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Prävention nachhaltig gestalten ökonomisch. ökologisch. sozial.

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Präventionnachhaltig gestalten

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ökonomisch. ökologisch. sozial.

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Präventionskultur – Präventionsstrategien

XX. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014

15 Erfolgsfaktor Arbeitsschutz16 InTErvIEw Dr. Walter Eichendorf18 Prävention heißt Netzwerken19 „Denk“-Zettel für mehr Prävention20 DGUV Vorschrift 2: Kommt gut an21 Bewährtes und Neues bei der GDA22 Regelungen für einen starken Arbeitsschutz22 Das „Kompetenz-Netzwerk Prävention“23 Normen: Schneller Konsens versus Sorgfalt?23 Links und Kontakte

25 Weltweit vernetzt für den Arbeitsschutz26 InTErvIEw Hawazi Daipi28 Prävention im globalen Netzwerk31 Informationen und Anmeldung31 Links und Kontakte

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4 Inhaltsverzeichnis6 Vorwort der Vorsitzenden des DGUV Vorstandes

8 Prävention ist ökonomisch10 Prävention ist ökologisch12 Prävention ist sozial

Einleitung

Prävention und Nachhaltigkeit

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Beschäftigungs fähigkeit erhalten und fördern

Gesundheitsgefahren

Herausforderung neue Technologien

49 Horizontaler Berufsumstieg: Eine neue berufliche Chance für ältere Beschäftigte50 InTErvIEw Prof. Juhani Ilmarinen52 Neue Wege bis 6753 Gesundheits- und alternsgerecht führen54 Stress durch ständige Erreichbarkeit55 Gesund im Betrieb56 Vorsorgekonzept G 46 voranbringen57 Gute, gesunde Klassenräume58 Inklusion – gesund und sicher!59 Puffer gegen psychische Beschwerden59 Links und Kontakte

33 Schichtarbeit gesund gestalten34 InTErvIEw Andreas Lopata36 Emissionsärmeres Schweißen37 Der Lungenkrebsentstehung auf der Spur38 Unverzichtbare Helfer39 Standards für besseren Gesundheitsschutz40 Gefahren aus der Luft41 Expositionen simulieren – Effekte erfassen42 Gefährdung durch Befeuchterwasser43 Kniebelastungen reduzieren44 GESTIS-Datenbanken auf mobilen Endgeräten45 Hautkrebs durch UV-Strahlung46 Von schwer zu leicht47 Prüffinger: Für zu kurz befunden47 Links und Kontakte

61 Elektromobilität und Arbeitsschutz62 InTErvIEw Dr. Benjamin C. Amick64 Nano definieren, Risiken kontrollieren65 Roboter am Arbeitsplatz: Risiken abschätzen66 Ambient Intelligence in der Arbeitswelt67 Den Trends auf der Spur: Risikobeobachtung68 Ein Kompetenzprofil für mobile IT-Arbeit69 Schwingungsbelastung auf Kompaktkehrmaschinen69 Links und Kontakte

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InhalTSvErZEIChnIS

70 Mit Sicherheit arbeiten72 Organigramm und Kontakt74 Impressum

Organisation

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Der vorstand der DGUv

In den Selbstverwaltungsgremien aller Träger der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) sind sowohl die Arbeitgeber als auch die Versicherten mit jeweils gleicher Stimmenzahl (paritätisch) vertreten. Die Organe des Verbandes sind die Mitglieder-versammlung und der Vorstand. Er wählt aus seiner Mitte die Vorsitzenden.

vorwort der vorsitzenden des DGUv vorstandes

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Die Prävention hat in den vergangenen Jahren einen beispiellosen Siegeszug angetreten. Landauf, landab werden Programme gestartet, Initiativen ins Leben gerufen – alle mit dem Ziel, die Ressource Gesund-heit zu schonen und zu fördern. Würde sich heute noch ernsthaft jemand gegen Prävention ausspre-chen? Wohl kaum. Und doch: Schaut man etwas ge-nauer hin, dann bleibt bei aller Euphorie für die Vor-beugung mitunter ein gewisses Unbehagen zurück.

Im Überschwang übersehen viele Akteurinnen und Akteure, dass Prävention im Kern häufig eines bedeutet: Konflikt. Dem Zugewinn an Gesundheit und Wohlstand in der Zukunft stehen in der Gegen-wart nämlich Interessen gegenüber, die den Erfolg vorbeugender Strategien beschädigen oder zunichte machen können. Der Raucher muss heute auf den Genuss verzichten, um morgen eine gesunde Lunge zu haben. Ein Unternehmer muss heute in eine He-behilfe investieren, um zukünftig Rückenleiden der Beschäftigten zu vermeiden.

Die gesundheitliche Prävention hat viel ge-mein mit Politikfeldern wie Umwelt- oder Bildungs-politik. Sie erfordert heute Investitionen, deren Dividende morgen erst sichtbar wird. Dass diese Dividende positiv ist, zeigen wissenschaftliche Ana-lysen wie zum Beispiel das Projekt „Return on Pre-vention“, das in diesem Jahrbuch vorgestellt wird. Aber reicht diese Erkenntnis allein aus, um sicher-zustellen, dass das langfristige Interesse gegenüber dem kurzfristigen Interesse die Oberhand behält?

Nein. Wer Prävention nachhaltig betreiben will, der braucht einen langen Atem. Eine Kultur der Prä-vention, wie sie beispielsweise die Weltgesundheits-organisation fordert, entsteht nicht über Nacht. Sie braucht nicht hier und da ein Projekt, das kaum ge-startet schon wieder beendet ist. Sie braucht Akteu-re, die gesundheitliche Probleme über lange Zeiträu-me systematisch und zuverlässig angehen.

Nachhaltige Prävention muss zudem an vielen Stel-len ansetzen. Sie muss all jene in den Blick nehmen, die Arbeitsbedingungen gestalten: die Unternehmen, die Hersteller von Arbeitsmitteln, Zulieferer, Akteu-re in der Normung, Bildungseinrichtungen. Ganz im Sinne des umfassenden Ansatzes der Vision Zero, der Vision einer Welt ohne tödliche und schwere Un-fälle bei der Arbeit oder im Straßenverkehr.

Als Vertreterin und Vertreter der Sozialpartner in der Selbstverwaltung stehen wir für ein solch nachhaltiges Verständnis von Prävention. Übrigens nicht nur im nationalen, sondern auch im internati-onalen Rahmen. Wir freuen uns, dass der XX. Welt-kongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Ar-beit 2014 in Deutschland stattfindet – erstmals als „Globales Forum für Prävention“.

Wir sind überzeugt, dass dieses Ereignis ent-scheidend dazu beitragen wird, die Prinzipien nach-haltiger Prävention auf globaler Ebene zu fördern und zu verbreiten. Für die gesetzliche Unfallversi-cherung als Ausrichterin wird es eine herausragende Gelegenheit, ihre eigenen Aktivitäten auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes zu präsentie-ren. Einen Ausschnitt aus dieser Vielfalt präsentieren wir Ihnen bereits in diesem Jahrbuch. Wir wünschen Ihnen eine anregende Lektüre.

vOrwOrT DES vOrSTanDES

„Prävention verlangteinen langen Atem“

Dr. hans-Joachim wolff

Marina Schröder

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weniger Kosten. Mehr Menschlichkeit. Das funktioniert.wirtschaftlichkeit hat bei den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen eine lange Tradition: wir arbeiten sparsam – bereits seit vielen Generationen. Und das nicht, um Gewinn zu machen, sondern weil wir mit dem Geld unserer Beitragszahler verant-wortlich umgehen. Ein konstant stabiler Beitragssatz beweist, dass unsere rechnung aufgeht. Und davon profitieren nicht nur rund 3,9 Millionen versicherte Unternehmen und Einrichtungen, sondern auch unsere Kinder und Enkelkinder.

Das zahlt sich aus:Nachhaltige Prävention denkt wirtschaftlich. Unsere Kinder werden es uns danken.

ökonomisch

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Prävention nachhaltig gestalten

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Prävention und Umweltschutz: Öko? logisch!weil sich die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen ihrer verantwortung bewusst sind, schützen sie nicht nur die arbeit, sondern auch die Umwelt. Denn nur wo die natur im Gleichgewicht ist, lässt es sich gesund und sicher arbeiten. Deshalb macht die gesetzliche Unfall versicherung arbeit in Deutschland nicht nur sicherer, sondern auch sauberer: Unsere Forscher arbeiten täglich daran, Gefahrstoffe am arbeitsplatz zu minimieren, die nicht nur für den Menschen, sondern auch für die Umwelt schlecht sind.

Eine saubere Sache:Nachhaltige Prävention schützt nicht nur die Arbeit, sondern auch die Umwelt.

ökologisch

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Dankbar sein: für das, was war und das, was kommt.Die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen stehen für eine Prävention von Menschen für Menschen. Dabei vergessen wir nicht, was Menschen im laufe ihres lebens für die Gesellschaft geleistet haben und immer noch leisten. Deshalb sorgen wir dafür, dass sie besser leben können – in jedem lebensabschnitt. Denn mit unserer arbeit verbessern wir konsequent auch die arbeitsbedingungen in sozialen Einrichtungen wie Kindergärten, Krankenhäusern und Pflegeheimen. weil hinter jeder arbeit ein Mensch steckt.

In jedem Lebensabschnitt:Nachhaltige Prävention ist eine Prävention von Menschen für Menschen.

sozial

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Weil Menschen jeden Tag Großes leisten.

Prävention nachhaltig gestalten:

hinter jeder Idee steckt ein kluger Kopf. nur einer?Menschen haben seit jeher große Ideen. richtungsweisende Innovationen haben die welt verändert. Eines aber haben fast alle guten Ideen gemeinsam: nur mit hilfe von rund 42 Millionen arbeitnehmerinnen und arbeitnehmern in Deutschland wurden sie wirklichkeit – und die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen waren von anfang an dabei. Denn wir wissen, dass jeder Mensch Teil eines großen Ganzen ist. Deshalb schützen wir Menschen überall dort, wo Großes geschaffen wird.

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Unternehmen profitieren von Investitionen in den Arbeitsschutz. Das belegt eine Studie der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS), der Deutschen Gesetzlichen Unfallversiche-rung (DGUV) und der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM). Sie kommt zu dem Ergebnis, dass sich der Erfolg von Investitionen in den Arbeitsschutz im Schnitt auf mehr als das Doppelte der investierten Summe beläuft.

„Die Vorschriften zum Arbeitsschutz und die wirtschaftlichen Bedingungen unterscheiden sich weltweit teilweise erheblich“, sagt Professor Dietmar Bräunig von der Justus-Liebig-Universität Gießen, der gemeinsam mit Dr. Thomas Kohstall vom Institut für Arbeit und Gesundheit der Deutschen Gesetzlichen Unfall-versicherung (IAG) das Forschungsprojekt begleitete. „Gerade deshalb war es sinnvoll zu schauen, ob sich Investitionen in den Arbeitsschutz für Unternehmen generell rentieren.“

Zu diesem Zweck befragten die Forscher in den Jahren 2010 und 2011 insgesamt 300 Unternehmen in 16 Ländern nach ihrer Einschätzung der betriebswirtschaftlichen Vor- und Nachteile von Ausgaben für Sicherheit und Gesundheit im Betrieb. „Auf dieser Basis konnten wir eine Präventionsbilanz erstellen“, so Professor Bräunig. Das Ergebnis: Die befragten Unternehmen erzielten insgesamt einen „Return on Prevention“ (ROP) in Höhe von 2,2. Dies bedeutet: Jeder Euro, den ein Unternehmen in die

betriebliche Präventionsarbeit investiert, zahlt sich in einem ökonomischen Erfolgspotenzial von 2,2 Euro aus. „Hierbei handelt es sich um den Mittelwert. Was das einzelne Unterneh-men tatsächlich zurückbekommt, hängt natürlich auch von der wirtschaftlichen Situation und den Marktbedingungen ab.“

Die Studie basiert auf standardisierten Interviews. Dabei zeigte sich zusätzlich, dass vor allem die mit dem Arbeitsschutz verbundene Verbesserung des Images in der Öffentlichkeit sowie der Betriebskultur von Bedeutung sind. Hinzu kam eine gestiegene Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten sowie die Reduzierung von Ausfallzeiten und Betriebsstörungen.

„Für die gewählte Methode der Präventionsbilanzierung war es wichtig, dass die befragten Unternehmen über ausreichend Erfahrung in und mit betrieblicher Präventionsarbeit verfügen“, sagt Dr. Kohstall. „Das legt den Schluss nahe, dass sich Investi-tionen in den Arbeitsschutz für Betriebe mit wenig Erfahrung in diesem Bereich eher noch mehr rentieren würden.“

„Egal in welchem untersuchten Land: Wer erfolgreich sein und bleiben will, sollte in Prävention investieren“, fasst Profes-sor Bräunig die Studie zusammen.

www.dguv.de (webcode: d39680)

Eine internationale Studie belegt: Investitionen in die betriebliche Präventionsarbeit zahlen sich um mehr als das Doppelte aus

Erfolgsfaktor arbeitsschutz

PrävEnTIOnSKUlTUr – PrävEnTIOnSSTraTEGIEn

PrävEnTIOnSKUlTUr – PrävEnTIOnSSTraTEGIEnOb Gesundheitsaktion vor Ort, Betriebsbegehung, Schulung oder handlungshilfe: Die Instrumente im arbeitsschutz sind vielfältig. Für eine maßgeschneiderte Prävention jederzeit.

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herr Dr. Eichendorf, die Mitgliederversammlung der DGUv hat das Positionspapier „Prävention lohnt sich“ verabschiedet. In der Präambel wird die vision Zero genannt. auch beim nächsten weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der arbeit im Jahr 2014 wird vision Zero ein zentrales Thema sein. was kann man sich darunter vorstellen?Sicher und gesund zu arbeiten ist ein wichtiges Recht aller Men-schen. Auf der anderen Seite sind alle Unternehmen auf gesun-de und motivierte Mitarbeiter angewiesen. Nur so können sie im heutigen – zumeist globalen – Wettbewerb erfolgreich sein. Die Vision Zero ist eine Strategie, die ein klares Ziel vorgibt. Es ist die Vision einer Welt, in der niemand mehr am Arbeitsplatz oder im Straßenverkehr getötet oder schwer verletzt wird.

Ein neuer Aspekt der Vision Zero ist, zunächst einmal zu akzeptieren, dass Menschen Fehler machen. Die wissenschaft-liche Forschung hat gezeigt, dass der Mensch aufgrund seiner evolutionär verfügbaren Motorik, Wahrnehmung und Informa-tionsverarbeitung nur begrenzt in der Lage ist, die notwendigen Informationen aus dem Umfeld aufzunehmen, zu verarbeiten und mit gespeicherten Informationen abzugleichen. Deshalb ist es auch nicht erstaunlich, dass die Ursache von Unfällen zu-meist scheinbar in menschlichem Fehlverhalten gefunden wird.

Wenn Menschen zwangsläufig auch Fehler machen, dann muss dafür gesorgt werden, dass die dadurch entstehenden Unfälle nicht zum Tod oder zu schweren Verletzungen füh-ren. Die Konsequenz daraus ist, Systeme so zu gestalten, dass sie Fehler „verzeihen“, also den Menschen vor schwerwiegen-den Folgen der Fehler schützen. Natürlich bleibt der Mensch in seiner Verantwortung für die geltenden Spielregeln, die zum Beispiel in Unfallverhütungsvorschriften festgelegt sind. Die Systemgestalter müssen aber unabhängig davon dafür sorgen, dass das System als Ganzes sicher ist.

aber bisher wurde doch auch schon alles Mögliche getan, um sichere und gesunde arbeitsplätze zu schaffen. was ist denn das neue an der vision Zero?In der Vergangenheit sind unbestritten große Erfolge erzielt worden. So konnte in den letzten gut zehn Jahren eine Halbie-rung der Zahl der Todesfälle am Arbeitsplatz auf jetzt unter 500 pro Jahr erreicht werden. Ebenso wurde bei den Wegeun-fällen in dieser Zeit eine Halbierung auf unter 400 erreicht. So erfreulich die Zahlen sind: Es wird immer schwieriger, hier weitere Erfolge zu erzielen, zumal es sich um immer mehr einzelne Ursachen handelt. Die Strategie der Vision Zero setzt daher auch auf konsequente gefährdungsorientierte Priori-sierung: Wo sind Unfallschwerpunkte, wo sind Erkrankungs-schwerpunkte? Wo liegen versteckte Ursachen wie psychische Fehlbelastungen, die dann indirekt zu Unfällen führen? Dar-aus werden dann ganz gezielt Präventionsmaßnahmen abge-leitet. Das bedeutet auch, dass die Unfallversicherungsträger sich seltener um Betriebe mit sicheren und gesunden Arbeits-plätzen kümmern und die Überwachungs- und Beratungstätig-keit eher auf die kritischen Bereiche konzentrieren.

was unternimmt die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, damit die vision Zero umgesetzt wird?Unser Ziel ist klar: Die Mitgliederversammlung der DGUV hat die Vision Zero beschlossen, sie ist Leitbild unseres Handelns. Die vielen Beiträge in diesem Jahrbuch belegen das Bestreben der DGUV, der Unfallversicherungsträger und vieler weiterer Partner, Arbeitswelt und Bildungseinrichtungen so zu gestal-ten, dass Arbeits-, Schul- und Wegeunfälle, Berufskrankheiten und arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren mit allen geeigneten Mitteln verhindert werden. Dazu gehört dann auch, mit Hilfe eines Risikoobservatoriums Risiken und Gefahren frühzeitig

„Die Vision Zero gibt ein klares Ziel vor“Die vision einer welt ohne tödliche Unfälle bei der arbeit oder im verkehr ist das leitbild der gesetzlichen Unfallversicherung

InTErvIEw

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Präventionskultur – Präventionsstrategien

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Dr. Walter Eichendorf Dr. Walter Eichendorf ist stv. Hauptgeschäftsführer der Deut-schen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) und Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR). Nach dem Studium der Physik, Mathematik und Astrophysik in Bochum und Bonn arbeite-te er als Wissenschaftler bei der European Southern Observatory (1980-1983) in Genf, München und Chile. Bei der DGUV ist er seit 25 Jahren tätig, zunächst als Leiter des Statistik-Referates, danach als Leiter der Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit. Seit 1998 ist er stv. Hauptgeschäftsführer und in dieser Eigenschaft auch zustän-dig für alle Präventionsaktivitäten. Bei der Internationalen Vereini-gung für Soziale Sicherheit (IVSS) amtiert er zurzeit sowohl in der Sektion Forschung als auch in der Sektion für Präventionskultur als Vizepräsident. Ferner ist er Vorstandsmitglied des European Traffic Safety Council (ETSC) in Brüssel.

zu erkennen und im Idealfall gezielt Präventionsmaßnahmen zu entwickeln, bevor die Gefahr wirklich die Arbeitsplätze erreicht. Diese Strategie diskutieren wir mit den Präventions-leiterinnen und Präventionsleitern aller Unfallversicherungs-träger und bringen sie mit ihnen gemeinsam in die Betriebe und Bildungseinrichtungen.

Auch der nationale Fachkongress „Arbeitsschutz Aktuell 2012“ in Augsburg widmete sich unter dem Motto „Sicher und gesund arbeiten – Vision Zero in der Praxis“ genau dieser Fra-ge: Wie lässt sich in der Betriebspraxis eine Sicherheits- und Gesundheitskultur schaffen, die die Fehlbarkeit des Menschen berücksichtigt und das Schadensrisiko arbeitsbedingter Unfälle und Belastungen auf ein Minimum reduziert? Hier-bei dominierten Themen rund um Baustellensicherheit, den Umgang mit Gefahrstoffen oder auch die Herausforderungen beim Einsatz alternativer Energien, etwa bei der Installation von Fotovoltaik-Anlagen oder den Arbeiten in den Off-Shore-Windparks an der Küste. Intensiv widmete sich der Kongress den Fragen und Lösungen im Hinblick auf die Bewältigung psychischer Belastung am Arbeitsplatz.

Das war ein deutscher Kongress. Ist die vision Zero auch inter-national ein Thema?Das ist sie und deshalb möchte ich den XX. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit im Jahr 2014 hervor-heben. In Frankfurt wird Ende August 2014 gerade die Vision Zero ein zentrales Thema des Weltkongresses sein. Aus der ganzen Welt werden sich mehr als 4.000 Experten für Präven-tion am Arbeitsplatz zum Fachdialog treffen. Sicherheits- und Gesundheitsexperten, Vertretern von Unternehmen und Be-schäftigten, Entscheidungsträgern aus Politik und Behörden, Sozialpartnern sowie allen, die auf dem Gebiet des Arbeits- und Gesundheitsschutzes tätig sind, wird hier eine Plattform zum Informations- und Erfahrungsaustausch, zur konkreten Zusammenarbeit und Darstellung von Best-Practice-Beispie-len geboten. Der Weltkongress wird dabei durch eine enge Verknüpfung mit der „Arbeitsschutz Aktuell 2014“, also der nationalen Kongress- und Messeveranstaltung für Arbeits- und Gesundheitsschutzpraktiker, noch attraktiver. Die Kombina-tion aus internationalem Weltkongress, national orientiertem Fachkongress und Fachmesse ist einzigartig.

Gibt es neben der arbeitswelt noch andere Bereiche, in denen die vision Zero umgesetzt werden müsste?Der Straßenverkehr ist ein weiteres gutes Beispiel, wobei die Straße ja auch vielfach zugleich der Arbeitsplatz ist. Hier wurde bereits viel geschafft. Gleichwohl gilt auch hier: Jeder Tote, jeder Schwerverletzte ist einer zu viel. Daher müssen die Straßen so sicher gemacht werden, dass ein Mensch, der einen kleinen

Fehler begeht, dafür nicht mit dem Tod bestraft wird. Die Fahr-zeuge müssen aktiv und passiv so sicher gemacht werden, dass sie ebenfalls menschliche Fehler verzeihen. Und wir müssen dafür Sorge tragen, dass der Mensch selber sich so verhält, dass er Fehler möglichst vermeidet. Die drei Elemente zusammen führen zu einer kompletten Umsetzung der Vision Zero im Stra-ßenverkehr. Und am Arbeitsplatz ist es ähnlich. Einerseits die Verhältnisse sicher machen und andererseits sicheres Verhalten erreichen. Natürlich kostet Sicherheit auch Geld. Aber Präventi-on lohnt sich – Unfallfolgen sind ungleich teurer.

www.dvr.de/presse/informationen/3046.htm

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Wie soll das gehen: „Netzwerken“? Diese Frage mögen sich so manche Teilnehmende zu Beginn der 3. Internationalen Strategie-konferenz für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit vom 6. bis 8. Februar 2013 in Dresden gestellt haben. Sie stand unter dem Motto „Netzwerken als treibende Kraft für eine Präventionskul-tur“. Umso größer war die Bereitschaft, sich auf einen lebendigen Prozess des Netzwerkens einzulassen – und neue Wege zu erar-beiten für eine gemeinsame Präventionskultur. Vereinbart wurde schließlich eine gemeinsame Strategie mit Aktionspunkten, kon-kreten Umsetzungsplänen und Ansprechpartnern zu den Themen Präventionskultur, Investition Gesundheit sowie Vision Zero.

Organisiert wurde die 3. Internationale Strategiekonfe-renz von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) in Zusammenarbeit mit der Weltgesundheitsorga-nisation (WHO), der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicher-heit (IVSS), der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (EU-OSHA), der Internationalen Kommission für Gesundheit bei der Arbeit (ICOH) sowie der Internationalen Vereinigung der Arbeitsinspektion (IALI). Insgesamt nahmen 135 Expertinnen und Experten aus 29 Ländern teil, darunter zahlreiche Fachleute aus den Bereichen Arbeit, Öffentliche Gesundheit, Information und Bildung. Zum ersten Mal begrüßten die Dresdner Veranstal-ter auch Teilnehmende aus Israel, Indien, Malaysia, Hong-

kong und Mauretanien. Eröffnet wurde die Konferenz von Dame Carol Black. Die Nationale Direktorin für Gesundheit und Arbeit aus dem Vereinigten Königreich setzte 2008 eine denkwürdige Debatte um Gesundheit und Wohlbefinden von Menschen im erwerbsfähigen Alter in Europa in Gang.

Da die Vorgängerkonferenz 2011 eine bessere Integra-tion des Arbeitsschutzes in andere Politikfelder wie etwa Gesundheit, aber auch innerhalb der Bildung sowie den Medien forderte, stand eine Vernetzung über die Politik-felder hinweg im Mittelpunkt der 3. Strategiekonferenz. Dementsprechend erhielten die Expertinnen und Experten Gelegenheit, die Veranstaltung als Plattform zu nutzen, um sich politikfeldübergreifend auszutauschen zu den Themen-bereichen Unfälle/Vision Zero, Gesundheit und Wohlbefin-den bei der Arbeit sowie Vielfalt (Diversity). Anschaulich und für jeden greifbar wurde dieser Prozess mithilfe einer Installation, welche die Arbeitsergebnisse aus den jeweili-gen Arbeitsphasen für alle festhielt.

Die nächsten Stationen für die Umsetzung der entwickelten Aktionspläne zu den Themen Präventionskultur, Investition Gesundheit und Strategie Vision Zero sind das Internationale Symposium Präventionskultur in Helsinki Ende September 2013 und der XX. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – Globales Forum für Prävention Ende August 2014 in Frankfurt.

Prävention heißt netzwerkenAktionsbündnis für Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit: internationale Strategiekonferenz als Plattform für eine lebendige gemeinsame Präventionskultur

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Ende 2011 wurde „Risiko raus!“, die Präventionskampagne zum sicheren Fahren und Transportieren, erfolgreich abgeschlos-sen. Dass diese Kampagne wirksam war, konnte dank einer umfassenden Evaluation belegt werden: Demnach konnten innerhalb der zweijährigen Kampagnenlaufzeit mehr als zwei Millionen Beschäftigte für das Thema sicheres Fahren und Transportieren sensibilisiert werden. Die Träger der gesetzli-chen Unfallversicherung zählten rund 96.000 Beratungen oder Begehungen sowie rund 1.500 Gesundheits- und Aktionstage in den Betrieben vor Ort. Hinzu kamen etwa 10.000 in Anspruch genommene Schulungen, Seminare oder Seminarmodule. Auch in den Medien war „Risiko raus!“ ein Thema: So erschienen in Print- und Online-Medien fast 3.500 Meldungen zu den Themen der Kampagne, die durch weitere rund 600 Meldungen der trägereigenen Medien ergänzt wurden. Ermittelt wurde auch, ob die Kampagne Änderungen der Verhältnisse und des Verhaltens initiieren konnte. Ein positiver Trend zeigte sich insbesondere hinsichtlich der Maßnahmen zur Sichtbarkeit und Ausstattung: Das Bereitstellen von reflektierender Kleidung, die Bestückung von Fahrzeugen mit Winterausrüstung sowie das Tragen eines Helmes bzw. von Schutzkleidung hat nach Angabe der Befrag-ten deutlich zugenommen. Besonders deutlich zeigten sich die Effekte in den Unternehmen, welche die Angebote der Kampag-ne aktiv für sich genutzt haben.

Diese Ergebnisse und ein durchweg positives Feedback aus Schulen und Unternehmen waren Ansporn für die gesetzliche Unfallversicherung, für die darauffolgende Präventionskampagne erneut ein wichtiges, branchenübergreifendes Präventionsthema aufzugreifen: Am 10. Januar 2013 startete „Denk an mich. Dein Rücken“, mit Fokus auf arbeitsbezogene Rückenbelastungen.

Die Relevanz dieses Themas liegt auf der Hand: Mehr als zwei Drittel aller Bundesbürgerinnen und Bundesbürger leiden mindes-tens einmal in ihrem Leben unter Rückenschmerzen. Gleichzeitig sind bereits Schülerinnen und Schüler sowie Beschäftigte tag-täglich vielfältigen Rückenbelastungen ausgesetzt: Bewegungs-mangel und Stress gehören ebenso dazu wie beispielsweise das Bewegen schwerer Lasten, das Arbeiten in Zwangshaltungen oder etwa die Pflege von Patienten oder Angehörigen.

