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Kantonsschule Wil Biologiepraktikum: 3. Semester Sy/Zö/Ws/Kn Seite 1 21.02.2013 Abb. 1: Längsschnitt durch die Körperwand einer Hydra Abb. 2: Längsschnitt durch eine Hydra Vielzellerpraktikum: Hydra 1. Theorie Nesseltiere-Süsswasserpolypen Körperbau und spezialisierte Zellen einer Hydra: Chlorohydra viridissima Die Körperwand der Nesseltiere besteht aus zwei Zellschichten, der Haut- und der Darmschicht. Dazwischen liegt die gallertige, elastische, zellenlose Stützlamelle (Abbildung links). 1 Hautblatt (Ektoderm) mit: SZ Sinneszelle EM Epithelmuskelzelle EZ Ersatzzellen NeZ Nesselzellen NZ Nervenzelle jNeZ junge Nesselzellen 2 Stützlamelle 3 Darmblatt (Entoderm) mit: EM Epithelmuskelzelle mit Geissel GA symbiontische Grünalgen EZ Ersatzzelle, aus dem Hautblatt eingewandert DZ Drüsenzelle NV Nahrungsvakuolen kF kontraktile Fibrillen der EM Beide Zellschichten sind Mischgewebe; sie bestehen aus verschiedenen spezialisierten Zellen. In der Aussenschicht (Ektoderm) findet man hauptsächlich Hautmuskelzellen, die an ihrer Basis zusammenziehbare Muskelfäden aufweisen, welche in der Längsrichtung des Tieres verlaufen. Seltener sind die Sinneszellen, die ihr feines Sinnesstiftchen nach aussen strecken. Zu diesen Sinneszellen führen Plasmafasern der Nervenzellen, die verstreut auf der Stütz- lamelle liegend, untereinander verbunden sind und so ein diffuses Nervensystem bilden (ohne Zentrum!). Überall zwischen den genannten Zellen liegen Gruppen kleiner, nicht spezialisierter Zellen, der Ersatzzellen. Diese treten an den Platz absterbender Zellen, heilen Wunden und ermöglichen die Regeneration. In der Aussenschicht und besonders zahlreich an den Fangarmen erkennt man am lebenden Tier Gruppen stark lichtbrechender Körperchen: es sind die für Hohltiere typischen Nesselzellen mit den Nesselkapseln. In der Ruhelage ist der Schlauch in das Kapselinnere eingestülpt und nimmt eine spiralige Lage ein. Kapsel und Schlauch enthalten eine giftige Name Schule Klasse Datum

Nesseltiere-Süsswasserpolypen - kantiwil.ch · Kantonsschule Wil Biologiepraktikum: 3. Semester Sy/Zö/Ws/Kn Seite 1 21.02.2013 Abb. 1: Längsschnitt durch die Körperwand einer

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Kantonsschule Wil Biologiepraktikum: 3. Semester

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Abb. 1: Längsschnitt durch die Körperwand einer Hydra

Abb. 2: Längsschnitt durch eine Hydra

Vielzellerpraktikum: Hydra 1. Theorie

Nesseltiere-Süsswasserpolypen Körperbau und spezialisierte Zellen einer Hydra: Chlorohydra viridissima Die Körperwand der Nesseltiere besteht aus zwei Zellschichten, der Haut- und der Darmschicht. Dazwischen liegt die gallertige, elastische, zellenlose Stützlamelle (Abbildung links).

1 Hautblatt (Ektoderm) mit: SZ Sinneszelle EM Epithelmuskelzelle EZ Ersatzzellen NeZ Nesselzellen NZ Nervenzelle jNeZ junge Nesselzellen

2 Stützlamelle 3 Darmblatt (Entoderm) mit:

EM Epithelmuskelzelle mit Geissel GA symbiontische Grünalgen EZ Ersatzzelle, aus dem Hautblatt eingewandert DZ Drüsenzelle NV Nahrungsvakuolen kF kontraktile Fibrillen der EM

Beide Zellschichten sind Mischgewebe; sie bestehen aus verschiedenen spezialisierten Zellen. In der Aussenschicht (Ektoderm) findet man hauptsächlich Hautmuskelzellen, die an ihrer Basis zusammenziehbare Muskelfäden aufweisen, welche in der Längsrichtung des Tieres verlaufen. Seltener sind die Sinneszellen, die ihr feines Sinnesstiftchen nach aussen strecken. Zu diesen Sinneszellen führen Plasmafasern der Nervenzellen, die verstreut auf der Stütz-lamelle liegend, untereinander verbunden sind und so ein diffuses Nervensystem bilden (ohne Zentrum!). Überall zwischen den genannten Zellen liegen Gruppen kleiner, nicht spezialisierter Zellen, der Ersatzzellen. Diese treten an den Platz absterbender Zellen, heilen Wunden und ermöglichen die Regeneration. In der Aussenschicht und besonders zahlreich an den Fangarmen erkennt man am lebenden Tier Gruppen stark lichtbrechender Körperchen: es sind die für Hohltiere typischen Nesselzellen mit den Nesselkapseln. In der Ruhelage ist der Schlauch in das Kapselinnere eingestülpt und nimmt eine spiralige Lage ein. Kapsel und Schlauch enthalten eine giftige

