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523 | DEZEMBER 2015 Monatszeitschrift der Christlichen Ostmission Moldawien Die Herausforderung annehmen | Kuhbank Der Armut entkommen, dank einer Kuh | Frauen- und Kinderhandel Verkauft, um zu töten DER ARMUT ENTKOMMEN, DANK EINER KUH

Ostvision - Dezember 2015

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Page 1: Ostvision - Dezember 2015

523 | DEZEMBER 2015 Monatszeitschrift der Christlichen Ostmission

Moldawien Die Herausforderung annehmen | Kuhbank Der Armut entkommen, dank einer Kuh | Frauen- und Kinderhandel Verkauft, um zu töten

DER ARMUT ENTKOMMEN,

DANK EINER KUH

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ostvision

wird monatlich herausgegeben von der CHRISTLICHEN OSTMISSION (COM), Worb

Nr. 523: Dezember 2015Jahresabonnement: CHF 15.–

Redaktion: Georges Dubi

Adresse: Christliche Ostmission Bodengasse 14 3076 Worb BETelefon: 031 838 12 12Fax: 031 839 63 44E-Mail: [email protected]: www.ostmission.ch

Postkonto: 30-6880-4Bankkonto: Spar + Leihkasse Münsingen, 16 0.264.720.06

Kontrolle der Bücher: Unico Treuhand AG, Burgdorf

Spenden sind in allen Kantonen steuer-abzugsberechtigt. Nähere Auskünfte er teilt unser Sekretariat. Gehen für ein Projekt mehr Spenden als benötigt ein, werden diese für ähnliche Zwecke ein gesetzt.

Bildquelle: COMWenn nicht anders vermerkt, haben die abgebildeten Personen keinen Zusam-menhang mit den erwähnten Beispielen.

Gestaltung: Thomas Martin

Druck: Stämpfli AG, Bern

Papier: Das Magazin ist auf chlorfrei gebleichtem und FSC-zertifiziertem Papier gedruckt.

Geschäftsleitung:Georges Dubi, MissionsleiterGallus Tannheimer

Stiftungsrat:Mario Brühlmann, Orpund, PräsidentPfr. Thomas Hurni, Leutwil, VizepräsidentLilo Hadorn, SelzachPfr. Matthias Schüürmann, ReitnauChristian Bock, Seedorf Thomas Haller, LangenthalPfr. Jürg Maurer, Hirschthal

Beauftragter des Stiftungsrates:Günther Baumann

Die Christliche Ostmission hat den Ehrenkodex unter zeichnet. Das Gütesiegel verpflichtet die Unterzeichner zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Ihrer Spende.

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editorial

ostvision dezember 2015

Mario Brühlmann Präsident

Liebe Leserin, lieber Leser

Heute habe ich für ein paar Stunden das viele Elend, worüber wir in der Zeitschrift Ostvision immer wieder berichten müs-sen, vergessen. Ein Kurzurlaub mit meiner Frau im Berner Oberland hat das möglich gemacht. Schon der Name unseres Hotels war vielversprechend: Hotel Eden. Eine Fahrt mit zwei Elektrofahrrädern durch das herbstliche Oberland versetzte uns in eine unvorstellbar schöne, heile Welt. Bei stahl-blauem Himmel leuchteten die braunen, gelben und roten Herbstblätter wie Edel-steine im Sonnenlicht. Die saftig grünen Wiesen, die mit Blumen geschmückten Bauernhäuser und die idyllischen Bächlein entlang unserer Route verzauberten und begeisterten uns und liessen uns staunen. Könnte so das Paradies aussehen? Oder noch schöner?

Gott hat uns an diesem Tag einen winzig kleinen Einblick in seine herrliche Schöp-fungskraft gegeben. Manchmal tut es gut, uns durch solche Gedanken trösten und stärken zu lassen. Schon im Buch Jesaia lesen wir, wie Gott sein Volk tröstete, als es sich in grosser (selbst verschuldeter) Not befand. Gott ist der einzige, der sol-che Hoffnung zusprechen kann. Der Gar-ten Eden war Realität. Das Paradies ist Realität. Gott hat es für Menschen ge-schaffen, die ihn ehrlich suchen und das Rettungsangebot von Jesu Christus an-nehmen.

