131
Paracelsus Das Buch Paragranum Aus Theophrast Paracelsus: Werke. Herausgegeben von Will-Erich Peukert. Bd. 1-5, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965.

Paracelsus - Paragranum

  • Upload
    neildmd

  • View
    75

  • Download
    3

Embed Size (px)

DESCRIPTION

Paracelsus - Paragranum

Citation preview

Page 1: Paracelsus - Paragranum

Paracelsus

Das Buch Paragranum

Aus

Theophrast Paracelsus: Werke.Herausgegeben von Will-Erich Peukert. Bd. 1-5,Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft

1965.

Page 2: Paracelsus - Paragranum

2Paracelsus: Das Buch Paragranum

Vorrede durch Doctorem Theophrastum

Nachdem ich aus erzwungner Not etliche Bücher inder Arznei, nämlich von den pustulius das ist Franzo-sen, habe ausgehen lassen, ist mir das zu Argem aus-gelegt worden, das ich mit höchstem Fleiß und größ-ter Erfahrenheit geschrieben und eröffnet, und Nutzund Guts der Kranken betrachtet habe, - aus welchemSchreiben mir eine Ursache gegeben worden ist, denBetrug und die Irrung derer, die hierin nichts verstan-den haben noch können und doch alle andere hierinverachten wollen, anzuzeigen.

Nun hab ich geschrieben, (was sie zu viel heißen,heiß ich zu wenig), vom Holz (Guayako) und die dreiBücher der Imposturen (das sind eitrige Beulen), oderVerfälschungen; worüber ich wohl mit guter Wahrheithätte ein länger Buch machen können, das habe ich inKürze gefaßt, das meiste und viele Schande, der Dok-toren Torheit und Einfalt, auch der Meister, zu ver-meiden. So ich das nun kurz abgemacht habe, klagensie, es sei zu wenig, niemand könne es verstehen.Wenn es nun zu wenig ist, so werde ich gezwungenmehr zu schreiben, und längere Bücher zu machen,weil sie beichten, ich schriebe viel zu wenig. Ich er-achte, sie wollen, daß ihre Torheit und Gelehrtheit garan den Tag komme; - dazu will ich ihnen verhelfen.

Page 3: Paracelsus - Paragranum

3Paracelsus: Das Buch Paragranum

Wiewohl sie zu verstehen geben, um mit der Wahr-heit an den Tag zu kommen, es sei betreffs ihrerFrommheit, Gelehrtheit und Kunst genug geschrieben,allein meiner Lehr wollen sie mehr Unterricht, - eskann aber keins vom andern geschieden werden, son-dern sie müssen beide mit einander vorgenommenwerden, auf daß nit eins allein, sondern beide garwohl verstanden werden, - wiewohl ihre Meinung al-lein auf das eine gerichtet ist und auf das andere nit.

Daß sie es mir verargen, daß ich schreibe, ge-schieht aus ihrem Unverstand, denn ich habe, wiemeine Schriften beweisen, nichts außerhalb des Grun-des und der Erfahrenheit geschrieben. Daß sie aberüber mich schreien, dessen ist die Ursach, daß ichihnen in dem, das den Ärzten zusteht, und das sienicht wissen noch verstehn, das Herzbändel treffe.Darum, daß ich nicht aus ihren Schulen komme undaus ihnen rede, soll es unrecht sein, dieweil mich dasdazu zwingt, daß sie falsch in die Arznei hineingelei-tet werden.

Weil ich nun solches soll und muß schreiben, kannich die Wahrheit weder durch die Alten noch die Jun-gen bestätigen, woraus ich nun gezwungen werde,wider sie zu sein und nit mit ihnen, wenn ich andersdie Wahrheit der Arznei beschreiben und vor michnehmen will, und nicht allein die Schüler, sondernMeister und Schüler und der Meister und Schüler

Page 4: Paracelsus - Paragranum

4Paracelsus: Das Buch Paragranum

Lehrer insgemein zusammenkoppeln und ihnen, weilsie solche Schreier sind, vorhalten will, was die Arz-nei sei, und darnach, was sie sind. Denn es ist ebensonot, ihr Geschrei wie ihre Kunst aufzudecken.

Will ich nun den Grund in der Arznei beschreiben,so muß ich die Dinge vornehmen, die den Grundgeben. Dadurch werde ich gezwungen, allen Grundaus der Philosophie, Astronomie und Alchemie zusetzen, ihn dort zu nehmen und darauf zu fußen. Sieaber sind nun Verächter dieser drei Fundamente, näm-lich Verächter der Philosophie, Verächter der Astro-nomie, Verächter der Alchemie, bellen wider dieseKünste wegen nichts anderem, als daß sie sie nit kön-nen und schämen sich dess'. Damit sie auf ihrem Teilmit Ehren bestehen, überreden sie den Armen, denGemeinen, den Einfältigen, sie seien Narrenwerk undes sei nichts; und sie selbst sind Narren und Esel undnichts, gleichen den Juden und den Pharsäern, diemeinten, der Himmel wäre ihr und den, dess er war,das ist Christum, verachteten sie. Also sind die Ärzteder Hohen Schulen auch, und die Bader und Scherer.Drum vergleiche ich sie den Barfüßern und Holzschu-hern; die selbigen wissen nichts als schreien, schän-den, lästern ohne Furcht; also sind diese Ärzte auchclamanten, das ist Schreier.

Nun aber, um es aus dem Grunde zu betrachten,welcher kann ein Arzt sein ohne die drei? Der da nit

Page 5: Paracelsus - Paragranum

5Paracelsus: Das Buch Paragranum

sei ein philosophus, ein astronomus, ein Alchemist?Keiner, sondern er muß in den drei Dingen erfahrensein, denn in ihnen steht die Wahrheit der Arznei.Was Astronomie sei, das wissen sie nicht; was Philo-sophie sei, das wissen sie auch nicht; was Alchemiesei, das wissen sie auch nit. Diese drei höchstenDinge wissen sie nit, drum so müssen sie sie verach-ten, und deshalb, weil ich sie brauche, muß ich vonihnen verworfen werden. Mich verwarf keiner, er wardenn ein gehörnter, das ist junger Bachant, - was ihralle seid. Denn die Bachanten wissen nichts von denDingen und ihr auch nit, darum seid ihr einandergleich. Ihr seid gemalte Ärzte, auswändig, in euernKleidern, und inwändig seid ihr schelmige Juden, Ca-daver und conterfeite Ölgötzen.

Daß ihr mich versteht, wie ich den Grund der Arz-nei erkenne und worauf ich bleibe, - nämlich in derPhilosophie, darnach in der Astronomie und zuletzt inder Alchemie, und hört mich gar genau, denn ihr müßtauch hier hinein und darin erfahren sein, oder ihrmüßt allen Bauern auf den Dörfern offenbar werden,daß ihr ohne die drei Bescheißer seid, und nichts alsBetrüger der Fürsten, Herren, Städte und Länder, unddaß alle die Zucht und Ehre, so euch bewiesen wird,Narren geschieht und Gleisnern und Tellerleckern.Wie ich mir aber die drei vornehme, das merkt, undanders könnt ihr es nit vor euch nehmen, sondern ihr

Page 6: Paracelsus - Paragranum

6Paracelsus: Das Buch Paragranum

müßt mir nach mit euerm Avicenna, Galen, Rhasesusw. und ich nit euch nach; ihr mir nach, ihr vonParis, von Montpellier, von Salerno, von Wien, vonKöln, von Wittenberg und all ihr in der summa, undkeiner kann ausgenommen sein, nicht im hinterstenBadewinkel bleiben; dess' bin ich monarcha, und ichführ die Monarchei und gürte euch noch eure Lenden.

Wie wird es euch Cornuten anstehn, daß Theophra-stus wird der Fürst der Monarchie sein? Und ihr cale-factores, das ist Ofenheizer? Wie dünkt es euch, wennihr werdet in meine Philosophie müssen und auf euernPlinius, Aristoteles scheißen werdet, auf euern Alber-tus, Thomas, Scotus usw. seichen werdet und werdetsprechen: die konnten schön und subtil lügen. Wiegroße Narren sind wir und unsere Vorderen gewese,daß sie und wir es nie gemerkt haben. Wie dünkt eseuch, wenn ich euch den Himmel zurichten werde,daß (die Constellation) Drachenschwanz euern Avi-cenna und Galen fressen wird? Denn sie wissen nichtsim Himmel, und ihr auch nichts. O, wie löblich istdas, daß ihr Narren doctores seid, und ihr Meister:Narren! Wie übel wird es euch auf den Buckeldrücken, wenn ihr Ohren, sechs Ellen lang, tragenwerdet, denn Johannes hat in der Apokalypse seltsa-mere und ungeschaffenere Tiere, als ihr seid, nie gese-hen. Wie groß wird eure Schande werden, daß ihr bis-her die Kranken gearzneit habt und groß Gut von

Page 7: Paracelsus - Paragranum

7Paracelsus: Das Buch Paragranum

ihnen genommen, und habt noch nie kochen könnenund habt ihnen Ungekochtes gegeben, wodurch be-wiesen wird, daß ihr damit viele erwürgt habt, daswird euch alchimia sagen. Da müßt ihr hinein, oderihr und eure Frauen, Kinder und Freunde werden aneuch Laster sehen.

Wenn ich keinen Behelf wider euch hätte als alleindie Zeugnisse, daß ihr falsch seid und nichts wißt, wiegroß würde ich noch in der Monarchei sein, darumdaß ich solche Lügen entdeckte, und ihr bewährt eureLügnerei nit in einem allein, sondern in allen euernBüchern und der lausigen Bader und Scherer Beschei-ßerei. Weil ich aber noch mehr tue und lehre euch,und ihr mich nit, und was ich von euch habe, nahmdas Feuer hinweg und ist dahin; was ich aber lehre,wird kein Feuer fressen, wird aber euch fressen, - nunschaut, wess' die Monarchei sei! Euer oder mein? Ichverseh es mich wohl, ihr werdet Narren und Cornutenhaben, die euch beistehen werden; dieselben und ihrwerdet einander noch selbst fressen. Ihr macht euchbeliebt mit Neigen, Bücken, »gnad Herr«, »lieberHerr«, »wiedersehen Herr«, »wieder Herr«, und wenndie Herrschaft in das (Kranken-)Bett kommt und ihrFreundschaft zeigen sollt, so steht ihr da wie ein Du-tenkolb, tut nichts als bescheißen und berußen. Soll-ten die Kranken, die ihr erwürgt, wieder aufstehen,und euch weiter im Leben Zucht und Ehr erweisen, -

Page 8: Paracelsus - Paragranum

8Paracelsus: Das Buch Paragranum

sie würden euch auf die Nase scheißen, und ebenso ineuern Fürsten Aboali Abinschini. Pfui der Schand,daß ihr in den lausigen Männern sechs Tage lest, ihrPhantasten!

Laßt euch diese Vorrede nicht hindern oder ver-drossen machen; am letzten will ich noch den Leipzi-gern die Suppe salzen und mit dem Salz in das Holz(Guayako) legen.

Page 9: Paracelsus - Paragranum

9Paracelsus: Das Buch Paragranum

Der erste Traktat, von der Philosophia

Weil in der Philosophie der Grund der Arznei liegt,so ist uns allen erstlich not zu wissen, wie aus derPhilosophie der Grund genommen werden möge. Vor-her aber und eh das erzählt werde, erfordert die Not-durft, die falsche Philosophie, die mir da einen Wider-stand tun könnte, auszulegen, denn mir werden alleindie widerwärtig werden, die aus der falschen Philoso-phie geboren sind und sich selbst doch für die gerech-ten achten, wie es denn bisher gesehen ist, daß alleinder Abhub der Philosophie, das ist das Mies und derSchaum, wider mich aufgestanden ist; aber es ist desfex Art: sie tun gleich wie ein Schaum im Hafen, derist nichts als ein Kot, doch schwimmt er über dasGute empor und fliegt am höchsten; aber er wird hin-unter in die Asche geworfen und in den Kot, und dieSuppe, als das gute, bleibt im Hafen. So werden auchdie falschen philosophi geschäumt werden und in dieMistlache geworfen, und ich und meine Philosophiewerden bleiben, und von uns werden die Essenden ge-sättigt werden und nit, wie bisher, weiter von demSchaum, denn es sind allein Schaumärzte, die mitPrügeln in den Säutrog geworfen werden sollten.

Nun liegt die Philosophie in dem, daß allein derKrankheiten Art, materia und Eigenschaft, mit samt

Page 10: Paracelsus - Paragranum

10Paracelsus: Das Buch Paragranum

deren allen Wesen, aus ihr und nicht aus einer andernKunst, allein aus der Philosophie, verstanden werde.Und wenn wo anders als aus dieser Philosophie einGrund hergenommen wird, so ist es ein Betrug. Unddas kann wohl ein Betrug heißen; ursach: der Krankewird dadurch betrogen, und das, was die Natur demKranken gibt, das wird ihm durch einen solchen Arzt,der aus falscher Arznei geboren wird, entzogen; denndie Natur ist die, die dem Kranken Arznei gibt. So sienun die gibt, so muß sie ihn auch erkennen und wis-sen, denn ohne Erkenntnis kann sie ihm nichts geben.Nun liegt die Erkenntnis nit im Arzt, sondern in derNatur, und darum in der Natur: sie kann die Natur insich selbst wissen, der Arzt nit. Drum, weil allein dieNatur die selbige weiß, so muß sie auch die selbigesein, die das Rezept komponiert. Denn aus der Naturkommt die Krankheit, aus der Natur kommt die Arz-nei und aus dem Arzt nit. Weil nun die Krankheit ausder Natur, nit vom Arzt, und die Arznei aus derNatur, auch nit vom Arzt kommt, so muß der Arzt dersein, der aus den beiden lernen muß, und was sie ihnlehren, das muß er tun. Und lehren sie ihn nichts, sokann er nichts und weiß nichts, denn bei der Natur istdie Arznei und die Krankheit und ihr selbst eignerArzt.

Wenn nun der Arzt aus der Natur wachsen soll undmuß, und in ihm und von ihm und aus ihm ist nichts,

Page 11: Paracelsus - Paragranum

11Paracelsus: Das Buch Paragranum

alles aus und in der Natur, so ist es von nöten, daß eraus der Natur geboren werde und nit zu Leipzig oderzu Wien. Denn was sie da lehren, findet man zu De-venter und Schwollen auch und am Deutschen Meerzu Überlingen. Die Natur lehret den Arzt, nit derMensch. So nun in der Natur so viel liegt, so ist esvon nöten, von ihr zu traktieren, wer die Natur sei;das ist nun philosophisch (gehandelt). Nun ist zu wis-sen von nöten, was die Philosophie sei, denn da istein Zank zwischen mir und dem Gegenteil. Was siefür Philosophie halten, halte ich für eine Drüse; dasist: sie sind eben gleich dem Arzt, der seine Kunst ausden Drüsen nimmt; die wachsen außen am Leibe undsehen dem Leibe gleich; es ist aber nit das, dem esgleich sieht; so ist der Arzt auch nichts. So sind diephilosophi, sie wachsen aus einem Schwämme, dernur außen am Baume hängt und nichts taugt; ebensoliegen sie außen in der Philosophie und nit in der Phi-losophie. Daß sie auf meine Philosophie (etwas) hal-ten, kann nicht gut sein, denn (die zeigt ihre Torheit,und) der Roßdreck läßt sich nicht verachten. Darumwird meine Philosophie von ihnen nit gebraucht, undvon andern Narren auch nicht.

Es würde eine lange Rede brauchen, das lauter undklar aufzudecken, was hierin, in diesem Widereinan-der, notdürftig zu begreifen sei. Jedoch, um in derKürze den Unterschied zu begreifen, lege ich ein

Page 12: Paracelsus - Paragranum

12Paracelsus: Das Buch Paragranum

solches vor: daß der Arzt als erstes die Himmel undErden in ihrer materia specie und essentia, wissenmuß - und so er darin unterrichtet ist, so ist er danneiner der in die Arznei treten kann, denn nach (demErwerb) dieser Erfahrenheit, Wissen und Kunst fängtder Arzt an. Nun ist dies mein Vorhaben und Behaup-tung: daß es also mit der Arznei siehe, daß aus demäußeren Arzt der innere geboren werde, und wo deräußere nit sei, da sei auch der innere nit, und wasdann der innere treibt, führt und lehrt aus seinen Sub-jekten, das ist umsonst. Denn die innere Philosophielehrt nichts als ein Erdichtetes; das ist, daß manspricht, die Krankheit ist cholerisch. Die cholera istaber nichts und nie von einem Philosophen erkanntworden. Ursach: sie kommt nit von der äußeren Philo-sophie, sondern von der inneren, und die innere lehrtnichts, als was der Mensch selbst spekuliert. Aus derSpekulation nimmt cholera ihren Namen und ihrenUrsprung. Die äußere Philosophie erwächst aus kei-ner Spekulation, sondern sie erwächst aus dem äuße-ren Menschen und zeigt und lehrt, was der innere sei.Weil dieser nun Lehrmeister ist, so ist es von nöten,die Spekulation zu lassen und dem nachzugehen, dasnit aus einem Spekulieren kommt, sondern aus derDeutung und Darlegung. Darin besteht nun unser Wi-dereinander und der Krieg, daß mein Widerteil speku-liert und ich lehre aus der Natur. Nun ist Spekulieren

Page 13: Paracelsus - Paragranum

13Paracelsus: Das Buch Paragranum

Phantasieren, und Phantasieren macht einen Phanta-sten. Nun ist Phantasie: auf keinen Grund bauen, son-dern es ist einem jeglichen freiledig anheimgestellt,daß einer sich selbst zu genüge genug phantasierenmag und was er will und wie er will, und ist im Effektnichts anders als gleich einem, der etwas wünscht; derhat nichts, was er wünscht. So sind die auch, die spe-kulieren, phantasieren, und es ist doch nichts, das siespekulieren und phantasieren. Auf solchem Grundesteht ihre Arznei. Hier in diesem merke nun meinenund ihren Grund.

