: Sind die Norweger tatsächlich vor denDeutschen in Neu-Schwabenland gewesen?

Sauter: Als wir im Januar 1939 mit M / S „Schwa-benland” die Antarktis erreicht hatten, fuhren dienorwegischen Walfangboote neben uns her wieBegleithunde. Unser Eislotse, Kapitän Kraul, derfließend Norwegisch sprach, hat die Gesprächeder Walfangkapitäne, die diese untereinanderführten, mitgehört. Die norwegischen Kapitäne er-hielten Anweisung, den Küstenstreifen Namen zugeben und auch dem dahinterliegenden Inlandeis,sie haben das Gebiet nur mit dem bloßen Auge ge-sehen oder mit dem Fernglas, sie haben es nicht be-treten, aber tauften es zum Beispiel König-Haa-kon-Land. So einfach machten sich die Norwegerdie Inbesitznahme des Königin-Maud-Landes, zudem nach norwegischer Auffassung auch Neu-Schwabenland gehört. Aufgrund dieser Namens-gebung hat die norwegische Regierung bereitsMitte Januar 1939 der deutschen Regierung erklärt:

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Page 168: Mythos Neu Schwabenland

MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

„Neu-Schwabenland gehört uns.” Die deutscheRegierung hat dann ohne Zeitverzug den norwe-gischen Gebietsanspruch zurückgewiesen.

Schön: Welche wirtschaftlichen Interessen könn-te 1938 das Dritte Reich an der Inbesitznahme vonNeu-Schwabenland gehabt haben?

Sauter: Die Sicherung eines großen Walfang-gebietes in der Antarktis stand bei den wirt-schaftlichen Interessen Deutschlands sicher anerster Stelle. Des weiteren wollte sich Deutsch-land durch die Inbesitznahme von Neu-Schwa-benland ein Mitspracherecht bei einer späterenVerteilung dieses herrenlosen Kontinents si-chern, zumal man unter dem Eis Bodenschätzeund vor der antarktischen Küste Ölvorkommenvermutet.

Schön: Was wissen Sie über die amerikanischenExpeditionen mit Admiral Byrd vor 1938/39? Warendie Amerikaner damals auch in Neu-Schwabenland?

Sauter: Die Amerikaner haben gute Auf-klärung geflogen, aber immer nur Einzelstreifenvermessen, also keine zusammenhängendenGebiete. Sie haben weite, ausgedehnte Flüge un-ternommen und gute Aufnahmen mit hervorra-genden Luftbildkameras gemacht. Doch richti-ge Vermessungen, wie wir sie bei der Antarktis-expedition 1938 / 39 vornahmen, haben dieAmerikaner nicht gemacht. Ihre Aufgabe sahensie in der Aufklärung, sie wollten genauer wis-sen, welche Gebiete eisfrei und wie hoch dieBerge sind und wie die Beschaffenheit, aus derLuft gesehen, anderer Antarktisregionen ist. Beider Gesamtgröße der Antarktis konnten dieAmerikaner jedoch nur einen geringen Teil er-kunden. Mit ihren Erkundungsflügen haben siesicher eine hervorragende Arbeit geleistet. Neu-Schwabenland haben die Amerikaner jedochnicht überflogen, es blieb „unentdecktes Land”,bis wir Deutschen 1938 / 39 kamen.

Schön: Die Amerikaner haben 1946/47 unter Ad-miral Byrd noch einmal eine großangelegte Antark-tisexpedition mit einem enormen militärischen Auf-wand durchgeführt. Worin sehen Sie persönlich denSinn dieser Aktion?

Sauter: Für mich war dieses Unternehmen ei-ne reine Prestigeaktion. Diese erschien denAmerikanern notwendig, da sofort nach Kriegs-ende die Russen begannen, sich in der Antark-tis breitzumachen. Die Amerikaner wollten zei-gen, daß sie in der Antarktis präsent sind. Des-halb haben sie auch als Grund für ihre Expedi-tion angegeben, sie wollten prüfen, wie Men-schen und Material auf antarktische Verhältnis-se und antarktische Kälte reagieren. Währendwir bei unserer Expedition unsere Flugzeugemit dem Katapult abschossen, starteten dieamerikanischen Flugzeuge vom Flugzeugträgeraus. Von diesen wurden auch die Hubschrauber

gestartet. Man probierte bei dieser Expeditionalles mögliche aus und demonstrierte damitÜberlegenheit.

Schön: Bei Ihrem großen Interesse an Neu-Schwa-benland und der Antarktis wäre es kein Wunder,wenn Sie nach dem Krieg noch einmal auf dem eisi-gen Kontinent gewesen wären?

Sauter: Das war ich: 1989. Ich stellte fest, daßsich in den 50 Jahren zwischen 1939 und 1989in der Antarktis viel verändert hat. Am stärk-sten haben die Amerikaner und die RussenFuß gefaßt. Die Russen haben dort, das mußich mit Hochachtung sagen, einige absoluteKältestationen besetzt, bei nahe 90 Grad mi-nus, die jährlich neu bestückt werden müssen.Die Amerikaner unterhalten eine Dauersta-tion, die fast schon eine richtige Stadt ist. Siehatte schon 1989 einen Flugplatz. Es war kei-ne wissenschaftliche Expedition, sondern einesogenannte „Society-Expedition” mit einemLazi-Sightseeing-Schiff, die mir die Möglich-keit bot, die Antarktis noch einmal zu sehenund zu erleben. Anlaß waren Filmaufnahmen,in denen mir eine besondere Rolle als Miterle-ber der Deutschen Antarktisexpedition1938 / 39 zugedacht war.