Gedanken über die Kraft Gottes, die al-les verändert, über die Schönheit seiner Werke, über die Liebe zu seinen Geschöp-fen und über seine Trauer über die gefal-lene Welt schenken Trost und Zuversicht – gerade in Zeiten voller Leid und Hoffnungs-losigkeit.

Mit Ihrer treuen Unterstützung tun wir als Christliche Ostmission alles, was in unse-rer Macht steht, um vielen Menschen in Not zu helfen. In dieser Zeitschrift lesen Sie, wie wir helfen und was die Hilfe bei den Be-troffenen bewirkt. Als Christen können wir aber viel mehr, als materielle Hilfe bieten. Jesus Christus lädt ein zu einem erfüllten, ewigen Leben. In seiner Gemeinschaft. Im Paradies – einem Ort, wo Freude und Ju-bel erschallen. In der Gemeinschaft mit ihm haben wir Anteil an seinem Wirken schon auf dieser Erde. In dunklen und hellen Ta-gen. Das ist die wahrhaftige Weihnachts-botschaft.

In Christus verbunden,

Seid gewiss: Der Herr tröstet die Zionsstadt, aus den Trümmern lässt er sie neu erstehen. Das verwüstete Land macht er zu einem Paradies; es wird blühen und fruchtbar sein wie der Garten Eden. Freude und Jubel werden dort erschallen und ihr werdet eurem Gott Danklieder singen. Jesaja 51,3

Der Traum vom Paradies

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persönlich

MENSCHEN unterwegs mit uns

Zwei Jahre später wurde klar, dass ich eine theologische Ausbildung machen sollte. Zum Studium zog ich nach Chisinau. Meine erste Arbeit nach dem Abschluss bestand darin, Jugendliche über Themen wie Menschen-handel und Sucht aufzuklären. Im Kontakt mit Oberstufenschülern, Lehrpersonen und Eltern hatte ich unzählige Möglichkeiten, Wege zu einem gelingenden Leben aufzuzei-gen.

Im Lauf der Zeit bekam ich den Eindruck, dass mein Weg weiterführen würde. So sah ich meine Wahl zum Geschäftsführer von «Wir Kinder von Moldawien» als Bestäti-gung. Ich leide mit meinem Land angesichts der Situation der Kinder in den Dörfern. Ge-rade die Schwächsten sind stark gefährdet, durch Sucht oder verführerische Arbeitsan-gebote noch weiter ins Elend zu fallen.

Ich bin begeistert über die Möglichkeit, ih-nen mit dem neuen Projekt eine Hand ent-gegenstrecken und entscheidende Impulse geben zu können, damit sich ihr Leben zum Besseren wendet. Und ich freue mich da-rauf, lokale Kirchen zu motivieren und zu schulen, damit sie Tagesstrukturen für ge-fährdete Kinder aufbauen und sie altersge-recht betreuen können. Dort sollen die Kin-der nicht nur gesundes Essen, sondern eine Stärkung fürs Leben erhalten. Jesus’ Ermuti-gung, dass jenen, die an ihn glauben, nichts unmöglich ist, motiviert mich immer wieder. Das möchte ich den Kindern gerne weiterge-ben.

Mitten in den Zusammenbruch der Sowjet-union hinein wurde ich 1991 im Norden von Moldawien geboren. Meine Eltern wollten mir eine bessere Zukunft ermöglichen und arbeiteten deshalb in Russland. Ich wuchs bei den Grosseltern auf, meine Eltern sah ich nur etwa einmal im Jahr. Als ich elf war, starb mein Vater. Schon vorher hatte ich un-ter der Situation gelitten, nun sank mein Selbstwertgefühl noch tiefer. Ich traute mir nichts mehr zu.

Erst als Jugendlicher lernte ich bei uns im Dorf Christen kennen. Die christliche Ju-gendgruppe wurde für mich zum Famili-enersatz, ich lernte dort viel übers Leben. Nach einem Unfall entschied ich mich für ein Leben mit Gott. Darauf vertiefte ich den Kontakt zur christlichen Gemeinde und in-vestierte meine Freizeit in Gemeindeaktivi-täten: Ich half in Kinderlagern mit und en-gagierte mich in der Jugendgruppe. Nach ei-niger Zeit wurde ich deren Leiter. Gefördert durch den Pfarrer begann ich auch zu pre-digen.

Mihail Chisari

«Ich leide mit meinem Land angesichts der Situation der Kinder in den Dörfern.»

