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metall zeit Mitgliederzeitung der IG Metall | Jahrgang 69 | Oktober 3 m e t a l l u ng R Seite 28 Digitalisierung Arbeit muss im Wandel gerecht gestaltet werden Bezirk R Seite 19 Bild des Monats Wer Angehörige pflegt, braucht Zeit R Seite 4 WIR BRAUCHEN MEHR GELD UND MEHR ZEIT TARIFRUNDE 2018

Oktober/November 2017 - IG Metall Köln-Leverkusen...12 TITEL Titelfoto: Peter Bisping metallzeitung Oktober/November 2017 Begeistert von der IG Metall Elina Marie ist sieben Monate

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  • metallzeitMi t g l i e d e r ze i t u ng de r I G Me t a l l | J a h r g ang 69 | Oktobe r/Novembe r 2017 | D 47 13

    metallzeitung

    R Seite 28

    Digitalisierung Arbeit muss im Wandelgerecht gestaltet werden

    Bezirk

    R Seite 19

    Bild des Monats Wer Angehörigepflegt, braucht Zeit

    R Seite 4

    WIR BRAUCHEN

    MEHR GELDUND

    MEHR ZEIT

    TARIFRUNDE 2018

  • 2

    >INHALT

    4 Pflege Wenn Beschäftigte sich um Eltern oder Angehörigekümmern wollen, brauchen sie Zeit.

    6 Ein Jahr Donald Trump Was sich für amerikanische Gewerk-schaften seither verändert hat.

    7 Drei Fragen an Meinard Geiken Warum Elektroautos dieWindenergie brauchen, es der Windbranche aber nichts nützt.

    8 Bundestagswahl DieWahl hat zu dramatischen Verlusten für dieVolksparteien geführt. Wir brauchen eine tragfähige Politik für alle.

    10 Verkehrswende Die Autoindustrie muss sich neu erfinden. Sie-ben Forderungen der IG Metall.

    11 Zulieferindustrie Die Branche steht vor großen Umbrüchen.Wie die IG Metall den Wandel gestalten will.

    Tarifrunde Metall und Elektro 2018:mehr Zeit und Geld für alle

    Die Tarifrunde für die Metall- und Elektroindustrie läuft.

    Die Beschäftigten wollen mehr Geld und mehr Selbstbe-

    stimmung bei der Arbeitszeit. Das haben die bisherigen

    Diskussionen und Befragungen in den Betrieben gezeigt.

    Die Vorschläge der Tarifkommissionen lauten: um die

    6 Prozent mehr Geld und das Recht für alle, ihre Arbeitszeit vorüber-

    gehend zu verkürzen, wenn es zum Leben passt. Betriebsräte und

    Vertrauensleute diskutieren derzeit mit den Beschäftigten diese Ideen.

    Ende Oktober wird die IG Metall ihre Forderungen an die Arbeitgeber

    stellen.

    18 Tarifrunde Kfz-Handwerke Beschäftigte bekommen mehrGeld und für Auszubildende gibt es ein Extraplus.

    19 Digitalisierung Das Luft- und RaumfahrtunternehmenMT Aerospace hat seine Fertigungssteuerung digitalisiert.

    20 Betriebsratswahl Im Frühjahr 2018 sind Betriebsratswahlen.Derzeit läuft die Aufstellung der Kandidaten.

    22 Recht so Das Überwachen von Beschäftigtenmit Spähsoftware ist verboten.

    23 Rechtsfall Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechtestärkt die Privatsphäre am Arbeitsplatz.

    24 Ratgeber Wann muss der Chef den Beschäftigten eineSonderzahlung bescheren?

    25 Broschüre Ab 1. Januar 2018 gilt das Mutterschutzgesetzauch für Schülerinnen, Studentinnen und Praktikantinnen.

    26 Beruf Patrick Whealing lernt bei Hella Elektroniker – einBeruf, der in der Industrie sehr gefragt ist.

    26 Besser mit Tarif Die Broschüre »Einstiegsgehälter für Absol-venten 2017/2018« zeigt: Mit Tarif gibt’s deutlich mehr.

    28 Aus den Bezirken

    30 Lokales/Karikatur

    31 Rätsel/Impressum

    nötige Strecken zu vermeiden, nurin Ausnahmefällen allein zu fahren,undVerzicht auf jedesunnötigeFea-ture, denn jedes Gramm Gewichterhöht den Verbrauch. Und wirbrauchen die Bereitschaft, öffentli-che Verkehrsmittel zu nutzen,selbst wenn das umständlich istund länger dauert. Die Reduktiondes CO2-Ausstoßes funktioniertnur, wenn sie in fast allen Lebens-bereichen umgesetzt wird.DerAu-tokauf muss deutlich abnehmenund einige untragbare Fahrzeugewie SUVs müssen vom Markt ver-schwinden. Mir ist klar, dass dieseVeränderungen nicht leicht sind.

    >LESERBRIEFE

    Unverständliche Diskussionmetallzeitung 9/2017Jörg Hofmann zur Dieselaffäre

    Ich verstehe die ganze Diskussionum den Diesel nicht, da die Diesel-technik, wenn sie mit den entspre-chendenMöglichkeiten angewendetwird, noch über lange Jahre ihre Be-rechtigung habenwird, nicht nur alsÜbergang.Wobei ichmich frage, wieund mit welchen Techniken derÜbergang so schnell gelingen soll.Anton Deiser, per E-Mail

    Wir brauchen ein größeres Um-denken:WirbrauchendieVernunft,nichtmehr so schnell zu fahren, un-

    >REDAKTIONSSCHLUSS DIESER AUSGABE:25. September 2017

    Protest In Bochum protestieren7000 Menschen gegen die ge-plante Stahlfusion von Thyssen-Krupp und Tata.R Seite 7

    Wahl Die Mitglieder des Bundestagssind gewählt. Beschäftigte, Rentnerinnenund Rentner haben klare Erwartungen andie neue Regierung.R Seite 8

    Foto: Marcel Kusch/pa

    Foto:Westend61/MerleM./pa

    12TITEL

    Titelfoto: Peter Bisping

    metallzeitungOktober/November 2017

    Begeistert von der IG MetallElina Marie ist sieben Monate alt.Das Foto schickten uns ihre ElternKai-Hendrik Rasehorn und DeniseSuhr per E-Mail. Sie schreiben, wiegerne ElinaMarie das Bandana derIGMetall trägt: »Sogar die Kleinstenwollen schon mitkämpfen – auchwenn sie ihre Meinung noch nichtganz so deutlich äußern können. Ihrmacht einenwirklich tollen und vorallemwichtigen Job.Macht weiter.«

    Habt Ihr auch Fotos mit derIGMetall? Dann schickt sie uns an:

    [email protected]

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    vat

    >LESERFOTO

    mailto:[email protected]

  • 3

    EinigeMetallerwerdendadurch ih-ren Job verlieren. Ich finde aber,dass wir dieses Problem offen an-sprechenund jetzt handelnmüssen.Christian Stadelmann, per E-Mail

    Bewertung unangebrachtmetallzeitung 9/2017»Der große IG Metall-Wahlcheck«

    Bei Eurem Ergebnis schreibt Ihrüber die SPD: »Sie setzt sich fürsoziale Gerechtigkeit ein.« Wederschriftlich nochmündlich habe ichvon der SPD vernommen, dass siesich von den Hartz-IV-Gesetzenund der Agenda 2010 verabschie-denwill. Dass Ihr dann von sozialerGerechtigkeit schreibt, finde ichunangebracht und nicht richtig.Peter Schlender, Hattingen

    Sehr fragwürdig finde ich das Fazitüber die Grünen. Warum wird hierim Gegensatz zu allen anderen Par-teien der Klima- undUmweltschutzangeführt? Diese Themen kommen

    im Wahlcheck nicht vor. So ist dasFazit an der Stelle für die LeserinnenundLeser nicht nachvollziehbar undverzerrt völlig den Vergleich mitanderen Parteien. Außerdem müs-sen die Leserinnen und Leser glattdavon ausgehen, dass die IG Metallgenerell gegen jeglichenKlima- undUmweltschutz ist. Ich hoffe dochsehr, dass dem nicht so ist.Jörn Naber, per E-Mail

    Anmerkung der Redaktion: Die IG Metall

    setzt sich im Interesse ihrer Mitglieder

    für Klima- und Umweltschutz ein. Ange-

    sichts der Vielzahl der Themen kann der

    Wahlcheck aber nur einen Teil abdecken.

    Wo bleibt die Vielfalt?metallzeitung 9/201714 junge Menschen in der Septem-berausgabe und keiner mit Namenaus anderenKulturen und Sprachen.Eine vertane Chance zu zeigen, wieselbstverständlich dieseKolleginnenund Kollegen zu uns gehören.Henrik Müller, Luckau

    September-RätselLösungssumme: »65«

    1. Preis: Sabine Sternegger, München

    2. Preis: Monica Lammert, Ratingen

    3. Preis: Malte Dürheide, Barwedel

    >GEWONNEN

    Guter Rat Im November gibt eswieder Weihnachtsgeld. Doch wemsteht es eigentlich zu? Und in welcherHöhe.R Seite 24

    Betriebsratswahl Im Frühjahr2018 finden Betriebsratswahlenstatt. Jetzt läuft die Kandidaten-aufstellung.R Seite 20

    Illustration:StephanieBrittnacher

    metallzeitungOktober/November 2017

    Miteinander für morgen in derTarifrunde und in der Politik

    Foto:FrankRumpenhorst

    Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall

    Politik Ob in der anstehenden Tarifrunde für dieMetall- und Elektroindustrie oder in der Politiknach der Bundestagswahl: Die IG Metall machtsich für die Beschäftigten stark.

    >EDITORIAL

    Der Ausgang der Bundestagswahl stellt eine Zäsur in der bundes-deutschenGeschichte dar. Erstmals zieht eine Partei, die offen rassis-tische Parolen in ihren Reihen duldet, in den Bundestag ein. Dies istauch eine Folge einer tiefen Verunsicherung. Es fehlte an überzeu-gendenAntworten auf die Veränderungen, die alle Bürger bewegen:die Folgen der Digitalisierung, die Vertiefung der Spaltung unsererGesellschaft, sichere Renten,Migration und Integration, bis zurMo-bilitätswende- undEnergiewende. Dafürwurde dieGroßeKoalitionabgestraft. Wir fordern von der neuen Bundesregierung überzeu-gende Antworten auf diese Themen. Dazu gehören neue Rechte fürBeschäftigtewie dieAbschaffung der sachgrundlosenBefristung, dasüberfällige Rückkehrrecht aus Teilzeit und ein Rechtsanspruch aufWeiterbildung. Dies braucht eine starke, handlungsfähige IGMetall.

    Gemeinsam sind wir stark Der Startschuss für die Tarifrunde derMetall-und Elektroindustrie ist gefallen. Die Tarifkommissionenhaben klare Ziele gesteckt, waswir für alle Beschäftigten der Branchewollen: Eine deutliche Entgelterhöhung um 6 Prozent. Einen An-spruch, die Arbeitszeiten so zu wählen, dass sie besser zum Lebenpassen.Die Reaktionen derArbeitgeber zeigen, dasswir uns auf eineharte Auseinandersetzung einstellen können. Wir wollen mehrSelbstbestimmung für alle Beschäftigten durchsetzen.Diesen klarenAuftrag haben uns die Beschäftigten in unserer Befragung erteilt. Ichbin überzeugt: Gemeinsam können wir das schaffen. Dabei kommtes auf jeden von uns an. Die Tarifrunde ist eine gute Gelegenheit,noch mehr Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu gewinnen. Je mehrwir sind, desto durchsetzungsfähiger werden wir. Das ist auch not-wendig: Denn guteArgumente alleinewerden die Arbeitgeber wohlnicht überzeugen.

  • metallzeitungOktober/November 2017

    4

    Eben noch kümmerten sich die Eltern umalles, brachten die Tochter zum Vorstel-lungsgespräch in der nächsten Großstadt,packten beim Umzug mit an und passtenauf die Enkelkinder auf. Und nun? Plötz-lich brauchen sie selbst Hilfe.Wenn Elternoder Verwandte pflegebedürftig werden,ist es für Angehörige meist eine seelischeBelastung. Oft werden Eltern oder Ver-wandte von jetzt auf gleich pflegebedürf-tig und brauchen Hilfe. Konnte dieGroßmutter sich bis vor Kurzem nochselbst versorgen, kann die nächste Erkran-kung schon das Ende ihrer Selbstständig-keit bedeuten.