Gründe genug, die Rückenbelastungen und Präventions-ansätze im Rahmen einer Kampagne in den Fokus zu neh-men. Die Träger der Kampagne, die Berufsgenossenschaften, Unfallkassen, die Sozialversicherung Landwirtschaft Forsten und Gartenbau sowie die Knappschaft, streben dabei sowohl die Veränderung der Verhältnisse in Schulen und Betrieben als auch die Verhaltensänderungen der Versicherten selbst an. Ziel ist es, Rückenbelastungen zu reduzieren. Die Aufmerksamkeit richtet sich hierzu auf physische Belastungen jeder Art (inklusi-ve Bewegungsmangel) sowie in Kombination mit psychischen Belastungen. Der direkte Zugang der Kampagnenträger zu Bil-dungseinrichtungen und Unternehmen ist dabei – wie bei voran-gegangenen Kampagnen – ein Erfolgsgarant. Aber zugleich auch

ein Alleinstellungsmerkmal, das „Denk an mich. Dein Rücken“ von den zahlreichen Präventionskampagnen und -aktivitäten anderer Institutionen unterscheidet.

In der Kommunikation der Kampagne wird mit einem Augenzwinkern der Rücken zum Protagonisten der Kampagne gemacht. Er bekommt eine eigene Stimme und bringt sich selbst in Erinnerung – mittels eines gelben Post-it-Zettels, und zwar bevor es zwickt und zwackt. Mit dem Slogan „Denk an mich. Dein Rücken“ erinnert er daran, dass wir am besten jeden Tag ein wenig für unseren Rücken tun sollten.

Neben Poster- und Anzeigenmotiven werden wieder zahl-reiche Medien wie Broschüren und Filme zum Thema auf der Kampagnenhomepage angeboten. Daneben bietet der Internet-auftritt aber auch sehr spezifische Informationen zur betrieb-lichen Primärprävention. Herzstück sind zahlreiche Veranstal-tungsmodule, die kostenfrei zur Durchführung von Aktionstagen entliehen werden können. Mit ihnen werden Rückenbelastungen und Präventionsmöglichkeiten erfahrbar; eine besonders nach-haltige Möglichkeit, die Präventionsbotschaften in den Köpfen der Menschen zu verankern. Betriebliche Aktivitäten werden da-rüber hinaus auch mit einer (digitalen) Aktionsbox angestoßen oder unterstützt. Diese bietet etwa auch niederschwellige Ideen und Konzepte, die einzeln oder kombiniert umgesetzt werden können und versetzt auch kleine und mittlere Unternehmen in die Lage, ohne großes Budget in Sachen Reduzierung von Rückenbelastungen aktiv zu werden.

Der ausführliche abschlussbericht sowie die vollständigen Evaluationsergebnisse der Kampagne „risiko raus!“ unter www.dguv.de/risikoraus

alle Informationen und Downloads zu „Denk an mich. Dein rücken“ unter www.deinruecken.de

„Denk“-Zettel für mehr Prävention

PrävEnTIOnSKUlTUr – PrävEnTIOnSSTraTEGIEn

Nach der erfolgreichen Präventionskampagne „Risiko raus!“ steht nun das Thema Rückenbelastungen im Mittelpunkt

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Mit der Unfallverhütungsvorschrift „Betriebsärzte und Fachkräfte für Arbeitssicherheit“ (DGUV Vorschrift 2) gibt es erstmals für Unfallkassen und Berufsgenossenschaften eine einheitliche und gleichlautende Vorgabe zur Gestaltung der betriebsärztlichen und sicherheitstechnischen Betreuung von Betrieben, öffentli-chen Verwaltungen und Bildungseinrichtungen in Deutschland.

Im Mittelpunkt steht das neue Konzept der Regelbetreuung von Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten. Sie besteht aus der Grundbetreuung und einem betriebsspezifischen Teil der Betreuung. Erste Erfahrungen mit der Umsetzung der neuen Regelungen in der Praxis ergaben, dass insbesondere die inhalt-liche Ausrichtung der Vorschrift sehr positiv bewertet wird. Denn dadurch geraten Arbeitsschutzthemen und nicht nur quantita-tive Angaben zur Ressourcenbereitstellung in den Mittelpunkt. Die Vorschrift gibt auf Grund ihres inhaltlichen Ansatzes und des Erfordernisses der Kooperation im Betrieb neue Impulse für die innerbetriebliche Diskussion hinsichtlich der erforderlichen Ar-beitsschutzmaßnahmen. Das einheitliche Grundschema für alle Unfallversicherungsträger wird ebenfalls positiv bewertet. Darü-ber hinaus wird zum einen die neue Flexibilität begrüßt und zum anderen werden die von der DGUV und den Unfallversicherungs-trägern zur Verfügung gestellten Handlungshilfen genutzt und gut angenommen. Allerdings wurde der Aufwand zur Umsetzung der Vorschrift anfangs als hoch empfunden. So gestaltete sich

zunächst die Zuordnung des Betriebes zu einer Betreuungsgrup-pe der Grundbetreuung (WZ Kode) teilweise ebenso schwierig wie die ungewohnte Abschätzung des Personalaufwandes für den betriebsspezifischen Teil der Betreuung.

Eine erste umfassende Erhebung zur Umsetzung der DGUV Vorschrift 2 fand im Oktober 2012 durch Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger statt. Die Ergebnisse bringen zum Ausdruck, dass die DGUV Vorschrift 2 bei den meisten Betrieben und Verwaltungen inzwischen gut angekommen ist, es aber in vielen Betrieben noch weiteren Unterstützungsbedarf hinsicht-lich der Umsetzung gibt. So haben etwa 70 Prozent der befragten Unternehmen die DGUV Vorschrift 2 vollständig oder teilweise umgesetzt. Im Rahmen der Grundbetreuung bereiten inzwischen die Zuordnung der Betriebe zu den drei Betreuungsgruppen sowie die Ermittlung der Einsatzzeit den allermeisten Betrieben keine Probleme mehr. Erfreulich ist auch, dass im Rahmen des betriebsspezifischen Teiles der Betreuung die meisten Betriebe die Relevanz der Aufgabenfelder vollständig ermittelt und ent-sprechende Vereinbarungen getroffen haben.

Um die betrieblichen Akteure bei der Anwendung der DGUV Vorschrift 2 zu unterstützen, haben DGUV und Unfallversiche-rungsträger umfangreiche Praxishilfen entwickelt. Die von der DGUV zur Verfügung gestellten Umsetzungshilfen können kos-tenfrei im Internet heruntergeladen werden. www.dguv.de (webcode: d106697)

DGUv vorschrift 2: Kommt gut anViele Betriebe haben die überarbeitete Unfallverhütungsvorschrift bereits erfolgreich umgesetzt

„Durch ihre inhaltliche Ausrichtung und ihren flexiblen Ansatz ermöglicht die DGUV Vorschrift 2 allen Betrieben, Verwaltungen und Bildungsein- richtungen eine passgenaue betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung.“

GErharD STrOThOTTEabteilung Sicherheit und Gesundheit der DGUv, leiter der Unterabteilung „Betrieblicher arbeitsschutz“

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Präventionskultur – Präventionsstrategien

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Gemeinsam für mehr Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit – darauf haben sich Bund, Länder und Unfallversicherungsträger 2008 verständigt und mit der Gemeinsamen Deutschen Arbeits-schutzstrategie (GDA) eine neue Form der Zusammenarbeit ins Leben gerufen. Sie hat das Ziel, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu stärken. Nach einer erfolgreich abgeschlossenen ersten GDA-Periode (2008-2012) hat 2013 eine neue begonnen. In ihr werden die bis zum Jahr 2018 verbindlichen Ziele und Arbeitsprogramme im Arbeitsschutz festgelegt.

Die ersten fünf Jahre der GDA haben den Beteiligten viele Erfahrungen gebracht – auch hinsichtlich möglicher Optimie-rungen oder Veränderungen der Arbeit. Die Herausforderung bestand darin, die entsprechenden Strukturen zu schaffen und vor allem die GDA vor Ort zu verankern. Inzwischen ist die GDA kein Exot mehr in der täglichen Arbeitsschutzpraxis und wird insbesondere auch von den Betrieben nicht mehr als Sonderpro-gramm innerhalb der „normalen“ Präventionsarbeit angesehen.

Die Bilanz der ersten GDA-Periode zeigt, dass die Präventi-onsmaßnahmen der themenbezogenen Programme erfolgreich sind und Wirkung zeigen. Doch der große Erfolg der GDA besteht darin, dass die verschiedenen Akteure im Arbeitsschutz enger kooperieren und sich intensiv abstimmen. Mit der GDA wurde eine Systematisierung des Arbeitsschutzes erreicht, bei der nicht mehr – wie in der Vergangenheit mitunter wahrgenommen – ein Nebeneinander der Beteiligten, sondern ein abgestimmtes und geplantes Vorgehen im betrieblichen Arbeitsschutz stattfin-det. Vor allem die Verabschiedung gemeinsamer Leitlinienpa-piere, zum Beispiel zum Vorschriftenwerk oder zur psychischen Gesundheit im Betrieb, sendet ein wichtiges Signal im dualen Arbeitsschutzsystem Deutschlands. Dieser Effekt lässt sich zweifellos auch in der internationalen Szene gut darstellen, wo es ja in der Vergangenheit zu teilweise deutlicher Kritik an feh-lenden Strukturen einer systematisch ausgerichteten deutschen Arbeitsschutzstrategie gekommen war.

Die aktuelle GDA-Periode wird drei Ziele im Fokus haben:

Verbesserung der Organisation des betrieblichen Arbeitsschutzes,

Verringerung von arbeitsbedingten Gesundheitsgefährdungen und Erkrankungen im Muskel-Skelett-Bereich und

Schutz und Stärkung der Gesundheit bei arbeitsbedingter psychischer Belastung.

Nach dem Übergang von der ersten in die jetzige zweite GDA-Periode wird es darauf ankommen, bewährte Instrumente der Prävention, die teilweise für die Arbeitsprogramme der ersten GDA-Periode gezielt neu entwickelt wurden, auf Dauer nutzbar zu erhalten. Die hiermit erreichbare Verstetigung dient der Qualitätssicherung in der Präventionsarbeit und bildet damit die Verbindung zwischen Bewährtem und Neuem. Zudem beraten sich die Praktikerinnen und Praktiker über die Präven-tionsarbeit der GDA regelmäßig unter anderem in den jeweils auf der Landesebene durchgeführten Erfahrungsaustauschen zwischen den Gemeinsamen Landesbezogenen Stellen (GLS) der Unfallversicherungsträger und den regional zuständigen Arbeitsschutzverwaltungen. Die Gesamteindrücke aus allen bislang durchgeführten Veranstaltungen liefern ein überwie-gend bemerkenswert positives Bild. Ein besonderes erwäh-nenswertes Fazit lautet hier, dass sowohl auf der Landesebene als auch bei der Kooperation auf der betrieblichen Ebene die Mechanismen der gegenseitigen Abstimmung zum Teil bereits sehr gut funktionieren.

Bewährtes und neues bei der GDaDie Gemeinsame Deutsche Arbeitsschutzstrategie ist mit neuen Zielen und Arbeitsprogrammen in das Jahr 2013 gestartet

Mit der GDA wurde eine Systematisierung des Arbeitsschutzes erreicht, bei der ein abgestimmtes und geplantes Vorgehen im betrieblichen Arbeitsschutz stattfindet.

„Es kommt jetzt darauf an, die mit der GDA bereits erzielten Erfolge mit einer strukturierten Kooperation aller Akteure im Arbeitsschutz zu verstetigen.“

MIChaEl JanSEnleiter strategische Kooperationen im Stabsbereich Prävention der DGUv

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Mit dem von der Mitgliederversammlung der DGUV beschlos-senen DGUV Grundsatz 401 „Fachbereiche und Sachgebiete“ wurden zur Unterstützung des gesetzlichen Präventionsauftra-ges der Unfallversicherungsträger 15 so genannte Fachbereiche eingerichtet. Sie ersetzen die bis dahin über 40 Fachausschüs-se und -gruppen und bilden von „Bauwesen“ bis „Verwaltung“ alle gängigen Branchen und Betriebsarten ab. Fachbereiche sind strategische, fachpolitische und koordinierende Gremien. Ihre Aufgabe ist unter anderem die fachliche Beratung und Un-terstützung der DGUV und ihrer Mitglieder, staatlicher Stellen, der Hersteller sowie Betriebe, von Unternehmen, Versicherten und Betreibern von Einrichtungen und Anlagen (in Absprache mit dem zuständigen Unfallversicherungsträger) insbesondere in Fragen der Prävention. Sie können zudem Produkte, Per-sonen und Managementsysteme prüfen und zertifizieren und wirken intensiv in der Normung mit.

Um ihre vielfältigen Aufgaben zu erledigen, haben die Fachbe-reiche insgesamt 99 so genannte Sachgebiete (anstelle von bis-lang 260) gebildet. Diese bearbeiten in der Regel projektbezogen bestimmte Themen in einer vorgegebenen Zeit. Dabei haben sie sich am Stand der Technik, der Arbeitsmedizin und Hygiene und

sonstigen gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen zu orientieren. Nahezu jeder Fachbereich hat in den zugeordneten Sachgebieten auch hochaktuelle Gesundheitsthemen verankert.

Die DGUV hat – von wenigen Ausnahmen abgesehen – ganz der Idee des Präventionsnetzwerkes folgend die treuhän-derische Verantwortung für die Fachbereiche und Sachgebiete einvernehmlich auf die Berufsgenossenschaften und Unfall-kassen übertragen, denen damit eine große Verantwortung zukommt. Nach dem Prinzip „Einer für alle“ widmen sich Fachbereiche und Sachgebiete in ihrem Zuständigkeitsbereich allen Fragen von Sicherheit und Gesundheit ganzheitlich und erarbeiten eine für alle Unfallversicherungsträger verbindliche, einheitliche und gesicherte Fachmeinung. Die neue Organi-sationsstruktur bietet dabei allen die Möglichkeit, auf allen Ebenen mitzuwirken: Sozialpartnern, Selbstverwaltern, Unfall-versicherungsträgern, Ministerien, Ländern und Gemeinden, Herstellern, Betreibern und vielen weiteren. Damit verfügt die gesetzliche Unfallversicherung über ein Netzwerk von Arbeits-schutzexperten, das seinesgleichen sucht.

www.dguv.de (webcode: d36139)

Das „Kompetenz-netzwerk Prävention“Fachbereiche und Sachgebiete bieten fachlich fundierte Unterstützung in allen Fragen zu Sicherheit und Gesundheit

regelungen für einen starken arbeitsschutz

Ein abgestimmtes Vorschriften- und Regelwerk, das Doppel-regelungen vermeidet, Betriebe entlastet und das Arbeits-schutzniveau weiter stärkt – dies ist ein Kernbestandteil der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA). Aus diesem Grund erarbeiteten die Träger der GDA Ende 2011 ein „Leitlinienpapier zur Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerkes im Arbeitsschutz“. Leitprinzip ist, dass staatli-che Vorschriften sowie das Regelwerk staatlicher Ausschüsse vorrangige Instrumente zur Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sind.

Unfallverhütungsvorschriften (UVVen) der Unfallversiche-rungsträger können – entsprechend § 15 SGB VII – demnach nur noch erlassen werden, soweit dies zum Zweck der Prävention ge-eignet und erforderlich ist und staatliche Arbeitsschutzvorschrif-ten über die geplanten Inhalte der UVV keine Regelung treffen. UVVen können zudem in solchen Bereichen erarbeitet werden, für die staatliche Arbeitsschutzvorschriften nicht direkt gelten (zum Beispiel für freiwillig Versicherte) oder in denen das staatliche Recht den Unfallversicherungsträgern die Konkretisierung über-lässt, wie etwa im Fall der DGUV Vorschrift 2 (Betriebsärzte und

Fachkräfte für Arbeitssicherheit). Daneben könnten UVVen auch dort erarbeitet werden, wo das staatliche Recht lediglich allge-mein gehaltene Anforderungen aufstellt, ohne dass es für die not-wendige Konkretisierung einen staatlichen Ausschuss gibt. Oder wenn eine eng begrenzte, branchenspezifische Gefährdungslage besteht, die für eine Festlegung von Schutzmaßnahmen im staat-lichen Vorschriften- und Regelwerk zu speziell wäre.

Unterhalb des verbindlichen Satzungsrechts können die Unfallversicherungsträger zudem konkrete Hilfestellungen für die oftmals abstrakt formulierten staatlichen Arbeitsschutzvorschrif-ten oder UVVen erstellen. Ein wesentliches Instrument bilden dabei künftig die Branchenregeln. Diese verbinden die staatli-chen Regeln mit branchenspezifischen Inhalten und ergänzen sie beispielsweise durch Aspekte der Gesundheitsförderung sowie Erfahrungswissen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Branchenregeln können auf diese Weise ein tätigkeits-, arbeits-platz- oder arbeitsverfahren-bezogenes Gesamtkompendium für Betriebe einer bestimmten Branche bilden.

www.gda-portal.de > vorschriften- und regelwerk

Neuordnung des Vorschriften- und Regelwerkes klärt Abgrenzung zwischen staatlichen Vorschriften und Unfallverhütungsvorschriften

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Präventionskultur – Präventionsstrategien

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Die Arbeitswelt unterliegt einem immer schneller werdenden Wandel. Dies wirkt sich zunehmend auch auf die Normung aus: Die Zeiten sind vorbei, in denen sich Normungskomitees dem Vereinheitlichen von Maßen oder harten und messbaren Fakten widmen konnten, um allgemein an-erkannte Regeln der Technik festzulegen.

Schon lange nagen auch immer schneller werdende Entwicklungsrhyth-men neuer Produkte, eine wahre Flut neuer Themen wie Dienstleistungen oder Managementsysteme und, mangels Zeit und Geld, der Rückzug vieler Norman-wenderinnen und -anwender aus den Arbeitsgruppen an den Fundamenten des Systems. Dass Normen zunehmend nicht nur auf europäischer, sondern gleich auf internationaler Ebene erarbeitet werden, erschwert die Sache zusätzlich. Und zwar insbesondere für diejenigen, die schon bisher Mühe hatten, mit den anfallenden Reisekosten oder notwendigen Sprach-kenntnissen zurechtzukommen. Die so entstandenen Lücken bei den „klassi-schen Normen“ werden daher immer häu-figer durch Foren und Konsortien gefüllt, wo nur wenig Wert gelegt wird auf einen hohen Konsensgrad oder eine breite Be-teiligung der interessierten Kreise. Zudem wird hier eine öffentliche Einspruchsbe-ratung nur im Einzelfall durchgeführt. So unbeschwert vorzugehen ist eben einfach schneller – die Frage ist: Wie soll das bisherige System am besten reagieren?

Seit dem 1. Januar 2013 gilt die Eu-ropäische Verordnung Nr. 1025/2012 zur Normung. Sie ist der Versuch, den heu-

tigen Herausforderungen Rechnung zu tragen, ohne die wesentlichen Grundpfei-ler und bewährten Strukturen der euro-päischen Normung in Frage zu stellen. So sollen zum Beispiel europäische Normen künftig wesentlich schneller erarbeitet werden, mehr Dienstleistungsnormen entstehen und der Einfluss europäischer Organisationen gestärkt werden, die in den Gremien von CEN und CENELEC gesellschaftliche Interessen vertreten. Gleichzeitig wurde daran festgehalten, dass bei CEN und CENELEC weiterhin nur die nationalen Delegationen über eine Norm abstimmen dürfen.

Bedenklich am Spagat zwischen Bewährtem und Neuem ist aus Sicht des Arbeitsschutzes jedoch, dass die Finan-zierung der Normung künftig an Bedin-gungen wie den rechtzeitigen Abschluss der Arbeiten geknüpft wird, denn Nor-menausschüsse stehen ohnehin schon unter sehr hohem Zeitdruck. Es ist zu befürchten, dass vermehrt unausgereifte Ergebnisse in Normen festgeschrieben werden, was auch sicherheitstechnisch bedenkliche Folgen haben könnte. Eben-falls bedenklich ist, dass die Normungs-organisationen in Europa versuchen, den Wildwuchs an Foren und Konsortien zu bändigen, indem sie diese unter ihre Fittiche nehmen und die Resultate etwa als CWA oder DIN SPEC (PAS) veröffentli-chen. Diese Spezifikationen spiegeln nur bedingt den Konsens der interessierten Kreise wider. Unbedarfte Anwenderinnen und Anwender können den Unterschied zu einer Norm kaum einschätzen.

www.kan.de

normen: Schneller Konsens versus Sorgfalt?Europäische Verordnung zur Neugestaltung des Normungssystems bringt notwendige Änderungen, aber auch sicherheitstechnische Risiken

Prävention im netz

Hier haben wir weitere Informationen und Ressourcen zum Kapitel „Präventions-kultur – Präventionsstrategien“ für Sie zusammengestellt.

Gemeinsame Deutsche arbeitsschutzstrategie www.gda-portal.de

Kampagne „Denk an mich. Dein rücken“ www.deinruecken.de

normung www.kan.de

Kontaktpersonen

Die DGUV ist gerne für Sie da. Hier finden Sie Ihre Kontakt- person zu verschiedenen Themen im Kapitel „Präventions kultur – Präventionsstrate gien“.

Erfolgsfaktor ArbeitsschutzDr. Thomas KohstallTelefon: 0351 4571100

DGUV Vorschrift 2Dr. Frank BellTelefon: 02241 2311357

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arbeitsschutz heute: global denken, lokal handelnPrävention kennt keine Grenzen: Im Zeitalter der Globalisierung ist arbeitsschutz zu einer aufgabe geworden, der wir uns zusammen mit Partnern aus der ganzen welt jeden Tag gerne aufs neue stellen. andere unterstützen, von anderen lernen – so funktioniert Prävention heute. Die gesetzliche Unfallversicherung kümmert sich darum, dass internationale arbeitsschutzbestimmungen in Deutschland so umgesetzt werden, dass alle davon profitieren. Denn nur mit grenzenloser Sicherheit wird weltweit gerne gearbeitet.

Weil Arbeitsschutzkeine Grenzen kennt.

Prävention nachhaltig gestalten:

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XX. wElTKOnGrESS Für SIChErhEIT UnD GESUnD-hEIT BEI DEr arBEIT 2014Unsere vision: Eine welt ohne tödliche und schwere arbeitsunfälle. Unsere Mission: Mit vereinten Kräften daran arbeiten, dass visionen wirklichkeit werden.

Die DGUV richtet den XX. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014: Globales Forum für Prävention in Frankfurt am Main aus

2014 blickt die internationale Arbeitsschutzszene nach Deutsch-land: Vom 24. bis 27. August richtet die DGUV in Frankfurt am Main den XX. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014: Globales Forum Prävention aus. Gemeinsam mit der Inter-nationalen Arbeitsorganisation (ILO) sowie der Internationalen Vereinigung für soziale Sicherheit (IVSS) lädt sie zum länderüber-greifenden Dialog und Erfahrungsaustausch ein.

Erwartet werden über 4.000 Menschen aus aller Welt: Sicherheitsexpertinnen und -experten, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Beschäftigte, Entscheiderinnen und Ent-scheider aus Politik und Behörden, Sozialpartner sowie alle, die auf dem Gebiet Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit tätig sind. Der Weltkongress 2014 bietet nicht nur die Möglich-keiten des Austauschs von neuestem Wissen und Erfahrungen, er schafft auch Begegnungen, bietet vielfältige Partizipations-möglichkeiten und fördert das Kennenlernen von Menschen und Best-Practice-Beispielen.

Drei Hauptthemen bilden das Gerüst für die inhaltliche Gestal-tung des Kongresses:

Präventionskultur – Präventionsstrategien – Vision Zero Herausforderungen für die Gesundheit bei der Arbeit Vielfalt in der Arbeitswelt

Das Programm richtet sich am Leitbild der Nachhaltigkeit aus. Thematisch einbezogen sind die weltumspannenden Fragen zur Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.

Der Weltkongress 2014 soll ein Kongress der kurzen Wege werden – ein Kongress, von dem alle etwas mit nach Hause nehmen, ganz gleich, aus welchem Land sie kommen und welche Situation im Arbeitsschutz vorherrscht. Entsprechend heterogen ist das angebotene Themenspektrum der insgesamt 30 geplanten Symposien: Von der „Wirtschaftlichkeit von Präventionsmaßnahmen“ über „Neue Energieformen, Materia-lien und Technologien für mehr Umweltschutz und Gesundheit bei der Arbeit“, die „Prävention psychosozialer Risiken“ oder den „Aufbau von Präventionsstrukturen und -einrichtungen in Schwellen- und Entwicklungsländern“ bis zu „Gewerkschafts-strategien zur Beseitigung gesundheitsgefährdender Arbeits-bedingungen“ ist für jede und jeden etwas dabei.

Hinzu kommen weitere sechs Fachveranstaltungen (Techni-cal Sessions), von denen jeweils zwei von den drei Organisato-ren gestaltet werden. In den Händen der DGUV liegen die The-men „Gesunde Arbeitsplätze – gesunde Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ sowie „Vielfalt und Diversität in der Arbeitswelt“.

Die Kongresssprachen sind Englisch, Französisch, Spanisch und Deutsch. Der Weltkongress 2014 findet im Congress Center der Frankfurter Messe statt.

XX. wElTKOnGrESS Für SIChErhEIT UnD GESUnDhEIT BEI DEr arBEIT 2014

weltweit vernetzt für den arbeitsschutz

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herr Staatssekretär, Singapur hat sich anspruchsvolle, fast revolutionäre Ziele für die Sicherheit und Gesundheit von ar-beitnehmern gesteckt. wie wollen Sie diese Ziele erreichen?Wir haben eine Arbeitsschutzstrategie ins Leben gerufen, an der wir unsere Bemühungen um sichere und gesunde Arbeits-plätze für alle ausrichten und die als Richtschnur für ein Land dient, das für seine gute Arbeitsschutzpraxis bekannt ist. Mit dem Ziel der Arbeitsschutzstrategie 2018, die Zahl der Arbeits-unfälle bis zum Jahr 2018 auf weniger als 1,8 tödliche Arbeits-unfälle je 100.000 Beschäftigte zu reduzieren, hat Singapur auf unterschiedlichen Plattformen und Initiativen bereits Bezug auf die Grundprinzipien der Vision Zero genommen und dabei betont, dass jeder tödliche Arbeitsunfall, jede schwere arbeits-bedingte Erkrankung, jeder schwere Unfall ein Fall zu viel ist. Das Konzept als solches ist für uns somit nichts Neues.

In den letzten Jahren ist es hinsichtlich der Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz zu signifikanten Fortschritten und Verbesserungen gekommen. Die 2005 verabschiedete Arbeitsschutzreform und die konsequente Ausweitung der Arbeitsschutzgesetzgebung auf sämtliche Arbeitsplätze in 2011 haben entscheidend dazu beigetragen, die Zahl der tödli-chen Arbeitsunfälle in unserem Land zu halbieren, und zwar auf 2,1 pro 100.000 Beschäftigte in 2012. Jetzt zeichnet sich allerdings eine Stagnation unserer Arbeitsschutzleistung auf hohem Niveau ab. Deshalb haben wir Arbeitsschutzstrategien weltweit untersucht. Dabei haben wir einige wenige Bereiche ermittelt, in denen wir sowohl gemeinsam als Nation als auch im Rahmen der allgemeinen nationalen Arbeitsschutzagenda tätig werden müssen. Noch befinden wir uns im frühen Sta-dium der Datenerhebung, in deren Verlauf wir das Gespräch mit Akteuren des Arbeitsschutzes suchen werden. Aus diesen Kontakten erhoffen wir uns neue Erkenntnisse und Schwung für die nächste Etappe unserer Arbeitsschutzreise.

Singapur hat mit seinen drei Partnern, dem Gewerk-schaftsbund, dem Arbeitgeberverband und dem Rat für Si-cherheit und Gesundheit bei der Arbeit das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über den För-derungsrahmen für den Arbeitsschutz C187 am 11. Juni 2012 ratifiziert. Bereits während der ersten Konferenz in Singapur 2010 über Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit unter-zeichnete unser Land am 15. September 2010 die Erklärung von Seoul. Als Unterzeichner sind wir verpflichtet, einen aktiven Beitrag für ein sicheres und gesundes Arbeitsumfeld zu leisten, in dem der Grundsatz der Prävention höchste Priorität hat.