Wenn die Spekulation gut und nütze wäre, dannwäre Wünschen auch nütze, so könnte daraus wohlein guter Handel wider mich werden; aber nichts, dasBestand hat, wird da wider mich gehandelt. Denn derGrund, den ich lege, ist nit speculatio, sondern ist in-ventio, - nicht speculatio, sondern naturae pro-prietas, - denn so, auf diese Art sollt ihr die indemäußeren archeus gegründete Philosophie erkennen,daß ihr nicht sprechen sollt: das ist cholerisch, das istmelancholisch, sondern: das ist arsenisch, das istalaunisch. Wenn ihr sprechen werdet: das ist jovisch,das ist saturnisch, kann ich nicht wider euch handeln.Werdet ihr sprechen: das ist acoria aegritudo und dermorbus ist anthera, so würde ich sprechen: ihr seidgelehrte doctores, und würde das mit der Wahrheitreden können. Denn so geht die Erkenntnis aus der

Page 14: Paracelsus - Paragranum

14Paracelsus: Das Buch Paragranum

Philosophie. Und so ihr sprechen werdet: der morbusist pulegii, der ist melissae, so sehe ich, daß ihr indiesen Krankheiten Verstand habt. Sprecht ihr aber:das ist cholera, das ist phlegma, so weiß ich, daß ihrkeinen Verstand habt, sondern aus der Spekulationund Phantasie, die nie mit der Wahrheit etwas gebo-ren haben, geboren seid. Drum ist es nicht arzneiischgeredet, sondern phantastisch und spekulativisch, wieallen Narren erlaubt ist, solchen Grund zu erdenken.Nun in dysenteria! Sagt ihr, es sei sanguis, sangui-nisch, so ist es nit wahr; sagt ihr, es sei vitium stoma-chi, ein Gebrechen des Magens, so ist es aber nit. Istalles nur Wähnen bei euch, denn nur ein Wähnenbrauchen die cholerischen und phlegmatischen undmelancholischen und sanguinischen. Wenn ihr aberreden würdet, es ist morbus hermodactyli, es ist mor-bus coloquinthidis, es ist morbus elleborinus, somüßte ich euch loben und Gutes von euch sagen, dennihr würdet auf dem rechten Grunde sein und gingetmit der Wahrheit um. Die Namen sollen aus demGrunde gehen und im Grunde stehen und nit in derPhantasie. Denn colica heißt sibethina, iliaca heißtmoschata. Warum das? So lehrt es die äußere Philo-sophie, die der inneren alle Namen, Art und Eigen-schaft und Zeichen gibt, lehrt und vor Augen hält.Und außerhalb dieser wird kein Arzt geboren, sondernnur Betrüger und Irrer, Phantasten und Eselsweisheit.

Page 15: Paracelsus - Paragranum

15Paracelsus: Das Buch Paragranum

Weil nun der Arzt sein erstes Wissen aus der Phi-losophie nehmen soll, - Philosophie ist nit aus demMenschen, sondern aus Himmel und Erden, Luft undWasser. In denselben liegt nun aller Ärzte Wissenund Verständnis, denn von den Dingen reden undtraktieren die philosophi, nit von cholera, phlegmate,melancolia und sanguine. Drum ist es nix, von ihnenzu reden; alle philosophi traktieren allein die minera-lia, die Früchte, die impressiones, die influentiasusw., keiner aber gedenkt der humores. Wenn nun derSpekulierarzt sprechen will: ich kann die Philosophieund habe mit ihr noch nicht genug; ich muß mehr wis-sen, drum so setze ich vier humores usw., so kann iches verstehen, und muß nun weiter und mehr wissen,als die Philosophie anzeigt und innehält, - da merke:daß du unrecht dran bist, denn Ursache: nichts ist imLeib, daß dir nie auswendig genügend angezeigtwerde, sondern alles ist mannigfaltig vorgelegt, drumsolltest du sonderlich ein Wissen der Philosophiehaben, so brauchtest du nicht nach weiterem Grundezu spekulieren. Weil du aber im Grunde der Philoso-phie einen Mangel hast, drum mußt du solches Flick-werk brauchen, und handelst ebenso wie die Hunde-fänger, die sich von den ehrlichen Leuten weg in eineandere Gasse setzen und einen Handel führen, in denihnen niemand etwas hineinredet oder -tut. So ist esmit euch Ärzten auch: ihr habt mit euerm Spekulieren

Page 16: Paracelsus - Paragranum

16Paracelsus: Das Buch Paragranum

(Namen) erdacht und gemacht, daß euch niemand ineuer Ding hineinreden kann, das ist, ihr habts sowelsch und niederländisch gemacht, daß kein Bieder-mann euch verstehen kann und sie müssen euch alsoungeschehen lassen; damit habt ihr den Parchent, denPreis erlaufen. Aber fürwahr, kennten die philosophidiese eurer Spekulation Eigenart ebensogut wie ich,sie sprächen: was mit den Hundeschlägern! Billig hal-tet ihr euch von allen Gelehrten mit euern dictionibusund vocabulis, Aussagen und Namen, besonders,denn sollte man es verstehen, dann röche es alle Weltwohl, daß es Bescheißerei wäre. Wie zum Exempel:in der Apotheke schreibt ihr an: anthos, cheiri, bug-lossa, veronica usw. Wenn das die Bauern verstün-den, so müßten sie einfältig sein, daß sie so viel Gelddafür gäben. Es ist ein Betrug, in den niemand hinein-reden kann, denn niemand versteht das Rotwelsch,und sind doch Bauernnamen. So ist die Medizin vonallen Professionen geschieden und mit Sprache,Weise und Gebärde von allen Gelehrten gesondert,damit sie ohne Einrede bleibe. Das aber ist keine Phi-losophie, sondern eine Spekulation.

Nun ist hier mein Vornehmen, die Philosophie zuerklären, zu einem Eingange in die Arznei, was einArzt sein soll, - und das auf deutsch, damit das Be-sondere genommen und ins Gemeine gebracht werde,also daß die Philosophie dermaßen gelehrt werden

Page 17: Paracelsus - Paragranum

17Paracelsus: Das Buch Paragranum

solle, daß in ihr der Mensch ganz erscheine und be-gegne und in ihr finde alle Krankheiten und Zufälle,Gesundheit und Trübsal, alle Glieder und Gliedma-ßen, alle Teile und Teile der Glieder, so viel am Men-schen und im Menschen ist oder sein kann, und soviel wir in der Natur sehen, wissen und erfahren, soviel vom ersten Menschen bis zum letzten einfallenkann oder eingefallen ist, so ganz und vollkommen,daß auch die Augen, die Ohren, die Stimme, der Atemin der Welt gefunden wird, auch die Beweglichkeit,die verdauenden Glieder, die austreibenden, die anzie-henden, und alles, das da ist, und alles, das im Leibzur Hülfe, zur Gesundheit, zu allen Dingen not ist,daß dasselbe außen verstanden, gelehrt und gefundenwerde, außen auf die Probe gebracht und als richtiggefunden, auswendig durch das Feuer getrieben undgereinigt werde, auswändig der Harn besehen, derPuls gegriffen, die Farben der Physiognomie beurteiltwerden. Und so das alles auswändig in dir erfahrenworden ist, dann bis du in den Dingen erfahren, als-dann gehe in den inneren Menschen, und alsdann,wenn du auswändig alle Schulrecht und Fragstückeerfahren hast und bewährt sind, darnach besieh denSeich, greif den Puls, darnach arznei innen wie außen.Das ist die Philosophie, von der ich dir sage. So ihrnun solche Philosophie nicht wißt noch könnt, wiekönnt ihr dann so kühn und so hochmütig sein, daß

Page 18: Paracelsus - Paragranum

18Paracelsus: Das Buch Paragranum

ihr auf eure Spekulation und Phantasie hin eine solcheMenge Volks arzneit, verderbt tötet, verkrüppelt underlahmt und dazu gar blind macht?! Das müssen fre-vlerische Anfänger sein, die es wagen und werdendarin, daß sie bescheißen, nit ersättigt, sondern sielehrens auch andern, damit der Betrug nit absterbe!Seid ihr so kühn, das zu tun, so seid ihr auch so kühnwider mich zu schreiben, denn der Teufel steht nichtmüßig, wenn man seine Kinder anrührt. So ihr derKranken Nutz betrachtetet, so müßtet ihr euch einenandern Grund vornehmen, - aber es ist alles Bübereiund nicht dahinter. Es ist genug, daß ir den Glaubenhabt, seien gleich eure Werke tot oder lebendig. Wennman nur an euch glaubt, so ist eure Küche fett. Es istbei euch ein Glauben ohne Werke; das ist der toteGlaube. Es fehle wie es wolle, so hats Gott getan.

Damit ich aber den philosophus beschreibe, sowißt: daß er in zween Wegen wächst, einer ist imHimmel, der andere in der Erde, das ist aus jedwederSphäre einer, und ist eine jegliche Sphäre ein halberAnfang, beide ein ganzer Anfang. Nun obwohl dashier in Bezug auf beide Seiten ein philosophus ge-nannt wird, so ist es doch dem Namen nach nicht so,sondern der ist ein philosophus, der die untere Sphäreerkennt; der die obere weiß, ist ein astronomus. Essind aber beide astronomi, beide philosophi, beideeines Verstehens, beide einer Kunst. Nun aber, sie

Page 19: Paracelsus - Paragranum

19Paracelsus: Das Buch Paragranum

sind astronomi in allen vier (Gebieten der Natur);denn der ist ein astronomus, der da das Herkommender Metalle und die Eigenschaft der Erze weiß; undder ist auch ein astronomus, der die Früchte der Erdekennt; der auch, der das Manna (in der Luft) kenntebenso wie der, der den Saturn und Jupiter usw. weißund kennt. Hingegen ist auch der ein philosophus, derdes Himmels Impression, seine Influenz, seinen Laufweiß; auch ist der ein philosophus der die Luft kenntebensowohl wie der, der die Erde allein kennt. Denndas, das die Natur betrifft, ist die Philosophie. Nun istes eine Anatomie, eine essentia, eine materia in denvieren. Denn der Saturn ist nicht allein im Himmel,sondern auch im Untersten des Meeres und im Hohl-sten der Erde. Melissa ist nicht allein im Garten, son-dern auch in der Luft und auch im Himmel. Wasmeint ihr, daß Venus sei, als allein artemisia? Wasartemisia oder Beifuß, als allein Venus? Was sind siebeide? Matrix oder Mutter, conceptio oder Empfan-gen, vasa spermatica oder Samengefäße. Was also istferrum oder Eisen? Nichts als Mars. Was ist Mars?Nichts als ferrum, - das ist, sie sind beide ferrumoder Mars. Dasselbe ist auch urtica oder die Brennes-sel, auch (das Harz) tereniabin quarta, - und ist alleseins. Wer Mars kennt, der kennt ferrum, und wer fer-rum kennt, der weiß, was Mars ist, und wer die kennt,der weiß, was tereniabin ist, und auch was urtica ist.

Page 20: Paracelsus - Paragranum

20Paracelsus: Das Buch Paragranum

Drum ist ein philosophus, der eins in dem einen weiß,und der weiß dasselbe auch in den andern, - mit demallein die Formen betreffenden Unterschied, und nixweiter, - deshalb weil nicht vier sind, sondern nureins ist. - Wer will den Regen beurteilen? Der astro-nomus. Wer will beurteilen den Tau? Der astro-nomus. Wer will den Talk beurteilen? der philoso-phis. Wer den cachimia? der philosophus. Der einsbeurteilt, der weiß das andere. Und obwohl da ver-schiedene Namen sind, sind aber die Künste nit ge-schieden oder geschieden die Wissen, das ist scien-tiae. Denn eins ist in allen.

Das ergibt nun: einfache pilosophi, das ist: alleinin einem bekannt; der ist aber nichts. Etliche sind inzweien bekannt, - ist auch nix, nix in dreien, in vie-ren etwas, und so sie alle vier einschließen, so ist esganz da; das ist: die Arznei ist das Ganze und Letztealler der Dinge. Denn wozu ist das gut, daß der astro-nomus den Regen, den Schnee weiß, und weiß nit,wozu sie tauglich sind. So ist er nichts; er muß auchseines Subjekts Eigenschaft wissen, ohne das ist ernichts. Ganz sein macht den Medikus. Daß die Ärztebisher nicht ganz und ungewiß in der Arznei gewesensind, das ist euch leicht festzustellen, denn sie habenin der Philosophie geirrt. Noch bis heute haben sienicht gewußt, was Zinn sei; was das sei, das in ihmfließe; was ihm die Farbe gebe, und dergleichen; diese

Page 21: Paracelsus - Paragranum

21Paracelsus: Das Buch Paragranum

Dinge haben sie alle noch nie traktiert und wollendoctores und philosophi sein. Wenn sie das nit wis-sen, so werden sie auch nit wissen, was solche Krank-heiten sind. Denn zuerst müssen sie wissen, woherdas Zinn, woher das Kupfer, das Gold, das Eisenwächst und wie es wächst und was ihm zusteht, wases für Krankheiten leiden muß und was in ihm zufal-len kann. Wenn sie das wissen, so wissen sie dochnur ein Glied im Menschen. Wie hart wird es sie an-kommen, daß sie nur ein Metall so gründlich verste-hen und in ihm lernen sollen; wie hart werden siedann die andern sieben, die andern vierundzwanzig,die andern all, deren mehr als tausend sind, ankom-men. Was das nötigste in aller Philosophie und Medi-zin ist, das lassen sie aus.

Nun merkt ferner: sie sagen, nach der alten philoso-phischen Lehre: aus mercurius oder Quecksilber undsulphur oder Schwefel wachsen alle Metalle; item:vom reinen Erdreich wächst kein Stein. Nun seht an,was für Lügen! Denn Ursach: wer ist der, der als diemateria der Metalle allein sulphur und argentumvivum oder Quecksilber zu sein befindet, da doch alleMetalle und alle mineralischen Dinge in drei Dingenstehen und nit in zweien. Ein Fehl ist das. Also istihre Philosophie erlogen, denn sie wissen nichts Wei-teres vom Wachsen, vom Ende, und von anderemmehr, - aber sie sollten das alles wissen.

Page 22: Paracelsus - Paragranum

22Paracelsus: Das Buch Paragranum

Gleicherweise wie sie sich berühmen, aus dem Seich,aus dem Puls usw. die Krankheiten und alle ihreHülfe zu erkennen, so sollten sie ihre judicia in diesenDingen haben, daß sie den Seich, den Puls des Him-mels, der Erde und der Luft auch wüßten; aber siewissen weder das noch anderes. So sagen sie auch,daß vom reinen Erdreich kein Stein werde. Vom Erd-reich wächst gar kein Stein; sie wachsen vom Wasser,das ist ihr Element, in dem sie wachsen. (Daß sie der-lei sagen), drum sind sie irrig und sie wissen die Phi-losophie nicht.

Obwohl diese Philosophie von Aristoteles, Alber-tus usw. geschrieben worden ist, - wer will aber denLügnern glauben, die da nicht aus der Philosophie,das ist aus dem Lichte der Natur reden, sondern ausder Phantasie?! Gleich wie sie in der Medizin vier hu-mores, cholera, phlegma usw. erdacht haben, sohaben sie auch hier, in der Philosophie, die Lüge mitmercurius und sulphur erdacht; wie sich eins reimt, soauch das andere. Sie berufen sich viel auf den Alber-tus, Thomas; nit Albertus, Thomas, sondern sie, dasist ihr, sollen dafür einstehen. Denn Albertus hatdiese Lehre nit vom Hl. Geist, sondern aus vergebenerSpekulation gehabt. So auch Thomas und andere,Hermes und Archelaus. Das wisset, ihr Ärzte, alle: ihrdürft solche Dinge, Lehre und Kunst, was zu dieserProfession gehört, nit dem Hl. Geist zulegen, sondern

Page 23: Paracelsus - Paragranum

23Paracelsus: Das Buch Paragranum

dem Lichte der Natur. Wo ist das nun anders als inder Natur? Der Hl. Geist lehrt den Glauben usw.;darum ist das der »Glaube«; ebenso die Dinge sinddie Natur, drum aus der Natur müssen sie gelernt wer-den. Sie liegen nit im Hl. Geist, sie liegen in derNatur; drum mußt du dich aus der Natur unterrichtenlassen, von der Albertus, Thomas, Aristoteles, Avi-cenna, Actuarius usw. keinen Verstand anders als ausSpekulieren, das ist Wähnen, gehabt haben. Weil nunso viel darin liegt zu wissen, was die Natur sei, aufdas wisset, daß euch hier billig der Grund der Arzneivorgetragen wird. Denn das soll der Arzt wissen: wasschmilzt im Blei? Und soll wissen: was ist das, dasim Wachs zergeht? Was ist das, das im Demant sohart ist? Und was ist das, das im Alabaster so weichist? Wenn er nun das weiß, so kann er sagen, was dassei, das ein apostem reif oder unzeitig mache, wasKarbunkel mache, was Pest mache; außerhalb diesesWeges kann er es nicht wissen. Darum sind alleSchriften die von diesen und andern Krankheiten ge-schrieben wurden, falsch, denn sie haben aus der Spe-kulation und nit aus der Philosophie geschrieben, undweil sie die Philosophie nicht gekannt haben, ist allihr Schreiben umsonst; sie gleichen einem Bauern, derdas Stroh neben der Ähre, in dem nichts liegt, dre-schen will. Seine Absicht ist gut, aber der Handelnicht; er dünkt ihm gut zu sein und ist doch nicht gut.

Page 24: Paracelsus - Paragranum

24Paracelsus: Das Buch Paragranum

So ist es auch mit den Ärzten, die solche Krankheitenbeschreiben und wissen deren Philosophie nicht, undwissen ihre Art, Kunst noch Wissen nicht, und schrei-ben, und gebrauchen ihre Phantasie und Spekulati-on, - und am letzten ist es mit einem Dreck versie-gelt. Das bezeugen all ihre Kranken, daß sie - nachder Subtilität geredet - Narren seien; nach der Grobespricht man: Buben. Aber die verlogenen Schulmei-ster, correctores, procuratores, visitators, beanen oderjunge Studenten, patres usw., wenn sie Arzt werden,so tun sie nichts anderes, sie gehen ebenso daran. Nurdran, nur dran mit euern Partheken!

