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Olga Reznik
Donezk, Ukraine
Bericht
über die durchgeführte Arbeit im Rahmen des Projektes
„Erinnerungen und Tatsachen über den Schrecken des II. Weltkrieges
(mit den Augen der deutschen Zeitzeugen)“
01.07.2013 – 21.07.2013
Ziele der Reise (Fragestellung). Kriegsgeschichten, gebrochene Schicksale und
verlorene Biografien regten mich schon immer an, eine neue Art von Wahrheit zu
entdecken – die Wahrheit, die keine Nationalität in Vordergrund stellt. Ob deutsch
oder ukrainisch, französisch oder jüdisch – wenn man misshandelt, erniedrigt und
gequält wird, existiert für alle die gleiche Wahrheit, die aus Angst, Schmerz und
dem einzigen Wunsch besteht, dass es schneller endet. In der Ukraine ist der
zweite Weltkrieg ein wichtiges Mittel, das Volk in gewissem Maße zu vereinigen
und die Generationen aneinander zu binden. Politische Parteien befassen sich sogar
spielerisch mit dem Thema des Krieges, um das Bewusstsein der ukrainischen
Bürger zu beeinflussen. Klein und groß, aber seit 68 Jahren gehen wir Hand in
Hand zu Gedenkstätten und legen Blumen an Kriegsgräbern nieder. Dabei herrscht
immer noch die allgemeine Meinung, dass der Krieg nur für eine Seite Elend und
Unglück gebracht hat. Diesen pauschalen Glauben wollte ich zerstören.
Andererseits begegne ich immer wieder einer großen Anzahl von jungen Leuten im
Alter von ca. 16 bis 22, die im Gegensatz zu der einseitigen Meinung über die
Opfer des Krieges überhaupt keine Meinung äußern – aus dem einzigen Grunde,
dass sie sich dafür nicht interessieren. Ihre Gleichgültigkeit bedeutet für mich ein
schlechtes Zeichen, besonders in Hinblick auf sich rasch entwickelnde radikale
Jugendbegegnungen in solchen großen Städten der Ukraine, wie Donezk, Kiew,
Charkiw, Lwiw. An den Haltestellen in meiner Stadt sehe ich täglich ывы zu
Rassendiskriminierung und ich weiß, dass es überall in Europa präsent ist. Ich bin
überzeugt, dass es sich generell durch den falschen Umgang mit der Vergangenheit
entwickeln lässt. Sowohl in Deutschland als auch in der Ukraine – ja, im ganzen
Europa – wird der II. Weltkrieg zur geschriebenen und passiven Geschichte, weil
die Zeitzeugen diese Welt verlassen und die Jugendlichen es nicht nachvollziehen
wollen. Und solange sich man an den vergangenen Krieg erinnert, kommt kein
neuer. Aber auf welche Weise kann man die Leute denken und gedenken lassen,
wenn sie den Krieg nur noch mit allgemeinbekannten Tatsachen assoziieren? Mein
Ziel war, einerseits deutsche Gedenkstätten zu besuchen, die den Opfern der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gewidmet sind, und andererseits mit
Zeitzeugen und möglicherweise sogar ehemaligen Soldaten zu sprechen, die
unmittelbar über den Schrecken des Krieges berichten könnten. Meinen
Mitbürgern fehlt generell das Verständnis dafür, dass die Deutschen auch während
des Krieges gelitten haben, und nach solchen bildhaften und realistischen
Geschichten habe ich gesucht. Mein Plan war aktiv zu arbeiten, so dass ich anhand
von gesammelten Materialien neue Fakten und erschütternde Erinnerungen
bekommen und an ukrainische junge Leute weiterleiten würde, damit sie
reflektieren und begreifen können, dass der Krieg für beide Seiten nichts als Elend
und Unglück bringt und kein Staat vom Krieg wirklich profitiert, solange das
Menschenleben nichts wert ist. Das gesammelte und überarbeitete Material
grundsätzlich mit den Erinnerungen von Zeitzeugen in russischer Sprache sollte in
Form von einer Broschüre verfasst und an ukrainische Schulen verteilt werden, so
dass junge Leute daraus lernen können und sich hoffentlich auf die neue Weise
aufklären lassen, was ihre Eltern nicht durften. Auf solche Weise hatte ich vor, die
leichtsinnige, oberflächliche, subjektive und einseitige Betrachtung des
Geschehenen zu bekämpfen und damit meinen eigenen Beitrag zur
Völkerverständigung und zum Frieden in Europa leisten.
