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Nr. 4/2015 Natur in NRW Erfolgreich wiederangesiedelt: die Emschergroppe Haselhuhn & Co: Maßnahmenplan für das Vogelschutzgebiet Burbach Moore: Renaturierung nach biogeochemischen Kriterien Heilpflanzen: Diversität in den Ackerökosystemen Siegmündung: Besucherverhalten im Naturschutzgebiet Geothermie: Potenzial in NRW

Natur in NRW Nr. 4/2015

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Nr. 4/2015Natur in NRW

Erfolgreich wiederangesiedelt:die Emschergroppe

Haselhuhn & Co:Maßnahmenplan für das Vogelschutzgebiet Burbach

Moore:Renaturierung nach biogeochemischen Kriterien

Heilpflanzen:Diversität in denAckerökosystemen

Siegmündung:Besucherverhalten im Naturschutzgebiet

Geothermie:Potenzial in NRW

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Natur in NRW 4/152

Impressum InhaltTitelbild:Emschergroppe, Foto: B. Stemmer

Herausgeber:Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV)Leibnizstraße 10D-45659 Recklinghausen, Telefon 0 23 61 3 [email protected]

Redaktion:Martina Lauber, Andrea Mense (verantwortlich)[email protected]

Redaktionsbeirat: Dr. Jürgen Eylert, Daniel Fey,Dr. Bertram Leder, Carla Michels,Adalbert Niemeyer-Lüllwitz

Abonnentenservice:TÜV Media GmbH/TÜV Rheinland GroupZentraleAm Grauen Stein51105 KölnTelefon 02 21 8 06-3535, Telefax 02 21 8 [email protected]

Erscheinungsweise:vierteljährlich März, Juni, September, Dezember.Einzelheft: 2,– € zuzügl. Porto.Jahresabonnement: 7,50 € einschl.Porto.Bestellungen, Anschriftänderungen, Abonnement-fragen mit Angabe der Abonummer, Abbestellun-gen (drei Monate vor Ende des Kalenderjahres)siehe Abonnentenservice.

Druck und Verlag:B.O.S.S Medien GmbHvon-Monschaw-Straße 547574 Goch, Telefon 0 28 23 9 29 98-0www.boss-druck.de

Für unverlangt eingesandte Manuskripte sowieBücher für Buchbesprechungen wird keine Haftung übernommen. Durch das Einsenden von Fotografien und Zeichnungen stellt der Absenderden Verlag von Ansprüchen Dritter frei. Die Redaktion behält sich die Kürzung und Bearbei-tung von Beiträgen vor. Veröffentlichungen, dienicht ausdrücklich als Stellungnahme des Landes-amtes für Natur, Umwelt und VerbraucherschutzNordrhein-Westfalen gekennzeichnet sind, stellendie persön liche Meinung des Verfassers dar.

ISSN 2197-831X (Print)ISSN 2197-8328 (Internet)

100% Umweltpapier

Fachbeiträge

Bernd Stemmer, Gunnar JacobsErfolgreiche Wiederansiedlung der Groppe im Emscher-Einzugsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Bettina Fels, Michael Abt, Timur Beck, Michael Frede, Michael Gertz, Dagmar Schlaberg, Kerstin Schmidt, Joachim Weiss, Elmar WulfPerspektive für Haselhuhn, Braunkehlchen & Coim Siegerland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18

Arno Geiger, Rainer Mönig, Karin Ricono, Manfred Henf, Claudia JaehrlingÖkologische Trassenpflege für die Schlingnatter . . . . . . . . . . 23

Sebastian Krosse, Gijs van Dijk, Esther C.H.E.T. Lucassen, Emiel Brouwer, Alfons J.P. Smolders, Jan G.M. RoelofsDie Wiederherstellung nährstoffarmer Moore am Valkenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27

Mechthild NeitzkeHeilpflanzendiversität in den Ackerökosystemen Nordrhein-Westfalens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32

Heiko HauptNaturschutzgebiete ohne Beschützer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37

Klaus VogelAnalyse des geothermischen Potenzials für NRW . . . . . . . . . 42

Rubriken

Editorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

Journal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Veranstaltungshinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10

Buchbesprechungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47

Informationsangebote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

Jahresinhalt 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

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Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser, viele Arten benötigen heute gezielte Hilfs-programme, um eine Zukunft in Nord-rhein-Westfalen zu haben. So entwickeltedas Landesamt für Natur, Umwelt und Ver-braucherschutz (LANUV) mit zahlreichenPartnern den Vogelschutz-Maßnahmen-plan „Wälder und Wiesen bei Burbach undNeunkirchen“. Dort lebt ein kleiner Rest-bestand des landesweit vom Aussterbenbedrohten Haselhuhns, dem mehr geeig -nete Habitate zur Verfügung gestellt wer-den sollen. Für die Emschergroppe hat sich der Lebens raum durch die Renaturierungenim Emschereinzugsgebiet verbessert. Sokonnte die Art, die 1997 als Reliktvorkom-men in einem Zufluss der Emscher ent-deckt wurde, bis heute erfolgreich und instabilen Populationen in weiteren Neben-gewässern wiederangesiedelt werden. Bei der Wiederherstellung von Lebens-räumen sollten die standörtlichen Ge -gebenheiten genau betrachtet werden, da-mit sich am Ende aller Bemühungen auchder gewünschte Biotoptyp und seine Be-wohner einstellen. Kolleginnen und Kol-legen aus den Niederlanden stellen vor,wie nährstoffarme Moore unter Berück-sichtigung der Gewässer- und Boden -chemie renaturiert werden können. Viele Naturschutzprojekte sind besondersdann erfolgreich, wenn sie durch haupt-beruflich und ehrenamtlich tätige Natur-schützerinnen und -schützer gemeinsammit Betroffenen vorangetrieben werden.Ein gutes Beispiel dafür ist die „Projekt-gruppe Schlingnatterschutz“ im bergi-schen Städtedreieck, die für ihr inzwi-schen 20-jähriges Engagement mit demLandespflegepreis ausgezeichnet wurde. Doch nicht jedes Engagement verläuft er-folgreich: Am Beispiel des Naturschutz-gebiets an der Siegmündung legt ein Bei-trag den Finger in die Wunde, wenn es umdie begrenzten Befugnisse und Möglich-keiten geht, im Alltag die Einhaltung vonNaturschutzverordnungen auch tatsäch-lich durchzusetzen. Hier sind weitere Dis-kussionen und Lösungsansätze gefragt,damit gute Naturschutzvorgaben in derPraxis auch Wirkung entfalten können. Freuen Sie sich wieder auf ein Heft mitvielen spannenden Beiträgen, neuen Ein-blicken und vielen Informationen. Ihnenallen wünsche ich einen guten Start in einerfolgreiches und glück liches Jahr 2016.

Ihr

Dr. Thomas DelschenPräsident des Landesamtes für Natur, Umweltund Verbraucherschutz NRW

Haselhuhn im Haselbusch, Foto: J.Weiss

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Startschuss für dasBlaue BandBundesumweltministerin Barbara Hen-dricks und Bundesverkehrsminister Ale-xander Dobrindt gaben Ende Septemberden Startschuss für das Bundesprogramm„Blaues Band“. Gemeinsam ergreifen diebeiden Ministerien damit die Initiative, imNetz der Fließgewässer einen Biotop-verbund von nationaler Bedeutung aufzu-bauen.Aufgrund der geänderten Anforderungenan die deutschen Wasserstraßen existiertein rund 2.800 Kilometer langes Neben-netz von Wasserstraßen, das kaum mehrfür den Gütertransport gebraucht wird.Diese Wasserstraßen haben oftmals natur-nahe Gewässerstrukturen und ein hohesökologisches Entwicklungspotenzial. Andieser Stelle setzt das durch die Bundes-regierung im letzten Koalitionsvertrag ver-einbarte Bundesprogramm „Blaues Band“an. Es soll Fließgewässer und Auen rena-turieren, die ein bundesweit verbindendes„Blaues Band“ darstellen können. DieWasserstraßen stehen vorrangig im Eigen-tum des Bundes. Die Wasser- und Schiff-fahrtsverwaltung des Bundes soll mit Renaturierungsmaßnahmen an dafür ge-eigneten Wasserstraßen beauftragt werden. Das Programm wird derzeit von einer Arbeitsgruppe der beiden Ministerien er-arbeitet und soll einen Handlungsrahmenfür die nächsten Jahre und Jahrzehnte dar-stellen. Darin werden die für den nationa-len Biotopverbund in Frage kommendenFlussabschnitte konkretisiert und priori-siert. Bei der Übertragung zusätzlicherAufgaben an die Wasser- und Schifffahrts-verwaltung sind noch neue gesetzlicheGrundlagen zu schaffen und die erforder-lichen Personalressourcen und Finanz-mittel zuzuweisen. Zum Bundesprogramm„Blaues Band“ soll Ende 2016 eine Be-schlussfassung des Bundeskabinetts her-beigeführt werden.Im Haushalt des Bundesumweltministe-riums stehen im Rahmen des Zukunfts-investitionsprogramms bereits fünf Millio-nen Euro für Maßnahmen des Bundes-programms in den Jahren 2016 bis 2018zur Verfügung.

Hendricks startet Naturschutz-OffensiveBundesumweltministerin Barbara Hen-dricks hat sich für eine Neuausrichtung des Systems der Agrarsubventionen ausge-sprochen. Die Höhe der Zuwendungen solle sich künftig weniger an der Fläche alsan den Leistungen der Landwirtinnen undLandwirte für den Naturschutz orientieren,sagte Hendricks bei der Vorstellung des naturschutzpolitischen Aktionsprogramms„Naturschutz-Offensive 2020“. „Ich möchte

den Schutz von Natur und Landschaft wieder nach vorne bringen. Dabei ist derHandlungsbedarf in der Landwirtschaft amgrößten.“ Im Ackerbau klaffe die Scherezwischen Realität und Ziel am weitestenauseinander. Insgesamt enthält die „Naturschutz-Offen-sive 2020“ zehn Handlungsfelder und 40konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dernationalen Strategie biologische Vielfaltder Bundesregierung. Neben der landwirt-schaftlich genutzten Kulturlandschaft ste-hen Nutzungen von Küsten und Meeren,insbesondere die Fischerei, sowie von Auenlandschaften und Wäldern im Fokus.Weitere Initiativen werden für Schutzge-biete, Biotopverbünde und Wildnisflächenvorgeschlagen. Auch im Rahmen der Städtebauförderung soll mehr Raum fürNatur und Naturerleben geschaffen werden.Hendricks: „In Deutschland leben geradeim städtischen Raum viele Menschen, dieaus anderen Kulturkreisen kommen und zu vielen verschiedenen Religionsgemein-schaften gehören. Aktuell kommen dieFlüchtlinge dazu. Sich gemeinsam für die Natur zu engagieren, schafft Verbin-dungen über alle kulturellen und religiösenGrenzen.“ Die angekündigte Umsetzungsinitiativewurde in einer gemeinsamen Erklärung der Umweltschutzorganisationen BUND,DNR, DUH, NABU und WWF als „drin-gend notwendiges Zeichen zur rechtenZeit“ bewertet. Bundesregierung und Län-der müssten jetzt endlich dafür sorgen,dass die Nationale Strategie zur Biolo-gischen Vielfalt mit Leben gefüllt und um-gesetzt werde. Ausdrücklich begrüßten sie,dass Hendricks mit der Forderung nach einer grundlegenden Neuausrichtung derAgrarsubventionen eine längst fällige Diskussion angestoßen habe. Das Handlungsprogramm „Naturschutz-Offensive 2020“ gibt es als 40-seitige Bro-schüre des Bundesumweltministeriums undkann hier bestellt oder heruntergeladenwerden: www.bmub.bund.de/B1050-0. Zusätzlich steht online eine Fachinfor-mation mit ergänzenden Sachinformatio-nen zur Verfügung: www.bmub.bund.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Naturschutz/naturschutz-offensive_2020_fachinformation.pdf.

Überarbeitung des Greenings notwendigDer Negativtrend typischer Agrarvögelkann durch die aktuellen Vorgaben zurAusgestaltung der Ökologischen Vorrang-flächen nicht gestoppt werden. Zu diesemSchluss kommt die Fachgruppe Vögel inder Agrarlandschaft der Deutschen Orni-thologen-Gesellschaft (D-OG) in einerStellungnahme. Die Vögel der Agrarlandschaft gehörendeutschland- und europaweit zu den amstärksten im Bestand zurückgehenden Arten. Ursache hierfür ist die zunehmendeIntensivierung der landwirtschaftlichenNutzung in der Agrarlandschaft. Nach demIndikatorenbericht „Nationale Strategiezur biologischen Vielfalt“ des Bundes-umweltministeriums liegt der auf der Be-standsentwicklung typischer Agrarvögelberuhende Teilindikator Agrarland nurnoch bei 56 Prozent des Zielwertes undweist damit seinen bislang niedrigstenWert auf. Hohe Erwartungen wurden im Jahr 2014 indas „Greening“ der Gemeinsamen Agrar-politik der EU gesetzt, insbesondere in dieSchaffung Ökologischer Vorrangflächen.Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftervon Ackerflächen müssen den Nachweisüber fünf Prozent Ökologische Vorrang-fläche erbringen, um die volle Höhe derDirektzahlungen der Agrarförderung inAnspruch nehmen zu können.Laut der D-OG-Wissenschaftler erweisensich die Maßnahmen nun jedoch als wenigzielführend. Zum einen kritisieren sie denzu geringen Flächenanteil von fünf Prozentökologischer Vorrangflächen. Dieser liegedeutlich unter dem fachlich begründetenund geforderten Anteil von mindestenszehn Prozent Flächenanteil pro Betrieb.Hauptkritikpunkt ist jedoch die Anrechen-barkeit wenig wirksamer ÖkologischerVorrangflächen. So werden beispielsweiseZwischenfrüchte, die vielerorts seit Jahrengute fachliche Praxis sind, mit dem Faktor0,3 als Ökologische Vorrangfläche ange-rechnet. Durch ihren großflächigen Anbau,etwa vor Mais, sind damit die Anforderun-gen problemlos zu erfüllen, ohne dass sichan der Landnutzung etwas ändert und bio-diversitätswirksame Flächen geschaffenwerden. Ein weiteres Problem stellt derGewichtungsfaktor dar. Durch Gewich-tungsfaktoren über eins, beispielsweise fürSaumstreifen ab einem Meter Breite, wirdder ohnehin zu geringe Anteil von fünfProzent Ökologischer Vorrangfläche imrealen Flächenumfang nochmals reduziert. Während sich die Stellungnahme auf die„Nachjustierung“ der bestehenden Rege-lungen bezieht, weist die Fachgruppenachdrücklich darauf hin, dass es einesNetzes von mindestens zehn Prozent öko-logisch hochwirksamer, die Biodiversitätfördernder Maßnahmen in der Ackerflur

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Das Aktionsprogramm „Naturschutz-Offen-sive" sieht den größten Handlungsbedarf inder Landwirtschaft

Foto: Fotolia/Armin Hering

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bedarf, um nachhaltig die Populationen derAckerarten (Feldvögel, Feldhasen, andereTiere, Ackerwildkräuter) zu schützen undzu fördern. Ein solches Netz könne nur in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftund einer fachkundigen Beratung geschaf-fen werden.

Naturschutz-Test bestandenIm Rahmen des sogenannten REFIT-Pro-gramms, das zum Bürokratieabbau führensollte, hatte die EU-Kommission auch geltende Naturschutzrichtlinien wie dieFauna-Flora-Habitat-Richtlinie und dieVogelschutzrichtlinie auf ihre Wirksam-keit untersucht. Mitte November veröffent-lichte sie erste Ergebnisse.Nach Ansicht des NABU hat die Analysebestätigt, dass die Naturschutzrichtlinienallen Anforderungen an eine moderne, effiziente und wirksame EU-Gesetzgebunggerecht werden. Probleme gäbe es nurdann, wenn die Verwaltungen der Mit-gliedstaaten aus Mangel an Personal oder aus politischem Unwillen die EU-Bestimmungen nicht korrekt anwendeten.„Die Kommission entkräftet somit selbstden Vorwurf, der Artenschutz würde imgroßen Stil Wirtschaftsprojekte verhin-dern“, sagt NABU-NaturschutzexperteKonstantin Kreiser.In einer Online-Befragung hatten im Som-mer über eine halbe Million Bürgerinnenund Bürger, und damit mehr als 90 Prozentaller Teilnehmenden, für den Erhalt der EU-Naturschutzrichtlinien gestimmt. ImOktober schlossen sich auf eine Initiativevon Bundesumweltministerin Hendrickshin insgesamt neun Regierungen diesemVotum an, die zusammen 63 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. EinenTag später plädierten die zuständigenFachpolitker des Europäischen Parlamentsfraktionsübergreifend in einem an dieKommission gerichteten Brief ebenfallsgegen eine Öffnung der Naturschutzricht-linien. Ohne die Richtlinien wäre das von den EU-Staatschefs beschlossene Zielnicht zu erreichen, bis 2020 den weiterenVerlust an biologischer Vielfalt zu stoppen,so die Parlamentarier.Am 20. November beriet die EU-Kommis-sion über die Analyse zur Wirksamkeit europäischer Naturschutzrichtlinien. LautNABU lief diese Konferenz ebenfalls aufeine Bestätigung des geltenden Natur-schutzrechtes hinaus. Viele Interessens-gruppen und Regierungen sprachen sichgegen eine Änderung der Naturschutz-richtlinien aus.Eine Entscheidung ist damit aber nochnicht gefällt. Erst im Frühjahr 2016 wirdder endgültige Bericht der EU-Kommis-sion zu den Ergebnissen des Fitness-Checks erwartet.

Nagoya-Protokoll umgesetztDer Bundestag hat das Nagoya-Protokollüber den Zugang zu genetischen Ressour-cen und die ausgewogene und gerechteAufteilung der sich aus ihrer Nutzung ergebenden Vorteile in deutsches Rechtumgesetzt.Beim Nagoya-Protokoll handelt es sich umeinen völkerrechtlich verbindlichen inter-nationalen Vertrag, der auf der zehntenVertragsstaatenkonferenz des Überein-kommens über die biologische Vielfalt(CBD) im Jahre 2010 verabschiedet wurde.Am 12. Oktober 2014 ist das Nagoya-Protokoll in Kraft getreten. Bislang sindihm 68 Staaten und die EU beigetreten.Das Nagoya-Protokoll hilft, die illegaleNutzung genetischer Ressourcen von Tieren und Pflanzen zu bekämpfen. Esdient als Instrument, um den Wert der bio-logischen Vielfalt bei der Erforschung undHerstellung neuartiger Produkte besser zuberücksichtigen und gleichzeitig über dieInwertsetzung wirtschaftliche Anreize fürdie Bewahrung und nachhaltige Nutzungder Natur zu schaffen. Gemäß den in derÜbereinkunft über die biologische Vielfaltverankerten und im Nagoya-Protokoll fort-geführten „Access and Benefit Sharing“-Prinzipien unterliegen genetische Ressour-cen den nationalen Souveränitätsrechtender Ressourcenstaaten. Vertragsstaaten sinddabei grundsätzlich verpflichtet, einen(nicht notwendigerweise kosten- und be-dingungslosen) Zugang (Access) zu gene-tischen Ressourcen durch andere Vertrags-parteien zu gewähren. Gleichzeitig sind siebefugt, den Zugang zu ihren genetischenRessourcen von ihrer Zustimmung ab-hängig zu machen und für die Nutzung dieser Ressourcen eine ausgewogene und gerechte Aufteilung der Vorteile, diesich aus ihrer Nutzung ergeben (BenefitSharing), zu fordern.Gemäß dem deutschen Umsetzungsgesetzwird das Bundesamt für Naturschutz zukünftig kontrollieren, ob bei Nutzungenvon genetischen Ressourcen in Deutsch-land die einschlägigen Regeln zu Zugang und Vorteilsausgleich im Herkunftslandbefolgen.

Richter stärken VerbandsbeteiligungDer Europäische Gerichtshof hat die Ver-bandsbeteiligung in Deutschland gestärkt.Laut NABU-Präsident Olaf Tschimpkestellte er erneut fest, dass Deutschlandnicht genug tue, um Umweltverbänden einen effektiven Zugang zu Gericht zu ermöglichen. In der Vergangenheit sei der Rechtschutz oftmals daran gescheitert,dass berechtigte Rügen gerichtlich nichtgeltend gemacht werden konnten, weil

sie aus Sicht der Gerichte nicht oder nichtdetailliert genug im Verwaltungsverfahrenerhoben worden waren. Diese Beschrän-kung haben die europäischen Richter auf-gehoben.Anlass der Entscheidung des EuropäischenGerichtshofes war ein Vertragsverletzungs-verfahren der EU-Kommission gegenDeutschland. In diesem hatte die EU-Kommission Deutschland vorgeworfen,bestimmte Vorgaben des Unionsrechts unzureichend umzusetzen, welche den Zugang zu einer gerichtlichen Überprü-fung behördlicher Verfahren gewährleistensollen. Das Urteil reiht sich nach Ansichtdes NABU ein in eine Kaskade bereits er-folgter Urteile, mit denen der EuropäischeGerichtshof Deutschland attestiere, die aufdie Aarhus Konvention zurückgehendenBeteiligungsrechte zu missachten. Das Urteil hat weitreichende Bedeutung, denndie deutschen Präklusionsregelungen (Aus-schluss von Einwendungen) sind nun auchin bereits laufenden Verfahren nicht mehranwendbar.

WindenergieerlassüberarbeitetDie NRW-Landesregierung will die Wind-energie als wichtigen Pfeiler der nord-rhein-westfälischen Energiewende weiterausbauen und Kommunen und Genehmi-gungsbehörden bei ihren Aufgaben unter-stützen. Deshalb wurde der Windenergie-erlass von 2011 überarbeitet. Mit dem aktualisierten Erlass wolle die Landes-regierung Gemeinden, Fachbehörden undPlanern eine Hilfestellung geben, die auchdie aktuelle Rechtsprechung berücksich-tigt, so NRW-Umweltminister JohannesRemmel.Die Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts und des Oberverwaltungs-gerichts NRW habe weitere Anforderungenan die Ausweisung von Konzentrations-zonen in den gemeindlichen Flächen-nutzungsplänen gestellt. Der neue Erlasssolle die Gemeinden bei der Planung vonKonzentrationszonen unterstützen und ins-gesamt zur Rechtssicherheit beitragen.Gegenstand der Novelle ist unter anderemdie Aufbereitung der neuen Systematik für

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NRW baut Planungshürden bei Wind-energie ab Foto: Fotolia/elxeneize

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die kommunale Flächennutzungsplanung,wie sie durch mehrere Entscheidungen vonBundesverwaltungsgericht und Oberver-waltungsgericht Nordrhein-Westfalen ent-wickelt wurde. Damit einher gehen neuefachliche Erläuterungen zu frühzeitigerÖffentlichkeitsbeteiligung, zur Erforder-lichkeit der Umweltverträglichkeitsprü-fung und zum differenzierten Umgang mit vielfältigen Flächenkategorien in derneuen Systematik. Eine wesentliche Neue-rung liegt auch in der Standardisierung derLandschaftsbildbewertung. Dabei werdendie Fachbeiträge des LANUV zur Regio-nalplanung genutzt.In einem umfangreichen Beteiligungs-verfahren wurden im Mai und Juni 2015mehr als 30 Institutionen (unter anderemEnergiewirtschaftsverbände, Grundbesit-zerverbände, Landwirtschaftsverbände,Naturschutzverbände), kommunale Spit-zenverbände sowie die Bezirksregierun-gen und Regionalplanungsbehörden, Lan-desbetriebe und die Bundeswehr angehört.Die vielfältigen Stellungnahmen sind inden überarbeiteten Erlass eingeflossen.Der NABU NRW erwartet, dass dennochin Zukunft Konflikte zwischen den Belan-gen des Vogel- und Fledermausschutzes einerseits und den Interessen der Anlagen-betreiber und des Klimaschutzes auftretenwerden. Zudem kritisiert er die massiveSenkung der Ersatzgeldzahlungen für die Eingriffe in Natur und Landschaft.

NRW-Wald erholt sich leichtDer Zustand des Waldes in NRW hat sichim Vergleich zum Vorjahr verbessert. Nachdem aktuellen Waldzustandsbericht 2015der NRW-Landesregierung weisen 26 Prozent der Bäume zwischen Rhein undWeser deutliche Blatt- und Nadelverluste(höchste Schadenskategorie) aus. Im Jahrdavor waren es noch 36 Prozent. 28 Pro-zent der Bäume in NRW weisen keinerleiKronenverlichtungen auf und gelten daherals gesund, ein Anstieg um fünf Prozent-punkte im Vergleich zum Vorjahr.Der Klimawandel hat sich auch im Jahr2015 mit einer längeren Trockenphase inden Monaten Mai, Juni und Juli bemerkbargemacht. Trotzdem konnte sich der Zu-stand des nordrhein-westfälischen Waldesin diesem Jahr verbessern, da vor allem imAugust wieder ausreichend Regen fiel, derdie Bäume vor Trockenschäden bewahrte.Insbesondere die Buchen erholten sich.Während im vergangenen Jahr noch überdie Hälfte der Buchen ihre Kronen nur sehrschwach ausbilden konnten, waren es indiesem Jahr weniger als ein Viertel. Einelangsame, aber stetige Verbesserung zeigtesich auch bei den Eichen; der Wert derstark geschädigten Bäume ging um wei tereacht Prozent auf nun 40 Prozentpunkte zu-

rück. Auch bei den Kiefern und Fichtengab es leichte Verbesserungen.Die Waldzustandserhebung wurde im Jahr 1984 als Reaktion auf das damals diskutierte Waldsterben und die hohen industriellen Belastungen erstmals durch-geführt. Die Ergebnisse der Waldunter-suchungen haben sich seitdem stetig ver-schlechtert, in diesem Jahr zeigt sich erst-mals seit fünf Jahren wieder eine signi-fikante Verbesserung. Während bei der ersten Waldzustandserhebung 1984 noch59 Prozent der Bäume in NRW ohne Schäden war, liegt der Anteil heute bei 28 Prozent. 2014 waren es nur 23 Prozent.„Unsere Böden haben ein Langzeit-gedächtnis und auch heute finden wir dieSpuren der industriellen Belastung derVergangenheit. Aber es hat sich gezeigt,dass die ambitionierte Umweltpolitik ge-wirkt hat: Durch moderne Filter in den Industrieanlagen gehen die Luft-Belastun-gen und damit auch die Belastungen in unseren Böden zurück. Der Wald heutemuss neue Herausforderungen meistern,vor allem den Klimawandel“, sagte NRW-Umweltminister Johannes Remmel.Laut Lutz Falkenried, dem Leiter derWaldzustandserhebung vom Landesbe-trieb Wald und Holz NRW, haben alleBaumarten in diesem Jahr die meiste Kraftin die Entwicklung der Kronen und nicht indie Bildung von Zapfen oder Bucheckerninvestiert: „Dadurch haben die Bäume sich in diesem Jahr eine kleine Pause zumVerschnaufen gegönnt und gehen damitgesünder als im Vorjahr in das nächsteJahr. Ebenfalls hilfreich war, dass in die-

sem Jahr durch die gute Wasserversorgungim Winter die zu trockenen Monate imFrühsommer ausgeglichen werden konn-ten“, sagte Falkenried.Der ausführliche Waldzustandsbericht, die wichtigsten Übersichtsgrafiken zumHerunterladen, Daten zum Wald in NRWund Videos mit den Experten sind zu finden unter: www.wald-und-holz.nrw.de/wze.

Artenvielfalt stärkt im KlimawandelÖkosysteme, die eine große Artenvielfaltaufweisen, sind dadurch besser gegen Dürre und andere extreme Wetterereignissegewappnet. Sie zeigen gegenüber derarti-gen Störungen eine höhere Widerstands-fähigkeit. Denn das Wachstum von Pflan-zen wird durch extreme Wetterereignisseumso weniger beeinträchtigt, je arten-reicher die Gemeinschaften sind, in denendie Pflanzen leben. Zu diesem Ergebniskommen internationale Forschungsgrup-pen, die in einem weltweiten Verbund dieDaten ihrer Experimente zusammen aus-gewertet haben.Die neuen Erkenntnisse beruhen auf mehr-jährigen Experimenten, die auf insgesamt46 Graslandflächen in Europa und Nord-amerika stattfanden. Rund 40 Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftler ermit-telten in Bezug auf jede dieser Flächen,wieviel Biomasse die Pflanzen pro Jahrproduzierten, wie sich das Wetter in jedemJahr entwickelte und wie hoch die Arten-vielfalt war. So konnte über alle For-schungsstandorte hinweg vergleichend untersucht werden, wie sich Extremereig-nisse auf die jährliche Biomasseproduk-tion artenreicher und artenarmer Pflanzen-gemeinschaften auswirken. Die Ergebnissesind eindeutig: Wo nur ein oder zwei Pflan-zenarten zusammenlebten, verringerte sichihre Produktivität um 50 Prozent. In Pflan-zengemeinschaften mit 16 oder 32 Artensank die jährliche Biomasseproduktion jedoch nur halb so stark.„Viele Indizien sprechen heute dafür, dassextreme Wettereignisse in vielen Welt-regionen künftig häufiger auftreten werdenals in früheren Jahrzehnten“, erklärt Prof.Beierkuhnlein, der an der Universität Bay-reuth den Lehrstuhl für Biogeographie leitet und maßgeblich an der Studie betei-ligt war. „Deshalb ist es wichtig zu wissen,wie wir funktionierende Ökosysteme – deren lebenswichtige Serviceleistungenfür die Menschen häufig unterschätzt werden – vor Extremereignissen schützenkönnen. Unsere weltweite Studie zeigt: Indem wir dafür sorgen, dass die Bio-diversität von Ökosystemen gestärkt oderzumindest nicht weiter geschwächt wird,sichern wir eigene Lebensgrundlagen.“

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Trotz Trockenheit im Sommer konnten sichvor allem die Buchen etwas erholen

Foto: Fotolia/meryll

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Klimawandel veränderteuropäische VogelweltWissenschaftlerinnen und Wissenschaftlerdes Senckenberg Biodiversität und KlimaForschungszentrums (BiK-F) und des dänischen „Center for Macroecology, Evo-lution and Climate“ haben die Veränderun-gen der europäischen Vogelwelt im Zugedes Klimawandels untersucht. Grundlageder Studie waren Beobachtungen von über50.000 Bürgerwissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern in einem Zeitraum von18 Jahren. In der Studie konnte das inter-nationale Team Gewinner und Verliererdes Klimawandels definieren.Wärmere Winter wirken sich beispiels-weise positiv auf sogenannte „Stand-vögel“ wie Gartenbaumläufer oder Tür-kentauben aus; von längeren Frühjahrenund damit auch Brutzeiten profitierenKurzstrecken-Zieher wie der Stieglitz oderdie Heidelerche.Überwiegend wird sich der Klimawandelaber wohl negativ auf die europäische Vogelwelt auswirken. Vor allem Vögel mitVerbreitungen in kälteren Regionen wieder Haussperling, die Raben- und Nebel-krähe, der Wiesenpieper und verschiedeneZeisigarten sind bedroht. Erschwerendkommt die Intensivierung der Landwirt-schaft in vielen europäischen Ländern hin-zu – besonders für Zugvögel, die zum Teilzwei Kontinente durchqueren, fehlen zu-nehmend Orte, an denen sie rasten können. Langstreckenzieher, die spät im Jahr in Europa ankommen – wie der Stein-schmätzer oder der Gartenrotschwanz –profitieren zwar von den wärmeren Jahres-zeiten. Sie sind aber gleichzeitig auch vom Klimawandel in Afrika betroffen unddamit die am wenigsten vorhersehbareGruppe. Ein Rückgang der Langstrecken-zieher kann aber schon dokumentiert werden.Die Studie zeigt zudem, dass die Aus-wirkungen des Klimawandels eng mit denBrutzeiten der verschiedenen Vogelartenzusammenhängen.

Mehr Vogelarten auf derGlobalen Roten ListeElf regelmäßig in Deutschland vorkom-mende Vogelarten stehen neu auf der welt-weiten Roten Liste. Damit erhöht sich ihreZahl auf insgesamt 22 Arten, die vom Aus-sterben bedroht sind. Das ergab laut Bird-Life International die jährliche Aktualisie-rung der Roten Liste nach den Kriteriender Weltnaturschutzorganisation IUCN.Neu auf der Liste in der Kategorie „ge-fährdet“ ist die in Deutschland weit ver-breitete und ehemals häufige Turteltaube.Ihr Bestand ist hierzulande in den letztenzwölf Jahren um über 40 Prozent zurück-gegangen. Ähnlich erging es ihr in vielenanderen Ländern Europas und Westasiens.Hauptgründe für ihren Rückgang sind dieIntensivierung der Landwirtschaft mit dem Verlust von wildkrautreichen Brach-flächen, aber auch der legale und illegaleAbschuss während ihres Zuges in den Süden.Auch die Tafelente, die in Deutschland mitknapp 5.000 Paaren brütet, aber in wesent-lich größeren Zahlen überwintert, hat international so stark abgenommen, dasssie nun weltweit als „gefährdet“ gilt. Überzehn Prozent des europäischen Bestandesdieser Art verbringt den Winter inDeutschland.Weitere neun deutsche Vogelarten wurdenneu in die Vorwarnliste aufgenommen.Auch sie nehmen stark ab. Dazu gehörendie Feuchtwiesenarten Kiebitz und Wiesen-pieper, der auf Helgoland brütende Hoch-seevogel Tordalk und die Küstenvögel Eiderente, Austernfischer, Knutt, Pfuhl-schnepfe und Sichelstrandläufer. Die dreiletztgenannten gehören zu den im deut-schen Wattenmeer rastenden Zugvögeln.Ihre Bestände sind vor allem durch die Vernichtung von Wattflächen in Ostasienbedroht, aber auch die deutschen Rast-bestände gehen zurück.Nur für eine deutsche Vogelart gibt es guteNachrichten: Die Samtente, von der etwaein Viertel der Weltpopulation in der deut-schen Ostsee überwintert, nahm zuletztweniger stark ab, sodass sie von „stark gefährdet“ auf „gefährdet“ zurückgestuftwerden konnte.

