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NEWSLETTER Ausgabe 3 | 4. September 2015 Handelsbeziehungen der EU mit Afrika. Von Gérard Bökenkamp Über TTIP wird viel und kontro- vers diskutiert. Kaum Aufmerk- samkeit haben bislang die Ver- handlungen mit den afrikani- schen Staaten und ehemaligen Kolonien in der Karibik und Pazi- fik auf sich gezogen. Africa satellite plane“ von NASA -gefunden auf.wi- kipedia.org Dabei zeigt gerade die Flücht- lingsbewegung am Mittelmeer, wie wichtig es ist, den Menschen dort eine Perspektive zu geben. Die Handelsbeziehungen spielen dabei eine große Rolle. Hier werden die Entwicklung und der Stand der Verhandlungen kurz zusammengefasst: Das Lomé-Abkommen von 1975 In den Gründungsverträgen der EWG war den ehemaligen Kolo- nien eine Sonderrolle eingeräumt worden. Zu diesen Staaten gehö- ren 77 Staaten, die in Afrika, der Karibik und in der Pazifik-Region liegen (AKP-Staaten) Im Jahr 1975 wurde das Lomé-Abkom- men unterzeichnet. Dieses eröff- nete diesen Staaten einen bevor- zugten Zugang zum Markt der EG. Die „Bananen-Kriege“ in den 90er Jahren Ende der neunziger Jahre kam es zu einem Konflikt zwischen den USA und der EU über den Bana- nenimport nach Europa abzeich- nete. Die US-Firmen, die ihre Ba- nanen von Lateinamerika aus nach Europa lieferten, fühlten sich gegenüber den Bananenex- porteuren aus den karibischen Ländern, die das Lomé-Abkom- men unterzeichnet hatten, be- nachteiligt. Im Jahr 1997 gab die WTO der Klage der USA Recht. Die Handelsbeziehungen zwi- schen mussten neu verhandelt werden. Die Handelsbeziehungen der EU zu Afrika Veranstaltung: Die Folgen der Niedrigzinspolitik Eine “Politische Union”? Über Open Europe Berlin In dieser Ausgabe:

Open Europe Berlin-Journal 3

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Lesen Sie in diesem monatlichen Journal des Think Tanks Open Europe Berlin mehr über die Handelspolitik der EU und der afrikanischen Staaten, über die shr unterschiedlichen französischen und deutschen Konzepte für einen Europäischen Bundesstaat und die damit verbundenen Probleme mit der Demokratie.

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Page 1: Open Europe Berlin-Journal 3

NEWSLETTER Ausgabe 3 | 4. September

2015

Handelsbeziehungen der EU mit Afrika. Von Gérard Bökenkamp

Über TTIP wird viel und kontro-vers diskutiert. Kaum Aufmerk-samkeit haben bislang die Ver-handlungen mit den afrikani-schen Staaten und ehemaligen Kolonien in der Karibik und Pazi-fik auf sich gezogen.

„Africa satellite plane“ von NASA -gefunden auf.wi-

kipedia.org Dabei zeigt gerade die Flücht-lingsbewegung am Mittelmeer, wie wichtig es ist, den Menschen dort eine Perspektive zu geben. Die Handelsbeziehungen spielen dabei eine große Rolle. Hier werden die Entwicklung und der Stand der Verhandlungen kurz zusammengefasst:

Das Lomé-Abkommen von 1975 In den Gründungsverträgen der EWG war den ehemaligen Kolo-nien eine Sonderrolle eingeräumt worden. Zu diesen Staaten gehö-ren 77 Staaten, die in Afrika, der Karibik und in der Pazifik-Region liegen (AKP-Staaten) Im Jahr 1975 wurde das Lomé-Abkom-men unterzeichnet. Dieses eröff-nete diesen Staaten einen bevor-zugten Zugang zum Markt der EG.

Die „Bananen-Kriege“ in den 90er Jahren Ende der neunziger Jahre kam es zu einem Konflikt zwischen den USA und der EU über den Bana-nenimport nach Europa abzeich-nete. Die US-Firmen, die ihre Ba-nanen von Lateinamerika aus nach Europa lieferten, fühlten sich gegenüber den Bananenex-porteuren aus den karibischen Ländern, die das Lomé-Abkom-men unterzeichnet hatten, be-nachteiligt. Im Jahr 1997 gab die WTO der Klage der USA Recht. Die Handelsbeziehungen zwi-schen mussten neu verhandelt werden.