Im Film kommt Kapitän Lampe aus Olden-burg raus und begrüßt mich: „Ah, guten Tag,Herr Sauter, wie war es denn in der Antarktis,wie Sie damals, 1939, dort waren?” Und dannhabe ich erzählt: „Große Wale gibt's nicht mehr,ganz anders als damals, als wir Neu-Schwa-benland entdeckt haben. Neu-Schwabenlandist nicht fotogen. Da sehen Sie nur eine hoheEiskante, und dann müssen Sie erst einmalmehrere Stunden mit dem Traktor fahren, umauf die Schirmacheroase zu kommen. Aber imantarktischen Winter geht das nicht. Die deut-sche Neumayer-Station ist auch nur im Som-mer anfahrbar, sie ist auch nicht sehr fotogen,aber dort wird eine sehr gute wissenschaftlicheArbeit geleistet.”

Schön: Hatten Sie nach dem Krieg noch Kontaktmit Teilnehmern der Antarktisexpedition 1938/39?

Sauter: Ja, mit einem, mit FlugzeugführerMayr. Er hat in Frankfurt die Flugkapitän-Prü-fung für die neue Lufthansa gemacht und wur-de danach Flugkapitän von Adenauer, der Bun-deskanzler wollte nur mit ihm fliegen. Mayrwar groß und breit wie ein Doppelspind, erstrahlte Ruhe und Sicherheit aus. Sonst habe ichniemanden mehr getroffen, der bei der Antark-tisexpedition 1938 /39 mit der „Schwabenland ”

dabei war. Leider ist über diese große und be-deutende Antarktisexpedition weder im Drit-ten Reich noch in den jetzt fast 60 Nachkriegs-jahren in den deutschen Medien berichtet wor-den — sie hätte es verdient.

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Page 169: Mythos Neu Schwabenland

ANHANG

AnhangDer Antarktisvertrag

(Stand: 5. August 2003)

Die Regierungen Argentiniens, Australiens, Belgiens, Chi-les, der Französischen Republik, Japans, Neuseelands, Nor-wegens, der Südafrikanischen Union, der Union der Sozia-listischen Sowjetrepubliken, des Vereinigten KönigreichsGroßbritanniens, Nordirland und der Vereinigten Staatenvon Amerika,

in der Erkenntnis, daß es im Interesse der ganzenMenschheit liegt, die Antarktis für alle Zeiten ausschließ-lich für friedliche Zwecke zu nutzen und nicht zum Schau-platz oder Gegenstand internationaler Zwietracht werdenzu lassen;

in Anerkennung der bedeutenden wissenschaftlichenFortschritte, die sich aus der internationalen Zusammenar-beit bei der wissenschaftlichen Forschung in der Antarktisergeben;

überzeugt, daß die Schaffung eines festen Fundamentsfür die Fortsetzung und den Ausbau dieser Zusammenar-beit auf der Grundlage der Freiheit der wissenschaftlichenForschung in der Antarktis, wie sie während des interna-tionalen Geophysikalischen Jahres gehandhabt wurde, denInteressen der Wissenschaft und dem Fortschritt derganzen Menschheit entspricht;

sowie in der Überzeugung, daß ein Vertrag, der die Nut-zung der Antarktis für ausschließlich friedliche Zweckeund die Erhaltung der internationalen Eintracht in der Ant-arktis sichert, die in der Charta der Vereinten Nationen nie-dergelegten Ziele und Grundsätze fördern wird — sind wiefolgt übereingekommen:

Art. I: (1) Die Antarktis wird nur für friedliche Zwecke ge-nutzt. Es werden unter anderem alle Maßnahmen militäri-scher Art wie die Einrichtung militärischer Stützpunkte undBefestigungen, die Durchführung militärischer Manöver so-wie die Erprobung von Waffen jeder Art verboten.

(2) Dieser Vertrag steht dem Einsatz militärischen Perso-nals oder Materials für die wissenschaftliche Forschungoder für sonstige friedliche Zwecke nicht entgegen.

Art. II: Die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung inder Antarktis und die Zusammenarbeit zu diesem Zweck,wie sie während des Internationalen GeophysikalischenJahres gehandhabt wurden, bestehen nach Maßgabe diesesVertrags fort.

Art. III: (1) Um die in Artikel II vorgesehene internatio-nale Zusammenarbeit bei der wissenschaftlichen For-schung in der Antarktis zu fördern, vereinbaren die Ver-tragsparteien, daß, soweit möglich und durchführbar,

a) Informationen über Pläne für wissenschaftliche Pro-gramme in der Antarktis ausgetauscht werden, um einHöchstmaß an Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeitder Unternehmungen zu ermöglichen;

b)wissenschaftliches Personal in der Antarktis zwischenExpeditionen und Stationen ausgetauscht wird;

c)wissenschaftliche Beobachtungen und Ergebnisse ausder Antarktis ausgetauscht und ungehindert zur Verfü-gung gestellt werden.

(2) Bei der Durchführung dieses Artikels wird die Her-stellung von Arbeitsbeziehungen auf der Grundlage derZusammenarbeit mit denjenigen Sonderorganisationen derVereinten Nationen und anderen internationalen Organisa-tionen, die auf ein wissenschaftliches oder technisches In-teresse an der Antarktis haben, auf jede Weise gefördert.

Art. IV: (1) Dieser Vertrag ist nicht so auszulegen,a) als stellte er einen Verzicht einer Vertragspartei auf

vorher geltend gemachte Rechte und Ansprüche auf Ge-bietshoheit in der Antarktis dar;

b) als stellte er einen vollständigen oder teilweisen Ver-zicht einer Vertragspartei auf die Grundlage eines An-spruchs auf Gebietshoheit in der Antarktis dar, die sich ausihrer Tätigkeit oder derjenigen ihrer Staatsangehörigkeitenin der Antarktis oder auf andere Weise ergeben könnte;

c) als greife er der Haltung einer Vertragspartei hin-sichtlich ihrer Anerkennung oder Nichtanerkennung desRechts oder Anspruchs oder der Grundlage für den An-spruch eines anderen Staates auf Gebietshoheit in derAntarktis vor.

