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Oliver Frey · Florian Koch (Hrsg.) Die Zukunft der Europäischen Stadt

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Oliver Frey · Florian Koch (Hrsg.)

Die Zukunft der Europäischen Stadt

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Oliver Frey Florian Koch (Hrsg.)

Die Zukunft derEuropäischen StadtStadtpolitik, Stadtplanung und Stadtgesellschaft im Wandel

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1. Auflage 2011

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

Lektorat: Dorothee Koch / Verena Metzger

VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media.www.vs-verlag.de

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. JedeVerwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes istohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbeson derefür Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspei-cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesemWerk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solcheNamen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachtenwären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergCovergrafik: Copyright @ bindermayerGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-531-17156-2

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Fakultät Architektur und Raumplanung sowiedes Departments für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung und des Fach-bereiches Soziologie (ISRA) der TU Wien.

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Für Maya Catalina und ihre zukünftigen Städte

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Inhalt

Abbildungsverzeichnis...................................................................................... 8Tabellenverzeichnis .......................................................................................... 9

Oliver Frey und Florian KochEinführung: Die Zukunft der europäischen Stadt ........................................... 11

KAPITEL 1: „DAS MODELL DER EUROPÄISCHEN STADT – ZWISCHEN VERGANGENHEIT UND ZUKUNFT“ .................................. 21

Hartmut Häußermann Was bleibt von der europäischen Stadt? ......................................................... 23 Klaus R. Kunzmann Die Europäische Stadt in Europa und anderswo ............................................. 36 Christine Hannemann und Tobias Mettenberger „Amerika” als Spiegelbild – Zur Funktion eines Kontrastes im Diskurs „europäische Stadt” ........................................................................................ 55

Nikolai Roskamm Das Konstrukt Dichte und die „europäische Stadt“ ........................................ 71 Florian Wukovitsch Europäische Städte zwischen staatlich vermittelter Integration und neoliberaler Spaltung: Wandel der Wohnungs- und Quartierspolitiken ......... 86

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KAPITEL 2: ZUKÜNFTIGE HANDLUNGSFELDER: „WISSEN, KREATIVITÄT UND ORTE – ZWISCHEN TRANSFORMATION UND BESTÄNDIGKEIT“ ............................................................................. 101

Alain Thierstein, Anne Langer-Wiese, Agnes Förster Ein Wirkungsmodell für Stadtentwicklung: Kreativ, attraktiv, wettbewerbsfähig .......................................................................................... 103 Ilse Helbrecht Die „Neue Intoleranz“ der Kreativen Klasse: Veränderungen in der Stadtkultur durch das Arbeitsethos der flexiblen Ökonomie ........................ 119 Katharina Heider Kreativwirtschaft und Quartiersentwicklung: Strategische Ansätze zur Entwicklung kreativer Räume in der Stadt ................................................... 136 Knut Petzold Die europäische Stadt und multilokale Lebensformen: Eine Beziehung mit Zukunft? ................................................................................................. 153 Frank Eckardt Mediale Urbanität: Paradigmenwechsel von der europäischen zur medialen Urbanität ........................................................................................ 173

KAPITEL 3: „VERÄNDERTE PLANUNGSSTRATEGIEN UND NEUE POLITIKANSÄTZE – ZWISCHEN POTENTIAL UND RISIKO“ .......................................................................................................... 189

Florian Koch Stadtplanung, Governance und Informalität: Vorschlag einer Typologie..... 191 Heidi Sinning Europäische Stadt und Stadtmanagement: Korrelationen, Widersprüche, Perspektiven .................................................................................................. 208 Gabriele Schmidt Urban Governance im Spannungsfeld zwischen Partizipation und Effektivität: Erfahrungen mit dem New Deal for Communities-Programm in Bristol ...................................................................................................... 229

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Simone Buckel Urban Governance und irreguläre Migration: Städtische Politik als Handlungsraum im Konfliktfeld irreguläre Migration .................................. 246 Annette Vollmer Politik-Transfer von Business Improvement Districts als Beispiel für eine „Amerikanisierung” der deutschen Stadt? .................................................... 263 Elena Wiezorek Zwischen Effizienz und Emotion: Eigentümerstandortgemeinschaften als Urban Governance in der Europäischen Stadt der Zukunft? ......................... 279

KAPITEL 4: DAS MODELL AUF DEM PRÜFSTAND: „HERAUSFORDERUNGEN FÜR EUROPÄISCHE STÄDTE IM 21. JAHRHUNDERT – ZWISCHEN THEORIE UND PRAXIS“. .................. 297

Klaus Brake „Reurbanisierung“ – Globalisierung und neuartige Inwertsetzung städtischer Strukturen „europäischen” Typs ................................................ 299 Gregor Betz Das Ruhrgebiet – europäische Stadt im Werden? Strukturwandel und Governance durch die Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010 .................... 324 Katharina Sucker Istanbul im Kontext der Europäischen Stadt ................................................. 343 Ulrich Hatzfeld Die Europäische Stadt – zwischen Mythos und den Mühen des Alltags ...... 358 Oliver Frey Stadtkonzepte in der Europäischen Stadt: In welcher Stadt leben wir eigentlich? ..................................................................................................... 380

FAZIT .............................................................................................................. 417

Oliver Frey und Florian Koch Ausblick: Herausforderungen für die Zukünfte der europäischen Stadt ....... 419 Herausgeber- und AutorInnenverzeichnis .................................................... 427

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Qingdao .................................................................................. 42 Abbildung 2: Anting ...................................................................................... 44 Abbildung 3: Venedig in Macao ................................................................... 45 Abbildung 3a: Venedig in Macao: Rialto-Brücke ........................................... 45 Abbildung 4: Archipelago City Region ......................................................... 48 Abbildung 5: Städtische Entwicklungsgebiete im Wirkungsmodell von

physischen und nicht-physischen Ressourcen ....................... 110 Abbildung 6: Zürich mit seiner Topographie und seinen Stadtkreisen ....... 142 Abbildung 7: Die Lage von Zürichs kreativen Quartieren ......................... 143 Abbildung 8: Häufigkeiten lokaler und multilokaler Ortsbindungen im

Datensatz ............................................................................... 168 Abbildung 9: Übersicht zum BID/HID-Entwicklungsstand in Deutschland

(Stand Februar 2010) ............................................................ 287 Abbildung 10: Übersicht zu öffentlich geförderten

Eigentümerstandortgemeinschaften in Deutschland (Stand: April 2009) ............................................................... 288

Abbildung 11: Bedeutung der 15 großen deutschen Großstädte und Stadtregionen ........................................................................ 361

Abbildung 12: Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts in Deutschland 2004-2009 ............................................................................. 363

Abbildung 13: Verteilung der Mittel der Konjunkturpakete I und II ............ 364 Abbildung 14: Strategien in der Stadtentwicklung gegen den Klimawandel 366 Abbildung 15: Die Säulenstrategie der Bundesregierung im Bereich der

energetischen Sanierung im Gebäudebereich ....................... 367 Abbildung 16: Wachsende und schrumpfende Städte und Gemeinden in

Deutschland .......................................................................... 369 Abbildung 17: Einkommenspolarisierung in Deutschland ........................... 372 Abbildung 18: Integrierter Ansatz der Nationalen Stadtentwicklungs-

politik .................................................................................... 375 Abbildung 19: Verortung der Stadtkonzepte im Analysedreieck Gesellschaft –

Ort – Steuerung ..................................................................... 407

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Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Kreuztabelle von Siedlungstypen bei Multilokalität über zwei

Orte im Datensatz ...................................................................... 160 Tabelle 2: Häufigkeiten von Integration und Engagement im Vergleich

von Arbeits- und Nicht-Arbeitsort bei Shuttles im Datensatz ... 162 Tabelle 3: Häufigkeiten verschiedener Wohnformen im Vergleich von

Arbeits- und Nicht-Arbeitsort von Shuttles im Datensatz ......... 164 Tabelle 3: Typologie informeller Institutionen .......................................... 197 Tabelle 4: Typisierung lokaler Handlungsansätze in Den Haag und

Barcelona .................................................................................. 254 Tabelle 5: Ansätze zur Integration von Immobilieneigentümern in die

Stadtentwicklung ....................................................................... 285 Tabelle 6: Realisierungschance von ESGs im Sinne der freiwilligen