Je besser die Situation im arbeitsschutz ist, desto schwieriger werden weitere verbesserungen. hier ist ein starkes Engage-ment von Seiten der Unternehmen, Experten und wirtschaft-lichen und politischen Entscheidungsträger gefordert. wie wollen Sie dies erreichen?Damit sich der Arbeitsschutz wirkungsvoll entwickeln kann, muss jeder Einzelne seinen Beitrag leisten. Hier ist es auf jeden Fall wichtig, dass wir uns abstimmen und nicht jeder Fachbe-reich einzeln vorgeht. Als Ausdruck einer gelebten, fortschritt-lichen und umfassenden Kultur im Arbeitsschutz und da wir uns vom Paradigma „wir müssen“ zugunsten von „weil wir es wollen‘“ verabschieden, hat Singapur das „CultureSAFE“-Programm entwickelt. Dieses Programm wird Unternehmen, die bereits ein solides Arbeitsschutzsystem aufgebaut haben, unabhängig von ihrer Größe kostenlos zur Verfügung gestellt. Ein Index für die betriebliche Arbeitsschutzkultur wird damit entwickelt, der sowohl die Bereiche aufzeigt, in denen das Un-ternehmen gut dasteht, als auch diejenigen, in denen noch wei-tere Maßnahmen erforderlich sind. Wir wollen einen branchen-spezifischen Index für die Arbeitsschutzkultur auf nationaler Ebene als Benchmark aufbauen, der es uns erlaubt, Fortschritte beim Aufbau unserer Arbeitsschutzkultur zu erkennen.

In den letzten Jahren war es uns wichtig, in unseren Bemü-hungen zur Sensibilisierung und aktiven Arbeit immer konse-quent zu sein, um unserem Anspruch, jede gesellschaftliche Gruppe zu erreichen, gerecht zu werden. Wir werden nicht nachlassen. 2011 haben wir das Institut für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit gegründet. Es sorgt für den Aufbau und die Verbreitung von Arbeitsschutz-Knowhow in Singapur. Dank seiner exzellenten Forschung, seiner Fort- und Weiter-bildungsangebote wird dieses neue Institut seinen Beitrag zu höheren Arbeitsschutzstandards leisten. Wir möchten errei-chen, dass die evidenzbasierte und angewandte Forschung der Politik und den Strategien im Arbeitsschutz zugutekommt und so einen Paradigmenwechsel herbeiführt.

welche rolle spielt das obere Management beim aufbau einer starken Präventionskultur?Das obere Management nimmt in jedem Unternehmen eine Schlüsselposition für den Arbeitsschutz ein. In der Wertschöp-fungskette kann jeder Einzelne Unterstützer oder Befürworter für Arbeitsschutz sein. Fehlt es allerdings an der Unterstüt-zung durch die oberste Führungsebene, wird es wesentlich schwieriger, Dinge zu bewegen. Wir haben in Singapur eine Vielzahl an Möglichkeiten, in Kontakt zu Unternehmern und

„Wir wollen, dass jeder sicher und gesund nach Hause zurückkehrt“Singapur stärkt mit einer arbeitsschutzstrategie das Thema Prävention

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Führungskräften zu treten und für eine stärkere Würdigung des Arbeitsschutzes auf sie einzuwirken. Viele Unternehmer sind in unseren Branchenausschüssen unter Führung des „Rates für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz“ vertreten und engagieren sich aktiv für Verbesserungen im Arbeitsschutz. Wir lassen nicht locker und setzen weiterhin alles daran, die Führungskräfte auf ihre bedeutende Rolle im Arbeitsschutz hinzuweisen. Unser brandneues nationales Führungsinst-rument für Arbeitsschutz soll überzeugende und sichtbare Beispiele von Führung fördern, die wiederum den Boden für eine starke Arbeitsschutzkultur bereiten. Diese Vision wird von strategischen Ergebnissen auf drei Ebenen unterstützt, der Ebene des Individuums, der Organisation und des Landes. In den kommenden Jahren arbeiten wir an dem Bewusstsein für die Bedeutung von Management-Vorbildern im Arbeitsschutz, auf Grundlage der auf Singapur bezogenen Forschung.

In asien ist Singapur das erste land, das auf die Grundprinzipi-en der vision Zero für Sicherheit und Gesundheit bei der arbeit zur Unterstützung der eigenen Politik verwiesen hat. welche Gründe sprechen für diese Entscheidung?Wir haben uns ein sehr anspruchsvolles Ziel gesteckt – wir wollen Denkmuster und Meinungen zur Unfallvermeidung verändern und eine umfassende Arbeitssicherheitskultur aufbauen. Genau hier müssen wir einen Bewusstseinswandel erreichen und für neue Möglichkeiten offen sein. Wir müssen uns die Philosophie zu eigen machen, nach der jeder Unfall am Arbeitsplatz vermieden werden kann und nicht hingenom-men werden darf. Jede Tätigkeit und jeder Ort bergen Risiken. Sie müssen so weit wie möglich bewertet, verringert und beseitigt werden. Wir wollen garantieren können, dass jeder Arbeitnehmer am Ende eines jeden Arbeitstages sicher und gesund nach Hause zurückkehrt.

welche Erwartungen verbinden Sie mit dem aufbau einer neuen Präventionskultur in asien? Das Prinzip der Prävention im Arbeitsschutz besteht zwar schon seit geraumer Zeit, in Asien erfreut es sich jedoch erst jetzt breiterer Unterstützung und Anerkennung. Die Arbeit und enge Partnerschaft unter den Mitgliedern des Arbeitsschutz-netzwerks innerhalb des Verbands südostasiatischer Staaten (ASEAN-OSHNET) – eine Plattform zur Förderung der Zusam-menarbeit regionaler Arbeitsschutzzentren und -behörden – haben sich angesichts der Verbesserungen im Arbeitsschutz in den letzten Jahren für die Mitgliedsländer als sehr hilfreich erwiesen. Darüber hinaus haben wir die Arbeitsschutzkon-ferenz Singapur als regionale Plattform für alle Akteure des Arbeitsschutzes ins Leben gerufen. Arbeitsschutzexperten, Unternehmer und Regierungsbeamte tauschen sich hier über neueste Trends und Entwicklungen im Arbeitsschutz aus. All diese Initiativen werden vom Arbeitsschutzinstitut unterstützt, das als Beobachtungsstelle für den Arbeitsschutz Verände-rungen in Beschäftigung, Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung beobachtet und analysiert und an Forscher, Politiker und Un-

ternehmen in Singapur und der Region kommuniziert. Ich bin überzeugt, dass diese Plattformen zum organischen Wachstum einer dynamischen Entwicklung für bessere Arbeitsschutz-ergebnisse und -leistungen in Asien beitragen. Wir sind an diesem Punkt zwar noch nicht angekommen, tun aber alles für einen kontinuierlichen Fortschritt.

Singapur wird 2017 ausrichter des XXI. weltkongresses für Sicherheit und Gesundheit bei der arbeit sein. wird der welt-kongress Ihrer ansicht nach zu einer globalen Präventionskul-tur beitragen?Wir sehen dem XXI. Weltkongress für Sicherheit und Gesund-heit bei der Arbeit in Singapur 2017 mit großer Spannung und Vorfreude entgegen. Gleichzeitig fühlen wir uns sehr geehrt, Gastgeber unserer internationalen Partnerorganisationen sein zu dürfen. Der Umstand, dass die ganze Bandbreite an Arbeits-schutzakteuren (Entscheidungsträger, Experten, Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern) auf dieser Plattform zum Austausch von Informationen und Ansichten aus der ganzen Welt zusammenkommt, wird bestimmt zu einer globalen „WorkSafe“-Präventionskultur beitragen.

Hawazi Daipi Parlamentarischer Staatssekretär für arbeit und Bildung, republik Singapur

Hawazi Daipi ist parlamentarischer Staatssekretär im Arbeits- und Bildungsministerium. Seit 1996 ist er Abgeordneter und leitet den Ausschuss zur Beschäftigung im Niedriglohnsektor sowie den Ausschuss zur Förderung der Work-Life-Balance. Neben seiner Erfahrung in der öffentlichen Verwaltung verfügt Hawazi Daipi über umfassende Kenntnisse in den Bereichen Bildung, Journalismus und Gewerkschaftsarbeit.

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Prävention im globalen netzwerk

Der Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014: Globales Forum Prävention spiegelt den aktuellen Stand der Prävention weltweit: Präsentiert werden neueste Trends und Entwicklungen, aktuelle Forschungsergebnisse und Best-Practice-Beispiele. Vom 24. bis 27. August 2014 erwartet die DGUV als Gastgeberin über 4.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Congress Center der Messe Frankfurt am Main.

Präventionskultur – Präventions-strategien – Vision ZeroVision Zero – eine Welt, in der Menschen sicher und gesund arbeiten und vor schweren oder tödlichen Unfällen geschützt sind. Dazu bedarf es einer alle Kontinente einbindenden Präventionskultur für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und nachhaltiger Strategien: zum Wohl der Menschen und zum Nutzen der Wirtschafts- und Sozialsysteme.

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Unsere Vision: Prävention nachhaltig gestalten

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XX. wElTKOnGrESS Für SIChErhEIT UnD GESUnDhEIT BEI DEr arBEIT 2014

„Für uns als Mitglieder des Weltkongress- Teams ist es eine besondere Herausforderung, den Teilnehmerinnen und Teilnehmern einen interaktiven Kongress anzubieten, auf dem sie sich angesprochen und wohl fühlen.“

Dr. SvEn TIMMProjektleiter des weltkongresses 2014, Stabsbereich Prävention der DGUv

Seit dem ersten Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit im Jahr 1955 in Rom bildet dieser bis heute alle drei Jahre die herausragende internationale Plattform zum Aus-tausch über aktuelle Entwicklungen im Bereich Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit.

Weltweit sind immer mehr Menschen an immer mehr Ar-beitsplätzen Gefährdungsrisiken ausgesetzt, zum Teil sehr hohen. Ein sicherer und gesunder Arbeitsplatz gilt jedoch als Menschenrecht. Wirksamer Arbeitsschutz hat zum Ziel, allen ar-beitenden Menschen dieses Recht zu gewähren.

Darüber hinaus hat Arbeitsschutz einen weiteren wichtigen Aspekt, der oft übersehen wird: Er bringt dem einzelnen Unter-nehmen wirtschaftliche Vorteile, denn Investition in Prävention nützt dem Betriebsergebnis. Das zeigt die Studie zum Return on Prevention („Calculating the international return on prevention for companies: Costs and benefits of investments in occupati-onal safety and health“) der Deutschen Gesetzlichen Unfallver-sicherung (DGUV), der Internationalen Vereinigung für Soziale Sicherheit (IVSS) und der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM). Ergebnis: Ausgaben für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz sind Inves-titionen, die sich für die Unternehmen rechnen. Der Return on Prevention (ROP) beträgt im Durchschnitt der untersuchten Län-der 2,2, das bedeutet, dass für jeden investierten Euro ein wirt-schaftlicher Gegenwert von 2,20 Euro erzielt wird.

Der Weltkongress 2014 in Frankfurt steht unter dem überge-ordneten Motto einer nachhaltigen Prävention. Der Fokus liegt da-bei auf drei Hauptthemen: Das erste Thema lautet „Präventions-kultur – Präventionsstrategien – Vision Zero“. Betrachtet wird, wie wirksamer Arbeitsschutz zu einer Welt ohne tödliche Arbeitsun-fälle verhelfen kann. Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten stetig und deutlich zu verringern, bleibt das herausragende Ziel, an der sich Strategien messen lassen müssen. „Herausforderungen für die Gesundheit bei der Arbeit“ ist das zweite Thema. Angesichts des Wandels in der Arbeitswelt wird der Erhalt der Gesundheit, trotz zunehmender Beeinträchtigungen wie Stress, immer wich-tiger. Im Rahmen des dritten Themas „Vielfalt in der Arbeitswelt“ wird beleuchtet, wie sich unterschiedlichste Beschäftigungsfor-men und Arbeitsstrukturen auf den Arbeitsschutz auswirken.

Insgesamt werden über 400 Akteure aus aller Welt die unter-schiedlichen Veranstaltungen wie Symposien, Technical Sessions und Foren gestalten. Dabei ist Interaktivität gefragt. So wird es ein Forum für Prävention geben, gestaltet wie ein großer Marktplatz: Über 200 Fachleute werden gleichzeitig Projekte, Ideen sowie neueste Aktivitäten vorstellen und zur Diskussion und zum Erfah-rungsaustausch anregen. Nach kurzer Zeit wechseln die jeweili-gen Besucherinnen und Besucher zu einer anderen Präsentation. Insgesamt besteht so für alle Teilnehmenden die Möglichkeit, sechs Präsentationen zu erleben und sich aktiv einzubringen.

Insgesamt bietet der Weltkongress 2014 die Plattform für einen intensiven Austausch zwischen Expertinnen und Exper-ten aller Weltregionen aus unterschiedlichen Bereichen der Si-cherheit und Gesundheit bei der Arbeit. Dieser Austausch soll nach dem Kongress nicht versiegen, sondern als Online-Net-working fortgesetzt werden. Denn Netzwerke stellen die Vor-aussetzung für eine weite Verbreitung von neuen Technologien, Wissen, Best-Practice-Beispielen sowie effektiven Maßnahmen zum Arbeitsschutz dar. Sie sind eine wesentliche Basis für eine nachhaltige Entwicklung. Effektive Maßnahmen mit langanhal-tender Wirkung bedürfen einer umfassenden Planungsphase sowie einer professionellen Umsetzung und intensiver Evaluie-

rung. Ohne Nachhaltigkeit werden Präventionsmaßnahmen in der Regel wie ein Feuerwerk „verpuffen“.

Um den professionellen Austausch nach dem Weltkongress effektiv weiterführen zu können, wurde bereits ein umfassen-des Online-Netzwerk in dem internationalen Business-Netzwerk „LinkedIn“ aufgebaut. Insgesamt nutzen über 200 Millionen Mitglieder aus rund 200 Ländern LinkedIn. Vor allem Fach- und Führungskräfte sind hier weltweit vernetzt. Zwischen den Teil-nehmerinnen und Teilnehmern des Weltkongresses 2014 sowie darüber hinaus werden in der LinkedIn-Gruppe „XX. Weltkon-gress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014“ und themenzentrierten Untergruppen Diskussionen und ein weltwei-ter Austausch zum Arbeitsschutz angeregt.

Die LinkedIn-Gruppen starteten bereits zur „3. Strategie-konferenz für Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit: Netzwer-ken für eine Präventionskultur“, die vom 6. bis 8. Februar 2013 in

Herausforderungen für die Gesundheit bei der Arbeit Die Erhaltung der Gesundheit der Menschen am Arbeits-platz stellt mit Blick auf neue technologische, wirtschaftli-che und gesellschaftliche Entwicklungen sowie angesichts der fortwährenden Globalisierung eine Herausforderung dar. Mit der Verlagerung von Produktionsstätten in andere Länder oder Kontinente werden gleichzeitig Risiken für die Gesundheit der Menschen mit verlagert.

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Vielfalt in der ArbeitsweltZunehmend mehr Menschen mit unterschiedlichen ethni-schen, kulturellen, religiösen und sprachlichen Wurzeln arbeiten zusammen. Weltweit haben sich neue Formen der Arbeit mit heterogenen Arbeits- und Beschäftigungsbedin-gungen entwickelt. Präventionsstrategien müssen sich an diesen komplexen Rahmenbedingungen orientieren und die wirtschaftliche Globalisierung sozial flankieren. Dabei spie-len auch Themen wie Gleichstellung der Geschlechter und die demografische Entwicklung eine Rolle.

Dresden stattfand. Die Strategiekonferenz fungierte als wichtiger Meilenstein für die Vorbereitung des Weltkongresses.

Ein Highlight des Kongresses bildet zudem das Internatio-nale Media Festival für Prävention (IMFP): ein weltweiter Wett-bewerb um die besten Filme und digitalen Medien zum Arbeits-schutz. Die besten Beiträge werden von einer international zusammengesetzten Jury auf dem Kongress ausgewählt und prä-miert. Bewegt-Bilder gewinnen bei der Mediennutzung auch im Arbeitsschutz immer stärkere Bedeutung. Ein Blick ins Internet zeigt, wie verbreitet Videos heute in der digitalen Information geworden sind. Entsprechend richtet der Weltkongress 2014 ei-nen deutlichen Fokus auf das Media Festival.

Zudem wird den Kongressteilnehmerinnen und -teilneh-mern die Möglichkeit geboten, bei Betriebsbesichtigungen unterschiedlicher Branchen praktische Prävention zu erleben. Aufsichtspersonen der Unfallversicherungsträger werden ge-meinsam mit Vertretern der jeweiligen Unternehmen effektive Präventionsmaßnahmen vor Ort erläutern.

Begleitend zum Weltkongress findet eine Ausstellung statt, die gemeinsam mit der Messe „Arbeitsschutz Aktuell 2014“ durchgeführt wird. Erwartet wird ein internationales Fachpub-likum aus über 100 Ländern. Die Kombination aus dem inter-nationalen Weltkongress 2014, der Fachmesse „Arbeitsschutz Aktuell 2014“ und dem angeschlossenen national orientierten Fachkongress ist einzigartig. Alle drei Events werden inhaltlich eng miteinander verzahnt. Ideale Voraussetzungen für Prä-ventionsexpertinnen und -experten, sich global zu vernetzen, Anregungen für die Präventionspraxis zu gewinnen und Produk-tionsinnovationen vor Ort zu testen.

www.safety2014germany.com

„Ein Leuchten in den Augen der Kongressteilneh-menden, sie haben neue Kontakte und Verabredun-gen getroffen, sie planen neue Kooperationsprojekte und wir sind auf dem Weg zu einer gemeinsamen Vision für eine nachhaltige Prävention weitergekom-men – dann war unsere Arbeit erfolgreich.“

SaBInE hErBSTStv. Projektleiterin des weltkongresses 2014, Stabsbereich Prävention der DGUv

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XX. wElTKOnGrESS Für SIChErhEIT UnD GESUnDhEIT BEI DEr arBEIT 2014

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Prävention im netz

Hier haben wir weitere Informationen und Ressourcen zum Kapitel „XX. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014“ für Sie zusammengestellt.

www.safety2014germany.com

Kontaktpersonen

Die DGUV ist gerne für Sie da. Hier finden Sie Ihre Kontaktperson zum Kapitel „XX. Weltkongress für Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit 2014“.

Kongresssekretariat Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV)Alte Heerstraße 11153575 Sankt AugustinTelefon: 02241 2312014Fax: 02241 2311471E-Mail: [email protected]

Dr. Sven TimmTelefon: 02241 2311316

Sabine herbstTelefon: 02241 2311377

ruth KraußeTelefon: 0351 4571129

weitere Informationen und anmeldungVeranstaltungsort des Weltkongresses 2014 ist die Messestadt Frankfurt. Die Metropole bietet beste Voraussetzungen: Über ihren Großflughafen ist sie international bestens zu erreichen, sie hat ein reiches Kulturangebot und das Congress Center liegt zentral in der City.

Erste ankündigungDie Erste Ankündigung informiert über den geplanten Programmablauf des Weltkongresses 2014, die Themen der Fachveranstaltungen und Symposien, den Veranstaltungsort und den Zeitpunkt des Kongresses sowie die Organisatoren und gibt praktische Reiseinformationen, zum Beispiel zu Anreise und Unterkunft. Außerdem finden Sie hier den Aufruf zum Einreichen von Beiträgen für Sympo-sien (Call for papers) sowie von Präsentationen (Call for presentations) für das Forum für Prävention.

ProgrammDas Programm umfasst eine Eröffnungs- und Abschlussveranstaltung, Sitzungen im Plenum mit Einführungsvorträgen, Fachveranstaltungen, Symposien, das Forum für Prävention sowie den Deutschen Abend. Diverse Fachbesichtigungen, das Internationale Media Festival für Prävention (IMFP) und eine begleitende Fachmesse runden das Kongressprogramm ab.

TermineBeginn der Online-Registrierung: 1. März 2013Abgabetermin für Abstracts: 30. November 2013Abgabetermin für das IMFP: 31. Januar 2014Ende der Online-Frühregistrierung: 15. Dezember 2013Ende der Online-Registrierung: 31. Juli 2014

Die Kongresssprachen sind Englisch, Spanisch, Französisch und Deutsch.

Über den Internetauftritt des Weltkongresses 2014 können Sie sich online anmel-den. Hier finden Sie auch die Erste Ankündigung mit dem kompletten Programm: www.safety2014germany.com

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Piano statt fortissimo: wir lieben Musik, keinen lärmDas Besondere an der gesetzlichen Unfallversicherung ist, dass wir auch dort präsent sind, wo man uns kaum vermutet: Zum Kapital einer Musikerin oder eines Musikers zählt ein einwandfrei funktionierendes Gehör. weil der arbeitgeber die verpflichtung hat, die Beschäftigten vor Gehör gefährdendem Schall zu schützen, hilft die gesetzliche Unfallversicherung auch Opernhäusern, Philharmonien und Konzertveranstaltern dabei, die Belastung ihrer Musikerinnen und Musiker genau zu ermitteln. Musik statt lärm – das hört sich doch gut an.

Weil wir auch dort sind,wo man uns kaum vermutet.

Prävention nachhaltig gestalten:

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Beschäftigte im Gesundheitswesen, im Handel und Gastge-werbe sowie in anderen Branchen arbeiten häufig in einer 24-Stunden-Arbeits- und-Dienstleistungswelt. Ökonomische und gesellschaftliche Veränderungen führen dazu, dass dabei die Arbeitszeiten immer weiter in die Abend- und Nachtstunden sowie Wochenenden ausgedehnt werden.

Da Schichtarbeit negative Konsequenzen für die Gesund-heit und das Wohlbefinden der Beschäftigten haben kann, ist es auch für die gesetzliche Unfallversicherung ein wichtiges Thema. Um das komplexe Phänomen angemessen bearbeiten zu können, waren alle drei Forschungsinstitute der DGUV – das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA), das Institut für Arbeitsschutz (IFA) und das Institut für Arbeit und Gesundheit (IAG) – sowie der Präventionsstab der DGUV an einem Projekt dazu beteiligt. Die Projektergebnisse wurden im DGUV Report 1/2012 „Schichtarbeit – Rechtslage, gesundheitliche Risiken und Präventionsmöglichkeiten“ zusammengefasst. Die Publikation bereitet die rechtlichen Rahmenbedingungen des Themas umfas-send auf, bildet die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Recher-chen ab und gibt Empfehlungen zum Umgang mit Schichtarbeit.

Die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer ist laut gesetzlicher Regelung nach den gesicherten arbeitswissenschaft-lichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit festzulegen. Somit ist die Qualität der gesetzlichen Regelung abhängig von der Qualität und den Erkenntnissen der Arbeitswissenschaften. Was die medizinischen Aspekte der

Schichtarbeit betrifft, so lässt sich festhalten, dass sich Schicht-arbeit auf physiologische Prozesse, wie zum Beispiel Schlaf, auswirkt. Die Untersuchungsergebnisse hinsichtlich der Auswir-kungen auf Übergewicht, Magen-Darm-Erkrankungen, Herz-Kreis-lauf-Erkrankungen oder Krebs sind nicht eindeutig. Die Studien zeigen jedoch: Schichtarbeit hat deutliche Konsequenzen für das Sozial- und Privatleben. Als ausreichend gesichert kann gelten, dass die Dauer, Lage und Verteilung der Arbeitszeit das Unfallrisi-ko beeinflussen. Zur Beantwortung verschiedener offener Fragen hat die DGUV bereits weitere Forschungsvorhaben initiiert.

Darüber hinaus hat die DGUV im Oktober 2012 die Tagung „Schichtarbeit – Risiken und Präventionsmöglichkeiten“ in Dresden durchgeführt. 100 Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus Unfallversicherung, Politik und Wirtschaft diskutierten Probleme und Lösungsansätze zu der Frage, wie sich gesundheitsgerechte Schichtsysteme realisieren lassen, die zugleich die Akzeptanz aller Beteiligten finden. Die aus der Tagung resultierenden Anregungen werden zukünftig im Fachbereich „Gesundheit im Betrieb“ der DGUV aufgegriffen. Die vielfältig vorhandenen Aktivitäten und Hilfestellungen der Unfallversicherungsträger werden gebündelt und auf den Internetseiten des Sachgebie-tes „Beschäftigungsfähigkeit“ zur Verfügung gestellt. Auch ist vorgesehen, für die Aufsichtspersonen eine Hilfestellung für ihre Beratungstätigkeit in Form eines Leitfadens zu erstellen.

www.dguv.de (webcode: d105787)

Schichtarbeit kann negative Konsequenzen für die Gesundheit haben – in einem Projekt hat die DGUV den aktuellen Wissensstand zusammengetragen

Schichtarbeit gesund gestalten

GESUnDhEITSGEFahrEn

GESUnDhEITSGEFahrEnErfolgreiche Prävention, das heißt auch: sich niemals zurücklehnen. Selbst dort, wo die Gefahren bereits bekannt sind. Denn nur wer aufmerksam bleibt, kann neue Perspektiven gewinnen.

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herr Prof. lopata, Sie haben viele Jahre in Südafrika geforscht und gelehrt, heute leben Sie in australien. was unterscheidet, was verbindet Forschung für den arbeitsschutz in Deutschland, Südafrika und australien?Einige Beispiele kann ich Ihnen nennen: In Südafrika und auf dem australischen Kontinent sind Arbeitnehmende, die unter freiem Himmel arbeiten, UV-Strahlung viel stärker aus-gesetzt. Insbesondere in Australien hat das Thema „Schutz vor UV-Strahlung bei der Arbeit“ in den letzten Jahren einen besonderen Stellenwert bekommen.

Während in Europa die Latexallergie durch eine erfolgrei-che Verknüpfung von medizinischer Forschung und prak-tischem Arbeitsschutz im Gesundheitswesen weitgehend reduziert werden konnte, ist sie in Australien und Südafrika weiterhin ein ernstzunehmendes Problem.

Darüber hinaus gibt es in Südafrika ein sehr großes Problem im Niedriglohnsektor und der sogenannten „Schat-tenwirtschaft“. In Landwirtschaftsbetrieben, im Straßen- und Transportsystem, bei Konstruktions- und Bauarbeiten, der Holzverarbeitung und -produktion sowie beim Verkauf von Lebensmitteln an Straßenständen sind die Menschen chemi-schen und biologischen Stoffen unkontrollliert ausgesetzt, die zu schweren gesundheitlichen Schäden führen können.

Auch stehen in Südafrika aufgrund der hohen Anzahl von HIV-Infektionen bzw. AIDS-Erkrankungen junge Erwachsene dem Arbeitsmarkt nicht oder nur eingeschränkt zur Verfügung.

warum ist die Erforschung von allergien so wichtig und wo la-gen Ihre Forschungsschwerpunkte zu Erkrankungen durch aller-gene am arbeitsplatz?Allergische Erkrankungen, die durch Inhalations-, aber auch durch Nahrungsmittelallergene verursacht werden, erreichen

mittlerweile epidemische Ausmaße. Die World-Allergy-Organi-sation (WAO) schätzt, dass allergische Erkrankungen etwa 30 bis 40 Prozent der Weltbevölkerung betreffen – mit einem stei-genden Anteil von Personen an den Arbeitsplätzen.

Während meiner Forschungen in Südafrika haben wir uns intensiv mit industriellen Bereichen beschäftigt, in denen viele Arbeiter tätig waren, die unter schweren allergischen Symptomen litten. Unser Ziel war es, die Auslöser zu finden und mit Interventionsstrategien die Lebens- und Arbeitsqua-lität zu verbessern.

Dabei haben wir etwa die Rolle von Nutzinsekten unter-sucht, die zur biologischen Schädlingsbekämpfung einge-setzt werden – betroffen davon sind nicht nur die Beschäftig-ten in der Landwirtschaft, sondern auch die Züchter dieser Insekten und Wissenschaftler.

Den größten internationalen Anklang hatte unsere Pio-nierstudie zu Allergien im Bereich der fischverarbeitenden Industrie mit mehr als 45 Millionen Beschäftigten. Sensibi-lisierung bis hin zum Berufsasthma ließen sich bei bis zu 36 Prozent der Arbeitnehmenden nachweisen. In einer intensi-ven internationalen Kooperation mit Kolleginnen und Kolle-gen aus Kanada und Norwegen, die eine ähnliche Industrie haben, konnten wir neue Methoden und Technologien entwi-ckeln und die Diagnostik sowie das Expositionsmanagement an diesen Arbeitsplätzen optimieren.