Vorbereitungen. Wie bereits erwähnt wurde, bestand das Projekt aus zwei
wichtigen Teilen, und nämlich aus Besuchen von Gedenkstätten, Ausstellungen
und Museen (der informative Teil) und Interviews mit Zeitzeugen (der persönliche
Teil). Beide Etappen forderten gründliche Vorbereitungen. Der erste Teil war mit
der Suche nach Routen, Adressen und Kontakten verbunden, wobei der zweite Teil
in der historischen Methodologie als „die Geschichte der Alltäglichkeit“ betrachtet werden kann. Dies ist eine anerkannte Methode, die Vergangenheit zu erforschen,
besonders wenn sie sich nicht eindeutig interpretieren lässt. Die Alltäglichkeit
bedeutet die einfachste Form der menschlichen Existenz und beinhaltet das, was
wir auf den ersten Blick gar nicht in Acht nehmen. Aber eben die Alltäglichkeit
erklärt uns oft unbegreifliche Erscheinungen und antwortet auf die Fragen, warum
die Leute in fürchterlichen Bedingungen wie Hungersnot überlebt, in riskanten
Zeiten rebelliert oder umgekehrt gegen die Macht nicht gekämpft haben.
Alltägliche Kleinigkeiten geben uns die Möglichkeit, die vielseitige historische
Wirklichkeit tiefer zu begreifen. Es ist die Geschichte von denen, deren Namen
nicht in Geschichtsbüchern zu finden sind, die nur als ordinäre Teilnehmer der
außerordentlichen Vergangenheit erachtet werden. Es ist die Mikrogeschichte, die
aber wohl die ehrlichste Geschichte ist und für uns sich vielleicht als die einzige
Möglichkeit erweist, die Wahrheit zu vermitteln.
Um imstande zu sein, die Zeitzeugen zum Gespräch anzuregen und mit ihnen über
ihre dunklen und schmerzhaften Erinnerungen zu sprechen, ohne sie in gewissen
Stress zu bringen, musste ich in der Vorbereitungsphase die Struktur des
Interviews sehr präzise durchdenken. Ein erfolgreiches Interview fordert
bestimmte Erfahrungen und Kenntnisse, z.B. die Wahl des Ortes und der Zeit,
korrekt formulierte Fragen, die Fähigkeit, die Fragen spontan umzuformulieren
und zu korrigieren, die richtige Notiztechnik und die Schaffung der angenehmen
Atmosphäre. Mit einigen eventuellen Gesprächspartnern habe ich mich bereits vor
der Ankunft in Deutschland in Verbindung gesetzt und auf solche Weise mich kurz
über ihr Schicksal informiert, um die für sie unangenehmen Fragen zu vermeiden.
Umsetzung. Die Reise nach Deutschland hat 20 Tage gedauert und war
außerordentlich erlebnisreich und informativ. Im Laufe der Reise habe ich 6 Städte
besucht, und nämlich die Städte Wolfsburg, Magdeburg, Braunschweig, Lohheide,
Halberstadt und Halle. Insgesamt verfüge ich über Eindrücke und Materialien aus
9 Gedenkstätten: die Gedenkstätte Konzentrationslager Bergen-Belsen (Lohheide,
Niedersachsen), die Gedenkstätte für die Opfer der nationalsozialistischen
Gewaltherrschaft „Waldfriedhof“ (Wolfsburg, Niedersachsen), Stadtmuseum Schloss Wolfsburg mit der Dokumentation über die Opfer der
nationalsozialistischen Gewaltherrschaft (Wolfsburg, Niedersachsen), die
Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße (Braunschweig,
Niedersachsen), die Gedenkstätte für Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft
„Braunschweiger Friedhöfe e.V.“ (Braunschweig, Niedersachsen), die Gedenkstätte Konzentrationslager Langenstein-Zwieberge bei Halberstadt
(Sachsen-Anhalt), die Gedenkstätte Roter Ochse (Halle an der Saale, Sachsen-
Anhalt), der sowjetische Friedhof und der Stadtfriedhof der Stadt Magdeburg
(Magdeburg, Sachsen-Anhalt). Während der Reise habe ich drei Zeitzeugen
interviewt: Peter Lorenz, Otto Aldinger und Berta Aldinger.
Reiseerlebnisse und Erkenntnisse mit Blick auf die Fragestellung. Jede Route
und jeder Ort war für mich meine eigene Art der Kommunikation mit der
Vergangenheit.
Mein erstes Reiseziel
war die Stadt
Wolfsburg, die als die
Volkswagen-Stadt
bekannt ist und im
Rhythmus der VW-
Produktion lebt.
Gegründet von Hitler
als die Stadt des KdF-
Wagens war sie zu
jenen Zeiten dank
dem VW-Werk auch
eines der wichtigsten
Zentren der
Rüstungsproduktion. Die sich im Stadtschloss Wolfsburg befindende
Dokumentation über die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft gibt
einen Einblick in die Kriegsgeschichte des VW-Werkes und schockiert die
Besucher mit ausführlichen Beschreibungen der unmenschlichen Bedingungen bei
der Rüstungsproduktion. Das VW-Werk war für die Produktion der KdF-Wagen
geplant und wurde für diesen Zweck eingerichtet. Daher blieb zunächst seine
rüstungswirtschaftliche
Mobilisierung aus. Größter
Auftraggeber war die
Luftwaffe, außerdem
produzierte das VW-Werk
für das Heer, ab 1940
bestanden auch
Auftragsbeziehungen zur
Waffen-SS. Im VW-Werk
arbeiteten 5000 bis 6000
sowjetische Zwangsarbeiter.