    Mehr Zeit für Pflege Wer sich umseine Eltern oder Angehörigen kümmernwill, braucht Zeit. Berufstätigen Men-schen fällt es oft nicht leicht, beides untereinen Hut zu bringen. Die Pflege vonAngehörigen geht dann häufig zulastender eigenen Gesundheit. Beschäftigte in-vestieren ihren Urlaub für die Pflege undverzichten auf die eigene Erholung odergleich ganz auf die Berufstätigkeit. Zudiesem Ergebnis kommt eine Studiedes Leibniz-Instituts für Wirtschaftsfor-schung auf Basis eines europäischen Da-tensatzes aus den Jahren 2004 bis 2015.Danach reduziert sich die Beschäftigungs-wahrscheinlichkeit von älteren Erwerbs-tätigen, wenn sie Angehörige pflegen. BeiFrauen, die im vergangenen Jahr zum ers-tenMal pflegten, ging sie um 7,2 Prozent-punkte zurück, bei Männern sogar um11,8 Prozentpunkte.

    Mehr Zeit für Pflege Damit Beschäf-tigte Zeit für die Pflege ihrer Eltern oderAngehöriger haben und nicht auf ihrenBeruf verzichten müssen, diskutiert dieIG Metall derzeit unter anderem überMöglichkeiten, die Arbeitszeit vorüber-gehend verkürzen zu können (siehe auchunsere Titelgeschichte zum Start der Ta-rifrunde in derMetall- und Elektroindus-trie auf den Seiten 12 bis 17).

    [email protected]

    Wenn Eltern Hilfebrauchen, wird Zeitwertvoll

    mailto:[email protected]

  • metallzeitungOktober/November 2017

    5

    Foto:BarabasAttila/stock.adobe.com

  • 6 metallzeitungOktober/November 2017

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    Die Wahl Donald Trumps vor etwa einem Jahr hatdie US-Gewerkschaften in eine schwierige Lagegebracht. Einerseits hatte Trump versprochen, dieInteressen des »kleinen Mannes« zu vertreten.Andererseits ist es das Ziel der Republikaner, dieGewerkschaften weiter zu entmachten. Sie wollendas Arbeitsgesetz reformieren und gewerkschafts-feindliche Gesetze auf weitere Bundesstaaten aus-dehnen. Trump hat schon erkennen lassen, dass erdiese Initiativen begünstigen wird. Manche Ge-werkschaften sind deshalb in offener Oppositionzum Präsidenten. Nun geht es um gemeinsameAnstrengungen der Gewerkschaften zusammenmit der Demokratischen Partei und progressivenGruppen, die Angriffe abzuwehren und wieder indie Offensive zu kommen.

    Eine Analyse zur Situation der US-Gewerkschaften unter:igmetall/international

    US-Gewerkschaften: das erste Horrorjahr unter TrumpEin Jahr nach der Präsidentenwahl müssen die Gewerkschaften in den USA aus der Defensive.

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    7. Oktober

    Der Welttag für menschenwür-dige Arbeit am 7. Oktober findetin diesem Jahr zum zehnten Malstatt. Seit 2008 treten die Gewerk-schaften an diesem Tag weltweitfür menschenwürdige Arbeit ein,laden zu Diskussionen ein,schreiben Rundbriefe oder de-monstrieren für ihre Anliegenwie ausreichender Arbeitsschutzund soziale Sicherheit. DerSchwerpunkt liegt in diesem Jahrauf den weltweiten Bemühungenum existenzsichernde Mindest-löhne. Mehr zumWelttag unter:

    ituc-csi.org

    Der große Zeiträuber PendelnEs kostet wertvolle Freizeit und Nerven, aber fast 60 Pro-

    zent der Berufstätigen tun es: Sie fahren täglich zur Arbeit

    in einen anderen Ort: 18,4 Millionen Menschen pendelten

    2016 – ein Rekordwert. Im Jahr davor waren es 18 Millio-

    nen. Das zeigen Zahlen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt-

    und Raumforschung. Im Schnitt sind die Pendler knapp

    17 Kilometer pro Strecke unterwegs. Hauptgründe für

    die Zunahme sind (zu) hohe Mieten in den Städten und

    die wachsende Zahl von Erwerbstätigen. Hochburg ist

    München mit 365 000 Einpendlern an Wochentagen.

    Feierabend fällt ausMehr als jede/r Vierte musste 2015 regelmäßig

    am Abend arbeiten, hat das Statistische Bundes-

    amt ermittelt: 26 Prozent waren es genau. 1994

    erst 15 Prozent. Regelmäßige Nachtarbeit hat

    dagegen nur leicht zugenommen: Der Anteil der

    davon Betroffenen stieg von 8 auf 9 Prozent.

    18,4

    26 %

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    Die Wahl von Trump als US-Präsident hat die US-Gewerkschaften vor eine Zerreißprobe gestellt.

    Mehr Entgeltgerechtigkeit

    Über das gesamte Erwerbsleben betrachteterhalten Frauen in Summe knapp 50 Pro-zent weniger Einkommen als Männer. DieUrsachen sind Vielfalt. Eine Rolle spieltdie Teilzeitfalle. In Betrieben mit Tarifbin-dung sieht es etwas besser aus. Dort ist dieEntgeltlücke 10 Prozent niedriger als inBetrieben ohne Tarifbindung. Der Tagder betrieblichen Entgeltgleichheit am16. Oktober ruft dazu auf, die Lohndiskri-minierung von Frauen zu bekämpfen.

    igmetall.de/gleichstellung

    http://www.ituc-csi.org/welttag-fur-menschenwurdige-arbeit-18870https://www.igmetall.de/international-2495.htmhttps://www.igmetall.de/gleichstellung-frauen-und-maenner-12762.htm

  • 7metallzeitungOktober/November 2017

    7

    Der Ausbau der Elektrofahrzeuge

    müsste den Windanlagenbauern

    großen Auftrieb geben.

    Meinhard Geiken: Theoretisch ja. Um-weltfreundlicher Verkehr funktioniertnur mit einer starkenWindbranche. Beieiner Elektrifizierung des Verkehrs steigtder Strombedarf enorm an. AuchWasser-stoffantriebe sind sehr energieintensiv.Klimaneutral, also kohlendioxidfrei, sinddie alternativen Antriebe aber nur, wennder Strom komplett aus erneuerbarerEnergie kommt. Darum eröffnen sie derWindbranche im Prinzip Riesenchancen.

    Im Prinzip! Und wie sieht

    die Praxis aus?

    Geiken: Dramatisch. Die ersten Stand-orte, etwa von Senvion und Powerblades,sind geschlossen. Einige Firmen, wieNordex und Siemens Gamesa, kündigenPersonalabbau an. Insgesamt sind in derWindbranche tausende Stellen bedroht.Die Ursache dafür ist, dass die Politikden Ausbau deckelt. Bei Windanlagen anLand kommt hinzu: Regionale Bürger-parks haben über 90 Prozent der Auf-träge erhalten, bauen aber wenig.

    Was fordert die IG Metall von der

    nächsten Bundesregierung?

    Geiken: Dass sie die künftigen Bedarfean Energie bei ihren Entscheidungen mit-denkt und die Deckelung beim Ausbauaufgibt. Wir müssen den gesamten Strom-verbrauch, wie etwa Haushaltsstrom,Wärme und Elektromobilität, zusammen-fügen. Dazu brauchen wir Energiespei-cher und einen massiven Ausbau derLeitungsnetze und Ladeinfrastruktur.

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    Meinhard Geiken leitet denIG Metall-Bezirk Küste.

    Windenergie Warum die Elek-troautos derWindbranche (noch)nicht nützen, erklärt der Leiterdes IGMetall-Bezirks Küste.

    Eine Arbeitsgruppe aus Vertretern des Manage-ments und des Betriebsrats soll den Streit um dieAbspaltung der Stahlsparte von Thyssen-Kruppbeilegen. Das teilte der Konzern nach der Auf-sichtsratssitzung am 23. September mit. Tagszuvor hatten 7000 Beschäftigte von Thyssen-Krupp Steel Europe (TKSE) gegendie geplante Fu-sion mit dem indischen Konkurrenten Tata Steeldemonstriert. In der Arbeitsgruppe müsse dieKonzernspitze »beweisen, dass jenseits derHoch-glanzprospekte und Werbefilmchen Substanzhinter ihrem Plan ist«, sagte der Leiter desIGMetall-Stahlbüros in Düsseldorf, Heiko Reese.

    Viele Fragen drängen darauf, beantwortet zuwerden: Was wird aus der Montanmitbestim-mung, wenn demnächst diewichtigsten Entschei-dungen in Amsterdam fallen sollten, am Sitzeiner neuen Firma Thyssen-Krupp Tata Steel?Wie viele Schulden und fremde Pensionslastenwerden ins neue Unternehmen gekippt? WelcheZukunft haben die Standorte von TKSE und wiesicher sind die Arbeitsplätze der Beschäftigten?

    Es müssten »endlich alle Fakten auf denTisch«, hatte schon vor der Demo in Bochum derErste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann,gefordert. Dass sie nun auf den Tisch kämen, seiein Erfolg, erklärte Knut Giesler, Bezirksleiterder IGMetall Nordrhein-Westfalen: Alle Arbeit-nehmervertreter hätten sowohl auf der Kundge-bung als auch in der Aufsichtsratssitzung »ihreForderung nachTransparenz und Sicherheit deut-lich zum Ausdruck gebracht«. Arbeitsdirektor

    Oliver Burkhard und IGMetall-SekretärMar-kus Grolms, stellvertretende Aufsichtsratsvor-sitzende der Thyssen-Krupp AG, sollen dieArbeitsgruppe leiten. Burkhard war von De-zember 2007 bis September 2012 Bezirkslei-ter der IG Metall Nordrhein-Westfalen.

    Politische Gespräche Bereits seit mehr alseineinhalb Jahren kämpfen rund 85000Stahlbeschäftigte gegen unfaire Wettbe-werbsbedingungen, die deutsche Standorteund ihre Arbeitsplätze bedrohen. Dabei gehtes um Dumpingstahl aus anderen Ländernund um die geplanten schärferen Emissions-handelsgesetze, die jedes deutsche Unterneh-menmit Zigmillionen Zusatzkosten belastenwürden.

    Die Stahlwerker reden mit Politikern,wie im August, als vier Betriebsratsvorsit-zende undHeiko Reese KanzleramtsministerPeter Altmaier einen Besuch abstatteten undihm 96568 Unterschriften überreichten. Undsie fahren nach Brüssel, um zu demonstrie-ren. Doch die Europäische Union lässt dieProbleme in einem »Trilog« aus Kommission,Rat und Parlament weiter beraten, am 14. Ok-tober zum fünften Mal. »Es geht um unsereExistenz«, mahnt Klaus Hering, Betriebsrats-vorsitzender von Arcelor-Mittal in Bremen.

    Mehr Informationen unter:igmetall.de/stahl

    Herz aus Stahl und gute NervenStahl-Beschäftigte von Thyssen-Krupp demonstrieren gegen geplante Fusion.

    Gemeinsamer Protest: 7000 Beschäftigte von Thyssen-Krupp Steel Europe demonstrierten EndeSeptember gegen die geplante Fusion mit dem indischen Konkurrenten Tata Steel.

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    Fragen anMeinhard Geiken3

    https://www.igmetall.de/stahl-ist-zukunft-21150.htm

  • EinenherbenEinschnitt in dieDemokratie nannteJörgHofmann, Erster Vorsitzender der IGMetall,das Ergebnis derAfDbei der Bundestagswahl. DiePartei am rechtenRand konnte fast 13 Prozent derWählerinnen und Wähler gewinnen. Erstmalssitzt damit im deutschen Bundestag eine Partei,die sich nicht vom offenen Rassismus und rechts-radikalen Parolen abgrenzt.

    Dagegen wurde die große Koalition abge-straft. SPD und CDU/CSU verloren rund 13Prozent und erreichten jeweils das schwächsteErgebnisse ihrer Geschichte. Die Ursache dafürsieht Hofmann in den fehlenden Antworten derPolitik auf Veränderungen in der Arbeitsweltund der Gesellschaft. »Die Digitalisierung derArbeitswelt, gerechte Bildungschancen, die Si-cherung der Renten und eine wirksame und

    Bundestagswahl Das Ergebnis der Bundes-tagswahl war für viele ein Schock. Aus Sicht derIGMetall muss die Politik Konzepte für die gro-ßen Herausforderungen wie die Sicherung derRenten, gerechte Bildungschancen, Migrationund Integration, die Energie- undMobilitäts-wende vorlegen. Dass die Antworten auf diesedrängenden Fragen fehlen, verunsichert vieleMenschen.