Sie haben ein Buch meteororum oder zwei undmehr, und viel Glossen. Wahrlich, sie sind wenig bes-ser als der Johannes de Garlandria, der über den zwei-ten Teil Alexanders schrieb. Denn was ist das meteo-rorum des Aristoteles? Nichts als Phantasie. Ursache:es ist nichts im Himmel, womit desselben exhalatio-nes oder Dünste, impressiones bewiesen werden kön-nen, anders als das es alles eine Phantasie und einegroße polyphemische Art ist. Nun ist das meteororumnichts als Lüge, - und sie bauen auf solche weiseMeister und loben sie und beschirmen sie, und wissennicht, was es ist und was sie beschirmen. Sind dasnicht Gugelhahne? Aber sie werden sich um dessent-willen nicht weiter mit mir anlegen; es sei gerechtoder nicht, sie fragen dem nicht viel nach. So tun sie

Page 25: Paracelsus - Paragranum

25Paracelsus: Das Buch Paragranum

dergleichen auch mit andern Dingen. Ihnen liegt annichts mehr, als daß sie das Geld mit Geschwätz ausden Leuten bringen. Weiter: ob man könne, oder mankönne nichts, das ist alles gut, nur Geld her! Helft,daß der Herr Doktor aus dem Bettel kommen könneund auf der Gasse wie ein Fastnachtsbutz herumstrei-che, und meine Frau Doktor neben andern Frauenauch leuchten möge. Obwohl eine große Armut in derKüche ist, müssen sie sich doch auf der Gasse und inder Kirche und am Tanz aufmutzen wie die Katze,wenn sie scheißen will. Solche Ärzte setzen ihreKunst gering, sie haben keinen Grund noch Wahrheitdarin, allein die Phantasie muß bei ihnen der Grundsein.

Nun ist aber hier mein Vornehmen, daß ein guterGrund gesetzt werde und sei, nicht auf die Meister derCasualien, nicht auf die Mörselstoßer, nicht auf diehungrigen conventores und Pröpste. Ihr Grund istkein anderer als, er ist ein geschickter magister (id estmalvister), er liest die physica und hat das letzte Jahrde coelo et mundo gelesen, der wird ein guter Arztwerden. Aus dem conventore wird ein Licht und einauserwählt Faß, (er wird ein Narr). Wenn ihr solcheconventores so betitelt, und sprächet: er ist ein Schützund ein Cornut und kann nichts und weiß nichts, undist ein guter pater, der nichts besser kann als die Kap-pen tragen und seine Glorie, und er ist ein karger Filz

Page 26: Paracelsus - Paragranum

26Paracelsus: Das Buch Paragranum

und ein Schinder, das hat er in der Burse gelernt, undso will er auch in der Arznei bleiben, - ist das derGrund, auf den die Arznei bei euch gerichtet und ge-setzt ist, so helfe Gott den Kranken, wenn sie unterdie Bachanten kommen; sie wären besser und lägensanfter unter den Weißgerbern.

Nun ist über das, das hier gemeldet wurde, nochdas: weil die Ärzte, die wider mich sind, weder dieserPhilosophie noch anderer sich gebrauchen, sondernvon allen Gelehrten sich entfernten, - so muß man siewieder hineintreiben und absondern, so daß weder dertheologus, Jurist, Artist, astronomus, philosophus, al-chemicus und alle andern nichts mit ihnen gemeinhaben noch sie mit den andern; das ist die Ursache,daß man ihren Beschiß nicht merkt.

Wenn nun dem also ist, so muß ihre Kunst durcheine Gewalt geschehen, durch einen erzwungenenGlauben, nämlich daß mans glaub, was sie sagen, dieSchrift aber laute, wie sie wolle. Und so etwa ineinem Jahr ein Kranker von ihnen gesund gemachtwird, so berühmt ihr euch dess' zehn Jahre lang, undob schon der Kranke ohne euch eher gesund gewordenwäre als durch euch.

Mit solchen Taten und dem sich-Brüsten bestätigtihr den Glauben (an euch), und mit euerm vielenSchwätzen, Laufen, Rennen und sehr fleißig sein.

Das sind aber alles Küchenarbeiten. Das ist ihr

Page 27: Paracelsus - Paragranum

27Paracelsus: Das Buch Paragranum

Laufen um das Geld, nicht wegen der Gesundheit.Denn hättet ihr richtige Arznei, was bedürftet ihr dades Laufens, Rennens, den Seich besehen und derBosselarbeit, die alle einen ungelehrten Arzt anzei-gen, der nichts kann noch weiß.

Wo lehrt eure philosophia, so mit den Kranken um-zugehen? Wo habt ihr es aus der Natur erfahren?Aber aus euerm Unverstand und Nichtkönnen müßtihr solches treiben, damit ihr gesehen werdet, fleißigzu sein und (auf eure Kranken) gute acht zu haben.Da meinen die Bauern, ihr tut es aus großer Kunst,dabei geschieht es aus großer Narrheit. Und wenn ihrschon Aristoteles selbst wäret und Porphyrius und Al-bertus, dazu Avicenna, Galen selbst, noch ist keinGrund da, daß ihr einen einzigen Kranken auf eurePhilosophie vertrösten dürftet, denn wer will sich aufLügnerei und Spekulieren vertrösten lassen. Niemand.

Drum ist aller euer Grund kein Grund, denn er gehtnicht aus der zu deutenden Natur, sondern aus derPhantasie, von einem zum andern vererbt und herge-bracht.

Was außerhalb der deutenden, zeigenden, augen-scheinlichen Philosophie gelehrt und gebraucht wird,das ist alles umsonst, und alle Arznei, die außerhalbsolches Grundes gebraucht wird, ist Betrügerei undnichts als ein Geratewohl und ein Glückszufall.

Und alle die Rezepte, die sie in aller ihrer Physik

Page 28: Paracelsus - Paragranum

28Paracelsus: Das Buch Paragranum

und Chirurgik haben, sind auf der Schnellwaage gele-gen, und allein daß sie einen Glückszufall treffen undohne ihr Dafürkönnen einen günstigen Himmel undfreundliche Zeit und willige Natur, sonst erwürgtensie alles, was sie angriffen und nur anrührten, denn esist nichts als Erzbachanterei in ihnen und nichts alslauter unerfahrener Grund, der wie ein Henker unterfrommen Leuten sitzt. So sitzen sie mit ihrer Kunstunter den gelernten. Nota: de vexatione contra medi-cos.

Das schmeckt euch übel, daß euer Grund und eurePhilosophie in den Dreck muß und ihr mit ihr, und dieSäue müssen in euch wühlen und werden nichts Nütz-liches bei euch finden als den Dreck. Das ist: nix istbei euch nutz; der Dreck ist das beste an euch, das an-dere sind eitel Blindschleichen, und die Maulwürfenisten da in euern roten Kapuzen und mit Hagedorngekrönten Köpfen. O, was für eine große Schandewird da aufstehen, wenn ihr und euer Aristoteles, Avi-cenna usw. in der Lache herumgezogen werden unddie Kinder auf der Gasse werden über euch »Narr!Narr!« schreien, denn ihr habt keinen Grund in derArznei, und euer Grund ist auf Sand gebaut. Weil esaber so ein seltsamer Sand gewesen ist, der wie Kat-zensilber glitzert, hat alle Welt gemeint, ihr seid sil-bern und golden, und jedermann hat euch um euersSpengelwerks willen geehrt, - das wird nun jetzt

Page 29: Paracelsus - Paragranum

29Paracelsus: Das Buch Paragranum

gefunden werden, daß es nichts ist als Katzensilberund Katzengold. O Talk, wachst du auf den HohenSchulen? O cachimia, bist du zu Leipzig, und ichwähnte, du lägest im Lungau. O Markasit, o Magne-sia, wie leuchtet ihr beim Gold, seht aus wie Gold,der Markasit auch, und im Feuer, da ist es Schwefelund Pech, Arsenik und Spießglanz. So wird der Erz-gräber vom Schein betrogen, und so die Krankenebenso von euch; sie wähnen auch, ihr wäret Ärzte, soseid ihr Vielfräße. Der Galmei ist es, der das Messingmacht, dem Kupfer die Farbe gibt, und ist doch einDreck. So werdet ihr gefärbt und bleibt doch Cornu-ten. O calaminaris, du wirst zu allerletzt Auripigmentwerden. Dann wird sich der Narr in dir lustig abschil-fern und eine Haut über die andere abziehen und fürund für glitzern, das gefällt den Bauern wohl. Dasweißt du wohl, darum tust du das. Aus dem folgt: einArzt muß schön gekleidet gehen, soll einen Talar mitKnöpfen tragen, eine rote Gugel und ganz und gar rot,(warum rot? Das gefällt den Bauern wohl) und dasHaar fein gestrählt und ein rotes Barett drauf, Ringean den Fingern, Türkise, Smaragde, Saphire dadrin,und wo das nit, dann auf das wenigste mit schönemGlas, - so wird der Kranke einen Glauben an ihnhaben. Und die Steine haben so eine treffliche Natur,daß sie den Kranken ihr Herz dir gegenüber zu Liebeentzünden: o du meine Liebe! O du mein Herr

Page 30: Paracelsus - Paragranum

30Paracelsus: Das Buch Paragranum

Doktor! - Ist das physica? ist das der hippokratischeEid? ist das Chirurgie? ist das Kunst? ist das derGrund? - O du Katzensilber! Das heißt Katzensilber,das im Sande liegt und glitzert, als sei es Silber undGold, wie man dess' auf den Bergwerken kundig ist.Das heißt pro forma gegangen, pro doctore. Der istgelehrt, züchtig und hat einen ehrbaren Gang und istfreundlich mit den Leuten, neigt sich allemal undgrüßt alle Welt. O Pharisäer! Könntest du, wessen dudich berühmst, so wärest du kein Pharisäer, o Simon.

Weh tut es dem, der im Bösen nit aufhört, bis erseine Schande entdeckt und ganz offenbar macht, undandern Ursache gibt, die offenbar zu machen. - Nunaber, damit ihr alle wißt, was die Philosophie sei, dieden Bau der Arznei trägt, ist es so, wie oben erklärtsteht, daß der Arzt in der Erden, im Wasser, im Feuer,in der Luft einen Menschen suchen soll, und in denselbigen nicht vier Menschen, sondern in allen einenMenschen allein, und in den selbigen lernen, was die-sem gebricht, worin er ascendiere, absteige, in was ersich erhöhe, erniedrige, wo er da gesund, wo er dakrank liege. Und wenn er diesen äußeren Menschenwohl weiß und ihn wohl erkannt und erfahren hat,dann soll er sich in die Fakultät der Arznei geben, undden äußeren in den inneren wenden und den innerenim äußeren erkennen, und er soll sich alleweg hüten,daß er da keineswegs in dem inneren Menschen (wie

Page 31: Paracelsus - Paragranum

31Paracelsus: Das Buch Paragranum

es die Hohen Schulen tun) lern, denn da ist nichts alsVerführung und der Tod. Denn bis sie (ohne den äu-ßeren Menschen) des Menschen Anliegen erkennenkönnten, wie viel Feld und Äcker müßten zu dieserErkenntnis zu Kirchhöfen werden, - wie sie denn vongrundauf lügen, daß sie durch solche Erfahrenheit zuder Kunst kommen wollten. Welcher Weg ist das? derdoktorische oder mörderische? Ein jeder weise Mannmag das beurteilen, ob uns Gott auf Erden durch sol-che Mörderei zu unserer Gesundheit zu helfen gedachthabe oder nit, da doch in Gott keine Mörderei, keinBetrug, kein Falsch ist. Sie aber sagen, so sei die Arz-nei von Gott verordnet; so soll der Arzt in die Arzneieingehen, das ist: durch solche Mörderei. Nach ihremDenken ist es so. Aber es ist von Gott nit so geordnet,sondern allein von ihnen erdacht. Gott hat den äuße-ren Menschen geordnet, aus dem selbigen lerne den-selben erkennen; den können wir nicht töten noch ver-derben. Und wenn wir den selbigen erkannt haben,sollen wir darnach in dem Menschen vollbringen, waswir gelernt haben; so können wirs und morden nichts.Nun habt in euch selbst den Verstand und laßt euerGewissen einen Richter sein, und laßt ihm so vielLuft, daß es über mein Schreiben vom Äußeren lerneund vom Inneren, urteile - so wird euch euer Gewis-sen unterweisen, daß ihr in das Haus einsteigt und nitzur rechten Tür hineingeht. Das ist: ihr geht wie

Page 32: Paracelsus - Paragranum

32Paracelsus: Das Buch Paragranum

Mörder in die Arznei und steigt über die Dächer hin-ein und geht nicht zu der rechten Tür in die Arbeitein, das ist: ihr nehmt eure Kunst, wie ihr es täglichmit Verderben und löten. Würgen und Verkrüppelnerfahrt; das ist falsch eingegangen in die Arznei. Aberalle Hohen Schulen im deutschen Lande steigen so indie Arznei, und die welschen desgleichen. O weh, ihrBetrüger, vos latrones furesque, ihr setzt euerm Ein-gänge ein Deckmäntlein, das ist: dem Schalk eineDecke, auf.

Es soll die Anatomie dieses äußeren Menschenganz dem Arzte eingebildet oder eingeprägt sein, undso ganz, daß er nit ein Härlein auf dem Haupte, niteine Pore darin auslasse, sondern alles ganz aus demInaugenscheinnehmen heraus verstehe. Daraus folgtnun, daß das Setzen von Rezepten ebenso geordnetwerden muß, auf daß Glied zu Glied komme, je einsdem andern gegeben werde, und nit nach den Gradeneins, zwei, drei, vier, medium, finis, principium etc.Denn die Kunst der Ordinierung der Rezepte nach denGraden ist falsch und ein Betrug, und ist dermaßenein Betrug, daß dadurch Verführungen und Erwür-gungen geschehen. Denn weder die Krankheiten nochdie Arznei sollen und wollen also in die Ordnung ge-führt werden, und die Natur erzittert darüber, daß siein die Grade geführt werden soll. Die rechte Ordnungder Natur will, daß Anatomie mit Anatomie

Page 33: Paracelsus - Paragranum

33Paracelsus: Das Buch Paragranum

verglichen werde, Glied mit Glied, nit stärker nochschwächer, nicht stärker und noch stärker, denn dieKrankheiten gradieren sich nicht, noch auch die Arz-nei. Das sie im ersten Grad gradieren, ist ein Glied,das sie in dem Mittleren des Gradus gradieren, ist einander Glied, das sie in dem Ende dieses Gradus gra-dieren, ist ein ander Glied. Und es ist nit, wie siesagen, ein Grad. »Grad« ist nichts als eine spekulier-te, unsinnige Anfängerei. So ist auch, das sie in se-cundum gradum setzen, ein ander Glied, im dritten einander Glied. Hieraus folgt nun, daß in einer solchenAufteilung Glied zu Glied verordnet werden soll,nicht Grad zu Grad. Denn wenn ein Glied leidet unddas andere auch und das dritte auch, das ist nit einGrad; denn da sind dreierlei Leiden, also müssen daauch dreierlei Arzneien sein, nit in einem Grad, nit ineiner complexio oder Qualitaet, sondern in drei Arca-nen. Das ist ein trefflicher anfängerischer Einfall, dendie doctores mit den Graden haben! Wenn eineKrankheit da wäre, und wäre heiß, und wollte durchKälte gesund werden, so soll man dieser Kälte nichtdie Kraft zulegen, sondern dem arcanum, das da han-delt, - nicht die Kälte handelt. Das ist gleich wie beieinem Menschen, der ein Ding tun soll, - was hilftihm Wärme oder Kälte dazu? Nichts. Was nützt dieHitze der Stimme? Was nützt die Kälte den Ohren?Nichts. Diese Dinge, Wärme und Kälte, sind in allen

Page 34: Paracelsus - Paragranum

34Paracelsus: Das Buch Paragranum

Dingen; sie handeln aber nichts. Da liegt ihr anfänge-rischer Einfall, den sie auf den Hohen Schulen pflegenund gebrauchen. Dazu haben sie auch das Nötigstevergessen; sie setzen nur eine Wärme, nur eine Kälte,und müssen dabei doch bekennen, daß es, dieweil esnur eine Kälte und eine Wärme sein soll, nit einerleiKraft habe. Sondern: in der Kälte ist die, in der die(Kraft), in der Hitze das, in der Hitze das; aus der Ur-sache müssen sie fehlen, wenn sie Kaltes wider Heiß,Heiß wider Kaltes gebrauchen. Und was ihnen daringerät, das tut das arcanum, von dem sie nichts gewußthaben. Drum so kann ich billig sagen, daß Glied zuGliede gehöre, nach dem Maße der äußeren und inne-ren Arznei, und nicht Grad zu Grad. So soll eure Arz-nei sein und nicht so, wie euer Einfall ist. Das ist phi-losophia, daß ihr den äußeren Menschen erkennt unddurch ihn den Mikrokosmos. Jetzt kannst du ein Arztgeheißen werden, auf einen Felsen gebaut, und nichtauf einen Sumpf oder Moos, so wie eure Doktrin nacheiner solchen stinkenden Dreckpfütze gebaut ist, undsteht. Pfui dich, du stinkender Bachant aus Meißen,säubere dich einmal und gehe ins Bad.

Nach dem Inhalt und Maß dieser Anatomie sollt ihrdie Krankheiten zu nehmen wissen und dieselbigenwissen zu verstehen und zu erkennen, damit ihr dannwißt, warum der Skorpion das skorpionische Giftheile; darum nämlich, weil er des andern Anatomie

Page 35: Paracelsus - Paragranum

35Paracelsus: Das Buch Paragranum

ist; so ist der äußere Mensch der inneren Anatomie, jeeins die des andern. Denn also heilt Arsenic den arse-nicum, so Realgar realgar, so Herz das Herz, Lungedie Lunge, Milz die Milz; nit die Milz von Kühen, nitdas Hirn von Säuen das Hirn des Menschen, sonderndas Hirn, das des inneren Menschen äußeres Hirn ist.Aus der und dieser Anatomie traktiert die Philoso-phie, und das ist die Philosophie, und ist die Philoso-phie, aus der der Arzt wächst. Ihr lieben Ärzte all, wiegroß ist die Person des äußeren Menschen! Wie großseine arcana, seine Tugenden, Eigenschaften, Wesenund Kraft! Was ist eure speculatio und Invention?Mundificieren, abstergieren, reinigen und abwischen,im Grunde recht zu erkennen, ihr Leib- und Wundärz-te! Hieraus sollt ihr wachsen, hieraus sollt ihr ent-springen, nit aus euern Anfänger-Köpfen, in denennicht ist als Verführung und Irrung. Ihr beide, Leib-arzt und Wundarzt, sollt (beide) aus der Philosophiegehen und im Grunde ungeteilt stehen; allein in derPraktik sollt ihr euch teilen. Aber ein jeglicher Leib-und Wundarzt soll zu beiden Seiten sein und nit ge-teilt als in der Praktik.