(2) Handlungen oder Tätigkeiten, die während der Gel-tungsdauer dieses Vertrags vorgenommen werden, bildenkeine Grundlage für die Geltendmachung, Unterstützungoder Ablehnung eines Anspruchs auf Gebietshoheit in derAntarktis und begründen dort keine Hoheitsrechte. Solan-ge dieser Vertrag in Kraft ist, werden keine neuen An-sprüche oder Erweiterungen neuer Ansprüche auf Ge-bietshoheit in der Antarktis geltend gemacht.

Art. V: (1) Kernexplosionen und die Beseitigung radio-aktiven Abfalls sind in der Antarktis verboten.

(2) Werden internationale Übereinkünfte über die Nut-zung der Kernenergie einschließlich von Kernexplosionenund der Beseitigung radioaktiven Abfalls geschlossen, de-nen alle Vertragsparteien angehören, deren Vertreter zurTeilnahme an den Artikel IX vorgesehenen .Tagungen be-rechtigt sind, so finden die durch solche Übereinkünftefestgelegten Vorschriften in der Antarktis Anwendung.

Art. VI: Dieser Vertrag gilt für das Gebiet südlich von 60°südlicher Breite einschließlich aller Eisbänke; jedoch läßtdieser Vertrag die Rechte oder die Ausübung der Rechte ei-nes Staates nach dem Völkerrecht in bezug auf die HoheSee in jenem Gebiet unberührt.

Art. VII: (1) Um die Ziele dieses Vertrags zu erreichenund die Einhaltung seiner Bestimmungen zu gewährlei-sten, hat jede Vertragspartei, deren Vertreter zur Teilnahmean den in Artikel IX vorgesehenen Tagungen berechtigtsind, das Recht, Beobachter zu ernennen, welche die imvorliegenden Artikel erwähnten Inspektionen durch-führen. Die Beobachter müssen Staatsangehörige der siebenennenden Vertragspartei sein. Die Namen der Beob-achter werden jeder anderen Vertragspartei mitgeteilt, diedas Recht hat, Beobachter zu benennen; ihre Abberufungwird ebenfalls mitgeteilt.

(2) Jeder nach Absatz 1 benannte Beobachter hat jederzeitvöllig freien Zugang zu allen Gebieten der Antarktis.

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Page 170: Mythos Neu Schwabenland

MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

(3)Alle Gebiete der Antarktis einschließlich aller Statio-nen, Einrichtungen und Ausrüstungen in jenen Gebietensowie alle Schiffe und Luftfahrzeuge an Punkten zum Ab-setzen oder Aufnehmen von Ladung oder Personal in derAntarktis stehen jedem nach Absatz 1 benannten Beobach-ter jederzeit zur

jedem

offen.(4) Jede der Vertragsparteien, die ein Recht auf Benen-

nung von Beobachtern haben, kann jederzeit Luftbeobach-tungen über einzelne oder allen Gebieten der Antarktisdurchführen.

(5)Jede Vertragspartei unterrichtet zu dem Zeitpunkt, zudem dieser Vertrag für sie in Kraft tritt, und danach jeweilsim voraus die anderen Vertragsparteien

a) über alle nach und innerhalb der Antarktis von ihrenSchiffen oder Staatsangehörigen durchgeführten Expedi-tionen und alle in ihrem Hoheitsgebiet organisierten odervon dort aus durchgeführten Expeditionen nach der Ant-arktis;

b) über alle von ihren Staatsangehörigen besetzten Sta-tionen in der Antarktis und

c) über alles militärische Personal oder Material, das sieunter den in Artikel I Absatz 2 vorgesehenen Bedingungenin der Antarktis verbringen will.

Art. VIII: (1) Um den nach Artikel 7 Absatz 1 benanntenBeobachtern und dem nach Artikel III Absatz 1 Buchstabeb ausgetauschten wissenschaftlichen Personal sowie dendiese Personen begleitenden Mitarbeitern die Wahrneh-mung ihrer Aufgaben nach diesem Vertrag zu erleichtern,unterstehen sie - unbeschadet der Haltung der Vertrags-parteien bezüglich der Gerichtsbarkeit über alle anderenPersonen in der Antarktis - in bezug auf alle Handlungenoder Unterlassungen, die sie während ihres der Wahrneh-mung ihrer Aufgaben dienenden Aufenthalts in der Ant-arktis begehen, nur der Gerichtsbarkeit der Vertragspartei-en, deren Staatsangehörige sie sind.

(2) Unbeschadet des Absatzes 1 werden bis zur Annahmevon Maßnahmen nach Artikel IX Absatz 1 Buchstabe e dieVertragsparteien, die an einer Streitigkeit über die Aus-übung von Gerichtsbarkeit in der Antarktis beteiligt sind,einander umgehend konsultieren, um zu einer für alle Sei-ten annehmbaren Lösungen zu gelangen.

Art. IX: (1) Vertreter der in der Präambel genannten Ver-tragsparteien halten binnen zwei Monaten nach Inkrafttre-ten dieses Vertrags in der Stadt Canberra und danach in an-gemessenen Abständen und an geeigneten Orten Tagun-gen ab, um Informationen auszutauschen, sich über Fragenvon gemeinsamem Interesse im Zusammenhang mit derAntarktis zu konsultieren und Maßnahmen auszuarbeiten,zu erörtern und ihren Regierungen zu empfehlen, durchwelche die Grundsätze und Ziele des Vertrags gefördertwerden, darunter Maßnahmen

a) zur Nutzung der Antarktis für ausschließlich friedli-che Zwecke;

b)zur Erleichterung der wissenschaftlichen Forschung inder Antarktis;

c) zur Erleichterung der internationalen wissenschaftli-chen Zusammenarbeit in der Antarktis;

d)zur Erleichterung der Ausübung der Inspektionsrech-te nach Artikel VII;

e) im Zusammenhang mit Fragen betreffend die Aus-übung von Gerichtsbarkeit in der Antarktis;

f)zur Erhaltung und zum Schutz der lebenden Schätze inder Antarktis.