Erstellung des öffentlichen Gutes durch Private ....................... 291 Tabelle 7: Dimensionen des Analysedreiecks Gesellschaft – Orte –

Steuerung .................................................................................. 391

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Einführung: Die Zukunft der europäischen Stadt 11

Einführung: Die Zukunft der europäischen Stadt Oliver Frey und Florian Koch 1 Einführung In seiner Abhandlung über die Stadt in der europäischen Geschichte beschreibt Leonardo Benevolo die Städte „als eine – vielleicht die hauptsächliche – Ursache dafür, dass Europa sich als eine historische Einheit zu erkennen gibt“ (Benevolo 1999: 13). Dabei stellt, so Benevolo weiter, das für europäische Städte charakte-ristische Nebeneinander von öffentlicher und privater Hand, die sich das Recht an Grund und Boden in den Städten teilen, ein Grundthema der europäischen Geschichte dar: die Schaffung eines ausgewogenen Verhältnisses von Individu-alrecht und öffentlicher Kontrolle, das nur dort funktionieren kann, wo die Inte-ressen beider Seiten angemessen vertreten sind (Benevolo 1999: 223). Dies be-deutet, dass das europäische Modell von Stadt nur eine von vielen möglichen städtischen Steuerungsformen sein kann und eben kein ubiquitärer, universell anwendbarer Markenartikel. Der Versuch der Kolonialmächte, das europäische Modell von Stadt zu exportieren und damit die Überlegenheit Europas zu de-monstrieren, führte zu kaum wiedergutzumachenden Schäden außerhalb Europas und zeigt aus historischer Sicht die Problematik des Begriffs der europäischen Stadt. Gleichzeitig wird auch deutlich, dass „europäische Stadt“ nicht nur eine geographische Bezeichnung für Städte, die sich auf dem europäischen Kontinent befinden, ist; je nach Definitionsansatz werden unter dem Begriff bestimmte Bau- und Nutzungsstrukturen, soziale Formationen oder politische Organisatio-nen verstanden.

Das Nebeneinander von öffentlicher und privater Hand wird nicht nur von Benevolo als ein Merkmal europäischer Städte angesehen, sondern es findet sich so oder in ähnlicher Form auch bei Autoren mit anderem fachdisziplinären Hin-tergrund. Siebel (2004b) und Kazepov (2005b: 19ff.) beschreiben die europäi-schen Städte als sozialstaatlich reguliert, als eingebettet in relativ generöse wohl-fahrtstaatliche Strukturen. Der große Einfluss der öffentlichen Hand in europäi-schen Städten ist erkennbar an konkreten Eingriffen, z.B. physische Investitionen im Bereich Infrastruktur, Wasser- und Energieversorgung, aber auch durch das System der Stadtplanung, so Bagnasco und Le Galès (2000: 8ff.).

Allerdings, und auch hier herrscht in der Literatur Einigkeit, ist das Ver-hältnis zwischen öffentlicher und privater Hand in Schieflage geraten. Wenn die

O. Frey · F. Koch (Hrsg.), Die Zukunft der Europäischen Stadt, DOI 10.1007/978-3-531-92653-7_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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12 Oliver Frey und Florian Koch

Handlungsfähigkeit des Staates nicht mehr durch äußere Souveränität und inter-ne Hierarchie, sondern durch innergesellschaftliche und transnationale Verhand-lungsbeziehungen bestimmt wird, hat dies offensichtlich Auswirkungen auf staatliches Handeln (vgl. Scharpf 1991). Dieser Wandel im Staatsverständnis wird auch als Governance bezeichnet und betrifft alle Bereiche öffentlichen Lebens. Anders ausgedrückt: Wenn unklar ist, wo staatliches Handeln aufhört und privates Handeln anfängt, muss nicht nur, aber eben auch über das Modell der europäischen Stadt nachgedacht werden, das ja gerade durch ein spezifisches Verhältnis zwischen privaten und öffentlichen Handeln charakterisiert ist.

Gleichzeitig befindet sich nicht nur das staatliche Handeln in einem Trans-formationsprozess: Auch die Frage, wer den Counterpart zur öffentlichen Hand übernimmt und von privater Seite ein Recht auf Stadt bzw. auf städtischen Grund und Boden hat und dieses auch ausübt, ist zunehmend schwieriger zu beantwor-ten. Die Krise fordistischer Integrationsmodi und die fortschreitende soziale Ausgrenzung in europäischen Städten führen zu einer Fragmentierung der Stadt-gesellschaft und produzieren Personengruppen, die sich nicht „dazugehörig“ fühlen. Sich im „Aus der Vorstädte“ (Dubet/Lapeyronnie 1994) oder „an den Rändern der Städte“ (Häußermann/Kronauer/Siebel 2004) an Stadt zu beteiligen, ist schwierig. Das für die europäischen Städte typische, ausgewogene Verhältnis von staatlichem und privatem Handeln ist insofern auch durch den gesellschaftli-chen Wandel unter Druck geraten. Es ist unklar, welche privaten Interessen in der Stadtentwicklung vertreten werden: Handelt es sich um die Beteiligung aus-gewählter Eliten oder um das individuelle Recht aller Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner? Soziale Ausgrenzung, aber auch eine Pluralisierung von Le-bensstilen und die schwindende Bedeutung fordistisch geprägter Erwerbsbiogra-phien führen zu einer sozialen und kulturellen Transformation der Stadtgesell-schaft und stellen damit das herkömmliche Modell der europäischen Stadt vor neue Herausforderungen.

Dieser Sammelband nähert sich den Herausforderungen, vor denen europäi-sche Städte stehen, auf zwei Wegen an. So wird zum einen das theoretische Mo-dell der europäischen Stadt analysiert und kritisch hinterfragt. Dabei wird die europäische Stadt in Bezug gesetzt zu anderen Modellen und Theorien der Stadt-entwicklung und der Mehrwert bzw. die Unterschiede zu diesen dargestellt. Zum anderen wird mittels Fallstudien die Stadtentwicklung in einigen europäischen Städten beschrieben. Im Fokus stehen dabei aktuelle Prozesse, die beispielhaft neue Formen der Stadtpolitik, Stadtgesellschaft und Stadtplanung aufzeigen. Dabei geht es weniger darum, die Komplexität europäischer Städte in ihrer Brei-te abzubilden und hieraus ein neues Modell der Europäischen Stadt zu abstrahie-ren, oder um die Darstellung von best-practice-Beispielen, die als Vorbild euro-

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Einführung: Die Zukunft der europäischen Stadt 13

päischer Stadtentwicklung dienen, sondern um einen Abgleich zwischen theore-tischen Ansätzen und Stadtentwicklungspraxis in einigen ausgewählten Fällen.

Einem umfassenden Verständnis von Stadtforschung folgend, werden in diesem Sammelband Dimensionen der Stadtpolitik, Stadtgesellschaft und Stadt-planung gleichermaßen untersucht. Wie in den folgenden Abschnitten darge-stellt, lässt sich ein tiefgreifender Wandel in allen drei Dimensionen konstatie-ren.

2 Wandel der Stadtgesellschaft Die sozialwissenschaftliche Diagnose eines gesellschaftlichen Strukturwandels von einer fordistisch geprägten Industriegesellschaft zu einer postindustriellen Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft zeigt sich insbesondere am Wandel der Stadtgesellschaften. Die sozialen, ökonomischen, kulturellen und räumlichen Dimensionen der Stadtgesellschaften sind durch die gesellschaftlichen Trans-formationsprozesse in Bewegung geraten. Dieser soziale und ökonomische Wandel der Stadtgesellschaften ist durch zunehmende Prozesse der Pluralisie-rung, Fragmentierung und Heterogenisierung des Territoriums und der Lebens-stile in den Städten charakterisiert. In der Folge eines demographischen Wan-dels, einer ökonomischen Umstrukturierung sowie der Ausdifferenzierungen von Gemeinschafts- und Gesellschaftsformen konkretisieren sich an spezifischen urbanen Orten unterschiedliche sozialräumliche Konfigurationen von Arbeits- und Lebensweisen.