In einer aktuellen Studie in Südafrika haben wir Allergene in Gewürzen, Weizen- und Roggenmehlen in Supermarkt-bäckereien untersucht. Auf Basis der Daten konnten wir mit Unterstützung der Kollegen vom IRAS in den Niederlanden und dem IPA in Bochum Modelle erarbeiten, die uns eine Risikoeinschätzung ermöglichen. Diese wissenschaftlichen Kooperationen bestehen auch zukünftig.

„Allergien – hochaktuell auch im Süden der Erde“allergieauslösende Stoffe im Gesundheitswesen, der fischverarbeitenden Industrie, in Bäckereien und der Textilindustrie fordern auch auf der süd-lichen Erdhalbkugel Forscher und arbeitsschützer heraus

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GESUnDhEITSGEFahrEn

A/Prof. Dr. Andreas L. Lopata associate Professor andreas lopata, MSc, PhD ist Ko-Direktor des Center for Biodiscovery and Molecular Development of Therapeutics an der James Cook Universität (JCU) in australien. nach einem Biologiestudium und seiner Promotion in Südafrika am Institut for Infectious Disease and Molecular Medicine der Universität von Kapstadt konzentrierte er seine Forschung auf arbeitsbedingte allergien. 2006 siedelte er nach australien über und ist als wissenschaftler an der JCU tätig.

welche praktischen Ergebnisse für den arbeitsschutz ließen sich aus Ihren Forschungen ableiten?Aktuell existieren keine internationalen Standards zur Er-fassung von Meeresfrüchte- und Fischallergenen in der Luft. Wir konnten jedoch in der fischverarbeitenden Industrie Ab-teilungen und Tätigkeiten mit sehr hoher Allergenexposition ermitteln. Mittels Belüftungen und Verkapselungen von Pro-duktionseinrichtungen mit starkem Ausstoß von Allergenen konnten wir die Belastung deutlich reduzieren. Basierend auf unserer Studie werden zurzeit mit Kolleginnen und Kolle-gen aus den USA, Kanada und Norwegen Standards etabliert, um Allergenbelastungen in der fischverarbeitenden Industrie besser erfassen zu können.

Um Naturlatexallergien auch in Südafrika zu reduzieren, werden zurzeit gemeinsam mit dem Südafrikanischen Büro für Standards (SABS) Empfehlungen erarbeitet. Sie fordern auch für Handschuhe, die im Gesundheitswesen benutzt werden, einen Prüfbericht über ihren Latexallergengehalt.

Auch für Supermarktbäckereien werden jetzt Interven-tionsstrategien in Kooperation mit dem Institut für Risk As-sessment Sciences in Utrecht (IRAS) und dem IPA in Bochum entwickelt. Obwohl man weiß, dass Menschen in Bäckereien Mehlstaub so wenig wie möglich ausgesetzt sein sollten, sind die aktuellen Präventionsstrategien in Bäckereien nicht ausreichend erfolgreich.

Wir wissen heute, dass auch frühe Diagnostik und medizi-nische Überwachungsprogramme alleine nicht vor Sensibili-sierungen und allergischen Erkrankungen schützen. Allergen-expositionskontrollen scheinen der einzig wirksame Weg für die Prävention zu sein.

In Deutschland hatten wir in den 1990er-Jahren im Gesund-heitswesen ein massives Problem mit der naturlatexallergie. Das umfassende Präventionskonzept von Unfallversicherungs-trägern, arbeitsschützern, arbeitsmedizinern und wissen-schaftlern konnte das Problem weitgehend lösen. wie ging und geht Südafrika unter deutlich anderen rahmenbedingungen mit dieser Problematik um?Die Einführung der „Handschuhpolitik“, also die Verwen-dung ungepuderter Handschuhe mit geringem Proteinge-halt, hat das Problem in Europa erfolgreich gelöst. In Südaf-rika hingegen gibt es Latexsensibilisierungen noch immer bei bis zu 20 Prozent der Beschäftigten im Gesundheitswesen, weil sie nach wie vor die allergieauslösenden Handschuhe benut-zen. Laut einer aktuellen Studie des National Institute of Oc-cupational Health (NIOH in Johannesburg) sind im Gesund-heitssektor immer noch über 30 Prozent der Latexhandschuhe gepudert und über 80 Prozent besitzen einen hohen Latexall-ergengehalt – bei gesteigerter Verwendung von medizinischen Handschuhen als Infektionsschutz. Hohe Preise der latexfreien Handschuhe behindern zusätzlich die Lösung des Problems.

Südafrikanische Studien belegen zudem unerwartet hohe La-texsensibilisierungen in Ausbildungsstätten für Zahnärzte und in der Textilindustrie, die insbesondere in Entwicklungs- bzw. Schwellenländern ein starker Wachstumszweig ist.

welche Ziele haben Sie sich für Ihre Forschung gesetzt? wie wichtig ist dabei für Sie die Umsetzung Ihrer Ergebnisse in die Praxis?Die umfassenden Studien zu den Beschäftigten in der fisch-verarbeitenden Industrie sowie den Gewürzmühlenarbeitern und in den Bäckereien zeigen klar, dass grundlegende Studi-en auch zukünftig sinnvoll sind. Dabei sollten molekulare und immunologische Aspekte als essentielle Bestandteile zur Ent-wicklung von neuen Technologien für das Monitoring von All-ergenexpositionen an Arbeitsplätzen berücksichtigt werden.

Mein Fokus wird auf der Entwicklung von neuen, zellba-sierten Systemen für eine Allergenexposition und -simulation liegen. Wir versprechen uns davon Ableitungen für die Präven-tion von Allergien am Arbeitsplatz. Zukünftig sollten gerade bei diesen komplexen Fragestellungen Kooperationen zwi-schen Forschungsgruppen aus industrialisierten und Schwel-len- bzw. Entwicklungsländern entstehen, um die Gesundheit am Arbeitsplatz zu erhalten

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Emissionsärmeres Schweißen

Schweißen ist ein verbreitetes und kaum zu ersetzendes Verfah-ren in der industriellen und handwerklichen Verarbeitung von Metallen. Die Höhe der Exposition gegenüber Schweißrauchen und den darin enthaltenen Metallen wie Chrom, Nickel, Mangan und Eisen ist von dem angewandten Verfahren, den verarbei-teten Werkstoffen, den Raumbedingungen und lüftungstechni-schen Maßnahmen abhängig. Die WELDOX-Studie des Instituts für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) ist eine der umfangreichsten Schweißerstudien, in der eine Vielzahl von Ex-positionsdaten und biologischen Messgrößen erhoben wurde. Hier wurden 243 Schweißer aus 23 Betrieben mit Unterstützung der Berufsgenossenschaft Holz und Metall (BGHM) sowie der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) rekrutiert. Dabei erfolgten in Zusammenarbeit mit den Berufsgenossenschaften und dem Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) personengetragene Messungen unmittelbar im Atembereich der Schweißer – auch innerhalb von Gebläsehel-men – während einer Arbeitsschicht.

In dieser Querschnittstudie wurde weltweit erstmals eine große Anzahl von Schweißern aus verschiedenen Branchen umfassend untersucht. Im Fokus standen die äußere Exposition, die innere Belastung sowie die gesundheitlichen Effekte als Folge der Exposition gegenüber Schweißrauch in unterschied-lichen Partikelfraktionen und den darin enthaltenen Metallen. Die detaillierte Erfassung von Arbeitsplatzfaktoren bildete die Basis für statistische Modelle zu Einflussfaktoren auf die

Expositionshöhe und für Zusammenhangsanalysen hinsichtlich biologischer Effekte. Dabei konnten nicht nur die Wirksamkeit von Arbeitsschutzmaßnahmen in Abhängigkeit vom Schweiß-verfahren analysiert werden, sondern auch Zusammenhänge zwischen der äußeren und inneren Exposition von Metallen sowie die Dosis-Wirkungsbeziehungen zwischen der Exposition und potenziellen gesundheitlichen Effekten bei Anwendung gebräuchlicher Schweißverfahren.

Im Ergebnis zeigt die Studie verschiedene Präventions-möglichkeiten auf: So können insbesondere die Benutzung von Gebläsehelmen, der Ersatz stark emittierender Verfahren (Fülldrahtschweißen) durch emissionsärmere Verfahren sowie brennerintegrierte Absaugungen die Exposition mindern. Die im Rahmen dieser Studie entwickelten komplexen statisti-schen Modelle gestatten es, die durchschnittliche Expositions-höhe für Schweißrauch und den darin enthaltenen Metallbe-lastungen für bestimmte Expositionsszenarien abzuschätzen. Damit können der Einfluss von verschiedenen Arbeitsplatz-faktoren, wie einer effizienten Absaugung von Schweißrauch, beschrieben und gezielte Präventionsmaßnahmen eingeleitet werden. Aufbauend auf den Erkenntnissen aus dieser Studie wurde das Modell zur Charakterisierung von Schweißer-Expo-sitionen mit umfangreichen Messdaten aus der Expositions-datenbank MEGA erfolgreich validiert.

www.ipa-dguv.de (webcode: 510464)

Schweißerstudie „WELDOX“ stellt Expositionsmodelle für die betriebliche Praxis auf

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GESUnDhEITSGEFahrEn

Zusätzlich zu stoffspezifischen Analysen wird das Lungenkrebsrisiko in ausgewählten Berufen mit komplexen Expositionsfaktoren untersucht.

Lungenkrebs ist die häufigste berufsbedingte Krebserkrankung. Bei der Bewertung des Zusammenhangs zwischen beruflicher Ex-position und Erkrankung ist von Bedeutung, dass krebserzeugen-de Gefahrstoffe an Arbeitsplätzen häufig nicht einzeln, sondern in Kombination auftreten. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Zusammenwirken der beruflichen Kombinationswirkung von Gefahrstoffen bei der Entstehung von Krebs – der Synkan-zerogenese – sind jedoch noch unzureichend. Deshalb initiierte die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung das internationale Verbundprojekt SYNERGY. Es soll das Zusammenwirken von Ge-fahrstoffen wissenschaftlich eingehend begründen und dabei für die Prävention und das Berufskrankheitenrecht wissenschaftlich belastbare Daten generieren. Im Fokus stehen die Gefahrstoffe Asbest, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe, Quarz-feinstaub, Nickel und Chrom. Koordiniert wird das Projekt von der Internationalen Krebsagentur (IARC) und dem Institut für Präven-tion und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA). An der Studie sind mehr als 20 wissenschaftliche Einrichtungen weltweit beteiligt.

Für SYNERGY sind aus bislang 16 Fallkontrollstudien Daten mit allen Berufsangaben in die internationale Klassifikation der Berufe und Branchen überführt worden. Mit 19.370 Lungen-krebsfällen und 23.674 Kontrollpersonen aus Europa, Kana-da, Neuseeland und China steht der bisher umfangreichste Datensatz mit detaillierten Berufs- und Rauchangaben für eine Risikoschätzung von Gefahrstoffkombinationen zur Verfügung. SYNERGY hat sich dabei als eine international beachtete Platt-form für Lungenkrebsstudien entwickelt.

Aus Messdaten und unter expertengestützter Abschätzung der historischen Belastungen ist eine sogenannte Job-Expositions-Matrix (SYN-JEM) hergeleitet worden: Für jeden Gefahrstoff und Beruf wurde mit Hilfe umfangreicher statistischer Modelle eine mittlere Exposition abgeschätzt, aufgegliedert nach Region und Kalenderjahr. Durch die Bewertung der stoffspezifischen Belastung der Berufe mittels SYN-JEM wurden die Risiken für die Entstehung von Lungenkrebs geschätzt. Die entsprechen-den wissenschaftlichen Publikationen sind in Vorbereitung. Nach Fertigstellung der Analysen zu den stofflichen Risiken auf Basis der SYN-JEM sollen im Anschluss die Kombinationswir-kungen der fünf Einzelstoffe untersucht werden.

Zusätzlich zu den stoffspezifischen Analysen wird das Lungenkrebsrisiko in ausgewählten Berufen mit komplexen Expositionsfaktoren untersucht. Beispielsweise hat das IPA das Lungenkrebsrisiko von Schweißern analysiert: Für Perso-nen, die regulär als Schweißer gearbeitet hatten, ergab sich im Vergleich zu Personen, die nur gelegentlich geschweißt hatten, ein höheres Lungenkrebsrisiko. Für beide Gruppen stieg das Lungenkrebsrisiko mit zunehmender Dauer der Beschäftigung an. Darüber hinaus untersucht das IPA das Lungenkrebsrisiko von Bäckern und Bergarbeitern. Weitere Analysen für Berufe wie Köche, Maler, Friseurberufe und Bauarbeiter werden von den internationalen Projektpartnern durchgeführt.

www.ipa-dguv.de (webcode: 515584)

Der lungenkrebsentstehung auf der SpurDas internationale Verbundprojekt „SYNERGY“ untersucht die Kombi- nationswirkung von Gefahrstoffen auf die Entstehung von Lungenkrebs

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Unverzichtbare helfer

Um Erkrankungen wie Krebs zu verstehen, müssen Forscher oft Tausende von Patienten untersuchen. Dazu sind große Sammlun-gen biologischer Proben nötig. Auch für die arbeitsmedizinische Forschung im Bereich der Früherkennung arbeitsbedingter Erkran-kungen sind Biobanken von großem Nutzen. Sie können exposi-tionsrelevante Materialien und Proben wie Gewebe, Blut, Urin, aber auch DNA enthalten. Ideal ist eine wiederholte prospektive Probennahme bei denselben Probanden über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Wichtig ist auch die Erfassung von entsprechen-den Expositionsdaten und weiteren relevanten Informationen.

Qualitätsgesicherte und nach definierten Standards aufge-baute Biobanken helfen, Methoden der klassischen Epidemio-logie und molekularbiologisch-mechanistische Erkenntnisse der Krankheitsentstehung im Sinne einer „molekularen Epidemiolo-gie“ besser miteinander zu verbinden. Komplexe molekular-epi-demiologische Fragestellungen zu Ursachenzusammenhängen können mithilfe von Biobanken effizienter bearbeitet werden, weil die erforderlichen Proben und Daten jederzeit zur Verfü-gung stehen. Für die Ursachenforschung von arbeitsbedingten Erkrankungen wird es zunehmend notwendig, auf bestehende Biobanken zurückzugreifen oder neue Biobanken aufzubauen.

Das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) hat langjährige Erfahrung im Aufbau von Biobanken. So sind zum Beispiel im Rahmen des UroScreen-Projekts, bei dem der Einfluss aromatischer Amine auf die Entstehung von Harnblasenkarzinomen bei Chemiearbeitern untersucht wurde, über 7.000 Urinproben von mehr als 1.600 Beschäftigten über

sieben Jahre gesammelt worden, um ein Panel von Biomarkern zur Krebsfrüherkennung zu validieren.

Beim Projekt MoMar werden neue molekulare Marker validiert, um frühzeitig asbestassoziierte Tumoren wie Mesothe-liome und Lungentumoren im Rahmen von Nachuntersuchungen bei ehemals asbestexponierten Versicherten nachzuweisen. Da-für ist mit derzeit 2.000 Probanden und jährlichen Untersuchun-gen über fünf Jahre ein Logistik- und Biobankkonzept entwickelt worden, bei dem das IPA 26 Untersuchungszentren regelmäßig betreut. Allein in dieser Biobank befinden sich bereits über 8.000 Blut- und Plasmaproben.

Bei dem vom Land NRW geförderten Verbundprojekt PURE (Eu-ropäisches Proteinforschungsinstitut), das das IPA unter anderem zusammen mit dem Institut für Biophysik und dem Medizinischen Proteom Center der Ruhr-Universität Bochum sowie dem Klinikum der Universität Duisburg-Essen durchführt, ist das Ziel, Biomarker zur Früherkennung von Krebs- und neurodegenerativen Erkran-kungen zu entwickeln. Das im IPA angesiedelte wissenschaftlich-epidemiologische Studienzentrum garantiert die qualitätsge-sicherte Gewinnung, Charakterisierung und Einlagerung der gewonnenen Proben. Durch die Verfügbarkeit der Biobank werden Rahmenbedingungen geschaffen, um neue diagnostische und therapeutische Konzepte mit Hilfe von Biomarkern zu entwickeln und Ergebnisse aus der Grundlagenforschung zielgerichtet in die klinische Forschung und Praxis zu überführen.

www.ipa-dguv.de (webcodes: 393216, 315392, 509952)

Biobanken helfen bei der Erforschung von Krankheiten. So können komplexe Fragestellungen zu Ursachenzusammenhängen effizienter bearbeitet werden

Für die arbeitsmedizinische Forschung sind Biobanken von großem Nutzen: Sie können expositionsrelevante Mate-rialien und Proben wie Gewebe, Blut, Urin, aber auch DNA enthalten.

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GESUnDhEITSGEFahrEn

Welchen Gefahrstoffen Beschäftigte an ihrem Arbeitsplatz ausgesetzt sind, kann klassischerweise durch Luftmessun-gen festgestellt werden. Welche Menge eines Gefahrstoffes vom Menschen aber tatsächlich aufgenommen worden ist, kann speziell durch das Humanbiomonitoring (HBM), oft auch Biologisches Monitoring genannt, bestimmt werden. Die Gefahrstoffe oder deren Abbauprodukte werden beim Human-biomonitoring in der Regel im Blut oder Urin gemessen. Dabei erfasst das Humanbiomonitoring nicht nur Stoffe, die über die Luft, sondern auch über die Haut oder den Mund in den Körper gelangt sind. Um das Humanbiomonitoring auf einem gleichermaßen hohen Qualitätsniveau einzusetzen, hat die Europäische Union das Projekt COPHES initiiert. Ziel des „Con-sortium to Perform Human Biomonitoring on European Scale“ ist, in allen Mitgliedsländern der EU nach gleichen Vorgaben, mit vergleichbaren Methoden und mit zentraler Qualitätssiche-rung das Humanbiomonitoring als zusätzliches Instrument des vorbeugenden Gesundheitsschutzes zu etablieren.

Alle 27 Mitgliedsstaaten der EU sind in COPHES vertreten. Mit dem Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) und dem Umweltbundesamt betreuen zwei deutsche Einrichtungen federführende Arbeitspakete. Das vom IPA in Kooperation mit dem spanischen Instituto de Salud Carlos III (ISCIII) betreute Paket umfasst sowohl die Harmonisierung der analytischen Methoden als auch die Qualitätssicherung. Zur Begriffsdefini-tion und Harmonisierung der Sprache im Bereich Analytik und Qualitätssicherung hat das IPA zunächst ein Glossar erstellt, das als Grundlage für alle weiteren Arbeiten diente. Weiterhin sind Standardarbeitsanweisungen für die präanalytische und analytische Phase entwickelt worden. Die vom IPA zur Verfü-gung gestellten Anweisungen für die Analytik von Cadmium, Cotinin, Kreatinin und Phthalaten in Urin erlauben die Etab-lierung von Humanbiomonitoring auch in Ländern mit wenig Erfahrung auf diesem Gebiet.

Zwischen 2011 und 2012 hat COPHES unter der Federführung des IPA sowie des ISCIIII vier EU-übergreifende Ringversuche durchgeführt, um die Zuverlässigkeit und Empfindlichkeit aller angewandten analytischen Methoden zu überprüfen, zu verbes-sern und zu standardisieren. 23 Institute in Europa haben daran teilgenommen. Das IPA diente dabei als COPHES-Referenzlabor für die Parameter Cotinin, Phthalat-Metabolite und Bisphenol A. Die Ergebnisse der jeweiligen Ringversuche werden mit allen teilnehmenden Laboren im Sinne der Qualitätssicherung und des Erfahrungsaustausches diskutiert und entsprechend abge-stimmt. Durch Hinzuziehen weltweit anerkannter Referenzlabors (zum Beispiel aus den USA, Kanada oder Japan) wurde zudem sichergestellt, dass die COPHES-Ergebnisse nicht nur innereuro-päisch, sondern weltweit vergleichbar sind. Die Anforderungen der COPHES-Ringversuche gingen dabei über die der bisher üb-lichen Ringversuche hinaus, da auch Belastungen im Niedrigdo-sisbereich verlässlich erfasst werden mussten. Beispielsweise sollte mit Cotinin nicht nur der generelle Raucherstatus, sondern auch das Ausmaß der Passivrauchbelastung von Kindern emp-findlich bestimmt werden.

www.ipa-dguv.dewww.eu-hbm.info

Standards für besseren Gesundheitsschutz

Das EU-Projekt „COPHES“ setzt auf ein hohes Qualitätsniveau für den Einsatz von Humanbiomonitoring in ganz Europa

Die Gefahrstoffe oder deren Abbauprodukte werden beim Humanbiomonitoring in der Regel im Blut oder Urin gemessen. Dabei erfasst das Humanbiomonitoring nicht nur Stoffe, die über die Luft, sondern auch über die Haut oder den Mund in den Körper gelangt sind.

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Studien haben ergeben, dass etwa 9 bis 15 Prozent der Asth-maerkrankungen bei Erwachsenen beruflich oder zumindest teilweise beruflich bedingt sind. Solche Erkrankungen können unter anderem von Arbeitsstoffen ausgelöst werden, die als „atemwegssensibilisierend“ gelten. Dabei handelt es sich vor allem um hochmolekulare Stoffe, in der Regel (Glyko-)Proteine, die unter anderem in Mehl- und Getreidestäuben, Nutz- und Labortierstäuben, Milben, Enzymen, Schimmelpilzen, Natur-latex sowie Holzstäuben enthalten sind. Aber auch niedermo-lekulare Stoffe können atemwegssensibilisierend wirken, wie Isocyanate, Säureanhydride, Metalle, Ammoniumpersulfate sowie Dämpfe von Wasch-, Bleich- und Fixiermitteln im Friseur-bereich, Desinfektionsmittel und Arzneimittel.

Mehr als 250 Arbeitsstoffe gelten inzwischen als „atem-wegssensibilisierend“. Das Ende ist damit nicht erreicht: Veränderungen in Arbeitsprozessen, neue Technologien oder Einführung neuer Arbeitsstoffe können zu immer neuen Aller-genbelastungen und weiteren Sensibilisierungen führen. Doch während nur wenige Berufsallergene, wie die aus Naturlatex und Weizenmehl, systematisch erforscht wurden, sind die sensibilisierenden Wirkungen zahlreicher anderer Arbeitsstoffe häufig nur als Einzelfälle dokumentiert. Das Problem: Arbeits-

platzgrenzwerte für Gefahrstoffe berücksichtigen in der Regel nur die toxischen, nicht aber die sensibilisierenden Eigenschaf-ten. Für biologische Arbeitsstoffe sind derzeit keine Grenzwerte aufgestellt. Eindeutige Belege für Schwellenkonzentrationen von atemwegssensibilisierenden Arbeitsstoffen, unterhalb derer entsprechende Überempfindlichkeitsreaktionen nicht verzeichnet werden können, gibt es bislang nicht.

Um den Zusammenhang zwischen der Exposition und den berufsbezogenen allergischen Beschwerden zu klären bezie-hungsweise geeignete Präventionsmaßnahmen einzuführen, muss die Allergenbelastung messtechnisch erfasst werden. Da die alleinige Staubbestimmung für eine Allergenexpositionsab-schätzung zu falschen Befunden führen kann, ist die quantita-tive Erfassung der Allergene erforderlich. Die Bestimmung der Allergenbelastung ist mehrstufig und besteht aus der Staubpro-bensammlung am Arbeitsplatz, der Extraktion der Allergene und der Allergenanalyse. Als „Goldstandard“ gilt die Sammlung von inhalierbarem Staub durch personengetragene Pumpen, da so die individuelle Allergenexposition erfasst werden kann.

Für die eigentliche Allergenanalyse werden sensitive und spezifische immunologische Nachweisverfahren (ELISA; enzyme linked immunosorbent assay) eingesetzt, die für unterschiedliche Berufs- und Umweltallergene am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) entwickelt worden sind. In multizentrischen Projekten – an denen das IPA ebenfalls beteiligt war – sind Standardprotokolle für die Staubsammlung und -extraktion sowie die nachfolgende Ana-lyse erarbeitet und erprobt worden, die zur Vereinheitlichung der Messungen und Vergleichbarkeit der Messwerte führen können. Zurzeit erstellt eine Task Force der European Academy of Allergy and Clinical Immunology (EAACI) unter Federfüh-rung des IPA ein Positionspapier, in dem wichtige Eckpunkte zur Expositionserfassung in der Umwelt und am Arbeitsplatz zusammengefasst und bewertet werden. Dieses schafft eine Basis auch für die weitere Diskussion von Richt- und Grenzwer-ten für sensibilisierende Stoffe.

www.ipa-dguv.de

Gefahren aus der luftInhalationsallergene am Arbeitsplatz: IPA forscht zu sensibilisierenden Stoffen

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Die inhalative Exposition gegenüber Gasen, Stäuben und Aero-solen stellt nach wie vor eine der wichtigsten Gesundheitsge-fährdungen am Arbeitsplatz dar. Mit dem neuen Expositions-labor „ExpoLab“ am Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) können nun Belastungen gegenüber Gefahrstof-fen am Arbeitsplatz unter standardisierten definierten Exposi-tionsbedingungen generiert und deren gesundheitliche Effekte erfasst werden. Auf diese Weise können qualitätsgesicherte humane Kurzzeitexpositionsuntersuchungen durchgeführt werden, die ansonsten weltweit nur in wenigen Zentren mög-lich sind und dort vielfach nicht unter arbeitsmedizinischen Fragestellungen erfolgen.

Experimentelle humane Kurzzeitexpositionen gegenüber einzelnen definierten Gefahrstoffen sind ein wesentliches Werkzeug für die Risikobewertung und Grenzwertfestsetzung. Durch die gezielten Untersuchungen im ExpoLab können Stör-faktoren, wie sie häufig bei direkt an Arbeitsplätzen durchge-führten Untersuchungen auftreten, weitestgehend ausgeschlos-sen werden. Dies gilt auch für Gefahrstoffe mit lokalen Effekten auf die Schleimhäute des Atemtraktes und der Augen, für die selten epidemiologische Daten vorliegen. Weitere Einsatzmög-lichkeiten sind zum Beispiel die Untersuchung der Hautresorp-tion von Gefahrstoffen, die Bestimmung von Adaptationseffek-ten bei Exposition gegenüber chemosensorisch bedeutsamen Gefahrstoffen, die Wirkung von Partikeln auf die Atemwege oder die Effekte von Mischexpositionen.

Untersucht werden gesunde, gelegentlich auch besonders empfindliche Probanden aus der Allgemeinbevölkerung, wie etwa Asthmatikerinnen und Asthmatiker. Die Höhe der Exposition orientiert sich an den geltenden Grenzwerten am Arbeitsplatz, der Fragestellung und den bislang verfügbaren Literaturdaten. Ziel ist es, ohne Gefährdung der Probanden Effekte eindeutig zu iden-tifizieren, die eine eventuelle Grenzwertanpassung erforderlich machen oder rechtfertigen. Alle Untersuchungen werden nur nach vorheriger Zustimmung der Ethikkommission begonnen.

Seit Etablierung wurden im ExpoLab bereits Untersuchungen mit Kohlendioxid, Ozon, Anilin und Ethylacetat durchgeführt. Konkret geplant sind Studien zur Wirkung von Partikeln im Nanobereich. Je nach Fragestellung kommen dabei spezielle Messmethoden für das Expositionsmonitoring zum Einsatz. Für die verschiedenen Einsatzbereiche wurden differenzierte Werk-zeuge zur Erfassung von Effekten entwickelt. Wirkungen an den Atemwegen werden beispielsweise mit sogenannten nichtinvasi-ven Methoden untersucht, die eine möglichst geringe Belastung für die Studienteilnehmer garantieren. In diesem Bereich gilt es, weiterhin sensitive und gleichzeitig spezifische Effektparameter zu detektieren und einzusetzen. Bei diesen Untersuchungen ko-operiert das IPA eng mit dem Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der TU Dortmund (IfADo) und dem Fraunhofer-Institut für Toxi-kologie und Experimentelle Medizin (ITEM) in Hannover.

www.ipa-dguv.de (webcode: 563712)

Expositionen simulieren – Effekte erfassen„ExpoLab“ simuliert Belastungen am Arbeitsplatz unter standardisierten definierten Expositionsbedingungen

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Mikroorganismen gehören zu unserem täglichen Leben und sind natürliche Bestandteile von Bioaerosolen. Neben zahlreichen für den Menschen sehr nützlichen Eigenschaften können sie aber auch Organismen und Materialien schädigen. Gelangen sie zum Beispiel in hoher Konzentration in die Atemluft, können sie eine Gesundheitsgefahr darstellen. Eine Quelle der Bioaerosole kann das Befeuchterwasser in raumlufttechnischen Anlagen sein.