(2) Jede Vertragspartei, die durch Beitritt nach Artikel XIIIVertragspartei geworden ist, ist zur Benennung von Vertre-tern berechtigt, die an den in Absatz 1 genannten Tagungenteilnehmen, solange die betreffende Vertragspartei durch dieAusführung erheblicher wissenschaftlicher Forschungsarbei-ten in der Antarktis wie die Einrichtung einer wissenschaft-lichen Station oder die Entsendung einer wissenschaftlichenEx edition ihr Interesse an der Antarktis bekundet.

3) Berichte der in Artikel VII genannten Beobachter wer-den den Vertretern der Vertragsparteien übermittelt, die anden in Absatz 1 genannten Tagungen teilnehmen.

(4) Die in Absatz 1 genannten Maßnahmen werden wirk-sam, sobald sie von allen Vertragsparteien genehmigt wor-

den sind, deren Vertreter zur Teilnahme an den zur Erörte-rung dieser Maßnahmen abgehaltenen berechtigt waren.

(5) Einzelne oder alle in diesem Vertrag vorgesehenen Rechte können vom Tag des Inkraftretens des Vertrages an ausgeübt werden, gleichviel ob Maßnahmen zur Erleichterung der Ausübung solcher Rechte nach diesem Artikel vorgeschlagen, erörtert oder genehmigt worden sind.

Art. X: Jede Vertragspartei verpflichtet sich, geeignete, imEinklang mit der Charta der Vereinten Nationen stehendeAnstrengungen zu unternehmen, um zu verhindern, daß inder Antarktis eine Tätigkeit entgegen den Grundsätzenoder Zielen dieses Vertrags aufgenommen wird.

Art. XI: (1) Entsteht zwischen zwei oder mehr Vertrags-parteien eine Streitigkeit über die Auslegung oder Anwen-dung dieses Vertrags, so konsultieren die betreffenden Ver-tragsparteien einander, um die Streitigkeit durch Verhand-lung, Untersuchung, Vermittlung, Vergleich, Schiedsver-fahren, gerichtliche Beilegung oder sonstige friedliche Mit-tel ihrer Wahl beilegen zu lassen.

(2) Jede derartige Streitigkeit, die nicht auf diese Weisebeigelegt werden kann, wird - jeweils mit Zustimmung al-ler Streitparteien - dem Internationalen Gerichtshof zurBeilegung unterbreitet; wird keine Einigkeit über die Ver-weisung n den Internationalen Gerichtshof erzielt, so sinddie Streitparteien nicht von der Verpflichtung befreit, sichweiterhin zu bemühen, die Streitigkeit durch eines der ver-schiedenen in Absatz 1 genannten friedlichen Mittel beizu-legen.

Art. XII: (1) a) Dieser Vertrag kann jederzeit durch ein-hellige Ubereinstimmung der Vertragsparteien, deren Ver-treter zur Teilnahme an den in Artikel IX vorgesehenen Ta-gungen berechtigt sind, geändert oder ergänzt werden. Ei-ne solche Anderung oder Ergänzung tritt in Kraft, wenndie Depositarregierung von allen diesen Vertragsparteiendie Anzeige erhalten hat, daß sie sie ratifiziert haben.

(b) Danach tritt eine solche Anderung oder Ergänzungfür jede andere Vertragspartei in Kraft, wenn deren Ratifi-kationsanzeige bei der Depositarregierung eingegangen ist.Jede Vertragspartei, von der binnen zwei Jahren nach In-krafttreten der Anderung oder Ergänzung nach Buchstabea keine Ratifikationsanzeige eingegangen ist, gilt mit Ab-lauf dieser Frist dem Vertrag zurückgetreten.

(2) a) Eine Konferenz aller Vertragsparteien wird so baldwie möglich abgehalten, um die Wirkungsweise dieses Ver-trags zu überprüfen, wenn nach Ablauf von dreißig Jahrennach Inkrafttreten des Vertrags eine der Vertragsparteien,deren Vertreter zur Teilnahme an den in Artikel IX vorge-sehenen Tagungen berechtigt sind, durch eine Mitteilungan die Depositarregierung darum ersucht.

b) Jede Anderung oder Ergänzung dieses Vertrags, dieauf einer solchen Konferenz von der Mehrheit der dort ver-tretenen Vertragsparteien einschließlich einer Mehrheitderjenigen genehmigt worden ist, deren Vertreter zur Teil-namean den in Artikel IX vorgesehenen Tagungen be-rechtigt sind, wird von der Depositarregierung allen Ver-tragsparteien sofort nach Abschluß der Konferenz mitge-teilt und tritt gemäß Absatz 1 in Kraft.

c) Ist eine solche Anderung oder Ergänzung nicht binnenzwei Jahren nach Mitteilung an alle Vertragsparteien

gemäß Absatz 1 Buchstabe A in Kraft getreten, so kann jede Vertragspartei jederzeit nach Ablauf dieser Frist derDe-positarregierung ihren Rücktritt von diesem Vertrag mit-teilen; der Rücktritt wird zwei Jahre nach Eingang der Mit-teilung bei der Depositarregierung wirksam.

Art. XIII: (1) Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation durchdie Unterzeichnerstaaten. Er liegt für jeden Staat zum Bei-tritt auf, der Mitglied der Vereinten Nationen ist, sowie fürjeden anderen Staat, der mit Zustimmung aller Vertrags-parteien, deren Vertreter zur Teilnahme an den in Artikel IXvorgesehenen Tagungen berechtigt sind, zum Beitritt ein-geladen wird.