Dazu sagen viele: Theophrastus sei kein philoso-phus, sei kein physicus, sei nur ein chirurgicus, (dernoch euer aller Patron und Fürst werden wird). Be-trachtet eure Blindheit im Grunde recht und beurteiltalle Dinge nach euerm Gewissen, so werdet ihr

Page 36: Paracelsus - Paragranum

36Paracelsus: Das Buch Paragranum

finden, daß Theophrastus noch der größte physicusist, der in der physic euch noch alle mit Ruten strei-chen wird. Aber ihr könnt wohl mit den Juden, alldie-weil ihr in der Arznei jüdisch handelt, sprechen, ichsei ein Verführer des Volkes, ich habe den Teufel, ichsei besessen, ich sei aus der Nigromantie belehrt wor-den, ich sei ein magus; diese Dinge all sprachen dieJuden auch zu Christus. Ich bin so viel, daß ihr mirnicht die Riemen vom Schuh auflösen könnt, unddenkt nicht anders: ich sei ein nigromanticus, ein geo-manticus, ein hydromanticus oder ein magus, so wer-det ihr doch unter meinen Füßen liegen; und brauchtall eure Kunst und was ihr wißt, es wird euch allesnichts helfen; ich will euch dem Teufel, den ihr sagt,er sei in mir, heimschicken, denn er gehört euch, nitmir. Es ist aber die Art aller Bescheißer und derBauchpharisäer und Hypocriten, daß ihr euch so be-schirmt und schützt; das in euch ist und damit ihr be-sessen seid, das legt ihr andern auf; doch das hilfteuch nichts, man muß nichtsdestominder, ihr Stadt-esel und Kälberärzte der Fürsten und gloridoctoresauf den Hohen Schulen, eurer Kunst inne werden. Ihrzeugt über euch selbst, daß ihr diejenigen, (die dasHeilen verstehen), seid, und eure Kundschaft ist gutund richtig, denn ihr gebraucht eine ausgeklaubte,auserlesene Büberei; ihr heißt den lapis lazuli die me-lancholia purgieren, den Helleborum das phlegma und

Page 37: Paracelsus - Paragranum

37Paracelsus: Das Buch Paragranum

den Rhabarber die cholera. Wer hat euch gesagt, daßdem so sei? Der Narr sticht euch. Es ist ein klarerHandel: wenn es wahr wäre, was ihr gradiert, compo-niert, ordiniert, wer sollte noch krank sein? Drumaber, weil es nichts ist, wer kann gesund sein?

Damit ich meine Hörer nicht zu lange aufhalte, willich diese meine Philosophie, in der angezeigt wordenist, das sie wissen sollen, beschließen. Wenn sie dieDinge, die darin behandelt werden, nicht in ihnenhaben, sollen sie sich keineswegs unterstehen in dieArznei zu gehen, - und sollen ihrer Lehrer Werk be-greifen lernen, wie die so gar keine Nothelfer inNöten sein und so wenig gesund machen und leider soviel verderben. Und sollen dasselbe allemal in Gedan-ken fassen, auf ihre Lehrer acht zu haben, wie da derfalsche Arzt mitlaufe, auf daß ihr nit in ihre Fußstap-fen kommt; und beurteilt selbst ihre Lehre und laßt siesie nit selbst urteilen, denn sie geben sich nicht verlo-ren, haben allemal recht, und bleibt ihnen allemalRecht über. Ich schreib aber, daß ihr nit verführt wer-det, und bitte euch, lests und durchlests mit Fleiß, nitmit Neid, nit mit Haß, weil ihr doch Hörer seid in derArznei; lernt auch von meinen Büchern, auf daß ihrmein Urteil und das der andern vor euch nehmt, undführt euern Willen nach euerm guten Urteil. Denn solange euch der Grund der Arznei nicht dahin führt,daß ihr die Gleichheit der vier Elemente erkennt, und

Page 38: Paracelsus - Paragranum

38Paracelsus: Das Buch Paragranum

sie nicht als den Mikrokosmos findet und haltet, solange könnt ihr nit zum Grunde kommen. Denn ihrhabt das Metall im Wasser, ebenso habt ihr auch inder Erden Metalle, ebenso im Feuer, ebenso auch inder Luft. Ihr habt mercurius, das ist Quecksilber, imWasser und einen gleichen mercurius in der Erden,das ist sanguinea, und einen gleichmäßigen mercuriusim Feuer, das ist der mercurius an sich selbst, und inder Luft einen solchen, manna. Also sind viererleimercurii, vielerlei Metall, und sind doch im Menscheneinerlei Wirkung. Denn viererlei ist der Mensch, vie-rerlei die Arznei, je Glied auf Glied; so findet ihr vie-rerlei Schnee, viererlei Melissen, viererlei thereniabin,viererlei der Amethysten. Und es sei denn Sach, daßihr in diesen Dingen wohl unterrichtet seid, sonst wer-det ihr, ohne betrogen worden zu sein, und ohne Ver-führung durch eure Fakultät, nicht vollenden. Dennihr müßt die viererlei Chelidonien, die viererlei Ver-benen, die viererlei Angelica, anthos, antheras wissenund kennen. Wenn ihr die wißt, so könnt ihr vollkom-men und wohl in die Arznei gehen, denn hierin liegtdie Erkenntnis des Herzens, der Leber, der Milz, derNieren, des Hirns und aller Teile im Leibe. Es wirdbei euch keine Wahrheit gefunden werden, wenn ihrnit der Figur folgt, welche die Natur gezeichnet hat.Denn ihr seht, daß nichts im Menschen liegt, dasnicht außen an ihm bezeichnet ist, seine Treu, sein

Page 39: Paracelsus - Paragranum

39Paracelsus: Das Buch Paragranum

Falsch usw., - die Natur zeichnet ihn. Nun ist sieaber so subtil, daß sie solche doctores und Lehrer,Meister und andere dergleichen nit am Leibe zeichnenkann; Ursach: sie sind nimmer in der Form, demModel, in der Mutter. Sollten sie mit solcher ihrerPhantasei und Narrenfakultät geboren werden, manwürde Wunder von seltsamen Figuren sehen, wie dieNatur sie seltsam bezeichnen würde. Nun aber, damitsie nicht unbezeichnet bleiben, und weil sie doch nitim Mutterleib liegen, so zeichnet sies durch die magi-ca so: sie legt ihnen Kleider, Kappen an usw., wo-durch sie Narrenzeichen tragen, und nit allein Narren-zeichen, sondern auch Bescheißerzeichen; das sinddie pharisäische Kleidung, Ornamente, fimbriae oderKrausen, Ringe und anderes solches Spengelwerk,Bulletten oder Kapseln, Barettlein, Narrenkappen;welche äußere Zierden nit aus dem Grunde der Arz-nei, sondern aus dem Grunde des Lichts der Natur,die ihre entlaufenen Narren also zeichnet, kommen.O, liebe Freunde, die Natur zeichnet den Menschenund das ist wahr; aber ein Großes ist es, daß sie ihreZeichen so gut verbergen können und nehmen andereund anderes an sich. So sie zum zweiten Male von derNatur auf ihre Kunst, Weisheit und was sonst inihnen wäre, und was sie sonst wissen und können, dieForm nehmen, ihr würdet wunderliche Figuren sehen;seltsamere monstra würde Arabia, über alle

Page 40: Paracelsus - Paragranum

40Paracelsus: Das Buch Paragranum

Kameltiere und Büffel hinaus, nit haben. Es würdenFiguren zerfließen, bis ein Jeglicher sein Zeichenhätte, denn es sind wohl sehr viele dieser Gäuche; eswäre ein groß Verwundern, dem der es erkennenwürde. Die magica aber macht es kurz, hängt ihnenKappen an und läßts dabei bleiben; es ist einem jedenNarren genug an seinem Kolben oder an der Kappe.

Page 41: Paracelsus - Paragranum

41Paracelsus: Das Buch Paragranum

Der zweite Traktat, von der Astronomia

Wenn nun der Mensch in seiner Zusammensetzungin jeder Hinsicht betrachtet werden soll, so wisseterstlich zu erkennen, wie ihr die corpora des Firma-ments im Leibe des Mikrokosmos nach ihrer Stattverstehen sollt. Denn die astra im Leibe haben ihreEigenschaft, Art, Wesen, Natur, Lauf. Stand, Teilgleich den äußeren, allein in der Form von jenen un-terschieden, das ist: in der Substanz. Denn so wie esim Aether ist, so ist es im Mikrokosmos, und in derNatur sind beide ein Ding und ein Wesen. Und weiles meine Absicht ist, die Orte der Planeten und Ge-stirne des ganzen Firmaments, welche ein Arzt wissenmuß, zu traktieren, drum traktier ich hier allein dieAnatomie beider Wesen, der Orte und der Natur; au-ßerhalb dieses ist es nicht möglich, einen Arzt zuloben. So wisset, daß das Gestirn im Himmel keincorpus hat, denn es liegt weder noch hängt, nochsteht, noch liegt nicht, sondern wie eine Feder frei inder Luft schwebt, so auch das Gestirn. Im Menschenist es auch so, das ist in der Natur und im Lauf dersel-ben zu erkennen. Obwohl eins am andern hängt undes ein corpus ist, denn es steht, liegt und hängt usw.,so soll doch dieses Anhangen von einem Arzte sowenig beachtet werden, als wäre es nit, denn es gibt

Page 42: Paracelsus - Paragranum

42Paracelsus: Das Buch Paragranum

es allein die irdische Art. Dem Arzt aber soll in dieserBeziehung nichts Übriges beachtbar sein, sondern ersoll allein die Anatomie erkennen: als wäre gar nichtsda, daran es hinge oder stünde. Sondern so, wie imHimmel alle Sterne frei stehen und an nichts hängen,so soll der Arzt ihre Anatomie im Menschen auchwissen, und nit vom Anhangen plärren: das hängt andem, das an dem, das sitzt auf dem, das auf dem;diese Dinge sind localia non pendentia, sie fördernkeinen Arzt, sie hindern aber. Ob schon so viel ge-spürt wird, daß du finden kannst, daß aus einem cor-pus in das andere eine Ader geht, und die selbe Aderhängt und führt von einer Substanz in die andere,sollst du es doch nit so auffassen, sondern du siehstim Himmel, daß ein Stern den andern tingiert und hatdoch keinen körperlichen Gang einer Ader an sich,wisse dasselbe im Leibe auch, so daß du dir die sicht-baren Gänge, Adern usw. vornimmst; sondern das,was einem Arzte zu wissen dient, ist nichts als alleindas, was ihm der Himmel zeigt. Das ist: wie dieSonne ohne ein corpus und Substanz durch ein Glasscheint, so verhalten sich die Gestirne gegeneinander,und also auch im Leibe. Und das, das nit corpus ist,dasselbe ist die Krankheit, und das, das corpus ist, istnit die Krankheit.

Die Luft seht ihr, und meint, daß sie ein corpus desFirmaments sei, denn sie steht in ihm. Sie ist aber

Page 43: Paracelsus - Paragranum

43Paracelsus: Das Buch Paragranum

kein corpus und doch die, die das Gestirn trägt, undniemand kann sie angreifen. Es ist vielmehr die Naturund das Mysterium derselben, daß das Chaos das Ge-stirn hebt und trägt, Sonne und Mond. Wir sehen die-sen Stuhl und diesen Träger nit. Nun ist der Eierdottergleich dem Gestirn zu verstehen, derselbe wird vomEierklar getragen, das ist seine Luft. Nun ist aber dasEierklar sichtbar und greiflich; es ist so in der Naturgeordnet, daß das Chaos im Ei sichtbar sein soll, imGestirn unsichtbar. Und ihr sollt wissen, daß von derSpaer Erde und Wasser nichts anderes zu verstehenist; die selbe ist rund und niemand sieht es, was sieträgt. Und wir, die Erde und Wasser tragen, gehen indem und wandern in dem, das sie trägt; das ist, wirgehen im Chaos, welches Chaos die selbige Sphaerträgt, daß sie nicht fallen kann. Sowenig wie ein Dot-ter im Ei, das kann sich nicht verrücken, nach keinerSeite, sondern muß inmitten seines Klars liegen blei-ben. Wie der Dotter gezwungen wird im Klar zu lie-gen, aus derselben Kraft wird auch die Erde und ihrWasser gezwungen, dermaßen unverrückt in ihremKlar zu bleiben, und das Klar ist lauter und klar, undniemand sieht es, niemand greift es, es ist aber da undist der selbe Klar, der die Erde trägt, und ist dasChaos. Im selbigen wandern wir gleicherweis, wie einHühnlein aus dem Klar schlüpft, nicht aus dem Dot-ter, und sein Leben ist im Klar und sein Wandern im

Page 44: Paracelsus - Paragranum

44Paracelsus: Das Buch Paragranum

Klar, und es wird und lebt im selbigem. Gleicherma-ßen sollt ihr auch wissen, daß wir Menschen wie einHühnlein in diesem Chaos wandern und leben. DemHühnlein ist das Chaos beschaffen auf seine Art, demEierdotter auf seine Art, und dem Menschen auf seineArt. So bleibt das Ei in seinem Klar ein Ei, und dieErde in ihrem Chaos eine Erde. Drum wißt, weil dieStätte in diesen Dingen so viel besagt, und der Orteinen Unterschied macht, und es ist doch ein Ding,das Ei und die Welt, und sind hinwiederum zweierlei,daß wir solchergestalt auch den Mikrokosmos in demverstehen, wenn ich ihn setze, daß er von der Luft unddem Gestirn gesetzt sei, das ist, das selbige selbst zusein. Nämlich, im Menschen sind Sonne und Mondund alle Planeten, desgleichen sind auch in ihm alleSterne und das ganze Chaos. Von diesen Dingen ge-lüstet es mich weiter zu schreiben.

Ihr wißt, daß der Himmel in uns wirkt; nun müßtihr wissen, wie er in uns wirkt. Von oben herab dieSonne wirkt durch eine Mauer nicht, sie wirkt alleindurch das ihr Verordnete, das ist durch das Fenster,das in der Mauer steht. So auch die Luft, die mußdurch Fenster ausund eingehen; in verschlossenenDingen wird keine Arbeit des Gestirns vollbracht.Wenn nun ein Fenster sein muß, so wisset, am Men-schen auch; der ist in die Haut eingeschlossen und dieHaut umgibt ihn, und so kann das Gestirn nichts in

Page 45: Paracelsus - Paragranum

45Paracelsus: Das Buch Paragranum

ihm wirken. Aber warum und wie es in ihm wirkt, daswißt! Gleicherweise wie die Sonne durch ein Glas ineinen Palast und in einen Saal scheint und verletztdasselbe nicht, so geht es in den Leib hinein. Undweiter wie das Glas den Sonnenschein bricht, daß ernicht vollkommen ist, als außerhalb des Glases, so istauch ein solches Mittleres zwischen dem Gestirn unddem Menschen, das dasselbe in seiner Wirkungbricht. Und wie ein Vorhang vorgehängt wird, so istder Mensch in seinem Willen auch gesonnen, solchein Werk hin zu tun und zu verhängen.

Nun aber weiter: es muß etwas im Leibe sein, dasdie Gestirne annimmt, wenn sie in den Leib wirken.Denn wenn nichts im Leibe wäre, das dasselbige an-nimmt, so könnte das Gestirn nicht hinein. Zum Bei-spiel: die Erde nimmt die Sonne an; Ursach: es isteine anziehende Kraft in derselben, die die Sonne an-zieht; denn wie ihr seht: die Erde nimmt den Regenan, die Felsen nehmen ihn nicht an; der Erde ist ernutz, den Felsen nicht. Also: wenn im Leibe der Leibgegenüber dem Gestirn ein Fels wäre, so wäre derHimmel dem Leibe umsonst, wie der Regen dem Fel-sen. Nun ist es aber nicht so, sondern der Leib ziehtden Himmel an sich. Was das nun aber sei, das ihn ansich zieht, - das alles ist eine große göttliche Ord-nung. Wenn der Mensch aus den vier Elementen ge-kommen und gesetzt ist, nicht der Zusammensetzung

Page 46: Paracelsus - Paragranum

46Paracelsus: Das Buch Paragranum

nach, wie etliche sagen, sondern in ihrer Natur, Lauf,Wesen, Früchten, Eigenschaften usw., so ist auf daszu wissen, daß im Menschen der junge Himmel liege;das ist: alle Planeten haben im Menschen das gleicheAnsehen und Signatur und ihre Kinder, und der Him-mel ist ihr Vater. Denn der Mensch ist nach demHimmel und der Erden gemacht, denn er ist aus ihnengemacht. So er nun aus ihnen gemacht ist, so muß erseinen Eltern gleich sein, ebenso wie ein Kind dasseines Vaters Gliedmaßen alle hat. So hat sie derMensch seinem Vater gleich; sein Vater ist Himmelund Erden, Luft und Wasser. Weil nun sein VaterHimmel und Erden sind, so muß er alle ihre Art habenund alle ihre Teile, und nit eines Härleins mangeln.Aus dem folgt nun, daß der Arzt wissen soll, daß imMenschen Sonne, Mond, Saturn, Mars, Merkur,Venus und alle Zeichen, der arktische und der antark-tische polus, der Wagen und alle Viertel im Tierkreisesind. Das muß der Arzt wissen, wenn er vom Grundder Arznei reden will; wo nit, so ist er nix als ein kla-rer Bescheißer und arzneiet wie ein Bauer, der Kolo-quinten in Wein hängt und alle Menschen damit heilt.Mit der Vernunft, mit der derselbe das tut, tuts auchder Avicenna.

