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Predigtreihe Kaum bekannt und trotzdem nicht bedeutungslos: NEBENROLLEN IN DER APOSTELGESCHICHTE Kaum bekannt und trotzdem nicht bedeutungslos: Nebenrollen in der Apostelgeschichte Apostelgeschichte Regisseur: Der Heilige Geist Haupt- darsteller: Petrus und Nebendarsteller: Paulus Eutychus u.v.a. Teil 8 Fenstersturz in Troas EUTYCHUS Apostelgeschichte 20,7-12 Fenstersturz in Troas: EUTYCHUS Apostelgeschichte 20,7-12 Predigt A. Symank Freie Evangelische Gemeinde Zürich-Helvetiaplatz 2.10.2011 Heute ist der achte Teil unserer Predigtreihe über Nebenrollen in der Apostelge- schichte dran: „Fenstersturz in Troas“. Eigentlich wäre dieser achte Teil auch der letzte. Aber weil ich gleich nächsten Sonntag nochmals zu predigen habe und dann erst wieder im November, dachte ich: Statt etwas Neues zu starten, mache ich sozusagen eine kleine Zugabe und hänge noch eine neunte Nebenrol- le dran. Das Thema vom nächsten Sonntag wird also heißen: „Schlüsselfigur im Mordkomplott: Der Neffe von Paulus.“ Lassen Sie sich überraschen.

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Predigtreihe

Kaum bekannt und trotzdem nicht bedeutungslos:

NEBENROLLEN IN DER APOSTELGESCHICHTE

Kaum bekannt und trotzdem

nicht bedeutungslos:

Nebenrollen in der

Apostelgeschichte

ApostelgeschichteRegisseur:Der Heilige Geist

Haupt-darsteller:

Petrusund

Nebendarsteller: PaulusEutychus u.v.a.

Teil 8

Fenstersturz in Troas

EUTYCHUS

Apostelgeschichte 20,7-12

Fenstersturz in Troas:EUTYCHUS

Apostelgeschichte 20,7-12

Predigt A. Symank

Freie Evangelische Gemeinde Zürich-Helvetiaplatz

2.10.2011

Heute ist der achte Teil unserer Predigtreihe über Nebenrollen in der Apostelge-

schichte dran: „Fenstersturz in Troas“. Eigentlich wäre dieser achte Teil auch

der letzte. Aber weil ich gleich nächsten Sonntag nochmals zu predigen habe

und dann erst wieder im November, dachte ich: Statt etwas Neues zu starten,

mache ich sozusagen eine kleine Zugabe und hänge noch eine neunte Nebenrol-

le dran. Das Thema vom nächsten Sonntag wird also heißen: „Schlüsselfigur im

Mordkomplott: Der Neffe von Paulus.“ Lassen Sie sich überraschen.

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Beim heutigen „Fenstersturz in Troas“ geht es um einen jungen Mann namens

Eutychus. Wir finden seine Story in Apostelgeschichte 20,7-12.

Auferweckung eines tödlich Verunglückten in Troas

7 Am letzten Abend – es war ein Sonntag, der erste Tag der Woche – ka-

men wir und die Geschwister der Gemeinde von Troas zusammen, um das

Mahl des Herrn zu feiern. Paulus, der am nächsten Morgen weiterreisen

wollte, sprach zu den Versammelten. Er hatte ihnen noch so vieles zu sa-

gen, dass es darüber Mitternacht wurde. 8 In dem Raum im Obergeschoss, in dem wir uns getroffen hatten, brann-

ten zahlreiche Lampen. 9 Ein junger Mann – er hieß Eutychus – saß im of-

fenen Fenster. Als sich die Rede von Paulus immer mehr in die Länge

zog, wurde er von Müdigkeit übermannt und sank in tiefen Schlaf. Er

´verlor das Gleichgewicht und` fiel aus dem Fenster – drei Stockwerke

tief. Die Geschwister, die hinuntereilten und ihn aufhoben, konnten nur

noch seinen Tod feststellen. 10 Paulus, der ebenfalls hinabgegangen war, legte sich auf ihn und um-

fasste den leblosen Körper mit beiden Armen. Dann sagte er zu den Um-

stehenden: »Hört auf zu klagen! Er lebt!« 11 Nachdem Paulus wieder ins Obergeschoss gegangen war, feierten sie

das Mahl des Herrn; Paulus teilte das Brot aus und aß auch selbst davon.

Danach sprach er noch lange mit den Versammelten. Als er sich schließ-

lich von ihnen trennte, wurde es bereits hell. 12 Den jungen Mann aber

brachte man lebendig ´und gesund` nach Hause. Dieses Erlebnis war für

die ´Christen` eine große Ermutigung.

Ist Ihnen etwas aufgefallen? Von allen unseren Nebendarstellern ist dieser hier

der, über den wir am wenigsten erfahren. Er sagt kein Wort; Eutychus bleibt

stumm. Und er tut nichts; Eutychus ist völlig passiv. Erst packt ihn die Müdig-

keit und wirft ihn aus dem Fenster. Dann nimmt ihn Paulus in die Arme und

macht ihn wieder lebendig. Eutychus lässt alles mit sich geschehen. Ein Statist.

