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Nothing is real – Die Vakua der Physik Henning Genz Institut für Theoretische Teilchenphysik der Forschungsuniversitä t Fridericiana Karlsruhe (TH) Frühjahrestagung der DPG Dortmund, 29. März 2006

Nothing is real – Die Vakua der Physik Henning Genz Institut für Theoretische Teilchenphysik der Forschungsuniversität Fridericiana Karlsruhe (TH) Frühjahrestagung

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Nothing is real – Die Vakua der Physik

Henning GenzInstitut für Theoretische

Teilchenphysik der Forschungsuniversität Fridericiana Karlsruhe

(TH)

Frühjahrestagung der DPGDortmund,

29. März 2006

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Inhalt

1) Physik und Metaphysika – horror vacui und Physik

2) Alles voll Gewimmels – Casimir einmal anders3) Dinge in dem Leeren – Higgs-Felder4) Natur sei, wie sie sei – Symmetrie-

Transformationen und Einsteins Lochbetrachtung

5) Nothing is real – Versuch einer Zusammenfassung

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Horror vacui und Physik

• Die Frage nach dem Leeren Raum ist wohl die älteste naturwissenschaftliche Frage, die noch heute die Physik beschäftigt.

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Horror vacui und Physik• Plenisten (seit Thales, um 624

v. Chr.): Im All kann es keinen leeren Raum geben. (Empedokles, um 450 v. Chr.)

• Atomisten (seit Leukipp und Demokrit, um 460 v. Chr.): Es gibt nur die Atome und den leeren Raum zwischen ihnen. (Lukrez, um 75 v. Chr.)

• Dominanz der Plenisten bis zur Wissenschaftlichen Revolution ab etwa 1550

• Horror vacui als Wissenschaftliche Theorie der Clepshydra des Empedokles

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Horror vacui und PhysikDie Naturforscher der

wissenschaftlichen Revolution (Torricelli, Galilei, Newton,

Pascal, Guericke, …) greifen die Ideen der antiken

Atomisten auf und ermöglichen dadurch die Physik unserer

Zeit.

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Horror vacui und Physik• Schließlich hat die Physik

des 20. Jahrhunderts den Plenisten Recht gegeben – nicht aus deren Gründen, aber immerhin.

• Unschärferelation: Das Vakuum verleiht Energie, viel auf kurze, wenig auf lange Zeit.

• Fluktuationen bringen unvermeidlich für kurze Zeit alles hervor, was es überhaupt geben kann.

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Alles voll Gewimmels

• Drei Schwingungsformen elektromagnetischer Wellen zwischen leitenden Wänden

• Keine elektromagnetische Schwingung mit Frequenz ω kann im klassischen Sinn ganz zur Ruhe kommen, sondern besitzt mindestens die Grundzustandsenergie ħω/2 eines Harmonischen Oszillators mit dieser Frequenz.

• Kosmologische Konstante, Beschleunigte Expansion, Quintessenz und was noch alles

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Alles voll Gewimmels – Casimir konventionell

• Elektromagnetische Wellen mit Knoten auf metallischen Oberflächen üben Druck auf sie aus.

• Wellenformen mit beliebigen Wellenlängen im Außenraum stehen im Innenraum nur die gegenüber, die in ihn hineinpassen.

• Der Druck von außen ist also größer als der von innen – die Platten werden aufeinander zugetrieben, ziehen sich anders gesagt an.

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Casimir einmal anders – van der Waals Kräfte (Kleppner 1990)

• Die Plattenkondensatoren zweier elektrischer Schwingkreise stehen im Abstand r nebeneinander. Sie beeinflussen sich gegenseitig durch eine Kopplung k, die von ihrem Abstand so abhängt, daß sie bei Annäherung größer wird und bei unendlichem Abstand verschwindet.

