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Optimierung der Pharmakotherapie Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe Eine Information nach § 73 Abs. 8 SGB V Nr. 19 • April 2012 Informationen und Vorschläge der Kassenärztlichen Vereinigung und der Verbände der Krankenkassen in Westfalen- Lippe zu einer wirtschaftlichen Verordnungsweise. Wir möchten Sie bei der Optimierung der Pharmakotherapie un- terstützen. Dazu gehört, vorhandene Sparpotenziale auszuschöpfen, damit auch genügend Spielraum für notwen- dige Innovationen bleibt. Zu ausgewählten Indikationsgebieten werden an dieser Stelle Angaben zu den Verord- nungskosten in Westfalen-Lippe gemacht und Kosten für verschiedene Wirkstoffe und Therapieansätze verglichen. Diese Vorschläge und deren Begründung sind keine umfassende Darstellung eines Therapiegebietes wie zum Beispiel die Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Wir aktualisieren die Verord- nungsdaten aus dem Jahr 2005 und ergänzen unsere Information zur Analgetika-Therapie in zwei Optimierungen im Laufe des Jahres 2012: Sie finden hier zunächst Informationen und Hinweise zum Einsatz von Analgetika bei starken Schmerzen (Opioid-Therapie). Fazit Die Therapie chronischer tumorbedingter Schmerzen erfolgt nach dem WHO-Stufenschema. Generische, oral retardierte Arzneimittel sind in allen Stufen einsetzbar. Oral retardiertes Morphin ist bei starken Schmerzen weiterhin Goldstandard. Transdermal oder andere Verabreichungswege nur in individuell begründeten Ausnahmefällen! ATC-Code Analgetika Kosten in Euro DDD Kosten je DDD in Euro Hinweise N02 Analgetika gesamt 78.612.700 33.014.500 N02AB03 Fentanyl 13.118.000 3.132.500 4,07 für transdermale Systeme N02BB02 Metamizol 11.796.400 8.260.800 1,43 N02AX Tilidin-Komb. 7.551.400 6.594.700 1,15 N02AA05 Oxycodon 6.914.200 939.800 7,36 N02AA03 Hydromorphon 6.890.600 761.100 9,05 N02AA55 Oxycodon, Komb. 6.473.500 563.000 11,50 N02AX02 Tramadol 5.123.900 4.961.100 1,03 N02AA01 Morphin 4.746.600 1.474.200 2,69 für retardierte Tab./Kapseln N02BG07 Flupirtin 4.507.100 1.457.700 3,09 N02AE01 Buprenorphin 3.615.100 437.000 8,51 für transdermale Systeme N02AA08 Dihydrocodein 1.424.900 462.600 3,08 N02AX06 Tapentadol 1.001.300 110.300 9,08 N02AA59 Codein, Komb. exkl. Psycholeptika 964.400 517.900 1,86 N02AX52 Tramadol, Komb. 217.200 83.500 2,60 N02BA01 Acetylsalicylsäure 165.100 857.400 0,19 Übersicht umsatzstarker Analgetika in Westfalen-Lippe im 1. Halbjahr 2011

Optimierung der Pharmakotherapie - KVWL · Bei den Nicht-Opioid-Analgetika fällt auf, dass die Verordnungen für die zum Teil kritisch bewerteten Arznei- mittel Metamizol und Flupirtin

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Optimierung derPharmakotherapie Verbände der Krankenkassen

in Westfalen-Lippe

Eine Information nach § 73 Abs. 8 SGB V Nr. 19 • April 2012

Informationen und Vorschläge der Kassenärztlichen Vereinigung und der Verbände der Krankenkassen in Westfalen-Lippe zu einer wirtschaftlichen Verordnungsweise. Wir möchten Sie bei der Optimierung der Pharmakotherapie un-terstützen. Dazu gehört, vorhandene Sparpotenziale auszuschöpfen, damit auch genügend Spielraum für notwen-dige Innovationen bleibt. Zu ausgewählten Indikationsgebieten werden an dieser Stelle Angaben zu den Verord-nungskosten in Westfalen-Lippe gemacht und Kosten für verschiedene Wirkstoffe und Therapieansätze verglichen. Diese Vorschläge und deren Begründung sind keine umfassende Darstellung eines Therapiegebietes wie zum Beispiel die Therapieempfehlungen der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft. Wir aktualisieren die Verord-nungsdaten aus dem Jahr 2005 und ergänzen unsere Information zur Analgetika-Therapie in zwei Optimierungen im Laufe des Jahres 2012: Sie finden hier zunächst Informationen und Hinweise zum Einsatz von Analgetika bei starken Schmerzen (Opioid-Therapie).

Fazit• DieTherapiechronischertumorbedingterSchmerzenerfolgtnachdemWHO-Stufenschema.• Generische,oralretardierteArzneimittelsindinallenStufeneinsetzbar.• OralretardiertesMorphinistbeistarkenSchmerzenweiterhinGoldstandard.• TransdermaloderandereVerabreichungswegenurinindividuellbegründetenAusnahmefällen!