Und wenn es sich bei der Apostelgeschichte wirklich um einen Film handeln

würde, dürfte er an der entscheidenden Stelle nicht einmal selbst auftreten; das

müsste ein Stuntman übernehmen.

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So ein großes Glück!

Eutychus,der

„Glückspilz“

Eutychus bedeutet „der Glückliche“; man könnte auch sagen „der Glückspilz“.

An diesem Tag hatte er wirklich Glück. Paulus war in der Stadt, der große Pau-

lus, und heute Abend würde er zu den Christen sprechen. Schon zweimal war

Paulus in Troas gewesen, aber jedes Mal musste er gleich wieder abreisen.

Troas ist nicht nur eine Städtename, sondern auch der Name einer Region

an der Westküste der Türkei. Etwa 15 km von Troas entfernt lag einmal

eine ganz ähnlich klingende Stadt: das berühmte antike Troja, das Homer

in seiner Dichtung Ilias besang und das Heinrich Schliemann im 19. Jahr-

hundert ausgrub. Sie erinnern sich sicher: der Trojanische Krieg – Helena

und Paris, Hektor und Achilles, Aeneas und Agamemnon und wie sie alle

hießen.

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Das erste Mal hatte Paulus nachts eine Vision. Er sah einen Mann vor sich ste-

hen, der ihn bat: Komm nach Mazedonien herüber und hilf uns!“ (Apostelge-

schichte 16,9). Daraufhin bestieg Paulus unverzüglich das nächste Schiff, das

nach Griechenland übersetzte. Das war auf seiner ersten großen missionarischen

Reise. Beim zweiten Mal (auf seiner dritten Reise) hätte er eigentlich viel Zeit

gehabt, in Troas zu evangelisieren und sich um die Gemeinde zu kümmern, die

inzwischen hier entstanden war. Stattdessen reiste er wieder Hals über Kopf ab.

aulus beschreibt selbst, wie das kam: „Ich war nach Troas gegangen, um das

Evangelium von Christus zu verkünden, und der Herr hatte mir eine Tür für sei-

ne Botschaft geöffnet. Trotzdem fand ich innerlich keine Ruhe, weil ich meinen

Bruder und Mitarbeiter Titus nicht antraf, der mir Nachricht von euch bringen

sollte. Daher verabschiedete ich mich von den Geschwistern und reiste nach

Mazedonien weiter in der Hoffnung, ihn dort zu finden.“ (2. Korinther 2,12.13)

Und jetzt, bei seiner dritten Durchreise, hatte er es wirklich eilig. Er kam mit

dem Schiff von Griechenland her, traf erst nach Ostern in Troas ein und wollte

unbedingt bis Pfingsten in Jerusalem sein (Apostelgeschichte 20,6.16). Es blie-

ben ihm nur etwa 40 Tage. Eigentlich hätte man erwarten können, dass er gerade

mal Hallo sagt und gleich wieder Tschüss. Aber diesmal nahm er sich richtig

viel Zeit für die Christen. Eine ganze Woche blieb er bei ihnen. Vielleicht spürte

er, wie sehr sie ihn brauchten und wie viel Rückhalt er ihnen geben konnte.

Vielleicht merkte er, dass er ihnen das schuldig war, nachdem er bisher nie Zeit

für sie gehabt hatte.

Nicht nur Reden ist eine Kunst – Zuhören auch

Am letzten Abend traf man sich ein letztes Mal. Man wollte miteinander das

Abendmahl feiern, und vor allem wollten die Christen noch so viel wie möglich

von Paulus hören. Treffpunkt war das Obergeschoss eines Privathauses, der drit-

te Stock, wenn man das Erdgeschoss mitzählte. Als es dunkel wurde, zündete

man eine Menge Fackeln und Öllämpchen an. Richtig gemütlich war das, aber

auch richtig warm. Die vielen Lampen heizten ganz schön ein, und der Sauer-

stoff in dem Raum wurde auch immer weniger. Außerdem ging es an diesem

Sonntagabend bestimmt ziemlich eng zu. Eutychus – nehme ich mal an – war

ein höflicher junger Mann. Er überließ den Älteren die gepolsterten Sitze in der

ersten Reihe (ganz nah bei Paulus!) und machte es sich, so gut es ging, in einer

offenen Fensterluke bequem. Fenster, wie wir sie kennen, waren das nicht. Es

waren einfach Nischen in der Wand, die fast bis an den Boden reichten, ohne

Glasscheiben, vielleicht mit einem Vorhang, den man zur Seite ziehen konnte.

Und eigentlich wird es unserem Glückspilz gar nicht so unrecht gewesen sein,

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solch eine Nische zu ergattern; hier strömte doch immerhin etwas frische Luft

herein, und es war nicht ganz so stickig. Da war es viel leichter, Paulus zuzuhö-

ren.