Auf der einen Seite bilden sich zunehmend fragmentierte und segregierte Gebiete heraus, die eine Verstärkung der sozialräumlichen Ungleichheit zur Folge haben. Soziale Ausgrenzung, Arbeitslosigkeit und städtische Armut stellen zunehmende Herausforderungen für die „Integrationsmaschine Stadt“ (Heitmey-er 1998) dar. Das traditionelle Bild der europäischen Stadt hat als soziale Forma-tion eine integrierte Bürgergesellschaft proklamiert, die im Kern durch einen sozialstaatlichen Ausgleich zusammengehalten wurde. Der gesellschaftliche und ökonomische Strukturwandel stellt dieses tradierte soziale Zusammenleben durch zunehmend dynamische Prozesse der Pluralisierung und Heterogenisie-rung von Lebensstilen, durch die weitergehende kulturelle Vielfalt einer Migra-tionsgesellschaft sowie durch eine Veränderung der Arbeitsformen und Lebens-weisen in Frage: Was kann in dem Wandel der Stadtgesellschaft die verbindende Klammer der unterschiedlichen sozialen Lebenslagen und -welten sein?

Auf der anderen Seite stellt die Stadtgesellschaft stärker als bisher ein Labor für neue städtische Lebens- und Arbeitsweisen oder auch neue soziale, politische und kulturelle Identitäten dar. Die Verbreitung neuer Informations- und Kom-

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14 Oliver Frey und Florian Koch

munikationstechnologien sowie neuen Medien ermöglichen sozialräumliche Konfigurationen und Kommunikationen, die einen veränderten Umgang mit städtischen Orten und Zeiten ermöglichen. Einige dieser Aspekte des Wandels der Stadtgesellschaft werden in den folgenden Beiträgen thematisiert und in den Zusammenhang mit den stadtpolitischen und stadtplanerischen Herausforderun-gen zur zukünftigen Entwicklung der europäischen Stadt gestellt.

3 Wandel der Stadtplanung Das System der Stadtplanung und damit die Vermittlung zwischen öffentlichen und privaten Interessen im städtischen Raum sind in europäischen Städten stark ausgeprägt. Dabei wurde ein umfangreiches Instrumentarium entwickelt, das Maßnahmen der Steuerung räumlicher Entwicklungen sowie Methoden und Verfahren zur Prozesssteuerung und Kommunikation der Planungsziele bereit-stellt. Die Interventionen der Stadtplanung zielen dabei stets sowohl auf baulich-physische als auch auf soziale, kulturelle und gesellschaftliche Bereiche. Der Wandel der Instrumente und Methoden der Stadtplanung lässt sich grob in drei Phasen einteilen, wobei die Phase eines „umfassenden Steuerungsanspruchs“ mit dem Stadtplaner als „top-down“-Planer den Ausgleich zwischen öffentlichen und privaten Akteuren in der Stadtentwicklung überwiegend durch hoheitliche Kom-petenzen erwirken konnte. Der Wandel der Stadtplanung führte in einer zweiten Phase zu einer zurückgenommenen Steuerungsabsicht, bei der eher Strategien und Leitbilder formuliert wurden, die jedoch oftmals zahnlos und durchsetzungs-schwach blieben und zu einer Auflösung der kompakten städtebaulichen Charak-teristik der traditionellen europäischen Stadt beigetragen haben. Die aktuelle Phase des Wandels der Stadtplanung versucht durch neue Instrumente und Ver-fahren im Rahmen von Governance-Modellen den Aushandlungsanspruch zwi-schen öffentlicher und privater Hand verstärkt zurückzugewinnen.

Die europäische Stadt als theoretisches Modell und Leitbild für Stadtplaner beruht auf der formulierten Gestalt von Urbanität mit den Kennzeichen von Kompaktheit, Dichte, Heterogenität und Durchmischung. Öffentliche Räume und öffentliche Steuerung werden dabei als wesentliche städtische Qualitäten angesehen, welche charakteristisch für europäische Städte sind. In ihrer histori-schen Entwicklung hat die europäische Stadt allerdings das Spannungsverhältnis zwischen Privatheit und Öffentlichkeit immer wieder neu beantwortet. Der Städ-tebau hat mit der Gestaltung der europäischen Stadt unterschiedliche Funktions-räume wie öffentliche Straßen, Plätze, Parkanlagen und Quartiersräume im Wohnumfeld geschaffen. An diesen Orten hat sich eine städtische Öffentlichkeit und urbane Lebensweise entfalten und demonstrieren können. Urbanität – so

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Einführung: Die Zukunft der europäischen Stadt 15

eine These des Leitbildes der europäischen Stadt – entwickelte sich in dem Spannungsverhältnis zwischen privater und öffentlicher Sphäre und hatte eine Funktionsmischung sowie eine Überlagerung und Verflechtung verschiedener Lebensbereiche wie Handel, Gewerbe und Wohnen zur Voraussetzung. Für die europäische Stadt war (und ist) eine hohe urbane Dichte mit historisch gewach-senen Strukturen charakteristisch. Allerdings haben sich die Rahmenbedingun-gen gewandelt, innerhalb derer eine solche Form der Stadtentwicklung möglich ist.

Veränderungen der nationalen Wohlfahrtsstaaten, Globalisierungsprozesse und demografische, soziale und wirtschaftliche Transformationen sowie Szena-rien des ökologischen Wandels stellen auch die Stadtplanung vor neue Heraus-forderungen. Ansätze wie Public Private Partnerships, informelle Planungen oder Programme sozialer Stadterneuerung stehen beispielhaft für aktuelle Formen der Stadtplanung. Das Ziel dieses Sammelbandes ist es deshalb, diese neuen und aktuellen Formen der Stadtplanung in den Kontext des Wandels der Stadtgesell-schaft zu setzen und damit die Herausforderungen der europäischen Stadt in den Kontext der gegenseitigen Verflechtung von Gesellschaft, Planung und Politik zu stellen. 4 Wandel der Stadtpolitik Planungsbezogene Sozialwissenschaften („local state“-Politikforschung, Stadt-soziologie, Organisationssoziologie, Humangeographie, Planungstheorie) kons-tatieren eine Veränderung der Steuerung sozialräumlicher Prozesse. Als Refe-renzpunkte dienen dabei Urban Governance-Modelle, die von einer Verknüpfung der traditionellen „top-down“-Planung eines exklusiven politisch-administrativen Systems (government) mit den Ansätzen eines „bottom-up“ formulierten Aus-handelns unterschiedlicher Interessen (governance) ausgehen. Mit dem Wechsel von Government zu Governance sind Chancen und Risiken für eine demokra-tisch organisierte und sozial ausgerichtete Stadtpolitik verbunden. So stellt sich die Frage nach der Legitimation und Kontrolle dieser neuen Politikformen, und zwar auch im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit und Gender-Mainstreaming sowie auf Chancengleichheit und Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Das Merkmal eines ausgeglichenen Nebeneinanders zwischen öffentlicher und priva-ter Hand als Kennzeichen für die Integrationsfähigkeit der europäischen Stadt ist durch den Wandel der Stadtpolitik insofern in Frage gestellt, als die öffentlichen Akteure der Stadtpolitik einen immer geringeren finanziellen und hoheitlichen Gestaltungsspielraum besitzen. Dies hat grundlegende Veränderungen im Selbstverständnis europäischer Städte zur Folge, die mit einem Rückgang der

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16 Oliver Frey und Florian Koch

politischen Autonomie der Städte verstärkt auf die Einbeziehung privater Akteu-re sowie regionaler, nationaler und/oder europäischer Institutionen angewiesen sind. Kooperationen, Verhandlungen und aufwendige Kommunikationsprozesse innerhalb städtischer Verwaltungen, zwischen privatwirtschaftlichen Akteuren und öffentlichen Akteuren, zwischen vielfältigen sozialen Gruppen der Zivilge-sellschaft und kommunalen Stadtplanern – sie sind zu Kernelementen des Wan-dels der Stadtpolitik geworden. Die darin liegende Chance einer vermehrten Berücksichtigung von Teilen der städtischen Zivilgesellschaft und deren Bedürf-nissen bei der Entwicklung von Stadt besteht in der Sichtweise, dass die Bewoh-nerinnen und Bewohner als Experten ihrer Lebensbedingungen in die Ziele und Maßnahmen der Stadtentwicklung stärker eingebunden werden. Die Entwick-lung von integrierten Stadtentwicklungsprogrammen, Methoden der sozialen Stadterneuerung und von Partizipationsprojekten bei der Gestaltung von öffentli-chen Räumen kann zu einer Stärkung der Stadtgesellschaft führen. Da die Inte-ressen der unterschiedlichen sozialen Gruppen in der Stadt auch widersprüchlich ausfallen, stellt sich für die Stadtpolitik immer auch die Frage nach den Formen, Methoden und Zielen der Partizipation. Die Entwicklung einer städtischen Betei-ligungskultur ist daher eine zentrale Herausforderung der Stadtpolitik, um den Wandel von Government zu Governance mit der damit einhergehenden Zunah-me unterschiedlicher Akteure an der Stadtentwicklung so zu gestalten, dass der emanzipatorische Charakter der europäischen Stadt nicht nur im akademischen Diskurs des Leitbildes transportiert wird.