    Der gesellschaftlich

    8 metallzeitungOktober/November 2017

    Was die Beschäftig-ten von der Politikerwarten, könnt Ihrhier nachlesen:

    igmetall.de/Bundestags-wahl-2017

    Hier derQR-Code

    Quelle: Beschäigtenbefragung 2017 der IG Metall

    DAS FORDERN DIE BESCHÄFTIGTEN VON DEN PARTEIENSOVIEL PROZENT STIMMEN DAFÜR:

    Gesetz, das der Arbeitszeit Grenzen setzt

    Paritätische Finanzierung der Krankenversicherung

    Sicherheit und berufliche Perspektiven in der Industrie 4.0

    Gleiche Bildungschancen für alle und Recht auf betriebliche Weiterbildung

    Gesetz gegen Tarifflucht

    Recht auf Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit

    Verbot sachgrundloser Befristungen

    Höheres Rentenniveau

    Länger Arbeitslosengeld, Qualifikation erhalten

    Höhere Steuern auf Spitzeneinkommen, Vermögen und große Erbschaften

    96,4

    94,9

    93,5

    92,9

    91,7

    90,1

    89,2

    84,9

    83,0

    77,0

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    https://www.igmetall.de/bundestagswahl-2017-25185.htm

  • machbare Mobilitäts- und Energiewende – zudiesen Themen erwarten dieMenschen und be-sonders Beschäftigte seit Langem überzeugendeKonzepte von der Politik und bekommen sienicht. Das verunsichert viele.«, sagte Hofmann.Der Markt alleine werde die großen Herausfor-derungen nicht richten. Ohne politische Regelnwerde es nicht funktionieren. »Wir brauchendringend Gesamtkonzepte etwa zur Energie-und Mobilitätswende, um die Ziele und die Fi-nanzierung des Umbaus zu klären«, sagte Hof-mann.

    Zusammenhalt Das Ergebnis der Bundestags-wahl zeigt eine Gefahr der nachhaltigen Spal-tung der Gesellschaft. Die nächste Bundesregie-rung muss den Menschen die Sicherheitzurückgeben und die gesellschaftliche Scheredurch eine Politik für alle schließen.

    »Es gilt, eine gute Politik für alle zumachenund nicht für einzelne Gruppen«, sagte Hof-mann. »Das Ziel muss Zusammenhalt sein undnicht Spaltung.« Zu einer Arbeitsmarktpolitik,die Beschäftigten Sicherheit gibt, gehört für dieIG Metall unter anderem die Abschaffung dersachgrundlosen Befristung, das Rückkehrrechtvon Teilzeit in Vollzeit und ein Rechtsanspruchauf Weiterbildung.

    Sicherheit ist auch für all die Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer ein großes Thema,

    deren Arbeitsplätze sich in Zukunft – zum Bei-spiel durch die Digitalisierung – verändern oderdie sich neu orientierenmüssen, weil ihre Tätig-keiten wegfallen. Arbeitsmarktpolitik muss dieRechte der Beschäftigten stärken und es ihnenermöglichen, sich beruflich neu zu orientieren.»Niemand darf auf demWeg in eine digitale Ar-beitswelt verloren gehen – unabhängig von sei-ner Bildung, seinem Einkommen oder seinerNationalität «, sagte Hofmann.

    Perspektiven schaffen Die Politik müsse Per-spektiven für alle Beschäftigten schaffen. »Kei-nesfalls werden wir akzeptieren, wenn unterdemMantel derModernisierung ein Abbau vonArbeitnehmerschutz und Mitbestimmungdurchgesetzt werden soll. Im Gegenteil, wirbrauchen neue Regeln zum Schutz der Beschäf-tigten in der digitalen Arbeitswelt und eine Er-weiterung der Mitbestimmung, um dafür zusorgen, dass es gerecht zugeht, bei der Transfor-mation zur digitalen Arbeitswelt und Gesell-schaft.«

    Sicherheit undGerechtigkeit Die Fragen, dieMen-schen besonders stark bewegen, sind:Wie geht esmir im Alter? Werde ich von meiner Rente über-haupt leben können? Die IGMetall hat Konzeptefür eine Rente vorgelegt, die imAlter den Lebens-standard sichert und vor Armut schützt: Es wird

    nicht reichen, diese drängenden Fragen in eineKommission zu verschieben. Wir brauchen jetztAntworten zur Stabilisierung der Rente und schongar keine Debatten über die Erhöhung desRentenzugangsalters, wie es in Teilen von CDUund FDP diskutiert wird.

    Die IG Metall wird weiter darauf drängen,dass die notwendige Reform des Bildungswe-sens, die alle Parteien in ihren Wahlprogram-men angesprochen haben, nicht zur weiterenStärkung von Eliten, sondern zumehr Chancen-gleichheit führt. Dazu gehört ein Recht aufWei-terbildung und dessen Absicherung durch einebessere Förderung Berufstätiger und die Öff-nung von Berufs- und Hochschulen.

    Klima- und Umweltschutz, die Digitalisie-rung von Industrie und Dienstleistung, die fort-schreitende Globalisierung – all dies verlangtstaatliche Regulierung, eine aktive Industriepo-litik, soll es gerecht zu gehen und Deutschlandweiter Innovationsführer bleiben. Der Marktwird es nicht richten.

    Das Gespräch suchen Für die IGMetall kommtes darauf an, dass bei den genannten ThemenVereinbarungen im Interesse der BeschäftigtenimKoalitionsvertrag stehen.Wie bisher wird dieIG Metall sich in diesen Prozess aktiv einmi-schen undmit allen Beteiligten das Gespräch su-chen.

    en Spaltung entgegensteuern

    Foto:Westend61/MerleM./pa

    9metallzeitungOktober/November 2017

    SO HABEN DIE BÜRGERINNEN UND BÜRGER GEWÄHLTERGEBNIS DER BUNDESTAGSWAHL 2017, ANTEILE DER PARTEIEN IN PROZENT

    33 CDU

    20,5 SPD

    8,9 Grüne

    12,6 AFD

    5,1Sonstige

    10,7 FDP9,2

    Die LinkeQuelle: IG Metall-Wahlanalyse

    %

  • Autobesitzer brauchen RechtssicherheitMillionen Dieselautobesitzer wissen nicht, obihnen Fahrverbote in Städten drohen undwas ihrAuto künftig noch wert ist. Sie haben ihre AutosimgutenGlauben gekauft, ihre Pkws seien korrektzugelassen.Die IndustriemussAutosmit Schum-melsoftware auf ihreKosten nachrüsten.Wenn äl-tere Fahrzeuge aufgrund politischer Entscheidun-gen etwa mit SCR-Katalysator und größeremHarnstofftank nachgerüstet werden sollen, mussauch die Politik nach tragbaren Lösungen suchen.

    Beschäftigte mitnehmenWie sich die Mobilitätswende auf die Beschäf-tigten auswirkt, lässt sich nur grob schätzen. Dabislang herkömmliche und alternative Antriebeparallel produziert werden, hat die Beschäfti-gung in den Entwicklungsbereichen der Auto-

    Sachliche DebatteBei der Debatte über umweltfreundlicheren Ver-kehrmuss berücksichtigtwerden,welcheVerände-rungen inwelchenZeiträumen technischmöglichsind. Es geht darum, was allen Beteiligten zuge-mutet werden kann undwas die Arbeitsplätze dermehr als 800000 Beschäftigten in der Autobran-che nicht gefährdet, wovon allein 200000 amDie-sel hängen. Umdie Grenzwerte in den Städten zuerreichen, sollte neben den Software-Updates, derAustausch kommunaler Dieselfahrzeuge undTaxen beschleunigt und die Verkehrssteuerungverbessert werden.

    Lösungen für alleLösungen sind nur gut, wenn verschiedene In-teressen und Zielkonflikte beachtet werden: dasInteresse der Beschäftigten in der Autobranchean sicherer Arbeit, der Stadtbewohner an gesun-der Luft, wenig Verkehr und Lärm und das derPendler, zu ihren Arbeitsplätzen zu gelangen.Viele können sich teure Wohnungen in denStädten nicht leisten und der öffentliche Perso-nennahverkehr bietet oft keine Alternative.

    Metallerinnen und Metaller trifft es mehrfachIG Metall-Mitglieder haben dabei oft mehrereInteressen gleichzeitig – als Beschäftigte, Pendleroder Bewohner der Städte.

    Nicht ohne mehr WindenergieDa Elektrofahrzeuge – im Verkehr – nur dannweniger klimaschädlich als Autos mit Verbren-nungsmotor sind, wenn der Strom komplett auserneuerbarer Energie stammt, müsste erheblichmehr Ökostrom erzeugt werden. Die Infrastruk-tur, zum Beispiel der Ausbau von Netzen undSchnellladesäulen, erfordert Milliardeninvesti-tionen. Die Politik hat noch keinen Plan für die-ses ehrgeizige Projekt; den muss die kommendeBundesregierung schnell vorlegen.

    Offen für alle TechnologienDie Autoindustrie muss den Anteil von Elektro-autos erhöhen, aber parallel dazu den Verbren-nungsmotor verbessern. Experten halten es fürmachbar, die Effizienz des Verbrennungsmotors2020 bis 2030 jährlich um bis zu 1,5 Prozent zusteigern und den CO2-Ausstoß zu verringern.Die IGMetall plädiert für ehrgeizige und realis-tische Ziele im Klimaschutz. Bei der Suche nachden dafür umweltfreundlichsten Lösungen solltedie Politik für alle Technologien und Antrieb-stoffe offen sein.

    [email protected]

    hersteller und großen Zulieferer in den vergan-genen Jahren sogar zugenommen. Wenn aber2030 jedes dritte produzierte Auto ein Elektro-fahrzeug wäre, könnten bis zu 80000 Arbeits-plätze im Bereich der konventionellen Antriebewegfallen. Das heißt aber nicht zwingend, dassso viele Beschäftigte auch ihre Arbeit verlieren.Denn es werden auch neue Arbeitsplätze entste-hen, allerdings mit neuen Tätigkeiten und An-forderungen. Die IG Metall nimmt die Sorgender Beschäftigten ernst und setzt sich für einenÜbergang ein, der möglichst alle mitnimmt. Sieist für neue Wege in der Personalentwicklungund einen Anspruch auf betriebliche Weiterbil-dung. Die Politik muss notwendige Qualifizie-rungen unterstützen, etwa durch ein Transfor-mations-Kurzarbeitergeld.

    Verkehrswende Die Autoindustrie muss sich neu erfindenund umweltfreundlicher werden. Sofort. Dabei könnenalle nur gewinnen: die Umwelt, die Gesundheit und dieAutoindustrie mit ihren Hunderttausenden Beschäftigten.Sieben Forderungen der IG Metall zur aktuellen Debatte.

    Umsteuern fürunsere Zukunft

    metallzeitungOktober/November 2017

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    Abgase gefährden die Ge-sundheit und belasten dieUmwelt. In einigen Städtendrohen Fahrbeverbote.

    Foto:ChristianOhde/chromorange/pa

    mailto:[email protected]

  • metallzeitungOktober/November 2017

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    Die Zuliefererindustrie ist dasRückgrat

    der Automobilindustrie, geprägt durch

    steigende Beschäftigungszahlen und

    stabile Renditen. Ist also alles gut?

    Christian Brunkhorst: Es stimmt,dieBran-che ist sehr erfolgreich, aber der Erfolg darfnichtdarüberhinwegtäuschen: Indenkom-menden JahrenwirddieZuliefererindustriegleichmehrfachunterDruckgeraten.Esgiltsich darauf, jetzt umfassend und schnellst-möglich, einzustellen.

    Was kommt auf die Branche zu?

    Brunkhorst: Eine Menge. Wir gehen vontief greifendenVeränderungen aus,mit de-nen Unternehmen wie Beschäftigte kon-frontiert sein werden. Die gesamte Auto-mobilbranche steht vor einem gewaltigenUmbruch, indessenVerlauf sichneueTech-

    nologien, Produktionsverfahren, Koopera-tionspartnerundKonkurrenten,Geschäfts-modelle,Mobilitätskonzepte sowieFormendernationalenund internationalenArbeits-teilung durchsetzen werden.

    WelcheAuswirkungenwird dashaben?

    Brunkhorst: Das vermag keiner vorauszu-sagen.Fakt ist aber, dassdas gesamteGefügeaus vertrauten Konzepten und Strukturenin Bewegung gerät. Letztlich stehen erfolg-reicheProdukte,Technologien,Produktent-wicklungsprozesse, Tätigkeitsprofile undMarktbeziehungen zur Disposition.

    Was ist jetzt am dringendsten zu tun?

    Brunkhorst:Die IGMetallwirddemWan-del inderAutomobilindustriemit einerum-fassenden Transformationsstrategie begeg-

    nen. Es gilt, Betriebsräte wie Beschäftigtemit einem Instrumentenkasten in die Lagezu versetzen, den Wandel mitzugestalten.Beschäftigung muss in sämtlichen Berei-chen der Branche gesichert werden. Hiersind auch Industrie und Politik gefordert.

    Was fordert die IG Metall?

    Brunkhorst:VonUnternehmenundIndus-trie fordern wir, für denWandel in der Au-tomobilindustrie finanziell aufzukommen,insbesondere für die Finanzierung der per-sonalpolitischen Folgen des Transformati-onsprozesses. Die Politik ist aufgefordert,den Strukturwandel zur Chefsache zu er-klären.Dazubraucht es dringendklarePer-spektiven und Konzepte für den Erhalt in-dustrieller Arbeitsplätze in Deutschland.

    [email protected]

    »Wir müssen den Wandel gerecht gestalten«Die Zuliefererindustrie steht vor gewaltigen Umbrüchen. Die IG Metall will dem Wandel mit einer Transformationsstrategie begegnen.