Ja, Zuhören war an diesem Abend gefragt. Denn Paulus redete und redete. Er

redete von Jesus Christus, dem Messias Israels und dem Retter der ganzen Welt;

von seinem Tod und seiner Auferstehung und seiner Himmelfahrt. Und Paulus

redete und redete. Er redete von den Erlebnissen, die er unterwegs gemacht hat-

te, von Erfolgen und Anfeindungen, von immer neuen Städten, in denen Ge-

meinden entstanden waren. Und Paulus redete und redete. Total spannend war

das alles; man hätte stundenlang zuhören können. Man konnte stundenlang zu-

hören, denn Paulus redete tatsächlich stundenlang.

So ein großes Unglück!

Inzwischen war es bereits Mitternacht. Die meisten Menschen werden gegen

Mitternacht ein bisschen schläfrig. Einmal ertappte Eutychus sich dabei, wie

seine Gedanken plötzlich ganz woanders waren. Er riss sich zusammen und ver-

suchte sich wieder auf Paulus zu konzentrieren. Aber nicht lange, da war er für

einen Augenblick ganz weg. Sein Kopf fiel vornüber, er schreckte wieder hoch.

Hoffentlich hat niemand es gemerkt! Ich muss mich wachhalten! Vielleicht hilft

es, wenn ich mich in den Arm kneife, wenn ich die Augen weit aufreiße. Es half,

aber nur für ein paar Minuten. Plötzlich war Eutychus richtig eingeschlafen. Er

kippte zur Seite, kippte ein wenig nach hinten – und bevor jemand es bemerkte

und zupacken konnte, war er durch die Nische nach draußen gerutscht und hi-

nuntergefallen. Drei Stockwerke tief. Es tat einen dumpfen Schlag, dann war

alles still. Totenstill. Für einen Augenblick lähmendes Entsetzen. Dann sprangen

alle gleichzeitig auf und drängten zur Treppe. Die Leute stürzten hinunter, liefen

ums Haus, beugten sich über die regungslos, leblos daliegende Gestalt. Sie ho-

ben ihn hoch – atmet er noch? Eutychus, sag doch was! Aber Eutychus war tot.

Braucht es wirklich immer einen Schuldigen?

Wer war eigentlich schuld an diesem Fenster-Todessturz? Eutychus, sagen man-

che Kommentatoren. Er hat nicht gut genug zugehört. Er war desinteressiert. Die

Strafe folgte auf dem Fuß. So ein Quatsch! Kein Interesse? Genau das Gegenteil

war der Fall. Eutychus wird den ganzen Tag hart gearbeitet haben; der Sonntag

war damals ein Werktag wie jeder andere. Griechen und Römer kannten über-

haupt keine Ruhetage. Seneca spottet einmal über die Juden, weil sie mit ihrem

Ruhetag kostbare Zeit vergeuden! Eigentlich hätte Eutychus also längst ins Bett

gehört. Dass er sich trotzdem noch auf den Weg machte und die Versammlung

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mit Paulus besuchte, zeigt, wie wichtig ihm dieses Treffen war und wie sehr ihm

daran lag, die Botschaft von Jesus noch besser kennenzulernen.

In meiner Schulzeit habe ich öfter auf einem Bauernhof mitgeholfen, der mei-

nem Onkel gehörte. Er schuftete den ganzen Tag auf dem Hof, auf den Feldern,

in seinem Waldstück, aber kaum saß er einmal still, war er auch schon einge-

schlafen, so müde war er. Nach dem Mittagessen las meine Tante immer ein

Blatt von einem christlichen Abreißkalender vor – eine Bibelstelle mit einer

kleinen Auslegung; sie las (das ist mir geblieben) mit einer affenartigen Ge-

schwindigkeit, wahrscheinlich in der Hoffnung, dass ihr Mann auf diese Weise

wenigstens noch den größeren Teil der Auslegung mitbekommen würde. Ver-

gebliche Liebesmüh: Sie startete, und sein Kopf sank auf die Brust. Ich weiß

nicht mal, ob er noch den Bibelvers mitgekriegt hat. Sonntags ging er immer mit

uns in die Kirche. Auch da dasselbe Bild. Solange es noch was zu tun gab – bei

der Liturgie und beim Gesang – machte er mit. Aber kaum stieg der Pfarrer auf

die Kanzel, fing er auch schon an, leise vor sich hin zu schnarchen. Ich mochte

diesen Onkel. Er war so ein fleißiger, bescheidener und freundlicher Mann.

In dem Dorf, in dem ich zur Schule ging, besuchten wir am Sonntagsnachmittag

regelmäßig eine Art Bibelstunde. Einige Männer saßen vorn um einen Tisch und

legten den Zuhörern die Bibel aus. Die Redner waren samt und sonders einfache

Leute, Bauern und Handwerker. Sie sprachen langsam und schwerfällig, und

was sie sagten, hätte ruhig ein bisschen spannender und logischer sein dürfen.

