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NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
JANIS & JAKUB
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
EINLEITUNG
Gliederung
Warum Neuropsychologie?
Wiederholung Physiologie
Funktionen des Präfrontalcortex
Studien, Studien, Studien…
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
EINLEITUNG
Aufgaben der Neuropsychologie
Nachweis hirnorganischer Veränderungen,
deren Lokalisation sowie
die differenzierte Beurteilung des kognitiven Status von Personen.
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
EINLEITUNG
oft keine klaren Lokalisation von Funktionen möglich
Lokalisation von Funktionen ist individuell
kognitive Störungen auch ohne nachweisbare Schädigung möglich
aufgrund neuronaler Plastizität
Funktionen sind distribuiertorganisiert
Funktionen sind individuell organisiert
Funktionsbeeinträchtigung ohne nachweisbare Läsion
Läsion ohne nachweisbare Funktionsbeeinträchtigung
Notwenigkeit von neuropsychologischen Testverfahren
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
PHYSIOLOGIE
Wiederholung...
...welche beteiligten Hirnstrukturen fallen euch ein?
Präfrontaler Cortex
Paralimbisches System
Basalganglien
Thalamus
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
PHYSIOLOGIE
Fazit: zentrale Bedeutung von
Orbitofrontalem Cortex
Basalganglien
Für Zwangsstörung von Bedeutung: direkte und indirekte Verbindung PFC BasalganglienThalamus
Direkter Weg: Enthemmung Thalamus Aktivierung Cortex
Indirekter Weg: Inhibition Thalamus Projektionen des direkten Weges abgeschwächt
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
PHYSIOLOGIE
Verhaltenseffekte:
Direkter Weg: Aufmerksamkeitsfokussierung bei komplexem Verhalten
Indirekter Weg: Modulation Alternativen
Zwangsstörung: Übergewicht direkter Weg
Schwierigkeit, von gestarteten Verhaltens- oder Gedankensequenzen auf andere umzuschalten
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
ERSTE BEFUNDE
„‘Under-inclusion‘ – A Characteristic of ObsessionalPersonality Disorder: I + II“(Reed, 1969)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
UNDER-INCLUSION
Einer der ersten Forscher, der bei Zwangspatienten kognitive Funktionsveränderungen dokumentierte
Reed: „Psychologie hat sich bisher auf Inhalt der Zwangsstörung konzentriert – zu Lasten der Form.“
Wie und nicht was tut der Zwangspatient
Reed: „Es ist möglich, kognitive Besonderheiten von Zwangspatienten objektiv zu identifizieren.“(1969 !)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
UNDER-INCLUSION
Zwangspatienten
Probleme bei spontaner Organisation und Integration von Erfahrungen
Überstrukturierung von Input (maladaptiv !)
Hypothese
Zwangspatienten übergenau in deduktiver Aufgabe (Objekte einer bestimmten Kategorie zuordnen)
Wählen zu wenig Objekte korrekt als zugehörig aus
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
UNDER-INCLUSION
Experiment 1
Kategorie + Liste von Wörtern zur Auswahl zugehörige unterstreichen
Konventionelle Messung: Punkte nur, wenn alle und nur die korrekten Objekte gewählt
Messung deduktive Klassifikation: Erfassung der Fehler
under-defining (zu viele Alternativen ausgewählt)
over-defining (zu wenig oder gar keine)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
UNDER-INCLUSION
Ergebnisse
Keine Effekte bei konventioneller Messung
Hochsignifikante Unterschiede bei Messung Fehlertyp (p < .001)
= under-inclusion;Hinweis auf für Zwangsstörungen charakteristischen kognitiven Stil
Zwang KG 1 KG 2
3
1822
2
20
10
5
10
15
20
25
Fehlertypen
under-definingover-defining
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
UNDER-INCLUSION
Experiment 2
Induktive Aufgabe: übergeordnete Klassen generieren
Hypothese
Tendenz der Zwangspatienten zur Überstrukturierung
Mehr Klassen benötigt, um Anzahl von Objekten einordnen zu können
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
UNDER-INCLUSION
Experiment 2
Sortieraufgabe: Blöcke mit unterschiedlicher Form, Farbe, Höhe und Breite
Aufgabe 1: irgendwie Objekte sortieren
Aufgabe 2: das selbe nochmal, aber diesmal die kleinstmögliche Anzahl an Kategorien verwenden
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
UNDER-INCLUSION
2 3 4 5 6 7
0
1
2
3
4
5
Anzahl Kategorien
Aufgabe 1
ZwangspatientenPsychiatr. KGnormale KG
(p < .05)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
UNDER-INCLUSION
1 2 3 4
0
2
4
6
8
10
Anzahl Kategorien
Aufgabe 2
ZwangspatientenPsychiatr. KGnormale KG
(p < .05)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
UNDER-INCLUSION
Fazit
Hypothesen bestätigt
Zwangspatienten
inadäquate Strategien (Nachteil in Aufgabe 2)
mehr Unsicherheit bei Entscheidung
mehr Zweifel bezüglich der getroffenen Entscheidung