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DIE HERAUSFORDERUNG ANNEHMEN

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WIR KINDER VON MOLDAWIEN

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In Moldawien gibt es 250 000 Sozial­waisen. Es sind verwahrloste Kinder, die nicht genug zu essen und wenig zum Anziehen haben. Ihre Lebens­umstände sind schrecklich, ihre Zu­kunft hoffnungslos. Dies zu ändern, ist das Ziel des Projekts «Wir Kinder von Moldawien».

Im ärmsten Land Europas gibt es vor allem in ländlichen Gebieten kaum Arbeit. Wer eine Stelle hat, wird sehr schlecht bezahlt. Zwei von fünf Erwachsenen im erwerbsfähi-gen Alter haben das Land verlassen, die Men-schen werden immer ärmer. Elend und Alko-hol prägen die Gesellschaft. Darunter leiden vor allem die Kinder: Viele wachsen schutz-los und auf sich alleine gestellt auf.

Es gibt eine ChanceIst es möglich, das Schicksal dieser Kinder zum Guten zu wenden? Die Aufgabe ist riesig und nach menschlichem Ermessen nicht zu bewältigen. Doch gerade hier liegt die grosse Chance. Wenn wir ganz auf Gott vertrauen und alle Kräfte mobilisieren, kann das Pro-jekt gelingen. Gefragt sind die lokalen Kirch-gemeinden, die den Kindern ihre Türen öff-nen und ihnen einen sicheren Ort bieten, wo sie sich aufhalten können, ein Mittagessen und Zuwendung erhalten. Ebenso wichtig sind Christen aus dem Westen, die das Pro-jekt mit Gebeten und Gaben begleiten und unterstützen. «Wir Kinder von Moldawien» schafft keine einseitigen Abhängigkeiten. Das Projekt gelingt, wenn alle gemeinsam einen aussergewöhnlichen Einsatz leisten. Es ist eine grosse Chance für die 250 000 Sozial-waisen, für die moldawische Kirche und die moldawische Gesellschaft.

Sascha und seine BrüderSaschas Mutter Lora interessiert sich nicht für ihre drei Kinder. Sie war erst 16, als Sa-scha geboren wurde. Wer die Väter ihrer Kin-der sind, weiss sie nicht. Alkohol und Männer sind Loras Lebensinhalt.

Georges DubiMissionsleiter

Sascha und seinen Brüdern geht es sehr schlecht. Sie bekommen nicht genug zu es-sen, sind ungepflegt, haben kaum Kleider und Schuhe. Während eines Schulfestes, als alle Kinder fröhlich und glücklich waren, fiel Sascha in Ohnmacht. Die Ambulanz brachte ihn ins Krankenhaus, wo er einige Tage blei-ben musste. Was war los? Sascha hatte zwei Tage nichts zu essen bekommen.

Als ihm kürzlich ein Paket mit Brötchen und Süssigkeiten angeboten wurde, erschrak er und fing an zu weinen. Seine Mutter werde fragen, woher es komme und warum er es angenommen habe, erklärte er. Sie werde ihn beschimpfen oder sogar schlagen. Sascha rannte ohne das Paket weg.

Sascha ist einer von 250 000 Sozialwaisen in Moldawien. Wie geht es mit ihm weiter? Welche Zukunft erwartet ihn? Gemeinsam mit Missionsfreunden aus der Schweiz und Kirchgemeinden aus Moldawien setzen wir uns dafür ein, dass Sascha und die anderen verwahrlosten Kinder Moldawiens ein besse-res Leben und eine hoffnungsvolle Zukunft haben.

Wenn wir Christen nichts tun, wer dann?

Lokale Kirchgemeinden bieten vernach- lässigten Kindern einen geschützten Ort.

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WIR BAUEN AUF durch Bildung und Gewerbeförderung

DER ARMUT ENTKOMMEN, DANK EINER KUH

Erstaunlich: Dank dem Kuhbank­projekt bauen Menschen existenz­sichernde Betriebe auf und entkom­men der Armut. Noch erstaunlicher: Nach nur fünf Jahren ist die jewei­lige Kuhbank selbsttragend und ver­ändert ganze Dörfer und Regionen.