Wie die Polen und Italiener,
führten auch sie ein Leben
überwiegend im Lager (z.B.
Außenstelle des KZ Neuengamme auf dem Laagberg) und mussten täglich zum
Rüstungsbetrieb gehen. Den jüdischen Auschwitz-Häftlingen erschien jedoch die
Zwangsarbeit im Volkswagenwerk als Rettung vor der Gaskammer. Auch waren
ihre Lebensverhältnisse hier besser als in Auschwitz. Die Quellen registrierten
daher für die Zwangsarbeiter zahlreiche Todesfälle. Meistens starben sie an Folgen
der Gewalttaten und Auszehrungskrankheiten. Ein Sonderfall war das
Massensterben von neugeborenen Kleinkindern der Zwangsarbeiter im Kinderheim
des Volkswagenwerkes.
Die Dokumentation ist das Ergebnis eines historischen Aufklärungsprozesses in
der BRD. Seit 1983 behandelten die Ratsgremien wiederholt die Thematik
„Rüstungsproduktion und Zwangsarbeit im VW-Werk während des II.
Weltkrieges“ und ihre Auswirkung auf das Selbstverständnis der Stadt. In den 80-
ern setzte sich eine breitere Öffentlichkeit unter anderem mit der Persönlichkeit
von Ferdinand Porsche, der von 1941 bis 1943 Vorsitzender der
Panzerkommission war, und seiner Beteiligung an der Kriegsproduktion
auseinander.
Das nächste Objekt, das ich unbedingt besuchen wollte, war die Gedenkstätte für
die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft „Waldfriedhof“ in
Wolfsburg. In diesem Zusammenhang
lassen sich sogar zwei wichtige
Gedenkstätten erwähnen, weil auf dem
Weg zum geplanten Ziel ich auf dem
Territorium des Friedhofs noch
mehrere Kriegsgräber entdeckt habe. Auf dem Waldfriedhof befinden sich
insgesamt 99 Kriegsgräber, darunter 30 Deutsche, 26 Polen, 11 Russen, 8
Holländer, 4 Belgier, 4 Jugoslawen, 3 Franzosen, 3 Letten, 3 Ungarn, 2
Österreicher, 2 Rumänen, 1
Tscheche, 1 Däne und 1
Unbekannter Toter. All
diese Leute sind
nebeneinander begraben
und stellen mit ihrer Ruhe
noch ein trauriges Symbol
der vergangenen Zeit dar.
Neben der von mir
unmittelbar gesuchten
Gedenkstätte
„Waldfriedhof“ lag auf einer anderen Seite vom
Friedhof noch eine
Gedenkstätte, die die
Gräber von Männern, Frauen und Kindern aus der Sowjetunion, von sowjetischen
Kriegsgefangenen sowie KZ-Opfern der Außenstelle Neuengamme beherbergt.
Das 1947 angelegte Ehrenmal ist sowjetischen Gefangenen gewidmet.
Erschütternd präzise gerade Linien bilden die Reihen von Liegesteinen mit den
Namen von Opfern, meistens in kyrillischen Buchstaben. Fast auf jedem Grab
wurde ein kleiner Stein niedergelegt, wo die Wörter Paz, Peace, М zu lesen sind,
die in verschiedenen Sprachen „Frieden“ bedeuten. Auch von mir wurde auf dem
Grab von einem jungen Mädchen so ein Stein gelassen, mehr konnte ich in jenem
Moment für sie nicht tun.
Die nächste Station war für mich die Stadt Braunschweig, die ich mehrere Tage
versucht habe, zu erkunden.
Die Gedenkstätte KZ-Außenlager Braunschweig Schillstraße liegt nicht weit vom
Bahnhofsgebäude und schockiert mit seiner Nähe zum Stadtzentrum. Wie ich
bereits erwähnt habe, bildeten die Konzentrationslager zahlreiche Außenlager, in
denen unter strenger Bewachung Häftlinge für die Arbeit in Rüstungsbetrieben
untergebracht wurden. So richtete das KZ Neuengamme für die Arbeit von
Häftlingen in der Firma Büssing-Automobilwerke ein Lager in der Braunschweiger
Schillstraße ein. Die größte Gruppe der Häftlinge, die in das Braunschweiger Lager
kam, bestand aus polnischen Juden des Konzentrationslagers Auschwitz, die
ebenso wie in dem Fall mit dem VW-Werk, nichts sehnlicher wünschten, als dem
Vernichtungslager zu entkommen. Die schlechten Lebensbedingungen im Lager
Schillstraße führten dann allerdings dazu, dass auch dort wieder mehrere hundert
Häftlinge an den Folgen der Entkräftung und der sich ausbreitenden Krankheiten
starben.