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    Christian Brunk-horst betreut beimVorstand der IG

    Metall den BereichZulieferer undFahrzeugbau.

    Foto: IG Metall

    mailto:[email protected]

  • IE Tarifrunde in der Me-ktroindustrie läuft. Klar ist: Die Be-wollen deutlich mehr Geld. Sie wol-nteil am wirtschaftlichen Erfolg undbestimmung bei ihrer Arbeitszeit.die Diskussionen der vergangenenen Betrieben und die Befragung derm Frühjahr, an der sich gut 680000beteiligten.eptember fassten die gewählten Ta-onen der IGMetall die Debatten zu-ur Diskussion stehen seither eineung um die 6 Prozent – die Wirt-mt und kann sich das leisten – und

    ein Recht für alle Beschäftigten, dieMitglied derIG Metall sind, ihre Arbeitszeit individuell undbefristet absenken zu können.

    Damit sie die Wahl haben Die Zeit ist reif fürmoderne Arbeitszeiten, die auch den Bedürfnis-sen der Beschäftigten gerecht werden. In der Be-schäftigtenbefragung der IG Metall gab jederDritte an, er würde seine tatsächliche Arbeitszeitgerne verkürzen – nicht gleich in Teilzeit, aus derviele nicht mehr zurück in Vollzeit kommen,sondern nur für eine Zeit lang – und das unab-hängig von Alter, Geschlecht, Einkommen, be-ruflicher Qualifikation oder Kindern.

    Dtall- und Elekschäftigten wlen ihren Anmehr SelbstbDas ergabenMonate in deIG Metall imBeschäftigte

    Mitte Srifkommissiosammen. ZuLohnerhöhuschaft brumm

    Illustration: Stephan Rührup

    WIR bRaucHEnMEHR GELDunD MEHR

    ZEITEs geht los: Die Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrieläuft. In den nächsten Wochen wird die IG Metall ihre Forderun-gen an die Arbeitgeber aufstellen. Die bisherigen Diskussionenund Befragungen in den Betrieben zeigen: Die Beschäftigtenwollen mehr Geld und mehr Selbstbestimmung bei ihrer Arbeits-zeit. Die gewählten Tarifkommissionen der IG Metall habendarüber diskutiert und die Lage in den Betrieben bewertet. IhrVorschlag: um die 6 Prozent mehr Geld und ein Recht auf ver-kürzte Vollzeit. Jeder Beschäftigte soll vorübergehend kürzer ar-beiten können, um mehr Zeit zum Leben zu haben.Von Dirk Erb, Martina Helmerich und Fabienne Melzer

  • 13metallzeitungOktober/November 2017

    13Einfach mal für eine Zeit kürzertreten. Beschäftigte wollen ihreArbeitszeit auch mal ihrem Lebenanpassen können.

    Carina Frey, 19, ist Jugendvertreterinbei Kolbenschmidt, Leer-Papen-burg.Sie lernt Industriemechani-kerin, istMitglied imOrtsjugend-ausschussund inder Tarifkommis-siondes IGMetall-BezirksKüste fürdieMetall- undElektroindustrie:

    »Gerade für junge Menschen ist es wichtig,wie es mit der Arbeitszeit weitergeht. Wirstehen am Anfang unseres Arbeitslebens.Wir können noch was verändern und wirmüssen etwas ändern. Unser Betrieb istrelativ klein, rund 400 Beschäftigte. Wirhaben einen hohen Altersdurchschnitt undviele arbeiten in Schicht. Wir Jungen kriegenja mit, wie die älteren Kolleginnen und Kol-legen an der Schicht zu knabbern haben.Nach einer Woche Nachtschicht sind siek.o., das sieht man ihnen einfach an. Des-halb diskutieren wir auch unter den Auszu-bildenden, was für Arbeitszeiten wirbrauchen, damit es allen besser geht.

    Für die Auszubildenden wollen wir alsIG Metall Jugend außerdem erreichen, dasssie am Tag vor der Abschlussprüfung einenbezahlten freien Tag bekommen. Dahinterstehen bei uns alle Auszubildenden. MeinJahrgang steht gerade vor den Abschluss-prüfungen. Wir wissen, was das heißt.«

    Carina Frey, 19: »Geradewir Jungen brauchen mo-derne Arbeitszeiten, dennwir stehen am Anfang un-

    seres Berufslebens.«

    ▸▸ Fortsetzung auf Seite 14

    Foto:PeterBisping

    Das haben die Tarifkommissionen aufgegrif-fen: Die Forderung, die nun diskutiert wird,lautet: Jeder und jede soll einen Anspruch dar-auf haben, die Arbeitszeit für zwei Jahre auf biszu 28 Stunden absenken zu können und an-schließend wieder auf Vollzeit zu gehen. Nachdem Prinzip: »Jeder kann, niemand muss.«Dazu brauchen Beschäftigte eine tarifliche Re-gelung. Denn nur wer das Recht hat, kann sichentscheiden.

    Mit diesem Recht im Tarifvertrag könn-ten Beschäftigte ihre Arbeit und ihr Privatlebenselbstbestimmter gestalten. Es gibt ihnen dieMöglichkeit, bei der Arbeit eine Zeit lang kür-zerzutreten, das Haus auszubauen oder zu re-novieren, mehr Zeit für die Kinder zu haben,

    Foto: Javier Brosch/stock.adobe.com

  • Mario Gutmann, 50, Industriemechaniker, seit 35 Jahren bei Bosch in Bamberg, seit1990 Betriebsrat, seit 2016 Betriebsratsvorsitzender:

    »Die gesamte Automobilindustrie, und mit ihr Bosch als größter Automobilzulieferer, steht vor Verände-rungen, wie es sie wohl noch nie gegeben hat. Es ist die Transformation von den Verbrennungsmotoren

    hin zur Elektrifizierung, das Ganze in Begleitung der Digitalisierung und der Herausforderungvon Industrie 4.0. Dieser Wandel geht mit ungeheurem Tempo voran, und es besteht dieGefahr, dass der Mensch dabei unter die Räder kommt. Ein ständiges Qualifizieren im neuenArbeitsumfeld wird immer wichtiger. Wir brauchen eine gute, eine qualifizierte und vertretbareEntgeltforderung in dieser Tarifrunde. Das ist wichtig. Weiterhin ist uns wichtig, dass unsein Einstieg in das Thema Arbeitszeit gelingt. In Zeiten fortschreitender Digitalisierung sindsichere Arbeitsplätze und planbare Arbeitszeiten immer wichtiger.«

    Robert Döring, 37, Industriemechaniker, stellvertretender Betriebsrats-Vorsitzender und Vertrauenskörperleiter bei BMW, Leipzig:

    »Die Schichtarbeit ist belastender geworden. Ursache dafür ist häufig die ständig abgeforderteFlexibilität, vor allem bei individuellen Änderungen der Arbeitszeit. Aber auch Samstagsarbeitoder Sonderschichten belasten die Mitarbeiter. Im Leipziger BMW-Werk arbeiten derzeit über7000 Menschen. Es gibt sehr viel Arbeit, was gut ist. Die Kolleginnen und Kollegen beklagensich darüber, dass sie am Wochenende keine Zeit mehr für sich, ihre Familie und Freundehaben. Das schlägt auf die Psyche. Die monotone Produktionsarbeit geht auf die Knochen. Ausdem Angestelltenbereich wird uns berichtet, dass die Leistungsverdichtung zunimmt. Wir brau-chen dringend eine Lösung dafür, wie man Kollegen im Schichtdienst entlasten und die Leistungder Angestellten ermitteln kann. Damit meine ich nicht nur ergonomische Maßnahmen. Wir müssen auchüber die Arbeitszeit sprechen: Mit einer Verkürzung der Arbeitszeit sind beispielsweise weniger Ausgleichs-schichten nötig. Das ermöglicht neue Schichtzyklen und würde die Kollegen entlasten. Das tut jedem gut.«

    Angehörige zu pflegen oder der Gesundheit zu-liebe weniger zu arbeiten. Das soll nicht nurmög-lich sein, es soll sich auch jeder leisten können.

    Deshalb will die IG Metall für bestimmteGruppen einen Entgeltausgleich durchsetzen,wenn sie ihre Arbeitszeit vorübergehend verkür-zen. Sie diskutiert diesen Zuschuss unter ande-rem für Beschäftigte, die kürzer treten wollen,weil die Arbeitszeit ihre Gesundheit belastet,etwa in Schicht. Auch Beschäftigte, die Kindererziehen oder Angehörige pflegen, könnteneinen Zuschuss bekommen. Damit sie es sich

    auch mit niedrigeren Einkommen leisten kön-nen, Zeit für ihre Gesundheit, ihre Familie oderpflegebedürftige Angehörige zu haben.

    Vor allem sollen endlich auch die Beschäf-tigten über ihre Arbeitszeit bestimmen – nichtnur der Chef. Die große Mehrheit wünscht sichArbeitszeiten, die zum Leben passen. Doch zwi-schen dem Wunsch, etwas weniger zu arbeitenund den tatsächlichen Arbeitszeiten klafft einegroße Lücke. DieMehrheit der Beschäftigten ar-beitet länger, als vertraglich vereinbart. Bei fast48 Prozent der Befragten steht die 35-Stunden-

    Woche zwar im Arbeitsvertrag, aber nur knapp16 Prozent arbeiten tatsächlich 35 Stunden proWoche. Dabei ist die Zahl der Befragten, die 36Stunden und länger arbeiten, im Vergleich zurBefragung der IGMetall im Jahr 2013 noch ein-mal um gut 4 Prozentpunkte gestiegen. Undimmermehr Beschäftigte arbeiten auch amWo-chenende.

    Für die IG Metall ist es höchste Zeit, dieseEntwicklung zu stoppen. Sie will moderne Ar-beitszeiten. Die Arbeitgeber halten dagegen. Ineiner globalisierten Wirtschaft bestimme »der

    Foto: privat

    Foto: privat

    Zeit für Pflege: Alle sollenein Recht darauf haben, dieArbeitszeit vorübergehend

    zu verkürzen.

    ▸▸ Fortsetzung von Seite 13

    Foto: Auremar/stock.adobe.com

  • metallzeitungOktober/November 2017

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    Kunde, und nur der Kunde, wie viel Arbeit vor-handen ist und wann sie erledigt sein muss«,sagt der Chef des Arbeitgeberverbands Gesamt-metall, Rainer Dulger. DiesemDruck könne sichkeiner entziehen, wenn er im Wettbewerb mit-halten wolle. Kürzere Arbeitszeiten seien nichtzeitgemäß, da ihnen ohnehin schon Fachkräftefehlten.

    Doch gerade wer Fachkräfte braucht, mussdie Arbeitszeitenmodernisieren und sie den Be-dürfnissen der Beschäftigten anpassen. GeradeJüngere legen darauf wert, wie die Shell-Jugend-studie seit einigen Jahren zeigt. Mehr als 90 Pro-zent der jungenMenschen ist es wichtig, dass Fa-milie und Freunde neben dem Beruf nicht zukurz kommen. Mehr als die Hälfte ist nicht be-reit, für die Karriere Überstunden selbstver-ständlich in Kauf zu nehmen.Moderne Arbeits-

    zeiten können Unternehmen für Fachkräfte at-traktiver machen. Vor allem Frauen könntenmoderne Arbeitszeit die Entscheidung für tech-nische Berufe leichter machen. Viele interessie-ren sich durchaus für Technik. Nur wechselnFrauen nach einer Ausbildung häufig auf einenBürostuhl, weil die Arbeitszeiten dort einfachbesser zum Familienleben passen. Viele Unter-nehmen bringen sich mit ihrer Arbeitszeitlogikaus Vollzeit und Überstunden und Leistungs-druck selbst um Fachkräfte. Arbeitszeiten, diesich ausschließlich am Vollzeitjob orientieren,grenzen Mütter und Väter aus, die sich um ihre

    Kinder kümmern wollen. Wer Fachkräfte will,muss die Erwerbstätigkeit von Frauen fördern. Ei-nerseits beklagen Arbeitgeber, ihnen würdenFachkräfte fehlen, andererseits verweigern sie vorallemMüttern in Teilzeit, mehr Stunden zu arbei-ten. Von den knapp 5 Prozent, die laut Beschäftig-tenbefragung der IGMetall gerne länger arbeitenwürden, arbeitet mehr als jeder Vierte in Teilzeitmit weniger als 20 Stunden proWoche.