ATC-Code Analgetika Kosten in Euro DDD Kosten je DDD in Euro

Hinweise

N02 Analgetika gesamt 78.612.700 33.014.500

N02AB03 Fentanyl 13.118.000 3.132.500 4,07 für transdermale Systeme

N02BB02 Metamizol 11.796.400 8.260.800 1,43

N02AX Tilidin-Komb. 7.551.400 6.594.700 1,15

N02AA05 Oxycodon 6.914.200 939.800 7,36

N02AA03 Hydromorphon 6.890.600 761.100 9,05

N02AA55 Oxycodon, Komb. 6.473.500 563.000 11,50

N02AX02 Tramadol 5.123.900 4.961.100 1,03

N02AA01 Morphin 4.746.600 1.474.200 2,69 für retardierte Tab./Kapseln

N02BG07 Flupirtin 4.507.100 1.457.700 3,09

N02AE01 Buprenorphin 3.615.100 437.000 8,51 für transdermale Systeme

N02AA08 Dihydrocodein 1.424.900 462.600 3,08

N02AX06 Tapentadol 1.001.300 110.300 9,08

N02AA59 Codein, Komb. exkl. Psycholeptika 964.400 517.900 1,86

N02AX52 Tramadol, Komb. 217.200 83.500 2,60

N02BA01 Acetylsalicylsäure 165.100 857.400 0,19

Übersicht umsatzstarker Analgetika in Westfalen-Lippe im 1. Halbjahr 2011

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Optimierung der Pharmakotherapie — Informationen und Vorschläge

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* (sichere Einordnung nach AMB z. Z. nicht möglich)

VorwortzuKapitelI:

Das Kapitel I ist in Anlehnung an einen Übersichtsartikel zur Schmerzbehandlung im Arzneimittelbrief aus Sep-tember 2011 verfasst worden. Wir danken dem Arzneimittelbrief herzlich für die Genehmigung zur Übernahme der Tabellen und zur Anlehnung an den Text des Artikels. Der Arzneimittelbrief ist eine industrieunabhängige, werbefreie Zeitschrift, die seit vielen Jahren einen wertvollen Beitrag zur unabhängigen Arzneimittelinformation der Fachkreise leistet. Weitere Informationen finden Sie unter www.der-arzneimittelbrief.de

I.PrinzipienderSchmerztherapie

Die Behandlung starker Schmerzen erfordert regelmäßig den Einsatz von Opioiden. In der Schmerzbehandlung wer-den akute und chronische tumorbedingte und nicht-tumorbedingte Schmerzen unterschieden. In der Therapie starker chronischer Schmerzen empfehlen die bekannten Leitlinien in der Regel ein retardiertes orales Präparat. Transder-male Systeme sind ausnahmsweise Patienten mit Schluckstörungen oder Resorptionsproblemen vorbehalten. Für die Behandlung von Patienten mit Tumorschmerzen sind häufig ergänzend schnellwirkende Opioide notwendig, um Durch-bruchschmerzen zu beherrschen.

Die WHO hat vor mehr als 25 Jahren das „WHO-Stufenschema“ zur Therapie von Tumorschmerzen veröffentlicht. Die-ses wurde im Laufe der Zeit weiter modifiziert und gibt einen guten Überblick über die möglichen Behandlungsoptionen.

Tabelle1WHO-StufenschemazurtumorbedingtenchronischenSchmerztherapie(AMB)

StufeI StufeII StufeIII StufeIV

Nicht-Opioide SchwacheOpioide StarkeOpioide InvasiveTechniken

NSAID,Metamizol,Paracetamol

Tramadol, Tilidin, + Stufe I

Morphin,Hydromorphon,Oxycodon,Fentanyl,Buprenorphin,Tapentadol*,Methadon,+ Stufe I

Peridurale Injektion,Spinale Injektion,Periph. Lokalanästhesie,Spinal cord stimulation,+ Stufe I-III

Bei der Auswahl der Präparate sollte — wenn immer möglich — eine retardierte orale Arzneiform gewählt werden. Die Opioide unterscheiden sich in ihrer Pharmakokinetik. Daher ist insbesondere bei Patienten mit eingeschränkter Le-ber- oder Nierenfunktion ein besonderes Augenmerk sowohl auf die notwendige Dosis als auch auf den Metabolismus der einzelnen Arzneistoffe zu legen. Trotz unterschiedlicher Pharmakokinetiken ist nach wie vor Morphin der Gold-standard in der Schmerztherapie. Die in den letzten Jahren stark angestiegenen Verordnungen neuerer, insbeson-dere patentgeschützter Opioide lassen sich weder mit den aktuellen Leitlinien noch mit klinischen Studien begrün-den. Es gibt keine Studie, die eine grundsätzliche Überlegenheit eines anderen Opiats gegenüber Morphin belegt. Auch der weitgehende Einsatz von transdermalen Systemen, zum Beispiel Fentanyl-Pflaster, ist nicht aufgrund der Empfehlungen für den rationalen Einsatz sowie den Warnhinweisen in der Fachinformation des Fentanyls nachvoll-ziehbar. Ebenso sind die ausgesprochenen Empfehlungen für eine Opioid-Rotation Expertenmeinungen, für die nur eine sehr geringe Evidenz aus klinischen Studien besteht. Zur Auswahl und Anpassung von Therapiestrategien sind in der nachfolgenden Tabelle die Äquivalenzdosen gängiger Opioide — basierend auf einer aktuellen Veröffentlichung des Arzneimittelbriefes — dargestellt.

