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Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr. Med. Habil. Martin Spro ¨ ßig Am 16.09.2009 feierte der Pionier der breiten wissenschaftlichen Erforschung der Peressigsa ¨ ure seinen 90. Geburtstag. Prof. Dr. Spro ¨ ßig, der am 16.09.1919 in Freiberg/Sn geboren wurde, besuchte ein Gymnasium in Dresden und beendete das Abitur 1938. Der Verlauf des Medizinstudiums in Hamburg, Tu ¨ bingen und Frankfurt a.M. zog sich eine Weile hin, da er nun wie viele andere auch in seinem Alter, in den Krieg eingezogen wurde. Seine Facharztausbildung in Bakteriologie und Hygiene absolvierte er im Forschungsinstitut der Krankenhausanstalten in Bad Elster. Um seine Ausbildung fortzusetzen und die Promotion abzuschließen, wechselte er 1951 an das Hygiene-Institut der Universita ¨t Greifswald. Dabei lernte er bei Prof. Dr. Kurt Herzberg einem Vorreiter der Virologie in Greifswald, dessen ju ¨ ngster Assistent er auch wurde. Nachdem Herzberg, nach Marburg und spa ¨ ter nach Frankfurt a.M. berufen wurde, ging Spro ¨ ßig zu dessen ehemaligen Ober- assistent Prof. Dr. Urbach nach Jena. Dort bewies er seine guten organisatorischen Fa ¨ higkeiten beim Aufbau einer virologischen Abteilung. Dabei widmete er sich intensiv der virologischen Forschung. 1958 habilitierte er zu dem Thema ’’ Das Kulturver- fahren im exembryonierten Brutei als neue Arbeitsmo ¨ glichkeit in der quantitativen virologischen Untersuchungstechnik . Dies war eine sehr aktuelle Habilitation, da zu dieser Zeit gerade wieder eine Influenzapandemie ausgebrochen war. Nach der Habilitation baute Spro ¨ ßig eine weitere virologische Abteilung in Potsdam auf. 1959 wurde er als Hochschuldozent und Direktor des Instituts fu ¨r Medizinische Mikrobiologie und Epidemiologie an die medizini- sche Akademie berufen. Hier stand zuna ¨ chst der Aufbau eines neuen Instituts im Vordergrund, da bisher nur eine provisorische Einrichtung existierte. 1963 erfolgte dann die Berufung zum Professor mit Lehrstuhl. In diese Zeit fa ¨ llt die gemeinsame Arbeit mit seinem Chemiker Dr. Horst Mu ¨ cke u ¨ ber die experimentelle Erforschung der Per- essigsa ¨ ure als Desinfektionsmittel. Dies stellte einen großen Entwicklungssprung auf dem Gebiet der Desinfektion dar. Denn damit erhielt ein Wirkstoff Einzug in die Desinfektions- mittelpraxis, welcher bisher auf diesem Gebiet eher beila ¨ ufig im Bereich der Gnotobiotik Anwendung gefunden hat. Die ge- meinsam erarbeiteten Ergebnisse stellten Spro ¨ ßig und Mu ¨ cke zuerst auf dem Jahreskongress der Gesellschaft fu ¨ r Seuchen- schutz am 16. Oktober 1963 vor. Spro ¨ ßigs Vortrag ’’ U ¨ ber die stark viruzide Eigenschaft eines praktisch anwendbaren Alkohol- Peressigsa ¨ ure-Gemisches stellte erstmals auch die Peressigsa ¨ ure in Kombination mit einen schon in der Desinfektionsmittelpraxis bekannten Wirkstoff vor. In den darauf folgenden Jahren begann nun die umfangreicher Untersuchung der praktischen Anwendung auf dem Gebiet der Humanmedizin. Dabei waren die Kenntnisse u ¨ ber die sehr rasche mikrobiozide Wirkung der Peressigsa ¨ ure bei nur auch bei sehr geringen Temperaturfehler nicht nur fu ¨ r die Wissenschaftler auf dem Ge- biete der Humanmedizin von Interesse war, sondern auch von großen Interesse fu ¨ r die Wissenschaftler auf den Gebieten der Veterina ¨ r- und Milita ¨ rmedizin. Die vielen neuen Erkenntnisse u ¨ ber die Peressigsa ¨ ure als hoch wirksames Desinfektionsmittel wurden von einer weiteren Ar- beitsgruppe besta ¨ tigt, die unabha ¨ ngig von Spro ¨ ßig und Mu ¨ cke schon kurz vor diesen mit der Erforschung der Peressigsa ¨ ure als Desinfektionsmittel unter einem anderen Thema begannen. Da- bei handelt es sich um die Arbeitsgruppe aus dem Bereich der Milita ¨ rmedizin der ehem. C ˇ SSR die eng mit den Namen Prof. Buhomil Tischa ´c ˇek und Dr. Vladimir Merka ´ verbunden ist. Diesen ist zu verdanken, dass in der ehem. C ˇ SSR schon bald ein na- tionales Forschungsprogramm zur Untersuchung der Peressig- sa ¨ ure zustande kam und bereits 1966 auf einer Veranstaltung in Prag in vielen Vortra ¨ gen deren Ergebnisse bekannt gegeben wur- den. Diese Ergebnisse wurden publiziert und ins Deutsche u ¨ ber- setzt. Damit kam auch die Verbindung dieser beiden Arbeits- gruppen zustande, welche nun in einem kollegialen Wissenschafts- austausch traten. So wundert es nicht, dass zum Teil auch aus Mangel an Alter- nativen die Peressigsa ¨ure in der ehem. DDR und C ˇ SSR besonders umfangreich untersucht und anschließend immer mehr in der Praxis zum Einsatz kam, so dass insbesondere auf folgenden Gebieten die Peressigsa ¨ ure als Desinfektionsmittel eine breite Anwendung fand: In der Human- und Milita ¨ rmedizin bei der Fla ¨ chendesinfek- tion, Instrumentendesinfektion, Ha ¨ ndedesinfektion und Ste- rilisation. In der Veterina ¨ rmedizin zur vorla ¨ ufigen- und Schlussdesin- fektion in Form der Fla ¨ chendesinfektion und Raumdesinfek- tion sowie fu ¨ r therapeutische Zwecke. In der Lebensmittel- und Getra ¨nkeindustrie u.v.a.m. Dies kurze Auflistung ist allerdings nicht vollsta ¨ ndig, das wu ¨ rde den Rahmen dieses Beitrages sprengen und eine u ¨ berma ¨ ßige Betonung dieses Fachgebietes, zu den anderen nicht minder Krh.-Hyg. + Inf.verh. 31 Heft 4 (2009): 171–172 171 http://www.elsevier.de/khinf