fehlende Spontaneität (Verbalisierung schon während oder sogar vor der Durchführung)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
PRÄFRONTALCORTEX
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
PRÄFRONTALCORTEX
Funktion: „exekutive Funktionen“
1. Handlungsplanung
2. Handlungsüberwachung
3. Aufmerksamkeitskontrolle
4. Arbeitsgedächtnis
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
PRÄFRONTALCORTEX
Disfunktionen
Rückführung auf 2 Strukturen
1. dorsolaterale Präfrontalcortex (DLPFC)
2. orbitofrontale Cortex (OFC)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
PRÄFRONTALCORTEX
dorsolateraler Präfrontalcortex orbitofrontaler Cortex
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
PRÄFRONTALCORTEX
Basis der Unterscheidung von DLPFC und OFC
medialer Thalamus, Hypothalamus, Amygdala
limbische System, „diencephalische“ Strukturen
Neuroanatomische Verbindung
cholinerge Systemkatecholaminerge SystemNeurotransmitter
fehlende Hemmung, emot. Labilität, Mangel an Durchsicht, Perseveration
Apathie, „verkümmerter“output, langsame Informationsverarbeitung, Probleme Strategien zu wechseln, Perseveration
Läsionen
OFCDLPFC
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
STUDIE II (Abbruzzese et al. , 1997)
Selective Breakdown of Frontal Functions in Patients with OCD and in Patients with Schizophrenia: a double dissociationexperimental finding (Abruzzese et al., 1997)
Fortführung einer früheren Studie (Abruzzese et al., 1995)
Vergleich von Schizophrenie- und Zwangspatienten
Technik der „doppelten Dissoziation“
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
STUDIE II (Abbruzzese et al. , 1997)
Testverfahren:
1. Wisconsin Card Sorting Test
Messung: - exekutive Funktionen (z.B. zielgerichtetes Verhalten, Umgang mit Rückmeldung)
- Entwicklung und Aufrechterhaltung von Strategien zur Problemlösung
- Perseveration
sensitiv für Disfunktionen des DLPFC
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
STUDIE II (Abruzzese et al. , 1997)
1. Wisconsin Card Sorting Test
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
STUDIE II (Abruzzese et al. , 1997)
Testverfahren:
2. Object Alternation Test (OAT)
Test für Menschen und nicht-menschliche Primaten
Messung perseverativer Fehler
sensitiv für Disfunktionen des OFC
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
STUDIE II (Abruzzese et al. , 1997)
Ziele:
1. Ergebnisse der ersten Studie belegen (Abruzzese et al., 1995)
2. - WCST sensitiv für Schizophrenie ( DLPFC)
- OAT sensitiv für Zwangsstörung ( OFC)
„doppelte Dissoziation“
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
STUDIE II (Abruzzese et al. , 1997)
Versuchspersonen
306060
KontrollgruppeZwangspatientenSchizophrene
N=
„matched“: u.a. Alter, Bildungsgrad, Dauer der Krankheit
Prozedur
WCST (Scoring: perseverative Fehler; WCST-PE)
OAT (Scoring: perseverative Fehler; OAT-PE)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
STUDIE II (Abbruzzese et al. , 1997)
OCD Schizo KG
0
5
10
WCST-PEOAT-PE
Anzahl perseverativer Fehler
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
STUDIE II (Abbruzzese et al. , 1997)
Unterschiede der Perseveration
WCSTOAT
- komplexere Aufgabe
- längeres Aufrechterhalten einer Strategie
- einfache Strategien
- schneller Wechsel von Lösungsstrategien
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
STUDIE II (Abbruzzese et al. , 1997)
Zusammenfassung:
Schaltkreise, die DLPFC mit Basalganglien verbinden Schizophrenie
Schaltkreise, die OFC mit Basalganglien verbindenZwangsstörung
Ursache
Bestätigung der Befunde aus Neuroanatomie und Neuropsychologie
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
DER TURM VON HANOI
„A Neuropsychological Study of Dissociation in Cortical and Subcortical Functioning in Obsessive-Compulsive Disorder by Tower of Hanoi Task“(Cavedini et al., 2001)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
DER TURM VON HANOI
Ausgangspunkt
Frontalkortex: deklarative Funktion
Basalganglien: prozedurale Funktion
vergl. Gedächtnis
Ziel
Zusammenhang deklarativer und prozeduralerFunktionen bei Zwangspatienten
Rückschlüsse auf Bedeutung der Basalganglien
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
DER TURM VON HANOI
Turm von Hanoi-Aufgaben
1. Rule Recognition: Regeln lernen (Maß: Anzahl der Züge)
2. Prozedurale Form: Turm nachbauen implizite Strategie benötigt (Maß: Anzahl der Züge)
3. Deklarative Form: Sequenz von Zügen ausführen, dabei die gelernten Regeln anwenden und beschreiben (Maß: good vs. bad performance)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
DER TURM VON HANOI
rule proc. dekl.(BP)
05
1015
20
25
30
35
Scores (alle p < .0001)
ZwangspatientenKG
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
DER TURM VON HANOI
ruleproc.