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Optimierung der Pharmakotherapie — Informationen und Vorschläge

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Tabelle2ÄquivalenzdosenfürausgewählteOpioide(gem.AMB,1)

AlternativeOpioide

Morphin oral

M:A 30 mg 60 mg 90 mg 120 mg

Tramadol(Tramal®, Generika) mg

1:10 300

Tilidin/Naloxon(Valoron N®, Generika) mg

1:10 300 600

Hydromorphon(Palladon®) mg

5:1 6 12 18 24

Oxycodon(Oxygesic®, Generika) mg

2:1 15 30 45 60

Fentanyl transdermal(Durogesic®, Generika) µg/h

12,5 25 37,5 50

Buprenorphin transdermal(Temgesic®, Transtec®, Generika) µg/h

110:1 20 35 40

In der Therapie von Tumorschmerzen sind eine rasche Einstellung, eine adäquate Prophylaxe und Behandlung der unvermeidlichen UAWs von Opioiden, Übelkeit und Obstipation (mit Antiemetika und Laxantien) sowie die Versor-gung mit retardierten Präparaten und schnellwirkenden Opioiden zur Behandlung von Durchbruchschmerzen eine zwingende Notwendigkeit.

Dagegen gibt es Hinweise, dass bei der Behandlung chronischer nicht-tumorbedingter Schmerzen möglicherweise auch eine Überversorgung mit Opioiden stattfindet. Daher empfiehlt es sich, bei der Behandlung chronischer nicht-tumorbedingter Schmerzen die S3-Leitlinie zur Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht-tumorbedingten Schmer-zen (LONTS) dringend zu beachten.

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Optimierung der Pharmakotherapie — Informationen und Vorschläge

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Abbildung1

Opioid-Analgetika—VerordnungenundKosteninWestfalen-Lippe2010

0

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30

Morphin

Hydro

morphon

Oxyco

don

Oxyco

don, K

omb.

Fentan

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Bupren

orphin

Tilidin-K

omb.

Tramad

ol

Dihydro

codein

Kosten in Mio. Euro

DDD in Mio.

Kosten je DDD

3,28€

9,76€ 7,57€ 11,60€

4,41€

8,44€

1,16€

1,06€

3,11€

Anzahl in Mio.

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Morphin

Hydro

morphon

Oxyco

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Oxyco

don, K

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Fentan

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Bupren

orphin

Tilidin-K

omb.

Tramad

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Dihydro

codein

Kosten in Mio. Euro

DDD in Mio.

Kosten je DDD

3,28€

9,76€ 7,57€ 11,60€

4,41€

8,44€

1,16€

1,06€

3,11€

Anzahl in Mio.

Opioid-Analgetika

Im Jahr 2010 ist der Kostenanstieg bei den Opioid-Analgetika insbesondere auf einen Anstieg der Verordnun-gen für Oxycodon und Oxycodon-Kombinationen (+ 61 %) und auf Verordnungen für Hydromorphon (+ 22 %) zurückzuführen. Einen besonderen Anteil hat das kritisch diskutierte Kombinationspräparat Targin®, das mit dem Argument der Verminderung der spastischen Obstipation vermarktet wird. Der AVR sieht die Verbesse-rung allerdings als marginal an, da die meisten Patienten weiterhin Laxantien einnehmen (2, S. 268). Orales Morphin wird zu rund 13 % mehr verordnet. Fentanyl bleibt mit 43 % Anteil verordnungsstärkstes Arzneimit-tel in der Gruppe der stark wirksamen Opioide. Die Verordnungen nahmen in 2010 nochmals um zirka 16 % zu. Bei den schwächer wirksamen Opioiden wird die Kombination Tilidin/Naloxon um 15 % mehr verordnet, Tra-madol weniger (- 3 %).

_____________________________ 1 ATC-Code: N02A

2 ATC-Code: N02B

II.Verordnungs-undKostenentwicklunginWestfalen-Lippe

Im Jahr 2010 entstanden in Westfalen-Lippe für die Behandlung mit Analgetika Kosten von rund 146 Millionen Euro für die Gesetzliche Krankenversicherung. Auf Opioid-Analgetika 1

entfiel mit rund 107 Millionen Euro und 73 % der Hauptanteil, auf Nicht-Opioid-Analgetika2 zirka 39 Millionen Euro entsprechend 27 % der Kosten.

Nicht nur die Kosten, auch die Verordnungszahlen für Opioid-Analgetika liegen deutlich über denen der Nicht-Opioid-Analgetika. Im Jahr 2010 entfielen in Westfalen-Lippe zirka 60 % aller Verordnungen auf Opioide mit rund 37 Millionen DDD und 40 % auf Nicht-Opioide mit 25 Millionen DDD. Im Jahr 2011 scheint sich dies noch zu verstärken, zur Jahresmitte hatten Opioid-Analgetika einen Kostenanteil von 74 % (Abb. 1).

Der AVR sieht in dem Anstieg der Opioid-Analgetika einen Trend zur Umsetzung des Stufenschemas der WHO zur Schmerztherapie (2, S. 262).