Nachrichten des Fachverbandes fuer Desinfektoren Landesverband Sachsen e.V. - Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr. med. habil. Martin Sproessig

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Zum 90. Geburtstag von Prof. Dr. Med. Habil. Martin Sproßig

Am 16.09.2009 feierte der Pionier der breiten wissenschaftlichenErforschung der Peressigsaure seinen 90. Geburtstag.

Prof. Dr. Sproßig, der am 16.09.1919 in Freiberg/Sn geborenwurde, besuchte ein Gymnasium in Dresden und beendete dasAbitur 1938. Der Verlauf des Medizinstudiums in Hamburg,Tubingen und Frankfurt a.M. zog sich eine Weile hin, da er nunwie viele andere auch in seinem Alter, in den Krieg eingezogenwurde. Seine Facharztausbildung in Bakteriologie und Hygieneabsolvierte er im Forschungsinstitut der Krankenhausanstalten inBad Elster. Um seine Ausbildung fortzusetzen und die Promotionabzuschließen, wechselte er 1951 an das Hygiene-Institut derUniversitat Greifswald. Dabei lernte er bei Prof. Dr. Kurt Herzbergeinem Vorreiter der Virologie in Greifswald, dessen jungsterAssistent er auch wurde.Nachdem Herzberg, nach Marburg und spater nach Frankfurta.M. berufen wurde, ging Sproßig zu dessen ehemaligen Ober-assistent Prof. Dr. Urbach nach Jena. Dort bewies er seine gutenorganisatorischen Fahigkeiten beim Aufbau einer virologischenAbteilung. Dabei widmete er sich intensiv der virologischenForschung. 1958 habilitierte er zu dem Thema