Heute besteht die
Gedenkstätte aus
dem Archiv- und
Lesesaal, wo
Einzelpersonen,
Institutionen der
Geschichtsforschu
ng, Vereinigungen,
Parteien,
Kirchengemeinden
und Schulen in
speziellen
Kassetten noch
unbekannte
Kapitel des
Nationalsozialismus dokumentieren können. Einige Kassetten sind bereits voll und
bieten den Besuchern wertvolle Schriftstücke zu vielen Aspekten der regionalen
Geschichte der 30-er und 40-er Jahre. Aber andere Kassetten, die sogar die Namen
von bestimmten Institutionen tragen und auf die Informationen von ihnen warten,
schweigen immer noch. Das Offene Archiv lässt sich auf solche Weise als eine
lebendige, sich verändernde Sammlung von der persönlichen Geschichte
betrachten, da in jeder Kassette unerwartete Gegenstände zu finden sind (Briefe,
Berichte, zeitgenössische Artikel – alles, was der Besitzer von der Kassette für
wichtig für die Gesellschaft hält).
Ein mehrstufiges Podest gibt den Blick auf den Ort des heute nicht mehr
vorhandenen Lagers frei. Während die Öffentlichkeit sich mit Hilfe von sich
ständig ausfüllenden Kassetten mit der Vergangenheit auseinandersetzt, ist da
hinter der Begrenzungsmauer zum früheren Lagergelände eine riesige Baustelle zu
sehen – wo das Lager früher stand, wird nun ein Einkaufszentrum gebaut.
Der zweite bedeutende für mich Ort war die Gedenkstätte für Opfer von Krieg und
Gewaltherrschaft
„Braunschweiger Friedhöfe e.V.“, die
sich auf dem
Stadtfriedhof
befindet. Um die
Friedenskapelle zu
erreichen, die auf
der Karte als die
gesuchte
Gedenkstätte
bezeichnet war,
musste ich durch
den ganzen Friedhof
an unendlichen
Reihen von
Kriegsgräbern von deutschen Soldaten aus dem I. und II. Weltkrieg vorbeigehen.
Vergeblich habe ich versucht, alle Namen auf den Grabsteinen durchzulesen – die
Gräber scheinen unzählbar zu sein. Die sich auf dem Friedhof befindende
Gedenktafel beeindruckte mich mit
folgenden Worten: «Wir gedenken der
Toten, die durch Kriege ihr Leben verloren,
weil der Hass in der Welt mächtiger war als
die Liebe». Nun habe ich die Friedenskapelle
erreicht, die leider geschlossen war und die ich nur von außen besichtigen konnte.
Neben der Kapelle hingen einige Gebete und Gedichte, die der Opfer von Gewalt
und Krieg gedenken.
Magdeburg, fast völlig zerstört durch Bombenangriffe im II. Weltkrieg, ist wieder
zu einer prächtigen Stadt
geworden. Mein erstes Ziel war
der sowjetische Ehrenfriedhof,
wo die Gräber von 1.923
Rotarmisten und Zwangsarbeitern
verschiedener Nationen sich
befinden. Gepflegt sind die
Gräber von Soldaten und
Kindern, die in der schrecklichen
Kriegszeit nicht überleben
konnten. Ständig werden hier
Blumen niedergelegt, was viele
getrocknete Rosen
veranschaulichen.
Das zentrale Objekt meines
Projektes, wie ich es später
verstanden habe, war der
Stadtfriedhof, der auf die
tragischste Weise die Geschichte
des XX. Jahrhunderts
wiederspiegelt. Zunächst führt uns der Weg zu den Gräbern von Soldaten, wo
unter jedem Grabstein 4 bis 6 Menschen begraben worden sind. Das sind
diejenigen, die als
Kanonenfleisch am
Krieg der Ideologien
teilnehmen sollten. Ein
Stück weiter liegt eine
grüne Wiese, die auf
den ersten Blick ganz
harmlos zu sein scheint.
Ein Gedenkstein
daneben weist auf das
Datum „16. Januar 1945“ hin, als die Stadt Magdeburg von den
Amerikanern bombardiert wurde. Die Quellen nennen die Zahl ca. 17 000 Opfer
der Zivilbevölkerung, alles nur alte Leute, Frauen und Kinder. Eben diese grüne
Wiese wurde zu ihrer letzten Ruhestätte, als die namenlosen Leichen zu tausenden
ins Massengrab geworfen wurden. Dies ist das zweite Gesicht des Krieges, wenn
die Hilflosen betroffen werden. Links vom Ort der fürchterlichen Bombardierung
befindet sich das Massengrab für mehrere hunderte Kriegstote, die im Lazarett an
Kriegswunden
gestorben sind. Und
noch ein Stück weiter
steht ein großes
Denkmal für die Opfer
des Krieges mit
riesigen Worten „Halt wach dein
Gedächtnis“. Vor dem
Denkmal liegen lange
Reihen von ermordeten
KZ-Häftlingen aus
verschiedenen Ländern, was schwer zu fassen ist, aber unmittelbar zu diesem
Krieg gehört. So unterschiedlich waren die Schicksale aller auf diesem Friedhof
begrabenen Leute, so weit weg von einander wurden sie geboren, so verschiedene
Nationalitäten und Weltanschauungen haben sie gehabt, aber ihre ewige Ruhe
haben sie auf demselben Stück Erde gefunden. Eben dieser Ort stellt die größte
kalte
Dusche für
diejenigen dar, die vom Schrecken des Krieges noch nicht überzeugt sind.