Die Zukunft der europäischen Stadt in den kurz beleuchteten Dimensionen Stadtgesellschaft, Stadtplanung und Stadtpolitik wird in den folgenden Beiträgen aus je unterschiedlichen Blickrichtungen sowohl auf das theoretische Konzept der europäischen Stadt selbst als auch bezogen auf Fallstudien der Stadtentwick-lung diskutiert. Als roter Faden des Sammelbandes dient die integrierte Sicht-weise auf die europäische Stadt als einem Zusammen- und Wechselspiel zwi-schen Bau- und Nutzungsstrukturen, sozialen Formationen und politischen Or-ganisationsformen. Der Sammelband gliedert sich in die vier Kapitel „Das Modell der europäischen Stadt – zwischen Vergangenheit und Zukunft“; „Wissen, Kreativität und Orte – zwischen Transformation und Beständigkeit“; „Veränderte Planungsstrategien und neue Politikansätze – zwischen Potential und Risiko“; und „Herausforderun-gen für europäische Städte – zwischen Theorie und Praxis“.

Nach dieser Einführung erfolgt in Kapitel 1 („Das Modell der europäischen Stadt – zwischen Vergangenheit und Zukunft“) ein Überblick zum theoretischen Modell der europäischen Stadt.

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Einführung: Die Zukunft der europäischen Stadt 17

Hartmut Häußermann stellt in seinem Beitrag „Was bleibt von der europäi-schen Stadt?“ die kulturelle Produktivität als ein Potential zwischen Differenz und Verschiedenheit auf enger räumlicher Nähe dar, welches als Großstadtkultur gefährdet ist. Seine These, dass wichtige Elemente einer gelingenden Zukunft der europäischen Stadt auch in der Vergangenheit liegen könnten, relativiert Klaus Kunzmann mit einer Verlegung der europäischen Stadt nach „anderswo“ und der damit verbundenen Bedeutung von Identität und Baukultur für die Zu-kunft europäischer Städte. Er sieht die Zukunft der europäischen Stadt als Stadt-region, die gerade in der Anerkennung vielfältiger Leitbilder ein fruchtbares Potential entwickeln kann. Der Beitrag von Christine Hannemann und Tobias Mettenberger setzt die europäische Stadt in Bezug zur amerikanischen Stadt und erläutert die Eigenschaften und Funktionen der jeweiligen Konzepte. Nikolai Roskamm untersucht mit dem Konstrukt der Dichte ein wesentliches Merkmal der europäischen Stadt und stellt die Verwendung von Dichte in den unterschied-lichen Disziplinen der Stadtforschung dar. Die Ergänzung des Modells der euro-päischen Stadt durch den Ansatz des Schumpeterian Workfare Postnational Regimes steht im Mittelpunkt des Beitrags von Florian Wukovitsch.

In Kapitel 2 („Wissen, Kreativität und Orte – zwischen Transformation und Beständigkeit“) werden die aktuell stark diskutierten Handlungsfelder Wissen, Kreativität und Orte in der europäischen Stadt untersucht. Alain Thierstein, Anne Langer-Wiese und Agnes Förster entwerfen ein Wirkungsmodell für die Ent-wicklung (europäischer) Städte, in dem unter anderem Aspekte der Wettbe-werbsfähigkeit und der kreativen Stadt berücksichtigt werden. Ilse Helbrecht untersucht die Kreative Klasse an sich und zeigt anhand zweier Fallstudien aus London und Chicago stadtkulturelle Veränderungen und die Entstehung neuer Intoleranzen auf. Am Beispiel von Zürich analysiert Katharina Heider den Zu-sammenhang von Kreativwirtschaft und Quartiersentwicklung. Knut Petzold stellt die Ergebnisse seiner Forschungen zu multilokalen Lebensformen vor und untersucht, welche Konsequenzen sich aus zunehmender Multilokalität für das Modell der europäischen Stadt ergeben. Frank Eckardt zeigt den Paradigmen-wechsel von der europäischen zur medialen Urbanität auf, der als Folge der zu-nehmenden Verbreitung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien zu verstehen ist.

Das Kapitel 3 („Veränderte Planungsstrategien und neue Politikansätze – zwischen Potential und Risiko“) thematisiert veränderte Planungsstrategien und neue Politikansätze. Florian Koch entwirft eine Typologie informeller Stadtent-wicklung und stellt Bezüge zu Aspekten städtischer Governance in europäischen Städten her. Heidi Sinning vergleicht in ihrem Aufsatz den Stadtmanagement-Ansatz mit den Eigenschaften des Modells der europäischen Stadt. Im Beitrag von Gabriele Schmidt wird am Beispiel von Stadterneuerungsprogrammen in der

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18 Oliver Frey und Florian Koch

Stadt Bristol das Spannungsfeld zwischen effektiver lokaler Steuerung und Parti-zipation thematisiert. Annette Vollmer beschreibt in ihrem Beitrag das neue Instrument der Business Improvement Districts in Hamburg und geht der Frage nach, ob dies ein Beispiel der „Amerikanisierung“ deutscher Städte darstellt. Auch Elena Wiezorek untersucht ein neues stadtpolitisches Instrument und be-schreibt die Entstehungsursachen, die Prozessbausteine sowie den Entwicklungs-stand von Eigentümerstandortgemeinschaften. Im Mittelpunkt des Beitrags von Simone Buckel steht das Verhältnis zwischen Stadtpolitik und irregulärer Migra-tion, was sie am Beispiel der Städte Barcelona und Den Haag untersucht.

In Kapitel 4 („Herausforderungen für europäische Städte – zwischen Theo-rie und Praxis“) wird das Modell der europäischen Stadt auf den Prüfstand ge-stellt: Thematisiert werden einige neue Herausforderungen europäischer Städte im 21. Jahrhundert. Reurbanisierung, Globalisierung und die Inwertsetzung städ-tischer Strukturen sind Elemente des Beitrags von Klaus Brake. Die Frage, in-wieweit das Ruhrgebiet Elemente des Idealtyps der europäischen Stadt enthält und welche Veränderungen durch den Titel der Kulturhauptstadt zu erwarten sind, wird von Gregor Betz analysiert. Einen ähnlichen Ansatz wählte Katharina Sucker: Sie zeigt historische und aktuelle Aspekte der Stadtentwicklung in Istan-bul auf und stellt sich die Frage, inwieweit in Istanbul Elemente des Modells der europäischen Stadt zu erkennen sind. Ulrich Hatzfeld zeigt in seinem Beitrag die Potentiale und Schwierigkeiten der Umsetzung des Modells der europäischen Stadt im politischen Alltag. Abschließend stellt Oliver Frey das Modell der eu-ropäischen Stadt ins Zentrum verschiedener Stadtkonzepte, mit der Begründung, dass die konzeptionell-analytische Grundlage des Modells der europäischen Stadt eine umfassende integrative Sichtweise auf die Bereiche Steuerung, Ge-sellschaft und Orte ermöglicht. Zugleich wird in dem Beitrag auch dafür plädiert, die vielfältigen theoretischen und politischen Stadtkonzepte als sinnvolle Ergän-zung zum Leitbild der europäischen Stadt als zukünftige Konzepte der Stadtent-wicklung zu diskutieren.

Die Herausforderungen für die Zukunft der europäischen Stadt werden von den Herausgebern Oliver Frey und Florian Koch abschließend zusammengefasst. Die Beiträge entstammen verschiedenen Fachdisziplinen wie den Sozial- und Politikwissenschaften, der Geographie, der Stadtplanung, der Ökonomie und der Architektur. Dieses interdisziplinäre Vorgehen ist aus Sicht der Herausgeber notwendig, um sich den vielfältigen Aspekten, die die europäische Stadt aus-macht, nähern zu können.