Stieglitz ist Vogel des JahresDer Naturschutzbund Deutschland (NABU)und der Landesbund für Vogelschutz(LBV) haben den Stieglitz (Carduelis carduelis) zum „Vogel des Jahres 2016“gewählt. Der auch Distelfink genannteStieglitz steht für vielfältige und bunteLandschaften, denn er ernährt sich vor-nehmlich von den Samen zahlreicher verschiedener Blütenpflanzen, Gräser und

Bäume. Ausreichend Nahrung findet er jedoch immer seltener.So hat der Bestand des Stieglitz inDeutschland laut Daten des Dachver-bandes Deutscher Avifaunisten von 1990bis 2013 um 48 Prozent abgenommen. In Nordrhein-Westfalen ist die Bestands-entwicklung des Stieglitzes jedoch gegen-läufig. Nach aktuellen Zahlen des „Atlasder Brutvögel Nordrhein-Westfalens“ hatsich die Zahl der Brutpaare hier seit den1990er-Jahren fast verdoppelt.„In der Agrarlandschaft sind seit 1994 fast 90 Prozent aller Brachflächen mit ihrer heimischen Artenvielfalt verloren gegangen. Auch Randstreifen mit Blumenund Wildkräutern an Feldern und Wegengibt es immer seltener. Die verbliebenenwerden zudem immer artenärmer“, so derstellvertretende Landesvorsitzende undNABU-Vogelexperte Heinz Kowalski. Dazöge es auch immer mehr Distelfinken indie Städte oder Siedlungsrandbereiche, woes immer noch „wilde Ecken“ gebe. Solebten knapp 60 Prozent des bundesweitenBestandes im Siedlungsraum, nur noch 40Prozent in Feld und Flur. Hier fänden sieihre Nahrung in Gärten und Parks, an Weg-rainen und Brachflächen. Möglicherweisesei dies auch die Erklärung für den gegen-läufigen Bestandstrend in Nordrhein-Westfalen, das reich an strukturreichenstädtischen Ballungsräumen sei und sodem Stieglitz attraktive neue Lebensräumeböte. Kowalski: „Besonders im Ruhrgebiethat er von den Industriebrachen profitiert.“„Überregional kann nur eine Reform derbestehenden EU-Agrarverordnungen und -Förderinstrumente den Verlust landwirt-schaftlicher Brachflächen stoppen. Aberauch in Städten und Gemeinden werdenKonzepte benötigt, damit es mehr Wildnisam Straßenrand und auf grünen Flächengibt“, so der NABU-Vogelexperte weiter.Auch private Gärtnerinnen und Gärtnerkönnten sich für den Erhalt von Lebens-räumen des Stieglitzes einsetzen. Das An-legen von Blühflächen mit heimischenWildkräutern sowie Obstbäume und derVerzicht auf Pestizide im eigenen Gartenwürden dem zierlichen Finken helfen.

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Der Birkenzeisig (Carduelis flammea)wird es durch die Folgen des Klima-wandels schwerer haben

Foto: BirdLife International/D.Dillon

Der Stieglitz profitiert in NRW vermutlichvon den strukturreichen Ballungsräumen

Foto: NABU/A.Hartl

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Diesel-Abgase zerstören BlütendüfteDiesel-Emissionen machen es Bienen immer schwerer, Nahrung zu finden. Denndas darin enthaltene Stickstoffmonoxid beeinträchtigt die Geruchsorientierung der Insekten. Die für die Bienen verfüg-baren Aromen verschiedener Pflanzen-arten könnten durch den Effekt schon baldhalbiert sein. Zu diesem Ergebnis kommenForscher der Universitäten von Southamp-ton und Reading.Ihre Forschungen ergaben, dass sich be-reits in fünf der insgesamt elf für Bienenwichtigsten Geruchsstoffe Änderungennachweisen lassen, die durch den Kontaktmit Diesel-Abgasen verursacht werden.Die flüchtigen Substanzen wurden durchchemische Reaktion zerstört oder so ver-ändert, dass sie kaum mehr von Bienenwahrgenommen werden konnten. Die Forscher glauben zwar nicht, dass dieLuftverschmutzung der Hauptgrund fürden drastischen Rückgang der Bienen-populationen ist, aber ihre letzten For-schungsarbeiten würden zeigen, dass sieeinen drastischeren Effekt auf die für Bienen so wichtigen Pflanzendüfte hat, als zunächst angenommen. Die neu ge-wonnene Erkenntnis unterstreicht die Tat-sache, dass Bienenpopulationen mittler-weile vor allem mit der Varoa-Milbe,Pflanzenschutzmitteln und Mangelernäh-rung zahlreichen Stressfaktoren ausgesetztsind.

Tödlicher Salamander-pilz in DeutschlandAmphibien gehören weltweit zur amstärksten bedrohten und am schnellstenschwindenden Wirbeltiergruppe. Neben derZerstörung ihrer Lebensräume durch denMenschen ist vor allem eine weltweit auf-tretende Pilzerkrankung für den dramati-schen Rückgang einzelner Arten verant-wortlich. Ein Forschungsteam vom Zoolo-gischen Institut der Technischen Univer-

sität Braunschweig hat nun erstmals dieAmphibien-Chytridpilze Batrachochytriumdendrobatidis (Bd) und Batrachochytriumsalamandrivorans (Bsal) in Deutschlandnachgewiesen.Besonders „Bsal“, der auch als Salamander-pilz bezeichnet wird, ist hochgradig krank-heitserregend und hat bereits in den Nie-derlanden und Belgien innerhalb wenigerJahre nachweislich zum Aussterben ganzerPopulationen des Feuersalamanders inFreiheit geführt. Zurzeit gehen die For-scher davon aus, dass „Bsal“ über ausAsien importierte Molche in die natür-lichen Vorkommen in den Niederlandenund Belgien gelangt ist. Eine Ausbreitung des Pilzes in Deutschland war daher sehrwahrscheinlich. Die Forscherinnen undForscher führten den ersten positivenNachweis von „Bsal“ in einer privatenHaltung von Feuersalamandern. Die infi-zierten Salamander hätten klassischeSymptome wie Hautblessuren und offeneGeschwülste gezeigt und seien innerhalbweniger Tage gestorben.Die Wissenschaftlerinnen und Wissen-schaftler sehen in der nachgewiesenen Infektion eine große Bedrohung für dieeinheimische Amphibienfauna. Um diefreilebenden Salamanderpopulationen zuschützen, arbeiten sie unter anderem mitder Deutschen Gesellschaft für Herpeto-logie und Terrarienkunde (DGHT) und mit den zuständigen Naturschutzbehördenzusammen. Besonders wichtig seien Qua-rantäne- und Sicherheitsmaßnahmen inZusammenarbeit mit privaten Haltern,aber auch ein intensives Monitoring fürden Pilz in natürlichen Populationen.Wenn die Pilzinfektion rechtzeitig erkanntwird, kann sie durch eine kurzzeitige Anhebung der Temperatur auf 25 GradCelsius effektiv bekämpft werden.

Hohe Zustimmung zur WolfsrückkehrEine große Mehrheit der Bundesbürgerin-nen und -bürger (80 Prozent) findet es er-freulich, dass der Wolf wieder Bestandteilvon Natur und Landschaft in Deutschlandist. Jeder Zweite (54 Prozent) verbindetmit dem Wolf positive Gefühle, währendbei nur zwölf Prozent negative Empfin-dungen zum Tragen kommen. Dies sindErgebnisse einer repräsentativen Bevöl-kerungsumfrage in Deutschland, die dasMeinungsforschungsinstitut forsa im Auf-trag des NABU durchgeführt hat.„Diese Ergebnisse zeigen, dass die Bevöl-kerung in Deutschland grundsätzlich posi-tiv zur Rückkehr des Wolfes eingestelltist“, sagte NABU-BundesgeschäftsführerLeif Miller. „Damit ist eine Grundlage gelegt, dass der Wolf 150 Jahre nach seinerAusrottung durch den Menschen heute eine Zukunft in Deutschland hat.“ Zudem

zeigten die Befragungsergebnisse nichtnur, dass die Bevölkerung allgemein relativ gut über das Thema informiert sei,sondern auch, dass Risiken und Gefahrenrealistisch eingeschätzt würden.80 Prozent der Befragten sind der Um-frage zufolge der Meinung, dass Wölfeebenso in unsere Landschaften gehörenwie Rehe oder Füchse. 78 Prozent sind der Überzeugung, dass Wölfe auch inDeutschland leben sollten, selbst wenn esteilweise zu Problemen kommt. Ledig-lich für elf Prozent der Befragten stellt die Rückkehr des Wolfes eine Bedro-hung dar, 85 Prozent hingegen sehen diesnicht.Dennoch ist es aus Sicht des NABU weiterhin erforderlich, Aufklärungsarbeitzu betreiben. 70 Prozent der Bevölkerungsind zwar der Auffassung, dass die Medienin ihrer Berichterstattung zur Übertreibungneigen würden, allerdings gaben auch 30 Prozent der Befragten an, Angst zu haben, in einem Gebiet mit Wolfsvorkom-men in den Wald zu gehen.Miller: „Diese Ängste und Sorgen nehmenwir ernst. Der Wolf ist kein Kuscheltier,das verniedlicht werden darf.“ Im Umgangmit dem Wolf müsse aber die Verhältnis-mäßigkeit gewahrt werden.

Wildpflanzen erhöhenErtragBlühende Wildpflanzen an Feldrändernoder auf ehemaligen Ackerflächen steigerndie Biodiversität – deshalb säen Land-wirtinnen und Landwirte in der Schweiz,ebenso wie in Deutschland, einheimischeWildpflanzen ein. Davon profitieren diebenachbarten Kulturen und somit auch dieLandwirte. Das zeigt eine aktuelle Studie,die Matthias Tschumi vom SchweizerKompetenzzentrum für landwirtschaft-liche Forschung „Agroscope“ in Zusam-menarbeit mit der Universität Koblenz-Landau durchgeführt hat. Die sogenanntenSäume an Feldrändern und die Bunt-

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Bsal-infizierter Feuersalamander mit deut-lich erkennbaren Läsionen

Foto: TU Braunschweig

Eine repräsentative Umfrage zeigt: Einegroße Mehrheit in Deutschland findet,dass der Wolf zur heimischen Natur gehört

Foto: J. Borris

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brachen auf ehemaligen Ackerflächen ver-mindern demnach den Schädlingsbefall inbenachbarten Weizenfeldern und steigernden Ertrag um bis zu zehn Prozent.Insgesamt 20 Weizenfelder untersuchteTschumi in den Kantonen Zürich und Aargau des Schweizer Mittellandes. WildeMöhre, Wiesen-Margerite, Echtes Lab-kraut und rund 40 weitere heimische Wild-pflanzen haben Landwirte hier an den Feld-rändern ausgesät – allerdings zum Ver-gleich nur bei der Hälfte der untersuchtenFelder. Der höhere Ertrag durch die Säumeoder Buntbrachen bedeutet für die Land-wirtinnen und Landwirte einen Gewinnvon rund 350 Euro pro Hektar.Käfer aus der Gattung Oulema und derenLarven, auch Getreidehähnchen genannt,stehen unter dem begründeten Verdacht,durch Blattfraß die Weizenernte zu schmä-lern. Sie waren in der Nachbarschaft derSäume oder Buntbrachen deutlich seltenerzu finden. Das liegt wahrscheinlich daran,dass diese Flächen natürlichen Feinden der Schädlinge Schutz und zusätzlicheNahrung bieten. Die Schädlinge stehenbeispielsweise auf der Speisekarte vonLaufkäfern und räuberischen Wanzen. Folgestudien von Agroscope weisen darauf hin, dass genau diese nützlichen Insekten in Weizenfeldern häufiger zu finden sind, wenn die Kulturen neu an-gesäte Wildpflanzen in der Nachbarschafthaben.

Handel mit invasivenPflanzen blühtDer globale Online-Handel mit invasivenPflanzen birgt weltweit Risiken für die Artenvielfalt. Hunderte Pflanzenartenwerden jeden Tag über Online-Auktions-plattformen gehandelt und in andere Län-der exportiert. Viele davon sind invasiveArten und können damit Pflanzenarten inden Ländern bedrohen, in die sie ein-geführt werden. Laut Forschern der ETHZürich wird das Problem unkontrollier-barer biologischer Invasionen durch denInternethandel verschärft.Um die Reichweite des globalen Online-Handels mit invasiven Pflanzenarten ein-schätzen zu können, überwachte eine For-schungsgruppe der ETH Zürich eBay undneun weitere relevante Internethandels-Plattformen. Mittels einer eigens erstelltenSpezial-Software verfolgten sie 50 Tage,welche invasiven Arten in verschiedenenLändern wie oft zum Kauf angeboten wurden. Das Angebots-Monitoring ergab ein Aus-maß, das die Forscher nach eigenen An-gaben in dieser Größenordnung nicht er-wartet hatten: Es wurden 2.625 Pflanzen-arten angeboten, darunter 510 invasive,von denen wiederum 35 zu den von

der Weltnaturschutzorganisation IUCN als100 Top-Invasoren eingestuften Artenzählten.

Insbesondere australische Händler bieteninvasive Pflanzen an, die in anderen Regionen der Welt großen Schaden anrich-ten können. „Man kann sich darüber wun-dern, denn die Australier lassen keinefremde Pflanze ins Land. Umgekehrt gibtes offenbar keine Kontrolle darüber, ob potenziell schädliche Pflanzen den fünf-ten Kontinent verlassen“, kommentiertChristoph Küffer, Leiter der Studie.

„Invasionen können nur eingedämmt wer-den, wenn wir den Handel mit potenziellenInvasoren eingrenzen können“, unter-streicht Küffer. Es gäbe in vielen LändernRegelwerke mit dem Ziel, das Ausbringeninvasiver Arten einzudämmen, ohne dassder Online-Handel dadurch eingeschränktwerde.

Wo fremde Pflanzensesshaft werdenEine wissenschaftliche Erhebung gibt erst-malig eine globale Übersicht über die Ein-wanderung von Pflanzenarten auf fremdenKontinenten und ihre Ausbreitung außer-halb ihrer heimischen Territorien. In einerinternationalen Kooperation von 38 For-schungseinrichtungen erfassten Biologin-nen und Biologen unter Leitung der Uni-versität Konstanz Daten aus 481 Festland-gebieten und 362 Inseln, was rund 83 Pro-zent der weltweiten Landfläche entspricht.In vierjähriger Forschungsarbeit sammel-ten die Biologen regionale Listen einge-bürgerter Pflanzen aus allen Teilen derWelt und führten sie zu einer globalen Datenbank (GloNAF; Global NaturalizedAlien Flora) zusammen.

Nach dieser Erhebung wurden durch denEinfluss des Menschen bereits mindestens13.168 Pflanzenarten – das entspricht 3,9Prozent der globalen Flora – außerhalb ihres heimischen Lebensraums verbreitet.Mit beinahe 6.000 gebietsfremden Artenweist Nordamerika die größte Zahl an eingebürgerten Pflanzenarten auf, gefolgtvon Europa mit über 4.000 eingewander-ten Arten. Im Verhältnis zu ihrer Flächeverzeichnen die pazifischen Inseln dengrößten Zuwachs an fremden Pflanzen-arten. Die Länder der nördlichen Hemi-sphäre sind die größten „Exporteure“, allen voran Europa und der nicht-tropischeTeil Asiens.Die Zahlen der Erhebung umfassen sämt-liche Pflanzenarten, die außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes infreier Natur wachsen und sich fortpflan-zen. Sie sind insofern nicht deckungs-gleich mit den sogenannten invasivenPflanzenarten. Die Erhebung ist zunächstrein deskriptiv. Mit der Datengrundlagevon GloNAF kann man nach Aussage vonStudienleiter Prof. Dr. Mark van Kleunenaber nun beginnen, Fragen nach den bio-logischen Zusammenhängen zu stellen.Die Daten von GLoNAF könnten auch dazu genutzt werden, um Vorhersagen zutreffen, welche Arten in welchen Gebietendominant werden könnten.

Professor Succow für Lebenswerk geehrtGemeinsam mit dem Deutschen Umwelt-preis vergab die Deutsche BundesstiftungUmwelt (DBU) am 6. November 2015 denmit 10.000 Euro dotierten Ehrenpreis anProf. em. Dr. Michael Succow (74, Greifs-wald) für sein lebenslanges Naturschutz-Engagement.Die Jury des Deutschen Umweltpreisesund Bundespräsident Gauck, der den Preisübergab, betonten Succows Leistungen imNaturschutz. Er sei ein genialer Netz-werker des deutschen Naturschutzes undhabe den „historisch einmaligen Moment“genutzt, als er im Jahr der deutschen Wiedervereinigung als stellvertretenderUmweltminister der DDR dafür gesorgthabe, dass 4,5 Prozent der Landesflächeder DDR unter Naturschutz gestellt wor-den seien. Das sei ein „Pfund, mit dem wir heute noch wuchern können“, und dasauch Auswirkungen auf die Naturent-wicklung in Westdeutschland gehabt habe.Succow sei geprägt von einer außerordent-lichen Liebe zur Natur. Er sei ein heraus-ragender Wissenschaftler, der aus seinenErkenntnissen aber auch Konsequenzengezogen und gehandelt habe. Sein Credosei, nicht die Natur vor dem Menschen zu schützen, sondern ein Miteinander von Natur und menschlicher Nutzung der Natur zu erreichen. Dafür gebühre ihmgroßer Dank.

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Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegaz-zianum), auch Herkules-Staude genannt,zählt zu den bekanntesten invasiven Pflanzen Europas Foto: J. Pergl

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Fundraising für Um-welt und Entwicklung25.–26. Januar 2016, MünsterFundraising – verstanden als die Suchenach neuen Wegen in der Beschaffung vonRessourcen für gemeinnützige Projekte –stellt vor allem kleinere NGOs und Insti-tutionen vor große Herausforderungen.Welcher ist der passende Finanzierungs-Mix: Was wird akzeptiert, was ist machbar,was ist erfolgreich? Fundraising-Expertin-nen und -Experten bearbeiten diese Fragenmit den Teilnehmenden in Workshops und geben ihre Tipps und langjährigen Erfahrungen aus der Praxis weiter. Mitdem Schwerpunktthema widmet sich dieTagung zudem einem aktuellen Thema,das Engagierte aus der Umwelt- und Eine-Welt-Arbeit gleichermaßen umtreibt:Wie gewinnen wir neue Ehrenamtliche,was müssen wir tun um sie gut zu betreuenund in unsere Arbeit zu integrieren?Diese Studientagung ist konzipiert für Ehren- und Hauptamtliche aus umwelt-und entwicklungspolitischen Organisatio-nen, die ihr Fundraising entsprechend weiterentwickeln wollen.Infos/Anmeldung: Franz Hitze HausMünster, [email protected],www.franz-hitze-haus.deTeilnahmebeitrag: 80 bis 110 € ohne/mitÜbernachtung inkl. Verpflegung

Flora und Fauna im Ruhrgebiet31. Januar 2016, DuisburgSeit 2005 veranstaltet die Biologische Station Westliches Ruhrgebiet zusammenmit den ehrenamtlichen Naturschützerin-nen und Naturschützern den „Flora-Fauna-Tag“ am letzten Sonntag im Januar. Vorträgeund Diskussionen zu Artenschutzmaßnah-men, Neunachweisen und Beobachtungenim Ruhrgebiet ermöglichen einen fach-übergreifenden Austausch.Infos/Anmeldung: Bis zum 27. 1. 2016 beider Biologischen Station Westliches Ruhr-gebiet, Tel. 0208 4686090, [email protected],www.bswr.deDie Teilnahme an der Veranstaltung istkostenlos.

Der Feldhamster in NRW12. Februar 2016, ZülpichDer Feldhamster (Cricetus cricetus) stehtin NRW kurz vor dem Aussterben. Wennnicht vor unseren Augen eine Säugetierartfür immer aus unserem Bundesland verschwinden soll, muss jetzt gehandeltwerden. Bei der Veranstaltung „Fast weg –

der Feldhamster in NRW“ sollen die Hintergründe für den Rückgang des Feld-hamsters, die aktuelle Bestandssituation,Erfolge und Misserfolge bisherigerSchutzbemühungen und nicht zuletzt akute Gefährdungen beleuchtet und zurDiskussion gestellt werden. Daraus resul-tierend sollen Inhalte und Bedingungen fürein akutes Nothilfeprogramm erarbeitetwerden. Die Veranstaltung wird ausgerich-tet vom Landesfachausschuss (LFA) Land-wirtschaft des NABU NRW im Rahmendes NUA-Bildungsprogramms.Infos/Anmeldung: NABU NRW, Tel. 0211159251-0, [email protected], www.nabu-nrw.deTeilnahmebeitrag: 12 € inkl. Verpflegung

Der Wald-Wild-Konflikt17. Februar 2016, DüsseldorfDie Veranstaltung bietet Expertenvorträgezum aktuellen Stand des Wald-Wild-Konfliktes mit Diskussionen und Lösungs-vorschlägen auf der Basis des neuen Ökologischen Jagdgesetzes NRW.Infos/Anmeldung: NABU NRW, Tel. 0211159251-0, [email protected], www.nabu-nrw.deTeilnahmebeitrag: 20 € inkl.Verpflegung

Wanderfalkenschutz21. Februar 2016, RecklinghausenDie Arbeitsgemeinschaft Wanderfalken-schutz stellt auf dieser Jahrestagung dieaktuellen Ergebnisse ihrer Naturschutz-und wissenschaftlichen Arbeit vor. Schwer-punkte bilden dabei die Bestandssituation,der Bruterfolg und die Beringungsergeb-nisse des Wanderfalken in NRW aus derSaison 2015. Neue Erkenntnisse zum Ver-halten und zur Biologie sowie zur Belas-tung und Gefährdung dieses Großfalkenwerden diskutiert. Gast-Referenten aus demIn- und Ausland berichten über aktuelleEntwicklungen bei anderen Greifvogel-arten.Info/Anmeldung: NABU NRW, Tel. 0211159251-0, [email protected], www.nabu-nrw.deTeilnahmebeitrag: 10 € inkl.Verpflegung

Libellenlarven und deren Exuvien21. Februar 2016, HöxterDie Veranstaltung „Bestimmung und Ökologie von Libellenlarven und derenExuvien“ will die Teilnehmenden – ob Anfänger oder Fortgeschrittene – in die Lage versetzen, selbständig Libellen-exuvien zu bestimmen. Darüber hinausvermittelt sie Einblicke in die Lebensweiseund in die Ökologie von Libellen sowie in die Methodik des Exuviensammelnsund gibt einen Überblick über die aktuelleLiteratur zu diesem Thema.Infos/Anmeldung: LandesgemeinschaftNatur und Umwelt NRW (LNU), Tel.02932 4201, [email protected], www.lnu-nrw.de

Vogelschlag an Glasvermeiden13. Februar 2016, Zülpich27. Februar 2016, Düsseldorf12. März 2016, MünsterVogelschlag an Glas – ein meist unter-schätztes Problem! Der BUND bietet dazuim Rahmen des NUA-Bildungsprogramms2016 drei Seminare an. Die Veranstaltunginformiert über das Problem und möglicheLösungen. Im gemeinsamen Gesprächwird aufgezeigt, wie man vor Ort aktivwerden kann: Wer ist zuständig? Mit wemtrete ich in Kontakt? Wer kann mir helfenund wie aktiviere ich andere mitzuhelfen?Wer sind die Entscheider? Was tue ich, um vor allem Entscheider wie Behörden,Architekten und Bauherren vom Handelngegen Vogelschlag zu überzeugen? Einekleine Exkursion zu Beispielen verdeut-licht die Thematik.Infos/Anmeldung: BUND NRW, Tel. 0211302005-0, [email protected], www.bund-nrw.deDie Teilnahme ist kostenlos.

Veranstaltungshinweise

Feldhamster Foto: LANUV/P. Schütz

Große Glasflächen: potenziell eine Gefahrfür Vögel

Foto: NUA/A. Niemeyer-Lüllwitz

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Tiere am Gebäude3. März 2016, RecklinghausenMieter und Hauseigentümer ahnen seltenvon der Vielfalt der Gäste, die in ihrenHäusern Unterschlupf finden. Von derMehlschwalbe bis zur Fransenfledermausnutzen sie oft kleinste Nischen und Spaltenals Brut- oder Überwinterungsplatz. Leiderwird den Tieren diese Unauffälligkeit häufig zum Verhängnis, da sie als unbe-kannte Untermieter bei Sanierungsarbeitennicht in die Planung mit einbezogen wer-den und folglich einen Verlust ihrer Nist-stätten erleiden. Die Veranstaltung „Tieream Gebäude“ greift diese Problematik auf.Auf der Veranstaltung der NUA in Zusam-menarbeit mit dem LANUV, dem BUNDund der Biologischen Station Hagen wirdauch das Projekt „Artenschutz am NUA-Gebäude“ vorgestellt, an dem exempla-risch verschiedene Nisthilfen für Fleder-mäuse und Vögel angebracht wurden.Infos/Anmeldung: NUA, Tel. 02361 305-0,[email protected], www.nua.nrw.deTeilnahmebeitrag: 30 € inkl.Verpflegung

Biber in NRWMärz 2016, EifelDurch Wiederansiedlung ist der Biber ab den 1980er-Jahren in NRW wieder heimisch geworden. Ausgehend von derEifel-Rur hat er sich im Rur-System aus-gebreitet, inzwischen beginnt auch die Besiedlung des Erft-Einzugsgebietes. Dankweiterer Wiederansiedlungen am Nieder-rhein, in den Niederlanden und Belgien istabzusehen, dass zukünftig das Rheinlandin NRW von Bibern weitgehend besiedeltsein wird. Auch an der Lippe gibt es schonNachweise. Zahlreiche positive Effekte sindmit der Rückkehr des Bibers verbunden. Sofördern Biberteiche die Grundwasser-neubildung und bereichern nachhaltig dieBiodiversität. Wie kaum eine andere Tier-art gestalten Biber ihren Lebensraum aktiv in hohem Maße selbst. Dadurch kann esaber zu Konflikten mit dem Menschenkommen.

In einigen Kreisen gibt es bereits regionaleBiber-Arbeitsgruppen, die als Ansprech-partner bei Problemen vor Ort mit Rat undTat zur Verfügung stehen. Um punktuellrasch vermitteln zu können, ist ein Netzvon Biber-Beraterinnen und -Beratern inNRW notwendig. Diese Aufgabe erfordertneben ausreichendem Fachwissen undkonkreten Ortskenntnissen vor allem kommunikative Fähigkeiten und Konflikt-management. Insbesondere um künftigeBiber-Beraterinnen und -Beratern für dieseAufgabe zu qualifizieren, wird diese Schulungsveranstaltung durchgeführt.Infos/Anmeldung: NUA, Tel. 02361 305-0,[email protected], www.nua.nrw.deTeilnahmebeitrag: 50 € inkl.Verpflegung

Saatgutfestival 201612. März 2016, DüsseldorfDas Saatgutfestival Düsseldorf 2016 feiertdie reiche Vielfalt der Nutzpflanzen. DerSchwerpunkt der Veranstaltung liegt imAngebot seltener samenfester Gemüse-sorten, aber auch Kräuter, Obst, Faser- undFärbepflanzen gehören dazu. Neben denspezialisierten Gartenbaubetrieben undInitiativen werden auch Aussteller aus angrenzenden Themenfeldern wie öko-logische Landwirtschaft, Naturschutz undLebensmittelrettung zu Gast sein. NebenVerkauf und Tausch von Samen und Pflan-zen runden Vorträge und Workshops dasAngebot ab.Infos: www.saatgutfestival.deTeilnahmebeitrag: voraussichtlich 2 €

Natur- und Landschaftsführer/inNaturpark Rheinland: 4.–6. März, 14.–18. März, 15.–17. April 2016, ErftstadtPorta Westfalica: 1.–3. April, 9.–13.Mai, 10.–12. Juni 2016Viele Menschen wollen Natur und Land-schaft ihrer Region intensiver kennen ler-nen und erleben. Um Besucherinnen undBesuchern ein interessantes und qualifi-ziertes Exkursionsprogramm anbieten zukönnen, haben naturinteressierte Personenaus den Regionen Naturpark Rheinlandund Porta Westfalica die Gelegenheit, sich zum oder zur „Natur- und Land-schaftsführer/in“ ausbilden zu lassen. Mitdem 70-stündigen Lehrgang werden sievorbereitet, Natur und Landschaft zu-sammen mit Heimatgeschichte und Kulturerlebbar zu machen. Inhalte und Methodenzur Gestaltung von Führungen und Natur-erlebnisveranstaltungen werden durchGruppen- und Projektarbeit, Exkursionensowie Vorträge vermittelt.Dieser Lehrgang ist eine Zertifikatsaus-bildung mit bundesweit einheitlichen

Standards der staatlich getragenen Bil-dungsstätten im Natur- und Umweltschutz(BANU). Die erfolgreiche Teilnahme wirddurch eine Urkunde mit dem Titel „Zertifi-zierte/r Natur- und Landschaftsführer/in“bescheinigt.Lehrgangsinhalte: Naturkundliche Grund-lagen, Mensch-Kultur-Landschaft, Kom-munikation und Umweltdidaktik, recht-liche Grundlagen. Der Lehrgang umfasstin der Regel zwei Wochenenden (Fr. bisSo.) und eine Lehrgangswoche (Mo. bisFr.).Infos/Anmeldung:Naturpark Rheinland: Naturpark Rhein-land, Tel.: 022718342 -01, -09, -12, [email protected], www.naturpark-rheinland.dePorta Westfalica: NUA, Tel. 02361 305-0,[email protected], www.nua.nrw.de

Biber und Wasser-rahmenrichtlinie16.–18. März 2016, BonnDank strengen Schutzes kehrt der „Öko-system-Ingenieur“ Biber wieder in großeTeile NRWs zurück. Inzwischen ist klar,dass er durch seine Bauwerke Hydrologie,biologische und chemisch-physikalischeParameter der Fließgewässer und ihrer Auen fundamental verändert. Umso auffallender ist, dass der Biber in der EU-Wasserrahmenrichtlinie nicht vor-kommt und so auch in den Gewässer-Leit-bildern für ihre Umsetzung fehlt. Dabeikönnen Biber helfen, die Ziele der Wasser-rahmenrichtlinie selbst in stark veränder-ten Gewässern zu erreichen. Umgekehrtbietet die Richtlinie die Chance, die auchin NRW zunehmenden Konflikte zwischenMensch und Biber zu entschärfen. Voraus-setzung dafür ist aber, dass wir in Zukunftden Biber überall in NRW bei Maßnahmenan Gewässern berücksichtigen.Die Tagung des Life+ Projektes „Rur undKall“ soll das Thema „Biber und Wasser-rahmenrichtlinie“ aus unterschiedlichen

Veranstaltungshinweise

Brütet gerne im oder am Gebäude: dieRauchschwalbe Foto: LANUV/P. Schütz

In großen Teilen von NRW wieder da: derBiber Foto: Fotolia/fotofrank

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Blickwinkeln betrachten und erste Er-kenntnisse für zukünftige Strategien fürden Umgang mit dem Biber bei Gewässer-renaturierungen geben.Infos/Anmeldung: Biologische Station Dü-ren, Tel. 02427 94987-0, [email protected], www.rurundkall.deTeilnahmebeitrag: 30 €

Gewässerökologie fürNaturschutzpraktiker4.–5. April 2016, KoblenzIm Sommersemester 2016 wird die Uni-versität Koblenz-Landau erstmals eine berufliche Weiterbildungsmaßnahme zurGewässerökologie für Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter im haupt- und ehrenamt-lichen Naturschutz durchführen. Das zwei-tägige Seminar richtet sich an alle Interes-sierten, die sich beruflich oder als sach-kundige Bürger im Naturschutz mit Fragendes Gewässerschutzes beschäftigen.Der Schutz der Gewässer ist nach wie voreine große umweltpolitische Aufgabe undeine fachliche Herausforderung für alle,die daran mitwirken. Um einen an öko-logischen Erfordernissen ausgerichteten,nachhaltigen Gewässerschutz betreiben zukönnen, bedarf es vertiefter Kenntnisse der ökosystemaren Wechselbeziehungeninnerhalb der Wasserkörper sowie zwi-schen den Gewässern und Ihrer Um-gebung.Ziel des zweitätigen praxisorientierten Seminars ist es, die wichtigsten gewässer-ökologischen Grundlagen und den neues-ten Stand von Wissenschaft und Forschungzu vermitteln. Ein solides wissenschaft -liches Fundament ist notwendig um in dertäglichen Arbeit der Naturschutzpraxis fürjeden Einzelfall die wichtigsten Gewässer-schutzmaßnahmen zu erkennen.Infos/Anmeldung: Universität Koblenz-Landau – Zentrum für Fernstudien undUniversitäre Weiterbildung (ZFUW), Tel.0261 287-1520, [email protected],www.uni-koblenz-landau.de/de/zfuw/gewaesseroekologie-naturschutzpraktikerTeilnahmebeitrag: 240 €

Vielfalt rund um den Kirchturm8. April 2016, RecklinghausenDie NUA hat gemeinsam mit den Umwelt-beauftragten der evangelischen Landes-kirchen Rheinland, Westfalen und Lippesowie der (Erz-)Bistümer Aachen, Essen,Köln, Münster und Paderborn einen Arbeitskreis gebildet, der sich mit Naturund Umwelt rund um den Kirchturm be-schäftigt. Für 2016 wurde von der Arbeits-gruppe die „Bewahrung der BiologischenVielfalt“ als Schwerpunktthema ausge-wählt. Die Tagung führt in dieses Thema ein.Verschiedene Fledermausarten sowie Vogel-arten wie Schleiereule, Turmfalke, Dohle,Mauersegler und Mehlschwalbe finden inund an Kirchtürmen und unter ungestörtenKirchdächern ideale Lebensbedingungen.Kirchengemeinden können damit einenwichtigen Beitrag zur Bewahrung der Bio-logischen Vielfalt leisten, indem sie dieseArten nicht nur an und in ihren Gebäudendulden, sondern auch gezielt fördern undkonstruktiv mit Problemsituationen um-gehen. Die Tagung stellt konkrete Arten-schutzprojekte wie „Gottes Haus für Fledermaus“ vor und zeigt auf, was eineKirchengemeinde konkret an ihren Ge-bäuden, auf ihren Wegen und auf ihren Flächen etwa für Steinkauz, Wild- und Honigbiene tun kann.Infos/Anmeldung: NUA, Tel. 02361 305-0,[email protected], www.nua.nrw.deTeilnahmebeitrag: 20 € inkl.Verpflegung

Rauhhautfledermaus-Workshop22.–24. April 2016, Hiddenhausen9.–11. September 2016, HiddenhausenIn dem Workshop werden im Rahmen des bundesweiten RauhhautmonitoringsFledermauskästen auf durchziehendeRauhhautfledermäuse inspiziert. An ver-schiedenen Stellen sollen weiterhin paral-lel über Netzfänge durchziehende Tiere gefangen werden. Die gefangenen Tierewerden dann beringt oder vorhandene Ringewerden abgelesen. Der Workshop richtetsich an Personen mit und ohne Erfahrungmit dem Fang von Fledermäusen.Infos/Anmeldung: BUND KreisgruppeHerford, AG Biotopkartierung, Tel. 015902458293, [email protected], http://herford.bund.net/ueber_uns/bund_kreisgruppe_herford/Teilnahmebeitrag: 95 €

Bestimmung und Öko-logie von Wildbienen23.–24. April 2016, HöxterDie Teilnehmenden – ob Anfänger oderFortgeschrittene – sollen in die Lage ver-

setzt werden, selbständig Wildbienen zubestimmen. Darüber hinaus sollen Ein-blicke in die Lebensweise und in die Öko-logie von Wildbienen sowie in die Metho-dik der Bestandsaufnahme vermittelt undein Überblick über die aktuelle Literatur zudiesem Thema gegeben werden.Infos/Anmeldung: LandesgemeinschaftNatur und Umwelt NRW (LNU), Tel.02932 4201, [email protected], www.lnu-nrw.deDie Veranstaltung ist kostenlos.