    Moderne Arbeitszeiten ermöglichen es vie-len gut ausgebildeten Fachkräften erst,mehr zu ar-beiten. »Wir müssen das Mantra der Arbeitgeber›Vollzeit plus Überstunden plus Flexibilität plusLeistungsdruck‹ durchbrechen.Das sind keineAr-beitszeiten, die zum Leben passen«, sagt der Vor-sitzende der IGMetall, JörgHofmann. »In derAr-beitswelt der Zukunft arbeiten die Menschenselbstbestimmtund sicher, umkreativ, gesundundzufrieden zu sein.«

    Mehr Geld ist drin Ange-sichts der wirtschaftlichenDaten hält die IGMetall dieForderungsvorschläge umdie sechs Prozent mehrGeld fürmehr als angemes-sen. DieWirtschaft wächst,in Deutschland, Europaund weltweit. Insbesonderedie Metall- und Elektroin-

    dustrie steht gut da und erreicht Rekordwerte. DieBetriebe sind zu 88 Prozent ausgelastet – derhöchsteWert seit 2008.Und die Renditen sind aufdem höchsten Stand seit zehn Jahren.

    Auch für das kommende Jahr sagen dieWirtschaftsinstitute ein robustesWachstum vor-aus. Der ifo-Geschäftsklimaindex, bei dem dieUnternehmen ihre eigene Lage einschätzen, istauf dem höchsten Stand seit Beginn der Statistikim Jahr 1991. Die Metall- und Elektroindustrieerwartet, dass Produktion, Beschäftigung undauch die Exporte weiter steigen werden.

    Leander Hobusch, 23, Chemielaborant, Jugendvertreter undVertrauensmann bei Sartorius inGöttingen,Mitglied in derMetall-Tarifkommission Niedersachsen:

    »Ich bin seit Ende vergangenen Jahres Mitglied in der Tarifkommission. Für uns junge Beschäftigte steht bei derkommenden Tarifrunde die Forderung nach einer Freistellung vor den Prüfungen im Vordergrund. Die Ju-gendlichen stehen voll und ganz dahinter. Es geht darum, dass die Auszubildenden vor den mündlichen,schriftlichen und praktischen Prüfungen einen Tag freibekommen. Das gilt auch für Zwischen- und Ab-schlussprüfungen. In Summe bedeutet das vier bis sechs Tage Urlaub vor den Prüfungen. Jeweils ein TagPuffer ist wichtig, um das Gelernte noch mal in Ruhe zu sortieren und konzentriert in die Prüfung zugehen. Damit haben wir volle Unterstützung von den erfahreneren Mitgliedern der Tarifkommission undauch vom Bezirksleiter. Auch für die Entgeltforderung ist die Bereitschaft, auf die Straße zu gehen, groß.«

    ▸▸ Fortsetzung auf Seite 17

    Foto: Alexander Neff

    Zeit für Familie und Freunde haben:Beschäftigte wollen auch mal selbstüber ihre Zeit bestimmen – nichtimmer nur der Chef.

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  • FrankSell, 41, Industriemechaniker, Betriebsratsvorsitzender, Bosch,Stuttgart-Feuerbach,Mitglied derMetall-Tarifkommission Baden-Württemberg:

    »Der Betrieb brummt, trotz Diesel-Krise. Die Zahlen sehen super aus. Es sieht nach einem Rekordergebnisaus. Wir haben alle Hände voll zu tun. Für viele Beschäftigte sogar zu viel. Die meisten würden gerne etwas

    kürzer arbeiten. Das deckte die Beschäftigtenbefragung der IG Metall bei uns auf. Immerhin hatder Betriebsrat schon viel geregelt. Beschäftigte können mobil arbeiten und ihre Arbeitszeitmitbestimmen. Das ist ein Segen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich habe selbstzwei Kinder, ein und drei Jahre alt. Meine Frau ist Lehrerin und hat keine Freiheit bei der Ar-beitszeit. Ich jedoch kann mich auch mal tagsüber um die Kinder kümmern und abends zuHause arbeiten. Doch die Freiheiten bei der Arbeitszeit gelten nur in den Büros. Die Beschäftig-ten in der Produktion sind im Schichtrhythmus gefangen und haben keine Wahlfreiheit, dabeisind sie besonders belastet. Da müssen wir noch vorankommen. Am besten per Tarifvertrag.Das ist rechtlich sicherer und gilt für alle Betriebe.«

    Dieter Seidel, 61, Werkzeugmacher, Betriebsratsvorsitzender, Daimler-WerkKassel, Mitglied der Metall-Tarifkommission Hessen:

    Ich bin seit 46 Jahren im Betrieb und habe erlebt, wie sich die Arbeitswelt verändert hat.Gerade in den letzten zehn Jahren ist die Leistung hochgeschraubt worden. Vor allemdie Belastungen für Schichtarbeiter haben extrem zugenommen. Der Dreischichtbetriebwurde stark ausgeweitet und Arbeit am Wochenende ist fast zur Normalität geworden. Jederfünfte Produktionsbeschäftigte im Daimler-Werk in Kassel arbeitet in 20 oder 21 Schichten, in-klusive Wochenende. Zwar gibt es zeitnah einen Freizeitausgleich. Doch Abende und Wochen-enden mit der Familie und Freunden bleiben auf der Strecke. Wir haben das als Betriebsrätezulassen müssen. Wenn Du im Konzern nicht die verlangte Wirtschaftlichkeit lieferst, bist Duals Standort schnell auf dem Abstellgleis. Deshalb haben wir solchen Schichtmodellen zugestimmt. DieDiskussion um die verkürzte Vollzeit kommt daher genau richtig. Die Schichtarbeiter brauchen einfach Zeit-räume, um ihre Batterien wieder aufladen zu können. Wenn wir das per Tarifvertrag regeln können, würdeder für alle gelten und die Konkurrenz zwischen Standorten und Beschäftigten verringern.«

    Mal Zeit für etwas anderes haben, sichehrenamtlich engagieren, Spaß haben:

    Beschäftigte sollen entscheiden können,

    Foto: privat

    Foto: Frank Rumpenhorst

    Foto: Dusan Kostic/stock.adobe.com

  • Der stärkste Treiber des Wirtschaftswachstumsin Deutschland ist nach wie vor der private Kon-sum. Die Deutschen kaufen ein. Dazu haben dieTariferhöhungen der IGMetall einen deutlichenBeitrag geleistet. Seit dem Jahr 2000 sind die Ta-riflöhne in der Metall- und Elektroindustrie umfast 60 Prozent gestiegen. 3,9Millionen Beschäf-tigte haben davon profitiert. Ebenso wie die Ge-samtwirtschaft, die im achten Jahr in Folgewächst. Diese erfolgreiche Tarifpolitik will die

    IG Metall fortsetzen. Die Beschäftigten habensich ihren Anteil am Wachstum verdient. Auchwenn die Arbeitgeber das anders sehen und wieSüdwestmetall-Chef Stefan Wolf klagen, dieIGMetall wolle den letzten Cent herauspressen:Die Metall- und Elektroindustrie kann sich or-dentliche Entgeltsteigerungen locker leisten.

    So geht die Tarifrunde weiter Am 10. Oktoberwird derVorstand der IGMetall eine Empfehlung

    zur Forderung für dieMetall-Tarifrunde beschlie-ßen. Dann läuft die Forderungsdebatte weiterin den Betrieben und auf Versammlungen indenGeschäftsstellen der IGMetall. Am 24. Okto-ber treten dann erneut die Tarifkommissionen zu-sammen, um über die endgültigen Forderungenzu entscheiden. Diese werden schließlich am26. Oktober vom IG Metall-Vorstand bestätigt.Am 15. November starten dann die Verhandlun-gen mit den Arbeitgebern in den Bezirken.

    Nachrichten undHintergründe und zurTarifrunde in derMetall- und Elektro-industrie:

    metall-tarifunde-2018.de

    Dort findet Ihr auchFakten, Zahlen undHintergründe zurDiskussion der Tarif-forderung.

    Thomas Rösner, 57, Diplom-Ingenieur Fahrzeugtechnik, Betriebsratsvorsit-zender, Hanon Systems Kerpen, Mitglied der Tarifkommission NRW:

    »Als Mitglied der Tarifkommission habe ich schon drei Tarifrunden mitgemacht. Zu Anfang sitzt manda und hält den Mund. Mit der Zeit wird man mutiger, seine Meinung zu sagen und korrigierend ein-zugreifen. Ich bin eines von 192 Mitgliedern und vertrete die Geschäftsstelle Köln-Leverkusen. Allepaar Monate haben wir eine Zusammenkunft. Wir tagen drei bis vier Stunden, wenn es auf die Tarif-runde zugeht, in kürzeren Abständen, so alle sechs Wochen. Ich verstehe mich als Vermittler zwi-schen der Tarifkommission, dem Betrieb und meiner Geschäftsstelle. Bisher ist die grundsätzlicheStimmung gut. Wir trauen uns zu, für die Forderung nach 6 Prozent Entgelterhö-hung einzutreten, schließlich sucht das Unternehmen Ingenieure wie verrückt. DieBereitschaft‚ an den Warnstreiks teilzunehmen, ist gegeben. In der Arbeitszeitdis-kussion kommt auch die Forderung nach 28 Stunden verkürzter Vollzeit bei denKollegen gut an. Allerdings haben wir im Betrieb schon ähnliche Regelungen perBetriebsvereinbarung eingeführt. Durch die Tarifkommission bekomme ich einenerheblich besseren Überblick. Der Austausch mit den Kollegen vor Ort ist sehr gut.«

    metallzeitungOktober/November 2017

    17

    Häusle bauen, Hobbyspflegen, auch mal für dieeigenen Pläne Zeit haben:Wer das Recht hat, vorüber-gehend die Arbeitszeit zureduzieren, hat mehr vomLeben.

    Foto: privat

    ▸▸ Fortsetzung von Seite 15

    Foto: Marcus Hofmann/stock.adobe.com

    http://www.metall-tarifrunde-2018.de

  • metallzeitungOktober/November 2017

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    AmEnde hat sich derWiderstand gelohnt,amEndewar derArbeitskampf erfolgreich:Die angekündigte Schließung des Stand-orts Toddin der Schmitz Cargobull AG istvom Tisch. IG Metall und Managementeinigten sich darauf, dass er zunächst bisEnde 2020 erhalten bleiben soll. »Auchwenn es Einschnitte geben wird, die vonvielen sicher geglaubte Schließung desStandorts ist vom Tisch«, sagt MeinhardGeiken, Bezirksleiter der IGMetall Küste.

    ImMai war bekannt geworden, dassdasManagement des Anhängerherstellersplant, den Standort Toddin nahe Schwerinzu schließen. Die 150 Beschäftigten woll-ten sich damit nicht abfinden und traten

    rund zwei Wochen lang in den Arbeits-kampf. Währenddessen wurden Verhand-lungen geführt. Anfang September konntendiese erfolgreich abgeschlossen werden.

    Die jetzt geschlossene Vereinbarungsieht vor, dass der Standort als Kompe-tenzstandort für Lkw-Aufbauten weiter-hin eine zentrale Rolle imKonzern spielensoll. Dafür notwendige Strukturanpassun-gen sollen möglichst im Konsens mit demBetriebsrat durchgeführt werden. »In denkommenden Monaten werden Vertreterder Geschäftsführung und des Betriebsratsdazu ein Konzept für den Standort erar-beiten«, sagt Stefan Schad, Geschäftsführerder IG Metall Schwerin.

    Schmitz Cargobull: Schließung ist vom Tisch

    Mehr Geld im Kfz-Hand-werk– Extraplus für Azubis

    Warnstreik der Kfz-Beschäftigten in Hamburg

    Foto:PeterBisping

    Foto:privat

    Bei Kirchhoff in Michigan ist Union Busting keinThema mehr. Differenzen konnte die IG Metall aufdem kleinen Dienstweg klären.

    Beharrlichkeitzahlt sich aus

    Die Kuh ist vom Eis Die USA sind fürGewerkschaften ein schwieriges Pflas-ter. Das Beispiel Kirchhoff in Michiganzeigt, dass es auch anders geht.

    Der Autozulieferer Kirchhoff hat seine Zentrale inWestfalen und ist mit fünf Standorten in denUSA ver-treten. In Lansing,Michigan, fertigt Kirchhoffmitmo-dernster Technik Stanzteile und Armaturentafelträger.Dort wollte die AutomobilgewerkschaUAWFuß fas-sen. Das sah dasManagement gar nicht gern. T-Shirtsmit dem Firmenlogo und dem Aufdruck »Vote No«wurden verteilt unddasManagement versuchte, die Be-legscha gegen dieGewerkschaft einzuschwören. Allestypische Methoden des gewerkschaftsfeindlichenUnionBustings, wie sie in denUSAweit verbreitet sind.

    Die Belegschaft ließ sich nicht einschüchtern. Par-allel wandte sich die IG Metall an Firmenchef ArndtKirchhoff, der auch Präsident von Gesamtmetall inNordrhein-Westfalen ist. Mehrmals intervenierten beiihmAndréArenz, Bevollmächtigte der IGMetall Olpe,und Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall Nord-rhein-Westfalen. »In einem Gespräch mit ihm habenwir auf einen konstruktiven Weg zwischen Unterneh-mensleitungundGewerkschaft gedrungen«, sagtArenz.