Beim nicht geplanten Besuch des faszinierenden Magdeburger Doms habe ich eine
Ausstellung entdeckt, die zu dieser Zeit mitten im Dom standfand. Die Ausstellung
hatte ein spezifisches Thema, das die nationalsozialistische Medizin in den
Vordergrund stellte. Die Tätigkeit von fanatischen NS-Ärzten wurde hier
aufgedeckt, wie z.B. von Dr. Kurt Heißmeyer, der Experimente im KZ
Neuengamme durchführte, bei denen man erst Erwachsene und später Kinder
durch in die Lunge gelegte Gummischläuche und Spritzen mit hochvirulenten
Tuberkulosebakterien infizierte. Außerdem wurde das Thema „Kinder aus Opfer eugenischer Zwangssterilisation“ angesprochen, das zum Ausdruck bringt, dass
bis 1945 in Deutschland etwa 360 000 Menschen unfruchtbar gemacht wurden.
Die Grundlage dafür war das 1933 verabschiedete „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“, das die zwangsweise Unfruchtbarmachung bei einigen,
als „Erbkrankheiten“ angesehenen Leiden legalisierte. Auch Kinder waren betroffen: auf Antrag des gesetzlichen Vertreters konnten bereits zehnjährige
sterilisiert werden. Nicht weniger schockierend ist die Beseitigung von geistig
behinderten, „bildungsunfähigen“ Menschen. Bekannt ist auch der Fall des
„Kindes K“, als im Frühjahr 1939 ein Ehepaar aus Sachsen ein Gesuch zur Tötung
seines schwer behinderten Kindes an Adolf Hitler richtete. Der Fall des „Kindes K“ soll dazu beigetragen haben, dass Hitler im Herbst dieses Jahres ein
„Euthanasie“-Programm entwickelte. Das Motto „Kinder dienen der Wissenschaft“ ist eine der zentralen Überschriften der Ausstellung und ruft eine große Resonanz
bei den Besuchern hervor.
Die Reise zur Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge bei Halberstadt erwies sich
als ein langer Weg, am dessen Ende eine enge Landstraße mitten im Harz direkt
zum ehemaligen Konzentrationslager führt. Der einzige Gedanke drehte sich
damals in meinem Kopf,
dass alle Häftlinge, die ins
Lager kamen, auch
denselben Weg gemacht
hatten.
Im März 1944 lagen im
Reichsministerium für
Rüstung und
Kriegsproduktion erste
konkrete Planungen für
ein unterirdisches Projekt
in den Thekenbergen bei
Halberstadt vor.
Vorgesehen war ein Stollen für die Untertageverlagerung der Rüstungsproduktion
der Junkers
Flugzeug- und
Motorenwerke.
Umgeben von der
malerischen Natur,
entstand dort im
April 1944 ein
Außenlager des KZ
Buchenwald, wo
über 7.000
Häftlinge aus 23
Ländern arbeiten
mussten, um das
Vorhaben zu
realisieren. In den
zwölf Monaten des
Bestehens des KZ wurden weit mehr als 1.800 Häftlinge systematisch durch
Unterernährung, Terror und überhöhte Arbeitsanforderungen vernichtet, weitere
2.500 kamen während eines der berüchtigten Todesmärsche ums Leben. Die
Häftlinge sollten unermüdlich im Stollen arbeiten, Schienen verlegen, Steine
zerschlagen. Zum Zeitpunkt der Befreiung des Lagers lagen überall im Gelände
und in den Baracken Leichen von Gefangenen. Langensteiner Männer mussten die
Toten bestatten. Dafür nutzten sie eine vorhandene Grube, die später als südliches
Massengrab bezeichnet wurde.
Auf dem Territorium der Gedenkstätte wurden auch sehr informative
Ausstellungen über das Leben im Lager und über die Rolle der Polizei im NS-
Regime organisiert. Videosequenzen machen einen erheblichen Eindruck auf die
Psyche und regen an, einige Zeilen auf weißen Papierblättern zu schreiben, die für
Tote und Lebende gedacht sind.
Die Natur lebt hier ihr Leben weiter und weiß nichts von der dunklen
Vergangenheit dieses
Ortes. Nur die Reste vom
Stacheldraht und die
Todeskiefer sind stumme
Zeitzeugen der
Geschichte. An dieser Todeskiefer tötete die SS-
Mannschaft Insassen des Konzentrationslagers,
die versucht hatten, zu fliehen. Sonst begegnete
ich nur einzelnen Besuchern der Gedenkstätte,
die aber wegen ihrer Hunde in der malerischen
Natur mitten im KZ einen Spaziergang machten.