Bei den Nicht-Opioid-Analgetika fällt auf, dass die Verordnungen für die zum Teil kritisch bewerteten Arznei-mittel Metamizol und Flupirtin jährlich kontinuierlich ansteigen.

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Optimierung der Pharmakotherapie — Informationen und Vorschläge

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Transdermal häufig verordnet — oft nicht indiziert

Die transdermalen Applikationsformen hatten 2010 einen Kostenanteil von zirka 41 %. Sie sind nach AkdÄ zur Thera-pie chronischer, überwiegend gleichförmiger Schmerzen indiziert, insbesondere wenn eine orale Opioid-Therapie erschwert ist (3, S. 229 ff). Die Verordnungszuwächse bei den transdermalen Opioid-Analgetika sind im Vergleich der Jahre 2007 bis 2010/2011 eindeutig auf vermehrte Fentanyl-Verordnungen zurückzuführen. Die Verordnungen für das deutlich teurere Buprenorphin-Präparat stagnieren bzw. sinken. Die DDD-Kosten betragen für Buprenorphin-Pflaster 8,56 Euro und für Fentanyl-Pflaster 4,16 Euro.

Abbildung2

VerordnungenfürOpioide2007bis2011inWestfalen-Lippe—AnteildertransdermalenSysteme

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Abbildung3

KostenAnalgetika1.Halbjahr2011undprozentualeVeränderungzum1.Halbjahr2010

TIPP

Bitte beachten Sie die nachfolgenden spezifischen Informationen zu einzelnen,

grün gekennzeichneten Opioid-Analgetika.

Erste Analysen für Januar bis Juni 2011 der Verordnungen in Westfalen-Lippe deuten möglicherweise Veränderungen beim Einsatz von Opioid-Analgetika an: Die transdermalen Applikationsformen nehmen leicht ab (Abb. 3). In der ora-len Therapie zeigen sich unvermindert Steigerungen für Hydromorphon (13 %) und die Oxycodon-Kombination (11 %). Der Anstieg für die Hydromorphon-Verordnungen könnte auch damit zusammenhängen, dass im ersten Halbjahr 2011 viele Hydromorphon-Generika zur Verfügung standen. Das erst im Oktober 2010 neu eingeführte starke Opioid Ta-pentadol (Palexia®) wurde allein im ersten Halbjahr 2011 für mehr als eine Million Euro verordnet und fand sich be-reits im Jahr der Markteinführung unter den 3000 führenden Arzneimitteln (2, S. 95-97). Bei Tagestherapiekosten (DDD) von zur Zeit über 9 Euro verteuert es die Therapie erheblich ohne belegte Vorteile gegenüber einer Standard-Therapie mit anderen Opioiden. Der therapeutische Einsatz der starken Opioide erfolgt bevorzugt bei muskuloskelet-talen und bei Tumorschmerzen. Stichproben bei Krankenkassen zeigen, dass unter 10 % der Patienten keine entspre-chende Diagnose haben. Tumorerkrankungen lagen in gut einem Viertel der Versicherten mit Opioid-Verordnungen vor, für orale Opioide und für transdermale Opioide gleichermaßen.

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Optimierung der Pharmakotherapie — Informationen und Vorschläge

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III.StarkwirksameOpioide—InformationenzueinzelnenWirkstoffen

N02AA01 Morphin GoldstandardbeiTumorschmerzen(StufeIII)Morphin ist seit seiner Markteinführung 1915 Mittel der ersten Wahl zur Behandlung starker Schmerzen und seit 25 Jahren Goldstandard in der Stufe III des WHO-Stufenschemas zur Tumorschmerztherapie. Es stehen orale Retard-Präparate und nichtretardierte Präparate sowie verschiedene andere Applikationsformen (rektal, intravenös, sub-kutan, intrathekal und peridural) zur Verfügung. Die einsetzbare Tagesdosis umfasst einen großen Bereich, im Be-reich der Tumorschmerztherapie werden mittlere Dosierungen zwischen 80 mg und 400 mg pro Tag angegeben. Mit ansteigender Dosierung steigt die Schwellendosis der Atemdepression parallel mit der Wirkdosis der Schmerz-stillung an. Zur Dosisfindung sollten möglichst nichtretardierte Zubereitungen verwendet werden, um rasch einen „Steady State“ zu erreichen. Dies ist mit Tabletten und Tropfen möglich (4). Sobald eine ausreichende Schmerzkon-trolle erreicht ist, wird auf Retard-Zubereitungen umgestellt: Die benötigte Tagesgesamtdosis wird je nach Art der Retard-Formulierung auf ein bis drei Einzeldosierungen verteilt (3, S. 229 ff; 4).

Auch wenn in den letzten Jahren verschiedene Alternativen zu oralem Morphin insbesondere durch neue Arznei-mittelformen von lange bekannten Wirkstoffen eingeführt wurden, gilt orales (retardiertes) Morphin weiterhin als Goldstandard nach WHO. Dies wurde in viele Therapieempfehlungen/Leitlinien der verschiedensten Organisationen übernommen, z. B. Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), Agency for Health Care Policy and Research (AHCPR), European Association for Palliative Care (EAPC) (2, S. 255).