Der Einsatz von Befeuchteranlagen ist in vielen Bereichen für den Arbeitsprozess zwingend erforderlich, unter anderem in der Papierverarbeitung, in Druckereien sowie in Textilbetrie-ben. Um eine Gesundheitsgefährdung für die Beschäftigten durch mikrobiell belastete Bioaerosole zu vermeiden, muss deshalb die Qualität der Befeuchterwasser regelmäßig überprüft werden. Bisher gilt die relativ zeit- und kostenintensive Gesamt-keimzahlbestimmung als Orientierungsparameter. Dafür ist es erforderlich, die Proben auf Nährböden auszustreichen und über mindestens 24 Stunden zu kultivieren. In Kooperation mit der Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse (BG ETEM) wurden vom Institut für Prävention und Arbeits-medizin der DGUV (IPA) im Rahmen eines praxisbezogenen Forschungsprojektes schnellere Alternativverfahren getestet.

Messparameter waren dabei einerseits die Endotoxinaktivität und andererseits der Nachweis von Adenosintriphosphat (ATP), dem Energieträger aller lebenden Zellen. Zur Beurteilung der Schnellverfahren wurden insgesamt rund 120 Befeuchterwas-serproben sowohl mit den beiden Schnelltestsystemen als auch mit etablierten, zeitaufwändigeren Laborverfahren analysiert:

Beide Schnelltests lieferten dabei valide Messwerte. Aller-dings ergab der Vergleich zwischen der ATP-Bestimmung und dem Endotoxinnachweis hinsichtlich praxisnaher Handlichkeit, Messgenauigkeit und Robustheit eine Überlegenheit der ATP-Bestimmung. In allen Wasserproben konnte ohne Verdünnung oder weitere Aufarbeitung der ATP-Gehalt mit hoher Zuverläs-sigkeit reproduzierbar bestimmt werden. Ganz ähnlich wie bei den Glühwürmchen in der Natur wird bei dem ATP-Schnelltest im Reagenzglas das ATP mit Hilfe eines Enzyms umgewandelt. Das dabei abgegebene Licht kann als ein Indikator für die Höhe der mikrobiellen Aktivität in der Probe herangezogen werden, da nur lebende Zellen ATP umsetzen.

Die ATP-Messung korrelierte in den untersuchten Proben im Wesentlichen signifikant mit den Ergebnissen der etablierten, zeitaufwändigeren Verfahren. Nachdem der ATP-Test unter pra-xisnahen Laborbedingungen etabliert wurde, ist jetzt geplant, in weiteren Untersuchungen den Einsatz der ATP-Messung in den Betrieben vor Ort durchzuführen, um die Validität auch un-ter konkreten Praxisbedingungen durch den messtechnischen Dienst zu überprüfen. Darüber hinaus sollen die Untersuchun-gen zeigen, inwieweit eine ausschließliche, wenig aufwändige Messung des ATPs zur Beurteilung mikrobieller Verunreinigun-gen ausreichend ist.

www.ipa-dguv.de (webcode: 556544)

Gefährdung durch BefeuchterwasserSchnelltests zur Überprüfung von mikrobiellen Verunreinigungen liefern valide Messwerte

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Berufliche Belastungen durch Arbeiten im Knien, Hocken oder Kriechen zählen zu den Risikofaktoren für Erkrankungen der Kniegelenke wie Arthrosen oder Meniskuserkrankungen. Um hier geeignete Präventionsmaßnahmen einzuleiten, sind um-fassende Kenntnisse zu den einzelnen Belastungssituationen am Arbeitsplatz erforderlich.

Im Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) wurden ver-schiedene Forschungsprojekte ins Leben gerufen, um das Auf-treten beruflicher Kniebelastungen in der Praxis und deren spezifische Belastungsparameter zu untersuchen. In Zusam-menarbeit mit verschiedenen Unfallversicherungsträgern konn-ten so etwa in einer Feldstudie Kniebelastungen in 16 Berufen und etwa 80 unterschiedlichen Tätigkeiten detailliert erfasst werden. Die Untersuchungen wurden mithilfe des Messsys-tems CUELA durchgeführt, der Computer-Unterstützten Erfas-sung und Langzeit-Analyse von Belastungen des Muskel-Ske-lett-Systems. Daraus ergaben sich Daten zu Art, Dauer und Häufigkeit der Belastungssituationen während der untersuch-ten Tätigkeiten sowie Ergebnisse zur Symmetrie der Kniebelas-tung und zur Ausprägung des Kniewinkels.

Ergänzend zu den Praxisanalysen erfolgten biomechani-sche Untersuchungen kniebelastender Körperhaltungen im Labor. Dabei ermöglichte die Entwicklung eines biomechani-schen Kniemodells, die Gelenkkräfte im Knie in unterschiedli-chen Haltungen wie Knien, Hocken oder Fersensitz abzuleiten und in einen Belastungskontext zu setzen – sowohl in stati-schen Dauerversuchen als auch bei praktischen Tätigkeiten (zum Beispiel Fliesen legen).

Durch die Felduntersuchungen ließen sich die Tätigkeiten iden-tifizieren, bei denen Präventionsmaßnahmen zur Reduzierung der Kniebelastung sinnvoll erscheinen. Hierbei gilt es in erster Linie, hockende oder kniende Haltungen durch geeignete Mittel zu vermeiden oder in ihrem Ausmaß zu vermindern, sei es durch die Anwendung von Hilfsmitteln, die Anpassung der Arbeitshö-he oder organisatorische Maßnahmen. Wie die Laboranalysen ergaben, gelten insbesondere das Hinknien und Aufstehen vom Boden sowie das Stehen mit gebeugten Knien als Situationen mit maximaler Kniebelastung. Ziel einer effektiven Prävention muss es deshalb sein, insbesondere derartige Belastungen zu reduzieren. Darüber hinaus gilt professioneller Knieschutz (zum Beispiel Protektoren, Polster) als Pflicht bei allen Tätigkeiten, die mit kniender Haltung verbunden sind.

Kniebelastungen reduzierenForschungsprojekte zu kniebelastenden Tätigkeiten in Labor und Praxis bringen neue Erkenntnisse für die Prävention

„Wissenschaftliche Untersuchungen zu arbeits-bedingten Kniebelastungen sind für eine nach-haltige Prävention wichtig, da wir noch sehr wenig über die Mechanismen wissen, die das Kniegelenk beim Knien oder Hocken schädigen.“

Dr. DIrK DITChEnwissenschaftlicher Mitarbeiter im referat Ergonomie des IFa

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Gefahrstoffinformationen müssen heutzutage möglichst einfach und rasch zugänglich sein. Der mobile Zugriff auf das Internet über Smartphones und Tablet-PCs hat die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung umfassend erweitert. Daher ist es un-umgänglich, auch die Gefahrstoffdatenbanken des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) für mobile Endgeräte verfügbar zu machen. Seit 2012 sind nun zwei Datenbanken auf diese Weise recherchierbar: Die „GESTIS-Stoffdatenbank“ und die Daten-bank „GESTIS – International Limit Values“ stehen als App für Apple iOS (iPhone, iPad) und für Android-Geräte zur Verfügung. Die Apps sind kostenlos im Apple App Store und im Google Play Store zum Herunterladen und zur Installation erhältlich; man findet sie dort, wenn man nach dem Begriff GESTIS sucht. Das Angebot richtet sich vor allem an Personen, die mit Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz zu tun haben.

Die App-Versionen der GESTIS-Stoffdatenbank bieten so-wohl die deutsche als auch die englische Fassung der Daten-bank. Für den Nutzer erfolgt die Sprachauswahl automatisch: Ist auf seinem Endgerät Deutsch als Sprache voreingestellt, wird die deutsche Version geöffnet, wenn eine andere Spra-

che eingestellt ist, wird die englische Version geöffnet. Für die Nutzung der App ist ein Internetzugriff erforderlich, da auf dem Smartphone bzw. Tablet-PC nur das Suchsystem der Datenbank installiert wird. Die eigentlichen Stoffdatenblätter werden direkt über das Internet heruntergeladen. Auf diese Weise ist sicher-gestellt, dass stets das aktuelle Stoffdatenblatt abgerufen wird. In der Datenbank bietet das IFA Informationen zu inzwischen mehr als 8.500 Stoffen kostenfrei an. Zusammengestellt sind aktuelle Hinweise zum sicheren Umgang mit Gefahrstoffen, zu deren Wirkung auf den Menschen, zu Schutzmaßnahmen oder Erste-Hilfe-Maßnahmen und vieles mehr.

Wer die kleinere Grenzwertdatenbank „GESTIS – Internati-onal Limit Values“ auf sein Smartphone oder seinen Tablet-PC lädt, erhält eine vollständige englischsprachige Datenbank, es wird nach der Installation also kein Internetzugriff benötigt. Die-se Datenbank wird zweimal jährlich aktualisiert. Derzeit stehen Grenzwerte für mehr als 1.500 Stoffe und Zubereitungen aus 23 europäischen und außereuropäischen Staaten zur Verfügung.

www.dguv.de (webcode: d11892)

GESTIS-Datenbanken auf mobilen EndgerätenZwei bewährte Datenbanken für Gefahr-stoffinformationen sind nun auch für den mobilen Online-Zugriff erhältlich

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Seit vielen Jahren ist bekannt, dass ultraviolette (UV-) Strahlung Hautkrebserkrankungen auslösen kann. Hierbei ist es zunächst ohne Belang, ob die Strahlung von natürlichen Quellen, bei-spielsweise der Sonne, oder künstlichen Quellen wie Schweiß-lichtbögen, Gasflammen oder Sterilisationsleuchten stammt. Entscheidend für die Schädlichkeit ist die biologische Wirkung der Strahlung auf die Haut, die von der Wellenlänge abhängt.

Dennoch fehlt es bislang an wissenschaftlichen Grundla-gen, die eine Erfassung der Lichtschädigung und der zugrunde liegenden Exposition ermöglichen. Aus diesem Grund hat die DGUV verschiedene Forschungsvorhaben initiiert. An diesen Projekten sind das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) und das Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA) beteiligt. Zudem befassen sich beide Institute mit Forschung und Beratung zur Anwendung geeigneter Schutzmaßnahmen.

Die Problematik: Jeder Mensch ist der UV-Strahlung zu je-der Zeit ausgesetzt – nicht nur im Freien. Daher erhält jeder be-reits im privaten Umfeld eine gewisse Dosis dieser Strahlung. Kommt noch ein Anteil aus einer beruflichen Tätigkeit hinzu, erhöht sich das Risiko, an Hautkrebs durch UV-Strahlung zu erkranken. Beschäftigte können nicht nur bei Tätigkeiten im Freien der natürlichen Strahlung ausgesetzt sein, sondern auch durch vielfältige Tätigkeiten etwa gegenüber künstlicher optischer Strahlung exponiert sein.

Im Jahr 2010 wurde die Arbeitsschutzverordnung zu künstlicher optischer Strahlung (OStrV) veröffentlicht, mit der die EU-Richtli-nie 2006/25/EG in nationales Recht umgesetzt wird. Die Verord-nung legt Expositionsgrenzwerte zum Schutz der Beschäftigten vor Schädigungen durch künstliche optische Strahlung fest. Derzeit erarbeitet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) unter Beteiligung des IFA Technische Regeln, welche die OStrV konkretisieren. Dem Arbeitgeber werden damit Hilfen zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung und zur Auswahl von Schutzmaßnahmen bereitgestellt. Der Bereich der natürlichen op-tischen Strahlung wird durch die OStrV jedoch nicht geregelt.

Dennoch rückt nun auch dieser in den Fokus: So bereitet das BMAS aktuell die Einführung einer Berufskrankheit für Hautkrebs durch natürliche Strahlung vor. Unter Beteiligung von IPA und IFA werden derzeit Hilfestellungen erarbeitet und angeboten, welche die Unfallversicherungsträger bei der Bearbeitung von Berufs-krankheits-Verdachtsfällen unterstützen sollen und die sowohl die medizinischen als auch die technischen Aspekte umfassen.

www.ipa-dguv.de (webcode: 576000) www.dguv.de (webcode: d13473)

hautkrebs durch Uv-StrahlungDem Schutz von Beschäftigten vor ultravioletter Strahlung dienen Forschungs- vorhaben zu Grundsatzfragen und Hilfen zur Gefährdungsbeurteilung

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Landmaschinen besitzen eine Vielzahl von schweren Ma-schinenteilen, Klappen und Leitern, die regelmäßig geöff-net, geschlossen und geklappt werden müssen. Damit die-se Betätigungen nicht zu schwer werden, sind in den Normen für Landmaschinen bestimmte Werte als Obergrenze für die Betätigungskräfte angegeben. Doch ist die Höhe dieser Wer-te gerechtfertigt oder muss sie angepasst werden? Diese Fra-ge stellten sich die Expertinnen und Experten im zuständigen Normungsgremium. Dabei stellte sich heraus, dass es tatsäch-lich keine (bekannte) wissenschaftliche Begründung für die in den Normen angegebenen Werte gibt. Da die Vertreterinnen und Vertreter des Arbeitsschutzes die geltenden Obergrenzen ebenfalls als zu hoch einschätzten, hat die Kommission Ar-beitsschutz und Normung (KAN) 2012 beim Wuppertaler Insti-tut ASER eine Studie in Auftrag gegeben. Ziel war es, herauszu-finden, wie man Betätigungskräfte einfach, kostengünstig und dennoch reproduzierbar messen kann. Zusätzlich sollten für be-stimmte Betätigungsfälle Empfehlungen für Kraftwerte gegeben werden. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter-suchten viele verschiedene Anwendungsfälle an Landmaschi-nen, zum Beispiel das Betätigen von Hebeln zum Klappen von Bauteilen. Es wurden Messungen mit verschiedenen Messgerä-ten, Versuchspersonen und Winden durchgeführt.

Die Untersuchung bestätigte die subjektive Einschätzung aus dem Arbeitsschutz: Die Studie hat gezeigt, dass die Werte

in den Normen deutlich zu hoch sind, wenn man dem Prinzip „Design for all“ folgt. Bei den Landmaschinen bedeutet das: Auch weibliche Auszubildende oder auf dem Hof mitarbeitende ältere Beschäftigte sollten berücksichtigt werden. Feste Werte für bestimmte Anwendungsfälle, die in den entsprechenden Normen aufgenommen werden können, konnten im Umfang der Studie nicht bestimmt werden. Die ermittelten Werte können aufgrund der kleinen Datenbasis nur empfehlenden Charakter haben. Um belastbare Werte zu erhalten, muss die Datenbasis deutlich vergrößert werden. Offen ist derzeit allerdings, wer diese Aufgabe übernehmen kann. Dennoch: Für Messgeräte und -methode bietet die Studie gute Vorschlä-ge. Handgehaltene Messgeräte, die sich an den Computer anschließen lassen, liefern belastbare Werte. Da sie zudem preisgünstig sind, ist deren mobiler Einsatz für Beschäftigte der Marktüberwachung, der Berufsgenossenschaften und beim Hersteller denkbar. Die Ergebnisse der Studie sind auch auf mobile Maschinen anderer Branchen übertragbar.

Die KAN hat mit ihrer Studie gezeigt, dass die derzeitig in Normen verwendeten Kraftwerte zu hoch sind. Die Empfehlun-gen werden nun in die Normung eingebracht: Wie man das Klap-pen und Schwenken von Maschinenteilen an Landmaschinen ergonomisch ermöglichen kann, soll im zuständigen Normungs-gremium diskutiert werden. Die KAN unterstützt dort die Vertre-terinnen und Vertreter des Arbeitsschutzes bei dieser Aufgabe.

von schwer zu leichtBetätigungskräfte an Landmaschinen: Studie gibt Empfehlungen für Obergrenzen und Messmethode

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Prävention im netz

Hier haben wir weitere Informationen und Ressourcen zum Kapitel „Gesundheitsge-fahren“ für Sie zusammengestellt.

Institut für arbeit und Gesundheit (IaG) www.dguv.de/iag

Institut für Prävention und arbeitsmedizin (IPa) www.ipa-dguv.de

Institut für arbeitsschutz (IFa) www.dguv.de/ifa

Kommission arbeitsschutz und normung (Kan) www.kan.de

Kontaktpersonen

Die DGUV ist gerne für Sie da. Hier finden Sie Ihre Kontaktperson zu verschiedenen Themen im Kapitel „Gesundheitsgefahren“.

KniebelastungenDr. Dirk DitchenTelefon: 02241 2312722

Hautkrebs durch UV-StrahlungDr. Marc wittlichTelefon: 02241 2312862

WELDOXPD Dr. rer. medic. Beate PeschTelefon: 0234 3024536

SYNERGYProf. Dr. med. Thomas BehrensTelefon: 0234 3024794

InhalationsallergeneProf. Dr. rer. nat. Monika raulf-heimsothTelefon: 0234 3024582

ExpoLabProf. Dr. med. Jürgen BüngerTelefon: 0234 3024556

BiobankenDr. rer. nat. Georg JohnenTelefon: 0234 3024509

COPHESDr. rer. nat. holger KochTelefon: 0234 3024647

Gehäuse von Maschinen und Anlagen müssen so konstruiert sein, dass Perso-nen keine gefährlichen elektrischen oder mechanischen Teile berühren können. Um dies zu überprüfen, wird ein geglie-derter Prüffinger verwendet, der einem menschlichen Finger nachgebildet ist. Die Gestaltung des Prüffingers ist in der Norm DIN EN 60529:2000 „Schutzarten durch Gehäuse (IP-Code)“ mit einer Länge von 80 Millimetern und einem Durchmesser von zwölf Millimetern festgelegt.

Im Zuge einer Studie der Kommissi-on Arbeitsschutz und Normung (KAN) zu Körpermaßdaten in Normen wurde festge-stellt, dass die vor mehr als 30 Jahren fest-gelegte Länge des Prüffingers nicht mehr den anthropometrischen Gegebenheiten in der Bevölkerung entspricht. Daher hat die KAN im Juni 2011 das Institut für Ar-beitsmedizin, Sicherheitstechnik und Ergo-nomie (ASER) in Wuppertal beauftragt, die zugrundeliegenden Daten auf ihre Aktua-lität zu überprüfen. In einem ersten Schritt hat ASER aktuelle Verteilungen von Zeige-fingerlänge und -breite mit den Abmessun-gen des Prüffingers verglichen.

Ergebnis des Gutachtens ist, dass der Prüffingerdurchmesser ein hohes Schutz-niveau bietet: Die Fingerbreite nahezu

aller erwachsenen Personen ist deutlich größer als der Durchmesser des Prüffin-gers von 12 Millimetern. Damit ist gewähr-leistet, dass Gehäuseöffnungen, in die der Prüffinger nicht eindringen kann, auch für menschliche Finger unzugänglich sind.

Anders verhält sich dies jedoch im Fall der Prüffingerlänge: Mit der aktuellen Länge von 80 Millimetern ist in Deutsch-land für einen nicht unerheblichen Pro-zentsatz an Personen die Schutzwirkung nicht vollständig gegeben. Bei größeren Öffnungen im Gehäuse ist daher eine Ver-längerung des Prüffingers notwendig. Das Gutachten kommt zu dem Schluss, dass eine Prüffingerlänge von 120 Millimetern notwendig ist, um einen ausreichenden Schutz zu gewährleisten.

Zur zeitnahen Umsetzung der Gutach-tenergebnisse schlägt das Institut ASER den Einsatz einer aufsteckbaren Hülse bei der Prüfung größerer Gehäuseöffnungen vor. Die KAN wird die Ergebnisse weiter mit Fachleuten diskutieren und versu-chen, die Inhalte über das nationale Spie-gelgremium in die europäische Normung einzuspeisen.

www.kan.de > Themen > Gefährdungen > Elektrische Gefährdungen

Prüffinger: Für zu kurz befundenPrüffinger bieten Schutz vor Fingerverletzungen an Maschinen. Eine Studie fand nun jedoch heraus, dass sie nicht mehr den anthropometrischen Gegebenheiten entsprechen

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rehabilitation: wir lassen uns nicht behindernrehabilitation ist eine der zentralen aufgaben der gesetzlichen Unfallversicherung. wir helfen dabei, Menschen, die durch einen Unfall verletzt oder durch eine Krankheit beeinträchtigt wurden, wieder zurück in die Gesellschaft und ins Berufsleben zu bringen. Dabei unterstützen uns vorbilder wie die querschnittgelähmte Schwimmerin Kirsten Bruhn, die bei den Paralympics 2012 wieder bewies, dass auch Menschen mit Behinderung vieles erreichen können. Sogar Goldmedaillen.

Weil jeder Mensch einChampion sein kann.

Prävention nachhaltig gestalten:

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Fliesenlegerinnen und Fliesenleger, Dachdeckerinnen und Dach-decker, Pflegekräfte, Lehrkräfte und Beschäftigte in der Anlage-beratung haben eine Gemeinsamkeit: Die Belastungen in ihren Berufen führen laut Statistik besonders häufig zu einer frühzeiti-gen Berufsaufgabe oder einer langen Arbeitsunfähigkeit. Dieses Risiko tragen auch viele andere Beschäftigte, die einen belas-tenden Beruf über lange Zeit hinweg ausüben und die Belastun-gen nicht kompensieren können. Die Prävention gelangt hier an ihre Grenzen: Nicht immer ist es möglich, den Arbeitsplatz und die Arbeitsumgebung so zu gestalten, dass keine gesundheit-lichen Einschränkungen auftreten. Häufig drohen in solchen Fällen eine Berufsaufgabe und damit ein sozialer Abstieg.

Eine Lösung bietet der horizontale Berufsumstieg. Das Kon-zept beschreibt den Wechsel in einen Beruf, der im Unterschied zu klassischen, vertikalen Laufbahnen auf einer ähnlichen Stufe bezüglich Qualifikation und Hierarchie angesiedelt ist. In einigen Betrieben gibt es bereits institutionalisierte horizontale Laufbahnen. Ein Beispiel guter Praxis ist etwa der kleine Sanitär-baubetrieb Efkemann, der in der inqa-Datenbank „Gute Praxis“ gelistet ist. Beschäftigte mit viel Berufserfahrung wechseln dort aus der körperlich anstrengenden Montage in den Kun-dendienst, der ein hohes Maß an Problemlösungskompetenz und Kommunikation erfordert. Der horizontale Berufsumstieg ist jedoch auch eine Lösung für Betriebe, bei denen Tätigkeiten mit anderen Belastungsschwerpunkten vorkommen sowie für Einzelpersonen in psychisch belastenden Berufen.

Im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales entwickelt das Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG) eine Informationsplattform zum horizontalen Berufsumstieg, den Digitalen Wegweiser. Sein Kernstück besteht aus einem

IT-Instrument für die Suche nach einem neuen Beruf. Derzeit wird eine Testversion entwickelt, die Einzelpersonen und kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) ausprobieren können. Die Nutzerinnen und Nutzer machen in der Eingabemaske Angaben zu Qualifikation, Berufswünschen, Belastungen und gesund-heitlichen Ressourcen. Das IT-Instrument gleicht daraufhin die persönlichen Daten mit Informationen über erfasste Berufe ab und schlägt passende Umstiegsberufe vor. Diese sollen in den kritischen Anforderungen weniger oder anders belastend als der bisherige sein, damit die Beschäftigten bis zur Altersrente gesund und motiviert aktiv bleiben. Der horizontale Berufsum-stieg berücksichtigt nicht nur die formale Qualifikation, sondern auch informell erworbene Kompetenzen – sowohl im Prozess der Arbeit, in ehrenamtlicher Tätigkeit, in der Familie als auch durch Hobbys. Gerade ältere Beschäftigte haben viel Erfahrung gesammelt, die in einem neuen Beruf verwendet werden kann.

Das IT-Instrument zur Berufssuche wird in eine Informati-onsplattform eingebettet. Dort erhalten KMU Informationen zur Bevölkerungsentwicklung in der Region sowie Hinweise, wie eine Altersstrukturanalyse funktioniert. So können sie abschät-zen, ob sie bereits von Fachkräfteengpässen betroffen sind und inwiefern sie versteckte Potenziale ihrer Beschäftigten entde-cken und für einen horizontalen Berufsumstieg nutzen können.

Die Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) fördert dieses IAG-Projekt bis Juni 2014. Die fachliche Begleitung übernimmt die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, der Projektträger ist die Gesellschaft für soziale Unternehmensbe-ratung mbH (gsub).

www.inqa.de/82640

Arbeiten bis zum gesetzlichen Renteneintritt ist in belastenden Berufen oft nicht möglich. Eine Lösung: der Umstieg in einen weniger belastenden Beruf

horizontaler Berufsumstieg: eine neue berufliche Chance für ältere Beschäftigte

BESChäFTIGUnGSFähIGKEIT ErhalTEn UnD FÖrDErn

BESChäFTIGUnGSFähIGKEIT ErhalTEn UnD FÖrDErnOb wir arbeiten wollen, um zu leben oder leben wollen, um zu arbeiten: auf Sicherheit und Gesundheit möchten wir dabei nicht verzichten müssen.Damit sowohl der Körper als auch der Geist fit bleiben.

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herr Professor Ilmarinen, Sie beschäftigen sich seit fast 40 Jahren mit dem Thema arbeit und alter. welche veränderun-gen in der gesellschaftlichen Diskussion haben Sie in dieser Zeit beobachtet?In der Gesellschaft hat sich das grundsätzliche Verständnis des Zusammenhangs zwischen Altern und Arbeit verändert. Kaum jemand wird mehr bestreiten, dass die Chancen und Risiken der Alterung der Belegschaft angegangen werden müssen. Grund für dieses geschärfte Bewusstsein ist in erster Linie der demografische Wandel. In vielen Ländern scheidet bis 2013 die größte Gruppe der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Arbeitsleben aus und gleichzeitig verlängert sich die Lebensarbeitszeit um ein bis drei Jahre. Zunehmend ist in den Betrieben angekommen, dass die Belegschaften älter wer-den – und vor allem, welche Herausforderungen sich daraus ergeben. Inzwischen sind viele Betriebe bereits mittendrin, entsprechende Maßnahmen in den betrieblichen Abläufen oder der Arbeitsplatzgestaltung vorzunehmen. Damit verän-dert sich ganz langsam auch die generelle Einstellung zum Al-ter sowie dem Altern. Doch noch immer dominieren Vorurteile. So befinden sich nach wie vor weltweit nur in 15 Ländern mehr als 50 Prozent der älteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Arbeitsleben. Hier ist noch ziemlich viel zu tun.

wo sollte man hier Ihrer Meinung nach ansetzen?Im Wesentlichen sind das aus meiner Sicht die Förderung der Arbeitsfähigkeit und ein aktives Altersmanagement. Denn Arbeitsfähigkeit ist die Voraussetzung, um arbeiten zu können, zu wollen und zu dürfen, sie bedeutet eine gute Balance zwi-schen Arbeitsanforderung und persönlichen Ressourcen, in allen Altersgruppen. In Untersuchungen hat sich gezeigt, dass Führung hierbei eine zentrale Rolle spielt. Alters- oder Genera-tionenmanagement bedeutet konkret, dass Management und Führungskräfte die Stärken jeder Generation im Unternehmen berücksichtigen. Generationenmanagement verbessert die

Fähigkeit, die Arbeit zu bewältigen, und erhöht das Wohlbefin-den aller Beschäftigten und damit Produktivität und Effizienz des Unternehmens. Generationenmanagement motiviert die Älteren zudem, länger im Unternehmen zu arbeiten.