Soll es denn ein Kleines sein zu betrachten, daß einMensch nach seinem Vater angesehen und anatomiertwerden soll, und nicht außerhalb desselben, sondern:

Page 47: Paracelsus - Paragranum

47Paracelsus: Das Buch Paragranum

wie der Vater ist, so ist auch der Sohn mit der Leber,Milz, Hirn usw., und wie eins, so das andere usw.Wie kann sich denn der Arzt mit der bachantischenLehre der Anatomie Galens usw. genügen lassen undsich auf ihre Bücher fundieren und gründen da dochweder Anatomie noch anderes in ihnen betrachtetwird, sondern der rechten Anatomie eitel widerwärtigeDing. Auf solches ermahn ich alle, die da von derArznei etwas wissen oder in der Arznei etwas lernenwollen, daß sie vor allen Dingen den Vater des Men-schen erkennen, wer derselbe sei und wie er sei, aufdaß, wenn der Vater recht erkannt wird, der Sohn wei-terhin desto leichter zu erkennen sei. Denn der Sohngibt sich ohne den Vater selbst nit zu erkennen, undder Vater offenbart den Sohn, der Sohn aber sichselbst nit. Da nun der Vater den Sohn offenbart, sooffenbaren auch Himmel und Erden, Wasser und Luftden Menschen, denn sie sind der Vater. Und wenn derVater der Offenbarer des Sohnes ist, wie kann der einArzt sein, der nit der Astronomie durch und durch er-fahren und wohl gegründet sei? Und nit in allen Din-gen, wie sie am selbigen Ort zu erfahren die Notdurfterfordert. Ist es nun unbillig, hierauf den Avicennaund den Gugelmann Galen usw. Trusianus, Gentilasusw. zu verwerfen, die aus nichts als aus ihrem eige-nen phantastischen Kopfe reden, und ihr Ding nichtauf die Probe führen können und mit nichts als ihrer

Page 48: Paracelsus - Paragranum

48Paracelsus: Das Buch Paragranum

eigenen Autorität bewähren. Weil ein Arzt mit nich-ten etwas schreiben oder lehren oder gebrauchen soll,es sei denn in der Natur auf das höchste zur Probe ge-bracht und angezeigt gefunden worden und darin, inmaßen wie oben steht, gegründet worden, - und dieseLeute wollen hindurch fahren und das verachten, dassie im Anfang wissen sollen. Was soll ich anderesvon ihnen sagen als das, was alle meine Bücher ihnenmit Schelten und Lehren und anderer Wege Aufzeigenoffenbar machen. Nun aber weiter, so wißt in diesenDingen, daß der Himmel, wie ich anfänglich ange-zeigt habe, dermaßen von dem Arzte verstanden wer-den soll, wie er an sich selbst ist. Und wie er an sichselbst ist, so ist der Mensch in seiner Anatomie. Ausdiesem geht nun die Anatomie des Menschen an, undes ist nur ein Teil derselben, den ich da vermelde,denn die Luft ist ein zweiter Teil, und beide sind hierein Teil. Durch diese Erkenntnis müßt ihr mir, ihrÄrzte all, und ich werd es erleben, daß ihr alle hierinmit euerm Büchern Astronomie, Philosophie, Theorie,physica usw. wie ein Vogel im Strick erwürgen wer-det. Und wie ein Hirsch im Sprung, da er am hoffär-tigsten und am stolzesten ist, in das Garn fällt, sowerdet ihr mit euern Hörnern, die euch noch nit abge-stoßen worden sind, in die Pfütze fallen, in der dieBachanten ihr Begräbnis haben.

Nun weiter, wenn im Menschen die Kinder der

Page 49: Paracelsus - Paragranum

49Paracelsus: Das Buch Paragranum

Ascendenten, das ist des Gestirns, liegen, und glei-cherweise, wie Adam seinem Vater gegenüber zu ver-stehen ist, das ist Himmel und Erden gegenüber, wiealso gegenüber seinem Vater der Mensch eine andereForm an sich hat und doch sonst in nichts unterschie-den, als was die Augen geben und anzeigen, - so sindauch die Gestirne im Menschen, und so wird derMensch von viel tausend Vätern und von so viel tau-send Müttern gesetzt, und alle Wirkung, so Vater undMutter (in das Kind) haben und gebrauchen, die wer-den auch in den Kindern sein. Sie würden denn anderserzogen, sonst werden sie den Eltern nachschlagenund deren Einwirkung, die ihr impressiones heißt,vollbringen, - und sind dermaßen impressiones, wieein Vater, der sein Kind nach seiner Art und nach sei-nem Willen zieht; das selbige ist impressio, a patreinfluentia. So ist hie an dem Orte der Himmel nichtanders als ein Vater zu seinem Kinde. Und wie einKind sich selbst anders ziehen und anders lernen oderdurch andere sich in andere impressiones werfenkann, so hier auch. Das ist von den mysteriis gesagt;aber was die arcana anbetrifft, so lebts im gezwunge-nen Erbe. Das ist: kein Kind kann das geringsteGlied, das es von seinem Vater hat, von sich werfen,weder Nasen noch Augen, Ohren, Zähne, Herz,Lunge, Leber usw., sondern es muß diese Ding behal-ten. So nun, wie diese Dinge im Menschen erzwungen

Page 50: Paracelsus - Paragranum

50Paracelsus: Das Buch Paragranum

werden zu sein, so sollt ihr auch wissen, daß die Men-schen durch diese Dinge der Hunger und der Durstanfällt, und sie also den Durst und Hunger vom Vatererben. Wenn nun der Sohn also gegen den Vater undder Vater gegen den Sohn ist, so wißt, daß die Gestir-ne so im Menschen sind, daß sie den Himmel in sol-cher Anatomie erben und aus ihm essen. Daraus folgtnun: wie der Mensch ein Teil von der Erde ist unddarum aus der Erde essen muß, desgleichen ein Teilvom Wasser, drum er vom Wasser trinken muß, undvon der Luft ein Teil, weswegen er sie haben und ansich ziehen muß, so wißt, daß er dermaßen die anzie-hende Kraft des Himmels in sich hat. Aus dem folgtnun, daß die inneren Ascendenten, signa, Planetenusw., wenn sie im Laufe des Mikrokosmos herrschen,und in die Begierlichkeit des äußeren Firmamentskommen, und an sich ziehen, wie die Erde denRegen, - ist dieses Anziehen vom Himmel aus ge-sund, ist es gut, wo nicht, so ist es Gift. Wie einer,der auf seinen Acker Gänsedreck schüttet, der ver-derbt ihn, so verderben auch hier die Krankheitenvom Himmel, und nicht allein die Krankheiten, son-dern auch die Gesundheit. Denn gleich wie die Krank-heit kommt auch die Gesundheit von außen, denn wirsind nicht zur Gesundheit geordnet, und auch nichtzur Krankheit, sondern wie der Lauf es findet undführt, gesund oder ungesund, so ist er; diese Dinge

Page 51: Paracelsus - Paragranum

51Paracelsus: Das Buch Paragranum

stehen alle in der Gewalt der Konjunktionen. Wissetin allen Dingen, daß wir die anziehende Kraft von denäußeren viel tausendfältig in uns haben, denn unzähl-bar ist der Vater des Menschen in seiner Zahl, undunzählbar die Kinder dieses Vaters im Menschen.Und gleicherweise wie ein Vater ist, der uns geschaf-fen hat und uns unsere Ordnungen gesetzt und demwir gleich sehen, so sind wiederum in der Natur, ausder wir geschaffen sind, so viel wunderbarlicher, un-zähliger die Väter. Denn keine Zahl ist weniger denneins, weniger kann nichts sein; die letzte und höchsteZahl aber, wer weiß sie? Oder wer ist der Zahlen anein Ende gekommen? So unmöglich es ist, wenigerals eins zu zählen, so unmöglich ist es, das Ende derZahlenreihe zu zählen, denn das Ende ließe nicht zu,darüber hinaus zu zählen. Wer weiß das Ende? Sohoch und so groß ist der Mensch geschaffen, daß erein Mensch ist und nicht weniger sein kann, und ist inder Natur mit trefflichen Vätern und Kindern so ver-sorgt und geschaffen, daß ihre arcana, mysteria undmagnalia ohne Zahl sind und keine (feste) Zahl da ist.Drum verweise ich nit ohne kleine Ursache die lügen-haftigen Skribenten und doctores, Meister und andereÄrzte, welche die Kunst der Arznei so leicht mit vie-rerlei Dreck ausmachen wollen, dem Feuer zu. In die-sen Drecken sollt ihr ertrinken und erwürgen, einer inder cholera prassina, der grünen cholera, der andere in

Page 52: Paracelsus - Paragranum

52Paracelsus: Das Buch Paragranum

der cholera vitellina, der fleischfarbenen cholera, dernächste in der cholera adusta, der braunen cholera, dernächste im phlegmates salso, dem salzenen phlegma,und eure Seelen müssen im Dreck vaticinieren undmit den Mücken um den Arsch fliegen.

Aus diesem Denkgrunde ist es auch notwendig zuverstehen, daß der große Mensch auch und ebensowie der kleine krank liege. Aber der kleine wirkt nichtin den großen ein, sondern der große allein in denkleinen. Hieraus ist nun die Möglichkeit der Vorher-sage zukünftiger Krankheiten, die den Aether betref-fen, zu folgern, Nun ist einem Arzt so viel davon zuwissen not, daß die oberen Zeichen unüberwindlichund sich selbst tödlich sind, und alsdann die Krank-heit des Menschen der Arznei unterworfen sein soll;wo das nit ist, da ist der Himmel selbst seine Arznei.Denn deshalb wird das hier geschrieben und ange-zeigt, daß man weiß, daß viele Krankheiten gearzneitwerden, die der Himmel selbst versieht, und keineArznei. Denn wie groß meint ihr, sei das Irrsal, wennder Himmel einen krank macht, und der Arzt fällt ihmdarein und will diese Krankheit gesund machen undsie ist doch allein dem Himmel anbefohlen. Dennunter den himmlischen Krankheiten werden zweierleiverstanden: die der Arznei unterworfen sind, und dieihr nicht unterworfen sind. Die ihr unterworfen sind,- das kann allein die Krankheit sein, die der Himmel

Page 53: Paracelsus - Paragranum

53Paracelsus: Das Buch Paragranum

vergiftet hat und läßt es so stehen, fährt fort und heiltda nix mehr, nimmt sichs auch nicht an, da weiteretwas zu bösem oder zu bessern, sondern legt seineImpression danieder, und läßt es also gut sein. DieKrankheit aber, die nit der Arznei unterworfen ist, istdiese, die der Himmel in seiner Gewalt behält unddieselbe nit aus seiner possess, seiner Gewalt entläßt,sondern - sie sterben oder genesen, so ists allein derHimmel, der es tut. Drum wißt, daß solche Krankhei-ten, die der Himmel nit aus seiner possess entläßt, derArznei nit unterworfen sind und nicht gearzneit wer-den sollen. Auf solchen Unterricht hin ist von nöten,daß ein Arzt wisse, was der Arznei und was nicht demArzte zuzuweisen ist. Denn arzneit er eine Krankheit,und dieselbe Krankheit ist noch in des Himmels Ge-walt, so wird er sie dem Himmel nicht nehmen kön-nen. Der Himmel ist Meister, der Arzt und der Hen-ker. Das aber sieht fest: wenn der Arzt an dem Ortdem Himmel in die Arznei fallen wird und sich unter-stehen, den Kranken nach seinem Sinn zu meistern, soist all seine Arznei vergebens und dem Kranken einGift. Von solchem Gift meint ihr Ärzte: es sei nie not,daß ichs euch hier anzeige, alldieweil ihr darein fallt,wie der Bauer in eine Pfütze. So ihr des Himmels Artnicht kennt, so laßt den Himmel stehn und laßt ihnbei seiner Wirkung beruhen. Denn wann er selbst vondem Kranken abläßt, so verderbt ihr in der Zeit den

Page 54: Paracelsus - Paragranum

54Paracelsus: Das Buch Paragranum

Kranken, daß hernach derselbe vom Himmel ledigund gesund wäre, aber von euch nit, sondern ihr habtihn gewürgt und ihm eine längere Krankheit gemacht,als sich der Himmel vorgenommen hatte. Wenn ihrnun das alles nicht wißt, was arzneit ihr?! Oder wasist euer Grund, daß ihr für und für so blind in denDingen handelt und euch aus solchem Unverstand zurMörderei richtet und zieht? Solcher Erkenntnis in denDingen dürft ihr nicht mangeln, denn wo sie nicht istund dies Wissen mangelt, am selbigen Ort wachsendie Ärzte, die da ihre Kirchhöfe füllen, wessen diedoctores und die Meister von den Hohen Schulen sichgebrauchen, von denen keiner etwas ist, er habe dennviel Kirchhöfe gefüllt. Und wann er alle Kirchhöfegefüllt hat, so kann er noch nichts, und füllt weiternicht allein die Kirchhöfe an, sondern die Felder unddie Gärten, - und sie morden, was sie berühren.

Ich achte, daß es ein guter Grund sei in der Arznei,wenn einer seine Arznei versteht, auf daß er aus derleiUnwissenheit und Mörderei keinen Kirchhof macht.Urteilt nun: wie recht die haben, die mir meinenGrund der Arznei umstoßen wollen, ob sie oder ichnach Mörderei ringen oder stellen, - oder welcherunter uns am besten bestehen wird, wenn es auf dieWahrheit der Kunst ankommt.

Es nimmt sich ein weiterer Grund aus der Astrono-mie, wenn Krankheiten entstehen durch infectiones

Page 55: Paracelsus - Paragranum

55Paracelsus: Das Buch Paragranum

der andern Elemente, indem diese in gleicherweisewie der Himmel wirken als die andern Teile undVäter der Menschen. Wenn der Himmel nicht erkanntwird, so können sie auch im Grunde ihrer Natur nichtverstanden werden. Denn es geschieht, daß eine Arz-nei oft Gift ist, oft in einer Krankheit, in einer StundeArznei, das darum, weil der Himmel die Arznei innehat und sie regiert. Weil er sie nun regiert, so ist der,der regiert, als mehr anzusehen denn der, der da re-giert wird, darum, daß der regiert wird, durch den er-kannt werde, der ihn regiert. Daraus folgt nun, daß nitdie purgantia die Krankheiten wegnehmen noch diedigestiva die Krankheiten digerieren oder verteilen,und dergleichen andere gradus, qualitates und com-plexiones. Denn diese Dinge der Schule sind allefalsch. Aus dem folgt, daß man wissen soll, wie derHimmel die Krankheit und wie er die Arznei regiert.Denn ein Mal, wie oben steht, regiert er die Krank-heit; so auch regiert er die Arznei der anderen Ele-mente. Ursach: sein sind die arcana, und weil sie seinsind und sein ist die Impression und sein die Genera-tion, so ist darauf weiter zu verstehen, daß man wis-sen müsse, wie die impressio sei oder gehe. Dennwenn es in diesen Punkten fehlt, so sagt ihr, die gra-dus seien nicht recht in Ordnung gewesen oder ande-res dergleichen Lappenwerk, oder ihr wäret zu spätgekommen, so doch kein anderer Fehl ist, denn daß

Page 56: Paracelsus - Paragranum

56Paracelsus: Das Buch Paragranum

ihr mit euerer Meinung, die gradibus seien zu erken-nen, falsch seid, und daß ihr besser die Revolutionund die Operatin des Himmels erkennen solltet. Ver-steht: in der bursa pastoris, dem Hirtentäschel, ist dieKraft das Blut zu stellen, die dysemeriae usw., auchdas Menstruum. Nun ist auch die in ihr, den fluxumventris, den Bauchfluß, zu bringen und das Blut nichtzu stellen, sondern öfters es zu provozieren, und der-gleichen begibt sich viel in andern Dingen, die pur-gieren sollen und oftmals restringieren, das ist zu-rückziehen, und also widerwärtig und als ein Wüten-des erscheinen. Wess' ist diese Schuld? Allein desHimmels, der in diesen Menschen so, in jenen so er-scheint, der den so, den so führt, und die Arznei indem so, in dem so vollbringt. Denn da liegen alle ope-rationes und alle Tugenden der Arznei in der Führungdes Himmels, je nachdem er sie concordiert und coni-ungiert. Concordiert er sie nit recht, so wird sein Vor-nehmen nicht vor sich gehen. Es liegt daran, daß du indiesen Dingen allen beachtest, wie du die Arznei er-kennst und in deinem Vorhaben gebrauchst, daß duden Himmel in beiden Richtungen bestimmst, einmalin der Krankheit und einmal in der Arznei. Denn dieKräfte, wie sie dir der Plinius beschreibt, Dioscorides,der Macer usw. werden dir nicht so zu Willen sein,wie dirs der Buchstabe anzeigt. Denn Plinius hat dasselbe unverständig, nach Art der Experimentier, die

Page 57: Paracelsus - Paragranum

57Paracelsus: Das Buch Paragranum

keinen Arzt geben kann, geschrieben, sondern derGrund soll den Arzt geben, wie ich es euch hier anzei-ge. Wenn ihr wißt, was in einem Kraut ist, so wißt ihrnoch nichts. Ihr müßt auch wissen, wie sich die Kraftin diesem Kraut vollenden wird und wie sie ihrenLauf begehre und wie sie im selbigen geführt seinwill. Denn wenn du das nicht kannst, ist all dein Dingvergebens und ist nichts, dann stehst du Arzt da wieein Güli und ein Narr. Wenn es nichts hilft und nichtsnutz ist, so verwunderst du dich wie über ein Meer-wunder, und sprichst: Bei Gott, da und da stehts ge-schrieben, da und da hat es das getan; es muß einePlage von Gott sein, denn meine Kunst ist stets ge-recht. Das macht, daß du ein Narr bist, weißt derNatur Concordanz nicht.