Name Schule Klasse Datum

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Abb. 3: Längsschnitt durch eine verdauende Hydra

Abb. 4: Geschlechtsreife Hydra Sp Spermien, Ho Hoden, Ov Ovar

Flüssigkeit (Nesselsaft). Die Nesselzelle selbst trägt nach aussen hin ein Sinneshaar. Kommt ein Fremdkörper mit diesem Fortsatz in Berührung, so erfolgt eine Entladung: Der Kapseldeckel springt ab, der Schlauch wird durch den Flüssigkeitsdruck mit grosser Energie nach aussen gestülpt. Er vermag sich in die Haut eines Beutetieres einzubohren. Der Nesselsaft lähmt die Beute und wirkt zugleich als Klebemittel. Die Innenschicht (Entoderm) besteht hauptsächlich aus Epithelmuskelzellen, die verdaute, gelöste Nährstoffe durch Diffusion aufnehmen und kleinere Nahrungspartikel mit ihrem Plasma umschliessen können (Phagocytose). Mit je zwei Geisseln «rühren» sie den Darminhalt. Ihre Basis, die auf der Stützlamelle steht, läuft in einen Muskelfaden aus, der in der Querrichtung des Tieres liegt («Ringmuskulatur»). Zwischen diesen Zellen stehen Drüsenzellen, die in Vakuolen Verdauungssäfte bilden und diese in die Urdarmhöhle ausscheiden. Sie tragen keine Geisseln.

Ernährung Die aussen gelegene Epidermis hat Schutz- und Sinnesfunktion, während die innen gelegene Entodermis (Gastrodermis in der Abbildung links) auf Verdauung spezialisiert ist. Von den Drüsenzellen in den Gastralraum abgegebene Enzyme führen die ersten Schritte der Verdauung durch, die dann in den Zellen abgeschlossen wird, sobald die Nährzellen der Entodermis kleine Nahrungsteilchen durch Phagocytose aufgenommen haben. Unverdauliches wird durch die Mundöffnung ausgestossen, der einzigen Öffnung des Gastralraumes nach aussen.

Fortpflanzung Gut ernährte Polypen pflanzen sich ungeschlechtlich durch Knospung fort. Dabei wölben sich alle Körperschichten nach aussen vor und bilden einen neuen Polypen. Der Magenraum des Tochterpolypen steht mit dem des Muttertiers in Verbindung. So kann dem Tochterpolypen Nahrung zugeführt werden. Später löst er sich ab und wird selbständig. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung entstehen aus Ersatzzellen Spermazellen, die sich im oberen Körperdrittel unter Vorwölbungen des Ektoderms ansammeln. Vorwöl-bungen weiter unten am Körper beherbergen je eine Eizelle. Diese Geschlechtszellen werden ins Wasser entleert, wo eine Spermazelle mit der Eizelle verschmilzt. Nach der Befruchtung entwickelt sich die Eizelle zu einem neuen Polypen. Die meisten Polypen sind Zwitter.

Regeneration Wunden verletzter Hydren heilen rasch. Bei Zimmertemperatur spriessen die Tentakel an einem geköpften Stammstück in etwa vier Tagen. Man kann den Körperschlauch in verschiedene Stücke schneiden; jedes ergänzt sich in kurzer Zeit zu einer kleinen, wohlgestalteten Hydra: 1/200 des Körpervolumens vermag noch ein Ganzes zu regenerieren. Das Wiederherstellen des Ganzen aus einem Teil nennt man Regeneration. Solch grosses Regenerationsvermögen weisen die meisten Lebewesen nur in ihrer frühesten Keimesentwicklung auf. Die Regeneration der Hydra geschieht mit Hilfe der vielen undifferenzierten Ersatzzellen, jedoch auch dadurch, dass das vorhandene Zellmaterial des Haut- und Darmblattes sich umdifferenzieren kann.

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Abb. 6: Tierstock aus Einzellern

Fortbewegung Polypen können sich nach Art der Spannerraupen fortbewegen (untere Abbildung). Der Rumpf wird zur Seite geneigt, bis die Fangarme den Boden berühren. Dort heften sie sich mit Hilfe der Klebekapseln an. Dann wird das untere Rumpfende nachgezogen und der Körper erneut zur Seite ausgestreckt. Bei der Fortbewegung durch Überschlag (obere Abbildung) heftet das Tier die Fangarme ebenfalls auf dem Boden an, bewegt aber den Rumpf von der einen Seite zur anderen und richtet sich wieder auf. Süsswasserpolypen wandern etwa 2 cm am Tag.