Nguyen Thi Lieu lebt in Long Nghe. 1992, als 22-Jährige, wurde sie verheiratet. Danach lebte sie mit ihrem Mann in einem einfa-chen, baufälligen Haus. Schon bald erblick-ten ihre zwei Kinder das Licht der Welt. Das Paar arbeitete hart, um den Lebensunterhalt der Familie zu bestreiten. Dann schlug das Schicksal zu: Nguyen Thi Lieus Mann starb an Lungenkrebs, nur drei Jahre nach ihrer

Georges DubiMissionsleiter

KUHBANK, VIETNAM

Nguyen Thi Lieu konnte dank der Kuhbank eine existenzsichernde Zukunft aufbauen.

Hochzeit. Zur Trauer um ihren Mann kam die Last, alleine für die beiden Kinder sorgen zu müssen.

Trauer und Existenzangst Die Witwe tat alles, um ihre Kinder durchzu-bringen und gut zu erziehen. Sie arbeitete in ihrer kleinen Landwirtschaft und verdiente zusätzliches Geld als Tagelöhnerin. Die Kin-der halfen fleissig mit. Doch es reichte nur ge-rade zum Überleben. Samen, Setzlinge und Dünger zu kaufen, lag nicht drin. So wurde das Einkommen immer spärlicher.

2010 wurde Nguyen Thi Lieu ins Kuhbank-projekt der Mission aufgenommen. Dies hat das Leben der Familie grundlegend verän-

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Nguyen Thi Lieus neues Haus

dert. Innert fünf Jahren ist aus einer kleinen Landwirtschaft ein Betrieb geworden, von dem die Familie gut leben kann und der den Kindern auch später eine Existenz ermög-licht. Die Bäuerin erzählt:

«Ich bin sehr glücklich, Nutzniesserin des Projekts zu sein. Die Kuh von der Kuhbank hat mir ermöglicht, Hühner und Schweine zu kaufen und mit dem Anbau von Kartoffeln, Zwiebeln und Gemüse zu beginnen. Drei Käl-ber hat die Kuh bis jetzt geboren. Wie verein-bart ging das erste Kalb an die Kuhbank. Die beiden anderen konnte ich verkaufen. Nach nur fünf Jahren harter Arbeit hatte ich genug Geld, um ein neues Haus zu bauen.»

Von der Liste der armen Haushalte gestrichenDie Unterstützung, die das Projekt bietet, ist vielfältig: Sie beginnt mit einer Kuh, umfasst aber auch Ausbildung, Beratung und Darle-hen. Menschen bekommen Kapital – und sie

lernen, dieses effizient einzusetzen. Nguyen Thi Lieu hat davon Gebrauch gemacht und in die Schweine- und Hühnerzucht sowie in den Gemüseanbau investiert. Ihre Anstrengun-gen wurden belohnt: Seit letztem Jahr ist sie schuldenfrei. Heute ist sie Teil des Produk-tionsteams, das andere Betriebe berät und ihnen hilft, ebenfalls eine existenzsichernde Zukunft aufzubauen. Dass die Gemeinde sie von der Liste der armen Haushalte der Ge-meinde gestrichen hat, macht Nguyen Thi Lieu besonders stolz.

500 Franken Startkapital für die Kuh- bank – in Form von Spenden aus der Schweiz – ist nötig, um eine Familie ins Projekt aufzunehmen.

Die Familie bekommt eine Kuh sowie Schulung und Beratung in der Vieh-haltung und beim Ausbau ihres Bauern-betriebs.

Das erste weibliche Kalb, das die Kuh gebärt, geht an die Kuhbank. Damit wird diese weitergeführt und ausgebaut: Laufend erhalten weitere Bauernfamilien, die sich bei den Einführungskursen als geeignet erweisen, eine Kuh.

Das Projekt schafft keine Abhängigkeiten! Nach rund fünf Jahren ist eine Kuhbank selbständig, die Dorfbewohner können sie ohne finanzielle Hilfe der Mission weiter-führen. Bauern werden in Produktionsteams ausgebildet, damit sie die Schulungen und Beratungen ohne die Mission durchführen können.

So funktioniert die Kuhbank:

Kuhbank

Kuhbank

Kuhbank

500.–

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WIR SCHÜTZEN vor Frauen- und Kinderhandel

Blick in eine ungewisse Zukunft

VERKAUFT, UM ZU TÖTEN

Was sind das bloss für Menschen, die Selbstmordattentate verüben? Wir vermuten böse Fanatiker. In Wahr­heit sind darunter auch Kinder, die zu dieser Tat gezwungen wurden. Die Geschichte des 14­jährigen Mustafa zeigt, zu welcher Grausamkeit Men­schenhändler fähig sind.