’’Das Kulturver-

fahren im exembryonierten Brutei als neue Arbeitsmoglichkeit inder quantitativen virologischen Untersuchungstechnik

’’

.Dies war eine sehr aktuelle Habilitation, da zu dieser Zeit geradewieder eine Influenzapandemie ausgebrochen war.Nach der Habilitation baute Sproßig eine weitere virologischeAbteilung in Potsdam auf.1959 wurde er als Hochschuldozent und Direktor des Instituts furMedizinische Mikrobiologie und Epidemiologie an die medizini-sche Akademie berufen. Hier stand zunachst der Aufbau einesneuen Instituts im Vordergrund, da bisher nur eine provisorischeEinrichtung existierte. 1963 erfolgte dann die Berufung zumProfessor mit Lehrstuhl.In diese Zeit fallt die gemeinsame Arbeit mit seinem ChemikerDr. Horst Mucke uber die experimentelle Erforschung der Per-essigsaure als Desinfektionsmittel. Dies stellte einen großenEntwicklungssprung auf dem Gebiet der Desinfektion dar.Denn damit erhielt ein Wirkstoff Einzug in die Desinfektions-mittelpraxis, welcher bisher auf diesem Gebiet eher beilaufig imBereich der Gnotobiotik Anwendung gefunden hat. Die ge-meinsam erarbeiteten Ergebnisse stellten Sproßig und Muckezuerst auf dem Jahreskongress der Gesellschaft fur Seuchen-schutz am 16. Oktober 1963 vor. Sproßigs Vortrag

’’Uber die

stark viruzide Eigenschaft eines praktisch anwendbaren Alkohol-Peressigsaure-Gemisches

’’

stellte erstmals auch die Peressigsaure

in Kombination mit einen schon in der Desinfektionsmittelpraxisbekannten Wirkstoff vor.In den darauf folgenden Jahren begann nun die umfangreicherUntersuchung der praktischen Anwendung auf dem Gebiet derHumanmedizin.Dabei waren die Kenntnisse uber die sehr rasche mikrobiozideWirkung der Peressigsaure bei nur auch bei sehr geringenTemperaturfehler nicht nur fur die Wissenschaftler auf dem Ge-biete der Humanmedizin von Interesse war, sondern auch vongroßen Interesse fur die Wissenschaftler auf den Gebieten derVeterinar- und Militarmedizin.Die vielen neuen Erkenntnisse uber die Peressigsaure als hochwirksames Desinfektionsmittel wurden von einer weiteren Ar-beitsgruppe bestatigt, die unabhangig von Sproßig und Muckeschon kurz vor diesen mit der Erforschung der Peressigsaure alsDesinfektionsmittel unter einem anderen Thema begannen. Da-bei handelt es sich um die Arbeitsgruppe aus dem Bereich derMilitarmedizin der ehem. CSSR die eng mit den Namen Prof.Buhomil Tischacek und Dr. Vladimir Merka verbunden ist. Diesenist zu verdanken, dass in der ehem. CSSR schon bald ein na-tionales Forschungsprogramm zur Untersuchung der Peressig-saure zustande kam und bereits 1966 auf einer Veranstaltung inPrag in vielen Vortragen deren Ergebnisse bekannt gegeben wur-den. Diese Ergebnisse wurden publiziert und ins Deutsche uber-setzt. Damit kam auch die Verbindung dieser beiden Arbeits-gruppen zustande, welche nun in einem kollegialen Wissenschafts-austausch traten.So wundert es nicht, dass zum Teil auch aus Mangel an Alter-nativen die Peressigsaure in der ehem. DDR und CSSR besondersumfangreich untersucht und anschließend immer mehr in derPraxis zum Einsatz kam, so dass insbesondere auf folgendenGebieten die Peressigsaure als Desinfektionsmittel eine breiteAnwendung fand:

In der Human- und Militarmedizin bei der Flachendesinfek-tion, Instrumentendesinfektion, Handedesinfektion und Ste-rilisation.