(2) Die Ratifikation dieses Vertrags oder der Beitritt da-zu wird durch jeden Staat nach Maßgabe seiner verfas-sungsrechtlichen Verfahren durchgeführt.

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Page 171: Mythos Neu Schwabenland

ANHANG

(3)Ratifikationsurkunden und Beitrittsurkunden werdenbei der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hin-terlegt, die hiermit zur Depositarregierung bestimmt wird.

(4) Die Depositarregierung teilt allen Unterzeichnerstaa-ten und beitretenden Staaten den Tag der Hinterlegung jederRatifikations- oder Beitrittsurkunde sowie den Tag der In-krafttretens des Vertrags und etwaiger Anderungen oder Er-gänzungen desselben it.

(5) Nach Hinterlegung der Ratifikationsurkunden durchalle Unterzeichnerstaaten tritt dieser Vertrag für jene Staatenund für Staaten in Kraft, die Beitrittsurkunden hinterlegt ha-ben. Danach tritt der Vertrag für jeden beitretenden Staat mitHinterlegung seiner Beitrittsurkunde in Kraft.

(6) Die Depositarregierung läßt diesen Vertrag nach Arti-kel 102 der Charta der Vereinten Nationen registrieren.

Art. XIV: Dieser Vertrag, der in englischer, französischer,russischer und spanischer Sprache abgefaßt ist, wobei jedeFassung verbindlich ist, wird im Archiv derRegierung

gleichermaßenVereinigten Staaten von Amerika hinterlegt;

diese übermittelt den Regierungen der Unterzeichnerstaatenund beitretenden Staaten gehörig Abschriften.

Zu Urkund dessen haben dieü

unterzeichneten, gehörig be-fugten Bevollmächtigten diesen Vertrag unterschrieben.

Geschehen zu Washington am 1. Dezember 1959.(Unterschriften)

Deutsche Antarktisexpeditionen bis 1939

1. 1873—1874Eduard Dallmann, Kapitän, Robbenjäger und WalfängerSchiff: „Grönland”Erster Einsatz eines (Segel-)Dampfschiffes im Südpolar-gebietErkundung der Bismarckstraße, der Kaiser-Wilhelm-In-seln u.a.Auftraggeber: Polarfischereigesellschaft in Hamburg

2. 1874von Reibnitz, KapitänSchiff: „Arkona”Erkundung eines geeigneten Standortes für die Beob-achtung eines Venus-Vorüberganges am 9. Dezember1874. Diese erfolgte dann durch Ladislaus Weineck aufden Kerguelen.

3. 1874—1876Georg Emil Gustav Freiherr von Schleinitz, Kapitän(später Admiral)Schiff: „Gazelle”Ozeanographische Erkundungen und Vermessungen imGebiet der KerguelenKarte 1 : 175.000: „Kerguelen-Insel, von Howe-Insel bisAccessible-Bai”

4. 1882—1883Dr. Kurt SchraderSchiffe: „Moltke ” und „Marie ”

Teilnahme am 1. Internationalen PolarjahrGeographische und meteorologische MessungenÜberwinterung auf Südgeorgien

5. 1893—1894Carl Anton Larsen, Kapitän, norwegischer WalfängerSchiffe: „Jarson”, zusammen mit „Hertha” unter Ka-pitän EvensenErkundungen an der Ostküste der Antarktischen Halb-inselKarte 1 : 7.500.000: „Dirck Gherritz-Archipel ” (1895)Auftraggeber: Dampfschiffahrtsgesellschaft „Oceana”Hamburg

6. 1898—1899Prof. Dr. Carl Chun, ZoologeSchiff: „Valdivia” unter Kapitän Sachse und KapitänKrechOzeanographische und biologische Erkundungen zwi-schen den Kerguelen und Enderby-Land. Dabei wurdedie Insel Bouvet wiederentdeckt. Die Kraterrand-Hö-henmessung ergab den Kaiser-Wilhelm-Pik als höchstenPunkt.Auftraggeber: Reichsregierung

7. 1901—1903erste offizielle Deutsche Antarktische ExpeditionProf. Dr. Erich von Drygalski, Geograph, GeophysikerSchiff: „Gauss I” unter Kapitän Hans RuserErkundung des Kaiser-Wilelm-II.-Landes und Vermes-sung des Gaussberges mit erstmaligem Einsatz der ter-restrischen Photogrammetrie bei einer deutschen Expe-dition. Erstmals Herstellen von Luftbildern der Antark-tis aus einem befestigten Ballon in 500 m Höhe am29.3.1903.Karte 1 : 7.500: „Der Gaussberg”Karte 1 : 15.000: „Das Inlandeis am Gaussberg ”

Karte 1 : 250.000: „Das Schelfeis der Posadowsky-Bai ”

Kartenskizze: „Posadowsky-Bai mit dem Winterlagerdes Gauss”Auftraggeber: Kaiser Wilhelm II., Reichsregierung, GrafBaudissin, Graf Posadowsky

8. 1911—1912zweite offizielle Deutsche Antarktische ExpeditionDr. Wilhelm Filchner, WissenschaftlerSchiff: „Deutschland ” unter Kapitän Richard Vahsel undKapitän Alfred KlingErkundung des Prinzregent-Luitpold-Landes und desFilchner-Schelfeises. Das Schiff wurde vom Eis einge-schlossen und triftete 9 Monate lang durch das Weddel-meer.Karte 1 : 450.000: „Prinzregent-Luitpold-Land ”

Auftraggeber: Reichsregierung, Prinzregent Luitpoldvon Bayern u.a.