Dass Opfer von Menschenhändlern sexuell ausgebeutet, zu Zwangsarbeit oder zum Bet-teln gezwungen werden, sehen wir in un-seren Projekten immer wieder. Durch den 14-jährigen Mustafa* werden wir zum ers-ten Mal mit einer weiteren Form der Ausbeu-tung konfrontiert: Kinder und Jugendliche werden entführt, verkauft und gezwungen, Selbstmordattentate zu verüben. Wer einmal in der Falle sitzt, hat kaum eine Chance zu entkommen, wie Mustafas Geschichte zeigt.

«Ich komme aus einer Grossfamilie. Mein älterer Bruder starb vor zwei Jahren bei ei-nem Selbstmordattentat. Er war verlobt ge-wesen, also war es dann an mir, seine Ver-

Beatrice KäufelerProjektleiterin

AFGHANISTAN

lobte zu heiraten. Ich ging damals noch zur Schule. Eines Tages lud mich ein Schulkol-lege zu einem Ausflug nach Pakistan ein. ‹Pa-kistan ist ein so sauberes Land, da gibt es kei-nen Dreck!›, schwärmte der 16-Jährige. Er müsse dort ein Darlehen zurückzahlen, da-nach würden wir Sehenswürdigkeiten an-schauen und am nächsten Tag heimfahren. Ich war einverstanden. So ging ich mit ihm und verbrachte eine Nacht in Pakistan. Am anderen Morgen fuhr ein Auto vor. Mein Kollege sagte, ich solle einsteigen, es werde mich nach Hause bringen.

In der FalleIm Auto sassen Erwachsene mit vermumm-tem Gesicht und mit Waffen. Sie brachten mich nicht nach Afghanistan, sondern in eine Religionsschule. Dort schien man schon auf

«Ich hörte ihr Heulen und Weinen.»

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Blick in eine ungewisse Zukunft

mich zu warten. Die bewaffneten Männer übergaben mich und erhielten im Gegenzug einen Umschlag in die Hand gedrückt. Dann verschwanden sie.

Vier Monate lang wurde ich in der Schule festgehalten. Ich erhielt keinen Islamunter-richt, sondern musste mit anderen Jungs Filme über Selbstmordanschläge der Taliban anschauen. ‹Wer ein solches Attentat verübt, kommt direkt ins Paradies›, sagten uns un-sere Bewacher.

Ich wurde in einem Raum mit sieben an-deren Jungs festgehalten, drei davon wa-ren aus meiner Provinz. Doch es hatte noch mehr Jungs. Ich konnte sie nicht sehen, aber ich hörte ihr Heulen und Weinen. Abends nach dem Essen mussten wir ein Medika-ment schlucken. Was danach geschah, weiss ich nicht. Ich weiss nur, dass ich immer sehr schläfrig wurde. Einmal kamen Männer he-rein und nahmen einen Jungen mit. Sie sag-ten, jetzt sei er an der Reihe, ein Selbstmord-attentat zu begehen. Sie verabreichten ihm

eine Spritze, die eine euphorisierende Wir-kung hatte. Dadurch war er zum Attentat bereit.

Ich war der NächsteEines Tages war es an mir. Sie führten mich an den Ort, wo ich eine Bombe zünden sollte. Obschon ich von Stacheldraht umgeben war, flüchtete ich. Ich verletzte mich am Bein, aber die Flucht gelang! Ich verkaufte mein Handy und mit dem bisschen Geld schaffte ich es zurück nach Afghanistan.

Aus Angst vor meinem Vater ging ich nicht nach Hause. Er ist ein sehr einflussreicher und aggressiver Mann. Ich fuhr stattdessen zu einem Onkel, der einen positiven Einfluss auf meinen Vater hat. Nach einigen Wochen holte mich meine Mutter dort ab. Unterwegs machten wir Halt bei meiner Schwester. Wir wollten dort die Nacht verbringen. Doch nicht lange nach unserer Ankunft tauchte der Geheimdienst auf und verhaftete mich. Die Beamten brachten mich in ihr Büro und nach vier Tagen in eine andere Stadt. Ich wurde mehrmals verhört und auch geschla-gen. Sie zwangen mich zu sagen, dass es der Wille meines Vaters gewesen sei, mich nach Pakistan in eine Religionsschule zu schi-cken. Schliesslich brachten sie mich in die-ses Schutzhaus.