Weil nun so viel am Himmel liegt und am Wissenum seine Wirkung in der Arznei, worin er so gewaltigist und regiert, so ist es von nöten, daß allein derGrund, den ich setze, beachtet werde und kein ande-rer, und daß die allen Skribenten in das Feuer gewor-fen werden. Denn wer will sich mit den Lügen desPlinius trösten und wer will seine Hoffnung in dassetzen, was Dioscorides, Macer und andere Naturali-sten schreiben, die da solche Tugenden in das, solchein das, da so viel, da so viel setzen. Nun ist es so: ineinem Kieselstein sind saphirische Kräfte, auch rubi-nische; daß sie gefunden und bekannt werden und sich

Page 58: Paracelsus - Paragranum

58Paracelsus: Das Buch Paragranum

bewähren, liegt an dem Laufe des Himmels. Ebensoliegt es auch im Saphir und Rubin an dem Laufe desHimmels; gefällts dem Himmel und ist es sein Lauf,so ist die Kraft in den Steinen; gefällts ihm nit, so istsie nit da; das ist: wenn seine Concordanz, nicht daist. Nun auf Grund solcher Irrgänge und des Unwis-sens, daß die Ärzte das nicht gewußt und der Kunstzu wenig gehabt haben, haben sie den Himmel in sei-nem Lauf stehen lassen und haben ihre Rezepte kom-poniert, und alle Komponierung der Rezepte ist einefalsche Arznei und eine falsche, betrogene Kunst, undist nichts denn eitel Irrung und Lügnerei bei allenSchreibern, vom ersten bis zum letzten. Denn als dieÄrzte aus des Himmels Lauf gekommen sind, dahaben sie in der Verzweiflung solche Phantasien er-dacht und solche Lappenregel und Kapitel gemacht.Aber die rechte Kunst der Arznei will nicht so einge-führt werden, sondern sie will, daß das simplex demLauf gemäß gegeben werde; so aber wächst die Arz-nei in allen Gärten. Als aber das Wissen und dieKunst bei den Ärzten erloschen war, da mußte manüber Meer fahren und von allen Ländern Arznei brin-gen, in der Meinung, was dort, sei auch hier gut. Sosind die Apotheker entstanden, und dieweil Apothekerund Mörser sind, dieweil ist keine andere Kunst in derArznei als Schützerei, Filzerei und eitel Bachanterei.Das ist Bachanterei, das da außerhalb seiner rechten

Page 59: Paracelsus - Paragranum

59Paracelsus: Das Buch Paragranum

gebürlichen Kunst gebraucht wird. Auf solches be-denkt euch alle, ihr Ärzte, wie ihr dies verantwortenwollt, das ihr selbst sagt, daß etwa ein Ding hilft,etwa nit, - aus was Ursache das geschehe. Wenn ihrdas wißt, da wißt ihr auch, das ich euch hier vorhalte,und alsdann könnt ihr euch auch der Kunst vertrösten.Denn was ist das, das der Plinius usw. viel geschrie-ben haben, und andere mehr? Es ist wahr, und istnoch viel mehr dazu, nit allein in den selben, sondernauch in anderen Dingen der Natur mehr, in denenauch solche Kraft innen ist. Das selbige zu wissen istkeine Kunst; das ist die Kunst, daß die Wirkung ge-schehe. Darin liegt der Kern, nit am Wissen, sondernam Vollbringen; das ist die Kunst des Arztes. Aussolcher Kunst treibt hypericon, das Johanniskraut,ascarides, die Spulwürmer, aus, und ein andermal ver-mes, Würmer, ein andermal serpentes oder Schlangen,usw.; so wirkt Eisen mit der Kraft des Goldes, unddie Amethysten haben die Kraft der Perlen, und derMarmor wirkt wie ein Hyacinth. Das ist die himmli-sche Wirkung und so gibt es der Dinge noch vielmehr, die ich De potentia astronomica beschreibe.Aber um hier den Grund anzuzeigen, auf dem ein Arztstehen soll, ist genug angezeigt worden, damit dieHörer der Arznei sich erinnern und erkennen, was derGrund der Arznei sei und was nit, und auf was dieArznei gesetzt sei und wie sie gebraucht und geführt

Page 60: Paracelsus - Paragranum

60Paracelsus: Das Buch Paragranum

werden soll.Ein jeglich Ding, das in der Zeit steht, das stehet

im Himmel; daraus folgt nun die Fäulung, die Zerge-hung des Dinges und die andere Geburt. Wenn derHimmel ausgelaufen ist, in der selbigen Constellation,faulen die corpora; wenn er aber nit ausgelaufen ist,so bleiben sie und warten seines Auslaufens. Drum sofaulen alle Dinge nach dem Laufe des Himmels undnit im Lauf; so zergehen die Dinge so verschwindensie, so gehen die Würmer in den faulen Dingen an.Denn ohne diesen Ablauf wächst kein faules Ding,wächst auch kein Wurm. Der Ursprung der Würmer:sie kommen aus dem Lauf und werden aus einer jegli-chen faulen materia, wenn der Lauf vorüber ist. Undsobald eine andere Gebarung als die der Würmer an-geht, so wißt, daß der Arzt den Himmel und nit dascorpus betrachten soll. Weil nun die Kur aus demHimmel geht und das simplex wird aus dem Himmeldaher geordnet, warum sollt ihr dann denen, die vomHimmel nichts wissen und in der Erde liegen und die-selbe nit verstehen, nie drein reden?

Da ist auch der Bestand der Heilung zu betrachten.Je darnach du an dem Ort den Himmel einführst, dar-nach ist die Arznei beständig und demnach wirkt sie.Ist dein Wirken wider den Himmel und flickst nur ausder Kraft der Erde und nicht aus dem Betrachten desHimmels, so bricht deine Arbeit alle wieder auf, und

Page 61: Paracelsus - Paragranum

61Paracelsus: Das Buch Paragranum

ein Schneider macht bessere Arbeit als du. Weshalbauch ein Jahr mehr Glück zum Heilen als das andereJahr hat, eine Zeit über die andere, eine Zeit nützer alsdie andere ist. Wenn du solches nit weißt, was meinstdu, daß du für ein Arzt seiest? Nichts als ein Rump-ler, der von ungefähr hinein fällt, gerat es oder gerates nicht. Es ist einmal geraten, es muß zum andernMale auch geraten; das ist dein Fundament. Vielesind, die der Himmel heilt, und die du deiner Arzneizulegst, viele, die dir der Himmel verderbt, und deineArznei nützt nichts, und du wähnst, es habe eine an-dere Ursach. Soll es mir dann unbillig sein, daß ichdir dein Lappenwerk anzeige, und daß dein modusmedicandi nichts tauge und falsch sei. Es ist gleichwie einer, der da fischen will; wie es glückt, darnacherntet er. Auf solchen Fischergrund setzt ihr Ärzteeuern modum practicandi, und glaubt, es sei kein bes-serer auf Erden je gewesen, und ihr wollt nicht beden-ken, daß je und je, was auf den Grund gebaut wordenist, nichts als ein irriger, falscher, beschissener Bauund nichts Wahrhaftiges daran ist, es gerate denn vonungefähr. Drum liegen alle Gassen, Spirale, Häuser,Winkel voller Kranken. Wäre eure Praktik wahr, sowie ihr ausgebt, so wäre der Kranken keiner auf denGassen. Weil es aber nichts als ein Beschiß gegen-über den Reichen ist und ein Luder auf den Pfennig,drum bezeugen es die Kranken, daß ihr mit Betrug

Page 62: Paracelsus - Paragranum

62Paracelsus: Das Buch Paragranum

umgeht und den rechten Grund nit habt. Keine Krank-heit, wenn es anders eine Krankheit ist, ist so schwer,daß sie nicht ihre Arznei zur Heilung habe. Du weißtsie aber nit und findest sie auch nicht in dem Avi-cenna, in den Consilien von Montagnana, Willst dues wissen, so mußt du auf den Grund, den ich dir hiervorlege und mußt mir nach und ich nit dir nach, oderdu wirst als ein Bescheißer sterben und deine Erbenmit Bescheißerei begaben.

Wenn ein Arzt die Krankheiten auslegen, zählenund nennen will, so lehrt ihn das der Himmel, denn erzeigt aller Krankheiten Ursprung, materia und was dieselbigen sind, an, - und mehr ist uns von den Krank-heiten nit zu wissen (möglich), denn allein das, wasder Himmel anzeigt. Wenn nun der Himmel das an-zeigt, so wird nichts anderes gemeldet oder als Grundgegeben, als (daß sie wächst) wie ein Gras aus derWurzel wächst oder ein Stengel, der aus seinemSamen wächst und aufgeht. Und weil im Grund keinander Wissen da ist darüber, was die Krankheitensind und wie sie wachsen, so können wir von densel-ben nichts anderes schreiben, als was die astra lehrenund anzeigen. Hierauf folgt nun, daß wir, von derHeilung zu schreiben, auch keinen weiteren Grund zuordnen oder nach unserm Gutdünken zu setzen als al-lein den haben, was wir aus der Beschreibung derGroßen Welt lernen und sehen. Denn in so viel Teile

Page 63: Paracelsus - Paragranum

63Paracelsus: Das Buch Paragranum

sich die Krankheiten teilen, in so viel Teile teilen sichdie astra, in so viel Ursprünge, in so viele der Ge-wächse, - und sie gehn alle aus der Wurzel, die wederkalt noch heiß, trocken oder feucht ist. Und wenn dieKrankheit saturnus wäre, so behalte sie den Saturnund verändert den Namen und auch das Wesen nit,auch nit die Natur. Denn wie die Namen der Sternesind, so sind die Namen der Krankheiten. Die ist desMars, die der Luna, die des Schützen, die des Löwen,die des Pols, die des Bären, und also läßt sich dieNatur in den Krankheiten nicht anders ergründen, wiedie Lügner der humores: cholera, phlegma, sanguis,melancholia meinen und anzeigen. Und so wie dieGesundheit geht, die ist des Saturns, die des Jupiter,die der Venus, - damit ist ein Grund ihrer beiderWachsen, Ursprung und Herkommen gefunden.

Denn das Kind wird sich vom Vater nicht entäu-ßern oder absetzen. Darum, der da des Regens Ur-sprung, Herkommen, Wesen und Art weiß, der weißauch das Herkommen der Bauchflüsse, der Ruhr, dy-senteriae, diarrhoeae, weiß auch der Dinge alle Not-durft und Eigenschaft. Der da den Ursprung, des Don-ners, der Winde, der Wetter weiß, der weiß, von wan-nen die colia und die torsienes kommen. Der da weiß,wie der Strahl, der Hagel, der Blitz entsteht undwächst, und was in ihm ist und was er ist, der weißden Harn, den Stein, den Gries und alles, was

Page 64: Paracelsus - Paragranum

64Paracelsus: Das Buch Paragranum

tariarum berührt oder betrifft; der da weiß die coni-unctiones miteinander und die Finsternis, der weißden mortem improvisam, den jähen Tod, den Schlagund alles, was ihm anhängt. Der da die neuen Läufeder Zeit und die Brechung derselben von Tag zu Tag,von Stund zu Stund weiß, der weiß, was Fieber sindund wieviele und was sie sind. Der da weiß, was derPlaneten Rost ist und was ihr Feuer ist und was ihrSalz ist, und was ihr mercurius ist, der weiß, wie dieulcera, die Geschwüre wachsen und von wannen siekommen, und die scabies, das ist die Krätze, und dieleprae, der Aussatz, und die sirei. Der da weiß, wasvenus führt oder bestimmt, und was in ihr ist, derweiß der Frauen Anliegen und weiß ihre Krankheitenund Gesundheit, und so mit allen. Soll dies nun nit imGrund betrachtet werden? Und wenn der Grund derArznei in den Kapiteln, da vom Ursprung der Krank-heiten geschrieben wird, nicht aus diesem geht, so istes alles falsch und nichts mit Wahrheit geschrieben.Denn so, wie oben steht, nehmen die Krankheiten ihreUrsprünge; die selbigen müssen wir wissen und nit,wie die Phantasten der Hohen Schulen plärren wie dieKälber; die selbigen schreien in einer Stimme für undfür, sie lachen oder greinen, es gehe ihnen wohl oderübel. So soll der Arzt nicht sein; er soll durch dieDeutung wissen, was er von den Krankheiten setztund sagt und soll das Wachsen und die materia der

Page 65: Paracelsus - Paragranum

65Paracelsus: Das Buch Paragranum

astrorum wissen, nit die der humores. Die astra unddie corpora sind die, die da leiden und sind die, diegesund und krank sind, nit humor, cholera, phlegmausw. Was alle Dinge des Wissens des Arztes enthält,ist die Große Welt; alles andere ist nichts als Betrug.

Weil nun der Arzt allein von dem Äußern wächstund ist, deswegen kann er ein Weissager der Krank-heiten, zukünftiger und gegenwärtiger, sein, und einWissender davon, was Kraft und Macht eine jeglicheKrankheit aus den Sternen genommen habe, ausdenen sie wächst. Gleicherweise, wie du dir das vomWachsen der Form vornehmen und es ergründenkannst, mußt du auch das Wachsen der Krankheit ver-stehen, und zwar in der Hinsicht: du siehst, daß ausdem Samen abietis, der Tanne, eine Tanne wächst,und du kennst derselben Tannen Form, Gestalt usw.,wie sie werden wird, und wiewohl du das weißt, soweißt du doch nit, was das ist, das diese Form sotreibt; du weißt aber wohl, wie sie wird. So wisse nundergleichen von den Krankheiten, Du weißt, wie ca-ducus, der Schlag, ist und du erkennst ihn, gleich wiedir das Gewächs wissend ist, so ist dir auch der ca-ducus zu wissen möglich. Aber du weißt nit, was dasist, das die Form (des Gewächses) macht; ebensoweißt du auch nit, was das ist, das den caducusmacht. Das ist wohl wahr: du kannst den wachsenden(Dingen) zumessen, was das sei, das da zu Holz wird,

Page 66: Paracelsus - Paragranum

66Paracelsus: Das Buch Paragranum

was zu Blättern, was zu Rinde, - die materia ist diraber nit bekannt und du weißt nit, was sie ist, ehe esda ist. Von dem nun, was unsichtbar ist, soll der Arztreden können, und da, das sichtbar ist, soll ihm imWissen sein, gleich wie einer, der kein Arzt ist, dererkennt die Krankheit und weiß, was es ist, von denZeichen; darum aber ist er noch kein Arzt. Der ist einArzt, der das Unsichtbare weiß, das keinen Namenhat, das keine Materie hat, und hat doch seine Wir-kung. Wer will dann sagen, daß solche und solcheKrankheiten aus den humores, die ja sichtig und nitunsichtig sind, kommen, in welchen humores derHimmel nicht wirkt und nichts in die selbigen humo-res imprimiert, - und die Krankheiten sind des Him-mels und der Himmel regiert die Krankheiten, und dieKrankheiten sind unsichtbar. Wie kann dann derhumor eine Krankheit oder eine Ursache zu ihr sein,dieweil der Himmel eine Ursache aller Krankheitenist?! Und so wenig ein Wind oder eine Luft angegrif-fen oder gesehen werden kann, so wenig auch dieKrankheiten. Wenn dann die Krankheiten nichtsGreifliches, sondern dem Winde gleich sind, wie kannman sie dann purgieren oder mit diesem hinweg tun?Es sind alle Arcane so beschaffen, daß sie ohne mate-ria und corpora ihr Werk vollbringen. Denn dieKrankheiten sind keine corpora, sondern es soll Geistgegen Geist gebraucht werden. Wie der Schnee durch

Page 67: Paracelsus - Paragranum

67Paracelsus: Das Buch Paragranum

die Sonne hinweggeht, durch den Sommer, - wergreift desselben corpus an? Niemand. Wenn du aberversuchst, den Schnee als eine Krankheit anzusehenund drum ein corpus derselben zu sein sagst, - es istdoch das, das den Schnee macht, kein corpus, sondernein Geist, das aber ist der Schnee. Ebenso was die ex-crementa macht, die faeces im Leibe macht, die du hu-mores heißt, die selbigen sind nit die Krankheiten.