Auf jeden Fall wurde nach kurzer Zeit in den verschiedensten Ecken des Rau-

mes tief und gleichmäßig geatmet. Wir Kinder – irgendwie mussten wir uns ja

die Zeit vertreiben – guckten jeweils verstohlen in alle Richtungen, um die

Übeltäter ausfindig zu machen. Denn vorne im Saal, hinter den Köpfen der Red-

ner, hing unübersehbar ein prächtig eingerahmter Spruch:

Vielleicht hätte man das Schild abhängen und stattdessen schreiben sollen: „Den

Seinen gibt’s der Herr im Schlaf.“ (Psalm 127,2)

Also, Eutychus war nicht schuld am Fenstersturz. War womöglich Paulus

schuld? Kaum zu glauben, aber auch das wird von manchen Auslegern behaup-

tet. Vielleicht war er nicht der glänzendste Rhetoriker, aber ganz sicher hat er

voller Überzeugungskraft geredet und konnte von vielen spannenden Erlebnis-

sen berichten. Aber musste er seinen Auftritt wirklich so in die Länge ziehen?

Schlafen beim Wort Gottes

ist eine große Sünde.

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Hätte er sich nicht viel viel kürzer fassen können? Er mag ja ein guter Prediger

gewesen sein, aber den elementarsten Grundsatz jeder Predigtlehre hat er offen-

sichtlich nicht beherzigt:

Möglicherweise hat er diesen Grundsatz gar nicht gekannt! Paulus predigte über

Stunden, vom Abend bis Mitternacht, und nach dem Fenstersturz nochmals von

Mitternacht bis zum Morgengrauen! Er hat wirklich überhaupt nicht dazuge-

lernt! Aber die Zuhörer waren eben auch unverbesserlich; sie wollten immer

noch mehr hören und immer noch mehr. Sicher haben sie auch Fragen auf dem

Herzen gehabt, und Paulus hat alles beantwortet, so gut er es konnte. Sie haben

ihn bis zur letzten Sekunde ausgequetscht. Wer konnte schließlich sagen, ob sie

diesen großen Botschafter Gottes noch einmal wiedersehen würden?

Also, Paulus war auch nicht schuld am Fenstersturz. Wer war dann schuld?

Niemand war schuld! Wenn ein Unglück passiert, suchen wir immer einen

Schuldigen, einen Sündenbock. Aber manchmal geschieht etwas einfach so;

„höhere Gewalt“, wie es dann so vielsagend-nichtssagend heißt. Auf jeden Fall

macht die Bibel nicht die kleinste Andeutung, dass sich hier jemand versündigt

hätte. Paulus redete – das war sein Auftrag. Eutychus wurde vom Schlaf über-

wältigt – dagegen konnte er sich nicht wehren. Und so passierte er eben, der

Fenster-Todessturz.

So ein riesengroßes Glück!

Alle rannten nach unten. Jetzt stand auch Paulus vor dem Leichnam. „Er legte

sich auf ihn und umfasste den leblosen Körper mit beiden Armen. Dann sagte er

zu den Umstehenden: ‚Hört auf zu klagen! Er lebt!‘“ (Apostelgeschichte 20,10)

Jedes Mal, wenn ich das lese, denke ich: Paulus wirkt total relaxed. Kein Ge-

jammere, kein „Wie konnte das nur passieren!“, kein kopfloses Hin- und Her-

renne. Dabei war Paulus innerlich bestimmt aufgewühlt. Es hätte so ein glückli-

cher, gesegneter Abschussgottesdienst sein sollen, und jetzt dieses entsetzliche

Unglück! Ich glaube, während er die Treppe hinunterstieg, hat er in seinem Her-

zen gebetet: Herr, was soll jetzt geschehen? Könntest du nicht ein Zeichen set-

zen, ein Zeichen deiner Macht und deiner Liebe? Und mit einem Mal wusste er,

dass Jesus ihm die Kraft und die Vollmacht geben würde, hier und jetzt den Tod

Du darfst über alles predigen,

Nur nicht über 20 Minuten.

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zu überwinden. Er wusste auch, wie er vorgehen wollte: genau wie die alttesta-

mentlichen Propheten Elia und Elisa, von denen sich jeder auch einmal über ei-

nen toten Jungen gebeugt und sich auf ihn gelegt hatte, bis er wieder lebendig

wurde (1. Könige 17; 2 Könige 4). Paulus hat das ja nicht einfach ausprobiert:

Ich leg mich auf ihn, und dann wollen wir mal sehen, was passiert! Nein, er

muss gewusst haben, was jetzt passiert: Gott macht den toten Eutychus wieder

lebendig. Und genauso kam es: Plötzlich rühre sich Eutychus wieder. Plötzlich

war sein Puls wieder zu spüren. Plötzlich atmete er wieder. „Hört auf zu kla-

gen!“, sagte Paulus. „Er lebt!“

Und mit einem Schlag wurde es doch noch ein glücklicher, eine gesegneter Ab-

schlussgottesdienst! Sogar noch viel viel glücklicher und gesegneter als bis da-

hin. Jetzt diskutierte man nicht mehr, wie der Sturz passieren konnte; jetzt staun-

te man, wie das Wunder vor sich gegangen war. Jetzt wurde nicht mehr geweint,

jetzt wurde nur noch gelacht und gefeiert und Gott gelobt. Gott hatte die Chris-

ten von Troas gewürdigt, Zeugen eines unglaublichen Wunders zu sein. Und

ihren lieben Eutychus mussten sie nicht zu Grabe tragen; er gehörte wieder zu

ihnen und konnte wieder am Gottesdienst teilnehmen und – wenn die Müdigkeit

gar zu groß wurde – ruhig auch mal wieder einnicken. Ins offene Fenster würde

er sich bestimmt nicht mehr setzen.

Gibt es dieses Glück überhaupt?

Nochmal zurück zu der Totenauferweckung. Eytuchus, dieser Glückspilz, hatte

einen Apostel in der Nähe, der ihm wieder zum Leben verhalf. An ihm geschah

das größte Wunder, das man sich denken kann – ein Toter wird wieder lebendig.

Schon die Heilungswunder sind unbegreiflich: Ein Gelähmter hat plötzlich ge-

sunde Beine, ein Blinder kann plötzlich sehen, ein Tauber kann plötzlich hören,

ein Stummer kann plötzlich reden, ein Aussätziger hat plötzlich eine gesunde

Haut. Aber dass ein Toter wieder ins Leben zurückkehrt, das setzt dem Ganzen

die Krone auf. Nur achtmal wird in der Bibel so etwas berichtet – dreimal im

Alten Testament, dreimal bei Jesus und zweimal in der Apostelgeschichte (Tabi-

ta und Eutychus, auferweckt durch Petrus und Paulus; wir haben in dieser Pre-

digtreihe darüber gesprochen). Totenauferweckung bleibt eine totale Ausnahme.

Ist sie überhaupt glaubhaft? Kann es wirklich sein, dass ein Toter wieder leben-

dig wird? Oder ist das alles nur erfunden? War Eutychus womöglich gar nicht

tot, sondern nur schwer betäubt? Nun, wir haben einen Gewährsmann für die

Glaubwürdigkeit dieses Berichts: Lukas, den Autor der Apostelgeschichte. Er

hat den Fenstersturz miterlebt; er ist wie alle anderen die Treppe runtergerannt

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und hat den leblosen Körper am Boden liegen sehen. Wenn er schreibt: „Die

Geschwister, die hinuntereilten und ihn aufhoben, konnten nur noch seinen Tod

feststellen“ (Vers 9), müssen wir ihm das abnehmen. Denn Lukas war Arzt;

vermutlich war er es, der den Tod feststellte – er wusste, wie man so was macht;

er wusste, wie man Totenscheine austellt. Nein, erfunden ist diese Geschichte

nicht; der Tote war wirklich tot. Aber wie kann ein Toter wieder lebendig wer-

den? Gibt es dafür irgendeine halbwegs vernünftige Erklärung? Ist das nicht ge-

gen alle Naturgesetze?

Wunder und Naturgesetze

Man hört oft die Meinung, Wunder würden mit den Naturgesetzen brechen.1 Das

ist ein bisschen unglücklich formuliert. Erstens mal gibt es Wunder, wo keiner-

lei Naturgesetze in Frage gestellt sind. Zum Beispiel, wenn Jesus den Sturm auf

dem See stillt: Stürme lassen manchmal von einer Minute auf die andere nach,

ohne dass es jemand ihnen befiehlt. Das Wunder besteht hier vielmehr im Zeit-

punkt: Genau dann, wenn Jesus es gebietet, schweigt der Sturm. Der Vorgang ist

natürlich, aber der Zeitpunkt kommt unerwartet. Oder wenn der hungernde Elia

von Raben mit Brot und Fleisch versorgt wird. Raben können so was: Gegens-

tände in ihrem Schnabel transportieren; da wird kein Naturgesetz aufgehoben.

Das Besondere sind auch hier wieder die Umstände: dass die Raben Fleisch und

Brot nicht irgendwann und irgendwohin transportieren, sondern genau damals

genau zum Bach Krit genau zu dem Propheten.

Dann gibt es aber tatsächlich Wunder, die sich mit unseren Naturgesetzen nicht

erklären lassen, z. B. die Brotvermehrung oder die Jungfrauengeburt. Dabei

werden aber keine Naturgesetze „gebrochen“. Das klingt ja so, als wären diese

Gesetze vor allem anderen dagewesen, als würden sie objektiv existieren wie

Gegenstände und würden wie eine starke Hand die Vorgänge auf der Erde len-

ken. Das ist natürlich Unsinn. Diese Gesetze wurden erst im Nachhinein formu-

liert; sie beschreiben das, was normalerweise geschieht, aber sie zwingen dem

Geschehen doch nicht ihren Willen auf. Ein Apfel fällt nicht vom Pferd, weil

das Gesetz der Schwerkraft es so will; nein, das Gesetz der Schwerkraft formu-

liert nachträglich, was wir beim Apfel feststellen. Nicht der Apfel richtet sich

nach dem Naturgesetz; das Naturgesetz richtet sich nach dem Apfel! Das Natur-

gesetz zwingt dem Apfel nicht das Fallen auf; der Apfel fiel auch schon vor tau-

1 Siehe zum Folgenden: R. Forster / P. Marston. That’s a Good Question. Sektionen 6 bis 8. Eastbourne:

Kingsway Publications, 1977.