9. 1925—1927Prof. Dr. Alfred MerzSchiff: „Meteor” unter Kapitän (später Admiral) Dr. h. c.SpiessOzeanische Erkundungen um die Insel BouvetAuftraggeber: Deutsche Forschungsgemeinschaft unterPräsident Dr. F. Schmitt-Otto

10. 1928—1929Dr. Ludwig Kohl-LarsenSchiff: „Thorhammer ”

Gletscher-Messung auf Südgeorgien

11. 1938—1939dritte offizielle Deutsche Antarktische ExpeditionAlfred Ritscher, Kapitän, ExpeditionsleiterSchiff: „Schwabenland ” unter Kapitän Alfred KottasErkundung von Neu-Schwabenland (rund 600.000 km2 ).Zwischen 20.1. und 4.2.1939 wurden 11.600 Luftbildererstellt (Schrägmeßluftbilder mit Zeiß RMK 21 /18).Karten 1 : 500 000, 1 : 50.000Auftraggeber: Reichsregierung, Deutsche Forschungs-gemeinschaft unter Präsident Prof. Dr. Rudolf Mentzel

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Page 172: Mythos Neu Schwabenland

MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Deutsche Antarktische Expedition 1938/39

Fahrtteilnehmer

Expeditionsleiter:

Kapitän des Schiffes:

Eislotse:

Schiffsarzt:Flugkapitän:

- Flugzeug-mechaniker:

- Flugfunker:Luftbildner:

Flugkapitän:

- Flugzeug-mechaniker:

- Flugfunker:- Luftbildner:

1.Meteorologe:

2. Meteorologe:

- TechnischerAssistent:

- TechnischerAssistent:

Biologe:

Geophysiker:

Geograph:

Ozeanograph:

1. Offizier:2. Offizier:3. Offizier:4. Offizier:Schiffsfunkleiter:Schiffsfunkoffizier:Schiffsfunkoffizier:Leitender Ingenieur:2. Ingenieur:3. Ingenieur:4. Ingenieur:4. Ingenieur:Ingenieur-Assistent:

Kapitän Alfred Ritscher,Regierungsrat imOberkomando derKriegsmarine,Nautische Abteilung

Kapitän Alfred Kottas,Handelsschiffskapitän, DLH

Kapitän Otto Kraul,Handelsschiffskapitän,

Oberkomando derKriegsmarine

Dr. Josef Bludau, NDLRudolf Mayr,

Führer des Dornier-Wal-Flug-bootes „Passat”, DLH

Franz Preuschoff, DLHHerbert Ruhnke, DLHMax Bundermann,

Hansa Luftbild GmbHRichardheinrich Schirmacher,Führer des Dornier-Wal-Flug-bootes „Boreas”, DLH

Kurt Loesener, DLHErich Gruber, DLHSiegfried Sauter,

Hansa Luftbild GmbHDr. Herbert Regula,

Deutsche Seewarte HamburgHeinz Lange,

Studienassessor, Reichsamtfür Wetterdienst BerlinWalter Krüger,

Reichsamt für WetterdienstBerlin

Wilhelm Gockel,MarineobservatoriumWilhelmshaven

Erich Barkley,Studienreferendar, Reichsstellefür Fischerei, Institut fürWalforschung Hamburg

cand. geophys. Leo Gburek,Erdmagnetisches InstitutLeipzig

Dr. Ernst Herrmann,Studienrat, Berlin

cand. rer. nat. Karl-HeinzPaulsen, HamburgHerbert Amelang, NDLKarl-Heinz Röbke, NDLHans Werner Viereck, NDLVincenz Grisar, NDLErich Harmsen, DLHKurt Bojahr, DLHLudwig Müllmerstadt, DLHKarl Uhlig, NDLRobert Schulz, NDLHenry Maas, NDLEdgar Gäng, NDLHans Nielsen, NDLJohann Frey, NDL

Ingenieur-Assistent:Ingenieur-Assistent:Elektriker:

Elektriker:Werkmeister:- Katapultführer:- Lagerhalter:- Flugmechaniker:- Flugmechaniker:- Flugmechaniker:Bootsmann:1. Zimmermann:2. Zimmermann:Matrose:Matrose:Matrose:Matrose:Matrose:Matrose:Matrose:Matrose:Matrose:Leichtmatrose:Decksjunge:Logisjunge:Lagerhalter:Motorenwärter:Motorenwärter:Motorenwärter:Hilfskesselwärter:Hilfskesselwärter:Reiniger:Reiniger:Reiniger:Reiniger:Backschafter:1. Koch:2. Koch:Kochsmaat

und Bäcker:Kochsmaat

und Schlachter:Kochsjunge:1. Steward:Steward:Steward:Messesteward:Messesteward:Messesteward:Messejunge:Messejunge:

Georg Jelschen, NDLHeinz Siewert, NDLElektro-Ingenieur HerbertBruns, Atlas-Werke BremenKarl-Heinz Bode, NDLHerbert Bolle, DLHWilhelm Hartmann, DLHAlfred Rücker, DLHFranz Weiland, DLHAxel Mylius, DLHWilhelm Lender, DLHWilly Stein, NDLRichard Wehrend, NDLAlfons Schäfer, NDLHeinz Hoek, NDLJürgen Ulpts, NDLAlbert Weber, NDLAdolf Kunze, NDLKarl Hedden, NDLEugen Klenck, NDLFritz Jedamezyk, NDLEmil Brandt, NDLKurt Ohnemüller, NDLAlfred Peters, NDLAlex Burtscheid, NDLKarl-Heinz Meyer, NDLWalter Brinkmann, NDLDietrich Witte, NDLErich Kubacki, NDLWalter Dräger, NDLKarl 0lbrich, NDLGeorg Niemüller, NDLFriedrich Mathwig, NDLFerdinand Dunekamp, NDLErwin Steinmetz, NDLHerbert Callis, NDLHelmut Dukatschow, NDLOtto Sieland, NDLFritz Troe, NDL