Vom Polyp zur Meduse oder Qualle Tierstock

Wenn sich die Knospen nicht vom Muttertier ablösen, entsteht ein Tierstock. Die «Köpfe» besitzen einen gemeinsamen Darm; ein Individuum abzugrenzen, wird schwer. Bei einigen stockbildenden Formen spezialisieren sich die Tiere zu besonderer Arbeit, die einen zum Beutefang, die andern zur Fortpflanzung. Bei den frei schwimmenden Röhrenquallen ist diese Arbeitsteilung so weit gediehen, dass der ganze Stock als Individuum, die Tiere als Organe aufgefasst werden können (Abbildung links). Abbildung links: Röhrenqualle, ein Tierstock mit differenzierten «Individuen»: Arbeitsteilung UP Ursprungspolyp. An seinem Stiele sitzen Geschlechtsmedusoide (GM), Nährpolypen (NP), Fangfäden mit Nesselzellen (FF), Schwimm-Medusoide (SM) und eine mit Luft gefüllte Blase (LB) Polyp und Meduse: Die festsitzende Form nennt man Polyp, die frei bewegliche, schirmförmige Meduse oder Qualle. Durch ruckartiges Verengen des Schirmes kann sie aktiv schwimmen. Gleichgewichtsorgane ermöglichen die richtige Lage. Einige grosse Quallen sind frei schwimmende Tierstöcke (Abbildung oben). Generationswechsel: Bei vielen Hohltieren treten beide Formen (Polypen und Medusen) auf, jedoch in einem regelmässigen Wechsel: Der Polyp pflanzt sich ungeschlechtlich fort und bildet durch Knospung Medusen; diese wiederum bilden Spermien und Eier (Abbildung nächste Seite). Abbildung rechts: Entwicklung der Obelia

Abb. 5: Fortbewegung der Hydra 1. durch Überschlag 2. durch nachziehen

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Abb. 7: Entwicklungszyklus von Obelia

1 Tierstock in natürlicher Grösse 2 Teil eines Stockes mit Fresspolypen (FP) und Vermehrungspolypen (VP) Durch Knospung entstehen männliche und weibliche Medusen (3), die ihre Ge-schlechtszellen ins Wasser entlassen. Aus der Zygote (befruchtete Eizelle) entwickelt sich eine freischwimmende, bewimperte Larve, die sich bald festsetzt und sich zu einem neuen Tierstock entwickelt. Korallenriff: Die meisten Korallen (festsitzende z.T. riesige Kolonien bildende Polypen) leben in warmen Meeren (zwischen dem 30. südlichen und 30. nördlichen Breitengrad) und nahe der Meeresoberfläche (höchstens bis in eine Tiefe von 40 m). Zusammen mit Kalkalgen und Moostierchen (Bryozoa) bauen die Korallen Riffe auf. 2. Ziele I Zwei Muskelprinzipien verstehen (Hydra Bewegung) II Mittelwerte berechnen und Aussagekraft interpretieren können (Tentakelzahl) III Beobachtungen schriftlich festhalten können. (Hydra Fütterung, Nesselzellen) 3. Material

3.1. Bewegung - Hydras - Stereolupe - Präpariernadel - Blockschale

3.2. Körperbau - Hydras - Stereolupe - Blockschale

3.3. Ernährung - Hydras - Stereolupe - Blockschale - Salinenkrebschen

4. Arbeit Für die Beobachtungen gibst du zwei bis vier Hydren mit reichlich Wasser in eine Schale. Alle Beobachtungen werden mit der Stereolupe durchgeführt.

4.1. Bewegung Als erstes betrachtest du die Hydren unter der Stereolupe. Dabei konzentrierst du dich auf die Bewegungen. Welche Muskelfasern müssen sich bei welchen Bewegungen kontrahieren? Anschliessend berührst du eine Hydra mit der Präpariernadel an den Tentakeln, am Körper, am Fuss und am Mundfeld. Beschreibe die folgenden Reaktionen.

4.2. Körperbau Zeichne eine ganze Hydra. Sie ist dann entweder gestreckt oder kontrahiert. Beschrifte folgende Bestandteile: Mundöffnung, Fussscheibe, Tentakel, Gastralraum, eventuell Knospen, Ovar und Hoden. Ermittle die Zahl der Tentakel deiner Hydren und trage sie in eine Tabelle ein. Bestimme die durchschnittliche Tentakelzahl der Hydren der gesamten Praktikumsgruppe.

4.3. Ernährung Füttere deine Hydra mit Salinenkrebsen und protokolliere den Fressakt nach der Fütterung. Vergiss nicht auch Zeitangaben im Protokoll mit einzubeziehen.