Gruselig war es in der Gedenkstätte „Der ROTE OCHSE“ in Halle, die in der Zeit
des Nationalsozialismus als eine Hinrichtungsstätte diente. Während für viele
Häftlinge der obengenannten Konzentrationslager noch eine Chance zu überleben
bestand, war dieser Ort
tatsächlich die letzte Instanz für
die Gefangenen. Bis zum
Kriegsende vollstreckten die
Schaftrichter im Zuchthaus Halle
(„der ROTE OCHSE“) 549 Todesurteile an Menschen aus 15
Ländern Europas.
Im Sommer 1942 ließ das
Reichsjustizministerium Teile
des Lazarettgebäudes von
Gefangenen zu einer Richtstätte
umbauen. Diese erhielt zunächst
eine so genannte
Fallschwertmaschine
(Guillotine), ab Anfang 1944
zudem eine Vorrichtung zum
Erhängen. Bis April 1945
exekutierten nacheinander drei
Scharfrichter mit ihren Gehilfen
über 500 Verurteilte.
Am 13. Dezember
1944 vollstreckten
wegen Abwesenheit
des Henkers sogar
Beamte des „ROTEN OCHSEN“ die Urteile.
Erschüttern ist noch
eine Tatsache, die die
Gedenkstätte
offenbart: in den
Jahren 1942 bis 1945
verwendeten Lehr-
und
Forschungseinrichtungen der Universitäten Halle und Jena Leichen aus der
Richtstätte des „ROTEN OCHSEN“ für die Ausbildung von Medizinern.
Die Dauerausstellung dokumentiert die Geschichte der Richtstätte und schildert
einzelne Biografien der Hingerichteten, so dass wir das kurze Leben der
Gefangenen einigermaßen verfolgen können. Wer waren also die Opfer der
fürchterlichen Fallschwertmaschine? Widerstandskämpfer waren es, Gläubige und
Andersdenkende - auf jeden Fall waren es diejenigen, die der Ideologie des NS-
Regimes nicht entsprachen.
Meine letzte Station war die Stadt Lohheide, in der die Gedenkstätte
Konzentrationslager Bergen-Belsen liegt. Dies ist ein Ort der Erinnerung und ein
großes Dokumentationszentrum. Die Dauerausstellung umfasst mehrere
Teilausstellungen:
Kriegsgefangenenlager
der Wehrmacht 1939-
1945
Konzentrationslager
Bergen-Belsen 1943-
1945
Displaced Persons Camp
Bergen-Belsen 1945-
1950
Strafverfolgung nach
1945
Mit zahlreichen Texten,
Fotografien, Dokumenten, Gegenständen und Ausschnitten aus
lebensgeschichtlichen
Videointerviews mit
Überlebenden werden die
Besucher über die
Geschichte des Ortes
Bergen-Belsen informiert,
wo zwischen 1941 und
1945 im
Kriegsgefangenen- und
Konzentrationslager mehr
als 70 000 Menschen ums
Leben kamen. Zunächst
bestand da ein
Kriegsgefangenenlager
der Wehrmacht. Die meisten der etwa 20 000 Opfer waren sowjetische
Kriegsgefangene. Erst 1943 richtete die SS auf einem Teil des Geländes ein
Konzentrationslager ein. Hier starben mindestens 52 000 Männer, Frauen und
Kinder infolge Überfüllung, unzureichender Versorgung und Krankheiten. Bislang
sind nur etwa 10 000 der verstorbenen Häftlinge namentlich bekannt. Die Toten
des Konzentrationslagers wurden auf dem Lagergelände in Massengräbern
bestattet. Die nicht wirklich großen, aber zahlreichen Massengräber mit den
Worten „Hier ruhen 5000 Tote“, „Hier ruhen 2500 Tote“ hinterlassen einen schweren Eindruck auf die Besucher und schockieren mit ihrer Menge.
Eines der Symbole des Konzentrationslagers Bergen-Belsen ist das jüdische
Mädchen Anne Frank, die mit ihrem Tagebuch zu einem Symbol des
Wiederstandes und Kampfes für die Gerechtigkeit geworden ist. Am 12. Juni 1942
begann sie ihr Tagebuch und im August 1944 verhaftete die Polizei Anne und ihre
Schwester Margot. Anne Frank war bei ihrem Tod im März 1945 in Bergen-Belsen
fünfzehn Jahre alt, aber das genaue Todesdatum ist unbekannt.
Die Gedenkstätten und Ausstellungen bieten authentische Materialien, Fotografien,
rührende Briefe in die Heimat an, aber die unmittelbare Nähe zu der Vergangenheit
schaffen nur die Berichte von Zeitzeugen, die ehrlicher sind, als jede
Dokumentation. Während meiner Reise habe ich einige Leute kennen gelernt,
deren Worte über unbegreifliche Kraft verfügen – das ist die Kraft der lebendigen
Geschichte.
