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Nanotechnologie –Medizinische Aspekte
11. Alpines Kolloquium für Sicherheit und Gesundheit auf Baustellen
4.-5.11.2010, Wagrain
Dr. Valic Eva
AUVA - Hauptstelle
21.02.2011
21.02.2011
Definitionen und Bezeichnungen
Ultrafeine StäubeStäube mit Partikelgröße <100 nm. Diese Partikel entstehen unabsichtlich durch Verbrennungsprozesse (CDNP- combustion-derived nanoparticles) oder bei der mechanischen Bearbeitung der Werkstoffe (Dieselrußpartikel, Schweißrauch, Industrieruß, Titandioxid)
NanopartikelPartikel die in zwei oder drei Dimensioneneine Größe von <100 nm aufweisen, absichtlich produziert
21.02.2011
Nanometer- ein Nanometer entspricht 10-9 =0,000000001 Meter,ein Milliardstel Meter; nanos (griechisch) = Zwerg
Nanoobjekt ist ein Material mit einer, zwei oder drei Dimensionen im Nanobereich (< 100 nm)
Nanoplättchen - eine Dimension im NanobereichNanostäbchen - zwei Dimensionen im Nanobereich
NanodrahtNanoröhreNanofaser
Nanopartikel - drei Dimensionen im Nanobereich
Nanomaterial ist ein Material mit einer oder mehreren Dimensionen oder inneren Strukturen (Nanoobjekte inkorporiert in einer Matrix oder einem Substrat) im Nanobereich (< 100 nm)
Die genaue Definition von Nanopartikel und ultrafeinen Partikel findet sich in der ISO/TS 27687
Definitionen und Bezeichnungen
21.02.2011
1 10 10² 10³ 104 105 106 107 108
Fullerene
Quantum dots
Nanoröhrchen
Nanokapseln
Moleküle Antikörper Virus Bakterie Krebszelle Sandkorn Tennisball
Nanoskala
1µm 1mmNanometer
21.02.2011Gas- und feuchtigkeitsdichte FolienBierfässer
Hohe DichteStabilitäts- und Geschmackserhaltung
Ton-Nanopartikel
SchwangerschaftstestFarbreaktionGold-Nanopartikel
Autolackierungen, Baumaterial, SanitärbereichKratzfestigkeit, Glanzeffekt, StabilitätKeramik-Nanomaterial
PutzmittelSanitärkeramikAbgaskatalysatoren
OberflächenversiegelungOberflächenveredelungTräger für Edelmetalle
Aluminium-Nanopartikel
Baumaterialien, FüllmaterialienImprägnierungen, Versiegelungen, Reinigungsmittel, GlasfensterLebensmittelerzeugung
Stabilität und Altersbeständigkeit,Feuerfestigkeit, Isolation, hoheDichte, geringes GewichtSelbstreinigung, öl- und wasserabweisende BeschichtungenVerbesserte Rieselfähigkeit, Sämigkeit,verringerte Haftfähigkeit
Siliziumdioxid-Nanopartikel
Dieselmotoren, KatalysatorenSenkung der Verbrennungstemperaturvon Kohlenstoff, Einfluss aufVerbrennungseffizienz und Schadstoffbildung
Ceroxid-Nanopartikel
Autoreifen, SportgeräteKnochenaufbau und -verstärkung nach Frakturen, orthopädische ImplantateProzessoren, SpeichereinheitenFullerene in Kosmetika und als Medikamententräger
Strukturverstärkende WirkungQuanteneffekteAntioxidanzien
Kohlenstoff-Nanoobjekte-SWCNT-MWCNT-Fullerene
SonnenschutzUV-SchutzZinkoxid-Nanopartikel
Textilien, Farben und Lacke, Reinigungsmittel, Kosmetika Sonnenschutz
Schmutzabweisend, selbstreinigend,wasserabweisendUV-Schutz
Titandioxid-Nanopartikel
Kosmetik, Klimaanlagenfilter, Kühlschränke, Staubsauger, Textilien
Antimikrobielle WirkungHemmung der Geruchsentwicklung
Silber-Nanopartikel
AnwendungsbeispieleWirkungen/EigenschaftenNanoobjekt
21.02.2011
Autobedarf• Versiegelungen, Polituren (Scheiben, Felgen,
Lacke)• Innenraumpflege - schmutz und
wasserabweisend• Autoreifen mit Nanokomposit-Materialien• Lacke mit keramischen NP • Motoröl-Additive mit Nano-Verschleißschutz-
Strukturen
21.02.2011
Baumaterialien• Nano Fassadenfarben• Polymeradditive für Beton, Abdichtungen• Selbstreinigende Tondächer• Reparaturmörtel und Fliesenkleber mit
Nanostrukturen
21.02.2011
Beschichtungen• Verschiedene Oberflächen• „Lotus Effekt“, antibakteriell,