    Der direkte Draht brachte die Wende. Die An-erkennungswahl lief ohne Störungen. Die UAW istinzwischen in Lansing vertreten. Die Zusammenar-beit zwischen Management und Gewerkschaft istsachlicher geworden. Seit Sommer gibt es einen Ta-rifvertrag, der vieles verbessert: Die maximale Leih-arbeitsquote darf 15 Prozent nicht überschreiten. DieStundenlöhne starten bei 13,50 Dollar. Bei einer Fluk-tuation der Belegscha von bis zu 50 Prozent im Jahrist ein Tarifvertrag ein gutes Argument, umMitarbei-ter länger zu binden. Das Beispiel Kirchhoff zeigt, wastransnationale Gewerkschasarbeit in einem gewerk-schaskritischen Umfeld bewirken kann. Mehr zurLage von Autoindustrie, Zulieferer und Gewerkschaf-ten in den USA unter:

    igmetall.de/international

    der die Kfz-Tarifpolitik der IGMetall ko-ordiniert. »Gute Ergebnisse gibt es nur,wenn sich viele Beschäftige beteiligen undfür ihre Forderungen einsetzen.«

    Angriff der Arbeitgeber in Hessen InHessen gibt es keinen Abschluss. Wieschon in vielen anderen Tarifgebieten hatdie Kfz-Innung erklärt, dass sie keine Ta-rife mehr abschließen will. Die Arbeitge-ber haben alle Tarifverträge gekündigtund wollen massive Verschlechterungen.

    Kfz-Beschäftigte und IG Metall wol-len an ihren Forderungen und ihren Tarif-verträgen festhalten. SiemachenmitWarn-streiks undAutokorsosDruck – unter demMotto »Vollgas für Tarifverträge«.

    igmetall.de/kfz-tarifrunde-2017

    Die Beschäftigten in den tarifgebundenenAutohäusern und Kfz-Werkstätten erhal-ten zwischen 2,8 und 3 ProzentmehrGeld,je nach Tarifgebiet. In rund einem Jahr gibtes noch einmal eine ähnliche Lohnerhö-hung. Das haben die IG Metall und ihreMitglieder imKfz-Handwerk durchgesetzt.

    Die Ausbildungsvergütungen stei-gen in vielen Tarifgebieten noch deutlichstärker als die Entgelte – in der Spitze umfast 100 Euro über zwei Jahre. Zudemsetzte die IGMetall bessere Regelungen zurÜbernahme durch. Mindestens zwölf Mo-nateWeiterbeschäftigung sind die Regel.

    An den Aktionen haben sich Zehn-tausende Kfz-Beschäftigte beteiligt. Über1600 traten in den letzten vier Monaten indie IGMetall ein, berichtetAlwinBoekhoff,

    http://igmetall.de/internationalhttp://igmetall.de/kfz-tarifrunde-2017

  • »Zugegeben«, sagt Dieter Holzportz, »auf den er-sten Blickwirkt alles wenig spektakulär.«Und un-heimlich nützlich:Wir haben eine neue Software,verkündete die Geschäftsführung vor eineinhalbJahren demBetriebsrat, diewürdenwir gerne ein-setzen. Sie verknüpft die Fertigungssteuerungmitder Dokumentenverwaltung. Das erleichtert unsdie Produktionsplanung, das optimiert die Steue-rung der Fertigung, das macht es möglich, Kun-dentermine einzuhalten. Super Sache.Oder nicht?

    »Klar ist es gut, wenn die Produktion opti-miert wird und so Kundentermine besser einge-halten werden«, sagt Dieter Holzportz in seinemBüro inAugsburg.Der 60-Jährige ist Betriebsrats-vorsitzender des Luft- und Raumfahrtunterneh-mensMTAerospace; 500Beschäftigte arbeiten amStandort, das Unternehmen produziert unter an-derem Teile für die Ariane-Rakete, stellt Bauele-mente für den Airbus A400M her. »Aber als dasManagement von den Vorzügen der Softwaresprach, haben wir uns gefragt, welche Auswir-kungen das auf die Arbeit der Kollegen habenwird. Uns war klar, der Einsatz von Software darfnicht zulasten der Beschäftigten gehen. Undnicht dazu führen, dass es zu einer Leistungs-kontrolle der Kollegen kommt.«

    Theoretisch ist mit dem neuen System einesolcheKontrollemöglich.Die Software dokumen-tiert jeden Handgriff in der Fertigung, sämtlicheMaschinenlaufzeiten. Sie speichert, wie lange eine

    Maschine fürwelchenArbeitsschritt braucht, wel-che Vorrichtung an ihr montiert ist. Es wäre einLeichtes, eine detaillierte Aufstellung zu bekom-men, welcher Mitarbeiter zu welcher Zeit an wel-cherMaschine was gemacht hat – allerdings: Die-ter Holzportz und sein Team haben sichergestellt,dass persönlicheDaten nicht ausgewertet werden.

    Keine persönlichen Daten In einer Betriebsver-einbarung haben sie festgelegt, dass keine perso-nenbezogenen Daten gespeichert werden. »DieAnmeldung geschieht nicht individuell, sonderngruppenbezogen«, sagt Dieter Holzportz. »Nie-mand ist identifizierbar. Das hat den Kollegen Si-cherheit gegeben.Und Sicherheit ist nötig, um sichauf Veränderungen einlassen zu können.«

    Die kommen auf die Beschäftigten zu. Vorallem in der Produktionssteuerung. »Bisher wares so, dass die Kolleginnen und Kollegen mittelseines Softwareprogramms selbstständig Arbeits-aufträge generiert haben,mit diesen zu denMeis-tern in die Abteilungen gegangen sind und Auf-träge verteilt haben. Das geht jetzt nicht mehr.«

    Dank des kontinuierlichen Datenflusses inder Produktion, dank der Tatsache, dass alle Ma-schinen miteinander verbunden sind und alleBauteile ohneUnterlass Bewegungsdaten senden,ist es möglich geworden, auszurechnen, wann einBauteil anwelcherMaschine in Produktion gehenmuss, umdenLiefertermin halten zu können.Das

    Softwaresystem taktet die Aufträge selbstständigund direkt in die Maschinen ein. Alle haben je-derzeit einen vollständigen Überblick über ihrenTätigkeitsbereich in der Produktion – auch überdie Stillstands- und Liegezeiten der Maschine.Und über die Gründe, die zum Stillstand derMaschine geführt haben.

    »Diese Dokumentation hilft, Probleme frühzu erkennen. Produktionsverzögerungen könnendamit verringert werden«, sagt Dieter Holzportz.»Allerdings haben wir die Sorge, dass damit dieDurchlaufzeiten für Bauteile immer weiter redu-ziert werden.«Derzeit beträgt die Produktionszeitfür ein Bauteil zwischen sechs und neunMonate.»Wennman in der Zeit statt einemnun eineinhalbBauteile produziert, kannman ja auch überlegen,ob man womöglich weniger Schichten braucht.«

    Damit es gar nicht so weit kommt, verhan-deln Betriebsrat und IGMetall derzeitmit derGe-schäftsführung eine Vereinbarung zum Umgangmit digitaler Technik. »Wir erleichtern dem Ar-beitgeber die Erprobung undUmsetzung der vor-gesehenenVerbesserungen undwollen imGegen-zug die Sicherung vonArbeitsplätzen und Entgelterreichen«, sagt Dieter Holzportz. Der Produkti-vitätsfortschritt müsse dem Betrieb und den Be-schäftigten gleichermaßen zugutekommen. »DerArbeitgebermuss einenTeil der Einsparungen fürdie Qualifikation der Belegschaft aufwenden.«

    [email protected]

    »Der Einsatz vonSoftware darf nicht

    zulasten der Beschäf-tigten gehen«: DieterHolzportz, Betriebs-ratsvorsitzender der

    MT Aerospace.

    Digitalisierung Das Luft- und Raumfahrtunternehmen MT Aerospace hatdie Fertigungssteuerung digitalisiert. Das hat Auswirkungen auf die Arbeitder Belegschaft. Der Betriebsrat dringt auf Qualifikation der Beschäftigten.

    Digitale Arbeit gerecht gestalten

    Foto:IngoDumreicher

    mailto:[email protected]

  • m Frühjahr 2018 sind Betriebsratswah-len. Von März bis Mai wählen die Be-schäftigten in den Betrieben wieder ihreVertreter.

    Anders als bei der Bundestagswahlwählt Ihr Eure Leute, Eure Kollegen ausEurer Mitte. Alle Beschäftigten im Be-

    trieb dürfen wählen, unabhängig von ihrerNationalität. Und sie nutzen Ihr Wahlrecht:Bei der letzten Betriebsratswahl 2014 lag dieWahlbeteiligung bei 70 Prozent.

    Mit Betriebsrat läuft es besser. Über ihreBetriebsräte bestimmen die Beschäftigtenmitbei der Gestaltung von Arbeit und Technik,bei Eingruppierung, Arbeitssicherheit, Qua-lifizierung und Arbeitszeiten. In Betriebenmit Betriebsrat sind die Arbeitsplätze sichererund die Löhne höher, es gibt mehrWeiterbil-dung und geregelte Arbeitszeiten. Das nutztauch den Betrieben. In Betrieben mit Be-triebsrat ist auch die Produktivität höher.

    Die IGMetall unterstützt ihre Betriebs-räte. Sie bietet ihnen Schulungen und Betreu-ung im Betrieb – und steht ihnen in allenfachlichen und rechtlichen Fragen zur Seite.Betriebsräte setzen sich für alle Beschäftigtenein, sie stehen für Vielfalt und Gleichberech-tigung. Daher ist es wichtig, dass alle Be-schäftigtengruppen im Betriebsrat vertretensind: Menschen jeder Herkunft, Frauen und

    Männer, aus Produktion und Büro, Jung undAlt.

    Jetzt kandidieren Die Aufstellung der Kan-didaten für die Betriebsratswahl läuft. Kan-didieren können alle Beschäftigten, die demBetriebmindestens sechsMonate angehören.

    Auch Britta Heisterkamp will kandidie-ren. Die Mutter von drei Kindern arbeitet inTeilzeit 20 Stunden in derWoche im interna-tionalen Vertrieb in der Verwaltung des Mö-belherstellers Hülsta in Stadtlohn im Mün-sterland, einem reinen Angestelltenbetrieb.Die 38-Jährige ist bereits seit einem halbenJahr im Betriebsrat. Kollegen hatten sie dazuermutigt.

    »Ich hatte Bedenken: Klappt das über-haupt mit drei Kindern? Ich dachte, die Be-triebsratsarbeit käme zusätzlich obendrauf«,erinnert sie sich. Doch als sie erfuhr, dass dieBetriebsratsarbeit während der normalen Ar-beitszeit läuft, dass sie im Team mit anderenarbeitet und über Schulungen der IG Metallhineinwachsen kann, war für Britta Heister-kamp klar, dass sie kandidiert. »Ich habe jaselbst von einem guten Betriebsrat profitiert.Dass ich 20 Stunden in der Woche arbeitenkann und durch unsere Gleitzeitregelung fle-xibel bin, etwa um die Kinder in die Kita zubringen, ist nicht selbstverständlich.«

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    metallzeitungOktober/November 2017

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    Jetzt für denBetriebsratkandidieren

    Betriebsräte vertreten die Interessender Beschäftigten, ihrer Wähler. Siesichern Arbeitsplätze und gestaltengute Arbeitsbedingungen. Dabei be-teiligen sie die Beschäftigten, um ge-meinsam mehr für alle zu erreichen.

    Betriebsräte haben Mitbestimmungs-und Informationsrechte, die im Be-triebsverfassungsgesetz festgeschrie-ben sind. Sie werden in Betrieben abfünf ständig Beschäftigten gewählt.Laut Gesetz wachen sie darüber, dassGesetze, Tarifverträge und andereVorschriften eingehalten werden.

    Betriebsräte sind vor Kündigung ge-schützt und dürfen weder behindertnoch benachteiligt werden. Das giltauch für Kandidaten.

    Willst Du für den Betriebsrat kandi-dieren? Wende Dich an Deinen Be-triebsrat, an Deine IG Metall-Vertrau-ensleute oder an den Wahlvorstand,der die Betriebsratswahl organisiert.

    Mehr Infos zum Betriebsrat undGeschichten von Kandidaten:

    igmetall.de/betriebsrat

    http://igmetall.de/betriebsrat

  • metallzeitungOktober/November 2017

    21

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    Besonders amHerzen liegtMuharremMerdi-van, die Digitalisierung, die gerade in der In-dustrie läuft, im Sinne der Menschen zu ge-stalten. Dafür will er sich als Betriebsrat beider Aus- undWeiterbildung engagieren.

    »Die Menschen müssen mit der Ent-wicklung Schritt halten können, damit ihreArbeitsplätze sicher sind. Undwirmüssen dieTechnik so gestalten, dass sich die Technik denMenschen anpasst – und nicht umgekehrt.«

    So geht’s zur Kandidatur Wenn Du kandi-dieren willst, melde Dich bei Deinem Be-triebsrat, bei denVertrauensleuten der IGMe-tall im Betrieb oder beim Wahlvorstand. Dassind Beschäftigte, die die Wahl organisieren.