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senden von Jahren, als noch niemand das Gesetz der Schwerkraft gefunden hat-

te.

Der tiefste Grund für Wunder und Naturgesetze

Naturgesetze sind niemals der Grund dafür, dass etwas geschieht. Der Grund

muss woanders liegen. Für Christen ist dieser letzte Grund, die ultima causa,

niemand anders als Gott. Gott hat die Welt geschaffen und erhält sie am Dasein.

Er ist der tiefste Grund für alles, was geschieht. Er hat bei allem und jedem seine

Hände mit im Spiel. Aus Gottes Perspektive macht es keinen Unterschied, ob

ein Baby auf dem üblichen Weg zur Welt kommt oder durch eine Jungfrauenge-

burt. Oder ob sich das Korn in den Ähren auf dem Feld über Wochen und Mona-

te vermehrt oder in einer Blitzaktion in den Händen von Jesus. Gott interveniert

nicht nur dann, wenn er ein Wunder vollbringen will; er interveniert ständig und

überall. Auch dort, wo „natürliche Prozesse“ am Werk sind (wie wir sagen),

existieren diese nur, weil er ständig in diesen uns geläufigen Mustern am Werk

ist.

Naturgesetze sind Verallgemeinerungen von dem, was normalerweise beobach-

tet wird, aber das bedeutet nicht, dass es keine Ausnahmen geben könnte. „Der

Mensch ist ein Zweifüßler“ – ist dann der Kriegsinvalide mit dem Holzbein kein

Mensch?

Normalerweise sorgt Gott für einen geordneten Ablauf der Vorgänge im Univer-

sum; andernfalls würde totales Chaos herrschen. Aber das hindert ihn nicht dar-

an, ab und zu sein Arbeitsmuster zu ändern. C. S. Lewis vergleicht das einmal

mit dem Schachspiel: Ein Schachspiel läuft nach festen Regeln ab. Nun erlaubt

ein Spieler dem anderen vielleicht mal, einen schlechten Zug zurückzunehmen.

Deswegen kann man trotzdem noch regelgerecht weiterspielen. Hingegen wenn

man die Regeln von Zug zu Zug ändern würde, wenn ein Spieler ständig will-

kürlich Figuren aufs Brett stellen und wieder aus dem Spiel nehmen würde, wä-

re eine sinnvolle Schachpartie unmöglich.

Also: Im Normalfall sorgt Gott für vorhersagbare Vorgänge, und das ist unser

Glück. Sonst könnten wir uns nicht unterhalten, könnten nicht planen, könnten

keine Wissenschaft betreiben usw. usf. Aber so ganz ab und an geschieht mal

etwas, was aus dem üblichen Rahmen fällt (wobei Gott hierfür genauso die Ur-

sache ist wie bei den gewohnten Abläufen). Und diese außergewöhnlichen Vor-

gänge nennen wir „Wunder“. Sie sind einmalig, nicht wiederholbar. Wenn die

Bibel behaupten würde, das Phänomen Jungfrauengeburt käme ziemlich häufig

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vor, müsste man es experimentell nachprüfen können. Sie behauptet aber das

Gegenteil: dass hier eine einzigartige Ausnahme vorliegt.

Wunder lässt Gott meist dort geschehen, wo er auf etwas Wunderbares aufmerk-

sam machen will. Da ist eben z. B. Jesus Christus, Gottes einziger Sohn – vom

Himmel auf die Erde gekommen und Mensch geworden, geboren von einer

Jungfrau. Ist das so unglaubwürdig? Wäre es nicht unnatürlich, wenn an Jesus

überhaupt nichts Außergewöhnliches wäre, nichts Wundersames? Und wenn

Jesus nur das fertigbringen könnte, was wir alle fertigbringen? Keine Wunder?

Kein Durchbrechen der alltäglichen Ursache-Folge-Muster?

Die biblischen Autoren: nicht leichtgläubig …

Noch etwas: Man soll ja nicht glauben, die Menschen damals seien einfacher

gestrickt gewesen als wir aufgeklärten, wissenschaftliche gebildeten Leute. Die

waren gegenüber Wundern genauso skeptisch wie wir. Die Speisung von 5000

Menschen mit 5 Broten und 2 Fischen hielten sie für unmöglich. Auf dem Was-

ser gehen konnte ihrer Meinung nach nur ein Geist, kein natürlicher Mensch.