Das ist die Krankheit, die das selbige macht, dasalso geschieht; wer sieht dasselbe? Niemand. Wergreifts? Niemand. Wie kann dann ein Arzt die Krank-heiten in den humores, suchen und ihren Ursprung ausdenselben vermelden, während sie doch von denKrankheiten geboren werden und gemacht, und nit dieKrankheit von ihnen. Der Schnee macht nit den Win-ter, der Winter macht aber den Schnee; denn im Hin-wegtun des Schnees geht doch der Winter nicht hin-weg; ob schon kein Schnee im Lande läge, noch ist esWinter. Dermaßen sollt ihr so die Krankheiten ausden Oberen erkennen; und wo ihr anderes erkennt undvom Ursprung der Krankheiten traktiert, so irrt ihr inallen euern Büchern und Schriften, - wie ihr dennbisher für und für in der Irrung gestanden seid, unddas, was die Krankheit auswirft und was sie vergiftethat, das selbige habt ihr für die Krankheit gehalten,drum ihr so viele verderbt und tötet, bis der Himmelam letzten selbst arzneit, denn er ist ein besserer Arzt

Page 68: Paracelsus - Paragranum

68Paracelsus: Das Buch Paragranum

als ihr es seid.Alldieweil nun die Arznei in gar keiner Spekulation

gründet, sondern allein auf den äußeren Menschen,das ist gegründet in den Himmel und die astra unddergleichen, so wißt insgemein, daß alle Arznei, dieaußerhalb dieses Wissens gebraucht wird, nichts alsallein ein falscher und betrüglicher Grund, in demkeine Wahrheit, sondern aller Falsch ist, ist. Denn esbeweist sich von selbst, daß außerhalb des vorgetra-genen Grundes nichts als eine Phantasie ist, derenGrund allein Meinen und Wähnen ist. Wer ist der, derdurch die Haut hindurch die Pestilenz erkennen kann?Oder wer ist der, der erkennen kann, an welchem Ortim Leibe sie entsprungen sei? Oder wie sie kommeoder was ihre materia sei? Kein Mensch kann es aufdiese Art wissen. Wer aber den Himmel kennt, werdie astra weiß, wer Mannah weiß, wer die mineraliaweiß, die das wissen, wissen was Pest ist und wo sieist und wie sie ist, - und außerhalb des Himmels undder astra kanns kein Arzt wissen. Weil aber die Ärzteden Grund der Arznei verlassen haben, und philoso-phia, astronomia etc. fahren gelassen und sich selbstin die Phantasie geordnet haben, alldieweil ist von dergeringsten Krankheit kein Grund geschrieben worden.Wie so gar ohne Grund sind von den Skribenten alleKapitel der Wundarznei geschrieben worden, daweder Wahrheit noch Grund innen steht, und wenn

Page 69: Paracelsus - Paragranum

69Paracelsus: Das Buch Paragranum

ich das sage, dann soll ich der Arznei ein Ketzer seinund manchmal soll ich besessen sein und einen Teufelin mir haben. Wer ist der, der nicht verstünde, daß dieArznei, auch die Leibarznei, einen andern Grundhaben muß als den die setzen, die voller Lügenstecken, wenn sie vom Ursprung traktieren und vonder Ursache und materia. Wer will solche Schriftennicht für bachantische Invention halten? Denn so spe-kulieren die Bachanten, und spekulieren durch eineMauer hinein, und sehen das Verborgene und dasnicht zu sehen ist. Wer wollte das nicht für Narrereihalten? Bedenkt, wie groß und wie so edel derMensch geschaffen sei, und wie so groß seine Anato-mie begriffen werden muß, und daß nicht möglich ist,in einem Kopfe oder in der Vernunft seine Anatomiedes Leibes und der Tugenden zu spekulieren, sondernaus dem Äußeren muß der Grund gehen, dann istsichtbar und ist offenbar, was in ihm ist. Denn wie esaußen ist, so ist es auch in ihm, und was außen nit ist,das ist in ihm auch nit. Und ein Ding ist das Äußereund das Innere, eine Constellation, eine Influenz, eineConcordanz, eine Zeit, ein Erz, ein tereniabin, eineFrucht. Denn das, in dem alle Geschöpfe verborgenliegen und sind, ist der limbus; wie im Samen, daliegt der ganze Mensch, das ist limbus parentum. Nunder limbus Adams ist Himmel und Erde, Wasser undLuft gewesen; drum bleibt der Mensch im limbus und

Page 70: Paracelsus - Paragranum

70Paracelsus: Das Buch Paragranum

hat Himmel und Erden, Wasser und Luft an sich, undist das selbige. Nun wer will dann den Menschenohne solche Philosophie und Astronomie erkennen,wie es einem Arzte und seinem Spintisieren, Phanta-sieren, Humoralisieren und dergleichen genugsam zusein scheint, - wem ist das möglich? Niemanden aufErden. Wenn es nun unmöglich ist, so muß ich sienoch einmal Bachanten heißen, denn die selbigenspintisieren solche unmöglichen Dinge und freuensich in solchen läppischen Inventionen wie ein Narr,der sich selbst weinend und lachend macht, gewonnenoder ungewonnen gibt, wie es ihm beliebt. Und es istebensoviel Kraft in solcher Arznei, so viel Kraft desNarren Phantasie hat. Drum ist alle Arznei, die nichtihre Erkenntnis gewaltig aus dem gesagten Grundenimmt, falsch und erlogen, und ist nichts weiter in ihrals Luder, Edel und Unedel zu bescheißen eine ausge-klaubte Büberei.

Page 71: Paracelsus - Paragranum

71Paracelsus: Das Buch Paragranum

Alchimia, der dritte Grund medicinae

Nun weiter: der dritte Grund, auf dem die Arzneisteht, ist die Alchemie. Wenn der Arzt hierin nicht aufdas höchste und größte geflissen und erfahren ist, soist, was seine Kunst ist, alles umsonst. Denn dieNatur ist so subtil und so scharf in ihren Dingen, daßsie ohne große Kunst nicht kann gebraucht werden,denn sie gibt nichts an den Tag, das auf seine Artvollendet sei, sondern der Mensch muß es vollenden.Diese Vollendung heißt alchimia. Denn der Back,indem er Brot macht, der Rebmann, indem er denWein macht, der Weber, indem er Tuch macht, ist einAlchemist. Der selbe, der, was aus der Natur demMenschen zu nutz wächst, es dahin bringt, dahin ervon der Natur geordnet wird, der ist ein Alchemist.Und wißt einen solchen Unterschied in dieser Kunst!Gleicherweise als einer nähme eine Schafshaut undlege sie so roh als einen Pelz oder einen Rock an, wiegrob und ungeschickt das gegen den Kürschner undTuchmacher gehalten ist, so grob und ungeschickt istes, wenn einer etwas aus der Natur hat und das selbenicht bereitet, und ist noch mehr als grob und unge-schickt, denn es trifft an die Gesundheit und den Leibund das Leben. Drum ist mehr Fleiß darin zu suchenund zu haben. Nun aber haben alle Handwerke der

Page 72: Paracelsus - Paragranum

72Paracelsus: Das Buch Paragranum

Natur nachgegründet und ihre Eigenschaften erkun-det, so daß sie in allen ihren Dingen der Natur nach-zufahren und das Höchste, was in ihr ist, herauszu-bringen wissen. Aber allein in der Arznei, da das amnötigsten wäre, ist es nicht geschehen, die ist derge-stalt die gröbste und ungeschickteste Kunst. Denn wiekann ein gröberer Mensch sein, als der das Fleischroh frißt und die Haut ungegerbt anlegt und machtsein Dach unter den nächsten Felsen oder bleibt imRegen?! Und wie kann ein gröberer Arzt sein oderwie kann es in der Arznei gröber zugehen, denn wieman in den Apotheken kocht? Es kann doch fürwahrnichts Gröberes sein als das Sudeln und Durcheinan-dertalken, sie bescheißen und kratzen in allen Dingen.Und wie der mit der Haut bekleidet ist, so ist auchdieser Apotheker versorgt. Weil nun aber in der Be-reitung der Arznei der Grund, auf dem die Arznei-kunst stehen soll, liegt, so wißt hierzu, daß dieserGrund aus der Natur gehen muß und nicht aus denspintisierenden Köpfen, die kochen, als wenn einKoch Pfeffer kochte. Denn da liegt der Trefflichsteund der letzte Punkt in diesem Bereiten, nämlichwenn die Philosophie und Astronomie, das ist derKrankheiten und der Arznei Art und all ihre Zusam-menfügung, verstanden wird, so ist darnach derSchluß das Nötigste: wie du das, das du kannst, brau-chen sollst. Denn die Natur zeigt es dir selbst an an

Page 73: Paracelsus - Paragranum

73Paracelsus: Das Buch Paragranum

den Dingen, wessen du dich hierinnen befleißigensollst, damit du deine Arznei in Wirkung bringst.Gleich wie der Sommer die Birnen und die Traubenfertig macht, so soll auch deine Arznei geführt wer-den, und wenn sie so geführt wird, so wirst du mitdeiner Arznei ein gut Ende erzielen. Wenn es nundazu kommen soll, daß deine Arznei so vollendetwerde, wie der Sommer seine Früchte bringt, so wißt,daß der Sommer das durch die astra tut und nit ohnedie selben. So nun die astra das tun, so wisse hier andem Ort auch, daß diese Zubereitung dahin gerichtetwerden muß, daß sie den Sternen unterworfen seien,denn die sind die, die das Werk des Arztes vollbrin-gen. Drum, weil sie die sind, so muß die Natur nachinnen genannt und verstanden werden, gradiert undgenaturt; es ist also nit zu sagen: das ist kalt, das istheiß, das naß, das trocken, sondern es ist zu sagen:das ist Saturn, das ist Mars, das Venus, das der Pol, -so ist der Arzt auf dem rechten Wege. Und, daß erdarnach wisse, den astralischen Mars, und den ge-wachsenen Mars einander untertänig zu machen undeinander zu conjungieren und vergleichen, denn hierinliegt der Butz (der Frucht), den vom ersten an bis aufmich noch kein Arzt gebissen hat. So wird es alsoverstanden: daß die Arznei soll in die Gestirne berei-tet werden und daß sie Gestirne werden, denn die obe-ren Gestirne kränken und töten, machen auch gesund.

Page 74: Paracelsus - Paragranum

74Paracelsus: Das Buch Paragranum

Und soll nun da etwas geschehen, so kanns ohne dieastra nicht geschehen. Wenn es nun mit den astris ge-schehen soll, so in dem Weg, daß die Bereitung dahingebracht werde, daß die Arznei durch den Himmel ge-macht und bereitet werde gleicherweis, wie die Pro-phezeiungen und andere Taten vom Himmel gesche-hen. Ihr seht, daß die astra die Weissagungen anzei-gen, Schauer, Wetter usw. anzeigen, Tode, Krankhei-ten usw. der Fürsten anzeigen, Schlachten, Krankhei-ten, Pestilenzen, Hunger usw. anzeigen, - das alleszeigt der Himmel an, denn er machts; was er macht,das kann er wohl anzeigen. Diese Dinge gehen durchihn; durch ihn gehen auch die Künste des Wissens.Nun, so sie durch den Himmel sind, so werden sieauch durch den Himmel regiert, nach seinem Willenzu tun, auf daß das geschehe, was vorhergesagt undangezeigt ist. Wenn diese Dinge vom Himmel nachseinem Willen bereitet worden sind, darum führt sieauch der Himmel. So wisset auch in diesen Dingen:wenn die Arznei aus dein Himmel ist, so muß sieohne alle Einrede dem Himmel unterworfen bleibenund demselbigen Folge leisten und in seinem Willenstehen. Wenn das nun so ist, so muß der Arzt seineWeise mit Graden und Complexionen, humores undQualitäten fahren lassen, er muß vielmehr die Arzneinach dem Gestirn erkennen, daß also oben und untenastra sind. Und weil die Arznei ohne den Himmel

Page 75: Paracelsus - Paragranum

75Paracelsus: Das Buch Paragranum

nichts taugt, so muß sie durch den Himmel geführtwerden. Ihre Führung ist nun nichts anderes, als daßdu ihr die Erde hinweg nehmest, denn der Himmel re-giert sie nicht, sie sei denn von ihr geschieden. So dusie nun geschieden hast, so ist die Arznei im Willender Gestirne, und wird vom Himmel geführt und ge-leitet. Was zum Hirn gehört, das wird durch Lunazum Hirn geführt; was zur Milz gehört, wird durchSaturn zur Milz geführt; was zum Herzen gehört,wird durch Sol zum Herzen geleitet, und also durchVenus zu den Nieren, durch Jupiter zur Leber, durchMars zur Galle. Und das ist nicht allein mit denen so,sondern auch mit allen andern, unaussprechlich zumelden.

Denn merket in diesem: was ist die Arznei, die dugibst, für die Mutter der Frau, wenn es dir Venus nitdahin leitet? Was wäre die Arznei fürs Hirn, wenndirs Luna nit dahin führte? Und so mit den andernauch; sie blieben alle im Magen und gingen durch dieEingeweide wieder hinaus und blieben ohne Wirkung.Hieraus entspringt die Ursache, wenn dir der Himmelungünstig ist und deine Arznei nicht leiden kann, daßdu dann nichts ausrichtest. Der Himmel muß sie dirleiten. Drum so liegt in dieser Beziehung die Kunst indem, daß du nicht sagen darfst, Melisse ist ein Mut-terkraut, Majoran ist gut zum Haupt, - so reden dieUnverständigen. Sondern solches liegt in der Venus

Page 76: Paracelsus - Paragranum

76Paracelsus: Das Buch Paragranum

und in Luna; so du die Kräuter so haben willst, wiedu vorgibst, so mußt du einen günstigen Himmelhaben, sonst wird keine Wirkung erfolgen. Da liegtdie Irrung, die in der Arznei überhand genommen hat.Gib nur ein, hilfts, so hilfts! Solcher Praktiken Kunstkann ein jeder Bauernknecht, bedarf keines Avicennadazu noch des Galen. Aber ihr, von den geborenenÄrzten, sagt, man muß directoria zum Haupt, zumHirn, zur Leber usw. geben. Wie dürft ihr solche di-rectoria setzen, alldieweil ihr den Himmel nicht ver-steht?! Derselbe dirigiert. Und noch eins habt ihr ver-gessen, das euch alle zu Narren macht: ihr wißt, waszum Hirn, zum Haupt, zur Mutter, zum Scheißen undzum Seichen dirigiert; ihr wißt aber nicht, was da di-rigiert zur Krankheit! Und wenn ihr nun wißt, was zuder Krankheit dirigiert, so wißt ihr nicht, wo sie liegt.Und euch ist es gleich mit den Hauptgliedern, die ihrallzeit krank heißt, wie den Pfaffen mit den Heiligen;die müssen alle im Himmel sein, ob sie schon in derHölle begraben liegen; ebenso müssen euch alleKrankheiten in der Leber, Lunge usw. liegen, wenn esschon im Arsch liegt.

Weil nun der Himmel durch seine astra dirigiertund nit der Arzt, so muß die Arznei dermaßen in Luftgebracht werden, daß sie vom Gestirn regiert werdenkann. Denn welcher Stein wird vom Gestirn hochge-hoben? Keiner. Allein das volatile, das ist das

Page 77: Paracelsus - Paragranum

77Paracelsus: Das Buch Paragranum

Flüchtige. Viele haben in der Alchemie quintum essegesucht, das nichts anderes ist, als wenn die vier cor-pora von den Arkanen genommen werden, und daswas dann übrig ist, ist das eigentliche arcanum. Die-ses arcanum ist ein chaos, und es ist dem Gestirnmöglich es zu führen, wie eine Feder vom Wind. Sosoll nun die Bereitung der Arznei sein, daß die viercorpora von den Arkanen genommen werden, unddarnach soll das Wissen da sein, was in diesem arca-num das astrum sei, und darnach was das astrum die-ser Krankheit sei, was das astrum in der Arznei widerdiese Krankheit sei. Da geht nun das Dirigieren an.Wenn du eine Arznei eingibst, so muß dirs der Magenbereiten; er ist der Alchemist. Ist es nun dem Magenmöglich es dahin zu bringen, daß die astra annehmen,so wird sie dirigiert; wo nicht, so bleibt sie im Magenund geht durch den Stuhl aus. Was ist Höheres aneinem Arzte, denn das Wissen um die Concordierungbeider astra?! Denn da liegt der Grund aller Krankhei-ten. Nun ist alchima der äußere Magen, der dem Ge-stirn das seine bereitet. Es ist nicht so, wie die sagen:alchimia mache Gold, mache Silber; hier ist das Vor-nehmen: mach arcana, und richte dieselbigen gegendie Krankheiten; da muß der Arzt hinaus, das ist derGrund. Denn diese Dinge alle entnimmt man aus derAnweisung der Natur und ihrer Bewährung. So wol-len die Natur und die Krankheit in Gesundheit und in

Page 78: Paracelsus - Paragranum

78Paracelsus: Das Buch Paragranum

Krankheiten zusammen gefügt und zusammen vergli-chen und gebracht werden. Hierin liegt der Weg derHeilung und Gesundmachung. Solches alles vollendetdie Alchemie, ohne welche die Dinge nicht geschehenkönnen.

Nun ermeßt: weil die arcana alle Arzneien sind unddie Arzneien sind arcana, und die arcana sind volati-lia, wie kann dann der Suppenwust und SudelkochApotheker hierin sich berühmen, ein dispensator, dasist Abwäger, und ein Koch zu sein?! Ja freilich, eindispensator und ein Koch der Lumpen. Wie groß istdie Narrheit in den doctores, die in diesem Suppen-wust die Bauern umführen und bescheißen und gebenihnen electuaria, das ist Auszüge, Syrupe, Pillen, un-guenta oder Salben, und ist alles weder Grund nochArznei, noch Verstand noch Wissen drin, und euerkeiner mag es bei seinem Eid bewähren, daß er mitWahrheit handele. Und ebenso tut ihr auch mit euermSeichbesehen; da beseht ihr den blauen Himmel undlügt und trügt, daß ihr selbst das Zeugnis geben müßt,daß das meiste nichts als Rederei und ein Dünken undWähnen ist und keine Kunst, als was von ungefährgetroffen wird. So lügt ihr in den Apotheken auch undsudelt und spült, und braucht so große Meisterschaft,daß ein jeglicher nit anders meint, als bei euch sei dasHimmelreich; so ists der Abgrund der Hölle. Wennihr eure Stümperei fahren ließet und den Arcanen

Page 79: Paracelsus - Paragranum

79Paracelsus: Das Buch Paragranum

nachgingt, was sie wären, und wer ihr director wäre,und wie die astra, die Krankheit und die Gesundheitwären, so müßtet ihr hierbei erfahren, daß euer Grundnichts als Phantasie sei. Alles Vorhaben hier ist zuzeigen, daß der Grund der Arznei am letzten in denArkanen stünde und die Erkanen den Grund des Arz-tes beschließen und vollenden. Drum, da der Be-schlußgrund in den Arkanen liegt, so muß hier derGrund alchimia sein, durch welche die arcana bereitetund gemacht werden. Drum wißt allein das: daß esdie arcana sind, die da Tugenden und Kräfte sind, diesind volatilia oder Flüchtige und haben keine corpora,und sind chaos und sind darum, das ist Helle, undsind durchsichtig und sind in der Gewalt des Gestirns.Und wenn du das Gestirn weißt und die Krankheitweißt, so verstehst du, was dein ductor, das ist Füh-rer, und was die potentia sei. Das bewähren die ar-cana, daß nichts in den humores, qualitates, comple-xiones und nichts in »das ist melancholia«, »das istphlegma« usw. sei, sondern es heißen muß: das istMars, das ist Saturn, und so ist das arcanum martisund arcanum saturni; hier liegt die physica. Welcherunter euch auditoribus oder Hörern möchte diesemGrunde feind sein? Nur eure praeceptores oder Leh-rer. Ihnen ist wie den alten bäumigen, das ist über-ständigen, Studenten.