Die Familie Aldinger hat neulich ihren 65. Hochzeitstag gefeiert. Der rote Faden
ihres Lebens war die Suche nach dem Ort, wo sie ruhig einschlafen könnten. Die
Entstehung von zahlreichen deutschen Kolonien im Osten ist mit dem Namen von
Katharina der II. verbunden. Frau Aldinger (geb. 1922) und Herr Aldinger (geb.
1926) kommen
beide aus
Bessarabien, das
damals zu
Rumänien gehörte
und jetzt ein
südwestlicher Teil
der Ukraine ist.
Als ethnische
Deutsche haben
sie in ihren
Dörfern
Alexanderfeld und
Hoffnungstal
mühevoll das
deutsche Kulturgut gepflegt und sich keine andere Heimat gewünscht. Sie haben ja
gar nicht geahnt, dass sie am einem Tag im Herbst 1940 alles verlieren werden.
Gezwungen aufgrund der territorialen Neuordnung in Osteuropa ihre Heimat zu
verlassen, haben sie sich auf einen langen Weg der Flucht über halb Europa nach
Deutschland begeben. Die Flucht in der Kriegszeit war keine Abenteuerreise, so
dass sie oft bei Bauern arbeiten sollten, um ihr Stück Brot zu verdienen. Mit der
Hoffnung, ihre neue Heimat zu finden, sind sie zunächst in Polen angekommen,
wo sie einige Jahre im Haus von polnischen Juden leben sollten, bis die Rote
Armee kam und sie weiter flüchten ließ. Deutsch, aber trotzdem anders, sollten sie
nach dem Krieg ein neues Leben in Deutschland beginnen. Es war nicht einfach,
besonders im Grenzgebiet zwischen Ost und West, aber zusammen übersteht man
alle Hindernisse. Auf die Frage, was sie erwartet hätte, wenn sie in Bessarabien
geblieben wären, gibt es keine konkrete Antwort. Bekannt ist nur, was mit anderen
ethnischen Deutschen auf dem Territorium der Sowjetunion passiert ist. Nach
Stalins Befehl wurden die meisten von ihnen als "antisowjetische Elemente"
in Gulags nach Sibirien oder nach Kasachstan deportiert. Die unendliche Flucht
der Familie Aldinger hatte doch ihr Ziel, und dieses Ziel war das Gefühl, richtiges
Zuhause gefunden zu haben.
Peter Lorenz hat für mich einen außerordentlichen Stadtrundgang durch
Magdeburg organisiert.
Dabei war seine
Exkursion sehr stark
durch Kriegsbilder und
-Erinnerungen geprägt.
Er war drei Jahre alt,
als der Krieg zu Ende
ging. Wegen einer
schweren
Ohrenentzündung
sollte er im Lazarett im
Bunker operiert
werden, wo auch
zahlreiche verwundete
Soldaten mit
Kopfverbänden und anderen Verletzungen behandelt wurden. Einer der Soldaten
hat ihn damals ständig durch die Gegend getragen und versucht, das weinende
Kind zu beruhigen.
Die Amerikaner haben zu der Zeit die Ortschaft Burg mit dem Lazarett immer
wieder beschossen, und als seine Mutter Herrn Lorenz im Bunker besuchen wollte,
lief sie direkt durch das Artilleriefeuer, während die Soldaten sich alle auf den
Boden hinlegten und Schutz suchten. Keine Kugel traf sie, und sie konnte ihrem
Sohn einige Minuten Geborgenheit schenken.
Nachdem der Krieg beendet worden war, wohnten sie zu zweit in der
Oberförsterei, wo ein russischer Kommandant sie unterstützte und viele deutsche
Frauen vor der Vergewaltigung von den Rotarmisten beschützte. An einen der
Burschen vom Kommandanten, der Wanja hieß, kann sich Herr Lorenz noch heute
erinnern, der ihm und anderen Kindern immer Süßigkeiten schenkte.
Einige Bilder im Kopf kann er immer noch nicht loswerden. Unendliche Reihen
der Leichen nach der Bombardierung von Magdeburg oder Leute mit verbundenen
Köpfen aus dem Lazarett sind unvergessliche Erinnerungen und wurden zu
häufigen Alpträumen. Die Kriegsspuren begleiten ihn sein ganzes Leben lang.
Dabei ist Peter Lorenz ein begeisterter Sammler von historischen Tatsachen und
Legenden. Seine eigene Geschichte und Kultur sind für ihn die Grundelemente des
persönlichen Wertesystems. Als Zeitzeuge des II. Weltkrieges empfiehlt er der
jungen Generation sich auf ihre eigene Kultur zu besinnen. Mit seinen
tiefgreifenden historischen Kommentaren bringt er Respekt vor der eigenen
Geschichte bei.