Der zweifelnde Thomas lehnte es rundweg ab, den anderen Jüngern Glauben zu

schenken; da konnten sie noch so sehr beteuern, dass sie den auferstandenen Je-

sus gesehen hatte. Erst will ich ihn selber sehen und selber berühren, sagte er;

vorher glaube ich es nicht. Seine Skepsis verschwand erst, als er mit der Evidenz

aus erster Hand konfrontiert wurde – als er Jesus höchstpersönlich gegenüber-

stand. Als der Engel Maria die Jungfrauengeburt ankündigte, war ihre erste Re-

aktion: Wie soll das möglich sein? Und ihr Verlobter Josef reagierte genauso:

Wie soll das möglich sein? Die Leute damals waren nicht leichtgläubiger als

wir; die wussten auch, wie eine Schwangerschaft zustande kommt, und Gott

musste schon mehrfach mit Hilfe von Engeln intervenieren, um sie von ihrer

normalen, aber eben doch eingeschränkten Sicht abzubringen.

… aber Gott-gläubig …

Und noch etwas: Die biblischen Schriftsteller konnten sehr wohl zwischen Ge-

wöhnlichem und Außergewöhnlichem unterscheiden. Trotzdem suchten sie für

das Außergewöhnliche keine wissenschaftliche Erklärung, und zwar einfach

deshalb nicht, weil sie Gott sowieso immer und überall am Werk sahen. Gott

war für sie nicht nur Lückenbüßer für Unerklärliches; er griff nicht nur ein,

wenn er etwas Ungewöhnliches tun wollte oder wenn es im Weltgetriebe mal

wieder etwas auszubessern oder zu justieren gab. Nein, Gott ist so oder so die

ultima causa von allem, was existiert, und für alles, was sich bewegt.

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… und ganz und gar down to earth

Eins muss man natürlich beachten: Die Autoren der Bibel beschreiben die Er-

eignisse nicht in einer wissenschaftlichen Fachsprache, sondern so, wie wir uns

im Alltag ausdrücken. Ein Kochbuch z. B. erklärt allgemeinverständlich, wie

man ein Hähnchen zubereitet. Es erklärt nicht alle chemischen Prozesse, die da-

bei ablaufen, aber damit verletzt es keine wissenschaftlichen Prinzipien. Auch

moderne Naturwissenschaftler reden vom Sonnenaufgang und Sonnenunter-

gang, obwohl doch – wenn schon – in Wirklichkeit die Erde auf- und untergeht.

Und eine Mutter, die mit ihrem kleinen Jungen, einem richtigen Zappelphilipp,

über den Ozean fliegt, kann zu ihm sagen: „Jetzt bleib endlich mal still sitzen!“

Nur – wie soll der arme Junge das bewerkstelligen? Er saust doch mitsamt dem

Flugzeug rasend schnell durch die Luft, und die Erde, über die sich das Flug-

zeug so rasend schnell hinbewegt, rotiert ihrerseits auch mit hoher Geschwin-

digkeit. Wie soll man sich denn da still verhalten?

Ein real existierendes „Wunder“

Zur Abrundung dieser Überlegungen in Sachen Wunder noch ein kleines Bei-

spiel dafür, wie töricht es ist, etwas von vorneherein auszuschließen, nur weil es

nicht ins eigene Weltbild passt.2

Als die Entdecker von Australien erstmals diesen Kontinent betraten, trafen sie

auf ein Tier, das allen Regeln der biologischen Klassifizierung Hohn sprach. Es

war ein halb im Wasser, halb auf dem Land lebendes, eierlegendes Säugetier mit

einem breiten, flachen Schwanz, Schwimmfüßen und einer Schnauze, die einem

Entenschnabel glich. Sie nannten dieses total absonderliche Wesen „Schnabel-

tier“.

2 Josh McDowell / Don Stewart. Antworten auf skeptische Fragen über den christlichen Glauben. Seite 86.

Weichs: Memra-Verlag, 1985.

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Bei ihrer Rückkehr in die Heimat teilten sie der Welt ihren Fund mit. Die Leute

betrachteten ihren Bericht als Betrug, weil ihrer Meinung nach kein Tier überle-

ben konnte, das so beschaffen war wie dieses angebliche Schnabeltier. Obwohl

die Aussage von ehrbaren Augenzeugen stammte, wurde sie aufgrund eines ein-

geschränkten Weltbildes zurückgewiesen.

Die Entdecker gingen ein zweites Mal nach Australien; diesmal kehrten sie mit

dem Fell eines toten Schnabeltiers zurück. Wieder beschuldigten die Leute sie

des Betrugs. Offenbar nahem sie den Ausspruch von Benjamin Disraeli ernst:

„Ich habe es mir zur Regel gemacht, nur das zu glauben, was ich verstehe.“ Wer

wirklich nach dieser Regel lebt, der hat am Ende SO EINEN RIESIGEN KOPF

und so einen winzigen Glauben!