Die Handelsbeziehungen der EU zu Afrika

Veranstaltung: Die Folgen der Niedrigzinspolitik

Eine “Politische Union”?

Über Open Europe Berlin

In dieser Ausgabe:

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Das Cotonou-Abkommen von 2000

Das Lomé-Abkommen, das in den Jahrzehnten danach mehrfach erneuert worden war, wurde im Jahr 2000 durch das Cotanou-Ab-kommen ersetzt. Der wichtigste Unterschied zu den bisherigen Regelungen ist, dass an die Stelle der nichtreziproken Handelsbe-ziehungen reziproke Handelsbe-ziehungen treten sollten. Das heißt, es sollte nicht länger er-laubt sein, dass etwa Staaten in Afrika zollfrei in die EU exportie-ren, aber selbst Zollgrenzen er-richten durften. Nur für die am wenigsten entwickelten Länder (Least developed countries) blie-ben die alten Regelungen beste-hen.

Die Partnerschaftsabkommen

Die so genannten „Economic Partnership Agreements“ (EPA) sind ein Schlüsselelement der neuen Handelsbeziehung zwi-schen der Europäischen Union und den ehemaligen Kolonien in Afrika, in der Karibik und im Pa-zifik. In ihnen geht es darum, ei-nerseits den Vorgaben der WTO gerecht zu werden und anderer-seits den besonderen Beziehun-gen zu diesen Staaten Rechnung zu tragen. Die Verhandlungen werden zwischen der EU und ver-schiedenen Regionalgruppen ge-führt.

Zum Stand der Dinge

Die Verhandlungen zogen sich über viele Jahre hin, so dass die EU schließlich entschied, am 1. Oktober 2014 den freien Zugang zum Binnenmarkt für die Staaten aufzuheben, die aus Sicht der EU

keinen klaren Willen erkennen ließen, zu einem Vertragsab-schluss zu kommen. Das erhöhte den Druck zu einer Einigung zu kommen. Im Mai 2015 waren die Verhand-lungen mit der Westafrikani-schen Wirtschaftsunion weitge-hend zum Abschluss gekommen und stehen vor der Unterschrift und dem Ratifizierungsprozess. Das gleiche gilt für den Ver-tragsabschluss mit der Ostafri-kanischen Gemeinschaft. Die Verhandlungen mit den Staaten in Zentralafrika dauern noch an. Auch für Ost- und Südafrika wa-ren im Mai noch weitere Ver-handlungsrunden angesetzt worden. ---------------------------------------

Veranstaltung: Die Folgen der Niedrigzinspolitik

---------------------------------------Wir freuen uns darauf, gemein-sam mit Ihnen die aktuelle Geld-politik im wissenschaftlich-real-ökonomischen Kontext zu analy-sieren und diskutieren.

Wann? Donnerstag, 1. Oktober 2015, 16 - 18 Uhr

Wo? Österreichische Botschaft Berlin, Stauffenbergstraße 1, 10785 Berlin Anmeldung:

Bis zum 25. September 2015 bei Michael Wohlgemuth [email protected]

Tel: +49 (0)30 2758 1365 Email: [email protected] Open Europe Berlin gGmbH Oranienburger Straße 27 10117 Berlin