Verbandsbeteiligung in der Bauleitplanung23. April 2016, OberhausenEin Flächennutzungs- oder Bebauungsplanwird aufgestellt oder geändert: WeitererVerbrauch von Freiflächen und die Beein-trächtigung von Lebensräumen und Arten,Boden- und Gewässerfunktionen sind oft damit verbunden. Welche Vorgabenmüssen Gemeinden in der Bauleitplanung beachten? Welche Bedeutung haben dieZiele des Landesentwicklungsplans undder Regionalpläne? Wie ist das Verhältnisvon Bauleitplanung und Landschafts-planung geregelt? Kommen Eingriffs-regelung und gesetzlicher Artenschutz inBauleitplänen zur Geltung? Welche Dar-stellungs- und Festsetzungsmöglichkeitengibt es für Flächennutzungs- und Be-bauungspläne?Zu diesen und anderen Fragen werden imSeminar die rechtlichen und fachlichenGrundlagen vermittelt. Erläutert werdenauch die Abläufe der Bauleitplanverfahrenund die Möglichkeiten, wie Naturschutz-verbände ihre Belange einbringen können.Hierzu werden Hilfsmittel zur Erarbeitungvon Stellungnahmen vorgestellt.Infos/Anmeldung: Landesbüro der Natur-schutzverbände NRW, Tel. 0208 880590,[email protected], www.lb-naturschutz-nrw.deTeilnahmebeitrag: 20 € ohne Verpflegung

Veranstaltungshinweise

Naturnahe Gewässer- und Auenentwick-lung der Ems bei Einen

Foto: NUA/A. Niemeyer-Lüllwitz

Die Gehörnte Mauerbiene, eine der inNRW vorkommenden Wildbienenarten, beider Paarung

Foto: Fotolia/Schmutzler-Schaub

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13Natur in NRW 4/15

Emschergroppe

wässer-System zur Ableitung der Abwässerumwandeln.Daraufhin wurde 1899 die Emschergenos-senschaft mit dem Ziel gegründet, den ord-nungsgemäßen Abfluss der Emscher undihrer zuführenden Gewässer zu gewähr-leisten (EMSCHERGENOSSENSCHAFT 1999).Ein Großteil der Fließgewässer wurdetechnisch ausgebaut und mit Sohlschalenausgekleidet. In vielen Gewässern hattenFische und andere Lebewesen keine Mög-lichkeiten mehr zum Überleben.Ab dem Ende der 1980er-Jahre, als derBergbau sich aus der Region zurückgezo-gen hatte, konnten Abwässer in neuenRohrleitungen unter die Erde verlegt wer-den. Schritt für Schritt wurde damit begon-

nen, die als Schmutzwasserrinnen genutz-ten Fließgewässer wieder zu naturnahenGewässern umzugestalten.

Umbau des Emscher-Systems 1991 wurde die flächendeckende Revita-lisierung des Emscher-Systems beschlos-sen (EMSCHERGENOSSENSCHAFT 1991). ImRahmen des „Emscher-Umbaus“ werdenbis 2020 insgesamt 350 Kilometer Fließ-gewässerstrecke naturnah umgestaltet. Ak-tuell ist das schon auf mehr als 120 Kilo-metern erfolgt. Das heißt: Die Betonscha-len wurden entfernt, das Schmutzwassergetrennt vom Gewässerlauf unterirdischabgeführt und das Gewässerumfeld sowie

Die Emscher entspringt als rechtssei-tiger Nebenfluss des Rheins inHolzwickede und fließt in west -

licher Richtung durch das dicht besiedelteRuhrgebiet. Nach einer Fließstrecke von 82 Kilometern mündet sie heutzutage (nachhistorischen Verlegungen der Mündung)bei Dinslaken in den Rhein (s. auch Abb. 7).Das Einzugsbiet beträgt heute 865 Quadrat-kilometer. Bis Mitte des 19. Jahrhundertswar die Emscher ein kleiner, träge mäand-rierender Tieflandfluss in einer Sumpf- undBruchlandschaft, in der der Fluss ständigsein Bett veränderte. Der nasse, häufigüberschwemmte Boden ließ nur einge-schränkt landwirtschaftliche Nutzung zu.Es existierten Stauanlagen für die Bewässe-rung und den Betrieb von Mühlen. Der san-dig-kiesige Fluss war bekannt für seinenbesonderen Reichtum an Krebsen und Fi-schen (EMSCHERGENOSSENSCHAFT 2013).

Die Emscher im WandelAb 1850 wandelte sich die Nutzung des Em-scher-Einzugsgebietes. Kohle- und Stahl -industrie sowie eine drastisch zunehmendeBevölkerungsdichte zwangen zum Han-deln. Die Abwässer der neu entstehendenIndustrieregion hatten verheerende Wirkun-gen auf die Wasserqualität. Bergsenkungenaufgrund des unterirdischen Steinkohleab-baus verschlechterten den Wasserabfluss imGewässersystem. So kam es zu immer größeren und länger anhaltenden Über-schwemmungen. Zusammen mit der star-ken Verschmutzung des Wassers führte dieszu Malaria-, Typhus- und Cholera-Epide-mien im Emscher-Einzugsgebiet. Wegender kontinuierlich fortschreitenden Berg-senkungen konnten keine unterirdischenAbwasserkanäle gebaut werden (EMSCHER-GENOSSENSCHAFT 2013). Daher musste mandie Wasserläufe im Emschergebiet in eintechnisch kontrollierbares Oberflächenge-

Bernd Stemmer, Gunnar Jacobs

Erfolgreiche Wiederansiedlung derGroppe im Emscher-EinzugsgebietBesatz renaturierter Bachläufe aus einem Restvorkommen der Groppe

Kaum ein anderer Fluss blickt auf eine so abwechslungsreiche Geschichte zurück wie die Emscher. Vom einstigen fischreichen Tieflandfluss entwickelte sie sich zum Abwasserkanal eines der am dichtesten besiedelten industriellen Ballungsräume Europas. Seit Anfang der 1990er-Jahre wurden zahlreiche Abwasserläufe im Emscher-Einzugsgebiet wieder zu naturnahen Fließgewässern umgestaltet. Abwässer und Gewässerausbau hatten dort das aquatische Leben fast überall vernichtet. Nur in wenigenisolierten Bachabschnitten konnten einige Arten wie die Groppe überleben. Diese noch ursprünglichenBewohner des Einzugsgebiets, bilden heute die Ausgangsbasis für die Wiederbesiedlung der neu gestalteten Bachläufe.

Abb 1: Die Groppe ist eine der wenigen Fischarten, die bis heute in einem isolierten Gewässerabschnitt die ansonsten weitgehende Vernichtung der Lebensbedingungen inden Emschergewässern überstehen konnte Foto: B. Stemmer

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Emschergroppe

das Gewässerbett naturnah gestaltet. DieSanierung umfasst im Wesentlichen denBau von Kläranlagen, Abwasserkanälen,Regenwasserbehandlungen sowie als letz-ten Schritt den Umbau oder die ökolo-gische Verbesserung der Gewässer. Zu den von der Emschergenossenschaftdurchgeführten Umgestaltungsmaßnah-men werden vom selben Haus auch Er-folgskontrollen vorgenommen. Betrachtetwerden dabei insbesondere die aquati-schen Wirbellosen (Makrozoobenthos),die chemisch-physikalischen Parameter,die strukturelle Entwicklung, aber auch dieAuswirkungen von Hochwasserereignis-sen und die Entlastungen von Regenwas-serbehandlungsanlagen (KORTE & SEMRAU

2013). Erste Erfolge sind sichtbar. Das Ar-tenspektrum wirbelloser aquatischer Orga-nismen hat sich in der Zeit von 1990 bis2010 von 223 auf 385 identifizierten Artenoder höheren Taxa bereits sehr gut ent -wickelt (STEMPLEWSKI & SOMMERHÄUSER

2010). Mit zunehmender Fläche der revitalisiertenBereiche ergeben sich auch wieder mehrLebensräume für Fische. Solange der Em-scher-Hauptlauf noch nicht saniert ist, kön-nen Fische jedoch aus ihren Refugien neueAbschnitte noch nicht selbständig besie-deln. In einzelnen Fällen ist es sinnvoll, dassder Mensch durch Abfangen und UmsetzenHilfestellung leistet. Auch für Makro-zoobenthos-Organismen wurde festgestellt,dass sie neu gestaltete Gewässer selbst nachvielen Jahren nicht selbständig besiedelnkonnten. In NRW wird in einem Feldver-such probiert, wie man Wirbellose von einem Spendergewässer auf ein Zielgewäs-ser übertragen kann (GELLERT et al. 2015).

Restpopulation von Groppenin der Boye Ab den 1990er-Jahren traten mit den erstenRenaturierungen im Rahmen der interna-

tionalen Bauausstellung die einst aus denAugen verlorenen Fische in den Blick-punkt. Die Fischereidezernate der Landes-anstalt für Ökologie, Bodenordnung undForsten (LÖBF, heute LANUV, Fach -bereich Fischereiökologie) erfassten beiElektrobefischungen am 14. und 15. April1997 den Ist-Zustand der Fischfauna imEmscher-Einzugsgebiet. Eine Fragestel-lung war, ob mögliche Restbestände großgenug sind, um Tiere für die Neubesied-lung renaturierter Abschnitte entnehmenzu können (STEINBERG 1997). In der Em-scher bei Holzwickede, Bückersiepen,Hörder Bach, Schondelle, Dellwiger- undKatzbach sowie in Spechtsbach und Boyekonnten lediglich autochthone Beständevon Dreistachligen Stichlingen (Gasteros-teus aculeatus) nachgewiesen werden. Als

Besonderheit für das Emschergebiet tratenin der Boye oberhalb der Einmündung desSpechtsbachs Groppen auf. Bis heute wurde an keiner anderen Stelle des Em-scher-Einzugsgebiets ein Groppenbestandgefunden. Die Groppen der Boye sind so-mit das letzte Reliktvorkommen. Diese Groppenpopulation wurde von DONOSO-BÜCHNER (2009) genauer unter-sucht. Durch genetische Analysen ergabdie Artbestimmung Cottus rhenanus. Al-lerdings konnte DONOSO-BÜCHNER anhandvon morphologischen Merkmalen einigeUnterschiede zu den Angaben von FREY-HOF et al. (2005) feststellen, weshalb er sieals Cottus cf. rhenanus (Emschergroppe)bezeichnet. Freyhof und Kottelat hattennach eingehender Untersuchung und Über-arbeitung der Gattung Cottus die früher in

Abb. 2: Die Emscher in Dortmund Hörde 1985: Alle Abwässerwurden unterirdisch unter der Hermannshütte (heute Phoenix-See) hindurchgeführt und in einer von Sohlschalen ausgekleide-ten Rinne weitergeführt Foto: B. Stemmer

Abb. 3: Die gleiche Stelle im Jahr 2011 – die Emscher ist freige-legt und verläuft ohne Abwasser in einem naturnahen Bett

Foto: B. Stemmer

Abb. 4: Mündung des Brabecker Mühlenbachs (links) in die Boye (rechts)Foto: B. Stemmer

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Emschergroppe

Deutschland als Koppe oder Groppe be-zeichnete Cottus gobio in mehrere neueSpezies aufgeteilt (KOTTELAT & FREYHOF2007). Die Population im Rheineinzugsge-biet (bis Mannheim), Main, Neckar undMaas erhielt den Namen Cottus rhenanus(Rheingroppe). Unterschiede der Em-schergroppe zur Rheingroppe könnteneiner seits aus der jahrzehntelangen Isola -tion der Population in der Boye resultierenoder andererseits einen anderen Ökotypdarstellen. Die Frage der Artzugehörigkeitwird weiter untersucht. Zwischen September 2007 und Januar2008 versuchte DONOSO-BÜCHNER mittelsKäscherfängen das Verbreitungsgebiet derEmschergroppe abzugrenzen und die In-dividuendichte abzuschätzen. Dabei be-schränkte sich das Groppenvorkommenauf etwa 1.900 Meter Fließstrecke in Boyeund unterem Brabecker Mühlenbach mitgeschätzten 3.000 Individuen. DONOSO-BÜCHNER weist auf die hohe po-tenzielle Gefährdung dieser Restpopula -tion im Emschergebiet durch vielfältigemögliche Bedrohungen hin. Deshalb emp-fiehlt er, die Möglichkeiten für ein Wieder-ansiedlungsprogramm in geeignete revita-

lisierte Bäche zu prüfen. Diesen Vorschlagnahm die Emschergenossenschaft auf undüberprüfte die umgestalteten Bereiche aufihre Eignung als Lebensraum für die Em-schergroppe (Wasserqualität, Gewässer-struktur, Nahrungsangebot etc.). Gleich-zeitig führte die Obere FischereibehördeElektrobefischungen durch, um abzuschät-zen, ob es möglich ist Fische zu entneh-men, ohne die bestehende Population zubeeinträchtigen. Die Fang-Ergebnisse derElektrobefischung sind in Tabelle 1 aufge-führt.Bemerkenswert ist, dass auch 2010 diehöchsten Groppendichten in demselbenBereich gefunden wurden wie bei STEIN-BERG 1997. Auch Dreistachlige Stichlingewaren noch vorhanden. Seit der Überarbei-tung von KOTTELAT & FREIHOF 2007 sinddiese Stichlinge als Nacktschwanz-Stich-linge Gasterosteus gymnurus zu bezeich-nen, in Abgrenzung zu G. aculeatus, dem Europäischen Dreistachligen Stich-ling. Darüber hinaus hatte sich auch einBestand von Neunstachligen Stichlingen(Pungitius pungitius) erhalten. Es ist schon ein kleines Wunder, dass dieGroppen in dem eng begrenzten Gebiet der

Boye überdauern konnten. 500 Meteroberhalb der Mündung des BrabeckerMühlenbachs wird der Bachlauf der Boyedurch ein Pumpwerk gehoben. Das Wasserangebot bis zur Einmündung desBrabecker Mühlenbachs ist also von einertechnischen Anlage abhängig. Unterhalbder Einmündung des Alten Haarbachs wirdSchmutzwasser eingeleitet. Von dort anbachabwärts ist kein Gewässerleben mehrmöglich. Das von den Groppen bewohnbare Arealerstreckt sich auf lediglich 2.000 MeterBoyelauf und kurze Strecken von Spechts-bach und Brabecker Mühlenbach. EineGülle- oder Chemikalieneinleitung könntedort leicht das Aus für alle Fische bedeu-ten.

Entnahme und Umsiedlungvon Emschergroppen Das nicht ausgebaute Bett der Boye endetim unteren Teil an einem Absturzbauwerkund ist von dort an mit Sohlschalen ausge-kleidet. Nach 70 Metern kommt ein weite-res Absturzbauwerk, unterhalb dessen sichdie Schmutzwassereinleitung befindet. Fi-sche, die aus der naturnahen Strecke überdas erste Wehr verdriftet werden, könnennicht wieder zurück in den oberhalb lie-genden Bach. Werden sie über das zweiteWehr gespült, müssen sie im Abwasser zuGrunde gehen. Somit besteht die Möglich-keit, aus dem Bereich zwischen den Sohl-abstürzen alle Fische zu entnehmen, ohnein die oberhalb bestehende Population ein-greifen zu müssen. Tabelle 2 zeigt die unerwartet hohen Men-gen von Emschergroppen, die in die Ent-nahmestrecke verdriftet wurden und nachdem elektrischen Abfischen in andere Ge-wässer (siehe Abb. 7) umgesetzt werdenkonnten. Im Juli 2011 wurden 250 Indivi-duen entnommen. Nur vier Monate späterkonnten schon wieder 380 Groppen indemselben Bereich gefangen werden.

ErfolgskontrolleEtwas mehr als ein Jahr nach dem Ausset-zen der Groppen im Deininghauser Bachführte die obere Fischereibehörde am26.09.2012 eine Elektrobefischung an denBesatzstellen durch, um nach dem Verbleibder besetzten Tiere und einer möglichenReproduktion zu sehen. An der unteren Besatzstelle konnten bereits auf den ersten20 Metern untersuchter Strecke 17 jungeEmschergroppen nachgewiesen werden. Auf ein weiteres Fischen wurde daraufhinverzichtet. Auch an der oberen Besatz stellewurde das Fischen nach 20 Metern einge-stellt. Dort ließen sich 19 junge Groppenfangen. Da außer den Jungtieren auch eini-ge Elterntiere gefangen wurden, zeigtesich sehr schön der Größenunterschiedzwischen den Generationen.

Befischungsstelle Befischte Länge (m) Fang (Stück)

Boye von Mündung des Brabecker Mühlenbach aufwärts

100 Groppe: 6Dreistachliger Stichling: 24Neunstachliger Stichling: 5

Brabecker Mühlenbach von Mündung aufwärts

100 Groppe: 16Dreistachliger Stichling: 16Neunstachliger Stichling: 1

Boye unterhalb Durchlass A 31 100 Groppe: 40Dreistachliger Stichling: 9Neunstachliger Stichling: 2

Boye oberhalb Mündung Spechtsbach 40 Groppe: 50

Spechtsbach oberhalb Wegebrücke im Mündungsbereich

60 Groppe: 3

Tab. 1: Ergebnis der Elektro-Befischungen vom 15.12.2010

Abb. 5: Schmutzwasserzulauf unterhalbdes Alten Haarbachs Foto: B. Stemmer

Abb. 6: Elektrisches Abfischen der Grop-pen in der Boye Foto: B. Stemmer

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16 Natur in NRW 4/15

Emschergroppe

Für den Deininghauser Bach konnte belegtwerden, dass sich die Groppenbeständelangfristig etabliert haben. Bei einer Pro-bennahme für genetische Untersuchungenam 5. März 2015 wurden allein im Bereichder Brücke südlich der Oststraße, nebenden drei entnommenen Groppen, etwa 40 weitere Tiere in allen Größen gefangen. Die eigenen Erfolgskontrollen vom 02.09.2013 an Ostbach und Läppkes Mühlen-bach ergaben ebenfalls positive Ergeb -nisse. Bereits in der ersten Laichzeit (Märzbis April) nach dem Umsetzen hatten sichdie Tiere fortgepflanzt. Eine Elektrobe -fischung, die am 20.05.2015 im LäppkesMühlenbach durch den Rheinischen Fi-schereiverband 1880 e.V. erfolgte, zeigtebereits eine Ausbreitung der Groppen nachober- und unterhalb der ehemaligen Be-satzstellen. Weitere Gewässer wurden am25.06.2015 durch die Höhere Fischereibe-hörde überprüft. Die untere Besatzstelle imDellwiger Mühlenbach wies zwar die am wenigsten für Groppen notwendigenStrukturen auf. Trotzdem konnten auf 50 Meter Strecke zwei Individuen überzehn Zentimeter und acht weitere Tierezwischen fünf und zehn Zentimeter Längegefangen werden. Auch der Besatz imLandwehrbach verlief erfolgreich. Die Be-fischung war aufgrund des sehr dichten

Pflanzenbestands schwierig. Doch es wur-de neben drei mittelgroßen Groppen auchein diesjähriger Brütling von weniger alsfünf Zentimeter Länge nachgewiesen. DieBefischung am Roßbach verlief zunächstenttäuschend, weil in den Zonen, in denenam 26.09.2012 Groppen ausgesetzt wur-den, nur Dreistachlige (Nacktschwanz-)Stichlinge gefangen werden konnten. Ummöglicherweise verdriftete Groppen zufinden, erfolgte eine zusätzliche Elektro-befischung etwa 1.400 Meter unterhalb derBesatzstelle (bei der Brücke Westring).Das erfreuliche Ergebnis auf 50 Meternwaren, neben zwei älteren Groppen, zweiBrütlinge. Für die wohl bemerkenswertesten Resul -tate sorgten die Untersuchungen an denBesatzstellen von Hörder Bach und Em-scher. Von den am 18.12.2013 ausgesetz-ten Groppen ließen sich am 25.06.2015 auf einer Strecke von nur 20 Metern nochdrei Individuen mit Längen über zehn Zen-timeter nachweisen. Neben weiteren, mit-telgroßen Tieren traten auch vier diesjäh -rige Groppen von weniger als fünf Zenti-metern Länge auf. Zusammen mit dreiGroppen zwischen fünf und zehn Zentime-ter Länge wurde ein solcher Brütling auchdirekt in der Emscher gefangen. Hierbeihandelt es sich nach über 100 Jahren um

die ersten in der Emscher selbst aufge-wachsenen Groppen – also echte „Em-schergroppen“. Leider wurden bei der Kontrollbefischungin der Emscher und im Hörder Bach aucheinige Regenbogenforellen (20 bis 25 Zen-timeter Länge) gefunden. Obwohl dieseFische nach den Bestimmungen der Lan-desfischereiverordnung NRW als nichtein-heimische Art nicht in Fließgewässer aus-gesetzt werden dürfen, deutet das aus ille-galem Besatz stammende Vorkommendoch darauf hin, dass die neuen Emscher-gewässer auch heimische Bachforellen be-herbergen könnten.

AusblickEs ist durchaus ein historischer Moment,wenn in der Emscher, die seit Mitte des 19. Jahrhunderts in Dortmund-Hörde unterirdisch unter dem damaligen Stahl-werk „Hermannshütte“ verlief und durchAbwässer weit über einhundert Jahre langbiologisch „tot“ war, der Nachweis er-bracht wird, dass sich Fische dort selbstän-dig fortpflanzen. Zuvor hatten die Men-schen die Emscher als lebendigen Flussvöllig aus dem Bewusstsein verloren. BeiSpaziergängen wurde der damalige Ab-wasserlauf wegen der Geruchsbelästigungmöglichst gemieden. Direkter Kontaktzum Gewässer fand aufgrund der Gefähr-dung durch mögliches Abrutschen in dieFließrinne sowie hygienisch/ästhetischenAspekten nicht statt. Heutzutage führenWander- und Radwege an der Emscherentlang. So sorgen die neu gestalteten Ge-wässerläufe für eine deutlich bessere Le-bensqualität für Mensch und Natur. Vonden Brücken in Hörde kann man heute

Gewässer Besatzdatum Besatzmenge (Stück)

1 Deininghauser Bach 05.07.2011 250

2 Dellwiger Bach 16.11.2011 180

3 Läppkes Mühlenbach 16.11.2011 200

4 Ostbach 01.03.2012 106

5 Roßbach 26.09.2012 140

6 Landwehrbach 26.09.2012 400

7 Emscher und Hörder Bach 18.12.2013 220

Tab. 2: Verteilung der 1.496 aus der Boye entnommenen Groppen auf neue Gewässer imEmschersystem

Abb. 7: Emschersystem mit der Entnahme- und den Besatzstellen (s. Tab. 2)Karte: Emschergenossenschaft/G. Jacobs

Abb. 8: Aussetzen von Groppen in den Deininghauser Bach am 5.7.2011

Foto: B. Stemmer

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17Natur in NRW 4/15

Emschergroppe

Abb. 9: Untere Besatzstelle im revitalisierten Deininghauser Bach Foto: B. Stemmer

Abb. 10: Nach über 100 Jahren pflanzen sich Groppen wieder selbständig in der Emscher bei Dortmund-Hörde fort Foto: B. Stemmer

wieder Stichlingsschwärme beobachtenund bei genauerem Hinsehen unter Steinenbesteht durchaus die Chance eine Em-schergroppe zu finden. Dass dies auchnoch die ursprünglichen Groppen aus demEmschersystem sind, ist ein besondererGlücksfall. Mit den durchgeführten Um-setzungen wurde das Verbreitungsgebietder Emschergroppe vom eng abgegrenztenund störungsanfälligen Boye-Areal auf dasneue Emschertal ausgeweitet. Da in derEmscher und sechs revitalisierten Neben-gewässern eine erfolgreiche Reproduktio-nen nachgewiesenen wurde, kann das Fort-bestehen dieser Art nun als gesichert ange-sehen werden.

Literatur DONOSO-BÜCHNER, R. (2009): Zur Bestands -situation der Emschergroppe, Cottus cf. rhena-nus, aus dem Einzugsbereich der Boye im Em-schersystem. Bibliothek Natur & Wissenschaft,Band 20.

EMSCHERGENOSSENSCHAFT (1999): 100 JahreWasserwirtschaft im Revier. Die Emscherge-nossenschaft 1899–1999. Verlag Peter Pomp,Bottrop, Essen.

EMSCHERGENOSSENSCHAFT (1991): Rahmen-konzept zum ökologischen Umbau des Em-scher-Systems. Materialien zum Umbau desEmscher-Systems, H.1, Essen.

EMSCHERGENOSSENSCHAFT (2013): Fließgewäs-ser im Emscherraum. Biologie – Beschaffen-

heit – Bachsysteme. EmschergenossenschaftEssen.GELLERT, G., KIEL, E., LEITHMANN, K., KORTE,T. & U. ROSE (2015): Wiederansiedlung vonMakrozoobenthos in Fließgewässern. Natur inNRW 2/15: 27–29. KORTE, T. & M. SEMRAU. (2013): Erfolgskon-trollen von Renaturierungsmaßnahmen anFließgewässern. Fachtagung 10./11. Juni 2013,Paderborn. NUA-Seminarbericht, Band 11.KOTTELAT, M. & J. FREYHOF. (2007): Handbookof European freshwater fishes. Kottelat, Cor-nol-Switzerland.STEINBERG, L. (1997): Die Emscher. Revitali-sierung eines Industrieflusses – dargestellt am Beispiel der Fischbestandsentwicklung.LÖBF-Mittteilungen 3/97: 100–103.STEMPLEWSKI, J. & M. SOMMERHÄUSER. (2010):Neue Artenvielfalt in Emschergewässern. EinBeitrag zur Biodiversität der Ballungsräume.Gewässer und Boden. Vol. 3, 12: 649–655.

ZusammenfassungDer großräumige Gewässerausbau unddie enorme Wasserverschmutzung imRahmen der Industrialisierung in denzurückliegenden Jahrhunderten hattenim Einzugsgebiet der Emscher zum fastvölligen Verschwinden des Gewässer -lebens geführt. Ab den 1990er-Jahren hatdie Emschergenossenschaft damit be-gonnen, erste Gewässerabschnitte desEmschersystems wieder zu naturnahenBächen zurückzubauen. Bis 2020 solldas gesamte Flusssystem zum Lebens-raum für Tiere und Pflanzen entwickeltwerden.Als Besonderheit für das Emschergebietist der Restbestand einer Groppen-Popu-lation anzusehen, welcher in einem isolierten Abschnitt der Boye die Zeit derindustriellen Gewässerverschmutzungüberdauern konnte. Ein Teil dieser Tierewurde in sieben neu gestaltete Gewäs-ser umgesetzt. Alle Wiederansiedlungenverliefen erfolgreich. In den besetztenNebenläufen sowie in der Emscher selbstvermehren sich nach über 100 Jahrenerstmals wieder Groppen. Der Bestandder „Emschergroppe“ kann nun als ge-sichert angesehen werden.

Anschriften der VerfasserDr. Bernd StemmerBezirksregierung Arnsberg, Obere FischereibehördeSeibertzstr. 159821 [email protected]

Dipl.-Ing. Gunnar JacobsEmschergenossenschaftKronprinzenstraße 2445128 [email protected]

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Vogelschutzgebiet Burbach

Besonders im Fokus: das HaselhuhnDas Haselhuhn (Tetrastes bonasia, Syn.Bonasa bonasia) ist eine sehr heimlich lebende Art aus der Familie der Raufuß-hühner. In NRW gehen seine Bestände seitlangem zurück, und es wird in der RotenListe (SUDMANN et al. 2008) als „vom Aus-sterben bedroht“ eingestuft (Kategorie1S). Der aktuelle landesweite Bestandwird auf etwa 20 Brutpaare geschätzt und verteilt sich auf voneinander isolierteVorkommen in den VogelschutzgebietenBurbach, Egge und Ahrgebirge (WEISS

2013). Im VSG Burbach beläuft sich der Bestand auf geschätzte zehn bis 15 Reviere. Damit ist dieses Gebiet nach

derzeitiger Kenntnislage das bedeutendstefür das Haselhuhn in NRW. Es gehört zumVorkommen im Bereich des Westerwaldes,das seinen Schwerpunkt in Rheinland-Pfalz hat. Besonders hervorzuheben ist,dass es sich um die westliche Unterart T. bonasia rhenana handelt, die nur nochim Rheinischen Schiefergebirge, in Luxem-burg und in Südostbelgien (Sauerland, Eifel, Westerwald, Hunsrück, Ardennen)sowie in der Pfalz und in den Vogesen mitinsgesamt wenigen hundert Individuenvorkommt (SCHREIBER et al. 2015). InDeutschland hat NRW gemeinsam mitHessen und Rheinland-Pfalz eine beson-dere Verantwortung dafür, diese Unterartdes Haselhuhns vor dem weltweiten Aus-sterben zu bewahren.

Das VSG „Wälder und Wiesen beiBurbach und Neunkirchen“ (kurzVSG Burbach) liegt mit einer

Fläche von 4.660 Hektar im südlichsten Zipfel des Kreises Siegen-Wittgenstein. Mitausgedehnten Buchenwäldern, Schlucht-und Hangmischwäldern sowie Niederwäl-dern, extensiv genutzten Bergmähwiesenund -weiden sowie zahlreichen Bachläufenweist das Gebiet eine ausgesprochen großeLebensraumvielfalt auf. Es ist von hoherBedeutung für die Vogelarten der Wälderund des Mittelgebirgsgrünlands. Für dieseArten werden im Maßnahmenplan Zieleformuliert und notwendige Maßnahmenzur Stabilisierung und Verbesserung desErhaltungszustands dargestellt.

ErarbeitungsprozessDie Vogelschutz-Maßnahmenpläne werdendurch das LANUV federführend er-arbeitet; es erfolgt jedoch stets eine intensive Zusammenarbeit mit allen wichtigen Akteurinnen und Akteuren vorOrt. Von 2011 bis 2013 fanden mehrereGespräche zum Vogelschutz-Maßnahmen-plan mit den zuständigen Behörden (Bezirksregierung Arnsberg sowie Kreis,Regionalforstamt und Landwirtschafts-kammer Siegen-Wittgenstein) und derBiologischen Station Siegen-Wittgensteinstatt. Außerdem wurden drei Runde Tische veranstaltet, bei denen zusätzlichder Landwirtschaftsverband, Waldbesitzer,Landwirte, Naturschutzverbände, Vertreterder Jägerschaft und weitere Institutionenund Personen dabei waren. Bei diesenRunden wurden Probleme aus Sicht derFlächeneigentümer und -bewirtschafter im Hinblick auf die Umsetzung des Maß-nahmenplans diskutiert. Die Atmosphärewar konstruktiv und die Gespräche er-gaben wichtige Erkenntnisse.

Bettina Fels, Michael Abt, Timur Beck, Michael Frede, Michael Gertz, Dagmar Schlaberg, Kerstin Schmidt, Joachim Weiss, Elmar Wulf

Perspektive für Haselhuhn, Braun-kehlchen & Co im Siegerland?Maßnahmenplan für das EU-Vogelschutzgebiet „Wälder und Wiesen bei Burbach und Neunkirchen“

Um die 28 EU-Vogelschutzgebiete (VSG) in NRW in einem guten Zustand zu erhalten oder ihren Zustand zu verbessern, erarbeitet die Vogelschutzwarte im LANUV in enger Zusammenarbeit mit denAkteurinnen und Akteuren vor Ort sogenannte Vogelschutz-Maßnahmenpläne (VMP) für diese Gebiete.Der Maßnahmenplan für das VSG „Wälder und Wiesen bei Burbach und Neunkirchen“ im südlichen Siegerland wurde im Juni 2015 durch das NRW-Umweltministerium bekannt gemacht. Nun soll die Umsetzung des Plans beginnen.

Abb. 1: Das VSG Burbach beherbergt landesweit die größte Population des HaselhuhnsFoto: J. Weiss

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Vogelschutzgebiet Burbach

Zielbestandsgröße, sondern die Bereitstel-lung geeigneter Habitate für mindestens 20Reviere. Oberste Priorität hat die Siche-rung und Optimierung der durch aktuelleNachweise bestätigten Haselhuhn-Vor-kommensgebiete beispielsweise im NSGMahlscheid sowie im FFH-Gebiet undNSG Rübgarten. Diese Bereiche werdenim Maßnahmenplan als Schwerpunkt-räume für Maßnahmen zum Haselhuhn-schutz abgegrenzt. Darüber hinaus siehtder Plan die Optimierung zusätzlicher, der-zeit nicht für das Haselhuhn geeigneterFlächen sowie die Schaffung und Optimie-rung von Verbundkorridoren für die wenigmobile Vogelart vor. Da für das Haselhuhneine kleinräumige Strukturvielfalt im Waldwichtig ist, sollen aber auch überall sonstim VSG Burbach Gelegenheiten für dieDurchführung kleinflächiger Maßnahmengenutzt werden.

Vorgesehene Maßnahmen für dasHaselhuhn:

l Nieder- oder mittelwaldartige Wald-bewirtschaftung (wenn möglich auchin Kleinfemeln)

l Strukturfördernde Bestandspflege indurchgewachsenen ehemaligen Nie-derwaldbeständen

l Zulassen der Sukzession in aufgelas-senen Steinbrüchen und auf (z. B.durch Windwurf) natürlicherweiseentstandenen Freiflächen

l Umbau von nicht standortgerechtenBeständen in standortgerechte Laub-holz- oder Mischwaldbestände

l Haselhuhngerechte Gestaltung undPflege von Wald- und Wegrändernund Siepen durch: Freistellen von Siepen (schmaleKerbtäler mit Quellbächen)

Schaffung strukturreicher Säumean Waldinnen- und -außenrändern,Wegen und Wasserläufen

Belassen unbefestigter Wegel Erhalt und Förderung von Nahrungs-bäumen und -sträuchern

l Freilassen/-stellen von Lichtungenund Sonderstandorten

l Erhalt einzelner Fichten oder Fich-tengruppen

l Förderung von für das Haselhuhn geeigneten Strukturen unter Strom-trassen

l Belassen spezieller Habitatelementeim Rahmen der Waldbewirtschaftung(z. B. offene Rohbodenstellen, Wur-zelteller, liegendes Totholz)

l In Teilbereichen des VSG Absenkungder hohen Reh- und Rothirschbe-stände, die das Aufkommen einerausgeprägten Strauch- und Kraut-schicht verhindern

Situation des Haselhuhns

Das Haselhuhn stellt spezifische An-sprüche an seinen Lebensraum, die imüberwiegend nadelholzgeprägten Alters-klassenwald nicht mehr erfüllt werden.Über Jahrhunderte gab es im Siegerlandgroßflächige Niederwälder, sogenannteHauberge, die in regelmäßigen zeitlichenAbständen auf den Stock gesetzt wurden –mit anschließendem Abflämmen von Vegetationsresten, Buchweizen- und Rog-genanbau, Brachliegenlassen über meh-rere Jahre und Nutzung als Rinderweide ab dem siebten Jahr, um dann wieder in Niederwald überzugehen (BECKER &FASEL 2007). Dieses Mosaik aus ver-schiedenen Alters- und Bewirtschaftungs-stadien bot dem Haselhuhn durch seinenStrukturreichtum gut geeignete Lebens-räume. Da die traditionelle Niederwald-nutzung wirtschaftlich nicht mehr und dieverbliebene Holznutzung meist nur nochfür die Mitglieder der Haubergsgenossen-schaften attraktiv ist, wurde und wird derweitaus größte Teil mit der Zeit in Hoch-wald (früher oft in Fichten-, heute z. B. inBuchen-, Eichen- oder Edellaubholz-bestände) überführt. In den letzten Jahrenwurden allerdings einige ehemalige Nie-derwaldbestände, sogenannte „durchge-wachsene“ Hauberge, angesichts der ge-stiegenen Brennholznachfrage nach langerZeit erneut auf den Stock gesetzt. Es be-steht die Chance, dass in naher Zukunft zu-

mindest auf einigen Flächen eine nieder-oder mittelwaldartige Nutzung durch diejeweiligen Waldgenossenschaften fortge-führt wird. Dabei können bis etwa 20Laubbäume pro Hektar als Starkholz er-halten werden.