schmutz- und wasserabweisend, Anti-Finger-Print, Anti-Graffiti
• Nano-Silber, Silane, Nanokomposite, Zirkonfluorid
21.02.2011
Geräte• Antibakterielle Beschichtung mit Nano-
Silber: Waschmaschinen, Kühlgeräte, Klimageräte, Haarglätter, Haar- und Bartschneidemaschinen, Dampfgeräte, Luftbefeuchter, Hörgeräte, Staubsauger, Notebook-Tastatur
• Backöfen mit nanokeramischerBeschichtung
• Bügeleisen mit Nano-Glas-Beschichtung
Kosmetik• Hautcremes, Shampoos,
Haarpflegemittel, Deos mit Nanosomen, Liposomen, Mizellen, Nanoemulsionen (Wirkstofftransport)
• Make-Up mit Nano-Pigmenten• Sonnenschutzmittel mit Nano-
Titandioxid
21.02.2011
Textilien• Wasser- und
schmutzabweisendeOutdoorbekleidung
• Hemden, Krawatten, Berufsbekleidung mit Fleckenschutz-Ausrüstung
• Antibakterielle Unterwäsche mit Nanosilber
21.02.2011
Nano in der Medizin
Hüftendoprothese
21.02.2011
Die Nanosensoren mit einem Durchmesser von weniger als fünf Nanometer auf lebenden ZellenFelix de la Iglesia, M.D., University of Michigan
21.02.2011
Zukunftsmusik: Nanotechnikbasierte Sensoren in der Medizin, Militär, …
Wissenschaftler des Georgia Institute of Technology (Gatech) haben Sensoren entwickelt, die über piezoelektrische Nanogeneratoren verfügen. Generator und Sensor bestehen aus Nanodrähten aus Zinkoxid. Die Sensoren können den pH-Wert von Flüssigkeiten messen oder erkennen ultraviolettes (UV) Licht. Der Nanogenerator besteht aus einer Anordnung von rund 20.000 Nanodrähten, die sich entweder waagerecht oder senkrecht angeordnet in einer flexiblen Polymerhülle befinden. Elektrische Energie wird durch den piezoelektrischen Effekt gewonnen: Werden die Nanodrähte verformt, wandeln sie mechanische Energie in elektrische.
Toxikologie von Nanopartikel
21.02.2011
Die gesicherten toxikologischen Daten stammen vorwiegend aus Studien mit ultrafeinen StäubenEinige Eigenschaften der Nanopartikel sind besonders besorgniserregend, z.B. ausgeprägte Reaktivität, Durchgängigkeit durch die Körper- und Zellbarrieren und Unlöslichkeit (Biopersistenz)Verunreinigungen während des Syntheseprozesses,z.B. Schwermetalle als KatalysatorenUnzureichende toxikologische Daten, die Expositionszeiten für mögliche chronische Effekte sind sehr kurz, Applikationswege in Tierversuchen entsprechen nicht den realen Bedingungen in der ArbeitsweltEine sichere Risiko-Extrapolation zwischen ultrafeinen Stäuben und Nanopartikel ist nicht möglich, da es sich teilweise um völlig unterschiedliche Strukturen/Eigenschaften handelt
Nanopartikel ≠ Nanopartikel
21.02.2011
Nanoobjekt In vitro Tierversuch Human
Fullerene(sphärische Moleküle aus Kohlenstoffatomen)
Membranpassage ZelltoxizitätOxidativer StressPhototoxizitätGentoxizität
Ratte: Letal Dose50 = 600mg/kg i.p.Akute Entzündung der Lunge nach i.t. InstillationNierenschädigendZerfall von RotblutkörperchenPlazentagängig, ReproduktivtoxischMetallofulerene- Tod durch ThromboembolieBildung von spezifischen Antikörper
Keine Daten verfügbar
21.02.2011
Nanoobjekt In vitro Tierversuch Human
Carbon Nanotubes(Kohlenstoffröhrchen)
SWCNT- single wallMWCNT- multi wall
Membranpassage Häufung in der Zelle und Zellkern Anstieg von EntzündunsgmediatorenZelltoxizitätOxidativer StressGentoxizitätT-Lymphozyten: Zellschädigung und ZelltodImmunsuppression: Suppression der B-LymphozytenfunktionGefäßzellen: Anstieg der inflamatorischen GentranskriptionAktivierung des Komplementsystems in Humanserum (Entzündungskette)Hypothese: Metallgehalt von CNT (bis 50%) ist für biol. Effekte verantwortlich