Der vorliegende Sammelband beruht auf der Tagung „Die Zukunft der eu-ropäischen Stadt“, die am 18./19. September 2009 an der Technischen Universi-tät Wien stattgefunden hat und an der über 40 Wissenschaftlerinnen und Wissen-

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Einführung: Die Zukunft der europäischen Stadt 19

schaftler aus unterschiedlichen Forschungseinrichtungen in Deutschland, Öster-reich und der Schweiz teilnahmen. Ziel der Tagung war es, innovative Arbeiten insbesondere jüngerer Forscherinnen und Forscher vorzustellen, die dem breiten Thema der europäischen Stadt zuzuordnen sind. Die Tagung bildete gleichzeitig die Abschlussveranstaltung des Promotionskollegs „Die Zukunft der europäi-schen Stadt. Formen und Folgen von New Urban Governance“, das am Georg-Simmel-Zentrum für Metropolenforschung der Humboldt-Universität zu Berlin angesiedelt war und von der Heinrich-Böll-Stiftung gefördert wurde; Leiter des Promotionskollegs waren Hartmut Häußermann und Ilse Helbrecht, die auch an der Konzeption der Tagung beteiligt waren.

Dass dieses Buch nun als ein Ergebnis der Tagung vorliegt, ist der großzü-gigen finanziellen Förderung der Fakultät für Architektur und Raumplanung sowie dem Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltpla-nung der TU Wien zu verdanken. Ein besonderer Dank gilt Vizerektor Prof. Dr. Gerhard Schimak und Prof. Dr. Jens S. Dangschat, die durch ihre materielle wie ideelle Förderung und Unterstützung sowohl die Konferenz an der TU Wien als auch die vorliegende Publikation wesentlich ermöglichten.

Darüber hinaus bedanken wir uns bei Christoph Roolf, der umsichtig und gewissenhaft das Lektorat der Texte übernommen hat. Wir denken, dass der vorliegende Sammelband neue Aspekte zur Zukunft der europäischen Stadt aufzeigt, und hoffen, Anstöße für künftige Diskussionen zu Stadtpolitik, Stadtgesellschaft und Stadtplanung geben zu können. Zum Ab-schluss wollen wir den Autorinnen und Autoren herzlich für ihre Beiträge zu diesem Buch danken. Literatur Bagnasco, Arnaldo/ Le Galès, Patrick (Hrsg.) (2000): Cities in contemporary Europe.

Cambridge: University Press Benevolo, Leonardo (1999): Die Stadt in der europäischen Geschichte. München: C.H.

Beck Dubet, Francois/ Lapeyronnie, Didier (1994): Im Aus der Vorstädte. Der Zerfall der de-

mokratischen Gesellschaft. Stuttgart: Klett-Cotta Häußermann, Hartmut/ Kronauer, Martin/ Siebel, Walter (Hrsg.) (2004): An den Rändern

der Städte. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Heitmeyer, Wilhelm (1998): Versagt die Integrationsmaschine Stadt? Zum Problem der

ethnisch-kulturellen Segregation und ihrer Konfliktfolgen. In: Heitmeyer et al. (1998): 443-465

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20 Oliver Frey und Florian Koch

Heitmeyer, Wilhelm/ Dollase, Rainer/ Backes, Otto (Hrsg.) (1998): Die Krise der Städte: Analysen zu den Folgen desintegrativer Stadtentwicklung für das ethnisch-kulturelle Zusammenleben. Frankfurt a. M.: Suhrkamp

Kazepov, Yuri (Hrsg.) (2005a): Cities of Europe. Changing Contexts, local arrangements and the challenge to Urban cohesion. Oxford: Blackwell Publishing

Kazepov, Yuri (2005b): Cities of Europe. Changing Contexts, local arrangements and the challenge to Urban cohesion. In: Kazepov (2005a): 3-42

Scharpf, Fritz W. (1991): Die Handlungsfähigkeit des Staates am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts. In: Politische Vierteljahresschrift 32. 4. 1991. 621-634

Siebel, Walter (Hrsg.) (2004a): Die europäische Stadt. Frankfurt a. M.: Suhrkamp Siebel, Walter (2004b): Einleitung: Die europäische Stadt. In: Ders. (2004a): 11-50

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Kapitel 1:

„Das Modell der europäischen Stadt – zwischen Vergangenheit und Zukunft“

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Was bleibt von der europäischen Stadt? Hartmut Häußermann1 1 Was ist die 'europäische Stadt'? Mit dem Begriff der europäischen Stadt verbinden wir eine bestimmte Vorstel-lung von Urbanität. Diese Urbanität ist eng verbunden mit der europäischen Zivilisation und Kultur. Urbanität ist in ihren politischen, sozialen und ökonomi-schen Dimensionen eine Vorform der modernen Gesellschaft. Die Vorformen von Marktwirtschaft, bürgerlicher Individualität und Demokratie haben sich in europäischen Städten entwickelt. Die Stadt war:

ein besonderer politischer Verband, eine besondere Form der Organisation der Ökonomie, die Marktwirtschaft und eine besondere soziale Formation, nämlich Ort, an dem nicht primär

Sippenverbände sondern einzelne Individuen das Grundelement des Sozia-len bildeten.

Die Stadtmauer markierte mehr als eine räumliche Grenze, sie war eine soziale, politische und ökonomische Grenze, sie trennte Gesellschaften, und da ihre Be-sonderheit ständig bedroht war, musste sie durch Mauern gesichert werden. Die Erfahrung der Stadtgesellschaft als einer besonderen Gesellschaft wurde durch das dichte Neben- und Miteinander auf engstem Raum noch intensiviert – er-zwungen von wehrtechnischen Anlagen (Stadtmauern). Die soziale und kulturel-le Dichte, gepaart mit der Perspektive auf eine selbst organisierte, durch die Bürger selbst verwaltete Gemeinschaft, die Gleichzeitigkeit von Kooperation und Wettbewerb – dies machte die europäische Stadt, darauf hat Max Weber als erster aufmerksam gemacht, zu einem einzigartigen Entwicklungsmodell, das eine globale Revolution von Wirtschaft und Politik anstieß. Am Ende des 20. Jahrhunderts wurden verschiedene Elemente dieses Modells in all jenen Staaten und Gesellschaften auf sehr unterschiedliche Weise kombiniert, die wachsenden Wohlstand produzieren.

1 Dieser Aufsatz von Hartmut Häußermann ist eine bearbeitete Fassung seines Beitrages in dem Sammelband von Detlef Baum (Hrsg.): Die Stadt in der sozialen Arbeit. Ein Handbuch für soziale und planende Berufe. VS Verlag für Sozialwissenschaften (Wiesbaden) 2007.

O. Frey · F. Koch (Hrsg.), Die Zukunft der Europäischen Stadt, DOI 10.1007/978-3-531-92653-7_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011

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24 Hartmut Häußermann

2 Der produktive Zwang der Stadtform

Die industrielle Verstädterung baute auf der städtischen Dichte auf und steigerte sie. Verkehrs- und Kommunikationstechniken sorgten dafür, dass die Stadt ein besonderer Ort blieb, weil sie den inneren Austausch verstärkten und die Zentren untereinander besser verzahnten. Die Arbeits- und Konsummärkte waren nur für diejenigen erreichbar, die in räumlicher Nähe zu den lokal abgegrenzten Märkten wohnten. Dadurch entwickelten die Städte ihre räumliche Dichte nicht nur wei-ter, sondern steigerten sie in der kurzen Phase der Hochindustrialisierung auf historisch einmalige Höhen. So blieben die Großstädte bzw. Ballungsgebiete bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts weitgehend regional abgegrenzte Industriegesell-schaften, industrielle Distrikte mit Produktspezialisierungen, alle mit einer be-sonderen Produktionsweise (fordistische Massenproduktion) und einer besonde-ren Sozialstruktur (Besitzende, Angestellte und Proletariat), aber ihre Produkti-ons- und Lebensweisen wurden zunehmend ubiquitär. Aus dem Stadt-Land-Gegensatz wurde so eine Stadt-Land-Differenz.