Ziele und Maßnahmen für das Haselhuhn

Im Vogelschutz-Maßnahmenplan werdenfür die wertbestimmenden Vogelarten Ent-wicklungsziele definiert, die sich an derBestandsgröße zum Zeitpunkt der Auswei-sung des VSG orientieren. Anhand dieserZielgrößen wird der Bedarf an Maßnah-men abgeleitet. Da der Plan ein fachlichesRahmenkonzept, aber kein flächenscharferPflegeplan ist, werden nur auf einigen be-sonders bedeutsamen Flächen parzellen-scharfe Maßnahmenvorschläge formuliert.Ansonsten werden Teilräume des VSG abgegrenzt, in denen die dargestelltenMaßnahmen schwerpunktmäßig umge-setzt werden sollen (Schwerpunkt- oderEntwicklungsräume). Dadurch wird eineräumliche Lenkung der Maßnahmen er-reicht, die aber – in Reaktion auf möglicheVeränderungen der zahlreichen Rahmen-bedingungen für die Umsetzung – einemöglichst hohe Flexibilität zulässt.

Als Entwicklungsziel für das Haselhuhnformuliert der Maßnahmenplan aufgrundder schweren Erfassbarkeit keine konkrete

Abb. 2: Lage des VSG Burbach in NRW

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Vogelschutzgebiet Burbach

Altersklasse im Laubwald, aus der zu-künftige Altbestände heranwachsen kön-nen, unterrepräsentiert ist. Durch die der-zeit hohe Brennholznachfrage besteht zudem großer Druck auf das ökologischbesonders wertvolle Buchen- und Eichen-altholz.Für die Altwaldarten werden als Schwer-punkträume für Schutzmaßnahmen alleAltholzbestände abgegrenzt, in denen beider Zielartenkartierung 2011 Vorkommenoder Höhlen dieser Arten erfasst wurden.Der Erhalt dieser Altholzbestände hat fürdiese Gilde die höchste Priorität. Als Ent-wicklungsräume gelten alle übrigen Laub-waldbestände mit einem Bestandesaltervon über 80 Jahren.Innerhalb des VSG Burbach liegen dieWildnisgebiete „Buchenwälder südlichWasserscheide“ und „Großer Stein“. Fürdiese Gebiete, die eine hohe Bedeutung für die Altwaldarten des VSG haben undals Schwerpunkträume dargestellt sind, be-schreibt der Vogelschutz-Maßnahmenplankeine gesonderten Maßnahmen. Hier wer-den die für die Altwaldarten wichtigsten

Vogelarten alter LaubwaldbeständeIm VSG Burbach gibt es neben Fichtenbe-ständen auch strukturreiche Laubwaldbe-stände mit Alt- und Totholz. Diese bietenSchwarzstorch, Rotmilan, Wespenbussard,Schwarz-, Grau- und Mittelspecht Lebens-raum. Gemeinsam mit Sperlings- und Rau-fußkauz, die auf einen gewissen Anteil anNadelholz angewiesen sind, werden dieseArten im Vogelschutz-Maßnahmenplan inder Gilde „Altwaldarten“ zusammenge-fasst. Als Brutlebensräume besonders be-deutend sind für diese Artengilde (mit Aus-nahme des Sperlingskauzes) über 120- bis140-jährige Buchen- und Eichenbestände.Dabei können auch kleinere Flächen imSinne von Altbaumgruppen oder „Altholz-inseln“ innerhalb jüngerer Waldbeständegeeignet sein. Für einige Arten ist die engeVerzahnung mit Grünland (vor allem fürRotmilan, Wespenbussard und Grau-specht) oder das Vorhandensein störungs-armer Bachtäler (insbesondere für denSchwarzstorch) von Bedeutung.Die Bedingungen für die meisten dieserArten haben sich im Laufe der letzten Jahr-zehnte durch das Älterwerden der Laub-,aber auch der Nadelwaldbestände insge-samt eher verbessert. Dies zeigen auch dieErgebnisse der ersten systematischen Be-standserfassung der Altwaldarten im VSGim Jahr 2011 (für Raufuß- und Sperlings-kauz 2013). Ihre Bestände erscheinen imVergleich mit Schätzungen zum Zeitpunktder Gebietsausweisung stabil bis leicht zunehmend. Ausnahmen sind der Grau-specht, der eine Bestandsabnahme zeigt,sowie der Mittelspecht, dessen Revierzahlim Zuge der landesweiten Bestands-zunahme und des Durchwachsens ehe-maliger Eichen-Niederwälder von ge-schätzten ein bis fünf auf 28 gestiegen ist (z. T. auch durch bessere Erfassung be-dingt). Problematisch für die Altwaldartenist, dass im VSG Burbach durch die langePhase des Fichtenanbaus die mittlere

Abb. 3: So mag es das Haselhuhn: ein strukturreicher Waldbestand mit einer gebrochenen Buche als Habitatelement, beispielsweisefür die Balz der Haselhähne (links), eine an Strukturen und Nahrungspflanzen reiche Wegböschung im Wald (rechts) Fotos: J. Weiss

Abb. 4: Altbaumgruppen (links) sind unter anderem für den Schwarzspecht (rechts) wichtig Fotos: J. Weiss

Vorgesehene Maßnahmen für dieAltwaldarten:

l Erhalt von Altbäumen und Totholz,insbesondere von Horst- und Höh-lenbäumen, möglichst in Form vonAltbaumgruppen

l Möglichst hohes Erntealterl Erhalt/Schaffung von Lichtungenund lichten Waldrändern

l Vermeidung von Störungen im Horst-umfeld zur Brutzeit (Horstschutz-zonen; s. „Dienstanweisung zum Artenschutz im Wald“ mit sog. „Posi-tivliste Wald“, online unter www.naturschutzinformationen-nrw.de/artenschutz/de/downloads)

l Erhalt und Optimierung von Nah-rungshabitaten (je nach Vogelart Gewässer, Grünland oder Waldlich-tungen sowie lichte Waldinnen- und -außenränder)

l Ausbringung und Betreuung vonRaufußkauz-Nistkästen

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Vogelschutzgebiet Burbach

Maßnahmen durch das Unterlassen forst-licher Bewirtschaftung weitgehend um-gesetzt.

Vogelarten der Bergmähwiesenund -weidenAuch die Bestände der Offenlandartenwurden zuletzt im Jahr 2011 in den wich-tigsten Gebieten im VSG Burbach erfasst.Die großenteils extensiv genutzten Berg-wiesen und -weiden sind ein wichtiger Lebensraum für Braunkehlchen, Wiesen-pieper, Neuntöter und Wachtelkönig. DasGebiet beherbergt insgesamt die lan-desweit größte Population des in NRWvom Aussterben bedrohten Braunkehl-chens (etwa 80 bis 100 Reviere). DessenBe stände sind hier mit gewissen Schwan-kungen stabil. Bis 2010 war auch dieBekas sine noch mit einem Revierpaar indiesem Gebiet vertreten, das Vorkommenist aber mittlerweile erloschen. Der Raub-würger, zuvor noch mit einem bis zweiBrutpaaren im VSG vertreten, konnte seitder Erfassung im Jahr 2011 zur Brutzeitnicht mehr sicher festgestellt werden. Derstarke Rückgang des Wiesenpiepers vonbis zu 100 auf unter 50 Reviere ist wahr-scheinlich zumindest teilweise auf Ursa-chen außerhalb des VSG zurückzuführen,da sich die Habitate, soweit erkennbar,nicht verschlechtert haben.Oberste Priorität für die Offenlandarten hatder Erhalt der extensiv genutzten Grün-landflächen (Bergwiesen, Feuchtgrünland,Viehweiden, Grünlandbrachen, Borstgras-rasen, Wacholderheiden). Die aktuell be-siedelten Offenlandbereiche werden imMaßnahmenplan als Schwerpunkträumeabgegrenzt, die potenziell als Lebensraumfür diese Arten geeigneten Flächen als Ent-wicklungsräume.

Vorgesehene Maßnahmen für dieOffenlandarten:

l Erhaltung der bestehenden exten-siven Grünlandnutzung und Fortfüh-rung des Vertragsnaturschutzes

l Entbuschung stark verbuschter Grün-landflächen (unter Belassen einzelnerSträucher in Neuntöter-Habitaten)

l Leichte Intensivierung der Bewirt-schaftung auf Flächen mit zu hohemAufwuchs und starker Verbuschung;gegebenenfalls Beweidung mit Zie-gen

l Prüfung von Optimierungsmöglich-keiten des Vertragsnaturschutzes (z. B. Tausch von Flächen mit/ohneVertragsnaturschutz)

l Erhalt und gegebenenfalls lokale Er-höhung der Bodenfeuchte und Ent-wicklung von Blänken im Feucht-grünland (Wachtelkönig- und Bekas-sinenhabitate)

Maßnahmen für alle ArtengildenNeben den oben beschriebenen speziellenMaßnahmen für die einzelnen Arten oderGilden werden im Vogelschutz-Maßnah-menplan allgemeine Maßnahmen und Zielefür alle Arten formuliert. Dazu gehören:l Kontrolle der Einhaltung bestehenderGe- und Verbote in den Natur- undLandschaftsschutzgebieten (z. B. bzgl.freilaufender Hunde, Motocross- undMountainbikefahrerinnen und -fahrernabseits der Wege),

l Verbesserung der Naturerlebnismög-lichkeiten inklusive Besucherlenkung,

l Vermeidung neuer Lebensraumzer-schneidungen, Flächenverluste und Stö-rungen, die beispielsweise durch Neu-bau oder Erweiterung von Gewerbe-gebieten und Straßen sowie durch dieErrichtung und den Betrieb von Wind-energieanlagen entstehen können, sowie

l Management der für einige Zielartenproblematischen hohen Wilddichten(Rothirsch, Reh, Wildschwein).

Bisherige Maßnahmen undSchutzbemühungenIm heutigen VSG Burbach finden seit langem Bemühungen zum Schutz derwertbestimmenden Vogelarten statt, ins-besondere:l Umsetzung der Rahmenvereinbarungvom 17.11.2000 zum VSG Burbach undzu den darin liegenden FFH-Gebieten.Diese Vereinbarung soll unter Berück-sichtigung der ökonomischen und sozia-len Bedürfnisse der Bevölkerung sowieder Land- und Forstwirtschaft zur Er-füllung der naturschutzfachlichen Ver-pflichtungen vor dem Hintergrund derNATURA 2000-Schutzgebietsauswei-sungen beitragen (Näheres dazu im Vogelschutz-Maßnahmenplan)

l Erhalt der Offenlandlebensräume durchextensive Bewirtschaftung im Rahmendes Vertragsnaturschutzes durch Land-

wirtinnen und Landwirte (Einwerbungund Betreuung durch die BiologischeStation) auf über 30 Prozent der gesam-ten Grünlandfläche im VSG Burbach

l Umsetzung zahlreicher kleinflächigerSchutzmaßnahmen durch Waldbesitze-rinnen und Waldbesitzer im Rahmen derWaldbewirtschaftung mit Unterstützungdurch die Forstbetriebsbeamtinnen und -beamten

l Erstellung und teilweise Umsetzung vonNaturschutzplanungen für Teilgebiete

l Maßnahmen im Rahmen eines Hasel-huhn-Pilotprojekts in den 1980er/90er-Jahren (EWERS et al. 2000)

l Flächenankauf zu Naturschutzzwecken(Kreis Siegen-Wittgenstein, Land NRW,NRW-Stiftung)

l Lenkung von Ausgleichs-/Ersatzmaß-nahmen in das VSG Burbach durchKreis und Gemeinden

l Durchführung von Pflegemaßnahmendurch die Biologische Station und denKreis (z. B. Entbuschungen, Entsteinen)

Darüber hinaus sind innerhalb des VSGüber die Landschaftspläne für die Gemein-den Burbach und Neunkirchen 26 Natur-

Abb. 5: Eine extensiv genutzte Bergmähwiese im VSG Burbach – Lebensraum für Wiesenpieper und Braunkehlchen Foto: J. Weiss

Abb. 6: Das VSG Burbach beherbergt etwa zwei Drittel des Landesbestandes des Braunkehlchens Foto: J. Weiss

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Vogelschutzgebiet Burbach

schutzgebiete und die vollständige übrigeVSG-Fläche als Landschaftsschutzgebietausgewiesen. Viele Ge- und Verbote fürdiese Schutzgebiete sowie viele der in denLandschaftsplänen festgesetzten Pflege-und Entwicklungsmaßnahmen decken sichmit den Zielen für das VSG.Ohne diese Maßnahmen und das dahinterstehende Engagement örtlicher Akteureginge es den wertbestimmenden Vogel-arten im VSG Burbach deutlich schlechter,einige kämen hier wahrscheinlich gar nichtmehr vor. Dennoch reichen die Bemühun-gen bislang nicht aus, um den Abwärts-trend einiger Arten aufzuhalten oder garumzukehren.

Entscheidend ist die UmsetzungDie Berücksichtigung der im Vogelschutz-Maßnahmenplan aufgeführten Maßnah-men für die wertbestimmenden Vogelartendes VSG ist für die zuständigen Behörden(Kreis und Regionalforstamt) bindend, für Flächeneigentümer und -bewirtschafter jedoch rein freiwillig. Daraus folgt, dassfür die Umsetzung insbesondere die be-stehenden Förderinstrumente von Bedeu-tung sind, die den Waldbesitzern undLandwirten den Ertragsausfall oder denArbeitsaufwand für freiwillig umgesetzteNaturschutzmaßnahmen finanziell aus-gleichen. Das sind vor allem der Vertrags-naturschutz auf landwirtschaftlichen Flä-chen und die Förderung nach der forst-lichen Förderrichtlinie. Hierzu und zu wei-teren Umsetzungs- und Förderinstrumen-ten finden sich weitere Informationen imMaßnahmenplan. Eine Übersicht der naturschutzbezogenen Förderinstrumenteist unter www.umwelt.nrw.de/natur-wald/natur/foerderprogramme/ einzusehen. Wich-tig für die Umsetzung des Maßnahmen-plans ist, dass alle verfügbaren Instrumentegenutzt werden, also beispielsweise auchKompensationsmaßnahmen, die im Rah-men von Eingriffen notwendig werden,oder die Ökopunkteregelung. Insbesondereauf Flächen in der öffentlichen Hand innerhalb des VSG Burbach sollten ver-stärkt Maßnahmen im Sinne des Vogel-schutz-Maßnahmenplans umgesetzt wer-den. Daneben würde sich die Durchfüh-rung eines Naturschutzgroßprojektes (z. B.LIFE, chance.natur) anbieten, da das VSGneben den genannten Vogelarten mit den in ihm liegenden FFH-Gebieten auch einehohe Bedeutung für einige Lebensraum-typen und Arten von gemeinschaftlichemInteresse nach der FFH-Richtlinie hat. Fürdie Umsetzung der Maßnahmen im Privat-wald im Hinblick auf das Haselhuhn wärenneben den bestehenden Fördermöglich-keiten weitere, langfristig gesicherte Finanzierungs- oder Förderinstrumentewünschenswert.Als Erfolgskontrolle soll regelmäßig dieBestandsentwicklung der wertbestimmen-den Arten im VSG erfasst werden.

Anschriften der Verfasserinnen und VerfasserBettina FelsLandesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)VogelschutzwarteLeibnizstr. 1045659 [email protected]

Michael Abt, Timur Beck, Kerstin Schmidt, Elmar WulfLandesbetrieb Wald und Holz NRWRegionalforstamt Siegen-WittgensteinVormwalder Str. 957271 [email protected]

Michael FredeBiologische Station Siegen-WittgensteinIn der Zitzenbach 257223 [email protected]

Michael GertzKreis Siegen-WittgensteinUntere Landschaftsbehörde57069 [email protected]

Dagmar SchlabergBezirksregierung ArnsbergDezernat 51 – Höhere LandschaftsbehördeSeibertzstr. 159821 [email protected]

Dr. Joachim Weiss1. Vorsitzender der Nordrhein-Westfälischen Ornithologengesellschaft e.V. (NWO)Ehem. Leiter der Vogelschutzwarte im LANUVWiesengrund 2959348 Lü[email protected]

FazitAuch wenn im VSG Burbach bereits vielfür die wertbestimmenden Vogelarten undihre Lebensräume getan wurde und wird,besteht angesichts der deutlichen Be-standsrückgänge einiger Arten und der hohen Bedeutung des Gebiets dringenderHandlungsbedarf. Die Umsetzung des Vogelschutz-Maßnahmenplans ist dahersehr wichtig, damit Haselhuhn, Braun-kehlchen & Co dort langfristig eine Per-spektive haben. Dafür ist eine enge Zu-sammenarbeit aller Akteure vor Ort, ins-besondere mit den Waldbesitzern undLandwirten, entscheidend.

HinweisDer Vogelschutz-Maßnahmenplan für dasEU-Vogelschutzgebiet „Wälder und Wie-sen bei Burbach und Neunkirchen“ stehtim Internet unter www.lanuv.nrw.de/vsg-burbach/ zum Download bereit.

LiteraturBECKER, A. & P. FASEL (2007): Nutzungs-geschichte der Siegerländer Niederwälder und Beschreibung des Untersuchungsgebietes„Historischer Hauberg Fellinghausen. In: Nie-derwälder in Nordrhein-Westfalen. LANUV(Hrsg.). LANUV-Fachbericht 1: 33–54.EWERS, C., SCHMIDT, K. & J. WEISS (2000): DasPilotprojekt „Haselhuhn“ (Bonasa bonasia) imSiegerland. Forst und Holz 55: 76–79.SUDMANN, S. R., GRÜNEBERG, C. , HEGEMANN,A., HERHAUS, F., MÖLLE, J. , NOTTMEYER-LINDEN, K., SCHUBERT, W., VON DEWITZ, W.,JÖBGES, M. & J. WEISS (2008): Rote Liste dergefährdeten Brutvogelarten Nordrhein-West-falens. 5. Fassung. Charadrius 44 (4): 137–230.SCHREIBER, A., WIELAND, F. & W. WETZ (2015):Westliches Haselhuhn, Bonasa bonasia rhenana – eine dringliche Verantwortungsartfür Rheinland-Pfalz. Pollichia-Kurier 31(2):37–43.WEISS, J. (2013): Haselhuhn. In: GRÜNEBERG,C., SUDMANN, S. R. sowie WEISS, J., JÖBGES,M., KÖNIG, H. , LASKE, V., SCHMITZ, M. & A.SKIBBE: Die Brutvögel Nordrhein-Westfalens.NWO & LANUV (Hrsg.), LWL-Museum fürNaturkunde, Münster.

mit den Akteuren vor Ort ein Vogel-schutz-Maßnahmenplan (VMP) erarbei-tet, der die erforderlichen Maßnahmendarstellt. Dazu gehören unter anderemdie Fortführung oder Wiederaufnahmeeiner niederwaldartigen Bewirtschaf-tung, bei der auch ein dauerhafter Erhaltvon bis zu 20 Laubbäumen pro Hektarmöglich ist, die Strukturanreicherungder Altersklassenwälder, der Erhalt vonAlt- und Totholz und die (Teil-)Ent-buschung zu stark verbuschter Offen-landflächen. Für die erfolgreiche Um-setzung sind ein Ineinandergreifen undeine möglichst umfängliche Nutzung derverfügbaren Umsetzungsinstrumente, vomVertragsnaturschutz in Offenland undWald bis hin zur gezielten Lenkung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen,notwendig.

ZusammenfassungDas VSG Burbach hat eine hohe Bedeu-tung für Haselhuhn und Braunkehlchensowie für weitere Vogelarten des Offen-landes und alter Laubwälder. Viele derMaßnahmen zum Schutz der seltenenLebensräume und Arten haben sich seitAusweisung des VSG positiv ausge-wirkt. Da die Bestände einiger Artentrotz der verschiedenen Schutzbemü-hungen deutlich abgenommen haben,besteht dringender Handlungsbedarf fürdie Verbesserung einiger Vogellebens-räume in diesem VSG. Daher wurdedurch das LANUV in Zusammenarbeit

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Schlingnatter

pflege an den Wuppertaler Vorkommenmit Schwerpunkt im Bereich des Mar-scheider Waldes vorgestellt, daneben aberauch die Möglichkeit einer Umsiedlungbei Eingriffen, des Monitorings und derErfassung oder Populationsgrößenschät-zung der FFH-Art Schlingnatter mit Bei-spielen von anderen Projektstandorten.

Migrationsverhalten der SchlingnatterDen ersten Fachvortrag hielt Diplom-Bio-loge Dirk Alfermann als Übersichtsreferatüber Ökologie, Verbreitung, Gefährdungund Schutz der Schlingnatter. Dabei stellteAlfermann auch Forschungsergebnissevor, die er im Rahmen seiner Dissertationzu zwei Populationsstandorten der Schling-natter, im Marscheider Wald und im

Bereich einer alten Drahtseilbahntrasse(neben einer parallel verlaufenden Freilei-tung) bei Neheim-Hüsten, Stadt Arnsberg,gewinnen konnte. Aufschlussreich für das Projekt waren die Ergebnisse seinerForschung zu den Entfernungen, die dieTiere im Gelände im Laufe der Unter-suchungsmonate zurückgelegt haben. Beiden mit einem Transponder ausgestattetenSchlingnattern lagen Entfernungen von bis zu 700 Metern zwischen dem Erstauf-findeort und dem letzten Beobachtungsort.Neben diesem Migrationsverhalten wurdeaber auch eine relative Standorttreue anderer Tiere belegt. Die Auswertungenergaben sehr unterschiedliche Homerange-größen (Lebensraumgrößen). Beispiels-weise lag die Homerangegröße bei einerNatter, die vom 18.7. bis zum 20.10.2008besendert wurde, bei 1,5 Hektar; bei einem

Vor 20 Jahren war die Schlingnatteran den Hängen der Wupper nahe-zu verschwunden. Durch diesen

Rückgang alarmiert riefen Naturschützerdas Projekt „Gemeinsam für die Schling-natter – ökologische Trassenpflege imMarscheider Wald“ ins Leben. In der Projektgruppe arbeiten Naturschützerinnenund Naturschützer, die Untere Land-schaftsbehörde der Stadt Wuppertal, dieFreileitungsbetreiber, der LandesbetriebWald und Holz und das LANUV zu-sammen. Im Mittelpunkt steht die lang-fristige und nachhaltige Verbesserung desLebensraums der Schlingnatter. Es wurdengezielte Pflegemaßnahmen, vor allem unter einem Teilabschnitt der Freileitungs-trasse von Hattingen nach Wuppertal undauf angrenzenden Flächen durchgeführt,die die verschiedenen Ansprüche der Nutzer berücksichtigen. Die Schlingnatterals Leitart dieser ökologischen Trassen-pflege steht für eine Gemeinschaft von Lebewesen, die strukturreiche, trocken-warme Biotopkomplexe bevorzugen. Überdie reine Mahd und Entbuschung hinauswurde die Entwicklung von Heidebiotopengefördert. Auch wurden Strukturen wieSchnittholzstapel und eine große Natur-steinmauer angelegt. Alle Akteure der Arbeitsgruppe und ehrenamtliche Helfersind an den Pflegemaßnahmen beteiligt.Inzwischen ist das Ziel des Projektes er-reicht: Die letzte Schlingnatter-Populationim Naturraum Wuppertal und insbesondereim Marscheider Wald konnte vor dem Aus-sterben bewahrt werden, sie ist stabil undes wurden weitere Teilpopulationen aufangrenzenden Flächen nachgewiesen.Im Jahr 2014 wurde die ProjektgruppeSchlingnatterschutz für diesen Erfolg ge-zielter Naturschutzarbeit mit dem Landes-pflegepreis des Deutschen Verbandes fürLandschaftspflege ausgezeichnet.Auf der Tagung wurden die gewonnenenErkenntnisse im Bereich der Lebensraum-

Arno Geiger, Rainer Mönig, Karin Ricono, Manfred Henf, Claudia Jaehrling

Ökologische Trassenpflege für die SchlingnatterTagung blickt zurück auf 20 Jahre Schlingnatterschutz in Wuppertal

Seit 1995 besteht die interdisziplinäre „Projektgruppe Schlingnatterschutz“ unter der Federführung der Stadt Wuppertal im bergischen Städtedreieck. Darin treten so unterschiedliche Akteure wie ein Freileitungsbetreiber, zwei Naturschutzverbände und lokale Fachbehörden zusammen für den Schling-natterschutz ein. Aus Anlass ihres 20-jährigen Bestehens veranstalteten die beteiligten Akteure zusammenmit der Natur- und Umweltschutz-Akademie NRW (NUA) und dem LANUV am 9. September 2015 imHaus Müngsten eine Tagung, die Einblicke in die 20-jährigen Projekterfahrungen gewährte.

Abb. 1: Dank 20-jähriger Kooperation verschiedenster Akteure ist die Schlingnatter-population im Naturraum Wuppertal wieder stabil Foto: LANUV/P. Schütz

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Schlingnatter

anderen Individuum lag sie im Zeitraum11.7. bis 18.10.2008 nur bei 0,6 Hektar.

Rückblick auf das ProjektIm Themenblock „20 Jahre ProjektgruppeSchlingnatterschutz“ stellten die Mit-glieder der Projektgruppe verschiedeneEinzelaspekte vor.Karin Ricono von der Unteren Land-schaftsbehörde der Stadt Wuppertal berichtete über die Kooperation und dieÖffentlichkeitsarbeit im Rahmen des Projektes. Anstoß für die Gründung einerProjektgruppe sei ein Schreiben derBUND-Kreisgruppe gewesen, in dem diese die Landschaftsbehörde und die da-malige LÖBF (heute LANUV) über dieGefährdungssituation des lokalen Schling-nattervorkommens informiert habe. Einegemeinsame Ortsbesichtigung mit demForstamt Mettmann als Eigentümer der betroffenen Flächen folgte. Die Projekt-gruppenarbeit habe mit der Erkenntnis begonnen, dass eine Unterstützung durchweitere Akteure und eine konzeptionellePlanung als Grundlage für die langfristigeSicherung der Population der Schling-natter im Raum Marscheider Wald und eine kontinuierliche Biotoppflege erforder-lich seien. Daraus entstand die Idee, so Ricono, eine gemeinsame Arbeitsgruppeunter Einbeziehung der damaligen Lei-tungstrassenbetreiber RWE und VEW alsFlächennutzer zu gründen.Ricono gab einen chronologischen Über-blick über ausgewählte Aktivitäten, die bisheute umgesetzt wurden. Über die Jahresei mit den alljährlich vorzubereitendenAbstimmungsgesprächen zwischen denAkteuren im Artenschutzprojekt, den inter-

national ausgerichteten „Jugendworkcamps“und verschiedenen Veröffentlichungen (z.B.ECKSTEIN et al. 1996, MÖNIG et al. 1997,RICONO et al. 2006) ein überaus wirksamesArtenschutzkonzept entstanden. Das be-stätige auch der Landschaftspflegepreis,der vor allem mit Blick auf das nahezuideale Zusammenwirken der Kooperati-onspartner über eine vergleichsweise langeSchaffensperiode verliehen worden sei.Ricono berichtete, dass im Jubiläums-jahr 2015 mit Fördermitteln des NRW-Umweltministeriums einige weitereöffentlichkeitswirksame Projekte realisiert

Abb. 2: Im Zuge von Workcamps führen Jugendliche großflächige Pflegemaßnahmendurch Foto: G. Neumann

werden konnten: Vier Infotafeln im Marscheider Wald machten seit Mitte desJahres Spaziergängerinnen und Spazier-gänger auf das Artenschutzprojekt auf-merksam und eine gemeinsame Internet-seite sei seit kurzem online (www.schlingnatterschutz-im-marscheider-wald.de). Das diesjährige Jugendworkcamp seianlässlich des Jubiläums der Projekt-gruppe auch von Staatssekretär HorstBecker besucht worden, der mit Lob undAnerkennung für die freiwillige Arbeit der Jugendlichen nicht gespart habe. DieProjektgruppe habe ihn gebeten, sich füreine finanzielle Unterstützung des Landeszur Fortsetzung der Arbeiten einzusetzen.

Claudia Jaehrling von der Amprion GmbHstellte die Pflegepläne und ihre Umsetzungim Freileitungsnetz vor und erläutertenachfolgend die spezielle Zusammenarbeitaller Akteure zur Durchführung der auf dieSchlingnatter abgestimmten Pflegemaß-nahmen im Marscheider Wald. Darüber hinaus berichtete sie auch über eine gut-achterliche Begleitung des Artenschutz-projektes durch das Planungsbüro Henf.

Um bei der Amprion GmbH den modernenTrassenpflege-Grundsatz „häufig und extensiv pflegen“ durchzuführen, so be-richtete Jaehrling, werde für das gesamteNetz ein Pflegekonzept – eine sogenannteBiotopmanagement-Planung – entwickeltund erfolgreich eingesetzt. Die Planung lege Pflegeflächen, -art und -turnus fest,setze Ziele für die künftige Vegetations-struktur, binde Behörden, Verbände undFlächeneigentümer bei der Erstellung mitein und bilde die Grundlage für die unter-nehmensinterne Kostenplanung. Mit die-sem Pflegekonzept sei es umfassend mög-lich, eine Optimierung in den Bereichen

Abb. 3: Auf einigen Teilflächen beeinträchtigt der Adlerfarn die Lebensraumqualität fürdie Schlingnatter und muss deshalb kontinuierlich entfernt werden Foto: G. Neumann

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Schlingnatter

Reptilienart Schlingnatter Ringelnatter BlindschleicheAnzahl nachgewiesener 9 9 270TiereTiere/ha 6,0 6,0 180,0

Trassenpflege, Eingriffszeitpunkt undAus schreibungsprozesse zu erlangen. LautJaehrling können dabei auch Arten- undLebensraumschutz berücksichtigt werden:Für die Trasse im Marscheider Wald sei einspezielles Schlingnatter-Konzept mit derzugrunde liegenden zugehörigen Biotop-management-Planung erstellt worden. DieGrundlage dieser Artenschutzplanung seieine gutachterliche Ausarbeitung, die einMonitoring samt Pflegevorschlägen be-inhalte.Begeistert berichtete Jaehrling, dass derErfolg dieses Projektes auf einer lang-jährigen intensiven und konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten fuße:Die Stadt Wuppertal, der LandesbetriebWald und Holz NRW als Flächeneigen-tümer sowie der ehrenamtliche und beruf-liche Naturschutz hätten durch die jähr-lichen Planungstreffen eine effektive Projektarbeit geleistet. Die daraus resul-tierenden Ergebnisse für die jährliche Trassenpflege machten es dem Leitungs-betreiber laut Jaehrling möglich, derSchlingnatter samt dem zugehörigem Lebensraum auf der Trasse ein gutes Ent-wicklungspotenzial zu bieten. Mittlerweileist die Freileitung in das Eigentum derWestnetz GmbH übergegangen, die dasProjekt zukünftig fortsetzt. Somit könnenFreileitungsbetreiber mit einer Trassen-pflege erfolgreich dazu beitragen, lineareVerbindungselemente zu schaffen, zu er-halten und für den Biotopverbund zur Ver-fügung zu stellen.Dr. Rainer Mönig vom BUND Wuppertalstellte die Bedeutung und Notwendigkeitvon ehrenamtlicher Arbeit im Natur- undArtenschutz am Beispiel des Schling-natterschutzes in Wuppertal heraus. SchonJahre vor dem Beginn des Projektes hättenherpetologisch interessierte Mitglieder der BUND-Kreisgruppe das Fehlen derSchlingnatter an Orten bemerkt, die siefrüher besiedelte. Bereits 1990 habe dieKreisgruppe mit ersten Pflegeeinsätzen zurartgerechten Herrichtung von Flächen-teilen begonnen. Da sich bald gezeigt habe, dass kleinteilige Maßnahmen nichtausreichen würden, habe sich der BUNDan die Landschaftsbehörde gewandt undsei damit zum Impulsgeber für das Projektgeworden. Mönig bezeichnete es als einenGlücksfall, dass die Flächeneigentümerund -nutzer des Schlingnatter-Lebens-raumes, Wald- und Holz NRW und dieFreileitungsbesitzer, zugleich auch pro-jekttragende Akteure sind. Auf den Freiwilligeneinsatz (also ehrenamtlicher Naturschutz) bezogen merkte er an, dassdieses Engagement im Spannungsfeld zwi-schen hoheitlichen Aufgaben der Natur-schutzbehörden und der gewerblichen Tätigkeit von Wirtschaftsunternehmen liege und damit auch den Rahmenbedin-gungen beider Akteure gerecht werdenmüsste. Zudem machte er deutlich, dassdie Naturschutzarbeit, die in den 1980er-

und 1990er-Jahren noch hoch motiviertvon vielen Naturschützerinnen und Natur-schützern durchgeführt worden sei, in-zwischen einem deutlichen Wandel unter-worfen sei. Heute fehle es einerseits anNachwuchs im Ehrenamt und andererseitsauch an fehlender Wertschätzung und Akzeptanz in Staat und Gesellschaft. Daran habe auch die 2014 ausgesprochenePreisverleihung bisher wenig ändern können.

20 Jahre MonitoringMit dem Themenblock „Monitoring undErfassung der Schlingnatter – Erfahrungenaus 20 Jahren“ stellte zunächst Arno Geiger vom LANUV die landesweiten Ergebnisse des ersten Schlingnatter-Moni-torings zwischen 2007 und 2012 in NRWvor. Die Schlingnatter musste demnach sowohl in der kontinentalen (Bergland vonNRW) als auch in der atlantischen Region(Tiefland von NRW) in einen „unzu-reichend-ungünstigen“ Erhaltungszustandeingestuft werden. Zwei der FFH-Schling-natter-Stichprobenflächen befinden sich in Projektgebiet. An der Probefläche imMarscheider Wald unter der Freileitungs-

trasse wurde der Erhaltungszustand als„günstig“ und an der Fläche in Wuppertal-Kemna auf der aufgelassenen Bahntrasseals „ungünstig-unzureichend“ eingestuft.Hier gilt es an beiden Standorten durchBeibehaltung und Weiterführung der Pflegemaßnahmen den „Zustand“ zu halten oder in Richtung „günstig“ weiterzu entwickeln.Manfred Henf vom Büro für Ökologie in Mettmann zeigte in seinem Vortrag die langjährige, systematisch betriebeneErfassung von Schlingnattern mit ver-schiedenen Methoden auf. Dabei zeige das Auslegen von künstlichen Versteck-plätzen (sogenannte Schlangenbretter oder etwa 50 x 50 Zentimeter große Dach-pappenstücke) gute Erfassungsresultate,wie er im Rahmen der Deponiesanierungdurch Um- und Rückansiedelungsmaß-nahmen beweisen konnte. Beispielhaftsind diese Fangergebnisse auf dem Plateauder Deponie Kemna (Flächengröße 1,5Hektar) mit 17 Begehungen der Tabelle 1zu entnehmen.Dieser Standort ist der Lebensraum einerTeilpopulation der lokalen Population undmit den Standorten Marscheider Wald undDeponie Kemna über eine Eisenbahn-

Abb. 4: An mehreren Standorten entlang der Leitungstrasse wurden auf der ab-schließenden Exkursion die dortigen Pflegemaßnahmen erläutert, im Bildvordergrund ist der herausgenommene Baumaufwuchs dieses Jahres zu sehen Foto: A.Geiger

Tab. 1: Fangergebnisse auf der Deponie Kemna mit einer „Grobberechnung“ der Siedlungsdichte

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Schlingnatter

und die Freileitungstrasse vernetzt, nur die zwischen den Standorten verlaufendeWupper hat hierbei eine gewisse Barriere-funktion für die Schlingnatter.