In Ihrem Modell „haus der arbeitsfähigkeit“ benennen Sie vier Faktoren für den Erhalt der arbeitsfähigkeit: Gesundheit, Kennt-nisse und Fähigkeiten, Motivation und Einstellungen sowie den Bereich der arbeit. Ist einer dieser Faktoren besonders wichtig?Ich glaube, der allerwichtigste von diesen vier Faktoren ist die Arbeit, das vierte und größte Stockwerk. Dort treffen wir auf Aufgaben und Anforderungen – aber auch die Arbeitsum-gebung und -organisation, die Arbeitsbedingungen sowie das Betriebsklima, kurzum physische sowie psychosoziale Themen. Dieses Stockwerk ist sehr komplex und hat einen großen Einfluss auf die anderen Stockwerke. Insbesondere die Führungskräfte nehmen hier eine Schlüsselfunktion ein.

Im vierten Stockwerk besteht das größte Potenzial, die verschiedenen Bedingungen zu verbessern. Deutlich mehr als in den individuellen Bereichen, die sich in den drei unteren Stockwerken befinden. Deshalb gehen wir davon aus – und das wird von der Forschung untermauert –, dass das vierte Stockwerk und besonders das Führungsverhalten und die Führungskompetenz gegenüber älteren Mitarbeitern von entscheidender Bedeutung sind. Und noch etwas möchte ich betonen: Die Arbeitsfähigkeit ist umso höher, je besser die Abstimmung der einzelnen Etagen – Werte, Kompetenz, Gesundheit, Arbeit – im Haus der Arbeitsfähigkeit gelingt.

welche rolle spielt die Umgebung des hauses? wie beeinflusst sie die arbeitsfähigkeit?Selbstverständlich macht auch die Umgebung viel aus, vor al-lem zwei andere Faktoren: nämlich die Familie und das per-sönliche Umfeld. Die beiden Aspekte haben einen großen Ein-fluss auf die Gesundheit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen,

„Die Vorteile des Alters sehen und nutzen“Das „haus der arbeitsfähigkeit“ benennt die vier Faktoren für ein gutes altersmanagement

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aber besonders großen Einfluss auf die Werte und Einstellun-gen hinsichtlich des vierten Stockwerks, der Arbeit. Insgesamt gibt es also sechs Dimensionen, die einen Einfluss auf unsere Arbeitsfähigkeit haben.

Gibt es Unterschiede in den europäischen ländern? wie beurteilen Sie die Situation in Deutschland im internationalen vergleich?Aus meiner Sicht gibt es ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Nach den nordischen Ländern sind es die Niederlande, Deutschland und Österreich, die sich intensiv diesem Thema zugewandt haben. Diese Gruppe hat darüber hinaus bereits sehr viel in Aktivitäten zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit inves-tiert und diese auch in die Praxis umgesetzt. Andere Län-der, wie zum Beispiel Spanien, Italien, Griechenland, auch Frankreich haben bislang noch ganz wenig getan. Deutsch-land nimmt insofern einen guten Platz in einer Gruppe von Ländern ein, die zeigt, wohin der Weg geht.

Finnland ist hier ein vorreiter – woran liegt das?In Finnland gibt es eine lange Tradition der erfolgreichen Prä-vention. Vielleicht liegt es daran, dass wir kein sehr bevölke-rungsstarkes Land sind und von jeher verantwortungsvoll mit der Ressource Arbeitskraft umgehen müssen. Wir schrumpfen weiter, was am demografischen Wandel liegt, den Finnland früh erkannt hat. Deshalb wollen wir unsere alternden Beleg-schaften arbeitsfähig halten. Doch wir stehen hier nicht allein, auch in den Niederlanden beispielsweise – übrigens ebenfalls ein kleines Land – sind viele gute Aktivitäten vorhanden.

was können Unternehmen tun, um die arbeitsfähigkeit ihrer Beschäftigten zu erhalten und deren Potenziale besser auszu-schöpfen?Erst einmal ist es wichtig, dass man eine richtige Einstel-lung zum Alter und Altern entwickelt. Man sollte auch die Vorteile des Alters sehen und nutzen. Wie viele Untersuchun-gen gezeigt haben, lassen nicht alle Kompetenzen mit dem Alter zwangsläufig nach. Hinzu kommt der große Pluspunkt der Erfahrung, in manchen Berufen nahezu unerlässlich. Führungskräfte sollten also die Arbeit so gestalten, dass die älteren Beschäftigten ihre Kräfte richtig nutzen und ihre Er-fahrungen einbringen können. Diese altersgerecht gestaltete Arbeit ist dann für alle Altersgruppen altersfreundlich, nicht nur für die Älteren, sondern auch für die Jüngeren. Mit dem Ergebnis, dass die Beschäftigten optimal arbeiten und ihre Kräfte in idealer Weise nutzen können.

Und welchen Beitrag können und sollen die Beschäftigten selbst leisten?Natürlich haben beide Seiten eine Verantwortung, Arbeitgeber und Beschäftigte. Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind zuständig für die Gesundheit, Kompetenz, ihre Werte und Einstellungen. In diesem Sinne braucht man immer ein Zusam-menspiel von Führungskräften und Mitarbeitern und Mitarbei-terinnen. Im Haus der Arbeitsfähigkeit ist ein Gleichgewicht

zwischen Arbeit und eigenen Ressourcen notwendig. Dies verbessert das persönliche Befinden wie auch die Arbeitsfähig-keit. Aber: Ein Gleichgewicht kann man nur gemeinsam erzeu-gen. Die Vorgesetzten und Mitarbeiter müssen es gemeinsam tun. Deshalb teilen sie letztlich auch die Verantwortung.

Es sind also viele verschiedene Faktoren, die Einfluss auf die arbeitsfähigkeit haben. was bedeutet dies für die gesetzliche Unfallversicherung? welche Schwerpunkte sollte sie in ihrer Präventionsarbeit setzen?Die Arbeit gesund und sicher zu gestalten ist eine extrem wichtige Sache. Denn die Arbeit an sich hat sofort einen Ein-fluss auf die Gesundheit. Wenn etwas aus der Balance gerät, kommt es zu einer Überlastung bzw. Überforderung. Daraus resultieren negative Folgen für die Gesundheit. Diesen Zu-sammenhang kennt man übrigens schon seit 30 Jahren. Las-sen Sie mich noch auf einen weiteren Aspekt hinweisen: Der Zeitdruck in der Arbeit steigt kontinuierlich. Das bringt der Wandel der Arbeitswelt mit sich. Daher dürfen die Anforde-rungen und Belastungen im Job nicht zu Lasten der Gesund-heit gehen. Das ist eine umfassende Aufgabe, an der vie-le Seiten beteiligt sind, nicht nur die Betriebe, sondern auch Verantwortliche, zum Beispiel aus den Sozialversicherungen wie Berufsgenossenschaften und Unfallkassen.

Prof. Juhani IlmarinenProf. Juhani Ilmarinen hat Anfang 2009 nach 35 Jahren Forschung und Entwicklung im Finnish Institute of Occupational Health (FIOH) nach der Pensionierung die Juhani Ilmarinen Consulting GmbH ( JIC GmbH) gegründet. Nach wie vor arbeitet er am und mit dem evidenzbasierten Modell der Arbeitsfähigkeit und an der Verbes-serung der Arbeitsfähigkeit aller Beschäftigtengruppen durch Generationen-Management im Lebenslauf.

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neue wege bis 67

2011 gab Altkanzler Helmut Schmidt den entscheidenden An-stoß. In einer Sitzung der Zeit-Stiftung warf der heute 94-jähri-ge Buchautor und Herausgeber die Frage auf, welche Modelle des Berufswechsels vorstellbar seien, damit Beschäftigte auch mit 67 noch gerne arbeiten.

Schmidts Anregung fiel auf fruchtbaren Boden. Zuerst hatte das Projekt noch keinen Namen und wurde deshalb im Hambur-ger Abendblatt kurz „Helmut-Schmidt-Projekt“ genannt. 2012 schlossen sich dann drei Projektträger mit zwei Hamburger Unter-nehmen zusammen und gaben ihm den Titel: „Neue Wege bis 67 – gesund und leistungsfähig im Beruf“. Ziel ist es, Beschäftigten in Berufen, die man oft nicht bis zur Rente ausüben kann, neue berufliche Perspektiven aufzuzeigen, die ihrem Qualifikationspro-fil entsprechen. Neben der Zeit-Stiftung unterstützt die Handels-kammer Hamburg das Projekt. Durchgeführt wird es vom Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG), das das Vorgehen bereits in verschiedenen Modellberufen, wie etwa der stationären Krankenpflege und dem Straßen- und Tiefbau, getestet hat.

Auf Empfehlung des Grundsatzausschusses Prävention der DGUV wurde jüngst mit Beschäftigten der Verfahrensmechanik und des Hüttenwerks eine klassische Berufsgruppe aus der Metallindustrie ausgewählt. Die Untersuchung wird in zwei Unter-nehmen durchgeführt, dem Kupferproduzenten Aurubis und dem Stahlkonzern ArcelorMittal in Hamburg. Unterstützt wird sie von der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie, der Berufsgenossenschaft Holz und Metall, der Agentur für Arbeit sowie der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie.

In der vorangegangenen Machbarkeitsstudie wurden in beiden Unternehmen vergleichbare Tätigkeitsbereiche ausgewählt und das Design der Hauptstudie festgelegt. Im Vordergrund stehen nun die Anforderungsanalyse in den ausgewählten Tätigkeitsbe-reichen, die Identifikation von Frühwarnindikatoren für eine vor-zeitige Berufsaufgabe, Interviews mit erfolgreichen Verweilern im Beruf und mit erfolgreichen Berufswechslern. Dabei handelt es sich um ein sehr konkretes, eng umrissenes Projekt, das zum Modell für eine ganze Branche werden kann.

Ziel ist es, konkrete Handlungsempfehlungen für Personal-verantwortliche und Beschäftigte in Unternehmen der Metall-branche herauszugeben. Diese sollen bei der alternsgerechten Arbeitsgestaltung für die Verlängerung der Verweildauer im Beruf sowie der Beratung und Qualifizierung für neue Lauf-bahnmodelle unterstützen, um die Beschäftigungsfähigkeit in Berufen mit begrenzter Tätigkeitsdauer zu erhalten. Später soll das Projekt auf Dienstleistungsberufe mit hohen psychischen Belastungen erweitert werden.

Helmut Schmidt selbst ist ein Beispiel dafür, welche Leis-tungen bis ins hohe Alter möglich sind. Auch wenn sich das nicht einfach auf andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer übertragen lässt. Dennoch lassen sich zwei Erkenntnisse bereits ableiten: Erstens macht eine berufliche Neuorientierung in einigen Berufen die Forderung nach einem höheren Rentenein-trittsalter erst möglich, und zweitens unterstützt eine lernförder-lich gestaltete Tätigkeit mit Wechseln und Neuorientierungen die Beschäftigungsfähigkeit in einer flexiblen Arbeitswelt bis ins hohe Erwerbsalter.

Ein Berufswechsel kann eine Alternative zur vorzeitigen Berufsaufgabe sein. Das Institut für Arbeit und Gesundheit untersucht dies an einem Modellberuf

„In Berufen, die trotz Prävention oft nicht bis zur Rente ausgeübt werden können, muss frühzeitig über einen Wechsel der Tätigkeit oder des Berufs nachgedacht werden. Und zwar bevor bleibende gesundheitliche Beeinträchtigungen eintreten.“

Dr. FraUKE Jahnleiterin der abteilung Forschung und Beratung des IaG

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Die Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) ist eine Kooperation der DGUV mit dem BKK Bundesver-band, dem AOK-Bundesverband und dem Verband der Ersatzkassen. Gemeinsam werden in Projekten Präventionsansätze im Arbeitsschutz und der be-trieblichen Gesundheitsförderung weiterentwickelt.

Unternehmen, die mit alternden Belegschaften und dem Fach-kräftemangel konfrontiert sind, sollten die Arbeitsfähigkeit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aktiv fördern. So können ältere Beschäftigte länger gesund und leistungsfähig im Unternehmen gehalten und ihr Fachwissen gesichert werden. Führungskräfte werden in diesem Zusammenhang oft als „Schlüssel zum Erfolg“ bezeichnet. Tatsächlich gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die zeigen, dass das Führungsverhalten einer der wichtigsten Faktoren für die Verbesserung der Arbeitsfähigkeit ist. Führungs-kräfte stehen aber auch selbst stark unter Druck – es werden vielfältige Anforderungen an sie gestellt. Um gesundheits- und alternsgerecht führen zu können, ist es daher zunächst wichtig, auf die eigene Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit zu achten und als Vorbild zu agieren. Hier setzt die neue Seminarreihe „Gesundheits- und alternsgerecht führen“ der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) an. Führungskräften werden hier Handlungsstrategien aufgezeigt, um die Herausforderungen des demografischen Wandels bewältigen zu können.

Die Seminarreihe besteht aus drei eintägigen Modulen und einem weiteren Reflexions- und Supervisionstag. Modul 1 dient als Grundlagenseminar. Es werden Zahlen und Fakten, rechtliche Grundlagen und arbeitswissenschaftliche Erkennt-nisse präsentiert und aufgearbeitet. Als zentrales Konzept kommt das „Haus der Arbeitsfähigkeit“ nach Prof. Juhani

Ilmarinen zum Einsatz. Bestehende Altersbilder werden reflek-tiert und hinterfragt, denn ein realistisches Bild vom Altern ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Modul 2 vertieft das Themenfeld Arbeitsgestaltung als Führungsaufgabe. In Gruppenarbeit werden konkrete Fälle bearbeitet und mögliche Maßnahmen abgeleitet. Bei Modul 3 stehen die Selbstführung sowie die In-teraktion zwischen Führungskraft und Beschäftigten im Fokus. Besondere Aufmerksamkeit wird in diesem Modul dem Dialog zwischen Führungskraft und Beschäftigten geschenkt. Die Umsetzung der Seminarinhalte in die betriebliche Praxis wird durch konkrete „Aufgaben in den Unternehmen“ unterstützt. Der Reflexions- und Supervisionstag reflektiert noch einmal die vorangegangenen Module sowie die praktischen Erprobungen und ermöglicht Absprachen für weitere Umsetzungsschritte in die betriebliche Praxis. Zwischen den vier Seminartagen liegen jeweils zwei bis vier Wochen Zeit, um den Transfer in die Praxis bestmöglich zu unterstützen und die Erarbeitung von individu-ellen Strategien zu ermöglichen.

Die Seminare wurden vom DGB Bildungswerk BUND ent-wickelt, erprobt und evaluiert. Sie stehen den Unfallversiche-rungsträgern und Mitgliedern der iga-Verbände zum Einsatz zur Verfügung.

www.iga-info.de

Gesundheits- und alternsgerecht führenWie können Führungskräfte mit den Folgen des demografischen Wandels umgehen? Eine neue Seminarreihe unterstützt Führungskräfte dabei, vorhandene Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen

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Stress durch ständige Erreichbarkeit

Fehlende Absprachen könnten einer der Gründe dafür sein, warum viele Menschen auch am Feierabend dienstlich erreichbar sind. Diesen Schluss legt eine Untersuchung des Instituts für Arbeit und Gesund-heit der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IAG) in Dresden nahe. Danach gehen zwar viele Beschäftigte davon aus, dass ihre Vorgesetzten Erreichbarkeit von ihnen erwarten. Ausdrückliche Anweisungen hierzu gibt es jedoch nur selten. Eine Möglichkeit, den Stress durch Kommunikation zu verringern, wären demzufolge mehr klare Absprachen.

Für die Studie befragte das IAG in Kooperation mit der Un-fallkasse Hessen 430 Personen. Über zwei Drittel der Befragten gaben an, oft oder immer erreichbar zu sein, wenn sie während der Arbeitszeit auf Dienstreise oder im Außendienst sind. In der Freizeit waren immerhin noch 40 Prozent oft oder immer für dienstliche Belange erreichbar. Nie nach Dienstschluss erreich-bar waren nur 10 Prozent. „Die meisten der Befragten fühlten sich durch die ständige Erreichbarkeit nicht oder wenig belas-tet“, sagt Studienautorin und IAG-Psychologin Dr. Hiltraut Pari-don. Allerdings habe rund jeder Siebte angegeben, sich durch die ständige Erreichbarkeit stark oder sehr stark belastet zu füh-len. Diese Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben an, dass sie auch in ihrer Freizeit nicht abschalten können und das Gefühl hätten, dass ihnen alles zu viel wird. Das Ausmaß der Belastung ist übrigens in der Arbeitszeit genauso wie in der Freizeit.

Als Grund für Erreichbarkeit nannten die Befragten häufig, dass die Vorgesetzten dies erwarteten. „Wenn man diese Men-schen allerdings fragt, woher sie das wissen, kommt häufig die

Antwort: Ich habe das Gefühl, dass es erwartet wird. Eine ausdrückliche Anweisung liegt nur bei einer Min-

derheit vor“, so Paridon. „Eine klare Abmachung mit den Vorgesetzten, wann wer im Team erreichbar zu sein hat und wann nicht, sehen daher auch viele als eine Möglichkeit an, Stress durch Erreichbar-keit zu verringern.“ Die Vereinbarungen sollten die Beteiligten sowohl für die Arbeitszeit als auch für

die Freizeit treffen.Außerdem könne man sich ein Bei-

spiel an denen nehmen, die bewusst selten erreichbar sind. Paridon: „Nach den Gründen befragt,

antworteten diese Teilnehmerinnen und Teilnehmer, dass sie auch mal abschalten können müssen. Außerdem vertrauen sie darauf, dass ihre Kollegen und Kolleginnen auch ohne sie die richtigen Entscheidungen treffen.“

Die Ergebnisse der Studie wurden in dem IAG Report 1/2012 „Ständige Erreichbarkeit: Wie belastet sind wir?“ veröffentlicht.

www.dguv.de/publikationen (Bestellnummer: 12058)

Viele Menschen sind auch nach Feierabend dienstlich erreichbar. Ein Forschungsprojekt hat die Ursachen und Folgen untersucht

„Beim Thema Erreichbarkeit ist es wichtig, die gegenseitigen Erwartungen zu klären: Was wollen die Vorgesetzten und was wäre für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine gute Regelung.“

Dr. hIlTraUT ParIDOnleiterin des Bereiches „Psychische Belastungen und Gesundheit“, Institut für arbeit und Gesundheit der DGUv (IaG)

70%der Befragten gaben an, oftoder immer erreichbar zusein, wenn sie während derArbeitszeit auf Dienstreise oder im Außendienst sind.

15%der Befragten gaben an, sich

durch die ständige Erreich- barkeit stark oder sehr stark belastet zu fühlen und auch

in ihrer Freizeit nicht abschalten zu können.

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Zentrale Voraussetzung, um die Herausforderungen einer älter werdenden Gesellschaft und der sich stetig verändernden Ar-beitswelt zu bewältigen, ist es, die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu erhalten. Gesundheits-orientierte Themen rücken daher auch immer stärker in den Fo-kus der Präventionsleistungen der gesetzlichen Unfallversiche-rung. Wichtige Ansatzpunkte dabei sind die Gestaltung sicherer und gesunder Arbeitsplätze mit einem besonderen Augenmerk auf psychische Belastungen, die Stärkung der Gesundheitskom-petenzen von Beschäftigten und die Schaffung gesundheitsför-derlicher Arbeitsbedingungen, die sich auch in der Kultur von Unternehmen und Bildungseinrichtungen widerspiegeln.

Damit gewinnen auch die Betriebliche Gesundheitsför-derung (BGF) und das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) für die gesetzliche Unfallversicherung an Bedeutung. Grundlage für den Handlungsrahmen der Unfallversicherungs-träger ist das gemeinsame Verständnis zur Ausgestaltung des Präventionsfeldes Gesundheit im Betrieb. Betriebliche Gesund-heitsförderung kann zum Abbau von Gesundheitsgefahren bzw. zur Vermeidung einer Entstehung von Gesundheitsgefahren im Betrieb beitragen. Mithilfe eines systematischen Vorgehens

unterstützen die Berufsgenossenschaften und Unfallkassen die Betriebe daher auch bei der Einführung eines Betrieblichen Gesundheitsmanagements.

Wichtiger Bestandteil des ganzheitlichen Präventions-ansatzes der gesetzlichen Unfallversicherung ist dabei die Zusammenarbeit mit der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Betrieblichen Gesundheitsförderung und der Verhütung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren. Sie kommt in vielfälti-gen Formen bilateraler Zusammenarbeit auf Trägerebene und in der Kooperation auf Ebene der Verbände wie etwa der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) oder dem Deutschen Netzwerk Betriebliche Gesundheitsförderung (DNBGF) zum Ausdruck.

Kooperationen lohnen sich, dies zeigt auch eine Bestands-aufnahme der Krankenkassen und Unfallversicherungsträger: Vor allem Träger, die über eine lange Erfahrung in der Zusammenar-beit mit Kooperationspartnern verfügen, sind innovativer in der Umsetzung. Für erste Kooperationsschritte ist entscheidende Voraussetzung, den richtigen Ansprechpartner für betriebliche Projekte zu finden. Hierbei unterstützen insbesondere der Arbeitskreis „Prävention in der Arbeitswelt“ der Verbände von Unfall- und Krankenversicherung, der im Internet Übersichten über regionale Arbeitsgemeinschaften und Ansprechpartner sowie Kooperationsbeispiele bietet, und die iga-Kontaktstelle, die bei der Suche nach dem richtigen Partner hilft.

www.dguv.de (webcode: d138325) www.praevention-arbeitswelt.de www.iga-info.de/iga-kontaktstelle.html

Gesund im BetriebFür die Erhaltung der Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit gewinnt die Betriebliche Gesundheitsförderung an Bedeutung

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vorsorgekonzept G 46 voran bringen

Seit 2005 gibt es unter dem Dach der bewährten DGUV Grund-sätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen ein Konzept, das sich mit arbeitsbedingten Beschwerden des Muskel-Skelett-Systems befasst. Es zielt darauf ab, funktionelle Fehlbelastungsreaktionen frühzeitig zu erkennen und ihnen durch geeignete Maßnahmen zur Förderung, Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit der Beschäftigten zu begegnen. Das Konzept ruht auf drei Säulen: der Handlungsan-leitung für die Gefährdungsbeurteilung (BGI/GUV-I 504-46), dem Grundsatz G 46 „Belastungen des Muskel- und Skelettsystems einschließlich Vibrationen“ und dem „Leitfaden zur Diagnostik von Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) bei arbeitsmedizini-schen Vorsorgeuntersuchungen“. Dieses Instrumentarium ver-setzt den Betriebsarzt in die Lage, Arbeitgeber bei der Optimie-rung der betrieblichen Rahmenbedingungen durch passgenaue Interventionen zu unterstützen.

Die Beratung der Beschäftigten konzentriert sich auf die Aspekte:

Aktuelle Funktionsfähigkeit und Belastbarkeit, Anteil der Arbeitsbelastungen an den Befunden, Mögliches Gesundheitsrisiko beim Verbleib in der Tätigkeit und Behandlungsbedarf zum Erhalt der Berufsfähigkeit.

Angesichts der Dimensionen des MSE-Problems in der Arbeitswelt verwundert es, dass der Einsatz des G 46 in der Praxis bisher hinter den Erwartungen zurückbleibt. So hat es sich die Präventi-onskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ unter anderem zum

Ziel gesetzt, die Verbreitung des Vorsorgekonzepts G 46 durch Informationsangebote für Betriebsärzte und -ärztinnen sowie für ärztliche Fortbildungsveranstaltungen zu fördern. Parallel dazu wird das Vorsorgekonzept durch intensive Forschung weiterent-wickelt. Diese derzeit laufende Studie der DGUV überprüft die Wirksamkeit und Praktikabilität des G 46. Sie wird von der RWTH Aachen in Kooperation mit dem Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) durchgeführt. Im Rahmen der Studie werden intensive funktionsdiagnostische Untersuchungen zusammen mit Gefährdungsbeurteilungen der physischen und psychischen Belastungen bei etwa 400 Zer-spanungsmechanikerinnen und -mechanikern aus zehn Metall verarbeitenden Betrieben durchgeführt. Die physischen und psychischen Expositionsdaten werden anschließend mit den funktionsdiagnostischen Befunden korreliert, um bei Bedarf Ansätze für eine Verbesserung der arbeitsmedizinischen Vorsorge nach G 46 zu erhalten. Diese Weiterentwicklungen umfassen die Erweiterung der Gefährdungsbeurteilung um psychische Belas-tungsfaktoren, eine Validierung der G-46-Auswahlkriterien und eine Verbesserung der Praktikabilität des G 46. Die Weiterentwick-lung von Verfahren zur Gefährdungsbeurteilung bei physischen Arbeitsbelastungen wird darüber hinaus ab 2013 Gegenstand eines Forschungsprojekts der DGUV sein, das im Rahmen der zweiten Periode der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstra-tegie (GDA) gemeinsam mit der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) bearbeitet wird.

www.dguv.de (webcode: d17569)

Die Präventionskampagne „Denk an mich. Dein Rücken“ unterstützt die arbeits-medizinische Vorsorge bei Muskel-Skelett-Belastungen nach Grundsatz G 46

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Ende 2011 wurde in der DGUV eine Strategie zur Fortentwick-lung der schulischen Präventionsarbeit der DGUV beschlossen. Diese basiert auf dem Ansatz „Gute gesunde Schule“ und soll durch ihre Umsetzung nachhaltig ein Bewusstsein für Sicherheit und Gesundheit in Schulen entwickeln. Teil der Strategie ist die Erarbeitung von Unterstützungsangeboten, die den neuen Präventionsansatz fördern sollen. Dazu konnte das Projekt „Ergonomisches Klassenzimmer“ der DGUV, das im April 2012 abgeschlossen wurde, erfolgreich beitragen. Das dort generierte Fachwissen für eine gesunde und lernförderliche Gestaltung und Ausstattung von Unterrichtsräumen steht Schulen bereits als Praxishilfe „Klasse(n)-Räume für Schulen“ (BG/GUV-SI 8094) im DGUV Vorschriften- und Regelwerk zur Verfügung. Aus präven-tiver Sicht kommt vor allem der Lärmreduktion im Klassenraum eine gesundheitsförderliche Wirkung zu.

Prävention und Gesundheitsförderung verfolgen das Ziel, ge-sunde Lern-, Arbeits- und Lebenswelten zu schaffen. Um einen langfristigen Effekt für die Gesundheit, Sicherheit und Leistungs-fähigkeit der Schülerinnen und Schüler sowie Lehrkräfte zu erzielen, müssen Veränderungen und Entwicklungen der Schule bis in den Unterricht hineinreichen. Der Ort, an dem Lernen und Lehren am häufigsten stattfindet, ist der Klassenraum. Daher fo-kussierte sich das Projekt „Ergonomisches Klassenzimmer“ auf die gesundheitsbezogene Optimierung von Klassenraumbedin-gungen. Ziel war es, ganzheitlich vorzugehen, wobei zunächst ein Modell der wichtigsten Wirkungszusammenhänge erarbeitet wurde. Sowohl das Wirkungsmodell als auch die Expertise der Unfallversicherungsträger bildeten die Grundlage, um bestehen-de Klassenräume an einer Dresdner Grundschule und an einer Hauptschule in Hennef nach ergonomischen Gesichtspunkten umzugestalten und anschließend zu untersuchen. Die Erhebun-gen sollten Aufschluss darüber geben, wie sich die Gestaltungs-aspekte Akustik, Belüftung, Beleuchtung, Farbe, Fußbodenge-staltung und Möblierung auf die Gesundheit und das Lernen auswirken. Entsprechend wurde bei der modellhaften Gestal-tung auf diese Aspekte besonderen Wert gelegt.

Die Auswertungen zeigen, dass die Umgestaltung der Klassenräume bei den beteiligten Schülerinnen und Schülern sowie Lehrkräften eine hohe Akzeptanz fand und eine deutliche Verbesserung der Lern- und Lehrbedingungen erreicht wer-den konnte. So hat beispielsweise die optimierte Akustik den Einsatz von alternativen Unterrichtsmethoden (unter anderem Gruppenarbeit) unterstützt. Durch die bessere Sprachverständ-lichkeit und Konzentration wurden aber auch die stressbetonten Arbeitsbelastungen der Lehrer vermindert. Außerdem zeigte eine Nacherhebung, dass das flexible Schulmobiliar, wie etwa fahrbare und höhenverstellbare Stühle und Tische, vermehrt von den Lehrkräften in der Unterrichtsgestaltung berücksichtigt wird. Ergonomisches Mobiliar ermöglicht Arbeitsformen im Stehen, Sitzen und Liegen. Gerade durch den aktiven Wech-sel der Arbeitspositionen wird dem Bewegungsbedürfnis der Heranwachsenden auf gesundheitsfördernde Weise Rechnung

getragen. Und nicht zuletzt fühlen sich die Schülerinnen und Schüler aufgrund der gestalterischen Veränderungen auch woh-ler. Wohlbefinden steht in enger Beziehung zur Gesundheit und wirkt damit auch positiv auf den Lernerfolg ein.