5
10
15
Scores in deklarativer Formfür Zwangspatienten
good performersbad performers
p < .005* n.s.
* Effekt von deklarativer Aufgabe
Ergebnisse
Defizit in Hanoi 3 (deklarativ) hängt nur zusammen mit Hanoi 1 (rule)
deklarative undprozedurale Funktionen sind unabhängig (n.s.)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
DER TURM VON HANOI
Fazit
Zwangspatienten unterscheiden sich von KG
Hinweise auf zwei unabhängige Systeme
Bestätigung für Annahme, dass Frontalkortex und Basalganglien parallel arbeiten
Zwangsstörung nach Cavedini = Störung der Bahnen vom Frontalcortex zu den Basalganglien (Striatum !)
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
WEITERE BEFUNDE
Strategische Defizite
Mögliche Grundlage vieler neuropsychologischer Auffälligkeiten
Zwangspatienten
Verlieren sich im Detail, Probleme die eingeschlagenen Schemata zu wechseln
Verhindert adaptive Lösungsstrategien!
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
WEITERE BEFUNDE
Störungen der kognitiven Inhibition
Ebenfalls mögliche Grundlage vieler neuropsychologischer Auffälligkeiten
Zwangspatienten
Experimente zu negative priming schwächerer Effekt bei Zwangspatienten (kürzere RZ auf vorher ignorierten Reiz)
Unfähigkeit der Unterdrückung aufdringlicher Gedanken
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
WEITERE BEFUNDE
Bildgebung
Überaktivität der Schleife OFC Nucleus caudatus
Funktion der Basalganglien (vergl. vorher !)
Psychopharmakologie
Serotonin als „Messfühler“; ermöglicht adäquate Reaktion auf unterschiedlich bedrohliche Reize
ZS: Störung der Serotonin-Rezeptoren im OFC
SSRI: teilweise Readjustierung
NEUROPSYCHOLOGIE DER ZWANGSSTÖRUNG
LITERATUR
'Under-inclusion': A characteristic of obsessional personality disorder: I. Reed, G. F.; British Journal of Psychiatry, 115(524), 1969. pp. 781-785
'Under-inclusion': A characteristic of obsessional personality disorder: II. Reed, G. F.; British Journal of Psychiatry, 115(524), 1969. pp. 787-790
Frontal lobe dysfunction in schizophrenia and obsessive-compulsive disorder: A neuropsychological study. Abbruzzese, Massimo; Bellodi, Laura; Ferri, Stefano; Brain and Cognition, Vol 27(2), Mar 1995. pp. 202-212
The selective breakdown of frontal functions in patients with obsessive-compulsive disorderand in patients with schizophrenia: A double dissociation experimental finding. Abbruzzese, Massimo; Ferri, Stefano; Scarone, Silvio; Neuropsychologia, Vol 35(6), Jun 1997. pp. 907-912
A neuropsychological study of dissociation in cortical and subcortical functioning in Obsessive-Compulsive Disorder by Tower of Hanoi Task. Cavedini, Paolo; Cisima, Michele; Riboldi, Giovanna; Brain and Cognition, Vol 46(3), Aug 2001. pp. 357-363
Neuropsychologie psychischer Störungen : 43 Tab. / Stefan Lautenbacher ... (Hrsg.)Berlin ; Heidelberg [u.a.]: Springer, 2004