Die Individualerkennung mittels derZeichnungsmuster auf den Oberlippen-schildern der Schlingnatter brachte guteErgebnisse und kann als zuverlässige Erkennungsmethode empfohlen werden.

Vorgezogene AusgleichsmaßnahmenDr. Burkhard Beinlich, Landschaftsstationim Kreis Höxter e.V., referierte im letztenTagungsvortrag über vorgezogene Aus-gleichsmaßnahmen (CEF-Maßnahmen)im Rahmen eines Straßenbauprojektes als Chance zur Sicherung und Optimierungeines Schlingnatter-Lebensraumes im öst-lichen Westfalen. Der Straßenneubau dortsei mit der Gefahr verbunden, dass die lokale Population der Schlingnatter inmehrere Teilpopulationen aufgespaltenwerde. Er erörterte, dass im Rahmen dieserBaumaßnahme der Schlingnatterlebens-raum durch die direkte Inanspruchnahmeeines Bahndamms teilweise zerstört wer-den würde und mit einem erhöhten Tötungsrisiko einhergehe. Beides sei nachParagraph 44 Bundesnaturschutzgesetzunzulässig. Deshalb wären vorgezogeneAusgleichsmaßnahmen entwickelt undumgesetzt worden. So kann durch dieSchaffung eines Lebensraumkorridors,durch aktive Umsiedlung der Schling-nattern und durch Maßnahmen zur Opti-mierung oder Erweiterung bestehenderHabitate der Gesetzeslage entsprochen

werden. Dazu gehören die Anlage vonWinterquartieren, Sonn- und Versteckplät-zen (z. B. Reisighaufen, Steinriegel) sowiezur Sicherung eines ausreichend großenNahrungsangebotes für die Schlingnatter,die Förderung ihrer HauptbeutetierartenBlindschleiche und Zauneidechse. Zusätz-lich ist für die Zauneidechse auch eine Erhöhung der Zahl der Eiablageplätze geboten, und für alle Reptilienarten ist eine Anreicherung mit Strukturelementen(Steinhaufen, Totholz) vorgesehen undteilweise schon umgesetzt worden.Am Nachmittag fand eine Exkursion zuden Flächen einer aufgelassenen Bahn-trasse in Wuppertal-Kemna und der Leitungstrasse im Marscheider Wald statt,in deren Verlauf einzelne Pflegemaß-nahmen, Untersuchungsergebnisse und die Öffentlichkeitsarbeit im Rahmen desProjektes direkt im Gelände erläutert wurden.

LiteraturECKSTEIN, H.-P., R. MÖNIG & K. RICONO

(1996): Schutzprogramm für die Schlingnatterin Wuppertal. - LÖBF-Mitteilungen (Reckling-hausen) 21(3): 60–62.MÖNIG, R., DREINER, B., ECKSTEIN, H.-P. & K.RICONO (1997): Artenschutz und Leitungstras-sen. Ein Kooperationsprojekt für die Schling-natter (Coronella austriaca) in Wuppertal.Artenschutzreport 7: 1–5.RICONO, K., M. HENF, A. GEIGER, R. MÖNIG C.JÄHRLING, J. KLEPPE (2006): 10 Jahre Schutz-programm für die Schlingnatter in Wuppertal.Ansatz zum praktischen Umgang mit einer An-hang IV-Art der Europäischen FFH-Richtlinie.LÖBF-Mitteilungen (Recklinghausen) 31(3):17–23.

ZusammenfassungSeit 20 Jahren sind verschiedene Akteure im bergischen Städtedreieck ineiner Projektgruppe für den Schling-natterschutz in Wuppertal aktiv. Durchdiese Kooperation konnte mit gezieltenPflegemaßnahmen unter einer Frei-leitungstrasse und auf angrenzendenFlächen die in den 1990er-Jahren be-drohte Population der Schlingnatter wieder stabilisiert werden. Anlässlichdes 20-jährigen Bestehens der Projekt-gruppe berichteten die Beteiligten aufder Tagung über die Erfahrungen ihrergemeinsamen Arbeit. Darüber hinaus ergänzten weitere Referenten Erfah-rungen zu Migrationsverhalten und Er-fassungsmethoden der Schlingnatter so-wie zu vorgezogenen Ausgleichmaßenbei Eingriffen in deren Lebensraum.

Anschriften der Verfasserinnen und VerfasserArno GeigerLandesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)Fachbereich 24: Artenschutz/Vogelschutzwarte/Artenschutzzentrum MetelenLeibnizstraße 1045659 [email protected]

Dr. Rainer MönigBUND Kreisgruppe WuppertalLaaken 10442287 [email protected]

Karin RiconoStadt WuppertalRessort Umweltschutz, Stabstelle Umweltplanung, ArtenschutzJohannes-Rau-Platz 142275 [email protected]

Manfred HenfBüro für ÖkologieTalstraße 85 b40822 [email protected]

Claudia JaehrlingAmprion GmbHAsset ManagementRheinlanddamm 2444139 [email protected]

Abb. 5: Auch Demonstrationen am lebenden „Schutzobjekt“ waren auf der Exkursionmöglich: Eine Tagungsteilnehmerin schaut sich die vor Ort entdeckte Schlingnatter interessiert an. Foto: A.Geiger

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Moor-Renaturierung

Wiederherstellung der natürlichen abioti-schen Bedingungen in Deutschland nichtim Fokus der Forschung und der Land-schaftspflege.Dieser Beitrag zeigt anhand eines Bei-spiels aus den Niederlanden (nahe derdeutsch-niederländischen Grenze), wiegroß der Einfluss der abiotischen Bedin-gungen auf die Biodiversität sein kann.Ebenso wird dargestellt, wie ein Öko-system und seine abiotischen Bedingungenwiederhergestellt werden können, indemdie Entwicklungsmaßnahmen auf eineabiotische Voruntersuchung abgestimmtwerden.In den dicht besiedelten Niederlanden sinddie Eutrophierung, die Bodenversauerungund die Austrocknung der Böden schon

lange Thema. Mit modernem und innova-tivem Naturschutz versucht man hier, die Lebensraumqualität zu erhalten und zu erhöhen. Dieses ehrgeizige Ziel wirdunter anderem durch die Renaturierungvon Naturschutzgebieten, Flüssen, Seenund Agrarflächen erreicht. Hierbei spieltdie Renaturierung der abiotischen Be-dingungen von Böden und Gewässern und deren Hydrologie eine entscheidende Rolle, denn die Abiotik ist oft die Basis für eine vielfältige und artenreiche Natur.

Praxisbeispiel: Die RavenvennenDas Beispiel der Ravenvennen in NordLimburg zeigt, wie die Renaturierung

Durch den Menschen verursachteProbleme wie die Eutrophierung,die Bodenversauerung und die

Austrocknung der Böden haben im letztenJahrhundert stark zugenommen und neh-men großen Einfluss auf die Ökosysteme.Pflanzen und Tiere haben mit stark veränderten abiotischen Bedingungen zukämpfen. Eins der größten Probleme istder erhöhte Nährstoffeintrag in ein Habitat.Oft sind externe Quellen das Problem, wiedie Stickstoffdeposition aus der Luft oderdie Überdüngung angrenzender Gebieteund die Ausspülung der Nährstoffe überRegen und Grundwasser. Aber auch interneNährstoffquellen können Probleme verur-sachen. So kommt es immer häufiger vor,dass ehemalige Agrarflächen renaturiertwerden. Durch die frühere Düngung sinddie Flächen mit Nährstoffen (Stickstoffund vor allem Phosphor) angereichert. Inder Folge nehmen hochwachsende Gräser,Sträucher und Arten wie die Flatter-Binse(Juncus effusus) zu.Die abiotischen Bedingungen in Natur-schutzgebieten werden insbesondere inFeuchtgebieten auf verschiedenen Wegenbeeinflusst. Bodenversauerung und Anrei-cherung von Nährstoffen in Ökosystemendurch externe oder interne Quellen störendas natürliche Gleichgewicht und ver-ändern die ursprüngliche elementare Zu-sammensetzung von Böden oder Gewäs-sern. Durch Nährstoffanreicherung könnennährstoffliebende Pflanzen dominierenund andere Pflanzenarten verdrängen. Oftwerden Ökosysteme durch eine Kom-bination von Nährstoffanreicherung mit Bodenversauerung oder stark reduziertemGrundwassereinfluss und Austrocknungder Böden beeinflusst. Arten nährstoff-armer und nur mäßig saurer Böden sind dadurch stark bedroht und inzwischen geschützt.Obwohl die Auswirkungen von Eutrophie-rung, Bodenversauerung und Austrock-nung der Böden bekannt sind, steht die

Sebastian Krosse, Gijs van Dijk, Esther C.H.E.T. Lucassen, Emiel Brouwer, Alfons J.P. Smolders, Jan G.M. Roelofs

Die Wiederherstellung nährstoff-armer Moore am ValkenbergWie biogeochemische Prozesse Naturschutz, Landschaftspflege und Biodiversität beeinflussen können

Eutrophierung, Versauerung und Austrocknung der Böden verändern die abiotischen Lebensbedingungenvon Lebensräumen stark. Soll ein Gebiet renaturiert werden, hängt der Erfolg wesentlich von einer passenden Gewässer- oder Bodenchemie ab. Ein Beispiel aus den Niederlanden nahe der Grenze zu NRW zeigt, wie anhand der Biogeochemie Gebiete ausgewählt und Renaturierungsmaßnahmen abgeleitet werden können.

Abb. 1: Am Valkenberg nach der Renaturierung im Jahr 2015: Nach geochemischen Mes-sungen wurde der Oberboden abgetragen, um ein nährstoffarmes Moor zu entwickeln.

Foto: Esther C.H.E.T. Lucassen

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Moor-Renaturierung

ehemaliger Agrarflächen mit nährstoff-reichem Boden in ein nährstoffarmes Naturschutzgebiet gelingen kann. Die Ravenvennen gehören zum Natura-2000-Gebiet „De Maasduinen“ und liegen zwischen der Maas und der Grenze zuDeutschland bei Straelen (Abb. 2). DasGebiet ist vor allem durch die Parabel-dünen der Maas gekennzeichnet. Alte Karten verraten, dass noch vor zwei Jahr-hunderten Heide, Sümpfe und offene Gewässer die Landschaft prägten. Dannwurden die Ravenvennen trockengelegtund landwirtschaftlich genutzt; die Land-schaft bestand aus trockenen Mischwäl-dern und ausgetrockneten kleinen Moorge-wässern. Die heutige Situation der Raven-vennen ist in Abbildung 3 gut zu erkennen.Die grafische Darstellung verdeutlicht die gebietsbezogenen landschaftsökologi-schen Prozesse, Probleme und Ursachen.Die Ravenvennen liegen rund fünf Meterhöher als ihre Umgebung. Zu den hydrolo-gischen Prozessen und Problemen zählendie Verdunstung durch den höhergelege-nen Wald (1), die lokale und natürlicheDrainage (2 und 3) und der abgesenkteGrundwasserspiegel (4 und 9). Für dieBiogeochemie ist wichtig, was aus demhöhergelegenen Wald in die Ravenvennenkommt. Das sind vor allem organischesMaterial, Nitrat und Kohlensäure. Hinzukommen interne Prozesse in dem Moor-gebiet selbst, wie der Phosphatnachschubaus dem ehemaligen Agrarboden (8) unddie zeitweilige Austrocknung der Ufer-zonen. Diese gebietsspezifische Kombi-nation der Prozesse bildet die Grundlagefür die Renaturierung des Gebietes.In der Umgebung der Ravenvennen wur-den im letzten Jahrhundert die Moore unddie Heidelandschaft größtenteils abgebaut,so dass nur noch kleine Teile vorhandensind. Damit es in diesem Gebiet wieder oli-gotrophe Moore und Moorgewässer gibt,wurden 1999 drei Agrarflächen (Moor 1, 2 und 3, s. Abb. 4) ausgewählt, die zur Renaturierung geeignet schienen. Als Ziel wurde eine vielfältige nährstoffarmeMoor- und Heidelandschaft festgelegt, wie

sie in den Ravenvennen selbst zu findenwaren und auch noch zu finden sind. Dortkamen 1997 auch die Zielarten Knöterich-Laichkraut (Potamogeton polygonifolius),Sechsmänniges Tännel (Elatine hexandra),Sumpf-Johanniskraut (Hypericum elodes),Europäischer Strandling (Littorella uni-flora), Flut-Moorbinse (Isolepis fluitans),Sumpf-Bärlapp (Lycopodiella inundata),

Abb. 2: Die Ravenvennen (im blauen Quadrat) zwischen Venlo und Straelen

Abb. 3: Schematische Darstellung der Ravenvennen in der Landschaft zwischen Maasund deutsch-niederländischer Grenze in Meter über dem Meeresspiegel und Kilometer

Gewöhnlicher Pillenfarn (Pilularia glo-bulifera) und Schnabel-Segge (Carex rostrata) vor.

Auswahl der FlächenFür die Wiederherstellung von kleinenMooren wurde der Valkenberg gewählt,ein Teilgebiet der Ravenvennen (Abb. 4).

Abb. 4: Ravenvennen mit dazu gehörenden Kleinflächen und Moorgewässern, die 1999(Moor 1 bis 3) und 2007 (Option 1 bis 3) renaturiert wurden

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Moor-Renaturierung

Für die Herstellung von artenreichen undvielfältigen Mooren wurden 1999 und2007 jeweils drei Flächen ausgewählt – alle waren zuvor Agrarflächen. Durch dieAufgabe der Landwirtschaft wurden auchdie Gräben und Drainagen nicht mehr ge-pflegt; es trat bereits eine Vernässung desBodens auf. Durch den nährstoffreichenBoden konnten Arten wie Flatter-Binse(Juncus effusus) und Wasser-Schwaden(Glyceria maxima) diese Gebiete besie-deln, sich stark verbreiten und andere Arten unterdrücken (LAMERS et al. 2005,LUCASSEN & ROELOFS 2005, SMOLDERS

et al. 2006, SMOLDERS et al. 2008). Spezia-listen nährstoffarmer Moore haben nurdann die Chance, diese wiederzubesiedeln,wenn für die Pflanzen ein Mangel an wich-tigen Nährstoffen wie etwa Stickstoff(BOBBINK et al. 1998), Phosphor, Kaliumoder Kohlenstoff (BROUWER et al. 2002)herrscht. Wegen der anhaltend hohenStickstoffdeposition ist Stickstoff nichtmehr als limitierender Faktor für dasPflanzenwachstum einsetzbar. Nur die Limitierung von Phosphor versprach übereinen mittellangen Zeitraum realisierbarzu sein, in diesem spezifischen Fall konnte man von zwei bis fünf Jahren aus-gehen. Dies hängt jedoch sehr von den lokalen Gegebenheiten ab.

Ausführung und Messungen 1999Von den drei gewählten Flächen wurde beiMoor 1 (Abb. 4) ohne vorherige Messungder Nährstoffe im Bodenprofil 25 Zenti-meter Mutterboden bis zur mineralischenSandschicht abgetragen. Auf den beidenanderen Flächen (Moor 2 und 3) wurdenBodenproben bis zu einer Tiefe von 70Zentimetern genommen und chemisch aufvier Parameter analysiert, die wichtig fürdie Verfügbarkeit von Phosphor in Böden

und Gewässern sind. Dies erfolgte, um einen Einblick in die Phosphor-Verteilungim Boden zu bekommen und damit auchdie möglichen Renaturierungsmaßnahmenabwägen zu können. Gemessen wurden der pflanzenverfügbare Phosphor und derGesamtphosphor, außerdem das Verhältnisder Gesamtgehalte von Calcium und Eisenzu Phosphor. Letzteres gibt Aufschlussüber die Bindungskapazität des Bodens fürPhosphor. Ist sie hoch, kann der BodenPhosphor binden und so die Ausspülungins Oberflächenwasser verhindern (SMOL-DERS et al. 2001, SMOLDERS et al. 2008).Um zum Beispiel die Ausbreitung der Flat-ter-Binse zu bremsen, sollte die Konzen-

Abb. 5: Links: Gesamtphosphor-Konzentration in mmol/l gemittelt, rechts: pflanzenverfügbare Phosphor-Konzentration in µmol/l gemittelt, von Moor 2 und 3 in den verschiedenen Tiefen. NA ist die Konzentration drei Jahre nach der Abgrabung. In Rot die Kon-zentration im Moor 1 nach der Abgrabung von 25 Zentimeter Mutterboden. In Grün der Sollwert für nährstoffarme Moore (SMOLDERSet al. 2008).

tration an pflanzenverfügbarem Phosphor300 Mikromol pro Liter (µmol/l) und die Gesamtphosphor-Konzentration 3.000µmol/l im Boden nicht überschreiten. Diese Werte werden als Grenzwerte ange-sehen, bei denen die Flatter-Binse (Juncuseffusus) nicht mehr gut gedeihen kann(SMOLDERS et al. 2008). Neben den Nähr-stoffen im Boden sind auch die Konzentra-tionen im Grundwasser zu berücksich-tigen. Durch eine hohe Phosphat-Konzen-tration im Grundwasser ist eine zukünftigeEutrophierung des Oberflächenwassersnicht ausgeschlossen (Abb. 3).Aus den Messungen ist zu sehen, dasspflanzenverfügbares Phospor und die

Abb. 6: Pflanzenverfügbares Phosphor in µmol/l und das Verhältnis von Eisen und Calzium zu Phosphor im Gebiet des Valkenbergs

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Moor-Renaturierung

Gesamtphosphor-Konzentration in denobersten 40 Zentimetern zu hoch waren,um dort den Grundstein für nährstoffarmeMoore zu legen (Abb. 5). Weiterhin zeigendie Messungen, dass die Gesamtphosphor-Konzentration in der Tiefe abnimmt; imGegenzug dazu nimmt das Verhältnis von Calzium und Eisen zu Phosphor zu(Abb. 6).Dies war sehr vorteilhaft, da es zeigte, dass die Phosphorbindung in den tieferenBodenschichten niedrig genug ist. Als Renaturierungsmaßnahme wurde für dieMoorgewässer 2 und 3 der Mutterboden 25Zentimeter und die oberste mineralischeSandschicht 20 Zentimeter abgetragen.Danach wurden die Entwässerungsgräbengeschlossen, sodass sich die neuen Mooremit Grundwasser füllen konnten. Die Qualität des Grundwassers war mit einempH-Wert von 5,4, einer Bicarbonatkonzen-tration von 390 Mikromol und einemPhosphatwert von 1,4 Mikromol (LUCAS-SEN & SMOLDERS 2007) ideal, um ein nähr-stoffarmes Moor zu ermöglichen.

Zwei Jahre späterIn den acht darauffolgenden Jahren wurden die Wasserwerte in regelmäßigemAbstand überwacht und zwei Jahre nachden Renaturierungsmaßnahmen nochmalsBodenproben für die Messung des pflan-zenverfügbaren Phosphors genommen.Die Wasserqualität war nach anderthalbJahren stabil. Dabei hatte sich in Moor 1ein mäßig hartes Wasser mit zeitweise hohen Phosphat-, Kohlenstoff- und Bicar-bonat-Konzentrationen gebildet. Auch dieGehalte des Bodens an pflanzenverfüg-barem Phosphor waren, wie am Anfang, zuhoch für ein nährstoffarmes artenreichesMoor. Die eutrophe Umgebung sorgte füreine starke Biomasseproduktion und soauch für eine zwei bis 15 Zentimeter dickeSchlammschicht am Grund des Moores.Die Vegetation wurde im offenen Wasserdurch Ufermoos (Leptodictyum riparium)dominiert, welches nährstoffreiche Ge-wässer liebt. Des Weiteren kamen KleineWasserlinse (Lemna minor), Wasser-Knö-terich (Persicaria amphibia) und Krauses

Laichkraut (Potamogeton crispus) häufigvor. In den Uferbereichen wuchsen ver-mehrt Flutender Schwaden (Glyceria fluitans), Flatter-Binse (Juncus effusus),Spitzblütige-Binse (Juncus articulatus)und Breitblättriger Rohrkolben (Typha latifolia).Im Gegensatz hierzu konnte man in Moor2 und 3 beobachten, wie sich ein schwachgepuffertes nährstoffarmes Gewässer ent-wickelt hat. Die Konzentrationen vonKohlenstoffdioxid, Bicarbonat und Phos-phat wiesen einen guten Gradienten vonrelativ hoch zu niedrig auf und überschrit-ten nicht die Grenzwerte für nährstoffarmeMoore. Dies war auch bei der Primärpro-duktion zu beobachten. Nach acht Jahrenhatte sich noch keine Schlammschicht gebildet und die Ufer zeigten eine mäßigeVegetation, die den Boden zwischen 65und 95 Prozent bedeckte. Die Flora wurdevon Arten dominiert, die nährstoffarmeBöden bevorzugen, wie Gewöhnlicher Pil-lenfarn (Pilularia globulifera) und Sumpf-Johanniskraut (Hypericum elodes). Hinzu

Abb. 7: A – Valkenberg vor der Renaturierung 2007; B – während der Abtragung des Bodens; C und D: Moorgewässer im Valkenberg2015; C im Vordergrund Echinodorus repens (Gewöhnlicher Igelschlauch) Fotos: Esther C.H.E.T. Lucassen

A B

C D

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kamen lokale Populationen von Knöterich-Laichkraut (Potamogeton polygonifolius),Vielstängeliger Moorbinse (Eleocharismulticaulis), Flut-Moorbinse (Eleogitonfluitans) und Europäischem Strandling(Littorella uniflora). Diese besonderen undbedrohten Arten stellten sich nicht un-mittelbar, sondern erst ein Jahr nach derRenaturierungsmaßnahme ein. Durch dienährstoffarmen Ufer und den nährstoff-armen Gewässergrund konnten sich diesePflanzen ansiedeln, ohne dass sie durchschnellwachsende Arten überwuchert undverdrängt wurden.

Weitere Renaturierung 2007Um noch mehr alte Agrarflächen zu nähr-stoffarmen Lebensräumen zu renaturieren,wurden 2007 in drei weiteren Gebieten im Valkenberg abiotische Messungendurchgeführt (s. Abb. 4, Optionen 1 bis 3).Es wurden an mehreren Stellen der Grund-wasserstand, die Grundwasserströmungdie Bodenchemie und die Qualität desGrund- und Oberflächenwassers gemessensowie Bodenprofile aufgenommen.

Nach Auswertung der Hydrologie kam nurfür Option 1 und 3 ein nährstoffarmesschwach gepuffertes Moor in Betracht.Hier war der Grundwasserstand übers Jahr gesehen hoch genug, um die Mooremit Wasser zu versorgen. Der Gehalt anpflanzenverfügbarem Phosphor und dieGesamtphosphor-Konzentration waren inden tieferen Bodenschichten (ab 40 be-ziehungsweise 50 Zentimetern) niedrig genug, um durch eine Abtragung der ersten 40 bis 50 Zentimeter Mutterbodeneine gute Ausgangssituation zu schaffen.Es erschien ratsam, die Waldflächen innächster Nähe zu den Mooren etwas zu roden, um einer Eutrophierung durch denEintrag von organischem Material vorzu-beugen. Zudem sorgte der hohe Wasser-verbrauch des Waldes für eine Austrock-nung der Randgebiete der Moorgewässer.Der zentrale Entwässerungsgraben wurdegeschlossen und langgestreckte flacheUfer geschaffen, welche durch zeitweisesTrockenfallen neue ökologische Nischenbeförderten. Um den Bodenchemismus derUfer noch weiter zu verbessern, wurdendiese mit zwei Tonnen pro Hektar gekalkt.

Option 2 war für die Renaturierung zu einem Moor leider nicht geeignet; derGrundwasserstand war zu niedrig und die Phosphat-Konzentration zu hoch. Umdennoch ein artenreiches und nährstoff-armes Habitat zu schaffen, war die Ent-wicklung von trockener Heide eine guteLösung. Hierzu musste nur die oberste Bodenschicht (40 Zentimeter) abgetragenwerden. Aus der Lommerheide wurden gehäckselte Heidesträucher aufgebracht.Diese Maßnahme begünstigte die schnelleAnsiedlung von Heidegewächsen und unterdrückte unerwünschte Gräser.

Die 2007 durchgeführten Maßnahmensorgten für artenreiche und diverse Habitate.Im und um die Moorgewässer herum fanden sich 2015 unter anderem Gewöhn-licher Pillenfarn (Pilularia globulifera),Sechsmänniger Tännel (Elatine hexan-dra), Zwiebel-Binse (Juncus bulbosus),Glocken-Heide (Erica tetralix), MittlererSonnentau (Drosera intermedia), Besen-heide (Calluna vulgaris), Sumpf-Hornklee(Lotus uligonosa) und Trügerisches Torf-moos (Sphagum fallax).Auf den Fotos von Abbildung 7 ist gut zusehen, wie sich die Landschaft von einernassen Wiese in ein vielfältiges und arten-reiches Moor gewandelt hat. Dieses bietetdurch verschiedene Gradienten in der Bio-geochemie und der Hydrologie den Artenviele verschiedene Nischen und begünstigtderen Ansiedlung und Ausbreitung. In erster Linie wird die Flora angesprochen,aber auch die Fauna wird dieses nährstoff-arme Feuchtgebiet zu schätzen wissen. ImBesonderen ist in Abbildung 7 C Echino-dorus repens (Gewöhnlicher Igelschlauch)mit seinen weißen Blüten zu sehen, welcher nur im atlantisch geprägtenEuropa zu finden ist.

LiteraturBOBBINK, R., HORNUNG, M. & J.G.M. ROELOFS

(1998): The effects of air-borne nitrogen pollutants on species diversity in natural and semi-natural European vegetation. Journal ofEcology 86(5): 717–738.

BROUWER, E., BOBBINK, R. & J.G.M. ROELOFS

(2002): Restoration of aquatic macrophyte vegetation in acidified and eutrophied soft-water lakes: an overview. Aquatic Botany73(4): 405–431.

LAMERS, L., LUCASSEN, E.C.H.E.T., SMOLDERS,A.J.P. & J.G.M. ROELOFS (2005): Nieuwe natte natuur; fosfaat als adder onder het gras.H2O 17: 28–30.

LUCASSEN, E.C.H.E.T. & J.G.M. ROELOFS

(2005): Vernatten met beleid: Lessen uit het recente verleden. Natuurhistorisch Maandblad94: 211–215.

LUCASSEN, E.C.H.E.T. & A.J.P. SMOLDERS

(2007): Herstel van de Ravenvennen op voor-mailg landbouwgronden in de Valkenberg: hydrologie, vegetatieontwikkeling en kwaliteitvan grondwater, oppervlaktewater en bodem.B-WARE rapportage 2007.09.

SMOLDERS, A.J.P., LAMERS, L.P.M., MOONEN,M., ZWAGA, K. & J.G.M. ROELOFS (2001): Controlling phosphate release from phosphate-enriched sediments by adding various ironcompounds. Biogeochemistry 54(2): 219–228.

SMOLDERS, A.J.P., LUCASSEN, E.C.H.E.T., TOMASSEN, H., LAMERS, L. & J.G.M. ROELOFS

(2006): De fosfaatproblematiek: biogeo-chemische interacties en consequenties voornatuurbeheer en natuurontwikkeling in Neder-land. Vakblad natuurbeheer April: 5–11.

SMOLDERS, A.J.P., LUCASSEN, E.C.H.E.T., VANDER AALST, M., LAMERS, L.P.M. and J.G.M.ROELOFS (2008) Decreasing the Abundance of

ZusammenfassungNatur- und Landschaftspflege bleibenwichtige Maßnahmen, um dem Arten-sterben und den Umweltproblemen entgegenzuwirken. Dabei ist es wichtig,ein vielfältiges Habitat zu schaffen, um möglichst vielen Arten geeignete Nischen zur Verfügung zu stellen. Hierzu sind Gradienten in der Biogeo-chemie und Hydrologie unabdingbar.Am Valkenberg zeigt sich, welche Ein-flüsse die Gewässer- und Bodenchemieauf den Erfolg der Maßnahmen habenkann. In den unterschiedlichen Gebietenhatten die vorherigen Messungen derBiogeochemie sowie die Bestimmungder Hydrologie entscheidende Vorteile,um schneller und letztendlich auch kostengünstiger die gesetzten Ziele zuerreichen. Das Verständnis des Zusam-menhangs von Biogeochemie, Hydro-logie, Flora, Fauna und Geologie machtes möglich, die derzeitigen und künf-tigen Probleme schneller zu sehen undzu lösen. Eine gute vorherige Analysedes Ist-Zustandes und eine Festsetzungder Zielparameter hilft, die geeignetenMaßnahmen auszuwählen, um eine artenreiche und beständige Natur zu fördern.

Anschriften der VerfasserSebastian Krosse MScGijs van Dijk MScDr. Esther C.H.E.T. LucassenDr. Emiel BrouwerProf. Alfons J.P. SmoldersForschungszentrum B-WARE B.V.,Radboud Universiteit NijmegenToernooiveld 16525 ED Nijmegen, [email protected]@[email protected]@[email protected]

Prof. Jan G.M. RoelofsAquatische Ökologie (IWWR)Radboud Universiteit NijmegenHeyendaalseweg 1356503 GB Nijmegen, [email protected]

Juncus effusus on Former Agricultural Landswith Noncalcareous Sandy Soils: Possible Effects of Liming and Soil Removal. Restora-tion Ecology 16(2), 240–248.

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Heilpflanzen

Arzneipflanzen – wichtige Elemente der BiodiversitätArzneipflanzen als Teil der einheimischenFlora sind bedeutende Elemente der Bio-diversität und des Naturkapitals Deutsch-lands. Schon die Urmenschen verwende-ten Pflanzen zu therapeutischen Zwecken.So fanden sich bereits in jungsteinzeit-lichen Siedlungen Samen von Ackerwild-kräutern wie der Echten Kamille, derentherapeutische Verwendung wir aus dertraditionellen Medizin und der Phytothera-pie kennen (Definitionen siehe Kasten).Die Bereitstellung von Heilpflanzen oder

Rohstoffen für Arzneimittel gehört mit zuden am längsten in Anspruch genommenenÖkosystemdienstleistungen. ZunehmendeZerstörung und Beeinträchtigung von Lebensräumen führt jedoch zu einer wachsenden Gefährdung dieser speziellenRessourcen. Hält diese Entwicklung an, ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Pflanzen ausgestorben sein wird bevores gelungen ist, ihre Heilwirkung zu er-forschen.Heilpflanzen finden in Deutschland in ver-schiedenen Therapierichtungen Verwen-dung. Am bekanntesten sind die modernePhytotherapie als Teil der Schulmedizin

In der Bundesrepublik Deutschlandwerden knapp 30 Prozent, in NRW sogar 35 Prozent der Landesfläche als

Ackerland genutzt. Pflanzen und Tieren,die diesen Lebensraum nutzen, steht somitein hohes Flächenpotenzial zur Verfügung(WEISS 2009). Doch durch die Entwicklun-gen in der Landwirtschaft in den letztenJahrzehnten haben sich die Standortfakto-ren auf den Ackerflächen derart grund-legend geändert, dass sie den Bedürfnissender meisten Arten der Feldflur nicht mehrentsprechen. Daher sind arten- und blüten-reiche Ackerwildkrautbestände, die auchviele Heilpflanzen beherbergen, in unsererKulturlandschaft sehr selten geworden.

Biodiversitätsstrategie und NaturkapitalTrotz verschiedenster Bemühungen ist es weder in Deutschland noch in Europagelungen, die sich aus der Unterzeichnungdes Übereinkommens über die biologischeVielfalt (CBD) ergebende Verpflichtungzur Erhaltung der biologischen Vielfalt zuerfüllen (SDW 2015). Eine neue EU-weiteBiodiversitätsstrategie soll daher den zur-zeit weiter anhaltenden negativen Trendbis zum Jahr 2020 stoppen (EUROPÄISCHEKOMMISSION 2011). Umgesetzt wird siedurch die Erstellung nationaler und regionaler Biodiversitätsstrategien, wie für die Bundesrepublik Deutschland unddas Land NRW bereits geschehen (BMU2011, MKULNV 2015). Neben dem Eigenwert wird die Bedeutung der Bio-diversität als Naturkapital betont, da siezahlreiche Ökosystemleistungen bereit-stellt (EUROPÄISCHE KOMMISSION 2011).Für einen effektiven Schutz müssen ihre einzelnen Komponenten identifiziert,benannt und quantifiziert werden. Die Arzneipflanzen sind eine solche weltweitgenutzte Komponente.

Mechthild Neitzke

Heilpflanzendiversität in den Acker-ökosystemen Nordrhein-WestfalensNaturkapital und Naturschutzgut

Eine arten- und blütenreiche Ackerwildkrautflora ist in Deutschland und NRW durch die Intensivierungder Landwirtschaft selten geworden. Mit ihr gehen auch zahlreiche Kräuter, die bereits in medizinischenTherapien verwendet werden oder ein hohes Potenzial zur Lösung medizinischer Fragestellungen versprechen, zurück. Diese Heilkräuter liefern eine wichtige Ökosystemdienstleistung und ein weiteresgewichtiges Argument zum Schutz der heimischen Ackerwildkräuter.