Das aller-allergrößte Glück

Wenn wir nun schon dabei sind, von Wundern zu sprechen, möchte ich noch auf

eine erstaunliche Aussage von Jesus hinweisen: „Wer an mich glaubt, wird die

Dinge, die ich tue, auch tun; ja er wird sogar noch größere Dinge tun.“ (Johan-

nes 14,12) Jesus hat Tote auferweckt, und wir sollen noch Größeres tun? Was

gibt es denn noch Größeres? Vielleicht sind Sie von meiner Antwort überrascht,

vielleicht sind Sie enttäuscht, aber ich glaube: Noch größer ist es, wenn ein

Mensch sein Leben für Jesus öffnet. Wenn er zu einem neuen Leben wiederge-

boren wird.

Es ist auffällig, wie häufig die Umkehr zu Jesus mit Ausdrücken von Tod und

Leben beschrieben wird.

„Wir waren aufgrund unserer Verfehlungen tot, aber Gott hat uns zusammen mit

Christus lebendig gemacht.“ (Epheser 2,5)

„Wach auf, du Schläfer, und steh auf von den Toten! Dann wird Christus sein

Licht über dir leuchten lassen.“ (Epheser 5,14)

Hier werden Tote zum Leben erweckt! Es ist allerdings nicht der Körper, der

vom Leben abgeschnitten ist; es ist die Seele. Die Sünde hat uns Menschen von

Gott getrennt, wir haben keine Beziehung mehr zu dem, von dem alles Leben

kommt. Klar leben wir, aber das ist das biologische Leben. Es gibt noch eine

höhere Ebene, das geistliche Leben, ein Leben in Verbindung mit Gott. Und wer

diese Verbindung nicht hat, der ist – geistlich gesprochen – tot. Jetzt schon,

nicht erst, wenn er stirbt. Und wer das geistliche Leben hat, lebt ewig, auch

wenn er, biologisch gesprochen, stirbt.

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„Du darfst von allen Bäumen des Gartens essen, nur nicht. An dem Tag, an dem

du vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen isst, musst du sterben.“ (1.

Mose 2,16.17). „An dem Tag“, sagt Gott. Nach der Vertreibung aus dem Para-

dies starb Adam nicht sofort, aber er verlor die wichtigste Dimension der Le-

bensqualität: die vertrauensvolle Beziehung zu Gott. Von jetzt an führte er ein

Sterbeleben. Und genau aus diesem Elend, aus dieser Entfremdung möchte Gott

uns wieder herausholen; er will uns wirkliches Leben schenken. Durch den Tod

und die Auferstehung von Jesus hat er das möglich gemacht.

Wir sehen das, war vor Augen liegt – das biologische Leben. Die höhere Le-

bensdimension sehen wir nicht, weil sie unsichtbar ist. (Im Griechischen werden

die beiden Ebenen fein säuberlich unterschieden: bios – das irdische Leben –

und zoä – das ewige Leben.) In der Regel halten wir das biologische Leben für

das wichtigste: dass es uns hier auf der Erde gut geht, dass wir ein Dach über

dem Kopf und eine ordentlich bezahlte Arbeitsstelle und nette Kollegen und ei-

ne liebe Familie und genug zu essen haben und gesund bleiben. Dass das Leben

noch eine andere Dimension haben könnte, ist uns nicht so wichtig. Aber für

Gott ist diese andere Dimension tausendmal wichtiger. Denn an ihr entscheidet

sich, ob wir einmal für immer bei ihm sein werden oder nicht. In Gottes Augen

ist entscheidend, dass wir das neue, das bessere, das ewige Leben bekommen.

Ich glaube, daran dachte Jesus, als er sagte, seine Nachfolger würden noch grö-

ßere Dinge tun als er. Solange er auf der Erde war, hat er Menschen noch nicht

zur Wiedergeburt geführt; das kam erst mit Pfingsten, mit dem Heiligen Geist.

Jetzt können wir andere zu Jesus führen. Wir können ihnen neues Leben vermit-

teln. Wir können Blinden die Augen öffnen; wir können sie aus der Dunkelheit

ins Licht führen. Das ist ein viel größeres, ein viel nachhaltigeres Wunder als

eine Totenauferweckung. Bei der Totenauferweckung wird das irdische Leben

nochmals um ein paar Jahre verlängert, aber irgendwann stirbt auch ein

Eutychus. Hingegen bei der Wiedergeburt entsteht neues, ewiges Leben, das je-

den Tod überdauert.

Wenn man Paulus fragen könnte: Wie viele Tote hast du lebendig gemacht? –

was würde er wohl antworten? „Einen einzigen, den Eutychus!“? Ich glaube

nicht. Ich glaube, er würde sagen: „O, das sind so viele, dass ich sie nicht zählen

kann. Durch Gottes Gnade habe ich Hunderten und Tausenden den Weg zu Je-

sus zeigen können. Sie waren tot, und jetzt leben sie.“

Das ist das eigentlich, das größte Wunder. Das ist es, was Jesus uns erleben las-

sen will. Das ist es, was Jesus durch uns tun will.