In der Veterinarmedizin zur vorlaufigen- und Schlussdesin-fektion in Form der Flachendesinfektion und Raumdesinfek-tion sowie fur therapeutische Zwecke.

In der Lebensmittel- und Getrankeindustrie u.v.a.m.

Dies kurze Auflistung ist allerdings nicht vollstandig, das wurdeden Rahmen dieses Beitrages sprengen und eine ubermaßigeBetonung dieses Fachgebietes, zu den anderen nicht minder

Krh.-Hyg. + Inf.verh. 31 Heft 4 (2009): 171–172 171http://www.elsevier.de/khinf

wichtigen Forschungsschwerpunkten von Prof. Sproßig bedeu-ten.Die Forschungen des Erfurter Institutes beschrankten sich nichtnur auf Untersuchungen der Peressigsaure und ihrer Anwendungsondern umfasste viele Tatigkeiten, die trotz zum Teil immerungunstiger werdender außerer Umstande national und inter-national Beachtung fanden. So beschaftigte man sich in diesemInstitut mit dem gesicherten Virusnachweis im Inneren von Or-ganen sowie der Diagnostik und Epidemiologie von Mycoplas-ma-Infektionen aber auch mit der Entwicklung von antiviralenVerbindungen.Einen breiten Platz nahm naturlich die Heranbildung angehenderMediziner ein. Auch auf diesem Gebiet war Prof. Sproßig mit 60Doktoranden und 6 Habilitanden sehr erfolgreich.Gemeinsam mit Gunter Anger schrieb Sproßig das Buch

’’Mi-

krobiologisches Vademecum

’’

, das in vier Auflagen erschien undeine Agenda fur die Kliniker und Mikrobiologen zur damaligenZeit darstellt. Besonders hervorzuheben sind seine systematischeGliederung, und der die Organsysteme sowie die mikrobiologi-sche Diagnosatik betreffende Teil. Das Buch hat zur damaligenZeit den aktuellen Stand des Wissens sehr gut vermittelt, davonkann man sich heute noch uberzeugen, wenn man sich mitdessen Inhalt vertraut macht.

172 Krh.-Hyg. + Inf.verh. 31 Heft 4 (2009): 171–172http://www.elsevier.de/khinf

Trotz der Tatsache, dass die Peressigsaure in der Humanmedizinnur noch bei wenigen Anwendungen zum Einsatz kommt, kannman heute noch weitere Betatigungsfelder fur die Anwendungder Peressigsaure finden. Die umfassende, rasche mikrobiozideWirkung der Peressigsaure auch unter ungunstigen Temperatur-bedingungen hat dazu gefuhrt, dass z.B. im Bereich des Kata-strophenschutzes als unentbehrlich einzustufen ist.Insbesondere aufgrund der Veroffentlichungen von Prof. Dr.Sproßig und Dr. Mucke beschaftigt man sich gegenwartig imAuftrage des Bundesamtes fur Bevolkerungsschutz und Kata-strophenhilfe (BBK) beim Robert Koch-Institut in einem For-schungsvorhaben mit der Desinfektion von Schutzausrustungenunter ungunstigen Bedingungen und bei kurzen Einwirkungs-zeiten.So bleibt nur noch zu wunschen, dass Prof. Dr. Sproßig sich trotzseiner neunzig Lenze wohlfuhlt und ihm weitere moglichst vielegesunde Jahre gegonnt seien!

Fur den Fachverband fur Desinfektoren

Reinhard Steffler(Vorstandsmitglied)