Die räumliche Form der industriellen Stadtgesellschaft entwickelte sich aus ökonomischer und technischer Notwendigkeit: die Unternehmen waren für den Zugang zu Arbeitskräften auf die großen Städte angewiesen. Für Konsumgüter-produzenten war die Nähe zu den großen Absatzmärkten entscheidend. Trotz überregionaler Absatzmärkte bildeten die Zulieferbeziehungen innerhalb eines Großstadtraums den Hintergrund für Innovationen und Flexibilität – heute wird das als Cluster bezeichnet. Die Konkurrenz unter der wachsenden Zahl von Un-ternehmen förderte durch ihren Zwang zur Spezialisierung die Produktivität und die Innovation, sie ermöglichte aber auch Kooperation. Die Stadt war technisch und ökonomisch notwendig. Die Bedürfnisse der Bewohner waren nachrangig, sie mussten in den dichten Städten leben, wenn sie am neuen Reichtum teilhaben wollten. Die Masse der Erwerbslosen auf dem Lande strömten in die Stadt, weil sie dort Arbeit oder wenigstens überhaupt eine Überlebensperspektive fanden. Denn der Nachwuchs an Arbeitskräften wurde auf dem Lande produziert, de-mographisch haben sich die Städte nie selbst reproduziert, und die rasch wach-sende Nachfrage konnte immer nur durch Zuwanderung befriedigt werden.

3 Die kulturelle Produktivität der Stadt

Die Stadt wuchs also durch Zuwanderung. Der Zustrom von Fremden aus den verschiedensten Gegenden und oft auch aus verschiedenen Kulturen schuf Hete-rogenität, Verschiedenheit auf engem Raum. Konservativen Beobachtern er-schien das als Verlust von nationaler Identität und als kulturelle Unmöglichkeit,

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die in Sittenverfall, Chaos und kriminellen Machenschaften enden würde. Zur Zeit des stärksten Großstadtwachstums hatte auch der Großstadtpessimismus seine Hochkonjunktur. Die Heterogenität, heute vornehmlich als Diversität be-zeichnet, wurde jedoch zur Grundlage einer neuen Kultur. Analog zur Ökonomie ermöglichten und erzwangen Dichte und Heterogenität auch in der Kulturpro-duktion und bei den Lebensweisen Arbeitsteilung und Spezialisierung. Wer et-was erreichen wollte, musste etwas Besonderes bieten, und wer sich als Indivi-duum darstellen wollte, musste sich von anderen unterscheiden. Daher förderte die Stadtkultur Differenz und Verschiedenheit, und daraus entsteht Innovation. Das ist die kulturelle Produktivität der Stadt

Hektisches Aktivitätsniveau, Geschwindigkeits- und Konsumrausch, das Nebeneinander des Fremden, ja Exotischen, Sensationen aller Art auf engem Raum – so wird bis heute die moderne Großstadt am Beginn dieses Jahrhunderts gerne beschrieben. Aber die Überfülle der Eindrücke, die extreme Differenz der Lebensstile, die unausweichliche Konfrontation unterschiedlicher Kulturen und die erzwungene ständige Begegnung mit dem Unbekannten, mit dem Fremden stellen auch eine hohe Anforderung, ja eine Überforderung dar, gegen die sich der Großstädter durch Rückzug, durch Abwehr, durch Blasiertheit und Indiffe-renz, durch Entpersönlichung der zufälligen Kontakte und Eindrücke wehren muss. Georg Simmel hat das zur Grundlage für die Beschreibung einer großs-tadtspezifischen Mentalität gemacht. Aus der Überbeanspruchung der Sinne und der langsameren Verarbeitung eines schnellen äußeren Wandels ergibt sich der städtische Sozialcharakter: man nimmt Distanz zu ungewollten, aber räumlich präsenten sozialen Beziehungen, man filtert seine Wahrnehmung, man distan-ziert sich innerlich vom äußerlich Nahen, man individualisiert seinen Lebensstil. Dazu bietet die Großstadt – im Unterschied zur ländlichen Lebensweise – auch die Gelegenheit: man kann sein Leben unabhängig von Nachbarn und Ver-wandtschaft organisieren, man kann seine sozialen Kontakte selbst wählen – es muss nicht der Nachbar sein, während es auf dem Dorf nur Nachbarn gibt.

Wegen ihrer Dichte und Größe wird die Stadt so zu einem sozialen Raum mit besonderer Qualität: eben weil man – aus Selbstschutz – gegenüber dem räumlich Nächsten distanziert bleiben will, weil man dessen moralische, politi-sche und kulturelle Überzeugungen nicht teilt und auch nicht teilen muss, entwi-ckelt man eine Gleichgültigkeit und Distanziertheit, die – das ist die Dialektik der Stadtkultur – auch dem anderen seinen Lebensraum lässt. Aus sozialer Dis-tanz bei gleichzeitiger räumlicher Nähe ergibt sich der städtische Freiheitsraum, in dem sich differente Lebensstile, unterschiedliche Kulturen und Individualitä-ten entfalten können. Die räumliche Mischung von Berufen, Bildungsschichten, Einkommensklassen und Lebensstilen in vielen städtischen Quartieren war auf dieser Basis möglich.

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Soweit die soziologische Diagnose der Stadtkultur. Toleranz und kulturelle Produktivität entwickeln sich unter dem Zwang zur räumlichen Nähe bei gleich-zeitigem Wunsch zu sozialer Distanz. In diesem Sinne war die europäische Stadt eine Erziehungsanstalt – im gelungenen Fall. Das war die zivilisatorische Leis-tung der europäischen Stadt, und dies ist auch zum Leitbild von moderner Stadt-kultur generell geworden.

Aber diese Stadtkultur war immer in Gefahr, sie war und ist prekär: Wer zu dieser Distanzierung von nachbarschaftlichen Beziehungen und alltäglichen Begegnungen nicht in der Lage ist, wer sozusagen nicht lässig bleiben kann, empfindet soziale Mischung als Belästigung und reagiert entsprechend: mit Säu-berungsphantasien oder Flucht. Und dies hat mit einem Grundelement von Stadt-entwicklung zu tun: mit der Zuwanderung von Fremden.

Großstädte erhalten sich oder wachsen durch Zuwanderung. Der permanen-te Zustrom von Fremden schafft ein besonderes Element der Stadtkultur. Durch Zuwanderung entsteht in der Stadt massenhaft die Existenzform des Menschen zwischen verschiedenen Kulturen, den die Erfahrung der kulturellen Differenz, die Erschütterung der für selbstverständlich gehaltenen Denk- und Verhaltens-weisen zur reflexiven Distanz zwingt und so zum "objektiven Menschen" (Sim-mel) macht, zum Zweifler, aber auch zum Verunsicherten, weil er beständig mit den Grenzen von Kulturen konfrontiert ist.

Die Existenzform auf der Grenze zwischen zwei Kulturen ist jedoch auch prekär und enthält ambivalente Reaktionsmöglichkeiten: sie birgt die Chance zu produktiver Reflexivität ebenso in sich wie die Gefahr des Absturzes in Identi-tätskrisen. Blasiertheit und Gleichgültigkeit gehören ebenso zur Stadt wie Intel-lektualität, Individualisierung und aufklärerische Reflexion – Toleranz und pro-duktiver Austausch unter Fremden ebenso wie psychische Krankheit, Fremden-hass und Pogrome.

Die Erschütterung von Selbstverständlichkeiten, die grundlegende Ambiva-lenz der Großstadt ist die Basis ihrer kulturellen Produktivität. Die Kultur der Großstadt ist nur als riskante möglich – und sie ist daher immer auch von zwei Seiten in Gefahr:

einerseits durch die Versuche, die Zumutungen der Koexistenz durch Ho-

mogenisierung und Standardisierung der Großstadtkultur zu verkleinern, durch repressive Anpassung an eine wie auch immer definierte ‚Leitkultur‘ oder durch die Vertreibung von 'Störern' im Zuge der konsumsgerechten In-szenierung von Städten;

andererseits ist die europäische Stadtkultur mit ihren Zumutungen und Am-bivalenzen selber eine der Triebfedern der Auflösung der europäischen

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Stadt, soweit die Stadtbürger versuchen, die Zumutungen zu vermeiden und den Ambivalenzen durch Abwanderung zu entgehen.