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Eine „Politische Union“ ? Von Michael Wohlgemuth Gemeinhin sagt man, das wesentli-che Manko der Währungsunion sei die unvollendete „politische Union“. Das Problem ist „nur“: für wirklich weitgehende und konkrete Schritte in dieser Richtung fehlen sowohl rechtliche als auch demokratische Grundlagen. In einem Bericht (hier) stellen wir zunächst die offiziellen Konzepte der EU-Institutionen vor, die als „Fahrpläne“ der Vertiefung der EU gedacht sind. Danach folgen aktu-elle deutsche und französische Vor-schläge für eine „Wirtschaftsregie-rung“ der Eurozone, die unter-schiedlicher kaum sein könnten. Im dritten Teil geht es um die rechtli-chen und demokratischen Vorausset-zungen einer „echten“ politischen Union. Hier Auszüge aus dem zwei-ten und dritten Teil. Wirtschaftsregierung oder Wirt-schaftsverfassung? Europäische „Wirtschaftsregie-rung“ nach französischem Vorbild meint vor allem: Vergemeinschaf-tung der Schulden der Eurozone, noch mehr fiskalpolitisches Engage-ment der EZB, gemeinsame Steuern der EU, ein gemeinsames Budget der Eurozone, eine gemeinsame europä-ische Arbeitslosenversicherung, eine gemeinsame Einlagensicherung und mehr europäische Industriepolitik, konkret: Subventionen für europäi-sche (französische) Champions, Hil-fen und Protektion für „Verlie-rer“ der Globalisierung. Anstelle ordnungspolitischer Regeln der Selbstbindung sollen „politi-sche“ Entscheidungen EU-weiter „Planifikation“ stehen, intergouver-nementale Willensakte der Staats-chefs, die gedeckt oder getrieben von einer Mehrheit in einem Parla-ment der Eurozone über ein durch vergemeinschaftete Steuern und Schulden finanziertes Eurozonen-budget entscheiden.

Die deutsche Idee einer „Fiskal-union“ ist eine sehr gegensätzliche. Diese „politische“ Union soll weitge-hend „entpolitisiert“ werden; ver-bindliche Regeln (wie etwa im „Fis-kalpakt“) sollen durch möglichst au-tomatische Sanktionen oder mithilfe unabhängiger Entscheider durchge-setzt werden. Wirtschaftsverfassung statt Wirt-schaftsregierung! Das wäre eine ide-altypische Interpretation einer deut-schen Vorstellung von „Fiskalunion“, die auf das zentrale Konzept der ordo-liberalen „Freiburger Schule“ zurückgreifen würde, das als Grundlage des einst erfolgrei-chen Modells der Sozialen Marktwirt-schaft diente. Schon Ludwig Erhard meinte: „Wir brauchen kein Planungsprogramm, sondern ein Ordnungsprogramm für Europa!“ „no taxation without representa-tion Sowohl die deutschen als auch die französischen Ideen gehen weiter als die der EU-Präsidenten. Sie laufen auf eine Art europäischer Bundes-staat hinaus, nur eines jeweils sehr unterschiedlichen: eher planwirt-schaftlich oder eher marktwirt-schaftlich. Beide würden Vertragsveränderun-gen erfordern. Eine Zustimmung al-ler 28 Mitgliedstaaten zu dem einen oder anderen Modell ist nicht zu er-warten, sondern bestenfalls eine ty-pisch „europäische Lösung“ mit un-klar definierten Elementen aus bei-den „Visionen“. Schon in Deutschland, noch mehr in Frankreich und anderen EU-Staaten findet sich hierzu derzeit keine Zu-stimmung der Bürger. Eine politische Union verlangt zudem eine demokra-tische Legitimation nicht nur der Vertragsänderung selbst, sondern auch des Vollzugs einer solchen Ver-lagerung zentraler Elemente bisher nationalstaatlicher Ausübung von

Souveränität.

Umfrage YouGov /Open Europe Berlin 2013

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass die EU kein Bundesstaat werden dürfe, so-lange das deutsche Volk dem nicht in einer Volksabstimmung zuge-stimmt habe. Kernbestand staatli-cher Souveränität ist das Budget- und Steuerrecht. Besonders für dieses „Kronjuwel des Parlaments“ (Udo di Fabio), gilt der Schlachtruf der amerikanischen Un-abhängigkeitsbewegung: “no taxa-tion without representation“. „one man, one vote“ Der Verweis auf ein „Eurozonen-Par-lament“, das in einer „echten“ Fis-kalunion über eigene Steuern und Aufgaben eines europäischen Fi-nanzausgleichs verfügen soll, reicht dann nicht mehr. Denn hier mangelt es an einem weiteren zentralen de-mokratischen Prinzip: „One man, one vote“. Bekanntlich hat die Stimme eines Maltesers bei Europawahlen über elf Mal mehr Gewicht als die eines Deutschen. In der Legislativen eines „echten“ Bundesstaatswäre dies nicht haltbar. Um in einem „echt“ demokratischen one-man-one-vote Parlament der EU die nationalen Parteiproportionen überhaupt abbilden zu können, müsste man die Zahl der Abgeordne-ten verzehnfachen. Ob sich die EU-Föderalisten dies schon einmal überlegt haben?