    Der Wahlvorstand setzt Dich dann aufdie Vorschlagsliste. In größeren Betriebengibt es Vorwahlen, bei denen die Vertrauens-leute die Kandidaten der IGMetall aufstellen.

    In einigen Betrieben tretenmehrere Lis-ten in einer sogenannten Listenwahl gegen-einander an. Nur die Liste der IG Metall ga-rantiert Dir, dass Du kompetent von derGewerkschaft geschult und beraten wirst.

    Besser ist eine gemeinsame Vorschlags-liste. Dann gibt es eine sogenannte Persön-lichkeitswahl, bei der die Beschäftigten wirk-lich basisdemokratisch ihre persönlichenKandidaten wählen können.

    [email protected]

    ger Stunden, das geht gar nicht. Sowie ihr ginges vielen Müttern. Einige klagten. Am Endewaren sie raus. BrittaHeisterkampbewarb sichlieber woanders – und landete bei Hülsta.

    »Viele Kollegen wissen gar nicht, wiegut es uns dank Betriebsrat geht«, erklärt sie.»Und denen, die glauben, sie brauchen kei-nen Betriebsrat und keine IGMetall, weil siealles selbst regeln können, denen sage ich: Ja,so habe ich früher auch gedacht – bis ichnach meiner Elternzeit wieder zurückwollte.Da wirst Du links liegen gelassen und hastplötzlich gar kein Selbstbewusstsein mehr.Jeder ist mal schwach.WennDu in Elternzeitoder Altersteilzeit gehen willst oder mal län-ger krank bist, dann brauchst Du einen Be-triebsrat – sonst macht der Arbeitgeber ein-fach, was ihm selbst am meisten nützt.«

    Für gute Arbeit auch morgen AuchMuhar-rem Merdivan will für den Betriebsrat beiVW in Kassel kandidieren. Der 25-jährigeGießereimechaniker hat bereits sechs JahreErfahrung in der Jugend- und Auszubilden-denvertretung gesammelt. »Ich mache dasaus Überzeugung, weil ich gerne Menschenhelfe. Und es gibt noch viele Dinge, die ver-bessert werden müssen«, findet Merdivan.Etwa bei der Arbeitszeit. Die muss noch vielflexibler werden – aber im Sinne der Beschäf-tigten. Sie brauchen mehr Freiräume.

    MUHARREMMERDIVAN

    Der 25-jährige Gießerei-mechaniker kandidiert für denBetriebsrat bei VW in Kassel.Er will die DigitalisierungimSinne derMenschen

    gestalten.

    BRITTAHEISTERKAMP

    DieMutter von drei Kindern kan-didiert für den Betriebsrat beiHülsta in Stadtlohn. Sie hatselbst erfahren: Jeder ist malschwach – und braucht einen

    guten Betriebsrat.

    Britta Heisterkamp weiß, wie das in Betriebenohne Betriebsrat läuft. Früher arbeitete sie imVertriebbei einemLaminatherstellerund leistetemassig Überstunden, ohne Bezahlung. Dankbekam sie dafür nicht: Als sie ihre Kinderbekamundnach der Elternzeit wie vomGesetzvorgesehen wieder zurückwollte, warf ihr dieGeschäftsführung Steine in den Weg. Es gabkeinerlei Gespräch. Siemusste der Personalab-teilung hinterhertelefonieren. Und da hieß es:Zurück, in den Vertrieb, auch noch mit weni-

    mailto:[email protected]

  • metallzeitungOktober/November 2017

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    Überwachen mitSpähsoftware istverbotenRecht so Wer am Arbeitsplatz Internetzugang hat, surftnicht selten auch privat. Darf der Arbeitgeber deshalb ein-fach seine Beschäftigten überwachen, um ein möglichesFehlverhalten nachzuweisen? Tjark Menssen erläutert, wasdas Bundesarbeitsgericht kürzlich dazu entschieden hat.

    Tjark Menssenist Jurist bei derDGB RechtsschutzGmbH.Foto: Frank Ott/DGB Rechtsschutz

    Streitigkeiten um die private Nutzung vonRechnern am Arbeitsplatz landen immerwieder vor deutschen Arbeitsgerichten. Ineinem jetzt vor dem Bundesarbeitsgericht(BAG vom 27. Juli 2017 – 2AZR 681/16)verhandelten Fall ging es um die außeror-dentliche Kündigung eines Arbeitneh-mers, der seinen Dienstrechner währendder regulären Arbeitszeit in erheblichemUmfang privat genutzt hat. In dem Kün-digungsschutzprozess legte der Arbeitge-ber Protokolldateien vor, die mithilfeeiner Spähsoftware gewonnen wordenwaren. Der sogenannte Keylogger proto-kollierte sämtliche Tastatureingaben, dieam Computer eingegeben wurden undmachte darüber hinaus regelmäßig Fotosvon der Oberfläche des Bildschirms.

    Das Urteil der BAG-Richter: Arbeit-geber dürfen auf Dienstrechnern keineSoftware installieren, die verdeckt sämtli-che Eingaben der Arbeitnehmer an derComputertastatur protokolliert, um da-durch »ins Blaue hinein« Informationenzu erhalten. Die so gewonnenen Informa-tionen können keine Kündigung begrün-den. Mit dem Urteil hat das BAG für dieverdeckte Überwachung vonMitarbeiternenge Grenzen gesetzt. Eine Ausnahmelässt das BAG dann zu, wenn ein auf Tat-sachen beruhender Verdacht einer Straftatoder einer schwerwiegenden Pflichtver-letzung eines bestimmten Arbeitnehmersbesteht.

    Arbeitnehmerrechte Technisch ist dieÜberwachung von Internet und E-Mailproblemlos möglich. Generell muss zwi-schen der Überwachung von Daten undInhalten unterschieden werden. Datendürfen in weit größeremMaß gespeichertund kontrolliert werden als Inhalte. DennBeschäftigte haben auch am Arbeitsplatz

    ein Grundrecht auf Gewährleistung derVertraulichkeit und Integrität informa-tionstechnischer Systeme, wie es das Bun-desverfassungsgericht nennt.

    Wer seinen Computer nur dienstlichnutzen darf, dem sind Ausflüge ins Netzauch nicht während der Pausen und nachFeierabend gestattet. Intensive Überwa-chungsmaßnahmen einzelner Beschäftig-ter sind aber nur bei konkretenVerdachtsfällenmöglich und dürfen nichtunverhältnismäßig sein. (Der EuropäischeGerichtshof für Menschenrechte hat ineinem Urteil gerade Kriterien für eineÜberprüfung der Kommunikation amArbeitsplatz formuliert; siehe Seite 23.)Der Arbeitgeber muss dazu aber die pri-vate Nutzung ausdrücklich untersagenund dieses Verbot auch durchsetzen. Ak-zeptiert oder duldet er stillschweigend dieprivate Nutzung, muss er die so geschaf-fene Privatsphäre respektieren und sogarvor Zugriffen schützen.

    Ist Beschäftigten die private Nutzungvon E-Mail und Internet erlaubt, dann hatder Arbeitgeber das Fernmeldegeheimnisim Sinne des Telekommunikationsgesetzeseinzuhalten. E-Mails zu überwachen, abzu-fangen oder zu speichern ist für ihn dannohne eine Erlaubnis aller Beteiligten absoluttabu. Eine Protokollierung ohne Einwilli-gung darf erfolgen, wenn diese zur Daten-schutzkontrolle und -sicherung oderwegeneiner Abrechnung erforderlich ist.

    In Betriebenmit Betriebsrat sind dieEinführung und Anwendung von techni-schen Einrichtungen, die dazu bestimmtsind, das Verhalten oder die Leistung derArbeitnehmer zu überwachen, mitbe-stimmungspflichtig. Ebenso gilt dies füreine Bestimmung zur privaten Nutzungbetrieblicher Hard- und Software sowiedes Internets.

  • 23metallzeitungOktober/November 2017

    >DER RECHTSFALL

    Arbeitgeber dürfen private Internetchats ihrer Beschäf-tigten im Betrieb nur unter bestimmten Voraussetzun-gen überwachen. Das hat der Europäische Gerichtshoffür Menschenrechte entschieden. Unternehmen müs-sen nach Ansicht des Gerichts ihre Mitarbeiter vorheraber über mögliche Kontrollen informieren. Außer-demmuss ein legitimer Grund für eine Überwachungvorliegen. Im konkreten Fall verurteilte es Rumänienwegen eines Verstoßes gegen das Recht auf Privat-sphäre. Als Mitglied des Europarats muss sich aberauch Deutschland an die Vorgaben des Urteils halten,wenn es keine eigene Verurteilung riskieren will.

    Geklagt hatte ein Mann, der entlassen wordenwar, weil er über den Internetzugang des ArbeitgebersNachrichten an seinen Bruder und seine Verlobte ver-schickt hatte. Es ging darin um seine Gesundheit undsein Sexualleben. Die privaten Chats hatten die Kün-digung des Arbeitnehmers zur Folge. Der Rumänestritt daraufhin seine privaten Unterhaltungen ab.Aber sein Arbeitgeber hatte mitgeschrieben – 45 Sei-ten private Chats. Die interne Regel des Unterneh-mens war klar: »Es ist streng verboten (...) Computer(...) zu privaten Zwecken zu nutzen.« Nicht so klarwar, ob der Mitarbeiter deshalb überwacht werdendurfte.

    Vorab informieren Er durfte es nicht, entschied derEuropäische Gerichtshof für Menschenrechte inStraßburg. Dass das Unternehmen die private Unter-haltung seines Mitarbeiters aufgezeichnet hatte, ohnediesen über die Möglichkeit einer solchen Kontrollevorab zu informieren, geht aus Sicht der StraßburgerRichter zu weit. Damit habe der Arbeitgeber das Rechtauf Privatsphäre verletzt. In seinem Urteil stellte dasGericht fest, dass private Korrespondenz zwar einge-schränkt, aber nicht völlig aufgehoben werden dürfe.

    Nach demUrteil soll es Unternehmen zwar mög-lich bleiben, die Kommunikation von Mitarbeitern zuüberprüfen. Allerdings müssen bestimmte Vorausset-zungen erfüllt sein, die der Gerichtshof erstmals fest-legte. So muss über die Möglichkeit und das Ausmaßvon Kontrollen vorab informiert werden. Außerdemist ein legitimer Grund für die Überwachung nötig.Mildere Kontrollmaßnahmen und weniger einschnei-dende Konsequenzen als etwa eine Kündigungmüssengeprüft werden.

    Englischsprachige Pressemitteilung des Europäischen

    Gerichtshofs für Menschenrechte zum Urteil vom

    5. September 2017 – 61496/08:

    hudoc.echr.coe.int

    Menschenrechtsgericht stärktPrivatsphäre am Arbeitsplatz

    >EINKOMMENSTEUERScheidungskosten nicht mehr

    abziehbar

    Der Bundesfinanzhof (BFH) hat entschie-den, dass Scheidungskosten Aufwendun-gen für die Führung eines Rechtsstreits(Prozesskosten) im Sinne des Paragrafen33 Absatz 2 Satz 4 Einkommenssteuerge-setz und vom Abzug als außergewöhnli-che Belastungen ausgeschlossen sind.Denn ein Steuerpflichtiger erbringt dieAufwendungen für ein Scheidungsverfah-ren regelmäßig nicht zur Sicherung seinerExistenzgrundlage, selbst wenn das Fest-halten an der Ehe für den Steuerpflichti-gen eine starke Beeinträchtigung seinesLebens darstellt.

    2011 hatte der BFH die Abzugsfähig-keit von Prozesskosten noch erleichtert.Der Gesetzgeber reagierte darauf undschloss das ab 2013 nach Änderung desParagrafen 33 Einkommenssteuergesetzdurch das Amtshilferichtlinie-Umset-zungsgesetz weitgehend aus. Einen Abzuggibt es nur noch, wenn die Existenzgrund-lage des Steuerpflichtigen in Gefahr gerät.

    BFH vom 18. Mai 2017 – VI R 9/16

    >ARBEITSVERTRAGKein Wettbewerbsverbotohne Entschädigung

    Ist in einem Arbeitsvertrag ein Wettbe-werbsverbot für den Arbeitnehmer nachEnde der Beschäftigung vorgesehen, so istdies nichtig, wenn eine Entschädigung fürdie Einhaltung des Verbots fehlt. Wederder Arbeitnehmer noch der Arbeitgeberkönnen aus einer solchen Abrede Rechteherleiten.

    BAG vom 22. März 2017 – 10 AZR 448/15

    >KÜNDIGUNGWann darf eine

    Detektivüberwachung stattfinden?