4 Das Ende der Notwendigkeit: die Auflösung der Stadt

Einen Zwang zur Stadt, einen Zwang zur räumlichen Dichte gibt es inzwischen nicht mehr. Wir erleben das Ende der industriellen Verstädterung. Verkehrs- und Kommunikationstechnik haben die räumliche Auflösung der ökonomischen und sozialen Einheit Stadt ermöglicht, und die moderne Stadtplanung hat diese Auf-lösung unterstützt. Die (kapitalistisch beschränkte) ökonomische Rationalität erzwingt heute die Dezentralisierung und Suburbanisierung von gewerblichen Einrichtungen, und viele Bewohner der Großstadt haben sich dieser Tendenz bereitwillig und massenhaft angeschlossen. Heute sind die zentrifugalen Kräfte übermächtig. Alles drängt zur Auflösung des Modells der europäischen Stadt. Gewerbe und Einwohner verlassen beständig den verdichteten Stadtraum:

Die industrielle Massenproduktion verlässt die Städte und siedelt sich in der

Peripherie an, wo frei über billige Arbeitskräfte und Flächen verfügt und der Transport per LKW leicht organisiert werden kann.

Der PKW verbindet Wohnstandorte und Arbeitsplätze weitgehend unab-hängig von einer geplanten Struktur; zusammen mit dem Ausbau des ÖPNV hat er die funktionale Reichweite von Großstadträumen so erweitert, dass die Wohndichte (Eigenheim!) gesenkt und die Wahlfreiheit beim Wohn-standort enorm gesteigert wurde. Dies ist eine tatsächliche Freiheit, die es in der Stadt des 19. Jahrhunderts nicht gegeben hat. Daher nimmt diese Form der Mobilität trotz aller gestiegenen materiellen und zeitlichen Kosten im-mer noch beständig zu.

Dies nutzt in wachsendem Maße der Einzelhandel aus, indem er seiner innerbetrieblichen Rationalität der räumlichen Konzentration folgt: Ein-kaufszentren, Fachmärkte, Factory outlets usw. vergrößern ihre Umsatzan-teile beständig, obwohl Stadtpolitiker und Stadtplaner seit zwei Jahrzehnten dagegen anzuplanen und den kleinteiligen innerstädtischen Einzelhandel zu schützen versuchen. Dieser hat aber kaum noch eine Zukunft. Der inners-tädtische Einzelhandel verliert sowohl relativ wie absolut Anteile am ge-samten Einzelhandelsumsatz. Die größten Umsatzzuwächse werden heute außerhalb der Städte erzielt.

Schließlich die Kommunikationstechnik: da in unserer Volkswirtschaft Materialtransport für die zukunftssichersten Branchen nur noch eine margi-nale Bedeutung hat, machten die modernen Nachrichtentransport- und Ver-

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arbeitungstechnologien jeden Ort als (Produktions-)Standort verfügbar, der über einen Telefonanschluss verfügt bzw. von dem aus ein Satellit angepeilt werden kann. Die räumliche Nähe zu Kooperanden oder Kunden ist un-wichtig geworden. Für den wachsenden Bereich von Dienstleistungstätig-keiten ist der Standort nahezu beliebig wählbar geworden. Die ökonomische und technische Notwendigkeit von Stadt gehört der Vergangenheit an.

Das gleiche gilt für die Kommunikations- und Kulturbedürfnisse der privaten Haushalte. Telekommunikativ mit der ganzen Welt verbunden ist die Teilnahme am Informations- und Kulturgeschehen von überall aus gleichermaßen möglich. Es gibt keine 'Idiotie des Landlebens' mehr.

Die Freiheitsgrade bei der Wahl des Wohnstandorts sind für die Mehrheit der Haushalte enorm gesteigert worden. Und nun kann sich soziale Distanz in räumliche Distanz umsetzen. Die grundlegende Tendenz gibt es schon seit Be-ginn der industriellen Verstädterung, aber sie blieb für lange Zeit ein Privileg der Vermögenden. Seit einem halben Jahrhundert ist aber die Flucht aus der dichten, sozial durchmischten Großstadt zu einer Massenbewegung geworden – heraus aus der Großstadt in die suburbanen Gartenlandschaften oder noch weiter ins Dorf oder die Kleinstadt. Die Sehnsucht nach mehr Wohnfläche, nach woh-nungsnahem Freiraum und nach sozialer Homogenität sowie die Flucht vor den physischen und psychischen Zumutungen des Großstadtlebens sind die treiben-den Kräfte.

In diesem Prozess scheinen sich die Überreste der europäischen Stadt all-mählich aufzulösen. Erhöhte Wahlfreiheit macht Entscheidungen zwischen Al-ternativen möglich, und jede Entscheidung für eine Alternative impliziert logisch die Entscheidung gegen die andere: wer die Vorstadt wählt, entscheidet sich für deren Attraktivitäten, und mit

der Abwahl der sozial und funktional dichten Stadt entscheidet er sich auch gegen deren ambivalenten Zumutungen;

wer sich für die Stadt entscheidet, muss damit auf die Annehmlichkeiten des Wohnens in einer durch soziale Homogenität und Grünflächen weich ge-spülten Umgebung verzichten.

5 Politik für die europäische Stadt?

Strategien für eine Revitalisierung, Reurbanisierung oder Rekonstruktion der europäischen Stadt können sich auf einige Trends stützen, die gegenläufig zum skizzierten Auflösungsprozess sind:

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Je mehr sich der städtische Raum ausbreitet, je stärker die Tendenzen zur Dezentralisierung und Desurbanisierung werden, je wichtiger werden logi-scherweise die Knotenpunkte der Mobilität. Insbesondere die Kreuzungen oder Haltepunkte von überregionalen Schnellverkehrsnetzen werden zu zentralen Standorten in einem das ganze Land (bzw. ganz Europa) umfas-senden Zentrensystem. Dazu gehören Flughäfen ebenso wie die Haltestellen des Schienenschnellverkehrs. Sie werden zu Kristallisationspunkten einer überregionalen – und im Falle der Bahnhöfe – auch der innerregionalen Vernetzung. Die Strategie der Bundesbahn, ca. 20 Bahnhöfe in deutschen Großstädten zu Gewerbe- und Kommunikationszentren auszubauen, beruht weniger auf deren innerstädtischen als ihrer überregionalen Bezüge.

Die neuen innerstädtischen Investitionen von Banken oder Einkaufs-/Erlebniszentren sind entweder Ausdruck symbolischer Dominanz, die sich die architektonische und historische Einmaligkeit europäischer Stadtkerne zu Nutze macht, oder ausschnitthafte Verwertung von verkehrsreichen Standorten, die sich deutlich gegen ihre Umgebung abgrenzen und in keiner Weise mit ihr verflochten sind. Sie könnten ebenso gut im Umland stehen.

Ob dagegen der räumlich vermittelten 'Kontaktdichte' zwischen hochquali-fizierten (Finanz-) Dienstleistern ein struktureller Zwang zugrundeliegt (so z.B. Sassen), also einen letzten Fall ökonomischer Notwendigkeit von räumlicher Funktionsdichte darstellt, ist eher zu bezweifeln. Überzeugende Begründungen dafür sind bisher nicht vorgetragen worden.

Die Flucht aus der Stadt ermöglicht, Wünsche nach ungestörter Ruhe, Sicherheit, Erholung, mehr Platz und mehr Selbstbestimmung zu realisieren, und diese Sehnsüchte erfüllt des Eigenheim im Grünen praktisch und symbolisch. Aber mit dem Auszug aus der Stadt geht auch etwas verloren: der Reiz der Großstadt, ihre Anonymität und ihr fast unerschöpfliches Angebot an Gütern und Dienstleistun-gen stehen nicht mehr vor der Haustüre zur Verfügung: die Stadt als

umfassende Versorgungsapparatur, die frische Brötchen, saubere Hemden,

Nachtvorstellungen, ambulante Pflegedienste, Klinikbetten und Restaurant-tische rund um die Uhr bereithält,

die Begegnungen mit dem Fremden und überraschende Erfahrungen bereit hält,

als Möglichkeit zur Differenz, in der auch das unangepasste Verhalten auf den Schutz von Anonymität und blasierter Gleichgültigkeit vertrauen kann.

Diese Stadt ist in den Suburbs nicht mehr vorhanden. Die reinen Wohngebiete am Stadtrand und im Umland sind bisher sozial weitgehend homogen insofern,

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als die städtischen Unterschichten auf große Distanz gehalten werden. Die Vor-stadt- und Umlandbewohner suchen diese Stadt nur noch als Arbeitsort oder zu Konsumzwecken auf, müssen sich also den Zumutungen nicht mehr aussetzen.