Abb. 1: Heilpflanzen wie die Ackerwinde sind in der Ackerbegleitflora keine Seltenheit.Die Ackerwinde enthält bioaktive Stoffe, die Grundlagen für die Entwicklung neuer Medikamente beispielsweise in der Krebstherapie liefern könnten. Foto: M. Neitzke

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Heilpflanzen

und die Homöopathie. Aber auch andereMedizinsysteme, in denen Heilpflanzenvon Bedeutung sind, zum Beispiel die Traditionelle Chinesische Medizin, ge-winnen immer mehr an Bedeutung. Nebendiesen in Deutschland praktizierten Medi-zin-Systemen werden zahlreiche Pflanzen,die auch in unseren heimischen Lebens-räumen vorkommen, in der traditionellenMedizin anderer europäischer und außer-europäischer Länder eingesetzt. Dies giltvor allem auch für die Ackerwildpflanzen,von denen knapp die Hälfte zu den soge-nannten Alteinwanderern (Archäophyten)gehört. Ein Großteil von ihnen ist mit demGetreideanbau aus Vorderasien und demmediterranen Raum bei uns eingewandert.In vielen Ländern dieser Regionen werdenHeilpflanzen noch heute in der traditionel-len Medizin eingesetzt, die einen wesent-lichen Baustein für die medizinische Ver-sorgung der Bevölkerung darstellt. DasWissen um die therapeutische Wirkungdieser Arten ist dort daher noch lebendig.Im Gegensatz hierzu begann in Deutsch-land und anderen Ländern Europas mit der Isolierung pflanzlicher Wirkstoffe zuBeginn des 19. Jahrhunderts und mit der Entwicklung und Synthese chemischerArzneimittel die Verdrängung von Arznei-pflanzen aus der Heil- und Arzneikunde.Die meisten Informationen über die therapeutischen Einsatzmöglichkeiten derArten der Ackerbegleitflora sowie derenpharmakologische und chemische Unter-suchungen stammen daher aus den Län-dern Vorderasiens und des Mediterran-raumes. Die Auswertung dieser Quellenermöglicht auch eine Bewertung der Heil-kräfte unserer heimischen Ackerwild-kräuter. Diese Erkenntnisse zusammen mitnoch vorhandenem Wissen liefern einenweiteren wichtigen Grund für den Schutzund Erhalt der vielfältigen Ackerwild-krautgesellschaften.

Heilpflanzendiversität der AckerbegleitfloraEine Möglichkeit der Quantifizierung vonÖkosystemleistungen und der Biodiver-sität bezüglich der Zurverfügungstellungvon Heilpflanzen ist die Ermittlung desprozentualen Anteils der Heilpflanzen andem Gesamtinventar, wie es die Pflanzen-soziologie für die Ackerwildkrautgesell-schaften beschrieben hat (OBERDORFER

1993). Anhand dieser Heilpflanzendiversi-tät lässt sich die Bedeutung eines Lebens-raumes für das Naturkapital Deutschlandsbeschreiben und ermöglicht den Vergleichverschiedener Lebensräume in dieser Hinsicht (NEITZKE 2005).

84 Prozent der typischen Arten der Acker-wildkrautgesellschaften in Nordrhein-West-falen sind als Heilpflanzen anzusprechen.Die Heilpflanzendiversität dieser Lebens-gemeinschaften ist damit deutlich höherals die anderer Offenlandökosysteme wieMagerrasen oder Wirtschaftsgrünland.

Abb. 2: Heilpflanzenanteil auf basenarmen „Kornblumenäckern“und basenreichen „Mohnäckern“ in NRW

Abb. 3: Wird im Mittelmeerraum bei Erkrankungen der Atem-wege und Verletzungen eingesetzt: Rauer Eibisch Foto: M. Neitzke

Eine ähnliche Größenordnung erreichen nurKrautfluren und Säume (NEITZKE 2005).Ein Unterschied in der Heilpflanzendiver-sität zwischen den basenarmen „Korn-blumenäckern“ und den basenreichen„Mohnäckern“ ist nicht festzustellen (Abb. 2). Die Neophyten wurden bei dieserBilanzierung nicht berücksichtigt.Knapp die Hälfte (44,5 Prozent) der inNRW vorkommenden Heilpflanzen findenin den in Deutschland anerkannten undpraktizierten Therapierichtungen wie zumBeispiel der modernen Phytotherapie(neun Prozent) und der Homöopathie (36Prozent) Verwendung. Für die übrigen55,5 Prozent der als Heilpflanzen einge-stuften Pflanzen stammen die Kenntnisseüber die therapeutische Wirkung aus dertraditionellen Medizin anderer LänderEuropas und für Pflanzen mit entsprechen-dem Verbreitungsgebiet aus der ganzenWelt. Als Beispiel sei der Raue Eibisch(Abb. 3) genannt, der in Ländern des Mediterrangebietes bei Erkrankungen der

Medizin-Systeme, die Heilpflanzen einsetzen:

Die Phytotherapie versteht sich als naturwissenschaftliche Therapierichtung, in derPflanzen oder Pflanzenteile sowie deren Zubereitungen zur Heilung und Vorbeugungeingesetzt werden.

Die Homöopathie ist ein alternativmedizinisches Heilungssystem. Ziel der homöo-pathischen Behandlung ist eine Stärkung der Lebenskraft und die Anregung derSelbstheilungskräfte.

In der Traditionellen Chinesischen Medizin werden die Heilpflanzen in einem komplexen System nach ihrem energetischen Wirkverhalten (z. B. thermische Wirkung oder Geschmacksrichtung) eingeordnet.

Traditionelle Medizin: Wissen, Fertigkeiten und Methoden, basierend auf ein-heimischen Vorstellungen, Glaubensinhalten und Erfahrungen, die zur Behandlungund Vorbeugung dienen.

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Heilpflanzen

Atemwege und Verletzungen eingesetztwird (ÖZKAN & UZUNHISARCIKLI 2009).Bei mehr als zwei Dritteln dieser Pflanzenhat eine chemische und pharmakologischeÜberprüfung der Pflanzenextrakte oderisolierter Stoffgruppen den überliefertentherapeutischen Einsatz bestätigt oderplausibel erscheinen lassen.

Anwendungsgebiete von HeilpflanzenDie bisher durchgeführten Untersuchun-gen belegen eine Vielzahl von Eigenschaf-ten, die zeigen, dass die Ackerwildkraut-fluren eine reiche und interessante Quellefür die mögliche Entwicklung neuer Arz-neimittel und Nahrungsergänzungsmittelauf pflanzlicher Basis darstellen (Abb. 4).Bereits eine Auswahl von gefährdeten sowie zurzeit noch häufigen Ackerwild-kräutern zeigt das breite Wirkungsspek-trum und damit ihren therapeutischen Wert(Tab. 1).

Mit zu den bekanntesten Einsatzgebietenfür Heilpflanzen gehören Beschwerden desVerdauungssystems. Neben der in der Phyto-therapie eingesetzten Echten Kamille kommen weitere Pflanzen in den Acker-lebensräumen vor, für die ein positiver Ein-fluss auf das Magen- und Darmsystem undandere an der Verdauung beteiligten Organeaufgezeigt werden konnte (elf Prozent).Auch zur Behandlung von Stoffwechsel-erkrankungen, die in der traditionellen Medizin erfolgreich mit Pflanzen durch-geführt wird, finden sich in den Ackerbei-krautfluren Pflanzen mit therapeutischenEigenschaften (Abb. 5, Tab. 1).Für viele traditionelle Heilpflanzen konntebisher ein erfolgreicher Einsatz bei Ent-zündungen bestätigt werden. Auch in denAckerbeikrautfluren von Nordrhein-West-falen sind Pflanzen mit entzündungshem-menden Eigenschaften (20 Prozent) ver-breitet (Abb. 4). Zu ihnen zählen so auffäl-lige Pflanzen wie die Kornblume (Abb. 6)und der Feld-Rittersporn (Abb. 7).

Bei der Bekämpfung von Viren erwiesensich neun Prozent als effektiv, wie zumBeispiel der Acker-Gauchheil (Abb. 8).Über die Hälfte (61 Prozent) aller unter-suchten Pflanzen enthalten antioxidativwirksame Verbindungen. Dies sind Sub-stanzen, die die Zellen des Körpers vorfreien Radikalen, also hoch reaktiven Sauerstoffverbindungen, schützen.Mit zu den interessantesten Entdeckungengehören sicherlich die Wirkungen, die imZusammenhang mit der Vorbeugung undTherapie von Krebs oder neurologischenErkrankungen wie der Alzheimer Erkran-kung erforscht werden. So zeigt ein Drittel(34 Prozent) der getesteten Pflanzen viel-fältige Wirkmechanismen, die sich nachbisherigen Untersuchungen bei der Be-kämpfung von Krebs als hilfreich erweisenkönnten. Als erfolgversprechende Aspiran-ten stehen auf der Liste der Forscherinnenund Forscher zum Beispiel die Ackerwindeund die Sonnenwend-Wolfsmilch (Abb. 9).Acht Prozent der Pflanzen enthalten Ver-

Abb. 4: Wirkungen und Wirkungsbereiche von mit modernen Methoden untersuchten Heilpflanzen der Ackerbeikrautflora inNRW, die nicht in der modernen Phytotherapie eingesetzt werden

Abb. 5: Moderne Untersuchungsmethoden zeigten einen anti-diabetischen Effekt der Saat-Wucherblume Foto: M. Neitzke

Abb. 6: Hat entzündungshemmende Eigenschaften: die Korn-blume Foto: M. Neitzke

Abb. 7: Ebenfalls im Einsatz bei Entzündungen: der Feldritter-sporn Foto: M. Neitzke

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Heilpflanzen

Anwendungsgebiet Pflanzen Quelle

Magen-Darmsystem und Kornblume, Weißer Gänsefuß, PIRVU et al. (2012), übrige Verdauungsorgane Gewöhnliche Besenrauke, AGRAWAL et al. (2012),

Gewöhnliche Sichelmöhre, PASALAR et al. (2013), Kriechendes Fingerkraut, KHAZAEI et al. (2006), Schwarzer Nachtschatten GÜRBÜZ et al.( 2005),

SARAVANAN et al. (2011)

Stoffwechselstörungen Gewöhnliche Hühnerhirse, THE LOCAL FOOD-Saat-Wucherblume, Ampfer- NUTRACEUTICALSKnöterich, Hederich-Rettich, CONSORTIUM (2005), Raue Gänsedistel, KUBINOVA et al. (2014), Rote Schuppenmiere VINHOLES et al. (2011)

Entzündungshemmende Acker-Gauchheil, Kornblume, LÓPEZ et al. (2013), Eigenschaften Feld-Rittersporn, GARBACKI et al. (1999),

Gewöhnliche Besenrauke, IVANOVSKA et al. (1997), Acker-Schwarzkümmel, MOHAMED & MAHROUS (2009), Kohl-Gänsedistel LANDA et al. (2009),

THE LOCAL FOOD-NUTRACEUTICALSCONSORTIUM (2005)

Antioxidative Eigenschaften Acker-Frauenmantel, HAMAD et al. (2010), Gewöhnliche Acker-Haftdolde, PLAZONI� et al. (2013), Gewöhnlicher Windenknöterich, THE LOCAL FOOD-Stängelumfassende Taubnessel, NUTRACEUTICALSPurpurrote Taubnessel, CONSORTIUM (2005), Kletten-Labkraut YUMRUTAS & SAYGIDEGER (2010),

BUBUEANU et al. (2013), NEELAM & KHAN (2012)

Krebserkrankungen Acker-Gauchheil, Blauer LÓPEZ et al. (2013), Gauchheil, Acker-Winde, MENG et al. (2002), Sonnenwend-Wolfsmilch, WANG et al. (2012), Einjähriges Bingelkraut, BUSTANJI et al. (2012), Pfeffer-Knöterich RAIHAN et al. (2012)

Erkrankungen des Hundspetersilie, Weißer SHRI et al. (2009), Nervensystems und Gänsefuß, Kleinblütiger AGRAWAL et al. (2012), psychische Erkrankungen Erdrauch, Blasser Erdrauch, ORHAN et al. (2004),

Acker-Vergissmeinnicht, POLOMEYEVA et al. (2011), Raue Gänsedistel KHAN ET AL. (2012)

Antimikrobielle Aktivität Gewöhnlicher Acker-Krummhals, MIRI et al. (2013), KHAN et al.Acker-Kratzdistel, Acker- (2014), MUNTEANU et al. (2011), Wachtelweizen, Ranken-Platterbse, KHAN et al. (2009), ULLAH et al.Acker-Spergel, Einjähriger Ziest (2013), SARAC & UGUR (2007)

Antivirale Aktivität Acker-Gauchheil, Gewöhnlicher AMOROS et al. (1987), Reiherschnabel, Sonnenwend- ZIELI�SKA-JENCZYLIK et al. (1988), Wolfsmilch, Acker-Minze, RAMEZANI et al. (2008), ALI et al. Gewöhnliche Braunelle, (1996), CHENG & XU (2006), Gewöhnliches Leimkraut ORHAN et al. (2009)

Herz- und Sommer-Adonisröschen, MELERO et al. (2000), Kreislauferkrankungen Flammen-Adonisröschen, MURALIDHARAN et al. (2008),

Wilde Möhre, Acker-Schöterich, LEI, Z.-H. et al. (2000), Sonnenwend-Wolfsmilch, BARLA et al. (2006), Breitblättriger Doldenmilchstern PLAN�I� et al. (2014)

bindungen, für die in der Literatur ein Ein-satz bei der Bekämpfung der Alzheimer-Erkrankung als erfolgreich beschriebenwird.Eine antidepressive Wirkung besitzennicht nur so bekannte Heilpflanzen wie der Baldrian und das Johanniskraut. Auchfür das Acker-Vergissmeinnicht ließ sich dieser Effekt nachweisen. Ferner ist nachaktuellen Forschungsergebnissen davonauszugehen, dass auch Ackerwildkräuter

einen Beitrag zur Lösung drängender Pro-bleme mit den zurzeit im Handel befind-lichen Medikamenten leisten könnten. Sowar es möglich, Wirkungen gegen antibio-tikaresistente Bakterienstämme, die sichausbreiten und zu einem Problem bei derBehandlung von Infektionen entwickeln,zu belegen. Der Acker-Krummhals (Abb.10) zeigte sich in Versuchen sogar gegenmultimedikamenten-resistente Bakterienwirksam. Für Inhaltsstoffe von mindestens

44 Prozent der untersuchten Pflanzenkonnte ein aus Sicht des Menschen positi-ver Effekt nicht nur gegen Bakterien (Abb.11) und krankheitserregende Pilze, son-dern auch gegen parasitische Einzellernachgewiesen werden.

Gefährdung und Schutz der HeilpflanzendiversitätÜber ein Drittel (36,7 Prozent, 92 Arten)der in Ackerlebensräumen auftretendenArten stehen in Nordrhein-Westfalen aufder Roten Liste der gefährdeten Pflanzen(LANUV 2011). Ein Vergleich der Listenaus den Jahren 1999 und 2010 zeigt, dassin diesen Lebensgemeinschaften die Zahlder ausgestorbenen und gefährdeten Artenzugenommen hat. Dem gegenüber stehenallerdings auch Arten, für die sich die Situa-tion stabilisiert oder sogar verbessert hat.77,2 Prozent (71 Arten) der gefährdetenoder ausgestorbenen Ackerwildkräuter

Tab. 1: Ausgewählte Pflanzen der Ackerbeikrautfluren und ihre experimentell nachge-wiesenen Wirkungen sowie potenziellen therapeutischen Einsatzmöglichkeiten. DiesePflanzen werden nicht in der Phytotherapie eingesetzt.

Abb. 8: Effektiv in der Bekämpfung von Viren: der Acker Gauchheil

Foto: M. Neitzke

Abb. 9: Verspricht Erfolg bei der Krebs-bekämpfung: die Sonnenwend-Wolfsmilch

Foto: M. Neitzke

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Heilpflanzen

diversitätsstrategie des Landes gefordert,die Garantie dafür, dass in Zukunft aus-reichend große Flächen zum Schutz derAckerwildkrautflora und der an Acker-lebensräume gebundenen Tierarten zurVerfügung stehen.Um die Ackerwildkrautgemeinschaften inihrer ganzen Vielfalt zu erhalten und denGenpool zu sichern, müssen sie an ihremStandort geschützt werden. Nur an dem natürlichen Wuchsort wirken die verschie-denen Standortfaktoren in der für die Aus-bildung effektiver Anpassungsstrategiennotwendigen Art und Weise zusammen.Diese regen die Pflanzen zur Produktionvon chemischen Abwehrstoffen an und er-weitern so den Pool therapeutisch wirken-der Substanzen. Dies führt bei den wild-wachsenden Pflanzen zu einer nachweis-lich höheren Diversität an sekundärenPflanzenstoffen als bei den kultiviertenPflanzen derselben Art (TRICHOPOULOUet al. 2000, THE LOCAL FOOD-NUTRACEU-TICALS CONSORTIUM 2005).Selbst wenn das Verschwinden einer Artaus der Flora Deutschlands aufgrund ihres Verbreitungsmusters zum jetzigenZeitpunkt nicht das Aussterben dieser Artweltweit bedeuten würde, sollte man denSchutz dieser Arten nicht anderen Ländernüberlassen. Denn auch außerhalb Deutsch-lands ist aufgrund der Umstrukturierung inder Landwirtschaft und des Bevölkerungs-wachstums ein rapider Artenschwund zuverzeichnen. Der Erhalt der Biodiversitätzählt zu den globalen Aufgaben. Ihr Schutzist dem Vorsorgeprinzip geschuldet, umsowohl das bekannte als auch das nochnicht bekannte Potential auch für zukünf-tige Generationen zu sichern.Der Erhalt am Standort bietet zudem, beiBeachtung der gesetzlichen Bestimmun-gen, die Möglichkeit einer schonendenWildsammlung von Heilpflanzen sowiedie Bereitstellung von Saatgut zur gewerb-lichen Vermehrung von Pflanzen und zurAuffrischung des Genpools im Rahmender Produktion von Heilmitteln.Von einem Sammeln der Kräuter zurSelbstmedikation wird ausdrücklich abge-raten. Die Behandlung mit Heilpflanzengehört in die Hände erfahrener Ärzte undTherapeuten. Sie können bei falscher undunkundiger Verwendung zu erheblichengesundheitlichen Schäden führen oder besser geeignete Therapien verhindern.Außerdem bietet sich die Heilpflanzen-diversität als Instrument zur naturschutz-fachlichen Inwertsetzung von Flächen an.Ferner ist so die Umsetzung des Prinzips„schützen durch nützen“ ohne Gefährdungder Wildpopulationen möglich.

LiteraturDie vollständige Literaturliste steht im Internet zum Download bereit unter:www.lanuv.nrw.de/naturinnrw/h4-15

Auszug:BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATUR-SCHUTZ UND REAKTORSICHERHEIT (BMU)(2011): Nationale Strategie zur biologischenVielfalt. 3. Aufl. 179 S.EUROPÄISCHE KOMMISSION (2011): Mitteilun-gen der Europäischen Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den euro-päischen Wirtschafts- und Sozialausschuss undden Ausschuss der Regionen. Lebensversiche-rung und Naturkapital: Eine Biodiversitäts-strategie der EU für das Jahr 2020. 19 S.LANUV (LANDESAMT FÜR NATUR, UMWELT

UND VERBRAUCHERSCHUTZ NRW) (2011): RoteListe und Artenverzeichnis der Farn- und Blü-tenpflanzen – Pteridophyta et Spermatophyta –in Nordrhein-Westfalen. 80 S.MEYER, S., HILBIG, W., STEFFEN, K. & S.SCHUCH (2013): Ackerwildkrautschutz – EineBibliographie. BfN Skripten 351.MINISTERIUM FÜR KLIMASCHUTZ, UMWELT,LANDWIRTSCHAFT, NATUR- UND VERBRAUCHER-SCHUTZ DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN

(MKULNV) (Hrsg.) (2015): Biodiversitätsstra-tegie NRW.OBERDORFER, E. (HRSG.) (1993): SüddeutschePflanzengesellschaften. Wirtschaftswiesen undUnkrautgesellschaften. Teil III. 3. Aufl.Stuttgart, Fischer, 455 S.THE LOCAL FOOD-NUTRACEUTICALS CONSOR-TIUM (2005): Understanding local mediter-ranean diets: a multidisciplinary pharmacolog-ical and ethnobotanical approach. – Pharmacol.Research 52/2005: 353-366.WEISS, J. (2009): Lebensraum Feldflur in Ge-fahr. Natur in NRW 3/2009: 13.

ZusammenfassungDie Umwälzungen in der landwirt-schaftlichen Produktion haben in denletzten Jahrzehnten zu einem dramati-schen Rückgang artenreicher Acker-lebensgemeinschaften geführt. Damiteinher geht der Verlust an Heilpflanzen.Mit ihnen wird eine wichtige Öko-systemdienstleistung vernichtet, zu derenErhalt sich die EU, Deutschland und dasLand NRW verpflichtet haben. Der fürden Menschen bekannte Nutzen, aberauch neuere Erkenntnisse zu den thera-peutischen Einsatzgebieten liefern wei-tere Gründe für den notwendigen Schutzdieser Lebensräume. Die vorhandenenInstrumente wie der Vertragsnaturschutzsind eine Möglichkeit, die verstärkt ein-zusetzen und weiterzuentwickeln ist.

Anschrift der VerfasserinApl. Prof. Dr. Mechthild NeitzkeArnulfstraße 3554295 [email protected]

Abb. 10: Sogar gegen multiresistente Keime wirksam: der Acker-Krummhals

Foto: M. Neitzke

sind Heilpflanzen. Das bedeutet, dass ins-gesamt 33,5 Prozent der im LebensraumAcker vorkommenden Heilpflanzen (212Arten) auf der Roten Liste von Nordrhein-Westfalen stehen. Diese Zahlen zeigendeutlich die Bedrohung der Heilpflanzen-diversität der Ackerwildkrautfluren als wesentlichen Teil der Biodiversität und des Naturkapitals Deutschlands.Das Land Nordrhein-Westfalen verfügtmit dem Vertragsnaturschutz über ein effektives Instrument zum Schutz derAckerbeikrautflora. Die Förderung desökologischen Landbaus ist ein vielver-sprechender Schritt in die richtige Rich-tung, da für ihn eine positive Auswirkungauf die Ackerwildkraut-Vegetation gezeigtwerden konnte (SCHUCH et al. 2013). Diese hängt allerdings von der Intensitätder Bekämpfung der Ackerwildkräuter ab.Langfristig betrachtet bietet nur eine Um-stellung auf umweltschonende Bewirt-schaftungsmaßnahmen, wie in der Bio-

Abb. 11: Ihre Inhaltsstoffe helfen gegenBakterien: die Ranken-Platterbse

Foto: M. Neitzke

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Siegmündung

stellte die Biologische Station Bonn/Rhein-Erft an einigen häufig benutztenTrampelpfaden laminierte Zusatzschilderan Holzpfosten auf, die auf das Wegegebotzum Schutz der Tiere hinwiesen. DieSchilder wurden in kurzen Abständen zerstört und mussten regelmäßig ersetztwerden. Sie wurden 2014 seitens der StadtBonn durch stabilere Metallschilder ersetzt(Abb. 3). Diese mussten später an ver-ankerten Metallpfosten montiert werden,weil die Holzpfosten weiterhin heraus-gerissen wurden. Vandalismusschäden treten seither seltener auf; die Schilderwerden lediglich ignoriert.

HundeführerUnmittelbar an das Naturschutzgebietgrenzt eine sechs Hektar große Hunde-wiese an, auf der Hunde frei laufen dürfen.Trotzdem missachten fast alle Hundefüh-rerinnen und Hundeführer das Wege- undAnleingebot im Schutzgebiet, lassen dieTiere auch hier frei laufen und halten sichselbst nicht an die Wege. Das Problem istmassiv: In einigen Schutzgebieten in derWetterau stellte die amtliche Naturschutz-wacht im Jahr 2000 während ihrer 800

Einsatzstunden insgesamt 211 Verstößegegen die Schutzgebietsbestimmungenfest (DICKERT 2000). Zählungen an derSiegmündung erbringen solche Zahlen an einem einzigen Sonntagnachmittag;Hundeführer verursachen davon den größten Teil (Abb. 4).

ReiterDie meisten Wege im Naturschutzgebietsind auch für Reiterinnen und Reiter zu-gänglich; Ausnahmen bilden lediglich dieDeichkronen. Das Wegegebot für Spazier-gänger gilt auch für Reiter, die es ähnlichoft missachten. 85 Prozent der angetroffe-nen Reitpferde (n=214) waren 2014 und2015 zudem ohne die vorgeschriebene Plakette unterwegs.

AnglerDas Bonner Siegufer verläuft im Schutz-gebiet auf etwa 4.400 Meter Länge. SeitInkrafttreten des Landschaftsplanes warendavon zwei Bereiche für die Fischerei ge-sperrt: im Nordosten etwa 1.700 Meter umden Altarm „Gyssel“, wo auch alle anderenNutzungen unzulässig sind, und die letzten

Die Mündung der Sieg in den Rheinim nördlichen Grenzbereich derStadt Bonn und des Rhein-Sieg-

Kreises gilt als vergleichsweise naturnah.Sie wurde schon früh als Naturschutz-gebiet ausgewiesen und dann auch als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH-Gebiet)benannt. Die Stadt Bonn und der Rhein-Sieg-Kreis haben ihre seit 1985/1986 gel-tenden Landschaftspläne in den Jahren2004/2005 durch Änderungsverfahren auf-einander und auf die Ausweisung als FFH-Gebiet abgestimmt (RHEIN-SIEG-KREIS

2012, STADT BONN 2015). Das Gebiet mit seinem Mosaik aus fluss- und alt-armbegleitenden Weichholzauengürtelnund -gebüschen, Hybridpappelbeständen,Staudenbrachen und Grünländern ziehtseit jeher zahlreiche Besucherinnen undBesucher an (z.B. MÜLLENHOLZ 1976). Vorallem auf Bonner Seite sind alle Eingängein das Gebiet und weitere Zugänge mitSchildern ausgestattet, die auf das Natur-schutzgebiet und die wichtigsten Verhal-tensregeln hinweisen. Besucherinnen undBesucher finden eine gute Infrastruktur vor.Ein dichtes Netz von Wirtschaftswegen,Parkplätze, eine Gaststätte, „gewässernaheErholungsbereiche“ zum Lagern, Badenund Anlanden von Booten sowie Infotafeln(Abb. 2) verhindern aber nicht, dass zahl-reiche Besucherinnen und Besucher dieSchutzgebietsbestimmungen auf vielfältigeWeise missachten.

Dieser Beitrag bezieht sich vorwiegend aufdie Situation links des Unterlaufs der Sieg,den etwa 150 Hektar großen Bonner Teildes Naturschutzgebietes. Die Schilderun-gen seiner Regeln und ihrer Missachtunggelten vielfach auch für die Gebiete desRhein-Sieg-Kreises.

SpaziergängerIm Naturschutzgebiet gilt Wegegebot. Viele Besucherinnen und Besucher haltensich nicht daran und durchqueren Wiesenund Gehölzbestände. Im Lauf der Jahrebildeten sich zahlreiche regelmäßig ge-nutzte Trampelpfade (Abb. 2) und selbstabseits dieser bewegen sich viele Besuche-rinnen und Besucher. Ruhezonen für Tiere bleiben dadurch kaum. Im Jahr 2013

Heiko Haupt

Naturschutzgebiete ohne BeschützerRücksichtsloses Besucherverhalten – (k)ein Anlass zum Handeln?

Im dicht besiedelten Nordrhein-Westfalen zieht es die Menschen in ihrer Freizeit oft dorthin, wo die Natur am schönsten ist – in Schutzgebiete. Besucherinnen und Besucher mit Vernunft sind kein Problem,doch viele ignorieren einfachste Verhaltensregeln. Der Naturschutz muss dem tatenlos zusehen. Lässt sich das nur auf ungewöhnlichem Weg ändern? Die Siegmündung bei Bonn als Fallbeispiel.

Abb. 1: Illegaler Badebetrieb – eine der zahlreichen Formen, wie Besucherinnen und Besucher rund ums Jahr die Verhaltensregeln für das Naturschutzgebiet Siegmündungmissachten Foto: H. Haupt

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Siegmündung

1.200 Meter vor der Mündung in denRhein, wo im Bereich eines Pappel-wäldchens keine Wege entlang der Siegverlaufen. Die übrigen etwa 1.500 MeterSiegufer sind für Anglerinnen und Anglerganzjährig frei zugänglich; zusätzlich darfhier die Watfischerei vom 01.05. bis 19.10.ausgeübt werden. An den 2.100 MeternRheinufer darf teils zeitlich befristet, teilsganzjährig geangelt werden.

Die Änderung des Landschaftsplanes imJahr 2004 nutzte die Siegfischereigenos-senschaft zusammen mit der Bezirksregie-rung Köln, die Rechte für Anglerinnen und

Angler zu erweitern. So wurden weiteregut 1.000 Meter der Sieg innerhalb bisherberuhigter Bereiche befristet (01.06. bis30.09.) für die Fischerei geöffnet. DieseÄnderung wurde an den politischen Aus-schüssen und am Landschaftsbeirat vorbei„ausgehandelt“, denn das Treffen bei derBezirksregierung fand erst kurz vor derentscheidenden Ratssitzung statt (STADTBONN 2004).

Während die Watfischerei im Winterhalb-jahr kaum zu Verstößen einlädt, werden dieFischereiverbotsstrecken wiederholt miss-achtet. Innerhalb der zulässigen Strecken

gibt es keine weiteren Regelungen fürAnglerinnen und Angler. Sie nutzen zahl-reiche Trampelpfade von den regulärenWegen zum Siegufer, streifen auf der Suche nach guten Angelstellen quer durchdie Ufergehölze und zertreten die Ufer-vegetation. Das zieht weitere, illegale Nut-zer nach sich. Manche Anglerinnen undAngler fahren mit ihrem Kraftfahrzeug insSchutzgebiet, um ihr umfangreiches Ge-päck mit Isomatte, Schlafsack und Grillauszuladen. Im Jahr 2013 versuchte einEisvogel schräg gegenüber einer beliebtenAngelstelle zu brüten. Keiner der höflichdarauf angesprochenen Anglerinnen undAngler war bereit, auf weiter von der Brutröhre entfernte Angelstellen auszu-weichen.

BadenEin großes Freibad befindet sich einen Kilometer vom Schutzgebiet entfernt. Imzentralen, gut erreichbaren Teil des Natur-schutzgebietes sind auf beiden Seiten der Sieg gewässernahe Erholungsbereicheausgewiesen. Besucherinnen und Be-sucher dürfen hier die Wege verlassen, aufRasenflächen lagern und sogar das Uferbetreten. Dies genügt vielen nicht, dennauch die anderen Kiesufer und Flach-wasserzonen der Sieg werden bei warmerWitterung zwischen April und Oktoberzum Lagern und Baden genutzt. An war-men Tagen können auf 200 Meter Fluss-ufer über 100 Personen gezählt werden, dieHunde, Fahrräder, Zelte, Campingstühleund -grills mit an und in den Fluss nehmen.Alle gehen dabei an Schildern zum Wege-gebot vorbei.

BootsverkehrBootsverkehr ist zum Schutz der Gewäs-serbodenfauna bei Niedrigwasser unzu-

Abb. 2: Zahlreiche Trampelpfade sorgen neben den regulären Wegen für starke Beun-ruhigung weiter Bereiche des Naturschutzgebietes auf Bonner Seite (Quelle: Geobasis-daten der Kommunen und des Landes NRW © Geobasis NRW 2015; verändert)

Abb. 3: Ob klare Botschaft oder robuste Ausführung: Zusatzschilder zum Wegegebot zeigen stellenweise wenig WirkungFotos: H. Haupt

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Siegmündung

überschritten. Bei Niedrigwasser, alsoFahrverbot, sind oftmals ähnlich vieleBoote wie bei normalen Pegelständen unterwegs. Ihre Anzahl scheint sich alleinnach der Wettervorhersage des Vortages zurichten.

Gefährdungsursache FreizeitDie Brutvogelfauna der Siegmündunglässt sich über viele Jahrzehnte gut nach-zeichnen (u.a. LE ROI 1906, HÜNEMÖRDER

1958, WINK 1974; Tab. 1). Die Rückgängein der Brutvogelwelt wurden schon frühmit dem Erholungsdruck in Verbindunggebracht (HÜNEMÖRDER 1958) und habenin jüngerer Zeit auf Bonner Seite bis zumVerschwinden gebietstypischer Arten wieSteinkauz, Gelbspötter und Nachtigall geführt. Bundesweit bildet der Komplex„Freizeit und Erholung“ seit langem einenernst zu nehmenden Gefährdungsfaktor fürviele Tiere und Pflanzen, selbst in Schutz-gebieten (HAARMANN & PRETSCHER 1993).Seine Bedeutung ist bis dato eher noch gewachsen (GRUTTKE 2005). Das wider-legt die Ergebnisse repräsentativer Um-

lässig, wenn der Pegel der Sieg in Eitorf 30 Zentimeter unterschreitet. Weitere Regelungen betreffen die maximale An-zahl von 50 Booten pro Tag, die maximaleGruppengröße und die Pflicht profes-sioneller Begleitung bei kommerziellenTouren. Die Landschaftspläne lassen alsBootstypen nur Ruderboote und Kanus zu.Trotzdem tolerieren die Landschaftsbehör-den Schlauchboote, obwohl sich mit ihnenallein konstruktionsbedingt ein weiteresGebot – das zügige Durchfahren des Flusses – nicht realisieren lässt. Sie stellendie Mehrzahl der Boote bei Niedrigwasser.Neuerdings kommen aufblasbare Surf-bretter in Mode, bei denen der paddelnde,aufrecht stehende Mensch eine besondersgroße Scheuchwirkung auf Tiere ausübt.

Vereinsmäßig organisierte Bootsfahrerhalten sich im Mündungsbereich oft an dieRegeln. Zahlreichen Privatpersonen sindsie aber offenbar nicht bekannt (Pegel-stand) oder sie sind für sie nicht kontrol-lierbar (Anzahl Boote pro Tag). De factosind diese Regelungen wirkungslos. AnWochenenden mit schönem Wetter wirddie Anzahl zulässiger Boote regelmäßig

fragen, in denen sich die Befragten selbstein naturverträgliches Verhalten attestieren.Denn es ist unwahrscheinlich, dass die Besucherinnen und Besucher von Natur-schutzgebieten vorwiegend aus denjenigensieben Prozent der Bevölkerung bestehen,die „weniger“ oder „gar nicht bereit“ sind,geschützten Gebieten mit Rücksichtnahmezu begegnen (vgl. BMUB & BFN 2014).Leider agieren auch die Medien mituntersehr unsensibel und stärken nicht den Wert von Schutzgebieten an sich, sondernsetzen sie wie viele ihrer Leser und Hörerals Kulisse für ihre Freizeitgestaltung inSzene (Abb. 7).