Für orales Morphin ergaben sich im 1. Halbjahr 2011 unterschiedliche durchschnittliche Tagestherapiekosten in Westfalen-Lippe. Auffallend ist, dass die oral retardierten Morphine für die Dauerbehandlung deutlich kosten-günstiger sind als die zur Einstellung/Titration und für Schmerzspitzen einsetzbaren nichtretardierten Präparate

Darreichungsform/Fertigarzneimittel Durchschnittliche DDD-Kosten

Morphin oral retardiert 2,69 €

Orale Morphine nichtretardiert 9,95 €

Oramorph 9,44 €

Sevredol 12,92 €

Handelspräparat/Fertigarzneimittel Ø-Verbrauchskostenje DDD in Westfalen-Lippe

Hydromorphon-Generika 7,00 € — 7,27 €

Jurnista® 7,21 €

Palladon® 10,88 €

Handelspräparat/Fertigarzneimittel Ø-Verbrauchskosten je DDD in Westfalen-Lippe

Oxycodon, alle Präparate 7,36 €

Targin® 11,50 €

Fertigarzneimittel/Handelspräparat Durchschnittliche DDD-Kosten

Transtec® 7,27 €

Buprenorphin/TTS-Generika 5,10 € / 5,20 €

Norspan® transdermal 16,58 €

Temgesic® (sublingual ) 6,64 €

N02AA03 Hydromorphon Nicht1.Wahl—Wechselopioid

Hydromorphon ist ein klassisches Opioid-Analgetikum (Markteinführung 1925) und in seiner chemischen Struktur eng mit Morphin verwandt. Gegenüber Morphin ist kein eindeutiger Vorteil belegt (2, S. 260; 3, S. 250). Bei der Verstoffwechselung von Hydromorphon entstehen geringere Mengen aktiver Metabolite, sodass ein Einsatz auch bei Patienten mit stark eingeschränkter Nierenfunktion möglich ist (1; 3, S. 250). Die AkdÄ sieht es als geeignetes Wechselopioid bei schlechter individueller Ansprechbarkeit auf Morphin.

Es gibt Hydromorphon als orales Präparat, als orales Retardpräparat sowie rektale und parenterale Verabrei-chungsformen. Die Tagestherapiekosten liegen für retardierte Hydromorphon-Generika mit zirka 7,25 Euro deut-lich unter den Kosten für den Erstanbieter Palladon® mit knapp 11 Euro.

Für die retardierten oralen Hydromorphon-Fertigarzneimittel ergaben sich im ersten Halbjahr 2011 im Verbrauch in Westfalen-Lippe unterschiedliche Durchschnittskosten.

Darreichungsform/Fertigarzneimittel Durchschnittliche DDD-Kosten

Morphin oral retardiert 2,69 €

Orale Morphine nichtretardiert 9,95 €

Oramorph 9,44 €

Sevredol 12,92 €

Handelspräparat/Fertigarzneimittel Ø-Verbrauchskostenje DDD in Westfalen-Lippe

Hydromorphon-Generika 7,00 € — 7,27 €

Jurnista® 7,21 €

Palladon® 10,88 €

Handelspräparat/Fertigarzneimittel Ø-Verbrauchskosten je DDD in Westfalen-Lippe

Oxycodon, alle Präparate 7,36 €

Targin® 11,50 €

Fertigarzneimittel/Handelspräparat Durchschnittliche DDD-Kosten

Transtec® 7,27 €

Buprenorphin/TTS-Generika 5,10 € / 5,20 €

Norspan® transdermal 16,58 €

Temgesic® (sublingual ) 6,64 €

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Optimierung der Pharmakotherapie — Informationen und Vorschläge

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N02AA05 Oxycodon Nicht1.Wahl—Wechselopioid

Oxycodon wird bereits seit 1919 als opioides Analgetikum therapeutisch genutzt. Gegenüber Morphin ist bis heute in randomisierten Vergleichsstudien kein eindeutiger Vorteil belegbar (3, S. 250). Nach Bewertung der Arzneimit-telkommission können bei einzelnen Patienten erfahrungsgemäß unter Umständen geringere UAWs als bei Morphin hervorgerufen werden. Die AkdÄ sieht deshalb Oxycodon als ein geeignetes Wechselopioid an, falls individuell auf Morphin oder andere Opioide schlecht angesprochen wurde. Es wird auch bei muskuloskelettalem Schmerz nicht als Opioid der ersten Wahl angesehen. Bis zu 70 % der Vergleichszahlen für Westfalen-Lippe für 2011 zeigen, dass es bis zu dreimal teurer ist als Morphin. Es steht oral, als Retardpräparat und als parenteral injizierbar zur Verfü-gung.

N02AA55 Oxycodon-Naloxon-Kombination UmstrittenesPrinzip—zuteuer

Für die Wirkstoffkombination von Oxycodon mit dem Opioid-Antagonisten Naloxon (Handelspräparat Targin®) be-steht kein belegter Mehrnutzen: Eine bessere analgetische Wirkung gegenüber Oxycodon allein oder anderen Opi-aten ist nicht belegt. Auch ein Vorteil durch Verminderung von Häufigkeiten und Schwere einer spastischen Obsti-pation ist im Vergleich zu einer standardgemäßen, leitliniengerechten Dauerprophylaxe (5, 6) mit einer freien Kombination von Laxantien und Opiaten bislang nicht zuverlässig nachgewiesen (7). Der Arzneiverordnungsreport bezeichnet den vermeintlichen Vorteil für die Besserung der Darmfunktion als marginal, da bis zu 70 % der Patien-ten weiterhin Laxantien benötigen (2, S. 268). In Westfalen-Lippe haben Stichproben bei Krankenkassen gezeigt, dass Anfang 2011 fast 76 % der Patienten mit Verordnungen von Targin® eine muskuloskelettale Erkrankung hat-ten, bei denen die AkdÄ keinen Vorteil für Oxycodon im Vergleich zum retardierten Morphin sieht.