Aber es gibt eine wachsende Zahl von Menschen, die diese Stadtqualitäten als Besucher und Bewohner nachfragen. Diese Nachfrage trägt die Aufwertung der Innenstädte als Erlebnisräume und der städtischen Wohnstandorte für den gehobenen Geschmack. Da dafür innerhalb der modernisierten Altbauwohnun-gen wie im Wohnumfeld mehr Platz gebraucht wird, sinkt die Bewohnerdichte gerade aufgrund dieser neuen Nachfrage nach Stadt. Es sind die so genannten kreativen Berufe, für die ein Wohn- und Arbeitsstandort von existenzieller Be-deutung ist. Dabei handelt es sich nicht nur um die ‚high-end‘-Dienstleistungsberufe, bei denen man sich ständig auch informell ‚auf dem Lau-fenden‘ halten muss, die neuesten Trends und wirtschaftlichen Möglichkeiten immer wieder spüren muss, sondern auch um die ‚low-end‘-Dienstleister, die in prekären Erwerbsverhältnissen sich von Projekt zu Projekt handeln und insofern immer am Ball bleiben müssen, als sie neue Themen und neue Partner finden und mit sehr flexiblen Arbeitszeiten die Räume von Wohnen und Arbeiten ver-binden müssen. Das Wohnen im Umland im Eigenheim war ein ‚Hausfrauenmo-dell‘, d.h. das heißt, dass die unbezahlte Arbeit der Ehefrau notwendig war, um ein von umfassender Mobilität der Familienmitglieder gekennzeichnetes Leben zu organisieren. Da heute die Qualifikation der jungen Frauen das gleiche Ni-veau erreicht hat wie das der jungen Männer, finden sich eben immer häufiger Paare, in denen beide auf eine qualifizierte Beschäftigung aus sind. Der Subur-banisierung geht also gleichsam das Personal aus

Für Besucher, die Konsum- und Stadterlebnisse suchen, ebenso wie für den distinguierten Geschmack der neuen Stadtliebhaber, für diesen kulinarischen Gebrauch der Stadt werden die steinernen Zeugnisse der europäischen Stadttradi-tion bewahrt (Denkmalschutz, Rekonstruktion, Fassadenkosmetik) und Neubau-ten bzw. städtebauliche Ergänzungen am Bild der europäischen Stadt orientiert. Dies ist der Generalnenner für die Politik einer 'Revitalisierung': die Rekonstruk-tion der europäischen Stadt ist die Rekonstruktion ihres steinernen Gehäuses, ist der Versuch, ein Bild von der Stadt zu retten oder zu rekonstruieren,

deren Funktionen und politisch-sozialen Inhalte längst ausgewandert sind in

die nationalstaatlichen Institutionen, deren Funktionsbedingungen durch ökonomische Konzentrationsprozesse

immer mehr ausgehöhlt werden, und vor deren Zumutungen mehr und mehr Menschen in die suburbanen

Gefilde fliehen.

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6 Verschwindet die Stadt im Internet?

Es gibt Propheten, die den unvermeidlichen Verlust europäischer Urbanität mit der wachsenden Bedeutung telekommunikativer Vernetzung kommen sehen. Sie beklagen ihn auch nicht. In der Tat überhöht die Möglichkeit der interaktiven Kommunikation per Internet einige Qualitäten der modernen Großstadtkultur:

die digitale Kommunikation steigert die Möglichkeit, an Kommunikations-

prozessen teilzunehmen und gleichzeitig distanziert und anonym zu bleiben. Begegnungen mit Fremdem sind möglich und können gleichzeitig voll-kommen folgenlos bleiben;

der Wechsel von personalen Identitäten ist per Mausklick möglich, man kann sich seine eigene Identität basteln, die Befreiung von sozialen Zwän-gen und Kontrollen ist vollkommen, die Individualisierung kann weiter nicht gehen;

alle natürlichen Zeitrhythmen sind aufgehoben, es gibt keinerlei Anlass oder Zwang, sich in vorgegebene Aktivitätsmuster (Öffnungszeiten) einzufügen.

Zeit- und Handlungssouveränität des Internet-Benutzers sind kaum noch zu stei-gern. Dabei spielen hergebrachte Distinktions- und Diskriminierungsmerkmale keine Rolle: weder Hautfarbe noch Geschlecht, weder Schönheit noch körperli-che Gebrechen, weder Sprachgrenzen noch Kleidungsetikette. Ein vollkommen egalitärer Raum der Kommunikation, ohne Grenzen und ohne Kontrollen – wie ihn die Stadt nie darstellte.

Noch ist die Wahrnehmung reduziert auf Bild und Wort. An den techni-

schen Wegen, die auch körperliche Sensationen, Gerüche und (wortlose) Gefühle kommunikationsfähig machen, wird zwar gebastelt, und wir kön-nen davon ausgehen, dass dies in absehbarer Zeit auch gelingt.

Ist die städtische Öffentlichkeit, die Stadtkultur damit obsolet? Einige Verluste sind gegenüber dem Ideal der europäischen Stadt festzuhalten:

Kommunikation und Begegnung sind durch den Internet-Benutzer total

steuerbar; man setzt sich dem Unerwarteten und Fremden nicht aus, ohne es ausdrücklich zu wollen, man behält vollkommen die Kontrolle, kann in Se-kundenschnelle ohne Folgen, ohne Bewegung aussteigen. Nichts muss man tolerieren, was man nicht wünscht;

die Räumlichkeit der städtischen Öffentlichkeit ist nicht durch das Internet zu simulieren. Die gleichzeitige Präsenz von Verschiedenem, nicht-

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intentionale Konfigurationen sozialer Situationen oder animierender bzw. abstoßender Milieus, denen man passiv ausgesetzt ist oder in die man aktiv eingreifen kann, bleiben vorerst auf die chaotischen Zufälle der echten Wirklichkeit beschränkt. Die Welterfahrung im digitalen Netz ist vergleich-bar jenem 'Landschaftsrahmen', der bei einer früheren Documenta aufges-tellt wurde, bei dem man wie durch einen Dia-Rahmen ein Stück Land-schaft ausschneidet. Damit wird die Wahrnehmung verändert, die Wirklich-keit ästhetisiert – und vor allem wird der Ausschnitt, den ich wahrnehmen will, willkürlich wählbar.

Komplexität wird also reduziert, Risiken werden vermindert, Erfahrung ist kont-rollierbar und steuerbar – das Gegenteil von typischen urbanen Situationen. Dennoch ist wahr: vom Individuum aus gesehen sind keine Verluste erkennbar. Aber das gesellschaftliche Lernen entfällt, Gesellschaft gibt es nicht mehr – unter der Voraussetzung, dass alle Menschen einen vernetzten Computer haben und ihn auch bedienen können.

Sind das beklagenswerte Verluste, sind sie soziale oder politisch relevant? Ist die gewonnene individuelle Freiheit zur Wahl der erwünschten bzw. ange-nehmen (virtuellen) Wirklichkeit ein kultureller Verlust?

7 Die Rede vom Urbanitätsverlust und die gesellschaftliche Funktion der Städte

Wir haben die zivilisatorische Bedeutung der europäischen Stadt eingangs be-schrieben als das Kindbett von kollegialer bzw. genossenschaftlicher Entschei-dungsorganisation, Anerkennung von persönlicher Freiheit und Gleichheit auf der Basis von Warentausch und Fürsorge aufgrund von bürgerschaftlicher Zuge-hörigkeit – antifeudale politische und soziale Formen. Nachdem diese embryona-len bürgerlichen Rechte in Form von politischer Demokratie, marktförmiger Organisation der Wirtschaftsbeziehungen und Wohlfahrtsstaat zu Staatsbürger-rechten geworden sind, hat die Stadt ihre besondere politische, ökonomische und rechtliche Qualität verloren. Die enormen Wachstumskräfte der modernen In-dustrie entfalteten sich im ausgehenden 19. und im 20. Jahrhundert auf der Basis städtischer Organisation: arbeitsteilige Heterogenität und kurze Transportwege. Gleichzeitig wurde der Sozialraum Stadt zu einem Ort des Lernens für die Zu-wanderer und zu einem Ort der Einübung städtischer Tugenden, die die Stadt zu einer sozialen Integrationsmaschine werden ließen. Der Zwang zu räumlicher Nähe und hoher Dichte wurde so produktiv und innovativ verarbeitet. Die Stadt wurde zum Ort der Emanzipation aus sozialen Zwängen, zum sozialen Raum der