Persönliche AnspracheWas tut man vor Ort, um Besucherinnenund Besucher zum Einhalten der Regeln zu bewegen? Man spricht sie höflich an.Versuche, den Wert des Gebietes, selteneTierarten, besseres Naturerlebnis oder dieeigene Verantwortung als Argument fürrücksichtsvolleres Verhalten zu nutzen,scheiterten. Die Angesprochenen reagier-ten mit Ignoranz, Verhöhnung oder droh-

Abb. 6: Schlauchboote – auf der unteren Sieg nicht zulässig, aber von den Behörden toleriert

Foto: H. Haupt

Abb. 5: Brütende Eisvögel können keineRücksichtnahme durch Angler erwarten

Foto: R. Ries

Abb. 4: Besucherzählung am Sonntag, 2. Februar 2014, 14 bis 17 Uhr (links) in einem 150 Meter breiten Streifen nahe dem Rhein(rechts): Die Mehrzahl der Besucherinnen und Besucher betritt das Schutzgebiet außerhalb der Wege. Foto: H. Haupt

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40 Natur in NRW 4/15

Siegmündung

auf den Wiesen bei der Nahrungssuche zusehen, von denen sie zuvor ständig ver-scheucht worden waren.Wer Privatanzeigen erstattet, muss mitvielfältigen Reaktionen rechnen, denn dieBehörden geben Namen und Anschrift desAnzeigenden an die Angezeigten weiter.Einer davon erhob Klage vor Gericht, weiler durch die Fotos sein Persönlichkeits-recht verletzt sah. Vor dem AmtsgerichtBonn (Az. 109 C 228/13) und dem Land-gericht Bonn (Az. 5 S 47/14) bekam erRecht. Seither gehen die Behörden An-zeigen ohne Personenfotos nach.Zusammengefasst werteten die Richter das Recht am eigenen Bild höher als dasInteresse der Allgemeinheit an der Ver-folgung der Naturschutzverstöße. Dabeispielte keine Rolle, dass die Aufnahmennur der Behörde übergeben und dann ge-löscht wurden. Besonders bemerkenswert:Die Verfahren kamen nur zustande, weilWiederholungsgefahr angenommen wurde.Der Kläger gab vor Gericht an, er wolle dasSchutzgebiet wieder aufsuchen und seineVorgehensweise nicht ändern.

Landschaftswacht: Verpasste Chance?Unklarheiten und Widersprüche in denLandschaftsplänen machen ihre Umset-zung nicht leichter: Niemand darf weiteUferbereiche betreten, es sei denn, er hat eine Angel dabei. Bootfahren ist bei Niedrigwasser verboten, aber die Scheuch-wirkung auf dem Wasser und am Ufer ent-steht bei allen Wasserständen – Wat- undWasservögel verlassen das Gebiet spätes-tens beim dritten Boot, nicht erst beim einundfünfzigsten. Und obwohl das Fluss-bett vor Schäden durch Boote bei Niedrig-wasser geschützt werden soll, dürfen Wat-anglerinnen und Watangler seine Bewoh-ner im Sommer legal zertreten (Abb. 8).Es gibt in unseren Kompromiss-Schutz-gebieten nicht zu viele Verbote und jedeslässt sich begründen, wenn der gesundeMenschenverstand dazu allein nicht ge-nügt. Dafür gibt es Personal mit Orts-kenntnis und Fachkunde: die Landschafts-wacht. Ihre Aufgaben sind im Gesetz (§ 13Landschaftsgesetz NW) und in einerDienstanweisung geregelt, die vor 25 Jah-ren in Kraft gesetzt wurde (MURL 1990).Diese Aufgaben enden im Gelände bei Beratung und Aufklärung. Das Wissen umNaturzusammenhänge führt beim Men-schen aber nicht automatisch zu besseremHandeln (BROSSARD et al. 2005). Zeigensich Besucherinnen und Besucher inSchutzgebieten trotz Aufklärung unein-sichtig über ihr Fehlverhalten, enden dieMöglichkeiten der Landschaftswacht. Anzeigen von Verstößen gehören nach offizieller Lesart nicht zu ihren regulärenAufgaben. Sie sollen die absolute Aus-nahme bleiben, etwa bei Straftaten wie

zuständigen örtlichen Verwaltungsspitzenwiederum sind von der Kommunalpolitikabhängig.Selbst wenn es Maßnahmen gäbe: Nichtjeder wird sich für Naturschutz interessie-ren lassen, ebenso wenig wie fürs Brief-markensammeln. Dann existiert aber keinamtlicher Außendienst des Naturschutzes,der die Einhaltung von Schutzgebietsbe-stimmungen kontrollieren und gegen Ver-stöße vorgehen könnte. Die Landschafts-behörden sind dazu nicht ausgestattet. EinRangersystem wie in Nationalparks ist fürNaturschutzgebiete derzeit nicht vorstell-bar. Die Polizei verweist auf kommunaleZuständigkeiten. Im Kreis und den kreis-angehörigen Kommunen gibt es aber nichteinmal einen Außendienst des Ordnungs-amtes. Darüber verfügt im betrachtetenRaum lediglich die kreisfreie Stadt Bonn.Ihr Ordnungsaußendienst ist jedoch für das gesamte Stadtgebiet zuständig und hier nach eigener Angabe gut ausgelastet; Naturschutzbelange zählen nicht zu seinenvordringlichen Aufgaben. So scheitertenzunächst Versuche, bei der Stadt um einestärkere Einbindung des Ordnungsaußen-dienstes zu werben.

PrivatanzeigenNachdem persönliches Ansprechen nichtsnutzte, Besucherinnen und Besucher auchzusätzliche Hinweisschilder der Biologi-schen Station ignorierten oder zerstörten,Totholzbarrieren wegräumten oder für Lagerfeuer nutzten und niemand andereIdeen entwickelte, wurden Verstöße doku-mentiert und den Ordnungsbehörden alsPrivatanzeigen übermittelt. Dazu wurdenFotos der Personen bei ihren Verstößenund anschließend an den von ihnen ge-nutzten Kraftfahrzeugen mit deren Kenn-zeichen angefertigt. Nach zahlreichen Anzeigen änderte sich innerhalb von einbis zwei Jahren das Verhalten der regel-mäßigen Besucherinnen und Besucherdeutlich. Für viele am auffälligsten: Vögelwie Graureiher waren überhaupt wieder

Tab. 1: Ausgestorbene Brutvogelarten des Siegmündungsgebietes und ausgewählte Arten mit drastischen Bestandseinbrüchen (nach verschiedenen Autoren, s. Text)

ten in Einzelfällen Gewalt an. Diese Erfah-rung machen auch die ehrenamtlichenLandschaftswächterinnen und -wächter. Inder Bonner Siegniederung gibt es deshalbschon lange keine Landschaftswacht mehr.Auf Rhein-Sieg-Seite gab der Land-schaftswächter kürzlich sein Amt wegenErfolglosigkeit zurück. Ähnliche Erfah-rungen mit teils drastischen Erlebnissenmachen auch andere Ehrenamtliche inNRW, wie eine Umfrage beim Jahres-treffen der Vertrauensleute für Vogelschutzder Vogelschutzwarte im LANUV im September 2013 ergab.

Amtliche Unterstützung?Maßnahmen, die spürbar Wert und An -sehen von Naturschutzgebieten in der Be-völkerung steigern, sind auf Landesebenenicht erkennbar. Kommunalpolitik siehtNaturschutz oft als Störfaktor an. Die

Abb. 7: Journalisten berichten über ihreFreizeitaktivitäten auf der Sieg, die auf Kosten der Natur gehen

Aussterbe-zeitraum vor 1940 bis ca. 1960 um 1970 bis heute

ausgestorbene Blaukehlchen Drosselrohrsänger Braunkehlchen BaumpieperVogelarten Grauspecht Flussregenpfeifer Schafstelze Gartenrotschwanz

Haubenlerche Knäkente Teichrohrsänger GrauammerSaatkrähe Krickente Wachtel KiebitzWasserralle Rotkopfwürger Wachtelkönig RebhuhnZwergseeschwalbe Schilfrohrsänger Teichhuhn

Steinschmätzer WaldohreuleUferschwalbeWendehalsZwergtaucher

Arten mit drastischen Bestandsrückgängen u.a.:

Feldschwirl, Feldsperling, Gelbspötter, Klappergrasmücke, Kuckuck, Nachtigall, Pirol, Rohrammer, Steinkauz, Sumpfmeise, Weidenmeise

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Siegmündung

dem Einleiten großer Mengen giftigerStoffe in ein Gewässer (BezirksregierungKöln briefl. Mitt. 2014). Nach dieser Inter-pretation hätte die Landschaftswacht we -niger Befugnisse als jede Privatperson, die bei Verstößen aller Art Anzeige erstat-ten kann. Das macht dieses Ehrenamt sounattraktiv.In anderen Ländern (etwa Schleswig-Holstein, Bayern und unserem PartnerlandBrandenburg) heißt die Landschaftswachtnicht nur anders, sie darf auch mehr. IhreMitglieder dürfen bei Verstößen Personenanhalten und Personalien feststellen. Mitder Novellierung des Naturschutzrechts inNRW besteht die Möglichkeit, die Land-schaftswacht auch hier mit mehr Befugnis-sen auszustatten. Das ist notwendig für denFall, dass gute Worte nicht helfen. Die Naturschutzverbände erheben diese Forde-rung seit Jahren, doch der aktuelle Refe-rentenentwurf der Landesregierung belässtalles beim Alten. Das überrascht; wer dasEhrenamt stärken und den Rückgang derbiologischen Vielfalt verlangsamen will,sollte hier tätig werden.

AusblickNach drei Jahren Privatanzeigen an derSieg herrscht im Rhein-Sieg-Kreis weiter-hin Ohnmacht. Der Bonner Ordnungs-außendienst verstärkt seine Präsenz imSchutzgebiet und arbeitet sich in die Materie ein. Beim Verfassen dieser Zeilenkündigen Polizei und Stadt Bonn eine intensivere Zusammenarbeit in der Sieg-aue an. Wichtige Schritte, aber nicht genug. Wenn viele Besucherinnen und Besucher im Schutzgebiet sind, sind Men-schen auch andernorts aktiv und die Ord-nungskräfte dort gebunden – für Natur-schutz ist erst Zeit, wenn alle Rettungs-wege geräumt sind. Eine ehrenamtlicheLandschaftswacht könnte räumlich undzeitlich gezielter tätig werden, verfügt über

passende Kleidung fürs Gelände und überFachkenntnis, um Regeln nicht nur formaleinzufordern, sondern auch inhaltlich zuerklären. Sie mit mehr Befugnissen aus-zustatten, ist überfällig und sollte durchweitere Maßnahmen flankiert werden.Schutzgebietsschilder sollten nicht grünumrandet, sondern gelb sein, denn sie weisen nicht auf Freizeitparks, sondern aufGebiete hin, in denen Achtung und Rück-sichtnahme gefragt sind. Die unteren Naturschutzbehörden sollten nicht längerallein gelassen werden – von keiner Be-zirksregierung, die Schutzgebietsbestim-mungen aufweicht und die Aufgaben derLandschaftswacht einengt und von keinerLandesregierung, die ihnen wirksame ehrenamtliche Unterstützung versagt.Nicht zuletzt sollte für Uneinsichtige dieillegale Bootstour nach Zahlung eines Verwarngeldes teurer gewesen sein als derEintritt in einen wirklichen Freizeitpark.

LiteraturBROSSARD, D., LEWENSTEIN, B. & R. BONNEY

(2005): Scientific knowledge and attitudechange: The impact of a citizen science project.International Journal of Science Education 27(9): 1099–1121.

BUNDESMINISTERIUM FÜR UMWELT, NATUR-SCHUTZ, BAU UND REAKTORSICHERHEIT (BMUB),BUNDESAMT FÜR NATURSCHUTZ (BFN) (Hrsg.):Naturbewusstsein 2013. Berlin.

DICKERT, J. (2000): Entwicklung der Störungenin den Schutzgebieten der Wetterau seit Ein-führung der amtlichen Naturschutzwacht. Jahr-buch Naturschutz in Hessen 5: 217–221.

GRUTTKE, H. (2005): Gefährdungsursachen-analyse im Kontext Roter Listen. In: GÜNTHER,A., NIGMANN, U., ACHTZIGER, R. & H. GRUTT-KE (Bearb.): Analyse der Gefährdungsursachenplanungsrelevanter Tiergruppen in Deutsch-land. Naturschutz und Biologische Vielfalt 21:7–18.

HAARMANN, K. & P. PRETSCHER (1993): Zu-stand und Zukunft der Naturschutzgebiete in

Anschrift des VerfassersHeiko HauptBornheimer Straße 10053119 [email protected]

ZusammenfassungWie viele Naturschutzgebiete leidet dieSiegmündung unter dem Fehlverhaltenvon Besucherinnen und Besuchern. Fastalle zeigen sich vor Ort uneinsichtig,selbst wenn sie konkret auf schutz-würdige Arten hingewiesen werden. VorOrt wirken Behörden und Ehrenamtmachtlos, weil Appelle nicht fruchtenund Kapazitäten für Kontrollen fehlen.Privatanzeigen sind begrenzt wirksam,aber keine Dauerlösung. Das Landkönnte im Rahmen seiner Verant-wortung aktive Beiträge zu einer Verbesserung der Situation leisten.

Deutschland. Die Situation im Süden und Aus-blicke auf andere Landesteile. Schriftenreihefür Landschaftspflege und Naturschutz, Heft39.HÜNEMÖRDER, C. (1958): Die Vogelwelt desSiegmündungsgebietes. Vogelring 27 (2): 33–39; (3): 76–78; (4): 110–114; (5): 130–135.LE ROI, O. (1906): Die Vogelfauna der Rhein-provinz. Verhandl. Naturhist. Verein der preuß.Rheinlande und Westfalens 63: 1–325.MÜLLENHOLZ, G. (1976): Ein Wanderer erzählt!Siebengebirgs-Zeitung 13 (11): 2.MURL, MINISTERIUM FÜR UMWELT, RAUMORD-NUNG UND LANDWIRTSCHAFT (1990): Beiräte beiden Landschaftsbehörden, Landschaftswacht.Runderlass IV B 3 – 1.03.00 vom 11.4.1990.URL: https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_bes_text?anw_nr=1&gld_nr=7&ugl_nr=791&bes_id=1227&val=1227&ver=7&sg=0&aufgehoben=N&menu=1 (abgerufen 09.07.2015).RHEIN-SIEG-KREIS (2012): Landschaftsplan Nr.6 – Neuaufstellung. URL: http://www.rhein-sieg-kreis.de/cms100/buergerservice/aemter/amt67/artikel/10132/ (abgerufen 06.07.2015).STADT BONN (2015): Siegmündung. URL:http://www.bonn.de/umwelt_gesundheit_planen_bauen_wohnen/natur_und_landschaftpflege/natur_und_landschaftspflege/naturschutzgebiete/11059/index.html?lang=de (abgerufen06.07.2015).STADT BONN (2004): Bedenken und Anregun-gen sowie Satzungsbeschluss zur 8. Änderungdes Landschaftsplanes Siegmündung der StadtBonn im Stadtbezirk Beuel. Drucksache Nr.0410097ST3 (abrufbar im Bonner Rats-Infor-mationssystem unter http://www2.bonn.de/bo_ris/ris_sql/sum_profi_start.asp; abgerufen06.07.2015).WINK, M. (1974): Veränderung des Brutvogel-bestandes der Siegniederung bei Bonn in den vergangenen 14 Jahren (1960–1973). DieVogelwelt 95 (4): 121–137.

Abb. 8: Auch legales Watangeln (links) schädigt die Gewässerbodenfauna. Die KleineZangenlibelle (Onychogomphus forcipatus, rechts) zählt zu den absoluten Ausnahme-erscheinungen der verarmten Libellenfauna an der unteren Sieg. Fotos: H. Haupt

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42 Natur in NRW 4/15

Geothermie

naher Geothermie nicht exakt bestimmen.Um eine Geothermieanlage zu errichten,ist eine wasserrechtliche Erlaubnis not-wendig. Diese wird bei den unteren Wasserbehörden der jeweiligen Kreiseoder kreisfreien Städte beantragt. Der Anlagenbestand wurde darum mittels einer Umfrage bei den unteren Wasser-behörden ermittelt. Abgefragt wurde dabeidie Gesamtanzahl erdgebundener Wärme-pumpen pro Gemeinde oder Stadt, die installierte Leistung und welche Tech-nologie verwendet wird (Erdwärmesonde,Erdwärmekollektor, Wasser-Wasser-An-lage).

Mit einer Rücklaufquote von 96 Prozent(52 von 54 Genehmigungsbehörden) konnteeine sehr hohe Beteiligung erzielt werden.Der Anlagenbestand der verbliebenen Ge-meinden wurde statistisch hochgerechnet.

Insgesamt gibt es in Nordrhein-Westfalenmehr als 46.000 erdgebundene Wärme-pumpen, wovon fast 90 Prozent mit Erdwärmesonden betrieben werden. Dieinstallierte Leistung beträgt insgesamtrund 490 Megawatt, woraus ein geschätz-ter Wärmeertrag von über 1.000 Gigawatt-stunden pro Jahr resultiert. Jedoch ist diestatistisch hochgerechnete installierteLeistung mit großen Unsicherheiten behaf-tet, da diese Daten lediglich von etwasmehr als der Hälfte der unteren Wasser-behörden angegeben werden konnten. Beieinem Wärmebedarf von 271,1 Terawatt-stunden pro Jahr für ganz Nordrhein-Westfalen wird derzeit demnach wenigerals 0,5 Prozent des Wärmebedarfs durchdie oberflächennahe Geothermie gedeckt.

Die meisten erdgebundenen Wärme-pumpen pro Besitzstücke hat der Kreis

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien ist ein zentrales Ziel derLandesregierung Nordrhein-West-

falens. Daher hat das Klimaschutzministe-rium das LANUV damit beauftragt, einePotenzialstudie zu den Erneuerbaren Ener-gien des Landes durchzuführen. Durchfundierte Analysen sollen der aktuelle Bestand an Erneuerbaren Energien sowieumweltverträglich nutzbare Potenziale inden Bereichen Wind, Sonne, Biomasse,Geothermie und Wasserkraft auf regiona-ler Ebene ermittelt werden. Damit wird unter anderem für Kommunen, Kreise undBezirksregierungen in ihrer jeweiligenFunktion als Genehmigungs- und/oderPlanungsbehörde sowie für Standort-suchende und Planerinnen und Planer einÜberblick für NRW geschaffen. Jede derfünf Studien gliedert sich in drei verschie-dene Teile. Zunächst wird der derzeitigeAnlagenbestand dargestellt. Anschließendwerden die Potenziale auf den Planungs-ebenen Nordrhein-Westfalens ermittelt(Gemeinden, Kreise, Regierungsbezirke).Die Methodik der Potenzialanalysen wurdedabei innerhalb einer projektbegleitendenArbeitsgruppe abgestimmt, die mit Ver-treterinnen und Vertretern der Landes-regierung, nachgeordneter Behörden, Pla-nungsbehörden, Interessensverbänden undweiteren Personen besetzt war. Die Ergeb-nisse wurden als Fachbericht veröffent-licht, werden aber auch zusammen mit denGrundlagendaten im Fachinformations-system Energieatlas NRW zur Verfügunggestellt (www.energieatlasnrw.de). DiePotenzialstudie zur Geothermie ist dervierte Teil der Studie. Sie beschränkt sichauf die Ermittlung der Potenziale der ober-flächennahen Geothermie bei einer maxi-malen Bohrtiefe von 100 Metern und derNutzung von Erdwärmesonden.

Anlagenbestand in NRWAnders als bei den bisherigen Potenzial-studien im Bereich Strom lässt sich der derzeitige Anlagenbestand über die Energieerzeugung mittels oberflächen-

Klaus Vogel

Analyse des geothermischen Potenzials für NRWIm Rahmen der Potenzialstudie Erneuerbare Energien Nordrhein-Westfalen hat das LANUV im Auftragdes Klimaschutzministeriums (MKULNV) die Potenziale der Geothermie untersucht. In der Studie wurde ausschließlich die Nutzung der oberflächennahen Geothermie betrachtet. Das Ergebnis zeigt, dass über die Hälfte des Wärmebedarfs der Gebäude in NRW über die oberflächennahe Geothermie mittels Erdwärmesonden gedeckt werden kann.

Abb. 1: Geothermische Bohrung Foto: L. Thien/EnergieAgentur.NRW

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Geothermie

Olpe mit 29,7 Anlagen pro Tausend Be-sitzstücke. Darauf folgt der OberbergischeKreis mit 28,8 Anlagen pro Tausend Besitzstücke und der Rhein-Kreis-Neussmit 26,3 Anlagen pro Tausend Besitz-stücke (Abb. 2).

Methodik und VorgehensweiseDie Nutzbarmachung des oberflächen-nahen geothermischen Potenzials ist mitunterschiedlichen technischen Systemenmöglich, wie zum Beispiel den Erdwärme-sonden. Diese haben mit etwa 90 Prozentden dominierenden Anteil in NRW.

bare Fläche jedes bebauten Grundstücks in Nordrhein-Westfalen berechnet werdenkonnte (Abb. 3). Durch die anschließendeKategorisierung der Gebäude anhand von238 Objektschlüsseln konnten die Gebäudeauf den Besitzeinheiten in beheizte (Wohn-gebäude, Nicht-Wohngebäude mit norma-lem, hohem und niedrigem Wärmebedarf)und unbeheizte Gebäude (Garagen, Scheu-nen etc.) unterteilt werden (Tab. 1).

Auf den ermittelten Besitzeinheiten kannaufgrund vorhandener Restriktionen (z.B.aufgrund von ausgewiesenen Wasser- oderHeilquellenschutzgebieten) eine geother-mische Nutzung des Untergrunds ausge-schlossen oder eingeschränkt sein. Daherwurden die ermittelten Besitzeinheiten ineinem geografischen Informationssystemmit ausgewiesenen Restriktionsflächenverschnitten. Hierzu zählen anderweitiggenutzte Flächen (z. B. Verkehrsflächen,Gewässer), unrentable Gebiete (z. B. Ge-biete mit stark abgesenktem Grundwasser-spiegel im rheinischen Braunkohlerevier)sowie Flächen, auf denen genehmigungs-rechtliche Belange (z. B. Wasser- und Heil-quellenschutzgebiete, geologische Restrik-tionen) einer geothermischen Nutzung entgegenstehen.

Vor allem dem Grundwasserschutz wirdbei der oberflächennahen Geothermie einehohe Bedeutung beigemessen, so dass invielen Gebieten, in denen eine Schutzzoneausgewiesen ist, das Bohren zu Zweckender energetischen Nutzung nicht erlaubtist. Daher wurde das geothermische Poten-zial in zwei Szenarien berechnet: DieSchutzzonen I und II wurden dabei generell als Ausschlussflächen definiert,während die Zonen III, IIIa, IIIb und IIIceinmal als Restriktions- und einmal alsAusschlussflächen betrachtet wurden:

Szenario A:Die Sondentiefe wird auf 40 Meter be-grenzt und der Betrieb der Sondenanlagemit Wasser wird vorgeschrieben.

Szenario B:Flächen der Schutzzonen III, IIIa, IIIb undIIIc stellen Ausschlussflächen dar.

Im Anschluss an diese Operation wurdenfür alle ermittelten Besitzstücke, die für eine geothermische Nutzung in Fragekommen, die theoretisch nutzbaren geo-thermischen Poten ziale ermittelt. Das geo-thermische Potenzial des oberflächen-nahen Untergrundes ist unter anderem ab-hängig von dem geothermischen Regimeim oberflächennahen Untergrund (zumBeispiel geothermische Untergrundeigen-schaften wie Wärmeleitfähigkeit, Unter-grundtemperatur), der Jahresverteilungdes geothermischen Wärmeentzuges so-wie dem erschlossenen geothermischenReservoirvolumen (zum Beispiel nutzbareGrundstücksfläche und Erschließungstiefeder Erdwärmesonden). Mit Hilfe von unterschiedlichen Berechnungen konnte

In der Regel werden die Bohrungen für dieErdwärmesonden auf dem Grundstück desjeweiligen Gebäudes abgeteuft. Die Bohr-tiefe wurde für diese Studie auf maximal100 Meter festgesetzt. In einem erstenSchritt wurden aus allen Flurstücken inNRW Besitzeinheiten gebildet. Bei einerBesitzeinheit handelt es sich um die Flur-stücke, die eine direkte Gebäude-Bebau-ung aufweisen, zuzüglich der umgebendenunbebauten Flurstücke, welche die glei-chen Besitzverhältnisse aufweisen. Im An-schluss an diese Operation wurden die Gebäudegrundrisse geometrisch herausge-schnitten, so dass die geothermisch nutz-

Abb. 2: Anzahl der Anlagen pro Tausend Besitzstücke auf Kreisebene

Abb. 3: Bebaute Besitzeinheiten ohne Ge-bäude und Verkehrsflächen (Luftbild: Esri)

Tab. 1: Klassifizierung der Gebäude nachNutzungsgruppen

ID Nutzungs- Anzahl Gruppe gruppe Gebäude

0 Unbeheizte Gebäude 3.322.304

1 Wohngebäude 4.158.159

2 Nicht-Wohngebäude 1.390.382

3 Sondergebäude mit hohem 31.462Heizbedarf

4 Sondergebäude mit niedrigem 272.837Heizbedarf

Summe 9.175.144

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Geothermie

für jedes einzelne Besitzstück ent-sprechend der ermittelten oben genanntenParameter die jeweilige geothermische Ergiebigkeit bestimmt werden. Dazu wurden, unter Einbehaltung der Abstands-regelungen entsprechend VDI 4640, auto-matisiert Sonden auf den Freiflächen simuliert (VDI 4640 2001, 2010) (Abb. 4).

Ermittlung der GebäudebedarfswerteDie Nutzung der oberflächennahen Geo-thermie benötigt in der Regel einen Wärmeabnehmer vor Ort. Daher beruhtdas technisch nutzbare Potenzial auf demVerschneiden des theoretischen Potenzialsmit dem Wärmebedarf des Gebäudes, dasauf der gleichen Besitzeinheit steht. DerWärmebedarf ist dabei abhängig vomDämmstandard, dem Standort und derNutzung.Das Durchschnittsalter der Gebäude inDeutschland liegt bei circa 45 Jahren (vgl.ARGE 2011). Unberücksichtigt sind hierbei die energetischen Sanierungen imLaufe der Nutzung der Gebäude. Das„energetische Alter“ (unter Berücksich-tigung aller nachträglich durchgeführtenenergetischen Ertüchtigungen) der Ge-bäude ist somit wesentlich jünger einzu-schätzen als das Alter der primären Bau-substanz. Aus diesen Gründen wurde dasdurchschnittliche energetische Alter allerBestandsgebäude pauschal den energe-tischen Kennwerten der Wärmeschutz-verordnung 1984 zugeordnet. Die Unter-suchungen zum Heizwärmebedarf auf Basis der Wärmeschutzverordnung 1984sind vergleichsweise heterogen und liegenzwischen 120 und 180 Kilowattstundenpro Quadratmeter und Jahr (kWh/m²a). Inder Studie wurde daher der Mittelwert von150 kWh/m²a zu Grunde gelegt. Grund-sätzlich ist davon auszugehen, dass bei der Planung einer Wärmepumpenanlagedie energetische Qualität des Gebäudes zusätzlich auf den Prüfstand gestellt wird und zumindest kleinräumige Opti-mierungen vorgenommen werden (z. B.Isolation der Warmwasserleitungen, ener-gieeffizienteres Nutzerverhalten). Die Er-

mittlung der spezifischen Heizlast der Gebäude erfolgte mit Hilfe der Voll-benutzungsstunden. Diese wurden fürWohngebäude auf 1.900 Stunden pro Jahrfestgesetzt.

Der Warmwasserbedarf ist primär von der Anzahl der Bewohner abhängig. DerEnergieeinsparverordnung 2009 konntedafür der spezifische Wert von 12,5 Kilo-wattstunden pro Quadratmeter und Jahr(kWh/m²a) entnommen werden. In Anbe-tracht des weiter ansteigenden Komfort-und Wellnessbedarfs wurden 15 kWh/m²aWarmwasserbedarf zum Ansatz gebracht,was zehn Prozent des Heizwärmebedarfsentspricht. Die Vollbenutzungsstunden inklusive des Warmwassers steigen somitum etwa zehn Prozent von 1.900 auf 2.100Stunden an.

Analog dazu wurden die Parameter für die Nicht-Wohngebäude festgelegt. DesWeiteren wurde der klimatische Einflussauf den Wärmebedarf für jede Region be-trachtet, die Verteilung des Wärmebedarfsüber das Jahr sowie die Umrechnung desBruttogebäudevolumens in die zu behei-zende Fläche in Anlehnung an die Energie-einsparverordnung 2009.Außerdem wurde das geothermische Neubaupotenzial berechnet. Dazu wurdefür jede Gemeinde eine Neubauquote er-mittelt. Diese Neubauquote (QuadratmeterNeubaufläche pro Jahr) wurde unter derAnnahme einer zu 100 Prozent möglichenVersorgung mit Geothermie und einemWärmebedarf in Anlehnung an die Energie-einsparverordnung 2009 mit in die Poten-zialermittlung einbezogen. Auf Grund desgeringen Wärmebedarfs von Neubauten istdavon auszugehen, dass die Freifläche umdas Gebäude herum beziehungsweise dieFläche unter dem Gebäude in der Regelausreichend groß ist, um das Gebäude mitErdwärme zu versorgen. Dies gilt in denmeisten Fällen auch für Besitzeinheiten,die auf einer Restriktionsfläche liegen undsomit Nutzungseinschränkungen unter-liegen.

Technisches geothermischesPotenzialDie Ermittlung des technisch nutzbarengeothermischen Potenzials erfolgte mittelsder Verschneidung des Wärmebedarfs der

Abb. 4: Beispielhafte Sondenanordnung bei einer Reihenhausbebauung

Abb. 5: Wärmebedarf pro Einwohner auf Gemeindeebene

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Geothermie

Gebäude und des theoretisch nutzbarengeothermischen Potenzials (Ertrag) unterBerücksichtigung der sogenannten Jahres-arbeitszahl (Maß für die Effizienz einesWärmepumpenheizungssystems). Dabeikann das höchste Potenzial eines Besitz-stückes maximal dem Wärmebedarf desGebäudes entsprechen. Ein Abgleich destechnisch nutzbaren Potenzials mit demWärmebedarf gibt dann den prozentualenDeckungsanteil der Wärmeversorgungüber die oberflächennahe Geothermie wieder. Dabei haben kleinere Besitzein-heiten in stark bebauten Gebieten eineneher niedrigen Deckungsanteil. Dieser fällt aufgrund des größeren Platzangebotsund des niedrigeren Wärmebedarfs inländlichen Gebieten höher aus.

ErgebnisseUnter den getroffenen Annahmen ergibtsich ein Wärmebedarf von 271,1 Terawatt-stunden pro Hektar und Jahr für alle Gebäude in NRW. Dabei zeichnet sich der Regierungsbezirk Düsseldorf wegenseiner hohen Bebauungsdichte durch denhöchsten Wärmebedarf aus. Das technischnutzbare geothermische Potenzial für ganzNRW beträgt 153,7 Terawattstunden proHektar. Somit ergibt sich ein Deckungs-anteil von 56,7 Prozent. Dies bedeutet,dass über die Hälfte des Wärmebedarfs derGebäude über die oberflächennahe Geo-thermie mittels Erdwärmesonden gedecktwerden kann.

Da der Wärmebedarf maßgeblich für dasermittelte Potenzial ist, ist das technischePotenzial in den Großstädten durch die

hohe Bevölkerungsanzahl am höchsten.Besitzstücke in ländlicheren Gemeindenbieten zwar mehr Fläche um Erdwärme-sonden abzuteufen, jedoch ist der Wärme-bedarf durch die geringere Bevölkerungs-anzahl deutlich geringer als in Großstäd-ten. Am höchsten ist das geothermischePotenzial für das Szenario A in Essen(4.248 Gigawattstunden pro Jahr) undKöln (3.816 Gigawattstunden pro Jahr),am niedrigsten in Weilerswist (33,3 Giga-wattstunden pro Jahr) und Erftstadt (44,5Gigawattstunden pro Jahr) (Abb. 6).Betrachtet man nun für jede Gemeinde den Deckungsanteil des geothermischenPotenzials im Vergleich zum Wärmebedarffür das Szenario A (Abb. 7), so ergibt sichein leicht anderes Bild, da dabei die unter-schiedliche Bebauungs- und Bevölke-rungsdichte erkennbar wird. So weisen die Großstädte Nordrhein-Westfalens (z. B.Köln, Düsseldorf) durch die hohe Bevöl-kerungszahl einen hohen Wärmebedarfauf. Gleichzeitig ist durch die große Bebauungsdichte weniger Platz zum Ab-teufen der Erdwärmesonden vorhanden.Dadurch kommt ein eher geringer Deckungsanteil zustande, obwohl dastechnisch nutzbare Potenzial sehr hochsein kann. Bei den kleineren und länd-licheren Gemeinden verhält sich dies genau umgekehrt, so dass dort ein wesent-lich höherer Deckungsanteil vorliegenkann. So weisen Großstädte wie Düssel-dorf (29,4 Prozent) oder Köln (29,8 Prozent) einen geringeren Deckungsanteil

Abb 6: Geothermisches Potenzial auf Gemeindeebene (Szenario A)

Abb 7: Deckungsanteil am Wärmebedarf auf Gemeindeebene (Szenario A)

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Geothermie

auf, als ländliche Gemeinden wie Lippe-tal (95,5 Prozent) oder Welver (94,3 Prozent).Betrachtet man das Szenario B, so sinkt bei Gemeinden mit einem Flächenanteil ander Schutzzone III das technisch nutzbaregeothermische Potenzial und somit auchder Deckungsanteil. Während viele Ge-meinden nicht betroffen sind, da sie keinenFlächenanteil an einer der Schutzzonen haben, so verringert sich das technischnutzbare geothermische Potenzial bei einigen Gemeinden um mehr als 75 Pro-zent (Abb. 8). Für ganz NRW reduziertsich der Deckungsanteil von 56,7 auf 52,1Prozent. Das technisch nutzbare geo-thermische Potenzial sinkt von 153,7 auf141,3 Terawattstunden pro Jahr.Es wurde zudem das geothermische Poten-zial von Neubauten berechnet. Hierbei ergibt sich für ganz Nordrhein-Westfalenein zukünftiges technisch nutzbares geo-thermisches Potenzial von 426 Gigawatt-stunden pro Jahr. Bis zum Jahr 2025 könnte sich demnach ein zusätzlicher geo-thermischer Ertrag von sechs Terawatt-stunden ergeben.

DiskussionDas ermittelte technisch nutzbare geo-thermische Potenzial spiegelt die Wechsel-wirkungen der wesentlichen Einfluss-größen wie Bebauungsdichte, Flächen-anteil der Restriktionsflächen und Wasser-schutzgebiete sowie die geothermischenParameter wie Wärmeleitfähigkeit undUntergrundtemperatur wider.

In dieser Studie wurde ein technisch nutzbares geothermisches Potenzial ausge-wiesen. Welcher Anteil des Potenzials tat-sächlich genutzt werden kann, lässt sichnicht in einem ausreichenden Umfangprognostizieren. Faktoren wie Akzeptanz,Wirtschaftlichkeit oder das Wärmeverteil-system innerhalb eines Gebäudes stellenHemmnisse dar und sorgen dafür, dass dasmachbare Potenzial geringer ist als dastechnische Potenzial.

Die Ergebnisse sind zudem sehr stark ab-hängig von den im Rahmen der Potenzial-studie gewählten Randbedingungen undBerechnungsansätzen. Dabei wurden fürdie notwendigen Vereinfachungen undPauschalisierungen überwiegend konser-

vative Ansätze gewählt. Dazu zählen vorallem die maximale Sondentiefe von 100Metern sowie der nicht berücksich-tigte kombinierte Heiz- und Kühlbetrieb.Andererseits kann das technisch nutzbaregeothermische Potenzial in einzelnen Gebieten auch geringer ausfallen, da unteranderem punktförmige Restriktionen in-folge von Altlasten und oberflächennahem(Alt-)Bergbau nicht berücksichtigt werdenkonnten. Insgesamt bedingt der konser-vative Ansatz jedoch, dass das technischnutzbare geothermische Potenzial für ganzNRW, und somit auch der Deckungsanteil,in der Realität größer sein kann als der in dieser Studie ermittelte Wert.