    Eine vom Arbeitgeber veranlasste ver-deckte Überwachung durch einen Detek-tiv kann nach Paragraf 32 Absatz 1 Satz 1Bundesdatenschutzgesetz zulässig sein.Hierzu bedarf es keines Verdachts einerstrafbaren Handlung. Es reicht ein aufTatsachen gegründeter konkreter Ver-dacht einer schwerwiegenden Pflichtver-letzung des Arbeitnehmers aus. Diesbedeutet, dass eine verdeckte Ermittlung»ins Blaue hinein« unzulässig ist. Sind alleVoraussetzungen eines Detektiveinsatzesgegeben, so kommt auch ein Erstattungs-anspruchs des Arbeitgebers für die ent-standenen Detektivkosten in Betracht.

    BAG vom 29. Juni 2017 – 2 AZR 597/16

    >BERUFSAUSBILDUNGVergütung mussangemessen sein

    Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat seineRechtsprechung bekräftigt, wonach eineAusbildungsvergütung nicht mehr ange-messen im Sinne von Paragraf 17 Absatz 1Satz 1 Berufsbildungsgesetz ist, wenn sie diein einem einschlägigenTarifvertrag enthal-tenenVergütungen ummehr als 20 Prozentunterschreitet. Dies gilt aber nicht aus-nahmslos.Wird dieAusbildung etwa durchöffentlicheGelder oder Spenden finanziert,kann die Vergütung auch bei Unterschrei-ten derGrenze noch angemessen sein. Ent-scheidend ist der mit der Ausbildungverfolgte Zweck. Betroffen sindnur Jugend-liche, die Zugangshindernisse zum allge-meinen Ausbildungsmarkt haben.

    BAG vom 16. Mai 2017 – 9 AZR 377/16

    Alles,was Recht ist

    https://juris.bundesfinanzhof.de/cgi-bin/rechtsprechung/druckvorschau.py?Gericht=bfh&Art=pm&nr=34896http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&sid=62dc89349814983a5d8a9716c086d573&nr=19315&pos=0&anz=1http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&sid=4a224bb80944d499dc3b33a771e47220&nr=19431&pos=0&anz=1http://juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bag&Art=en&sid=43e01078d98395110208807ce8265306&nr=19349&pos=0&anz=1https://hudoc.echr.coe.int/eng-press#{%22itemid%22:[%22003-5825428-7419362%22]}

  • it dem November-entgelt kommt wie-der dasWeihnachts-geld. Manchmalheißt es auch Weih-nachtsgratifikationoder -prämie, Jah-resabschlussvergü-

    tung oder Erfolgsbonus, aber gemeint istin der Regel dasselbe. Allerdings könnensich nicht alle Arbeitnehmerinnen undArbeitnehmer auf das zusätzliche Geldfreuen. Denn es gibt keinen gesetzlichenAnspruch darauf. Am besten dran sindBeschäftigte, für die Tarifverträge gelten.Von ihnen haben 2016 zum Beispiel 71Prozent Weihnachtsgeld bekommen, vondenen ohne Tarifverträge nur 44 Prozent.

    Wer bekommt wie viel? Grundsätzlichsteht Arbeitnehmern Weihnachtsgeld zu,wenn es im Arbeitsvertrag, in einer Be-triebsvereinbarung oder im Tarifvertragfestgeschrieben ist. Im letzteren Fall ge-hört die Firma einemArbeitgeberverband

    an und muss sich an die vereinbarten Ta-rifverträge halten. Das gilt auch für Be-triebe, die zwar nicht Mitglied im Verbandsind, sich aber am Branchentarif orientie-ren.Dann steht imArbeitsvertrag, dass sichdasWeihnachtsgeld nach demTarif richtet.

    Besteht nur ein individueller Ar-beitsvertrag und wird darin ein Weih-nachtsgeld nur in Aussicht gestellt, kannder Chef jährlich neu entscheiden, ob erWeihnachtsgeld zahlt. Hat er es jedochdrei Jahre nacheinander vorbehaltlos ge-währt, kann er es nicht plötzlich verwei-gern. Die Belegschaft kann sich dann aufdas Gewohnheitsrecht berufen, was Juris-ten betriebliche Übung nennen.

    Ausnahmen bestätigen die Regel Selbstwenn all diese Kriterien zutreffen, könnenArbeitnehmer leer ausgehen oder wenigerals ihre Kolleginnen und Kollegen be-kommen, etwa bei längerer Krankheit,Elternzeit oder Kündigung. Gekürzt wer-den kann das Weihnachtsgeld dann abernur, wenn es imArbeitsvertrag oder einer

    MWeihnachtsgeld Wenn die erstenWeihnachtsgeschenke auf demWunsch-zettel stehen, gibt es für viele ein Extra-entgelt. Wem steht es zu? In welcherHöhe? Die wichtigsten Informationenzur betrieblichen Bescherung.

    Guter Rat

    Wann mussder Chef michbescheren?

    metallzeitungOktober/November 2017

    24

    Illustration: Stephanie Brittnacher

  • Betriebsvereinbarung vereinbart ist. DerArbeitgeber kann also nicht eigenmächtigkürzen.

    Besser mit Tarif In derMetall- und Elek-troindustrie haben auch Beschäftigte mitLangzeiterkrankung einen ungekürztenAnspruch auf tariflich abgesichertesWeihnachtsgeld.

    Tarifliches Weihnachtsgeld Das ist re-gional und in den einzelnen Branchen un-terschiedlich. In der Metall- und Elektro-industrie erhalten Arbeitnehmer vielfach55 Prozent ihres durchschnittlichen Mo-natsentgelts. In der Stahlindustrie ist dasWeihnachtsgeld mit dem Urlaubsgeld zueiner Sonderzahlung von 110 Prozent zu-sammengefasst.

    Nicht vom ersten Tag an Doch auch aufdas tarifliche Weihnachtsgeld haben inder Regel nur diejenigen Anspruch, dieschon sechs Monate im Betrieb beschäf-tigt sind. Auch die Höhe desWeihnachts-gelds ist oft an die Betriebszugehörigkeitgekoppelt – der volle Anspruch bestehtmeist erst nach 36 Monaten.

    Zurückzahlen? Die Tarifverträge derMe-tall- und Elektroindustrie enthalten keine

    Verpflichtung, das Weihnachts-geld zurückzuzahlen, falls dasArbeitsverhältnis nach demAuszahlungsstichtag endet.Häufig gibt es aber einzelver-tragliche Rückzahlungsklau-seln. Auch Betriebsvereinba-rungen können eine solcheRegelung festschreiben. Esgilt also: Rückzahlungsklau-seln müssen vereinbart sein.

    Es gibt aber klare Gren-zen über die Höhe der Rück-zahlung:• Ein Weihnachtsgeld bis zu200 Euro darf überhaupt nichtzurückgefordert werden.• Liegt das Weihnachtsgeldüber 200 Euro, aber untereinem Monatsverdienst, giltnur eine Frist von drei Mona-ten – gerechnet ab demAus-zahlungstermin. Verlässt je-mand den Betrieb dreiMonate nach der Auszah-lung, darf der Arbeitgebernichts zurückfordern.

    Nur wenn das Weihnachtsgeld eine volleMonatsvergütung oder noch mehr be-trägt, ist eine Rückzahlungspflicht auchnach den drei Folgemonaten möglich,und zwar bis der nächstmögliche Kündi-gungstermin abgelaufen ist.

    Alle sind gleich Weihnachtsgeld gehörtwie das Urlaubsgeld zu den »Sonderzah-lungen«. Für alle gilt: Der Arbeitgeberdarf nicht ohne sachlichen Grund ein-zelne Arbeitnehmer oder Gruppen aus-schließen oder schlechterstellen, Arbeiternicht schlechter behandeln als Angestellte.Und Teilzeitbeschäftigten steht der Anteilzu, der ihrer Arbeitszeit entspricht.

    Staat verdient mit Jahressonderzahlun-gen unterliegen der Einkommensteuer.Der Steuerabzug wird aber nach der Jah-restabelle ermittelt, sodass die Steuerpro-gression im Auszahlungsmonat nicht vollzum Tragen kommt.

    [email protected]

    Ab 1. Januar 2018 gilt das Mutterschutzgesetz auch fürSchülerinnen, Studentinnen und Praktikantinnen. Siekönnen künftig entscheiden, ob sie vier Wochen nachder Geburt eine Klausurmitschreiben, eine Hausarbeitabgeben oder sich mündlich prüfen lassen wollen.Wenn sie bei verpflichtendenVeranstaltungen, Prüfun-gen oder Praktika fehlen, dürfen ihnen daraus keineNachteile entstehen. Ansonsten gilt das Mutterschutz-gesetz für alle (werdenden) Mütter, die in einem Ar-beitsverhältnis stehen, inVoll- undTeilzeit, für befristetBeschäftigte,MinijobberinnenundHeimarbeiterinnen.Ausführliche Informationen bietet die IGMetall unter:

    igmetall.de/ratgeber

    Digitales »Infotool Familie«

    Mit wenigen Klicks zur passenden Leistung: Mit dem»Infotool Familie« des Bundesfamilienministeriumskönnen sich (werdende) Eltern künftig schneller undbesser über Leistungen und Unterstützungsangeboteinformieren. Das interaktive, digitale Tool unterstütztinsbesondere diejenigen, die bis dahin noch keinenÜberblick über das Angebot familienpolitischer Leis-tungen hatten. Mithilfe der Anwendung lässt sich mitnurwenigenAngaben herausfinden,welche Leistungenund Unterstützungsangebote infrage kommen. Auchauf die Frage, wo und unter welchen Voraussetzungendiese beantragt werden können, gibt es Antwort.

    infotool-familie.de

    Broschüre BetreuungsrechtDas Betreuungsrecht dient dem Schutz und der Un-terstützung erwachsener Menschen, die wegen einerpsychischen Krankheit oder einer Behinderung ihreAngelegenheiten nicht selbst regeln können und aufHilfe angewiesen sind. Viele Menschen wissen nicht,was eine Betreuung für sie bedeutet und wo sie Ratund Hilfe erhalten können. Die Broschüre »Betreu-ungsrecht« des Bundesjustizministeriums gibt Über-blick über Voraussetzungen und Auswirkungen einerBetreuung, beschreibt die Grundsätze der Betreuer-auswahl, die Aufgaben und Tätigkeiten und erklärtauch deren Rechte.

    bmjv.de/betreuungsrecht

    Zeit für den Nachwuchs: Ab Januar 2018 gilt dasMutterschutzgesetz auch für Studentinnen.

    Foto:InnaAstakhova/Fotolia

    Mutterschutz für Studentinnen

    metallzeitungOktober/November 2017

    25

    Bei Konflikten, Fragen oder Unklarheitenempfiehlt die IG Metall, sich an den Betriebs-rat zu wenden. Gewerkschaftsmitglieder er-halten außerdem kompetente Hilfe in denörtlichen Geschäftsstellen der IG Metall.Adresse und Telefonnummer der IG Metallsind zu finden unter:

    igmetall.de/vor-ort

    Alle Jahre wieder: Viele Be-schäftigte freuen sich bereits

    auf das Weihnachtsgeld.

    Tipp 1

    Gibt es im Betrieb Streit über das Weih-nachtsgeld und eine gütliche Einigung mitdem Arbeitgeber ist nicht möglich, sodassder Konflikt vor Gericht ausgetragen werdenmuss, gibt die IG Metall ihren MitgliedernRechtsschutz. Doch meistens können Diffe-renzen außergerichtlich geklärt werden.

    Tipp 2

    In den Tarifverträgen der IG Metall ist dasWeihnachtsgeld für die einzelnen Branchenunterschiedlich geregelt. Wer erfahren will,was ihm genau zusteht, findet die Antwortdarauf unter:

    igmetall.deRTarifRTarifspecials

    Tipp 3

    mailto:[email protected]://www.igmetall.de/view_ogs_suche.htmhttps://www.igmetall.de/tarifinfo-888.htmhttps://www.igmetall.de/ratgeber-mutterschutz-25778.htmhttps://www.infotool-familie.de/http://www.bmjv.de/DE/Themen/VorsorgeUndPatientenrechte/Betreuungsrecht/Betreuungsrecht_node.html

  • Kontakte helfenbei der Jobsuche

    »Mer kennt sich, mer hilftsich«, gilt offenbar nichtnur im Rheinland. Wereine neue Stelle sucht,sollte seine Absicht imFreundes- und Bekannten-kreis streuen. Denn lauteiner Studie des Institutsfür Arbeitsmarkt- und Be-rufsforschung ging knappjede dritte Neueinstellungim vergangenen Jahr aufpersönliche Kontakte zu-rück. Bei Kleinbetriebenliege der Anteil sogar bei47 Prozent.

    Sprungbrettfür Frauen

    Der DGB bietet Online-seminare für Frauen an,sogenannte Webinare.Dort gibt es Beratung vorallem für junge Frauen, dieim Job durchstarten wol-len. In den Webinarenkönnen Frauen gezielt ihreFragen stellen. Expertin-nen beraten kostenfrei undlive. Außerdem gibt es dieMöglichkeit, sich über