Das Projekt „Ergonomisches Klassenzimmer“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie planvolle Veränderungen der Unterrichts-bedingungen in Klassenräumen sowohl zur Verbesserung der Gesundheit als auch zur Bildungsqualität beitragen. Für hohe Lernleistungen ist das Wohlbefinden im Unterricht von grundle-gender Bedeutung. Eine sinnvolle und ansprechende Gestaltung der Schulräume kann dazu maßgeblich beitragen. Sichere und gesundheitsfördernde Raumgestaltung und -ausstattung im Sinne guter gesunder Schulentwicklung sind deshalb zentrale Themen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger.

www.dguv.de (webcode: d40310)

Gute gesunde Klassenräume

Eine mit schallreduzierendem akustikmaterial belegte Teilfläche der rückwand eines Klassenraumes

Die sichere und gesundheitsfördernde Klassenraumgestaltung ist ein Kernthema für die schulische Präventionsarbeit der Unfallversicherungsträger

„Kinder und Jugendliche können dort am besten lernen, wo neben dem pädagogischen Know-how sichere und lernförderliche Rahmenbedingungen bestehen. Der Gestaltung und Ausstattung von Klassenräumen kommt daher als ein Aspekt der Schulqualität eine besondere Bedeutung zu.“

Dr. InGO ZaKrZEwSKIleiter der Unterabteilung „Bildung und Qualifizierung, abteilung „Sicherheit und Gesundheit“ (SiGe) der DGUv

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Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) sind nach § 136 Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) Einrichtungen zur Teilhabe behin-derter Menschen am Arbeitsleben und zur Eingliederung in das Arbeitsleben. Sie sollen geeigneten Personen auch den Über-gang in den allgemeinen Arbeitsmarkt ermöglichen. Hierzu bie-ten sie ein möglichst breites Angebot an Berufsbildungs- und Arbeitsplätzen an. Dazu gehören ausgelagerte Arbeitsplätze auf dem so genannten ersten Arbeitsmarkt.

An ausgelagerten Arbeitsplätzen erfahren betreute Beschäf-tigte eine den Bedingungen des allgemeinen Arbeitslebens nahe kommende berufliche Rehabilitation in einem Unterneh-men außerhalb der Werkstatt. Ihren Status als Beschäftigte der WfbM behalten sie jedoch auch auf einem ausgelagerten Ar-beitsplatz – ebenso wie ihren Anspruch auf berufliche Bildung, Begleitung, Förderung, Assistenz und Hilfestellung. Durch den rehabilitativen Charakter der Arbeit grenzt sich die Beschäfti-gung von WfbM-Beschäftigten auf ausgelagerten Arbeitsplätzen von der Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüber-lassungsgesetz (AÜG) grundsätzlich ab.

Auch für ausgelagerte Arbeitsplätze gilt:

Nur wenn ausgelagerte Arbeitsplätze sorgfältig organisiert und vorbereitet sind, haben die Arbeitsverhältnisse einen Nutzen für beide Seiten.

Nur wenn betreute Beschäftigte der WfbM auf den aus-gelagerten Arbeitsplätzen in geeigneter Weise in die betriebli-chen Arbeits- und Gesundheitsschutzmaßnahmen eingebun-den werden, können sie effektiv und sicher arbeiten.

In den letzten Jahren haben sich in der alltäglichen Umsetzung immer wieder Schwierigkeiten und Probleme dadurch ergeben, dass beide Partner – WfbM und aufnehmender Betrieb – unter-schiedliche Ansprüche aneinander stellten und zu wenig vonein-ander wussten.

Die neue Information „Sicherheit und Gesundheit an aus-gelagerten Arbeitsplätzen“ (BGI / GUV-I 5168) des Fachbereichs „Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege“ der DGUV informiert WfbM und aufnehmende Betriebe darüber, was beim Einsatz von betreuten Beschäftigten der WfbM auf ausgelagerten Arbeitsplät-zen zu berücksichtigen ist, damit diese sicher und gesund arbei-ten können. Die Broschüre erläutert, wie die Beschäftigten der WfbM in die bestehenden Abläufe des Betriebes eingebunden werden können. Sie stellt zudem Kriterien, Checklisten und Mus-terdokumente zur Verfügung, die die Verantwortlichen in WfbM und in aufnehmenden Betrieben hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes bei der Vertragsgestaltung und Einrichtung ausgelagerter Arbeitsplätze unterstützen.

Die gesetzliche Unfallversicherung leistet einen grundlegen-den Beitrag zu einer inklusiven Gesellschaft. „Im Mittelpunkt steht der Mensch“ – diese Werteorientierung ist zentral für das Handeln der gesetzlichen Unfallversicherung, die sich insbe-sondere in ihrem Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behinder-tenrechtskonvention (UN-BRK) abbildet. Er enthält eine Vielzahl an Maßnahmen in den fünf Handlungsfeldern „Bewusstseins-bildung“, „Barrierefreiheit“, „Partizipation“, „Individualisierung und Vielfalt“ sowie „Lebensräume und Inklusion“.

Im Rahmen des Aktionsplans ist auch die Prävention gefragt: Ein Schwerpunkt liegt dabei im Handlungsfeld Barrierefreiheit, etwa bei der barrierefreien Gestaltung von Arbeitsstätten. Hier wird derzeit ein Leitfaden für entsprechende (Um-)Gestaltung von Gebäuden und Arbeitsplätzen erarbeitet, der als Grundlage für Beratungskonzepte der UV-Träger, aber auch für Seminare der Un-fallversicherung für externe Partner, wie Architekten, dienen soll.

Um den UN-BRK-Inklusionsgedanken auch in die Fläche der Aufsichtsdienste und Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu bringen, werden darüber hinaus entsprechende Schulungsmaterialien und Curricula für deren Aus- und Weiterbildung entwickelt.

Der Ansatz der Partizipation wird dadurch gelebt, dass zum Beispiel an der Entwicklung der Leitfäden für barrierefreie Gestal-tung von Arbeitsstätten und für Betriebliches Eingliederungsma-nagement sowie an der Beratung von Konzepten zu betrieblichem Management für Sicherheit und Gesundheit auch Menschen mit Behinderungen beteiligt werden. Diese aktive Einbindung als Ex-pertinnen und Experten in eigener Sache spielt auch im Hand-lungsfeld „Lebensräume und Inklusion“ eine bedeutende Rolle. So werden zum Beispiel Menschen mit unterschiedlichen Behin-derungen in die Erstellung von Sicherheitskonzepten für Betriebe, beispielsweise für Evakuierungsmaßnahmen, einbezogen. Auch der Bereich Bildungseinrichtungen wird in den Blick genommen und das Verständnis für eine inklusive Schulwelt im Rahmen des Konzeptes „Gute gesunde Schule“ unter anderem durch Sensibili-sierung der pädagogischen Fachkräfte gefördert.

www.dguv.de (webcode: d124618)

Inklusion – gesund und sicher!Mit einer neuen Handlungshilfe unterstützt die DGUV die Bemühungen, Menschen mit Behinderungen in den allgemeinen Arbeitsmarkt aufzunehmen

„Die DGUV und die Träger der gesetzlichen Unfall-versicherung tragen zu einer inklusiven Gesellschaft bei, weil sie bei ihren Aktivitäten für Sicherheit und Gesundheit auch die Vielfalt der Menschen – mit und ohne Behinderungen – im Blick haben.“

anGEla KnOllleiterin des referates Gesundheitliche Prävention der DGUv

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BESChäFTIGUnGSFähIGKEIT ErhalTEn UnD FÖrDErn

Prävention im netz

Hier haben wir weitere Informationen und Ressourcen zum Kapitel „Beschäftigungs-fähigkeit erhalten und fördern“ für Sie zusammengestellt.

Initiative arbeit und Gesundheit (iga) www.iga-info.de

Initiative neue Qualität der arbeit (InQa) www.inqa.de

Kontaktpersonen

Die DGUV ist gerne für Sie da. Hier finden Sie Ihre Kontaktperson zu verschiedenen Themen im Kapitel „Beschäftigungsfähigkeit erhalten und fördern“.

Neue Wege bis 67Dr. Frauke JahnTelefon: 0351 4571800

Stress durch ständige ErreichbarkeitDr. hiltraut ParidonTelefon: 0351 4571723

Gute gesunde KlassenräumeDr. Ingo ZakrzewskiTelefon: 089 62272187

Inklusionangela KnollTelefon: 02241 2311171

Puffer gegen psychische BeschwerdenDr. Marlen CosmarTelefon: 0351 4571724

Im Berufs-, aber auch im Privatleben sind Menschen häufig gefordert, impulsive Reaktionen zu unterdrücken, innere Wi-derstände zu überwinden oder Ablenkun-gen zu widerstehen. Mitunter müssen sie auch Gefühle zeigen, die sie gerade gar nicht empfinden. Diese Reaktionen erfor-dern Selbstkontrolle, also die zielgerich-tete Steuerung von Verhalten.

Forschungsergebnisse zeigen, dass der Einsatz von Selbstkontrolle Kraft kos-tet. Wer Selbstkontrolle am Arbeitsplatz oder auch privat sehr häufig einsetzen muss, weist ein höheres Risiko auf, an psychosomatischen oder auch psychi-schen Beschwerden wie Burnout oder De-pressionen zu leiden. Ein möglicher prä-ventiver Ansatz ist daher die Verringerung von Selbstkontrollanforderungen am Ar-beitsplatz. Wenn Mitarbeiter beispielswei-se ganztägig im intensiven Kundenkontakt arbeiten, kann es entlastend sein, ihnen zumindest zeitweise auch Aufgaben ohne einen solchen Kontakt zuzuweisen.

Ein zweiter präventiver Ansatz ist die Steigerung der individuellen Selbstkon-trollfähigkeit. Wer über eine hohe Fä-higkeit zur Selbstkontrolle verfügt, kann sich gezielt und flexibel auf Situationen einstellen und sein Verhalten anpassen, wenn es nötig ist. Diese Fähigkeit erhöht die Erfolgschancen im Beruf und im Pri-vatleben. Aus Sicht der Prävention ist

aber vor allem interessant, dass diese Fä-higkeit die negativen Folgen hoher Selbst-kontrollanforderungen kompensieren kann. Sie stellt somit eine wertvolle Res-source dar, die vor der Entstehung psychi-scher Beschwerden schützen kann.

Die Stärkung dieser individuellen Fä-higkeit ist das Ziel eines Trainings, das im Rahmen eines Kooperationsprojektes des Leibniz-Instituts für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund und der Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) entwickelt wurde. Zu Beginn des Trainings überlegen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zusammen, wann sie am Arbeitsplatz Selbstkontrolle einsetzen müssen. Auf dieser Basis werden dann individuelle Strategien vermittelt und dis-kutiert, die dabei helfen, diese Anforde-rungen zu bewältigen. Dabei stehen vor allem sogenannte kognitive Ansätze, wie die Selbstreflexion und die Neubewertung von Situationen, im Vordergrund.

Das Training befindet sich derzeit in der Pilotphase. Bei der Erprobung wurde es in vier verschiedenen Unternehmen durchgeführt und systematisch evaluiert. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass sich die Selbstkontrollfähigkeit durch das Training verbessern lässt. Abschließende Ergebnisse sollen in Kürze vorliegen.

www.dguv.de (webcode: d159279)

Puffer gegen psychische BeschwerdenMit einem Training soll die Fähigkeit zur Selbstkon-trolle erhöht und damit das Risiko für Burnout und psychische Erkrankungen verringert werden

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neue Energien statt neue risikenwasser, wind, Sonne sowie nachwachsende rohstoffe – all das soll uns die Energie von morgen liefern. Egal wie, egal womit, eins ist klar: Diese Energiewende schafft neue herausforderungen für den arbeitsschutz. Die DGUv hat diesen Prozess – zusammen mit der Internationalen arbeitsorganisation (IlO) – von anfang an begleitet und sorgt dafür, dass risiken bei herstellung, Installation und Entsorgung nicht übersehen werden. Für mehr Energie und weniger risiko.

Weil neue Technologien unsnicht krank machen sollen.

Prävention nachhaltig gestalten:

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neue Energien statt neue risikenwind, Sonne, wasser sowie nachwachsende rohstoffe – all das soll uns die Energie von morgen liefern. Egal wie, egal womit, eins ist klar: Diese Energiewende schafft auch neue herausforderungen für den arbeitsschutz. Die gesetzliche Unfallversiche-rung hat diesen Prozess – zusammen mit der Internationalen arbeitsorganisation (IlO) – von anfang an begleitet und sorgt dafür, dass risiken bei herstellung, Installation und Entsorgung nicht übersehen werden. Für mehr Energie und weniger risiko.

Weil neue Technologien unsnicht krank machen sollen.

Prävention nachhaltig gestalten:

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Um die Mobilität in Deutschland zu sichern, sollen nach dem Willen der Bundesregierung bis zum Jahr 2020 mindestens eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen fahren. In Sachen Arbeitsschutz verbirgt sich hinter der politisch aktuellen Thematik jedoch weit mehr als eine neue Form der Antriebstech-nologie mit erhöhten elektrischen Gefährdungen.

Das hat eine gemeinsam mit den gesetzlichen Unfallversi-cherungsträgern durchgeführte branchenübergreifende Analyse ergeben. So sind seit Beginn der technologischen Entwicklung die Präventionsexpertinnen und -experten der gesetzlichen Unfallversicherung gefragte Partner der Industrie in Sachen Arbeitssicherheit. Die Analyse hat weiterhin gezeigt, dass alle Unfallversicherungsträger von den Auswirkungen der Elektro-mobilität direkt oder indirekt betroffen sind. Von Lithium-Ionen-Batterien als neue Energieträger können neben der erhöhten elektrischen Gefährdung weitere Risiken ausgehen, wie zum Beispiel eine für Fußgängerinnen und Fußgänger zu erwartende erhöhte Unfallgefahr auf Grund kaum wahrnehmbarer Antriebs-geräusche von Elektroautos. Da von Lithium-Akkumulatoren erhöhte Brand- oder Explosionsrisiken ausgehen können, zum Beispiel für Rettungskräfte oder in Kfz-Werkstätten, sind beson-dere Anforderungen an die Lagerung und den Transport dieser Energieträger zu stellen. Mit den steigenden Zulassungen für Elektrofahrzeuge nehmen auch die Anfragen zum sicheren Um-gang mit Elektromobilen aus anderen Wirtschaftszweigen und Einrichtungen der öffentlichen Hand zu.

Ziel der gesetzlichen Unfallversicherung ist es, die Aktivitäten der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen im Zuge weiter steigender Zulassungszahlen zu bündeln, eine einheitliche Fachmeinung zu bilden und konkrete Handlungshilfen für ausgewählte Zielgruppen zu entwickeln. Weiterhin ist die Unfallversicherung bestrebt, ihre Expertinnen und Experten, die über umfassende branchenübergreifende Fachkenntnisse zur Sicherheit verfügen, noch stärker mit Verbänden und Branchen-vertretern zu vernetzen, um die Kompetenz der Unfallversiche-rung frühzeitig einzubringen.

www.dguv.de (webcode: d130382)

Elektromobilität und arbeitsschutzDie Politik hat das Thema „Elektromobilität“ oben auf die Agenda gesetzt. In Sachen Arbeitsschutz ist die gesetzliche Unfallversicherung dabei ein wichtiger Partner

hEraUSFOrDErUnG nEUE TEChnOlOGIEnSchneller, besser, effektiver: neue Technologien verändern die arbeitswelt – die Prävention hält Schritt. Damit Innovationen allen zugutekommen.

hEraUSFOrDErUnG nEUE TEChnOlOGIEn

„Prävention ist vorausschauend, wenn es gelingt, neue Trends zu erkennen, sie von Beginn an zu begleiten und die Kompetenz der Präventions- experten einzubringen. Das ist bei der Thematik ‚Elektromobilität‘ beispielhaft gelungen.“

Dr. hEInZ SChMIDreferatsleiter Physikalische Einwirkungen/Energieversorgung der DGUv

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In Deutschland und anderen ländern erleben wir seit länge-rem die Entwicklung hin zu einer alternden Erwerbsbevölke-rung. Grund hierfür sind die sinkenden Geburtenraten bei gleichzeitig höherer lebenserwartung. herr Professor amick, verfügen wir über genügend wissen zur Entwicklung von Maßnahmen, mit denen Beschäftigte so lange wie möglich am Erwerbsleben teilhaben können? Oder brauchen wir mehr Forschung in diesem Bereich?Wir wissen bereits sehr viel über die menschlichen Fakto-ren des Alterns und deren Auswirkungen auf Leistung und Sicherheit. Fälschlicherweise wird Altern häufig automatisch mit verringerten physischen und kognitiven Fähigkeiten und den entsprechenden Problemen gleichgesetzt, obwohl es zu-nehmend Belege dafür gibt, dass erfahrene Arbeitnehmer für ihren Betrieb von großem Nutzen sind. Klugheit kann nicht durch Technologie ersetzt werden.

Hüten wir uns vor Diskriminierung aus Altersgründen! Die bisherige Implementierungsforschung (d.h. zur Frage, welche Rahmenbedingungen und Methoden die Implemen-tierung von Innovationen befördern können) in Unterneh-men zur Ermittlung von guten Praxisbeispielen reicht bei weitem nicht aus. Vielmehr muss diese mit dem Schwerpunkt Leistung und Sicherheit intensiviert werden.

Wir sollten einen weiteren wichtigen Aspekt berücksich-tigen: Der Alterungsprozess verläuft nicht linear. Wir können nicht einfach davon ausgehen, dass es mit jedem weiteren Jahr im Alter zu generellen Einbußen bei physischen und kogni-tiven Fähigkeiten kommt. Es gibt gewaltige Unterschiede in der Art, wie wir altern. Unternehmen haben sich bisher auf den Aufbau einer Sicherheitskultur konzentriert. Wir müs-sen aber vielmehr dazu übergehen, eine Gesundheitskultur aufzubauen, die gesundheitsfördernde Verhaltensweisen zu Hause und bei der Arbeit fördert. Umfangreiche Forschungen

legen die Vermutung nahe, dass sich die Alterungskurve bei angemessener körperlicher Bewegung, guter Ernährung und ausreichendem Schlaf nach unten bewegt. Wir müssen die Sicherheitskultur mit der Gesundheitskultur verknüpfen. Vorausschauende Unternehmer haben längst begonnen, ihr Unternehmen auf eine Kultur der Gesundheit auszurichten.

welche Strategien eignen sich Ihrer Meinung nach am besten für den steigenden Bedarf der wirtschaft an flexiblen arbeits-zeiten, darunter nachtschichten – also für eine rund um die Uhr arbeitende Gesellschaft?Unternehmen haben die Möglichkeiten der Informationstech-nologie genutzt, um den Waren- und Güterstrom zu steuern und das Personal besser einsetzen zu können. Bislang haben wir kaum darüber nachgedacht, inwieweit sich diese Systeme für eine flexiblere Unternehmensorganisation einsetzen las-sen. Solchen Innovationen gebührt in Forschung und Praxis mehr Aufmerksamkeit. Dank der sozialen Netzwerke und der Informationstechnologie ist es in der Wissensgesellschaft möglich, im Hinblick auf Arbeitsorte und Arbeitszeiten flexibel zu sein. Für Produktion und Dienstleistungen sind allerdings immer noch physische Orte zur Herstellung von Waren und Erbringung von Dienstleistungen erforderlich.

Gewährt man den Beschäftigten mehr Flexibilität, führt dies zu mehr Selbstbestimmung, die wiederum nachgewiese-nermaßen gesundheitsfördernd ist.

Grundsätzlich sollten wir es tunlichst vermeiden, dass Be-schäftigte im System der Schichtarbeit gefangen sind. So kön-nen Beruf und Privatleben nicht in Einklang gebracht werden. Mittlerweile gibt es eine wachsende Zahl guter Praxisbeispiele, wie Unternehmen diese Work-Life-Balance umsetzen. Allen ist gemein, dass den Führungskräften eine Schlüsselrolle bei einer wirkungsvollen Umsetzung zukommt.

„Klugheit kann nicht durch Technologie ersetzt werden“Ein Interview mit dem verhaltensforscher Benjamin C. amick III

InTErvIEw

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Die psycho-mentalen anforderungen nehmen bei den meisten Beschäftigungen zu. Gleichzeitig beobachten wir einen anstieg bei der Zahl der Frühverrentungen infolge psychischer Erkran-kungen wie Depression. Sehen Sie hier einen direkten Zusam-menhang? Und wie muss dann eine lösung für das Problem am arbeitsplatz aussehen?Eine sehr gute Frage. Wir wissen mittlerweile, dass gesund-heitliche Beschwerden der Hauptfaktor für Frühverrentungen sind. Aber es gibt keine eindeutigen Beweise, dass Depressio-nen oder sonstige seelische Erkrankungen die Hauptursache für Frühverrentungen sind. Und daher glaube ich nicht, dass wir diesen Zusammenhang herstellen können.

Wir wissen, dass psychische Fehlbelastungen am Arbeits-platz überall zunehmen. Nach Prognosen der Weltgesundheits-organisation werden psychische Fehlbelastungen im Jahr 2030 die zweithäufigste Erkrankung sein. Wir wissen auch, dass die meisten Maßnahmen zum Umgang mit psychischen Fehlbela-stungen am Arbeitsplatz nicht wissenschaftlich untermauert sind. Wir brauchen also mehr Forschung zu guten Praxisbei-spielen am Arbeitsplatz in diesem Bereich. Derzeit verfügen wir nicht über ausreichende wissenschaftliche Nachweise.

welche Bedeutung hat die internationale Zusammenarbeit für den aufbau sicherer arbeitsplätze und für die Ermittlung neuer Zusammenhänge zwischen Exposition und Erkrankung?Internationale Zusammenarbeit ist enorm wichtig. Wir müssen unsere Forschungsaktivitäten international wesentlich besser abstimmen. Ein Land kann die Anzahl der wissenschaftlich erforderlichen Studien nicht allein stemmen. Daten lassen sich aber länderübergreifend bündeln und erlauben eine aussage-kräftigere Bewertung von neuen Zusammenhängen zwischen Exposition und Erkrankung.

wie sieht Ihre Empfehlung für arbeitsschutzmaßnahmen aus, wenn Sie die potenziellen gesundheitlichen auswirkungen einer neuen Technologie wie die der nanomaterialien nicht beurteilen können?

Wenn es um das Leben von Menschen geht, darf es keine Kompromisse geben. Seit 30 Jahren erlebe ich, wie die USA versuchen, Verordnungen auf der Grundlage von Kosten und Nutzen zu verabschieden. Sie betrachten Forschungsmaß-nahmen nicht als Beitrag zur Kosten-Nutzen-Analyse, sodass die Ermittlung von Kosten und Nutzen einer neuen Technolo-gie immer noch auf einer ganzen Reihe von Annahmen beru-hen. Dieses Spiel erleben wir momentan in der öffentlichen Debatte über die gesundheitlichen Folgen des Frackings in der petrochemischen Industrie. Anstatt massiv Forschungs-maßnahmen zur Lösung der gesundheitlichen Risiken zu un-terstützen, lehnen viele Akteure diese Technologie rundweg ab. In Ermangelung guter wissenschaftlicher Erkenntnisse sollten wir uns stets auf die Seite des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer stellen.

Prof. Dr. Benjamin C. Amick Stellvertretender wissenschaftlicher leiter und leitender wissenschaftler, Doktor der Sozialepidemiologie, Johns hopkins University

Prof. Dr. Benjamin C. Amick III ist wissenschaftlicher Leiter des kana-dischen Instituts für „Work and Health“ in Toronto (Ontario), einem Schwesterinstitut des IAG Dresden. Darüber hinaus ist er Professor für Verhaltensforschung und Epidemiologie an der Universität von Texas in Houston. Ben Amick promovierte 1986 am Fachbereich für Verhaltungsforschung und Gesundheitserziehung der Johns Hopkins University, School of Hygiene and Public Health in Baltimore, Mary-land. Zu seinen aktuellen Forschungsschwerpunkten gehören die Epidemiologie von Arbeit und Gesundheit, Arbeitsmärkte und Maß-nahmen an Arbeitsstätten, Folgenabschätzung und Messung von Ar-beitsunfähigkeit und Produktivität, Ergonomie und Muskel-Skelett-Erkrankungen, Prävention berufsbedingter Erkrankungen und Unfälle sowie soziales Ungleichgewicht und sozialer Wandel.

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nano definieren, risiken kontrollieren

Die Europäische Kommission veröffentlichte 2011 ihre vorläufi-gen Empfehlungen zur Definition von „Nanomaterialien“. Doch ist damit die Diskussion darüber, was ein Nanomaterial tat-sächlich ist, noch nicht zu Ende. Im Projekt QNano zum Beispiel beschäftigen sich 26 Einrichtungen aus ganz Europa mit der Frage, wo es anzufangen gilt, die Toxizität von Nanomaterialien und die von ihnen ausgehenden Risiken zu definieren. QNano kann als Nachfolger des NanoImpactNet gesehen werden, das 2012 erfolgreich abgeschlossen wurde. Mit NanoImpactNet wurden Standardisierung, Harmonisierung und Schulung in der Risikoforschung zu Nanomaterialien vorangetrieben. Das Projekt hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die in der internatio-nalen Normung genutzten Definitionen kostenlos zugänglich sind. In „QNano Centers of Excellence“ werden nun Nanopartikel untersucht, die in Zukunft als Standard zur Risikoabschätzung herangezogen werden können. Aber auch andere Themen von Toxikologie bis Risikomanagement werden in QNano behandelt.

Das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) hat dabei vor allem Nanotechnologie am Arbeitsplatz vor Augen. So ist es im Betrieb oft weniger wichtig, für einzelne Partikel zu entscheiden, ob es sich um Nanopartikel handelt oder nicht; vielmehr gilt es, größere Produktmengen zu beurteilen, beispielsweise einen Sack nanostrukturierter Pigmente, und für Produktionsprozesse mit diesem Material geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen. Hier stehen das Nano Test Center des Instituts für Gefahrstoff-Forschung der Berufsgenossenschaft Rohstoffe und chemische Industrie (IGF) zusammen mit den aktuellen Standardmessgerä-ten aus dem Messgerätepool des IFA und den Messtechnikern beider Institutionen zur Verfügung. Das Center steht auch den

Mitgliedsunternehmen der Unfallversicherungsträger offen und bietet günstige Voraussetzungen, um das Messen von Nanopar-tikeln zu trainieren, Erfahrungen auszutauschen und individu-elle Messgeräte in Ringversuchen zu vergleichen. Erste Ringver-suche gab es bereits im Rahmen des Projektes NanoDevice. Die verschiedenen Prototypen von Messgeräten wurden dabei nicht nur unter standardisierten Bedingungen im Nano Test Center geprüft, sondern auch im Feldeinsatz erprobt. Ziel ist es, die Entwicklung anwenderfreundlicher Messgeräte zu fördern, mit denen sich die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen einfach und verlässlich nachweisen lässt.

Daten zu Expositionen, die an Nanotechnologie-Arbeits-plätzen erhalten werden, sowie die zugehörige Messstrategie und alle relevanten Umgebungsfaktoren sollen künftig in der Datenbank NECID (Nano Exposure and Contextual Information Database) erfasst werden. Die Datenbank wird gegenwärtig vom IFA zusammen mit internationalen Partnern erarbeitet, um auch eine Grundlage für die internationale Harmonisierung der Messung von Nanomaterialien an Arbeitsplätzen zu schaffen. Dasselbe Ziel verfolgt ein Vorschlag für eine gestufte Messstra-tegie und auf die Arbeitsschicht bezogene Beurteilungswerte für biobeständige granuläre Nanomaterialien, der inzwischen auch in die internationale Normung Eingang gefunden hat. Auch wenn Nanopartikel nur eine kleine Fraktion der ultrafeinen Partikel darstellen, sorgen die Entwicklungen im Bereich der Nanomaterialien dafür, dass dieses Thema den Arbeitsschutz auch weiterhin beschäftigen wird.

www.dguv.de (webcode: d90477)

Auch wenn Nanopartikel nur eine kleine Fraktion der ultrafeinen Partikel darstellen, sorgen die Entwick-lungen im Bereich der Nanomaterialien dafür, dass dieses Thema den Arbeits-schutz auch weiterhin beschäftigen wird.