Diese seit 2006 zugelassene Fixkombination zeigt seitdem einen kontinuierlichen Verordnungszuwachs. Die Kosten der Kombination liegen mit rund 11,50 Euro je DDD deutlich über den 7,36 Euro für reines Oxycodon. Die DDD-Kosten für retardiertes Morphin liegen mit 2,69 Euro nur bei einem Viertel der Fixkombination. Die in der Mehrzahl der Fälle notwendige zusätzliche Gabe eines Laxans erhöht die Tagestherapiekosten nochmals.

Darreichungsform/Fertigarzneimittel Durchschnittliche DDD-Kosten

Morphin oral retardiert 2,69 €

Orale Morphine nichtretardiert 9,95 €

Oramorph 9,44 €

Sevredol 12,92 €

Handelspräparat/Fertigarzneimittel Ø-Verbrauchskostenje DDD in Westfalen-Lippe

Hydromorphon-Generika 7,00 € — 7,27 €

Jurnista® 7,21 €

Palladon® 10,88 €

Handelspräparat/Fertigarzneimittel Ø-Verbrauchskosten je DDD in Westfalen-Lippe

Oxycodon, alle Präparate 7,36 €

Targin® 11,50 €

Fertigarzneimittel/Handelspräparat Durchschnittliche DDD-Kosten

Transtec® 7,27 €

Buprenorphin/TTS-Generika 5,10 € / 5,20 €

Norspan® transdermal 16,58 €

Temgesic® (sublingual ) 6,64 €

N02AB03 Fentanyl Vielverordnet—seltenerindiziert

Fentanyl zur transdermalen Anwendung als Pflaster ist geeignet zur Therapie chronischer, überwiegend gleichför-miger Schmerzen, wenn eine orale Opioid-Therapie nicht möglich ist, z. B. bei Tumor-Patienten mit Schluckstörun-gen (3, S. 249; 4). Zur Kupierung von Schmerzspitzen und Durchbruchschmerzen ist zusätzlich ein rasch wirksames Opioid nötig. Die AkdÄ schlägt hierfür z. B. Morphin in der Milligramm-Dosis von etwa 50 % der stündlichen Fenta-nyl-Freisetzung in µg/Std vor. Die Wirkungsdauer der Pflaster beträgt 72 Stunden, sie kann individuell aber auch nur 48 Stunden betragen (3, S. 249).

Das transdermale System ist bei akuten Schmerzen z. B. nach Operationen kontraindiziert. Gerade die perioperati-ve Schmerztherapie mit transdermalem Matrixsystem kann dazu führen, dass die Risiken opioidbedingter Kompli-kationen ansteigen (3, S. 249; 4). Eine unzureichende Wirkung kann durch verminderte Absorption entstehen durch schlechte Haftung auf der Haut, z. B. durch Schwitzen, behaarte Haut, mangelndes Unterhautfettgewebe und Fal-tenbildung (z. B. bei kachektischen Patienten). Bei Fieber oder äußerer Wärmeanwendung kann aber auch die Ab-sorption von Fentanyl zunehmen (4) und eine Überdosierung zur Folge haben. Spastische Obstipation und damit Laxantien-Bedarf sind etwas geringer als bei anderen Opioiden/Morphin (2, S. 266; 3, S. 249).

Das arznei-telegramm® und die AkdÄ schlagen übereinstimmend vor, bereits bei der Erstverschreibung ein möglichst preiswertes Nachfolgepräparat zu wählen und dieses Präparat in der Verordnung beizubehalten (3, S. 249; 4).

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N02AE01 Buprenorphin VarianteohnebesonderenStellenwert/Indikation

Buprenorphin ist ein Opioid zur Therapie chronischer, überwiegend gleichförmiger Schmerzen. Buprenorphin ent-spricht dem Einsatz von Morphin bei starken Schmerzen. Als Partial-Agonist lässt es jedoch keine ungehinderte Dosissteigerung zu. Ab einer bestimmten Dosis nimmt die analgetische Wirkstärke nicht mehr zu (Ceiling-Effekt), unter Umständen aber die Nebenwirkungen. Die Bedeutung wird unterschiedlich bewertet: Aufgrund des partiell-agonistischen Wirkungsprofils soll Buprenorphin (fast) nicht atemdepressiv und nur gering obstipierend wirken (3, S. 251; 2, S. 267).

Es gibt Buprenorphin als Sublingual-Tablette und als Transdermalpflaster.Die Arzneimittelkommission sieht außer einem Komfortgewinn keinen Nutzen für das Pflaster im Vergleich zum 6 bis 8 Stunden wirksamen und preiswerteren sublingual verabreichten Buprenorphin (3, S. 251).