Gottfried Thole, NDL

Ferdinand Wolf, NDLHans Büttner, NDLWilli Reeps, NDLWilhelm Malyska, NDLRudolf Stawicki, NDLWilli Fröhling, NDLJohann von de Logt, NDLRudolf Burghard, NDLRolf Oswald, NDLJohann Bates, NDL

Expeditionsteilnehmer insgesamt: 82 Personen

Zusammensetzungder Expeditionsteilnehmer:Norddeutscher Lloyd 53 PersonenDeutsche Lufthansa 16 PersonenHansa Luftbild GmbH 2 PersonenWissenschaftler, Spezialisten 9 PersonenOberkommando der Kriegsmarine 2 Personen

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Page 173: Mythos Neu Schwabenland

ANHANG

Literaturverzeichnis

Archive und Ämter

Auswärtiges Amt der Deutschen Bundesregierung, BerlinAlfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung

(AWI) in der Heimholzgemeinschaft — Institut für Polar-und Marine-Recherchen

Bibliothek für Zeitgeschichte, StuttgartBundesarchiv — Außenstelle BerlinBundesarchiv — Marineabteilung, KoblenzBundesarchiv — Militärarchiv, Freiburg i.Br.Bundesministerium für Bildung und Forschung, Bonn /

Bad GodesbergBundesministerium für Justiz, BerlinDeutsche Lufthansa AH — Archiv KölnDeutsches U-Boot-Archiv, CuxhavenHamburger Institut für Wirtschaftsforschung (HWA) — Ar-

chiv HamburgMilitärgeschichtliches Forschungsamt, PotsdamPresse- und Informationsamt der Bundesregierung, BerlinSee-Berufsgenossenschaft, Hamburg

Monographien

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173

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Lazi, Franz (Regie). Antarktis: Die Trockentäler von Victoria-Land. Kommentar v. Heinz Kohnen. VHS Video, 1993.43:00 min.

Lazi, Franz (Regie). Expedition „Neuschwabenland ”: DeutscheForscher in der Antarktis 1939 und 1989. VHS Video, 1989.39:00 min.

Lazi, Franz (Regie). Weltpark Antarktis: Kontinent der Super-lative. Kommentar v. Widmar Puhl. VHS Video, 1993.43:00 min.

Sonstiges

Sauter, Siegfried, Teilnehmer der Deutschen AntarktischenExpedition 1938/39. Interview des Autors, 2004.

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Page 175: Mythos Neu Schwabenland

INHALTSVERZEICHNIS

InhaltsverzeichnisVorwort: Einem Geheimnis auf der Spur . . . S. 4

Einleitung: Die Antarktis, der friedlichsteTeil unserer Erde............................................. S. 6

Geheimauftrag fürAlfred Ritscher ..................S. 8

Göring plant Expedition in die Antarktis ...... S. 8Deutsche Entdeckerfahrten

in die Antarktis..........................................S. 8Gegen „antarktische Untätigkeit”..................S. 9Die Drygalski-Expedition 1901—1903............ S. 10Filchner mit der „Deutschland”

in der Antarktis ..........................................S. 10Erste Vorbereitungen für

die dritte deutsche Antarktisexpedition . S. 11Die Deutsche Lufthansa als Partner ...............S. 12Schiffs- und Flugkapitän Alfred Ritscher ...... S. 17Ein Auftrag unter Schweigepflicht ................ S. 18Hiobsbotschaft aus Brasilien..........................S. 19M / S „Schwabenland”

wird Expeditionsschiff.............................. S. 20

Vor der dritten deutschenAntarktisexpedition.........................................5.22

Hakenkreuze für die Antarktis...................... S. 23Neue Aufgabe für M / S „Schwabenland”......S. 24Expeditionsbüro verlegt

von Berlin nach Hamburg.........................S. 24Vom Katapultschiff zum Expeditionsschiff . S. 28Wissenschaftler und Besatzung vollständig S. 30Amerikanischer Polarforscher

Byrd als Berater ..........................................S. 30Die letzte Phase der Vorbereitung..................S. 31Die Probefahrt.................................................S. 32„Alle Besucher von Bord — wir laufen aus! ” S. 33

Von Hamburg bis ans Ende der Welt ...............5.34

Die Ausfahrt ....................................................S. 34Statt Sonne Schneegestöber ............................S. 36Der Bordalltag.................................................S. 37Die Arbeit der Wissenschaftler beginnt.........S. 37Was tun die Flieger, wenn sie nicht fliegen? S. 38Weihnachten an Bord ......................................S. 39Aquatortaufe am Silvestertag........................ S. 40M / S „Schwabenland”

mit geringerer Marschleistung ..................S. 42Loten ist angesagt...........................................S. 42Passieren der Insel Ascension........................ S. 43Tristan da Cunha —

die einsamste Insel der Welt......................S. 43Erfolgsgewißheit .............................................S. 44

„Anker klar zum Fallen ” ...................................................S. 44Wie ist die Eislage?......................................... S. 44Eisberge in Sicht..............................................S. 45Die Heimatpost geht ab..................................S. 48Drei Kapitäne und ein Schiff ..........................S. 48Am Ziel: Der erste Probeflug......................... S. 49

Die Entdeckung von Neu-Schwabenland ....... 5.50

Die Flugboote sind gerüstet ...........................S. 51„Boreas” startet zum ersten Fernflug ............ S. 52M / S „Schwabenland” in der Eisfalle ............ S. 56„Passat” wird zum Fernflug abgeschossen . S. 58Alfred Ritscher an Bord des „Boreas” ............S. 59Keine Ruhepause für die Wissenschaftler.....S. 64Erste Flugperiode abgeschlossen ...................S. 64Schlechtwetterperiode und Wartezeit ........... S. 68Endlich wieder Sonnenschein........................S. 68„Passat” landet in einem Eisfjord .................. S. 69Begegnung mit Antarktisbewohnern ............ S. 72Gedenkfeier zum