Ungewisse ZukunftIch weiss nicht, wie lange ich hier bleibe. Vermutlich weiss meine Familie nicht, wo ich bin. Ich möchte nach Hause und wieder zur Schule gehen. Aber ich fürchte mich. Ich habe Angst, dass mein Vater mich umbringen könnte. Und ich habe Angst vor den Reaktio-nen meiner Schulkameraden.»

Mustafa wird im Schutzhaus betreut. Er ist traumatisiert und braucht psychologische Unterstützung. Seine Zukunft ist ungewiss. Unsere lokalen Mitarbeiter besprechen mit ihm die weiteren Schritte und Optionen. Es ist nicht sicher, dass er in absehbarer Zeit zu seiner Familie oder Verwandten zurückkeh-ren kann, ohne gefährdet zu sein.

*Der Name wurde zum Schutz des Betroffenen geändert.

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Ihre Verbundenheit, Ihre Gebete und Ihre Gaben bewirken, dass sich manch trauriges Schicksal zum Guten wendet.

Menschen in Not bekommen praktische, konkrete Hilfe. Die Hilfe lindert nicht nur die materielle Not. Dass jemand sie wahrnimmt und ihnen hilft, lässt verzweifelte Men-schen Mut und Hoffnung schöpfen. Dadurch gelingt es vielen, Tritt zu fassen, sich eine neue Existenz aufzubauen und der Armut zu entrinnen. So werden sie fähig, sich an-deren Bedürftigen zuzuwenden und diese auf dem schwierigen Weg aus der Armut zu begleiten.

Im Namen der vielen Begünstigten danken wir Ihnen herzlich für Ihre gros se Treue, Verbundenheit und Hilfe.

Galina Melenti

Leiterin Kinder- und Jugendarbeit sowie SommerlagerMoldawien

Ilie Coada

Pastor und Leiter des Vereins BethaniaMoldawien

Vuong Tri Lam

Direktor, Tung Lam Production & Trading CompanyVietnam

Dmitrij Matiuchin

Hilfszentrum SaporoschjeUkraine

«Mich beeindruckt die Beständigkeit und die Vielfalt der Hilfeleistungen der Christlichen Ostmission. Besonders schön ist, dass Kinder eine Chance auf ein besseres Leben bekommen. Ich sehe echte Veränderung! Herzlichen Dank!

Die COM erlaubt uns, Menschen in grosser Not in besonders kritischen Momenten wirksam zu helfen. Dafür danke ich Ihnen allen herzlich!»

«Wir danken allen Spendern herzlich für die Unterstützung. Es berührt uns sehr, dass so viele Menschen ihr Herz öffnen für die Nöte und Schwierigkeiten der moldawischen Kinder. Vielen herzlichen Dank! Eure Unterstützung bringt Hoffnung und Licht in manch dunkle Situation. Wir arbeiten sehr gerne mit der COM zusammen, ohne sie wäre vieles nicht möglich.»

«Die Schulungen haben uns regelrecht aufgeweckt. Wir haben unsere Stärken, aber auch unsere Schwächen erkannt. In der Folge haben wir im Unternehmen mehrere mutige und einschneidende Änderungen vorgenommen. Das hat uns verändert und unserer Firma Selbstbewusstsein gegeben. Heute sind wir stolz auf unsere Produktion und auf das, was wir erreicht haben.»

«Die vielen Vertriebenen in der Ostukraine brauchen jetzt und heute unsere Hilfe. Herzlichen Dank, dass Sie uns helfen, das zu tun, was wir tun können: Essen, Kleidung und Trost weitergeben.»

DANKE!

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Liebevoll gezeichnet von Kindern aus der Ukraine. Frohe Feiertage!

Nguyen Duy Phuong

Direktor, Thai Duong Joint Stock CompanyVietnam

Isaac Ambrose

Beauftragter für soziale Entwicklung, GEMSIndien

«Das Wissen der Schweizer Trainer ist entscheidend für uns. Als kleiner Familienbetrieb wussten wir früher nicht viel über Management und hatten grosse Mühe, die Firma zu führen. Hier halfen uns die Schweizer Trainer und so haben wir uns weiterentwickeln können. Dafür sind wir sehr dankbar.»