• k: die Kraft zwischen elektrischen Dipolen; hier ohne permanentes Dipolmoment

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Casimir einmal anders – van der Waals Kräfte

Zwei Eigenschwingungen des gekoppelten Systems mit

Frequenzen ω+ und ω-, die ħ(ω++ ω-)/2 zu dessen Grundzustandsenergie

beitragen.Der Energieunterschied

ΔE=ħ(ω++ ω--2ω)/2zur Grundzustandsenergie

ħ(2ω)/2 der beiden entkoppelten Schwingkreise

bei der Entfernung r=∞ führt auf eine van der Waals Anziehung der

beiden Kondensatoren.

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Casimir einmal anders – van der Waals Kräfte

ΔE=-ħωα2/(8r6)

1/r6, T-unabhängig

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Dinge in dem Leeren

• Das Sichordnen der Moleküle des Wassers beim Gefrieren setzt Kristallisationswärme frei.

• Kann es Systeme geben, deren Sichordnen mehr Energie freisetzt als laut E=mc2 für ihre Existenz erforderlich ist? Solche Systeme könnten spontan entstehen.

• Natürlich nicht Wasser (zusammen mit Antiwasser), wohl aber skalare Felder?

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Dinge in dem Leeren – Higgs-Felder

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Natur sei, wie sie sei – Symmetrie-Transformationen und Einsteins Lochbetrachtung – I

• Symmetrie-Transformationen der Naturgesetze überführen Abläufe, die in im Einklang mit ihnen sind in i. A. andere Abläufe, die das ebenfalls sind.

• Symmetrie-Transformationen der Speziellen Relativitätstheorie: Drehungen, Verschiebungen und Änderungen der Geschwindigkeit mit überall und immer gleichen Parameterwerten.

• Passiv: Bewegter Beobachter Was der mit konstanter Geschwindigkeit bewegte Beobachter sieht, kann auch für den ruhenden auftreten – bei veränderten Anfangsbedingungen, versteht sich. Nicht aber dasjenige c), was ein beschleunigter Beobachter sieht.

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Natur sei, wie sie sei – Symmetrie-Transformationen und Einsteins Lochbetrachtung – II

• Symmetrie-Transformationen der Naturgesetze überführen Abläufe, die in im Einklang mit ihnen sind in i. A. andere Abläufe, die das ebenfalls sind.

• Symmetrie-Transformationen der Speziellen Relativitätstheorie: Drehungen, Verschiebungen und Änderungen der Geschwindigkeit mit überall und immer gleichen Parameterwerten.

• Aktiv: In Bewegung gesetzter Ablauf; etwa auf einem Fließband. Weiterhin ruhender Beobachter. Da a) im Einklang mit den Naturgesetzen ist, ist das auch b). Nicht aber c).

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Natur sei, wie sie sei – Symmetrie-Transformationen und Einsteins Lochbetrachtung – III

• Die Symmetrie-Transformationen der Allgemeinen Relativitätstheorie sind die der speziellen (Drehungen, Verschiebungen und Änderungen der Geschwindigkeit), deren Parameter aber von der Zeit und dem Ort abhängen können.

• Passiv aufgefaßt, entsprechen ihnen Koordinatentransformationen; aktiv ändern sie die Krümmung des Raumes und führen dadurch effektiv Schwerkräfte ein.

• „Wenn nur gewisse Eindeutigkeitsbedingungen gewahrt bleiben“ müssen folglich die fundamentalen Gleichungen der Physik bei Koordinatentransformationen ungeändert bleiben – sie müssen „allgemein kovariant“ sein.

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Natur sei, wie sie sei – Symmetrie-Transformationen und Einsteins Lochbetrachtung – IV

• Aus der geraden Bahn a), die die ausgebrannte Rakete im leeren Raum ohne Krümmung mit konstanter Geschwindigkeit durchläuft, entsteht durch eine Verschiebung mit ortsabhängigen Parametern die gekrümmte Bahn b). Diese ist nur dann im Einklang mit den Naturgesetzen, wenn die Transformation zugleich den Raum krümmt – symbolisch dargestellt durch die eingebrachte Masse c).