Das arznei-telegramm® bewertet Buprenorphin insgesamt ablehnend: „Auch bei transdermaler Verwendung von Buprenorphin kommt es zum Ceiling-Effekt. Transdermales Buprenorphin hat eine „begrenzte Dosisflexibilität und wird schlecht vertragen“. Wir sehen für das transdermale Analgetikum keine Indikation in der Tumorschmerzthera-pie.“ (4) Ein Einsatz bei bestimmten Schmerzursachen wie z. B. Rückenschmerzen ist nicht evidenzbasiert.

Die durchschnittlichen Tagestherapiekosten im Verbrauch in Westfalen-Lippe im 1. Halbjahr 2011 für den Wirkstoff Buprenorphin sind für transdermale Original-Präparate deutlich höher als für TTS-Generika und das sublinguale Fertigarzneimittel.

Darreichungsform/Fertigarzneimittel

DurchschnittlicheDDD-Kosten

Morphin oral retardiert 2,69 €

Orale Morphine nichtretardiert 9,95 €

Oramorph 9,44 €

Sevredol 12,92 €

Handelspräparat/Fertigarzneimittel

Ø-Verbrauchskostenje DDD in Westfalen-Lippe

Hydromorphon-Generika 7,00 € — 7,27 €

Jurnista® 7,21 €

Palladon® 10,88 €

Handelspräparat/Fertigarzneimittel

Ø-Verbrauchskostenje DDD in Westfalen-Lippe

Oxycodon, alle Präparate 7,36 €

Targin® 11,50 €

Fertigarzneimittel/Handelspräparat

DurchschnittlicheDDD-Kosten

Transtec® 7,27 €

Buprenorphin/TTS-Generika 5,10 € / 5,20 €

Norspan® transdermal 16,58 €

Temgesic® (sublingual ) 6,64 €

N02AX06 Tapentadol/Palexia® TeureNeuerungmitunklaremStellenwertRetardiertes Tapentadol als µ-agonistisches Opiat und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer ist für die Behand-lung starker, opioidpflichtiger chronischer Schmerzen zugelassen. Zur Tumorschmerztherapie als wichtigster Indi-kation für stark wirkende Opioide wird es mangels ausreichender Wirksamkeitsdaten gemäß Fachinformation nicht empfohlen (9).

Vergleichende Studien zur Mehrzahl bewährter Opioide, insbesondere zu Morphin als Goldstandard oder Tramadol als Wirkstoff mit ähnlicher Struktur und dualem Wirkmechanismus, liegen nicht vor. Ergebnisse von drei prospektiv kontrollierten, randomisierten Studien mit methodisch eingeschränkter Aussagekraft bei Osteoarthritis bzw. unte-ren Rückenschmerzen im Vergleich zu Placebo und einem Referenzopiat weisen auf eine ähnliche Wirksamkeit wie Oxycodon bei etwas besserer gastrointestinaler Verträglichkeit hin. Das Nebenwirkungsspektrum entspricht im Übrigen dem starker Opioide; darüber hinaus sind Wechselwirkungen mit Serotonin-Wiederaufnahmehemmern und Monoaminoxidasehemmern zu berücksichtigen. Langzeitdaten zu Wirksamkeit und Sicherheit fehlen. Es besteht ein Abhängigkeits- und Missbrauchspotenzial, das Arzneimittel unterliegt anders als Tramadol der Betäubungsmit-telverordnung. Eine nachhaltige therapeutische Verbesserung durch den neuen, teuren Wirkstoff ist daher derzeit nicht zu erkennen.

In Schottland wird das Arzneimittel nach einer Bewertung nur bei Patienten mit unzureichender Schmerzkontrolle oder Unverträglichkeit von Morphin übernommen (10). Auffällig ist, dass der Hersteller retardiertes Tapentadol in Schottland zum Preis von generischem Oxycodon anbietet. Dagegen wird der gleiche Wirkstoff in Deutschland zu über 250 % höheren Kosten vertrieben. Der Arzneiverordnungsreport stuft das Arzneimittel zur Zeit als Analog-präparat nach der Klassifikation von Fricke mit keinen oder nur marginalen Unterschieden zu bereits eingeführten Präparaten ein (2, S. 95-98). Das arznei-telegramm® sieht derzeit keine Indikation (11).

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Schwach wirksame Opioide werden in der Regel dann eingesetzt, wenn mit Nicht-Opioid-Analgetika ± Koanalgetika keine ausreichende Schmerzreduktion erreicht wird. Sie sollen in der Regel mit diesen kombiniert werden.

Hauptindikationsgebiet sind mittelstarke Schmerzen tumor- und nicht-tumorbedingt. In Deutschland sind mit einer zur Langzeittherapie geeigneten retardierten Darreichungsform die Wirkstoffe Tramadol, Tilidin/Naloxon und Dihy-drocodein verfügbar.

ATC-Code Wirkstoff DDD-Kosten

N02AA08 Dihydrocodein 3,08 €

N02AX02 Tramadol 1,03 €

N02AX51 Tilidin/Naloxon 1,15 €

Aufgrund des Missbrauchspotenzials wurde in der Vergangenheit immer wieder darüber diskutiert, Tilidin/Naloxon der BtMVV zu unterstellen.