Eventuelle Schwierigkeiten und Herausforderungen. Die Reise zu drei aus
zwölf Gedenkstätten im Rahmen des Projektes ist aufgrund einiger
Schwierigkeiten gescheitert, die ich nicht überwinden konnte. Die Gedenkstätte
Buchhorst: Tatort der NS-Militärjustiz Braunschweig war unerreichbar wegen der
fehlenden Verkehrsverbindungen. Was die Gedenkstätte Justizvollzugsanstalt
Wolfenbüttel angeht, die den Opfern der NS-Justiz gewidmet ist, ist dort der
Zugang nur für Gruppen möglich, da sie sich im Sicherheitsbereich einer
Justizvollzugsanstalt befindet. Der Besuch von der Gedenkstätte für die Opfer der
NS-„Euthanasie“ Bernburg war unmöglich, weil die Suche nach Zeitzeugen, die
ebenso zum wichtigen Teil meines Projektes gehörte, viel zu lange gedauert hat,
was auf solche für mich die nächste Schwierigkeit bereitete. Generell waren meine
Versuche, Gesprächspartner zu finden, ziemlich erfolglos, da ich gar nicht
vermutet habe, wie schwer es den Leuten in Deutschland fällt, über das Erlebte zu
sprechen. Es scheint, als hätten sie die Vergangenheit verdrängt, und der größte
Stress entsteht bei dem Versuch, die Erinnerungen auszulösen. Die Leute leben in
Angst beschuldigt zu werden, auch wenn sie keine Täter gewesen sind, bloß weil
der Stempel der Zeit sie erreichen kann. Zurzeit läuft in Deutschland ein Projekt
„Spät. Aber nicht zu spät!“, das vom Simon Wiesenthal Center – einer der größten
Menschenrechtsorganisationen initiiert wurde. Sein Hauptziel ist die Aufspürung
der letzten noch lebenden Nazi-Verbrecher und eine große öffentliche Resonanz.
Verwirklicht wird dies durch ein einfaches Prinzip: jeder, der der Meinung ist, dass
sein Nachbar ein Nazi gewesen sein könnte, soll ihn aufdecken und dafür 25 000
Euro als Belohnung erhalten. Auf solche Weise leben alte Leute in ständiger
Angst, wegen seines Alters verdächtigt und beschuldigt zu werden. In solchen
Bedingungen riskieren die Zeitzeugen falsch interpretiert und für Kopfgeld
angeklagt zu werden.
Fazit. Das durchgeführte Projekt ist noch nicht zu Ende gekommen. Das
Wichtigste beginnt etwas später, wenn andere Leute meinen Bericht und meine
Broschüre mit den Interviews lesen. Ich habe erschütternde Geschichten und
Tatsachen gesammelt, die beweisen, dass es im Krieg keine gewonnene und
verlorene Seite gibt. Alle, die unglücklicherweise betroffen wurden – egal, ob
Soldaten, Zivilisten oder Kinder – tragen tiefe Spuren im Herzen und wünschen
sich am liebsten, dass es nie wieder passiert. Ich werde auch weiter an diesem
Thema arbeiten, weil noch nicht alles von mir untersucht wurde. In meinem
Bekanntenkreis wächst die Zahl der Personen, die mit mir diese Mission teilen
würden.
Die meisten Anhänger der rechten Bewegungen sind noch in der Pubertät und
suchen ihre Identität, wobei sie radikale Ideen unterstützen. Wenn sie in der Schule
diese kostenlose „Lektüre“ bekommen, machen sich einige Gedanken über ihre Weltanschauung. Da ich als Lehrkraft Kontakte zu vielen Schulen in Donezk habe,
habe ich bereits einige Broschüren an die Schulen geschickt. Meine Freunde aus
Europa werden diese Interviews auf Deutsch bekommen, denn es gibt kaum
Familien in Deutschland, Polen, in den Niederlanden, die den Krieg nicht miterlebt
haben.
Für mich persönlich war das Projekt eine Herausforderung, ob ich die geplanten
Ziele erreiche. Ich glaube, dass ich mehr erreicht habe, als geplant, weil mit solch
einem tiefen Eindruck und mit solchen Emotionen habe ich nicht gerechnet. Ich
habe während der Reise so viel reflektiert, weil es immer wieder neue Impulse gab,
wie noch nie in meinem Leben. Auf viele komplizierte Fragen habe ich meine
eigene Antwort gefunden, die ich weiter vermitteln werde. Ich glaube, dass ich
viele Leute, die zurückhaltend und isoliert waren, dazu gebracht habe, ihre
Erinnerungen mitzuteilen. Ich habe bemerkt, dass sie am Ende es gar nicht
bedauert haben. Sie haben es auch versprochen, sich weiter mit jungen Leuten über
die Vergangenheit zu unterhalten. Der einzige Gewinn im Krieg ist der Verlust
vom Menschenleben. Und nur wenn wir – alle Europäer – auf einander achten,
können wir gemeinsam für den Frieden sorgen.