Nach i.t. Instillation: entzündliche Reaktion der Lunge, Granulome, FibroseKanzerogene Wirkung: Mesotheliom nach Instillation in die BauchhöhleSchädigung der GefäßzellenRatte: Akkumulation in den Knochen nach i.p. Gabe 80% wird über die Niere ausgeschieden
Keine Hautirritation oder Allergie bei Hautapplikation
There are currently about 50.000 different types of carbon nanotubes due to different raw materials, production processes and catalysts (Schulte et al. 2009)
21.02.2011
HumanTierversuchIn vitroNanoobjekt
Keine Daten verfügbar
Schnelle DarmpassageAkkumulation in Leber, Magen, DarmAusscheidung - Urin, StuhlEntzündliche Reaktion der LungeGerinnungsneigung erhöhtZerfall von RotblutkörperchenImmunantwort
Schädigung der Zellmembran, Transport in die Zelle fraglich
Dendrimere: Zelltoxizität
Nanokapseln, Nanosphären, Nanomuscheln, Dendrimere(künstliche Molekülen)
21.02.2011
HumanTierversuchIn vitroNanoobjekt
Keine Daten verfügbar
Hautresorbtion in einem Schweinehaut-ModelAkkumulation in Leber, Knochenmark, Lymphknoten
Zelltoxizität auf Grund von Cd-Freilassung bei unbeschichteten NanopartikelnGentoxisch
Quantum dots(Nanokristalle oder künstliche Atome z.B. CdSe/ZnS)
21.02.2011
Aufnahme, Verteilung
▪ Inhalativ
Nase:
Riechschleimhaut → Penetration/Translokation - N. olfaktorius → Hirn
Lunge: - Deposition
- Translokation - systemische Aufnahme frei oder proteingebunden
- Fähigkeit durch die Körperbarrieren durchzudringen:
Blut-Hirn, -Plazenta, -Hoden Schranke, Zell- und Kernmembrane
▪ Orale
▪ Dermale: Hautpenetration nicht gesichert
▪ Parenteral: i.v. Gabe von Medikamenten, „targeting“
von Organen und Gewebe (Tumor)
EM Aufnahme: Aluminum Nanopartikel in derZelle nach einer in vitro Exposition
21.02.2011
Entscheidende Faktoren für die biologische Aktivität▪ Größe
▪ Enorm große Oberfläche im Verhältnis zur Masse
▪ Oberflächen Reaktivität enorm erhöht
▪ Veränderung der physikalischen und chemischen Materialeigenschaften (z.B. Löslichkeit, Reaktivität, Leitung, optische und katalytische Eigenschaften)
▪ Das toxische Potential von nanoskaligen Partikeln ist umgekehrt proportional zu deren Größe
“je kleiner, desto toxischer“
21.02.2011
Zusammenhang: Partikelmasse, Partikelzahl und OberflächeBei gleicher Masse → enorme Vergrößerung der Oberfläche durch Verkleinerung der Partikeln
GesamtmasseGesamtmasse 1111 1 1
PartikelgrPartikelgrößößee 0,010,01µµmm0,10,1µµmm 11µµm m
PartikelzahlPartikelzahl 1.000.0001.000.0001.0001.000 11
Gesamtoberfläche 100 10 1
OberflOberflääche eines Partikelsche eines Partikels 0,00010,0001 0,01 0,01 11
21.02.2011
Nanopartikeln/Nanomaterialien sind potentiell
▪ cytotoxisch
▪ inflamatorisch
▪ gentoxisch
▪ kanzerogen
Eine Generalisierung der Toxizität soll vermieden werden
21.02.2011
Ausscheidung
▪ Lunge 2 Reinigungsmechanismen:
▪ Flimmerhärchen und Schleim ▪ Reinigungszellen (Makrophagen)
▪ Blut▪ Akkumulation
▪ im Retikuloendothelialsystem(Leber, Milz, Knochenmark, Lymphknoten)
▪ Ausscheidung ▪ Niere → Urin <5nm schnell
> 15 nm sehr langsam oder nicht (PAMAM- Poly (amidoamine) dendrimere, DM 5nm → Verstopfung der Nierenporen)
▪ Leber → Galle → Darm → Stuhl
Besorgnisserregend-potentielle Akkumulation und Biopersistenz
21.02.2011
Besonders besorgniserregend sind biopersistente Nanofasern
▪ Strukturelle Ähnlichkeit mit Asbestfasern
(DM 0,7- 20 nm, Länge bis einige mm)
▪ Carbon nanotubes (CNT)- aufgrund von Fasergeometrie und Biopersistenz bestehen Befürchtungen über fibrogene und kanzerogene Wirkung
▪ Mesotheliomnachweis im TierversuchTakagi et al.: Induction of mesothelioma in p53+/− mouse by intraperitonealapplication of multi-wall carbon nanotube, The Journal of ToxicologicalSciencesVol. 33 (2008) , No. 1 February 105-116