Nach einer Mitteilung des BfArM vom 5.12.2011 hat der Sachverständigenausschuss für Betäubungsmit-tel auf Grundlage einer systematischen Auswertung von Daten zum Missbrauchs- und Abhängigkeitspo-tenzial empfohlen, schnell freisetzende Darreichungsformen von Tilidin/Naloxon, für die ein erhöhtes Missbrauchspotenzial gefunden wurde (v. a. Tropfen), zukünftig der BtMVV zu unterstellen, während retardierte Zubereitungen und Tramadol-Präparate generell hiervon weiterhin nicht betroffen sind.

Nach Einschätzung der Fachgesellschaften wird dies die Versorgung Schmerzkranker nicht verschlech-tern, denn langwirksame Darreichungsformen sind ausdrücklich ausgenommen (8).

Eindeutige Vorteile eines bestimmten Wirkstoffes sind bislang nicht zuverlässig belegt. Der Einsatz nichtretardierter Darreichungsformen ist außer gegebenenfalls für Durchbruchsschmerzen allenfalls zu Beginn einer Behandlung indi-ziert und sollte nach wenigen Tagen beendet werden. Die häufige Verordnung von Tropfen fördert den Missbrauch. Die empfohlenen Tageshöchstdosen sollten wegen fehlender analgetischer Zusatzwirkung bei erhöhtem Nebenwir-kungspotenzial nicht überschritten werden. Bei nicht ausreichend therapierbarer oder (absehbar) progredienter Schmerzsymptomatik sollte frühzeitig auf stark wirksame Opioide, bevorzugt Morphin (WHO-Stufe 3), gewechselt werden. Im Einzelfall kann es angebracht sein, die Stufe 2 WHO zu überspringen. Eine Kombination schwach wirksa-mer mit stark wirksamen Opioiden ist nicht sinnvoll.(1; 2, S. 269ff; 3, S. 240ff; 4; 5).

Die Kombination Tilidin/Naloxon kann zwar ähnlich wie stark wirkende Opioide für die Bekämpfung schwerer Schmer-zen verwendet werden, die unter der Betäubungsmittelverschreibungspflicht (BtMVV) stehen (2, S. 271). Die Daten-lage bei Tumorpatienten ist aber unbefriedigend (8). Auch bei nicht-tumorbedingten Schmerzen ist die Wirksamkeit nicht gut belegt und Tilidin/Naloxon wird in der S3-Leitlinie LONTS nicht aufgeführt (6). Das arznei-telegramm® bezeichnet es als Variante ohne besonderen Stellenwert (4).

Bei den schwach wirksamen Opioiden nahmen im Jahr 2010 in Deutschland die Verordnungen (- 3 %) und Kosten (- 3 %) für Tramadol und Dihydrocodein (- 8,4 %) ab, während die Kombination Tilidin/Naloxon verstärkt verordnet (+ 15 %) wird (2 AVR 2011, S. 271). Tilidin/Naloxon und Tramadol sind die am häufigsten verordneten Opioide in Deutschland. Dieser Stellenwert lässt sich nach Ansicht des arznei-telegramm® mit der Nutzen-Schaden-Bilanz der Wirkstoffe nicht begründen (4).

IV.SchwachwirksameOpioide

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Literaturverzeichnis

(1) Arzneimittelbrief (AMB) 45 (2011), S. 65 — 69(2) Arzneiverordnungsreport (AVR) 2011, Hrsg. Schwabe u. Paffrath(3) AkdÄ (Hrsg.): Arzneiverordnungen, 22. Auflage 2010(4) Arzneimittelkursbuch-Datenbank 2011, Abfrage Dezember 2011/Januar 2012(5) Arzneiverordnung in der Praxis (AVP): Tumorschmerzen; Therapieempfehlungen der Arzneimittel- kommission der deutschen Ärzteschaft, 3. Auflage 2007, http://www.akdae.de/Arzneimittelthera- pie/TE/Archiv/Tumorschmerzen.pdf(6) S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes (DGSS) und Fachgesellschaf- ten: Langzeitanwendung von Opioiden bei nicht-tumorbedingten Schmerzen (LONTS), Stand 6/2009(7) arznei-telegramm® 2010, Jg. 41, Nr. 5, S. 51(8) DGSS Pressemitteilung, 20.12.2011: Schmerzmittelmissbrauch wird zukünftig erschwert. Medizini- sche Fachgesellschaften begrüßen die Empfehlung zur BTM-Rezeptpflicht für kurz wirksames Opioid; http://www.dgss.org/index.php?id=723&tx_ttnews%5Btt_news%5D=417&tx_ttnews%5BbackPid%5D= 726&cHash=d14b286854165027923f51999386a4c6 (9) Fachinformation Palexia® retard Retardtabletten (Stand 8/2010)(10) Scottish Medicines Consortium: Resubmission Tapentadol, 50, 100, 150, 200 and 250 mg prolonged- release tablets (published 13.6.2011) http://www.scottishmedicines.org.uk/SMC_Advice/Advice/654_10_tapentadol_SR_Palexia/ Briefing_note_tapentadol_Palexia_SR_RESUBMISISON[11.10.2011(11) arznei-telegramm® 41 (2010), S. 103 — 104

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