LiteraturARGE (2011) Arbeitsgemeinschaft für zeitge-mäßes Bauen e.V.: Wohnungsbau in Deutsch-land – 2011, Modernisierung oder Bestands-ersatz.VDI 4640 (2010): Richtlinie Blatt 1, Thermi-sche Nutzung des Untergrundes, Grundlagen,Genehmigungen, Umweltaspekte.VDI 4640 (2001): Richtlinie Blatt 2, Thermi-sche Nutzung des Untergrundes – Erdgekop-pelte Wärmepumpenanlage.

ZusammenfassungIn der Potenzialstudie Geothermie wurden die technisch nutzbaren geo-thermischen Potenziale der oberflächen-nahen Geothermie in Abhängigkeit vom Wärmebedarf der Gebäude inNordrhein-Westfalen untersucht. Dasermittelte Potenzial beträgt 153,7 Tera-wattstunden pro Jahr (TWh/a) im Szena-rio A und 141,3 TWh/a im Szenario B.Der Wärmebedarf der Gebäude in NRWbeträgt 271,1 TWh/a. Demnach kann ein Deckungsanteil zwischen 52 und 57Prozent erreicht werden. Bis zum Jahr2025 könnte sich ein zusätzliches tech-nisch nutzbares Potenzial durch Neu-bauten von 6 TWh/a ergeben.

Anschrift des VerfassersKlaus VogelLandesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV)Fachbereich 37: Koordinierungsstelle Klimaschutz, KlimawandelWallneyer Straße 645133 [email protected]

Abb. 8: Verringerung des geothermischen Potenzials auf Gemeindeebene (Szenario B)(WSG=Wasserschutzgebiet, HQSG=Heilquellenschutzgebiet)

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100 Äcker für die VielfaltMeyer, S., Leuschner, C. (Hrsg.) (2015):100 Äcker für die Vielfalt – Initiativenzur Förderung der Ackerwildkrautflorain Deutschland. Universitätsverlag Göt-tingen, 351 S., ISBN 978-3-86395-184-9,29,90 €.Zum Schutz von stark gefährdeten Acker-wildkräutern wurde 2009 das von derDeutschen Bundesstiftung Umwelt geför-derte Projekt „100 Äcker für die Vielfalt“initiiert. Im Rahmen dieses Vorhabens ge-lang es den Pflanzenökologen Dr. StefanMeyer und Prof. Dr. Christoph Leuschnervon der Universität Göttingen mit ihrenProjektpartnern von der Universität Kasselund dem Deutschen Verband für Landes-pflege, 112 Ackerflächen mit 480 HektarFlächenumfang in ganz Deutschland lang-fristig für den Schutz von Ackerwild-kräutern zu sichern. Ziel des Projekts wares, dem voranschreitenden Schwund derAckerwildkräuter durch ein Netz vonSchutzflächen zu begegnen, die zugleichZentren für eine Wiederausbreitung seinsollen. Die Bewirtschaftung erfolgt aufden Schutzäckern ohne Herbizide und orientiert sich an den Bedürfnissen vonAdonisröschen, Sandmohn, Rittersporn,Frauenspiegel und Co.Das Buch dokumentiert die vielfältigenInitiativen zur Förderung der Ackerwild-kräuter in Deutschland. Gleichzeitig bietetes Einblick in die Ursachen ihrer aktuellenVerarmung und zeigt Möglichkeiten zumlangfristigen Erhalt dieser Flora auf. Nacheiner Einführung in die Thematik Acker-wildkrautschutz werden die Vorgehens-weise und die Erfolge dieser Initiative für eine bundesweite Kulisse von Schutz-äckern dargestellt.

Bildband zum Nationalpark EifelOtzen, B., Otzen, H. (2015): ErlebnisNationalpark Eifel. Regionalia Verlag,196 S., ISBN 978-3-95540-207-5, 19,95 €.Der erste Bildband zum Nationalpark Eifellädt mit großformatigen Fotos und zahl-reichen Informationen und Erlebnis-Tippszum Schmökern und Entdecken ein. Erspannt den Bogen von der naturgeschicht-lichen Entstehung der Eifel und des heuti-gen Nationalparkgebietes über die kultur-geschichtliche Entwicklung des Eifel-waldes bis zur Idee und Umsetzung desNationalparks.Die Autoren Barbara und Hans Otzen be-schreiben die Kulturgeschichte von denRömern bis zum Preußenbaum, gehen aufden heutigen Schutzstatus als Nationalparkein und zeigen kulturelle Sehenswürdig-keiten seiner Region auf. Die Fotos zeigen

Landschafts- und Detailmotive von Wäl-dern, Wiesen, Weiden, Heiden und Felsen,Seen, Flüssen, Bächen und Mooren. DieLeserinnen und Leser machen Bekannt-schaft mit der vielfältigen Pflanzenweltund lernen ihre tierischen Bewohner kennen wie Biber, Rotwild, Wildkatze, Eis-vogel, Steppengrashüpfer, Uhu, Groppe,Feuersalamander und viele andere Arten.Der Bildband bietet zudem Informationenzu zahlreichen Aktivitätsangeboten: Ster-nenpark, Wildnis-Trail, Rursee-Schifffahrtsowie Wandertipps mit Ranger und Wald-führer. Ein Extrakapitel beschreibt auchdie Umgebung des Parks mit ihren Sehenswürdigkeiten.

Das verborgene Lebendes WaldesD. G. Haskell (2015): Das verborgeneLeben des Waldes. Ein Jahr Naturbeob-achtung. Kunstmann, 328 S., ISBN 978-3-95614-061-7, 22,95 €.Der kanadische Biologe David Haskell be-sucht über ein Jahr, bewaffnet mit Fernglasund Lupe, ein kleines Stück Urwald inTennessee und schreibt seine Beobachtun-gen und Gedanken dazu auf. Er greift dieIdee des tibetanischen „Mandala“ auf, wonach das Universelle im unendlich klei-nen zu finden ist. Anhand seiner Wahrneh-mungen auf einem Quadratmeter Urwaldim Jahreslauf beschreibt er universale öko-logische Zusammenhänge und die Natur-gesetze des Waldes. Der Mensch ist als Bestandteil der Natur stets mit im Blick. Er nutzt den Wald von Beginn an, aber imZeitalter der technischen Naturnutzungvernichtet er den Wald in nie gekanntem

Maßstab. Aber mehr denn als Naturver-nichter stellt David Haskell den Menschenals eine Art unter vielen im Beziehungs-geflecht mit den anderen Arten dar. UnsereWahrnehmungen, Gefühle und Ängste ver-weisen auf die gemeinsame Vorgeschichte,die wir mit der belebten Natur teilen. Über den Jahreslauf beschreibt Haskell die Lebewesen des Waldes, die Tierspur, denersten Frühlingsblüher, die Vogelwelt, denSalamander, das Grauhörnchen, die Paa-rung der hermaphroditischen Schnecke,die Lebensgemeinschaft von Alge und Pilzin der Flechte, die Vielfalt an Kleinlebe-wesen in der Rhizosphäre des Bodens.Haskell zeigt uns die Spuren, die dasWachstum der Bäume verraten; anhandeinfacher Beobachtungen lehrt er das Wesen der Nahrungsketten, die Wirkungder Witterung oder des Lichts auf die Lebewesen des Waldes oder die Konkur-renz der Lebewesen um die Ressourcen.Jede einzelne der 44 Begegnungen Has-kells mit dem Wald beschreibt, wie das innerste physische Dasein des Menschenmit der Gemeinschaft des Lebens ver-knüpft ist und plädiert für Demut im Um-gang mit der Natur. Er macht dies in ersterLinie als Naturwissenschaftler, aber auchals Poet und Naturphilosoph. Komplexebiologische Sachverhalte kleidet er in einfache Worte, Metaphern aus dem Alltagunterstreichen die Sinnfälligkeit der Zusammenhänge. Jeder Naturinteressierteund Naturbeobachter wird aus diesemBuch neue Erkenntnisse für sich ge-winnen, selbst wenn der Gegenstand inTennessee viele tausend Kilometer ent-fernt liegt. Unbedingt empfehlenswert!

C. Michels

Amphibien und Reptilien im PorträtGlandt, D. (2015): Die Amphibien undReptilien Europas. Alle Arten im Porträt. Quelle & Meyer, 720 S.,ISBN: 978-3-494-01581-1, 39,95 €.Erstmals werden in diesem Buch alle 280in Europa und auf den angrenzenden atlan-tischen Inseln vorkommenden Amphibien-und Reptilienarten ausführlich vorgestellt.Nahezu jede Art ist farbig abgebildet – einige sogar erstmalig. Aussehen, Verhal-ten und Lebensraum der einzelnen Artensind detailliert beschrieben. Zusätzlich liefert der Autor wertvolle Beobachtungs-tipps für die praktische Feldarbeit sowieInformationen über Gefährdung undSchutzmaßnahmen. Zusammen mit denAngaben zur Verbreitung, zum Teil auchals Karte dargestellt, ist dieses Buch nichtnur ein Nachschlagewerk, sondern auchein praktischer Begleiter für alle, die sichvon den Kanarischen Inseln bis zum Uralauf die Suche nach diesen faszinierendenTieren begeben wollen.

Buchbesprechungen

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48 Natur in NRW 4/15

Schräge VögelWestphal, U. (2015): Schräge Vögel. Begegnungen mit Rohrdommel, Ziegen-melker, Wiedehopf und anderen heimi-schen Vogelarten. Pala-Verlag, Darm-stadt. 192 S., ISBN 978-3-89566-342-0,19,90 €.Uwe Westphal ist weithin nicht nur als Verfasser von Vogel- und Naturschutz-büchern, sondern auch als Vogelstimmen-imitator bekannt. Christopher Schmidtgehört zu den führenden deutschen (undeuropäischen) Vogelmalern. Wenn sichbeide für ein Buchprojekt zusammentun,wird es interessant. Die „Schrägen Vögel“stellen eine Auswahl von heimischen Vogelarten vor, häufige wie seltene, weit-hin bekannte und eher unbekannte, ange-ordnet nach Lebensräumen. So spannt sichder Reigen der behandelten Arten von Basstölpel und Trottellumme über Kiebitzund Wiesenweihe zu Zilpzalp und Gimpel.Für jede Art gibt es auf etwa drei Seitensehr gut lesbaren Textes eine Einführung inBiologie und Ökologie, angereichert mitpersönlichen Erlebnissen von Westphalund voll von wissenswerten und spannen-den Aspekten. Man merkt, hier schreibt jemand, der etwas von der Vogelkunde ver-steht und Freude daran hat, seine eigenenBeobachtungen mitzuteilen. Es finden sichviele naturschutzrelevante Hinweise, zumBeispiel das Plädoyer für den Kormoran,den oft verkannten und vielgeschmähtenFischjäger, mit guten ökologischen Hinter-gründen zum Konflikt mit der Fischerei.Die Illustrationen von Christopher Schmidtsind, wie nicht anders zu erwarten, vonhöchster Qualität. Sie zeigen die Vögel inihrem Lebensraum, teilweise finden sichverschiedene Skizzen, teils farbig, teils als Bleistiftzeichnung, die eine Art in verschiedenen Haltungen und Aktionen

darstellt, etwa die Rohrdommel in sechs Illustrationen. Wunderbar!Das Buch eignet sich hervorragend als Geschenk für Naturinteressierte, wird aberauch Vogelkundlerinnen und Vogelkund-lern mit breitem Wissen einiges Neuesbringen – und vor allem Freude beim Lesen und Durchblättern.

P. Herkenrath

Vogelwelt von Rheinland-Pfalz: ArtenDietzen, C., Dolich, T., Grunwald, T.,Keller, P., Kunz, A., Niehuis, M., Schäf,M., Schmolz, M., Wagner, M. (2015):Die Vogelwelt von Rheinland-Pfalz.Band 2, Enten- bis Storchenvögel. Fauna und Flora in Rheinland-Pfalz,Beiheft 47: I-XX, 1–620, Landau, ISBN978-3-946121-00-8. 44,90 €.Erfreulich schnell nach dem allgemeinenBand (s. Natur in NRW 3/15, S. 49) legt dieGesellschaft für Naturschutz und Ornitho-logie in Rheinland-Pfalz (GNOR) den ersten von drei geplanten Artbänden der „Vogelwelt von Rheinland-Pfalz“ vor. Behandelt wird das Vorkommen von 90Vogelarten der Enten-, Hühnervögel, Flamingos, Lappen-, Seetaucher, Röhren-nasen, Pelikan-, Kormoranvögel, Ibisse,Reiher und Storchenvögel. Sehr ausführ-lich werden die aus unserem Nachbar-bundesland vorliegenden Informationenzu Lebensraum, Verbreitung, Nachweis-häufigkeit, jahreszeitlichem Auftreten,Ringfunden, Biologie, Gefährdung undSchutz aufbereitet. Der Text wird durchzahlreiche Karten, Diagramme, Tabellenund Fotos aufgelockert und veranschau-licht. Wie gründlich die Autorinnen undAutoren gearbeitet haben, wird alleinschon daran deutlich, dass die Artkapitelfür den Graureiher 32 und für denWeißstorch 30 Seiten umfassen. Für Orni-thologie und Vogelschutz in Nordrhein-Westfalen sind viele Angaben von höchs-tem Interesse, beispielsweise die Informa-tionen über den Rückgang und die Lebens-raumansprüche des auch bei uns vom Aus-sterben bedrohten Haselhuhns. Auch dieAngaben über häufige Vogelarten wie Stockente, Haubentaucher und Kormoranreizen zum Vergleich mit Nordrhein-West-falen. P. Herkenrath

Das Ringeln der SpechteDengler, K. (2012): Thesen und Faktenrund um die Spechtringelung. 2 Bändemit CD. Schriftenreihe der Hochschulefür Forstwirtschaft, Nr. 23, Rottenburgam Neckar. 621+349 Seiten, ISSN 0940-3698, 48,00 €.Das Ringeln ist ein merkwürdiges und keineswegs abschließend geklärtes Ver-

halten: Spechte schlagen in regelmäßigemAbstand kleine Löcher in die Baumober-fläche. Die gängigste und weitgehend unbestrittene Erklärung dafür ist, dassSpechte sich durch punktuelle Verletzun-gen des Baumes energiereichen Baumsafterschließen. Teilweise wird diese flüssigeNahrungsaufnahme als saisonal ent-scheidend dargestellt. Eingehende Unter-suchungen zur Bedeutung des Ringelnsfehlen aber.Nun hat Klaus Dengler das Thema mitenormer Gründlichkeit untersucht. EineRecherche der gesamten verfügbaren Lite-ratur ergänzt er durch eigene Beobachtun-gen und diskutiert sie vor dem Hintergrundder Morphologie und Physiologie desBaumgewebes. Die Ergebnisse dokumen-tiert Dengler in zwei Bänden und einer CD.Der Hauptband behandelt Deskription undDefinitionen des Spechtringelns, die ent-stehenden „Schadbilder“, die ringelndenSpechtarten, ringelrelevante baumphysio-logische Grundlagen, Zeitmuster und Verbreitung des Ringelns und bisherigeDeutungen, an die er eine eigene Inter-pretation anschließt. Der zweite Band enthält über 300 dokumentarische Fotos sowie weitere Abbildungen, Skizzen, Tabellen und Karten. Die CD liefert Zusatzinformationen wie Literaturbelegemit kurzen Zitaten, Daten zu amerika-nischen Saftlecker-Spechtarten oder eindreisprachiges Glossar.Dem Autor gebührt Anerkennung: Die enzyklopädisch angelegte Datensamm-lung ist von beachtlichem wissenschaft-lichem Wert. Leider ist sie aufgrund einesfehlenden Stichwortverzeichnisses nichteffektiv erschließbar. Die Breite und Ausuferung der Darstellungen mit regel-mäßigen Wiederholungen erschwert dasLesen enorm. Dengler entlarvt die immer wieder tradierteund kaum mal näher geprüfte Annahme,dass Saftlecken wichtiger Bestandteil derErnährung der ringelnden Spechtarten sei.Er kommt zu der Bewertung, dass sowohldie Xylem- als auch die Phloemsäfte derBäume, wenn überhaupt, nur in kleinsten –ernährungsmäßig unbedeutenden – Men-gen von den Spechten aufgenommen werden können. Die SchlussfolgerungDenglers, das Ringeln sei ein Verhaltens-atavismus, überzeugt nicht. Die Häufigkeitund Regelmäßigkeit dieses Verhaltensspricht dafür, dass es ein normales, funk-tionsgebundenes Verhalten ist. Hier sindweitere Untersuchungen und Überlegun-gen notwendig. So könnten auch kleineund kleinste Mengen an Baumsäften bio-logisch einen Sinn in Form einer Nah-rungsergänzung machen. Wünschenswert wäre eine knappe Dar-stellung des interessanten Themas, derdann eine weite Verbreitung in Forst- und ornithologischen Kreisen zu wün-schen wäre. J. Weiss

Buchbesprechungen

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Saatkrähe in NiedersachsenWie bei kaum einer anderen Art entzündensich bei der Saatkrähe Konflikte an ihrenBrutplätzen. Im ländlichen Raum ist diesin erster Linie auf ihren schlechten Ruf als Ernteschädling zurückzuführen. DurchVerfolgung und Vertreibung und eine Nah-rungsverknappung in der freien Land-schaft haben die Saatkrähen im Zuge einer„Landflucht“ zunehmend die Randbereicheund das Innere von Dörfern und Städtenbesiedelt. Dort fühlen sich viele Anwohnerdurch die Lautäußerungen der Vögel, ihrenKot und durch herunterfallendes Nist-material belästigt.Die Broschüre bietet eine Hilfestellung für das Management derartiger Konfliktein Niedersachsen. Die Beschreibung vonÖkologie und Biologie der Saatkrähe solldas Verständnis der Art und ihrer Lebens-weise fördern, denn viele ihrer angeblichnegativen Eigenschaften basieren auf Un-wissen oder auf einem alten Nützlichkeits-Schädlichkeits-Denken. Im zweiten Teilder Broschüre werden die Probleme mitSaatkrähen vor allem im Siedlungsbereichbeschrieben. Die bislang zur Schadens-abwehr und zur Vergrämung durchgeführ-ten Maßnahmen und Methoden werden auf ihre Wirksamkeit hin beleuchtet. Unter Berücksichtigung der rechtlichen und naturschutzfachlichen Rahmenbedingun-gen mündet dies in einem Konzept für ein möglichst einheitliches Vorgehen beiKonflikten mit brütenden Saatkrähen inNiedersachsen.Die 48-seitige Broschüre „Die Saatkräheals Brutvogel in Niedersachsen“ ist alsHeft 1/2015 in der Reihe „Informations-dienst Naturschutz Niedersachsen“ er-schienen und kann für vier Euro zuzüglichVersandkostenpauschale beim NLWKN

(Niedersächsischer Landesbetrieb fürWasserwirtschaft, Küsten- und Natur-schutz) bestellt werden unter [email protected] www.nlwkn.niedersachsen.de.

Windenergie und VogelschutzDas Heft 51 der „Berichte zum Vogel-schutz“ beschäftigt sich schwerpunkt-mäßig mit dem derzeit hochaktuellen Thema Windenergie und Vogelschutz. Esenthält die von der Länderarbeitsgemein-schaft der Vogelschutzwarten erarbeiteten„Abstandsempfehlungen für Windenergie-anlagen zu bedeutsamen Vogellebens-räumen sowie Brutplätzen ausgewählterVogelarten“. Dazu werden die Ergebnisseeiner radarornithologischen Pilotstudiezum Thema Windkraft und Wasservögel an Binnengewässern diskutiert und dieProblematik und Praxis bei der Erfassungwindkraftsensibler Greifvogelarten amBeispiel des Rotmilans dargestellt.Neben dem Schwerpunktthema enthält das Heft weitere Beiträge zu Wühlmäusenals ausschlaggebender Größe für den Brut-erfolg des Uhus und zur Frage, wie derdrastische Rückgang des Rebhuhns aufzu-halten ist. Darüber hinaus enthält es Berichte der Mitgliedsverbände des Deutschen Rates für Vogelschutz über ihreAktivitäten im Jahr 2014.Die Berichte zum Vogelschutz werdenvom Deutschen Rat für Vogelschutz unddem Naturschutzbund Deutschland heraus-gegeben. Ein Einzelheft kann für 18 €

beim Landesbund für Vogelschutz über dieE-Mail [email protected] bestellt werden.

Pferd und WolfDie Rückkehr der Wölfe nach Deutsch-land stellt vor allem Tierhalter vor neueHerausforderungen. Im „Pferdeland“ Niedersachsen sehen sich insbesonderePferdehalter in einer neuen Situation.Während es klare Regelungen zum Schutzvon Schafen gibt, sucht man Informatio-nen zum Verhältnis von Pferd und Wolfvergeblich. Im Arbeitskreis „Pferd undWolf“ haben sich daher Expertinnen undExperten vom NABU, der Pferdeland Niedersachsen GmbH, der Arbeitsgemein-schaft Herdenschutzhunde e.V. und demTrakehner Verband mit unabhängigen Bio-logen und Wissenschaftlern der Univer-sität Hildesheim zusammengetan, um ge-meinsam einen Beitrag für ein konflikt-armes Miteinander von Pferd und Wolf zuleisten. Ihre Ergebnisse und Schlussfolge-rungen haben sie in dem 21-seitigen Hand-lungsleitfaden „Pferd und Wolf – Wege zur Koexistenz“ veröffentlicht. Der Leitfaden

dokumentiert den aktuellen Stand der Wissenschaft und enthält eine Reihe vonspeziellen Handlungsempfehlungen fürReiter und Pferdehalter.Der Leitfaden ist gegen eine Versandkos-tengebühr beziehbar unter [email protected]. Kostenloser Download unter: www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/saeugetiere/wolf/mittwolf/19644.html.

Studie Windenergieund ArtenschutzDer Ausbau der Windenergie hat erheb -liche Bedeutung für den Klimaschutz. Erkann jedoch auch mit dem Artenschutzkollidieren. In der Studie „Vermeidungs-maßnahmen bei der Planung und Geneh-migung von Windenergieanlagen“ zeigendie Autorinnen und Autoren von der TUBerlin, der Fachagentur Windenergie anLand (FA Wind) und der Universität Müns-ter, dass es eine Vielzahl von Maßnahmenzum Schutz gefährdeter Arten beim Aus-bau der Windenergie gibt. Dazu gehöreneine sorgfältige Standortwahl, eine Anpas-sung von Anlagendesign und -größe, dieGestaltung des unmittelbaren und weiterenUmfeldes der Anlagen, das kurzzeitige Ab-schalten der Rotoren, die räumliche An-ordnung der Windräder oder die akustische„Vergrämung“ der Tiere. Die Studie trägtden derzeitigen Wissensstand aus interna-tionaler und nationaler Literatur zusam-men und wird durch Experteninterviewssowie die Auswertung einschlägigerRechtsprechung ergänzt. Die Studie zeigtaber auch, dass es weiterhin erheblichenForschungsbedarf gibt.Download der Studie unter: www.fachagentur-windenergie.de/services/veroeffentlichungen.html. Ein kostenloses Druck-exemplar kann bei der FA Wind [email protected] angefordert werden.

Informationsangebote

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Online-Atlas Amphibienund ReptilienDer erste Online-Atlas der Amphibien undReptilien Deutschlands bietet einen aktuel-len bundesweiten Überblick zur Ver-breitung der Amphibien und Reptilien in Deutschland in der Auflösung vonMesstischblattquadranten. Er enthält rund600.000 Einzeldatensätze für 33 heimischeund 14 eingeschleppte Arten. Der Atlas liefert einen umfassenden Datenfundus für eine zukünftige Revision der RotenListen der Amphibien und ReptilienDeutschlands und zeigt, welche Arten amhäufigsten und welche besonders seltensind.Die Nutzerinnen und Nutzer haben dieMöglichkeit, Karten anzusehen und herunterzuladen. Zusätzlich besteht dieMöglichkeit, die aggregierten digitalenDaten hinter den Karten in Tabellenformzu nutzen sowie sich in Form von Steck-briefen über die Arten zu informieren.Der Atlas ist das Ergebnis eines Projektes,das die Deutsche Gesellschaft für Herpe-tologie und Terrarienkunde (DGHT) imAuftrag des Bundesamtes für Naturschutzdurchgeführt hat. Das Projekt konnte nur in Zusammenarbeit mit zahlreichen Projektpartnern realisiert werden, darunternicht nur Landesfachbehörden und Fach-arbeitsgruppen, sondern auch Verbändeund Privatpersonen, die unzählige Stundenehrenamtlicher Arbeit geleistet und Datengemeldet und geprüft haben.Der Online-Atlas ist erreichbar unterwww.feldherpetologie.de/atlas.

Firmengelände naturnah gestaltenDie Broschüre „Wege zum naturnahen Firmengelände“ präsentiert 21 verschie-dene Maßnahmen, wie Unternehmen ihreFlächen attraktiver für Flora und Fauna gestalten können. Von der Begrünung vonDächern und Fassaden über die Anlagevon blütenreichen Grünflächen oder ande-ren Lebensräumen bis hin zu insekten-freundlicher Beleuchtung beschreibt derLeitfaden steckbriefhaft die Voraussetzun-gen und Vorteile, gibt praktische Tippszum Vorgehen und zeigt die ökologischenEffekte auf.Einen Einstieg in das Thema bietet der Videospot „Artenschutz und Möglichkei-ten der naturnahen Gestaltung von Firmen-geländen“, der in einem virtuellen Rund-gang über ein Firmengelände zeigt, welcheMaßnahmen ein Unternehmen auf seinenFlächen umsetzen kann. Broschüre undFilm entwickelte das Institut für öko-logische Wirtschaftsforschung (IÖW) ge-meinsam mit der Bodensee-Stiftung, demGlobal Nature Fund und der Initiative

„Biodiversity in Good Company“, geför-dert vom Bundesamt für Naturschutz(BfN). In dem Projekt „Naturwert – Natur-nahe Firmengelände als Einstieg in bio-diversitätsförderndes Umweltmanagement“untersuchten die Wissenschaftlerinnen undWissenschaftler die Frage, wie Unterneh-men für Biodiversität sensibilisiert werdenkönnen. Download der Broschüre unter: www.ioew.de/publikation/wege_zum_naturnahen_firmengelaende. Der Film ist abrufbar unter:www.youtube.com/watch?v=awRKtuLnErw.

Software zur Gewässer-strukturkartierungSeit Oktober ist eine kostenlose „Lite“-Version des Software-Pakets „BEACHGSG 3“ zur mobilen digitalen Gewässer-strukturkartierung verfügbar. Damit kannjeder das offizielle Verfahren zur hydro-morphologischen Erhebung und Bewer-tung von Fließgewässern anwenden. DieVollversion des Software-Pakets wurdevon der Firma chromgruen im Auftrag des LANUV entwickelt und wird derzeit in NRW zur Gewässerstrukturkartierungeingesetzt.Die frei verfügbare „Lite“-Version umfasstneben der Vollversion der App zur mobilendigitalen Gewässerstrukturkartierung einDesktop-Programm, mit dem die Kartie-rung vor- und nachbereitet werden kann.Sie soll den Einstieg in das Kartierverfah-ren insbesondere für Ausbildungseinrich-tungen und Naturschutzverbände erleich-tern.Download-Link und weitere Informationen:www.chromgruen.com/index.php?article_id=116.

Audioführungen fürdie Wahner HeideWie können Glanrinder und Schafe zurbiologischen Vielfalt beitragen, und washat die Militärgeschichte auf der DBU-Naturerbefläche Wahner Heide mit Natur-schutz zu tun? Antworten auf diese und andere Fragen können Besucherinnen undBesucher künftig über kostenlose Audio-führungen der Naturerbe-App erhalten.Die Entwicklung der mobilen Applikationfür Smartphones und Tablets ist ein bun-desweites Kooperationsprojekt verschie-dener Flächeneigentümer und der gemein-nützigen Tochter der Deutschen Bundes-stiftung Umwelt (DBU), der DBU Natur-erbe GmbH. Für die Naturerbefläche rundum den Flughafen Köln-Bonn wurden vierTouren mit Längen zwischen fünf und 14Kilometern entwickelt. Die Audiotourenstarten jeweils an den vier Besucherporta-len Forsthaus Steinhaus (Bergisch-Glad-bach), Turmhof (Rösrath), Burg Wissem(Troisdorf) und Gut Leidenhausen (Köln-Porz). Von der Kartenansicht der App, die mehrere Naturerbeflächen umfasst,könnenAnwenderinnen und Anwender aufdie DBU-Naturerbefläche Wahner Heide klicken und so die speziell für die Liegen-schaft entwickelten Audioführungen laden.Die Naturerbe-App steht unter www.dbu.de/naturerbeapp zum Download bereit.

NABU NRW –Jahresbericht 2014Mit seinem Jahresbericht blickt der NABU-Landesverband NRW zurück aufseine Aktivitäten und Erfolge im Jahr2014. Hinsichtlich der Naturschutzpolitikfällt diese Bilanz deutlich positiver aus alsin den Vorjahren. So sei das Jahr von denDebatten um das neue Landesjagdgesetz,die Biodiversitätsstrategie und den Klima-schutzplan geprägt gewesen. Beim neuenJagdgesetz für NRW habe die Landes-regierung aus Sicht des Naturschutzes einen guten und zukunftsweisenden Kom-promiss gefunden und eine Reihe wich-tiger Änderungen auf den Weg gebracht.Doch nicht nur auf landespolitischer Ebene,auch vor Ort habe der NABU erfolgreichNaturschutz umgesetzt, so beispielsweisebeim inzwischen 25-jährigen Engagementder Wanderfalkenschützer. Auf große Resonanz treffe auch die projektbezogeneNaturschutzarbeit des NABU wie sie bei-spielsweise mit dem „Fledermausfreund-lichen Haus“ in NRW umgesetzt werde. ImUmweltbildungsbereich sei das NABU-Naturtrainer-Projekt, das Senioren undKinder gleichermaßen an diese Thematikheranführt, enorm wichtig. Dass sich derNABU insgesamt auf dem richtigen Wegbefinde, bestätige die positive Entwick-lung der Mitgliederzahlen.

Informationsangebote

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51Natur in NRW 4/15

Inhaltsverzeichnis 2015

niemeyeR-lüllWitz, a., pRelleR, J.:der Wolf auf dem Weg nach nRW . . . . . . . . . . . . . . . . 2/45

Seitz, a., Woike, m., kiel, e.-f.:biodiversitätsstrategie nRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/10

SCHilling, f., SCHmitz, W., Woike, m.:neues Jagdrecht für nRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/15

tHiele, u.:Vertragsnaturschutz in nRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/19

HübneR, t., VeRbüCHeln, g.:Senne als nationalpark geeignet . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/24

finke, b., danielzik, J.:30 Jahre landschaftsplan-Realisierung im kreis Wesel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/30

mioSga, o., geRdeS, S., kRÄmeR, d., VoHWinkel, R.:besendertes uhu-Höhenflugmonitoring im tiefland . . . 3/35

paRdey, a.:Wiederfund des bierschnegels in bad münstereifel . . . 3/40

WeiSS, J.:Spechtbäume sind Schlüsselstrukturen der artenvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/44

HeRkenRatH, p., mengual, X., Rulik, b.:8. internationales Schwebfliegensymposium in monschau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/47

StemmeR, b., JaCobS, g.:erfolgreiche Wiederansiedlung der groppe im emscher-einzugsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/13

felS, b., abt, m., beCk, t., fRede, m., geRtz, m., SCHlabeRg, d., SCHmidt, k., WeiSS, J., Wulf, e.:perspektive für Haselhuhn, braunkehlchen & Coim Siegerland? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/18

geigeR, a., mönig, R., RiCono, k.,Henf, m., JaeHRling, C.:ökologische trassenpflege für die Schlingnatter . . . . . 4/23

kRoSSe, S., Van diJk, g., luCaSSen, e. C.H.e.t., bRouWeR, e., SmoldeRS, a. J.p., RoelofS, J. g.m.:die Wiederherstellung nährstoffarmer moore am Valkenberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/27

neitzke, m.:Heilpflanzendiversität in den ackerökosystemen nordrhein-Westfalens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/32

Haupt, H.:naturschutzgebiete ohne beschützer . . . . . . . . . . . . . . 4/37

Vogel, k.:analyse des geothermischen potenzials für nRW . . . . 4/42

Natur in NRW40. Jahrgang Natur in NRW 2015

Jahresinhaltsverzeichnis 2015

Helm, S.:Wege in der landschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/13

Rennebaum, m.:Rückgewinnung von grünen Wegen und Wegeseitenstreifen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/16

beulting, a.:Schutz arten- und blütenreicher Säume in münster . . . 1/20

HeiRingHoff CampoS, V.:artenreiche Saumstrukturen durch landwirtschaftliche beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/23

SCHaRbeRt, a.:Wiederansiedlung des maifischs im Rhein zeigt erste erfolge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/27

feldHauS, g., lakmann, g., SteinbeRg, l.:Schutz und erhalt der bachmuschel . . . . . . . . . . . . . . . 1/29

niemeyeR-lüllWitz, a.:gewässerschutz braucht akzeptanz . . . . . . . . . . . . . . . 1/34

niemeyeR-lüllWitz, a.:„Wilde zeiten“: mehr Wildnis im Wald? . . . . . . . . . . . . . 1/35

neitzke, a., RööS, m.:Vom Wirtschaftswald zum sekundären urwald . . . . . . . 1/38

ledeR, b.:naturnahe bewirtschaftung von eichenbeständen in nRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/43

RibbRoCk, n., eVeRSmann, n., Happe, e.,oltHoff, m., kRiegS, J. o.:Verbreitung und ausbreitung des fischotters im Westmünsterland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/14

tielke, S., bReyeR, p., Hüttemann, S.,JaRoCinSki, W., fey, d.:das Äschenhilfsprogramm in nordrhein-Westfalen . . . . 2/19

HoRn, l., Hüttemann, S., JaRoCinSki, W., CamaRa, k.:Steigaal-monitoring in nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . 2/23

gelleRt, g., kiel, e., leitHmann, k., koRte, t., RoSe, u.:Wiederansiedlung von makrozoobenthos in fließgewässern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/27

WeRking-Radtke, J., könig, H.:Wirkungen von agrarumwelt- und Vertragsnaturschutzmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/30

Helbing, f., CoRnilS, n., StuHldReHeR, g., faRtmann, t.:Renaturierung von kalkmagerrasen zur förderung einer tagfalterzielart . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/35

HeRkenRatH, p., felS, b., JoeSt, R., SCHlabeRg, d.:Vogelschutz in der Hellwegbörde . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/40

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Nr. 4/201540. Jahrgang

Landesamt für Natur, Umweltund VerbraucherschutzNordrhein-WestfalenLeibnizstraße 1045659 RecklinghausenTelefon 0 23 61 [email protected]

Natur in NRW

K 2840 F

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