21.02.2011
Hypothese - potentielle CNT Kanzerogenese1. Makrophagen sind aufgrund der Fasergeometrie nicht im Stande längere CNT
zu fressen2. Lymphstomata der Parietalpleura sind rund, Fasergeometrie erlaubt keinen
Durchgang → Faserretention → chronische Entzündung → Mesotheliom
21.02.2011
Exposition am Arbeitsplatz und Messmethoden
• Herstellungsprozesse- abgeschlossene Reaktoren, Exposition weniger wahrscheinlich
• Eine Luftkontamination an den Schnittstellen wie Abfüllung, bei den Probenahmen, bei Reinigungs- und Wartungsarbeiten sowie bei Störungen möglich
• Bei weiteren Anwendungen in verschiedenen Industriebranchen oder in Forschungslabors
• Die Messung der Nanopartikel ist durch ISO/TR 27628 2007 normiert (Umwelt- und Hintergrundbelastung mit ultrafeinen Stäuben wird vom Nanopartikel - Messwert abgezogen)
• Stationäre Geräte - Partikelanzahl bzw. die Oberflächenkonzentration der Nanopartikel in der Luft am Arbeitsplatz
• Sehr aufwendige und teure Methoden, die nur durch erfahrenes Fachpersonal zu bedienen sind
21.02.2011
Messmethoden• Kondensationskeimzähler CPC
(Condensation Particle Counter) -Gesamtzahl der Partikel
• SMPS (Scaning Mobility Particle Sizer) -Anzahl der Nanopartikel nach Größenverteilung im Größenbereich von 3 bis 800 nm
• DC (Diffusion charger) oder ELPI (ElectricalLow Pressure Impactor) - direkte Oberfächenmessung
• Aerosol-Massenspektroskopie - chemische Analyse
• Elektronenmikroskopie (TEM/REM) - Größe, Morphologie und Struktur
• Für schnelle Übersichten steht ein kleiner tragbarer Kondensationskeimzähler (TSI 3007 CPC) zur Verfügung
• Tragbare personenbezogene Messgeräte werden gerade validiert
21.02.2011
Regelungen und Empfehlungen zum Schutz der Arbeitnehmerinnen/Arbeitnehmern
• Spezielle Regelungen für Nanomaterialien liegen nicht vor. Es gelten, wie für alle anderen chemischen Stoffe, die grundlegenden gesetzlichenRegelungen
• Mitteilung der Kommission der Europäischen Gemeinschaft „Regelungsaspekte bei Nanomaterialien“:„wenn das volle Ausmaß einer Gefährdung unbekannt ist, die Bedenken jedoch so groß sind dass Risikomanagementmaßnahmen als notwendig erachtet werden, wie derzeit bei den Nanomaterialien der Fall ist, müssen die Maßnahmen auf dem Vorsorgeprinzip gründen“
• BAUA - Leitfaden für Tätigkeiten mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz„Bei der Festlegung der Schutzmaßnahmen sollen, wie bei anderen Stoffen, Substitutionsmöglichkeiten, technische und organisatorische Schutzmaßnahmen in Betracht gezogen werden. Wenn diese Schutzmaßnahmen nicht ausreichend sind, sind persönliche Schutzmaßnahmen wie Atemschutz (z.B. Atemschutzmaske FFP2 und FFP3), Schutzbekleidung, Schutzbrille und Schutzhandschuhe notwendig“
http://www.baua.de/nn_44628/de/Themen-von-A-Z/Gefahrstoffe/Nanotechnologie/pdf/Leitfaden-Nanomaterialien.pdf?
21.02.2011
Zusammenfassend• Rasante Entwicklung immer neuerer
Nanopartikel/Nanomaterialien• Risikoeinschätzung ist derzeit erschwert, da teilweise keine
oder mangelnde toxikologische Daten vorhanden sind • Die toxikologischen Daten stammen vorwiegend aus Zellkultur-
und Tierstudien, eine direkte Übertragung auf Menschen ist nicht unproblematisch
• Eine individuelle Expositionseinschätzung ist schwer durchführbar
• Starke Umwelteinflüsse • Keine einheitlichen Messmethoden/Messparameter,
toxikologische Tests/Endpoints → Standardisierung • Ein potentielles gesundheitliches Risiko besteht, bei Menschen
sind derzeit keine berufliche Erkrankungen durch Nanopartikelbekannt
• Eine Generalisierung der Toxizität soll vermieden werden