„Tag der Machtergreifung”.......................S. 73Mit „Passat” auf Pinguinfang ........................S. 76Ein Eisberg kalbt .............................................S. 77Vollbeschäftigung für den Biologen .............. S. 77Der letzte Flug des „Passat”...........................S. 80Packeis und schlechtes Wetter ....................... S. 81Ritscher entdeckt Seenplatte..........................S. 81Die letzte deutsche Fahne wird gehißt.......... S. 88Letzte Nacht und letzter Tag

in der Antarktis ..........................................S. 88Neu-Schwabenland

ist in Besitz genommen...............................S. 89

Zurück nach Hamburg via Kapstadt .............. 5.91

Antarktisexpeditionerfolgreich abgeschlossen......................... S. 91

Eisberge im Dunkel der Nacht .......................S. 92Windstärke 11 — Gefahr für die Flugzeuge . S. 92Droht eine „Expeditionspsychose”? .............. S. 93Arbeit, Wind und Eisberge.............................S. 94Kapstadt begrüßt die „Schwabenland”......... S. 95Kapstadt — Wiedersehen nach 38 Jahren........S. 96Gastfreundschaft der deutschen Kolonie ...... S. 97Der letzte Tag in Kapstadt..............................S. 97Auf Heimatkurs ..............................................S. 98Andere Länder, andere Sitten........................ S. 98Fernando de Naronha — der „Finger Gottes ” S.100Hamburg wirft seine Schatten voraus ........... S.101„Herzlich willkommen in der Heimat”.........S.102Adolf Hitler dankt und ehrt Alfred Ritscher . S.103Ein Empfang, der nicht stattfand ...................S.106Norwegen erklärt:

Neu-Schwabenland gehört uns ................ S.107

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MYTHOS NEU-SCHWABENLAND

Die „Schwabenland” im Kriegseinsatz............S. 108

Alfred Kottas bleibt Kapitänauf der „Schwabenland”........................... S.108

Der geglückte Kanaldurchbruch ....................S.109Torpedotreffer, aber nicht gesunken.............. S.110Das Ende: Versenkt im Skagerrak..................S.111

„Operation Highjump” der US-Marine . . . . S. 112

Die Hinterlassenschaftdes Zweiten Weltkrieges ........................... S.113

Amerika sucht Adolf Hitler........................... S.114„Kommandant, Sie haben Hitler versteckt!” . S.114Hitler in Neu-Schwabenland?........................S.118Mit einer US-Armada in die Antarktis .......... S.118Unvorhergesehene Zwischenfälle..................S.122Eine „höchst erfolgreiche Expedition” ...........S.128

Die Bundesrepublik Deutschlandund die Antarktis.............................................S.131

Gemeinschaftsprojekt: Norwegen -Großbritannien - Schweden ......................S.131

Die friedliche Besetzungvon Neu-Schwabenland............................ S.132

Der erste Rüstungsbegrenzungsvertragnach dem Zweiten Weltkrieg .................... S.133

Keine deutschen Ansprücheauf Neu-Schwabenland?........................... S.133

Die deutschen Namen in der Antarktis ......... S.136

Die neue deutsche Antarktisforschung ......... S.144Vom „Unternehmen Eiswarte ” bis zum

Forschungsschiff „Polarstern” .................. S.145

Hitler am Südpol —"surfen" in Neu-Schwabenland...................... S.146

Baumaterial in die Antarktis.......................... S.147Antarktisstützpunkt 211................................. S.148Warmwasser-Tiefseestraße.............................S.149Deutsche U-Boote verschwunden ................. S.150Hitlers Flucht ins ewige Eis............................S.152Flugscheiben im Endkampf........................... S.154Atombomben über Neu-Schwabenland........S.155

Nachwort: Zeitbombe Antarktis..................... S. 156

Anmerkungen.................................................. S.158

Im Gespräch mit Siegfried Sauter...................S.160

Anhang............................................................S.169

Der Antarktisvertrag......................................S.169Deutsche Antarktisexpeditionen bis 1939 ......S.171Deutsche Antarktische Expedition 1938 /39:

Fahrtteilnehmer.........................................S.172

Literaturverzeichnis .........................................S. 173

Das Titelbild zeigt einen Berg im Wohlthatmassiv (Foto: Franz Lazi)Seite 1: Ein Granitpfeiler im westlichen Mühlig-Hofmann-Gebirge

Seite 2 / 3: Die zentralen Drygalskiberge, rechts das MatterhornSeite 6 / 7: Die „Zähne des Fenriswolfes” in der westlichen Gebirgskette der Drygalskiberge

Die Fotos von Franz Lazi und Dr. Wilfried Bauer in diesem Buch stammen aus den letztenzwanzig Jahren. Die Schwarzweiß-Aufnahmen stammen aus dem Winter 1938 /39.

Die Aufnahmen ohne Quellenangabe wurden uns freundlicherweise von Herrn Siegfried Sauterzur Verfügung gestellt.

Ergänzende, kritische oder zustimmende Zuschriften erbeten an:

Heinz Schön • Auf dem Sepp 19 • D-32107 Bad SalzuflenTelefon: (05222) 74 24 • Fax: (05222) 7 39 20

Bibliographische Information der Deutschen BibliothekDie Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie;

detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http: / / dnb.ddb.de abrufbar.

ISBN 3-935962-05-3© 2004 BONUS-Verlag. Alle Rechte vorbehalten

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Beilage zum Bericht der Deutschen Antarktischen Expedition 1938'39;(i ' 0

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