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Natur sei, wie sie sei – Symmetrie-Transformationen und Einsteins Lochbetrachtung – V

• Gegeben sei ein Gebiet in Raum und Zeit mit einem materiefreien Loch. Dann legt durch Determinismus und Kausalität die Materieverteilung in H die Menge der möglichen Bahnen von Probekörpern in dem Loch fest. Zwecks Illustration gehöre a) zu dieser Menge, b) aber nicht.

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Natur sei, wie sie sei – Symmetrie-Transformationen und Einsteins Lochbetrachtung – VI

• Wir führen nun eine Transformation der Koordinaten in Raum und Zeit durch, die aktiv betrachtet in H gar nichts bewirkt, im Loch aber aus der Menge der von H erlaubten Bahnen herausführt, etwa a) in b) überführt. Da b) insgesamt durch eine aktiv aufgefaßte Transformation der Koordinaten aus a) entsteht, die die Einsteinschen Gleichungen ungeändert läßt, ist b) genauso im Einklang mit ihnen wie a).

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Natur sei, wie sie sei – Symmetrie-Transformationen und Einsteins Lochbetrachtung – VII

• Ade also zu Determinismus und Kausalität? Den Schluß haben weder Einstein noch seine Interpreten gezogen.

• Ade also zur allgemeinen Kovarianz der Gleichungen für die Gravitation? Das hat Einstein eine Zeitlang erwogen.

• Was bleibt: Bahnen, Zeiten t, Orte x und auch die Metrik gμν(t,x) sind keine gültigen Konzepte: Sie können ohne beobachtbare Konsequenzen verändert werden.

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Natur sei, wie sie sei – Symmetrie-Transformationen und Einsteins Lochbetrachtung – VIII

• Einstein an seinen Freund Besso am 3. 1. 1916: Real ist physikalisch nichts als die Gesamtheit der raum-zeitlichen Punktkoinzidenzen. Wäre z. B. das physikalische Geschehen aufzubauen aus Bewegungen materieller Punkte allein, so wären die Begegnungen der Punkte, d. h. die Schnittpunkte ihrer Weltlinien das einzig Reale, d. h. prinzipiell beobachtbare. Diese Schnittpunkte bleiben natürlich bei allen Transformationen erhalten (und es kommen keine neuen hinzu), wenn nur gewisse Eindeutigkeitsbedingungen gewahrt bleiben. Es ist also das Natürlichste, von den Gesetzen zu verlangen, dass sie nicht mehr bestimmen als die Gesamtheit der zeit-räumlichen Koinzidenzen. Dies wird nach dem Gesagten bereits durch allgemein kovariante Gleichungen erreicht.

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Versuch einer Zusammenfassung

• Der Raum, der so Leer ist wie im Einklang mit den Naturgesetzen möglich, ist kein eigenschaftsloses nichts.

• Alles, was es nach Auskunft der Lagrangefunktion des Universums überhaupt geben kann, kann für kurze Zeit im Leeren Raum auftreten – je energiereicher, desto kürzer.

• Zwar Erhaltungssätze für Observable mit konjugierten Variablen, nicht aber Überauswahlregeln können kurzzeitig verletzt sein.

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Versuch einer Zusammenfassung des Ausgelassenen

• Topologisch verdrehte Vakua

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Versuch einer Zusammenfassung des Ausgelassenen

• Topologisch verdrehte Vakua

• Dimensionszahl des Raumes – warum nicht nur zwei Dimensionen?

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Versuch einer Zusammenfassung des Ausgelassenen

• Topologisch verdrehte Vakua

• Dimensionszahl des Raumes

• Landschaften der Stringtheorie

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Versuch einer Zusammenfassung des Ausgelassenen

• Topologisch verdrehte Vakua

• Dimensionszahl des Raumes

• Landschaften der Stringtheorie

• Und vieles mehr, das in eine Neuzeichnung aufgenommen werden müßte