«In unserer Gegend ist der Menschenhandel eine grosse Gefahr. Dank der Hilfe der COM können wir gefährdete Kinder in ihrer schulischen und persönlichen Entwicklung fördern. In Familien, die von Prostitution leben, sind Gebetsgruppen entstanden. Einige Mütter wollen aussteigen, sie haben sich den Selbsthilfegruppen angeschlossen. Die Dörfer entwickeln sich. Ohne Hilfe aus der Schweiz wäre das alles nicht möglich. Wir sind sehr dankbar, dass die COM uns in diesem Prozess begleitet und unterstützt.»

Danke!Danke!

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weihnachtsgeschichte

Es begab sich aber zu der Zeit, als Katja zwölf war, dass sie zum ersten Mal an einem Kinderlager teil-nahm. Ihre Eltern arbeiteten beide und hatten wenig Zeit für sie und ihren Bruder. Katja war sehr eigenwil-lig und selbständig für ihr Alter. Trotzdem fügte sie sich gut in den Lageralltag ein.

Im Jahr darauf wurde Katja wieder ins Lager eingela-den, doch der 13-Jährigen war anderes wichtiger. «Ich hatte viele Freunde und war fast jeden Abend im Aus-gang», erinnert sie sich. Doch es waren keine richti-gen Freunde, denn sie rissen Katja in den Abgrund. Sie hatte viele Jungs, immer wieder andere, und alle wa-ren mindestens fünf Jahre älter als sie.

Als Katja fast fünfzehn war, bekam sie wieder eine Einladung ins Lager. Inzwischen hatte sie genug von ihrem schmutzigen und unsteten Leben. Sie sagte zu, denn sie dachte, es könne nicht schaden, einmal et-was anderes zu erleben. Dem Lagerteam fiel auf, dass Katja zerstreut und irgendwie abwesend wirkte. Sie war immer stark geschminkt und sah gar nicht aus wie ein 15-jähriges Mädchen, sondern wie eine Frau, die viel Schlimmes erlebt hat. Das Team machte sich grosse Sorgen und versuchte, Katjas Vertrauen zu ge-winnen und an sie heranzukommen. Sie wehrte alle Annäherungsversuche ab.

Doch Katja beobachtete und nahm wahr, was um sie herum vor sich ging: «Ich spürte, dass die Menschen hier etwas hatten, was ich nicht besass, von dem ich Welten entfernt war. Hier im Lager schien mir alles hell. Im Vergleich dazu kam mir mein Leben trüb, hoffnungslos und sinnlos vor.»

«Dieser Tag hat mein Leben endgültig verändert.»

Katja

Am letzten Lagertag gab ihr jemand vom Leiterteam eine Karte. Darauf stand, dass sie in Gottes Augen ein besonderer Mensch sei, und dass er einen Plan für sie habe. Diese Botschaft drang zu Katja durch. «Ich musste die ganze Nacht weinen, ich wollte nicht zu-rück in mein altes Leben.»

Als Katja nach Hause kam, ging sie nicht mehr in die Diskothek und verabredete sich nicht mehr mit den Jungs. Sie hatte einfach keine Lust mehr dazu. Etwa nach einem Monat räumte sie ihr Büchergestell auf und fand ein Neues Testament. Es war einmal in der Schule verteilt worden. Was sie da las, war genau das, was sie gesucht hatte!

In jener Zeit wurde Katja in einen Gottesdienst einge-laden. Sie ging hin und begegnete Leuten aus dem La-gerteam. Jetzt erzählte sie ihnen, wie es ihr ging, und sie boten an, mit ihr zu beten. «Dieser Tag hat mein Le-ben endgültig verändert», erzählt Katja. Danach ging sie regelmässig zum Gottesdienst. Zwei Jahre später wurde sie getauft und als Mitglied der Gemeinde auf-genommen. «Ich habe erlebt, wie Gott mich verändert hat. Ich freue mich an meinem Leben und auf meine Zukunft, denn ich weiss, Gott hat einen guten Plan für mich.»

Katja ist heute in der Ausbildung zur Kindergärtne-rin. In ihrer Gemeinde ist sie sehr aktiv, macht in der Sonntagsschule und in der Jugendarbeit mit. Zudem ist sie begeisterte Gruppenleiterin in Sommerlagern. Katja ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie Gott echte Veränderung schenkt.