Sicherer Umgang mit Nanomaterialien am Arbeitsplatz hängt oft davon ab, wie sie definiert und welche Risiken einzelnen Materialien zugeschrieben werden

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In der Industrie werden zunehmend Arbeitsplätze eingerichtet, bei denen Personen sehr eng mit Robotern zusammenarbeiten. Menschliche Fähigkeiten und Fertigkeiten werden mit den prä-zisen Funktionen des kräftigen Roboters kombiniert. Das ergibt eine effiziente Fertigung und entlastet die beteiligten Personen von der Arbeitsschwere. Sicherheit und Gesundheit der Beschäf-tigten müssen durch geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes und des Roboters gewährleistet sein. Dabei lassen sich jedoch Kollisionen zwischen Mensch und Roboter nicht gänzlich aus-schließen – denn es sind keine trennenden Schutzeinrichtungen mehr vorhanden. Die Risikobeurteilung muss daher besonders die vorhersehbaren (Fehl-)Anwendungen betrachten.

Das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) hat zusammen mit der Berufsgenossenschaft Holz und Metall Empfehlungen insbesondere für die biomechanisch/medizinische Beanspruch-barkeit des Menschen bei Kollisionen entwickelt. Hierin werden Grenzwerte für belastende Kräfte und Drücke angegeben. Inak-zeptable Körperbeanspruchungen lassen sich damit vermeiden. Das Robotersystem ist mit sicherer Technik auszustatten und kann dadurch die akzeptablen Kräfte und Drücke im Betrieb zuverlässig einhalten. Diese Empfehlungen sind bereits in die ISO-Norm für Industrieroboter eingearbeitet.

Durch die erforderliche Risikobeurteilung bei einer Arbeits-platzapplikation mit einem kollaborierenden Roboter lässt sich das Risiko von Kollisionen mit Personen abschätzen. Kritische Kollisionsvorgänge müssen dann gemessen und anhand der Grenzwerte bewertet werden. Hierzu ist ein biofideles, also

mechanisch menschenähnliches Messgerät erforderlich. Für die betriebliche Praxis hat das IFA ein Kraft-Druck-Messgerät ent-wickelt. Es berücksichtigt die wesentlichen biomechanischen Körpereigenschaften: Verformbarkeit, Trägheitsverhalten und Bewegungsverhalten kollidierter Körperbereiche. Die in der Kolli-sionsfläche auftretenden Gesamtkräfte und lokale Druckmaxima werden gemessen, visualisiert und dokumentiert.

Zur Körpersimulation und Aufzeichnung von Klemm-, Quetsch- oder Stoßimpulsen stehen zwei Messgerätetypen für die flexible Anwendung in unterschiedlichsten Kollisionsum-gebungen zur Verfügung. Die Messgeräte sind relativ klein und daher leicht handhabbar. Sie erlauben eine vielseitige Montage und ermöglichen damit eine umfangreiche praxisgerechte An-wendung. Laufende Prüfungen und Zertifizierungen von kollabo-rierenden Robotern bestätigen dies. Mithilfe des Messgerätes lässt sich durch geeignete Gestaltung des Arbeitsplatzes oder Parametrisierung des Robotersystems die Körperbelastung bei selten eintretenden Kollisionen akzeptabel begrenzen.

www.dguv.de (webcode: d130086)

roboter am arbeitsplatz: risiken abschätzenEin im IFA entwickeltes Kraft-Druck-Messgerät unterstützt die sichere Gestaltung von Arbeitsplätzen, an denen Mensch und Roboter zusammenarbeiten

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Ambient Intelligence (AmI, Umgebungsintelligenz) ist zurzeit in aller Munde – und gleichzeitig noch in einem frühen Stadi-um ihrer Anwendungsreife. Intelligente Häuser, deren Heiz-anlage sich auf das Nutzerverhalten einstellt, werden ebenso beworben wie Autos, die zunehmend bei der Fahraufgabe as-sistieren. AmI hält aber auch Einzug in die Arbeitswelt: teils of-fensichtlich, durch Geräte wie Datenbrillen (head-mounted dis-plays, HMD), teils unbemerkt durch Sensorik und Vernetzung.

Bei einigen Wartungstätigkeiten zeigen Einblendungen in das Sichtfeld einer Datenbrille Beschäftigten schon jetzt die korrekte Ausführung von Arbeitsaufgaben an. Projektiert sind auch Arbeitsplätze mit intelligenter Lichtsteuerung: Über Sensoren erkennt das System aufkommende Müdigkeit der Beschäftigten und verändert daraufhin die Lichtfarbe.

Diese Entwicklungen waren Anlass für das Institut für Ar-beitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA), den Einsatz von AmI-Technologien am Arbeitsplatz zu analysieren. Auf dieser Grundlage wird gegenwärtig ein Las-tenheft für Betreiber und Hersteller erstellt. Identifiziert wur-den dabei zunächst drei Quellen für mögliche Belastungen und Gefährdungen: die Menschzentrierung der Technologie, ihre Ubiquität (Allgegenwart) sowie mögliche Unfallgefah-ren durch Ablenkung.

Da Anwendungen der AmI wie Datenbrillen oder Licht-steuerung auf das Verhalten der Beschäftigten direkt re-

agieren, können Beschäftigte diese Menschzentrierung der Technik als Fremdbestimmung empfinden und deren indivi-duelle Arbeitserfahrung darunter leiden. Zusammenhanglo-se Arbeiten sind daher zu vermeiden.

Durch AmI wird auch – weniger als heute üblich – die Informationstechnologie selbst Gegenstand der Aufmerk-samkeit bei der Arbeit sein: Die Umgebung selbst wird zur Schnittstelle. Bei Beschäftigten kann sich dadurch der Ein-druck zunehmenden Kontrollverlustes und permanent mögli-cher Überwachung einstellen. Daher sollten Überwachungs-systeme nicht personenbezogen betrieben werden und Vitaldaten und Lebensäußerungen nicht erfasst werden. Die Beschäftigten sollten über die Eigenschaften der Sensorik so-wie über die Verwendung der Daten informiert sein.

Schließlich kann beispielsweise beim Einsatz von Daten-brillen Ablenkung ein gefährdender Faktor sein. Die Fokussie-rung auf eine Einblendung in der Brille gehört zum selbst-verständlichen Bestandteil bei der Arbeit mit Datenbrillen. Dadurch ergeben sich permanent Multitasking-Situationen. Diese können neben psychischen Belastungen auch Stolper-, Sturz- und andere Unfallgefahren mit sich bringen. Daher sollte der Einsatz von Datenbrillen auf seine Ablenkungs- und Behinderungslast überprüft werden. Hersteller sollten dazu Hinweise für die Anwenderinnen und Anwender entwickeln.

ambient Intelligence in der arbeitsweltUmgebungsintelligenz wird künftig auch am Arbeitsplatz eine Rolle spielen. Neue Gefährdungen sollen bereits im Vorfeld erkannt und minimiert werden

ambient Intelligence – wie zum Beispiel intelligente heizanlagen, die sich auf das nutzerverhalten einstellen – hat längst auch Einzug in die arbeitswelt gehalten.

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Nichts ist so beständig wie der Wandel. Technische Neuerungen, Altersstrukturen in der Gesellschaft, sozialwirtschaftliche Trends und viele andere Faktoren verändern die Welt, in der wir leben. Mit ihr verändern sich unsere Arbeitsplätze, unsere Schulen und Universitäten und folglich die Herausforderungen an den Ar-beits- und Gesundheitsschutz. Wie genau sehen diese Heraus-forderungen aus und mit welchen Angeboten und Maßnahmen können die Unfallversicherungsträger ihnen begegnen? Diesen zwei Schlüsselfragen geht die Risikobeobachtungsstelle für die Unfallversicherungsträger beim Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (IFA) nach. Dabei hilft ein internetgestützter Fragebogen. Ihn hat das IFA gemein-sam mit Aufsichtspersonen der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen entwickelt. Der Bogen fragt neue und zukünftige Globaltrends und Entwicklungen ab, die auch europäisch als zu-kunftsrelevant gelten. Für die Risikobeobachtungsstelle wurden sie ergänzt und an die besonderen Strukturen und Erfordernisse der gesetzlichen Unfallversicherung angepasst.

In einer ersten Befragung im Jahr 2012 äußerten sich zunächst Präventionsexpertinnen und -experten der Unfallkassen. Sie bewerteten die Trends unter zwei Gesichtspunkten: deren grund-sätzliche Bedeutung für die Arbeits- und Bildungswelt und deren besondere Bedeutung für die Sicherheit und Gesundheit der Versicherten – sprich für das Auftreten neuer Risiken. Gleichzeitig gaben sie teils sehr konkrete Hinweise auf erforderliche Präventi-onsressourcen. Die Auswertung läuft träger- und branchenbezo-gen; die Ergebnisse werden den befragten Unfallkassen im Laufe des Jahres 2013 zur Verfügung stehen. Gleichzeitig startet die

Befragung in ihre zweite Runde, an der dann Aufsichtspersonen von Berufsgenossenschaften teilnehmen werden.

Auch die Risikobeobachtungsstelle selbst muss sich immer wieder anpassen, um den richtigen Trends auf der Spur zu bleiben. Dabei soll ein Trend-Scouting zusammen mit der Abteilung Sicherheit und Gesundheit der DGUV (SiGe) helfen, brandneue Entwicklungen auf ihre grundsätzliche Bedeutung für den Arbeitsschutz zu prüfen. Hier werden IFA und SiGe zukünftig Hand in Hand arbeiten. Denn: Fällt die Bewertung positiv aus, fließen solche Trends in den Fragebogen ein. Zusätzlich soll sich die inhaltliche Reichweite der Beobachtungsstelle vergrö-ßern. Unterstützt vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat wird sie künftig auch Trends und deren Effekte auf die Verkehrs- und Wegesicherheit betrachten.

www.dguv.de (webcode: d129113)

Den Trends auf der Spur: risikobeobachtungEine Risikobeobachtungsstelle soll die Prävention noch effektiver an aktuellen Entwicklungen und Veränderungen der Arbeitsumwelt ausrichten

„Im Begriff Prävention steckt ja die Silbe ‚prä‘, also ‚vor‘. Die Risikobeobachtungstelle will genau das: zukünftige Gefährdungen so rechtzeitig erkennen, dass echte Vor-Beugung möglich wird.“

Ina nEITZnErreferatsleiterin „wissenschaftliche Kooperationen“ im IFa

Den Trends auf der Spur: Brandneue Entwicklungen auf ihre grundsätzliche Bedeutung für den Arbeitsschutz prüfen – eine Aufgabe der Risikobeobachtungsstelle.

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Die fortschreitende Entwicklung von Informations- und Kom-munikationstechnologien (IT) haben die Arbeitsweise und -organisation in vielen Berufsbildern grundlegend verändert. Auf der Basis intensiver Medienunterstützung lassen sich in immer mehr Arbeitsbereichen standortverteilt und sogar standortunab-hängig (mobil) Aufgaben erfüllen.

Diese mobile und IT-gestützte Arbeitsweise birgt Potenziale für effizientes Arbeiten. Sie hält aber auch neue Herausforde-rungen bereit, denen es zu begegnen gilt: Neben technischen und organisatorischen Defiziten, die in Voruntersuchungen des Instituts für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) aufgezeigt werden konnten, mangelt es bisher an bedarfsgerechten Konzepten der Personalentwicklung für die spezifischen Anforderungen und Kompetenzerfordernisse bei mobiler IT-gestützter Arbeit.

Das Leitmotiv konventioneller Personalentwicklung ist der möglichst effiziente Einsatz der Ressource Arbeitskraft. Dies steht nicht zwingend im Widerspruch zum Arbeitsschutz, ist aber gewiss auch kein Ansatz im Dienste der Prävention. Än-dert man jedoch das Leitmotiv von einer Fokussierung auf die Produktivität hin zum Selbstwirksamkeitserleben, dann ergibt sich ein hervorragendes Instrument zur Prävention psychischer Belastungen am Arbeitsplatz.

Unter Selbstwirksamkeitserleben kann die erfolgreiche Arbeitshandlung von Beschäftigten verstanden werden. Die Be-

schäftigten erleben sich in ihrem Arbeitssystem als kompetente Akteure und erhalten aus ihrem Tun ein positives Feedback. Sie entwickeln Selbstwirksamkeitserwartungen bezogen auf künftige Herausforderungen und erfahren dadurch potenziell eine geringe-re psychische Belastung. Um diesen kreativen Prozess in Gang zu bringen oder geeignete Rahmenbedingungen zu schaffen, kann mit angepassten Instrumenten konventioneller Personalentwick-lung ein präventionsförderlicher Weg eingeschlagen werden.

Auf der Basis quantitativer Befragungen und qualitativer Interviews mit Beschäftigten der mobilen Branche und mit Perso-nalverantwortlichen wurde ein beispielhaftes, branchenspezifi-sches Kompetenz- und Anforderungsprofil für mobile IT-gestützte Arbeit erstellt. Es beschreibt die geforderten allgemeinen und körperlichen Qualifikationskriterien für diese Arbeit ebenso wie die zur erfolgreichen Arbeitsausführung erforderlichen Kompe-tenzen. Auf der Basis dieses empirisch-analytisch fundierten Profils können Personalverantwortliche zukünftig effiziente und bedarfsgerechte Konzepte der Personalförderung ausarbeiten. So können sie dazu beitragen, die Handlungskompetenz und das mit ihr einhergehende Selbstwirksamkeitserleben der Beschäf-tigten im Hinblick auf die Entwicklungen am Arbeitsmarkt zu stärken, auszuweiten und zu fördern.

www.dguv.de (webcode: d117326)

Ein Kompetenzprofil für mobile IT-arbeitSicherheit und Gesundheit – wichtige Aspekte der Personalentwicklung, beispiels-weise durch richtige Anforderungen an Beschäftigte und deren Kompetenzen

KOMPETENZ

ERFOLG

QUALIFIKATION

FEEDBACK

HANDLUNG

SELBST- WIRKSAMKEITS-

ERLEBEN

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hEraUSFOrDErUnG nEUE TEChnOlOGIEn

Prävention im netz

Hier haben wir weitere Informationen und Ressourcen zum Kapitel „Herausforderung neue Technologien“ für Sie zusammen-gestellt.

Institut für arbeitsschutz (IFa) www.dguv.de/ifa

Kontaktpersonen

Die DGUV ist gerne für Sie da. Hier finden Sie Ihre Kontaktperson zu verschiedenen Themen im Kapitel „Herausforderung neue Technologien“.

Elektromobilität und ArbeitsschutzDr. heinz SchmidTelefon: 02241 2311389

Ambient IntelligenceMichael Bretschneider-hagemesTelefon: 02241 2312902

SchwingungsbelastungDr. Jörg risslerTelefon: 02241 2312611

Kompaktkehrmaschinen sind vielseitig einsetzbar: nicht nur für die Straßenrei-nigung, sondern wegen ihrer geringen Größe auch in Fußgängerzonen und auf Gehwegen. Im Einsatz werden Schwin-gungen von den Anbaugeräten und dem Fahrwerk auf die Kabine übertragen und von dort über den Sitz auf die Fahrerinnen und Fahrer. Diese Schwingungen werden als Ganzkörper-Vibrationen bezeichnet und können bei langjähriger Einwirkung die Lendenwirbelsäule schädigen.

Um Beschäftigte vor dieser Gesund-heitsgefährdung zu schützen, muss die Schwingungsbelastung zunächst ermittelt und dann beurteilt werden. Für Kompakt-kehrmaschinen lagen nicht genügend Schwingungsdaten vor, um die Gefähr-dung beurteilen zu können. Deswegen hat das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) mit sechs Unfallversicherungs-trägern in fünf Mitgliedsbetrieben zusam-mengearbeitet, um repräsentative Daten zur Schwingungsbelastung zu ermitteln. Die Ergebnisse zeigen, dass die Schwin-gungsbelastung – wie so oft – stark von den Einsatzbedingungen abhängt: Sie ist zum Beispiel höher für das Fahren als für das Kehren und nimmt auf Kopfsteinpflas-ter stark zu. Bei fehlender Fahrwerksfede-rung können diese Effekte auffällig zutage treten. Besonderes Augenmerk für die Prävention kommt dabei dem Sitz zu, der im günstigsten Fall die Schwingungsanre-gungen soweit dämpfen kann, dass keine Gesundheitsgefährdungen auftreten. Hier stellt sich das Problem der geringen

Kabinengröße der untersuchten Kehrma-schinen. So müssen die Fahrerinnen und Fahrer den Sitz zunächst so einstellen, dass sie sicher fahren und arbeiten kön-nen. Dies kann dazu führen, dass der Sitz sehr weit nach unten und hinten gestellt wird – oder sehr weit nach oben, um die Kehrbesen sehen zu können. In beiden Fällen kann der Schwingweg des Sitzes so weit eingeschränkt sein, dass dieser die Schwingungsanregung nicht mehr dämpft, sondern sie im ungünstigen Fall sogar verstärkt.

Daraus lassen sich Hinweise für die Prävention ableiten: Beim Einkauf neuer Maschinen sollte auf Fahrwerksfede-rungen geachtet werden. Manchmal ist es auch möglich, die Fahrerkabinen zu vergrößern, sodass dem Fahrersitz mehr Schwingweg zur Verfügung steht. Die Sitze sollten die Anregungen dämpfen können und gleichzeitig einen möglichst gerin-gen Raumbedarf haben. Die Fahrerinnen und Fahrer sollten in jedem Fall über die Einstellungsmöglichkeiten der Sitze informiert werden. Wichtig ist auch eine Unterweisung zur Fahrweise, insbeson-dere auf holprigen Fahrbahnoberflächen. Gute Wartung der Sitze und eine Organisa-tion der Kehrgebiete, die reine Fahrzeiten zum und vom Einsatzort möglichst gering hält, sind ebenfalls wichtig.

Die Projektergebnisse fließen auch in Normungsprojekte ein: Schwingungsan-gaben der Maschinenhersteller und even-tuell auch Prüfangaben der Sitzhersteller sollen künftig den Einkauf erleichtern.

Schwingungsbelastung auf KompaktkehrmaschinenKompaktkehrmaschinen bieten nur wenig Platz. Dennoch lässt sich einer Schwingungsbelastung des Fahrers wirksam begegnen

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Deutschland arbeitet. Aber sicher.

610.000 Sicherheitsbeauftragte

1,3Millionen

Ersthelfer und Ersthelferinnen

82.000 Fachkräfte für

arbeitssicherheit

370.000 Teilnehmende an aus-

und Fortbildung

3,9Millionen

versicherte Unternehmen und Einrichtungen

76 Millionen

versicherte in Deutschland

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OrGanISaTIOn

Ob bei der Arbeit, in Schule und Studium, in der Kita oder beim Ehrenamt: Die gesetzliche Unfallversicherung bietet Sicherheit und Schutz. Sie ist ein Teil der Sozialversicherung in Deutsch-land. Alle abhängig Beschäftigten, Schülerinnen und Schüler, Studierende, Kindergartenkinder sowie ehrenamtlich Tätigen, insbesondere Angehörige der freiwilligen Feuerwehr, sind in der Regel automatisch gegen Arbeits-, Schul- und Wegeunfälle sowie Berufskrankheiten versichert – das trifft auf rund 76 Mil-lionen Menschen in Deutschland zu. Getragen wird die gesetz-liche Unfallversicherung von den Berufsgenossenschaften und Unfallkassen, die vor Ort und nach Branchen gegliedert für die Versicherten da sind.

Die DGUv Die DGUV (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung) ist der Spitzenverband der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Er nimmt die gemeinsamen Interessen seiner Mitglieder wahr und fördert deren Aufgaben zum Wohl der Versicherten und der Unternehmen. Die DGUV vertritt die gesetzliche Unfallversiche-rung gegenüber Politik, Bundes-, Landes-, europäischen und sonstigen nationalen und internationalen Institutionen sowie Sozialpartnern. Sie hat ihren Hauptsitz in Berlin und weitere Geschäftsstellen in Sankt Augustin und München. Institute und Akademien unterhält die DGUV darüber hinaus an den Standor-ten Bad Hersfeld, Bochum, Dresden, Hennef und Sankt Augus-tin. Die DGUV wirkt auch in der Kommission Arbeitsschutz und Normung (KAN) mit, die vom Verein zur Förderung der Arbeits-sicherheit in Europa (VFA) getragen wird.

Prävention der DGUvDie gesetzliche Unfallversicherung kümmert sich auch um die Verhütung von Arbeits-, Schul- und Wegeunfällen, Berufskrank-heiten sowie arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren. Die Prä-vention spielt dabei eine entscheidende Rolle und ist als eine der Aufgaben von Berufsgenossenschaften und Unfallkassen auch gesetzlich festgelegt. Diese führen eine branchenbezogene und an den tatsächlichen Gefährdungs- und Belastungssituatio-nen in den einzelnen Gewerbezweigen orientierte Überwachung und Beratung durch. Darüber hinaus haben sie in den letzten Jahren ein Bündel von bedarfsgerechten Präventionsaktivitäten und Dienstleistungen entwickelt, die wirtschaftlich, handlungs-orientiert und effizient sind. Im Bereich der Prävention umfassen die Schwerpunkte der Verbandsarbeit insbesondere:

Durchführung, Koordinierung und Förderung gemeinsamer Maßnahmen sowie der Forschung auf dem Gebiet der Präven-tion von Arbeits-, Schul- und Wegeunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren.

Vorbereitung und Ausarbeitung von Muster-Unfallverhütungs-vorschriften sowie deren Pflege, Mitwirkung beim Erlass von Unfallverhütungsvorschriften und Hinwirkung auf Rechtsein-heitlichkeit.

Beteiligung bei der Prüfung, Zertifizierung und Normung auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene.

Entscheidung von allen grundsätzlichen Fach- und Rechtsfra-gen zur Sicherung der einheitlichen Rechtsanwendung in der gesetzlichen Unfallversicherung sowie fachliche Beratung und Information der Berufsgenossenschaften und Unfallkassen und Förderung ihres Erfahrungsaustausches.

Erarbeitung von Grundsätzen und Durchführung der Aus-, Fort- und Weiterbildung der Beschäftigten der Berufsgenos-senschaften und Unfallkassen sowie ihres Spitzenverbandes einschließlich der Abnahme dienstrechtlicher Laufbahn- und Eignungsprüfungen sowie Förderung und Koordinierung der Aus- und Fortbildungsmaßnahmen.

Die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland

Mit Sicherheit arbeiten

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und Kontakt

Stabsbereich Prävention (SB Präv.)

Abteilung Sicherheit und Gesundheit (SiGe)

Stabsbereich Prävention (SB Präv.)

Abteilung Sicherheit und Gesundheit (SiGe)

Alte Heerstraße 11153757 Sankt AugustinTelefon: 02241 231-01 (Zentrale)

Alte Heerstraße 11153757 Sankt AugustinTelefon: 02241 231-1300

Fockensteinstraße 181539 MünchenTelefon: 089 62272-175

Dr. walter EichendorfSanKT aUGUSTIn

Manfred rentropSanKT aUGUSTIn / MünChEn / DrESDEn

Geschäftsbereich Prävention (Stand Juni 2013)

Dr. walter EichendorfStv. hauptgeschäftsführer

Organigramm

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Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG)

Institut für Arbeits-schutz der DGUV (IFA)

Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA)

Institut für Arbeit und Gesundheit der DGUV (IAG)

Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA)

Institut für Prävention und Arbeitsmedizin der DGUV (IPA)

Königsbrücker Landstraße 201109 DresdenTelefon: 0351 457-0Fax: 0351 457-1005E-Mail: [email protected]

Alte Heerstraße 11153757 Sankt AugustinTelefon: 02241 231-02Fax: 02241 231-2234E-Mail: [email protected]

Bürkle-de-la-Camp-Platz 144789 BochumTelefon: 0234 302-4501Fax: 0234 302-4505E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Dirk windemuthDrESDEn

Prof. Dr. helmut Blome(bis 30. Juni 2013)

nachfolger:Prof. Dr. Dietmar reinertSanKT aUGUSTIn

Prof. Dr. Thomas BrüningBOChUM

Geschäftsbereich Prävention (Stand Juni 2013)

Dr. walter EichendorfStv. hauptgeschäftsführer

vorsitzende der Mitgliederversammlung: Manfred Wirsch (Berufsgenossenschaft Handel und Warendistribution),

Helmut Etschenberg (Unfallkasse Nordrhein-Westfalen)

vorsitzende des vorstandes: Dr. Hans-Joachim Wolff (Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft),

Marina Schröder (Berufsgenossenschaft Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse)

hauptgeschäftsführer: Dr. Joachim Breuer

Stv. hauptgeschäftsführer: Dr. Walter Eichendorf, Petra Zilch

OrGanISaTIOn

Selbstverwaltung und Hauptgeschäftsführer(Stand Juni 2013)

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herausgeberDeutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV)Mittelstraße 5110117 BerlinTelefon: 030 288763800Fax: 030 288763808E-Mail: [email protected]: www.dguv.de

ProjektleitungMarcus Hussing

redaktionsteamKathrin Baltscheit, Vera Hänsch, Sabine Herbst, Angela Janowitz, Vicky Marschall,Dr. Ralf Michaelis, Dr. Dagmar Schittly, Sabine Strickrodt, Wolfgang Trappe, Sanja Zec

Grafische Gestaltung, layout, Bildkonzept und InfografikChristoph Schmid Designer AGDwww.christophschmid.com

DruckDruck Center Meckenheim GmbHwww.druckcenter.de

Bildnachweis Titel: altrendo images / Getty Images Seite 4: Westend61 / Getty Images, Mike Kemp / Blend Images / Corbis Seite 5:

Tom Merton / Getty Images, Olaf Ballnus / Parapictures Film Production, Tetra Images / Corbis Seite 6-7: DGUV/Stephan Floss Seite 8-9: Randy Faris / Corbis Seite 10-11: Marnie Burkhart / Corbis Seite 12-13: Abel Mitja Varela / Getty Images

Seite 14: Westend61 / GettyImages Seiten 17: Frank Homann / DGUV Seite 18: shooarts / Fotolia, DGUV Seite 19: www.deinruecken.de Seite 20: AK-DigiArt / Fotolia Seite 23: simbos / Fotolia Seite 24: Mike Kemp / Blend Images / Corbis

Seite 27: Ministry of Manpower, Singapore Seite 28: George Doyle / Getty Images Seite 30: Digital Vision / Getty Images Seite 32: Tom Merton / Getty Images Seite 35: Privat Seite 36: Laurentiu lordache / Fotolia Seite 37: Zoonar / Thinkstock Seite 38: ag visuell / Fotolia Seite 39: psdesign1 / Fotolia Seite 40: Dan Race / Fotolia Seite 41: tanawatpontchour / Fotolia Seite 42: IPA Seite 43: CLIPAREA.com / Fotolia Seite 44: L_amica / Fotolia Seite 45: Ocean / Corbis Seite 46: Kadmy

/ Fotolia Seite 48: Olaf Ballnus / Parapictures Film Production Seite 51: DGUV / Stephan Floss Seite 52: Jupiterimages / Thinkstock Seite 53: Ian Lishman / Juice Images / Corbis Seite 54: iluistrator / Fotolia Seite 55: Robert Kneschke / Fotolia, DGUV Seite 56: WavebreakmediaMicro / Fotolia Seite 57: DGUV Seite 60: Tetra Images / Corbis Seite 63: Privat Seite 64: ag visuell / Fotolia Seite 65: Guido Vrola / Fotolia Seite 66: lassedesignen / Fotolia Seite 68: Sven Grundmann / Fotolia

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Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e.v. (DGUv)

Mittelstraße 5110117 BerlinTelefon: 030 288763800Fax: 030 288763808E-Mail: [email protected]: www.dguv.de