Wenn nun ein Arzt die Dinge wissen soll, so steht

Page 80: Paracelsus - Paragranum

80Paracelsus: Das Buch Paragranum

ihm zu, daß er ein Wissen darum habe, was calcinie-ren sei, was sublimieren sei, nicht allein, was denHandgriff betrifft, sondern was es mit der Verände-rung darinnen auf sich habe, woran mehr als an demandern liegt. Denn durch die Dinge, wie sie in der Be-reitung begriffen werden, ergibt sich die Zeitigung,die die Natur oft nicht gegeben hat. Und auf die Zei-tigmachung muß der Arzt seine Kunst gerichtethaben, denn er ist dieser Dinge Herbst, Sommer undGestirn, in dem daß er sie vollbringen muß. DasFeuer (des Alchemisten) ist die Erde, der Mensch dieOrdnung, die Dinge in der Arbeit der Same. Und ob-gleich die Dinge alle in der Welt einfach verstandenoder gemeint werden, so sind sie doch in ihremEnd(stadium) verschieden, und so auch an dem Orteim Ende. Obgleich durch einen Prozeß alle arcana imFeuer geboren werden, und das Feuer ist ihre Erde,und diese Erde ist damit die Sonne, und ist in dieserzweiten Gebarung Erde und Firmament ein Ding. Inihm kochen die Arcanen, in ihm fermentieren, das istgären, sie. Und wie das Korn, das, ehe es wächst, inder Erde faul wird, und darnach in seine Früchte geht,so geschieht auch hier im Feuer die Zerbrechung. Undda fermentieren sich die Arkanen und geben die cor-pora von sich, und gehen in ihrem Aufsteigen zu ihrenErhöhungen, deren Zeit calcinieren, sublimieren, re-verberieren, solvieren usw. ist, und gehen zum andern

Page 81: Paracelsus - Paragranum

81Paracelsus: Das Buch Paragranum

Male in die reiteration, das ist in die transplantation.Nun geschehen diese Wirkungen alle durch den Lauf,den die Zeit gibt, denn eine Zeit in die der äußerenWelt, eine die des Menschen. Nun ist die Wirkung imhimmlischen Laufe wunderbarlich. Obwohl derKünstler sich selbst und seine Arbeit als seltsamschätzen mag, so ist doch das höchste darin, daß derHimmel gleichwohl so seltsam durcheinander kocht,dirigiert, imbibiert, solviert und reverberiert, so gutwie der Alchemist, und der Lauf des Himmels lehrtden Lauf und das Regiment des Feuers im Athanar.Denn die Tugend, die im Saphir liegt, gibt der Him-mel durch solutio oder Auflösung, coagulatio oderZusammenrinnung und fixatio oder Festmachung.Wenn nun der Himmel in seiner Wirkung durch diedrei Dinge so geschaffen worden ist, bis er es dahinbringt, so muß auch die Zerbrechung saphiri in dendrei Punkten stehen. Diese Zerbrechung geschieht so,daß die corpora davon wegkommen und das arcanumbleibt. Denn vorher und ehe der Saphir war, ist keinarcanum gewesen, nachfolgend aber ist - wie dasLeben im Menschen - auch das arcanum durch denHimmel in diese materia gegeben worden. Nun mußdas corpus hinweg, denn es hindert das arcanum, glei-cherweise wie aus dem Samen nichts wächst nochwird, allein er werde denn zerbrochen, welches Zer-brechen allein das ist, daß sein corpus fault, das

Page 82: Paracelsus - Paragranum

82Paracelsus: Das Buch Paragranum

arcanum aber nit; so steht es auch hier mit dem cor-pus saphiri, allein daß es das arcanum empfangen hat.Nun ist seine Zerbrechung durch die Dinge, durch diees zusammengemacht worden ist. Das Korn auf demFelde braucht in der Natur keine kleine Kunst, bis esin seine Ähre geht; da ist das Elixier und das höchsteFerment, das sich vor allen Dingen die Natur vorbe-halten hat; dem folgt die digestio nach und aus derselbigen sein Wachsen. Welcher also der Natur einBereiter sein will, der muß da durch, sonst ist er nurein Sudelkoch und Suppenwust und ein Aufspieler.Denn die Natur will, daß die Bereitung bei den Men-schen allwegs wie bei ihr sei, das ist, daß ihr nachge-handelt werde, und nicht den tollen Köpfen nach.

Nun, was fermentieren und putreficieren und dige-rieren und exaltieren die Apotheker und ihre doctores?Nichts, allein durcheinander wird ein Suppenwust ge-macht und zu fressen gegeben und die Leute redlichdamit beschissen. Wer kann einen Arzt loben, dernicht der Natur Art weiß und kann? Oder wer soll ihmvertrauen? Alldieweil doch ein Arzt nichts anderessein soll als ein Erfahrener der Natur, und einer, derda der Natur Eigenschaft, Wesen und Art weiß. So erdiese Dinge, der Natur Zusammensetzung, nicht kann,was ist er dann im Wiederauflösen der selben?!Merkt, daß ihr auflösen müßt! den Weg zurückgehen!Alle die Werke, die die Natur vorangetrieben hat, von

Page 83: Paracelsus - Paragranum

83Paracelsus: Das Buch Paragranum

einer Staffel zu der andern, die müßt ihr wieder auflö-sen. Und weil ihr oder ich in dieser Auflösung nichtswissen und können, sind wir nur Mörder und Erwür-ger, Cornuten und Bachanten.

Nun was Gutes wollt ihr durch euern Prozeß ausdem Alaun machen, in dem in Hinsicht auf die Leib-und Wundkrankheiten treffliche große Geheimnisseliegen? Wer ist der, der ihn durch den Apotheker-brauch nach dem, was in ihm ist, zu Nutz bringe?Und so nicht allein der Alaun, sondern auch diemumia. Wo sucht ihr es? Jenseits des Meeres von denHeiden? O ihr Einfältigen, - und es liegt vor euernHäusern und in den Ringmauern. Weil ihr aber dieAlchemie nicht kennt, kennt ihr auch die mysteria derNatur nicht. Meint ihr, darum daß ihr den Avicennahabt und Savonarola und Valescus und Vigo, ihrwäret dann gerechtfertigt? Es ist alles nur Schützerei!Außerhalb dieses Geheimnisses kann es niemand wis-sen, was in der Natur ist. Nehmt eure doctores undalle eure Skribenten, und sagt mir, was die Korallenvermögen. Und wenn ihr es wißt und sagt von ihrenKräften ein vieles und langes Geschwätz, - wenn esan ein Probestück geht, so wißt ihr nicht das kleinsteaus den Tugenden der Korallen vorzuweisen, aus derUrsache: der Prozeß das arcanum zu erarbeiten, stehtnicht geschrieben. Erst wenn der Prozeß durchgeführtworden ist, sind ihre Tugenden da, und ihr alle seid so

Page 84: Paracelsus - Paragranum

84Paracelsus: Das Buch Paragranum

einfältig, meint, es sei nur ums Zerstoßen zu tun undcribrentur et misceantur, das ist sieben und mischen,fiat pulvis cum zuccaro, macht mit Zucker ein Pulver.Was Plinius, Dioscurides usw. von den Kräutern ge-schrieben haben, haben sie nit erprobt, sie haben esvon Edelleuten gelernt, sie wissen solcher Tugendenviel und haben mit süßem Geschwätz Bücher ge-macht. Tut ihr das, das sie schreiben, zaghaft? Ver-sucht es und es ist wahr. Aber ihr wißt nicht, wieso eswahr ist, ihr könnt dessen nicht zu seinen Letztenkommen und eurer Autoren Schreiben, deren Dokto-ren, das ist Jünger, ihr euch zu sein berühmt, nicht aufdie Probe führen. Was setzt Hermes und Archelausvom Vitriol? Große Tugend, - und es ist wahr, siesind in ihm. Ihr wißt aber nicht, wie sie in ihm sind,blau oder grün. Sollt ihr Meister der natürlichenDinge sein und wisset das nicht?! Und habts gelesen,so daß ihr wißt, was das ist, aber leider, ihr richtetnichts damit aus. Was setzen andere Alchemistenmehr und philosophi von den Kräften mercurii? Viel,und es ist wahr. Ihr wißt aber nicht, wie mans machensoll. Drum hört mit euerm Geplärr auf, denn ihr undeure Hohen Schulen seid beani, Schützen darin. Ihrtut nichts als lesen, das ist in dem und das ist in dem,und das ist schwarz und das ist grün, und weiter weißich, bei Gott, nichts mehr; so find ichs geschrieben.Wäre es nicht geschrieben, so wüßtest du gar nichts.

Page 85: Paracelsus - Paragranum

85Paracelsus: Das Buch Paragranum

Meint ihr, daß ich meinen Grund unbillig in die Kunstalchimia setze, die mir solches anzeigt, das, das wahrist, und das ihr nit wißt, zu erproben?! Soll eine sol-che Kunst nicht gut dazu sein zu erproben und es anden Tag zu bringen?! Und soll die nicht billig derArznei Grund sein, die das Wissen eines Arztes aufdie Probe bringt, zeigt und bewährt? Was dünkt euch,was ein solches Urteil einem Arzte, der da spricht »esschreibt Serapion, Mesue, Rhasis, Plinius, Dioscuri-des, Macer von der Verbena, die sei dazu und dazugut«, und das, was du redest, kannst du nicht erpro-ben, daß es wahr sei. Was für ein Urteil gedünkt dichhierin recht? Ich weiß es wohl. So ein Urteiler, ob dasnicht mehr sei, zu probieren, was einer weiß, und daswas wahr ist, was darin ist; du kannst das aber nichtohne die alchimia. Und wenn du noch so viel läsestund wüßtest, so ist dein Wissen doch kein Wissen.Wer, der mein Werk liest, will mirs verargen, daß ichdir das vorhalte und dir es verdeutsche? Denn dukommst nie dem Wissen deiner Kraft und Tugend,von der du redest und dich ihrer berühmst, nach. Sagmir doch, wenn der Magnet nicht ziehen will, was istdoch dessen Ursach? Wenn der Helleborus nit Kotzenmacht, was ist dess' Ursache? Die (Dinge) weißt du,die zum Scheißen dienen und Kotzen, - was aber dieHeilung anbetrifft und die Arkanen, die da von allengemeldet worden sind, da bist du Bruder Löffel. Sag

Page 86: Paracelsus - Paragranum

86Paracelsus: Das Buch Paragranum

mir, wem ist in den Künsten und dem Wissen von derKraft der natürlichen Dinge zu glauben, denen, diedrüber geschrieben haben und haben es nicht gewußtauf die Probe zu führen, oder denen, die es zu probie-ren gewußt haben und habens nicht geschrieben? Istes nit so, daß Plinius nie eine Probe aufzuweisen hat?Was hat er dann geschrieben? Was er von den Alche-misten gehört hat. So es nit weißt und kennst, wer siesind, so bist du ein Hümpelarzt.

Wenn nun so viel an der Alchemie liegt und siehier, in der Arznei, so gerühmt wird, ist die Ursachedessen die große verborgene Tugend, die in den Din-gen der Natur liegt, und die niemanden offenbar ist, esmache sie denn die Alchemie offenbar und bringe siehervor. Sonst ist das gleich einem, der im Wintereinen Baum sieht, kennt ihn aber nit und weiß nit,was in ihm ist, so lange, bis der Sommer kommt underöffnet nacheinander jetzt die Sprößlein, jetzt dasGeblüh, jetzt die Frucht und was weiter in ihm ist. Soliegt nun die Tugend in den Dingen dem Menschenverborgen, und es sei denn, daß der Mensch durch denAlchemisten derselben inne werde, wie durch denSommer, sonst ist es ihm unmöglich sie zu erkennen.

Weil nun der Alchemist dort mit seinem Tun her-vortreibt, was in der Natur ist, so wißt andere Kräftein den locustis, andere in den Blättern, andere in denBlüten, andere in den unreifen Früchten, andere in den

Page 87: Paracelsus - Paragranum

87Paracelsus: Das Buch Paragranum

reifen Früchten, und das so wunderbarlich, daß dieletzte Frucht des Baumes ganz ungleich ist der ersten,wie in der Form so auch in den Tugenden, auf daßalso die Erkenntnisse statthaben sollen vom erstenHervorkommen bis zum letzten; denn so ist die Natur.Wenn nun die Natur in ihrer Offenbarung so ist, nichtweniger ist es der Alchemist in den Dingen, da dieNatur aufgehört hat so fortzufahren. Nämlich der Gin-ster erreicht den Prozeß seiner Natur in der Hand desAlchemisten, auch der Thymian, auch der Epithymusund die andern alle. Nun seht ihr, daß ein Ding nichtnur eine Tugend sondern viele Tugenden hat. Wie ihran den Blumen seht, die nicht nur eine Farbe habenund sind doch in einem Ding, und jede ist ein Ding,und eine jegliche Farbe ist an sich selbst aufs höchstegradiert. Dasselbe ist auch von den verschiedenen Tu-genden zu verstehen, die in den Dingen liegen. Nunist es die Alchemie der Farben, die Kunst und Artdiese von einander zu bringen. So wie mit den Farbensoll solche Scheidung auch mit den Tugenden glei-cherweise geschehen, und so oft eine Änderung derFarben da ist, ebenso oft sind Änderungen der Tugen-den. Denn im Schwefel ist die Gelbe, Weiße undRöte, auch Bräune und Schwärze. Nun ist in jederFarbe eine besondere Tugend und Kraft, und andereDinge, die diese Farben auch haben, haben nicht die-selben, sondern in diesen Farben andere Tugenden.

Page 88: Paracelsus - Paragranum

88Paracelsus: Das Buch Paragranum

Hierin liegt nun der Farben Erkenntnis, wie sie unsvon den Farben zusteht. Nun ist der Tugenden Offen-barung allein in der Form und in den Farben, also daßam ersten die Locusten erkannt werden, darnach diemedullen oder das Mark, darnach die frondes oderZweige, darnach die Blüten, darnach der Anfang derFrüchte, ihre Mitte und das Ende. Durch solchen Pro-zeß, wenn die Tugenden dermaßen hervor getriebenwerden, und zweitens in das Wachsen gerichtet undgeführt werden, andern sich in der Reihenfolge und inder Viele der Zahl alle Tage und alle Minuten dieKräfte, die darin liegen. Denn wie die Zeit den Hol-dersprößlin die Laxation gibt und nit die materia, sogibt die Zeit auch den Tugenden anders und andersihre Kräfte. Und wie die Zeit den Akazien ihre stipti-citaet das ist zusammenziehende Kraft, gibt und ande-re agresten mehr, so gibt auch die Zeit hier - vor derletzten Zeit - Mitteltugenden. Denn diese Zeichensind in der Alchemie sehr zu beachten, damit man daswahrhaftige Ende der Wirkung und ihren Herbstwisse, damit die Zeit der reifen Tugend und die derunreifen Tugend zum Ende komme und zum rechtenVerstand der Arznei. So teilen sich nun diese Zeiti-gungen oder Reifungen ein, eine in die der Sprößlein,eine in die der Zweige, eine in die der Blüten, eine indie medullen oder das Mark, eine in die liquores, einein die tolia oder Blätter, eine in die fructus, und in

Page 89: Paracelsus - Paragranum

89Paracelsus: Das Buch Paragranum

allem bei jeglichem Anfang, Mittel und Ende geschie-den in drei Wege: in laxativa, stiptica und Arkane.Denn die Dinge, die laxieren, die da zusammenziehen,sind nicht arcana, denn deren keins ist zu Ende ge-bracht worden, bleiben in den Mittel- und ersten Kräf-ten. - Wie groß ist dieses Exempel allein vom Vitri-ol, der jetzt und in der größten Erkenntnis ist und inder Offenbarung seiner Tugend, den ich mir auch hiervornehme, nicht um seine Tugend zu hindern, sondernzu fördern. Es gibt dieser Vitriol zuerst sein selbst la-xativum, das über alle Laxativen ist, und die höchsteDeoppilierung oder Öffnung, und läßt am Menschen,innen und außen, nit ein Glied, das nit von ihm ver-sucht würde; nun das ist seine erste Zeit. Die anderegibt sein constrictivum oder Zusammenziehung; sosehr er im Anfang seiner ersten Zeit laxiert hat, sosehr constringiert er wiederum. Nun aber noch ist seinarcanum nit da, noch sind seine Sprößlein, Zweige,Blüten noch nit angefangen. Wenn er in die Zweigegeht, was ist im caducus, im Schlaganfall, höheres?Wenn er in die Blust geht, was ist durchdringender,wie ein Geruch, der sich nit verbergen läßt. So er inseine Früchte geht, was ist höher in der Erquickungder Wärme? Und es ist noch viel mehr in ihm, was inseinen Enden rezensiert werden wird. Es ist euch hierallein vorgetragen worden, wie sich die arcana ineinem Ding in viel Teile scheiden und ein jeglich Teil

Page 90: Paracelsus - Paragranum

90Paracelsus: Das Buch Paragranum

hat seine Zeit, und das Ende der jeweiligen Zeit sindihre Arkanen.

So auch die erste Änderung im tartarus, was über-trifft das arcanum in pruritus, das ist Juckreiz, scabiesoder Krätze und allem dergleichen Unflat. Was in derzweiten Änderung in aller Öffnung der der Verstop-fung (nicht Laxation), was nachfolgend in der Hei-lung offener Wunden? Solches eröffnet und lehrt dieAlchemie. Warum soll da nicht der Grund der Arzneibillig auf ihr stehen, und sie da Kochen lernen? Unddie Suppenwüste und Sudelköche der Apotheken, dievon solchem Prozeß nichts wissen noch verstehen undtölpische Esel sind mitsamt ihren doctores, und un-verständig sind, so daß sie solche Ding unmöglichschätzen und achten, hintan setzen. So unbelehrt undunerfahren sind sie, daß sie den Anfang des Kochensnoch nit wissen, - und aller Kranken Gesundheit sollbei solchem Suppenwust gesucht werden. Nun, waswird bei ihnen gefunden als allein ein auf den Pfennigund das Gut gerichteter Sinn, es nütze oder nit, esbesser oder böser. Soll es nicht billig sein, einen sol-chen Unverstand zu eröffnen?! Nicht, daß sie mir fol-gen werden! Denn sie werden sich selbst die Schandenit auferlegen, sondern der Keib, das ist Haß, und derNeid wird sie dermaßen überkommen, daß sie daraufverharren werden. Wer aber der Wahrheit nach will,der muß in meine Monarchei und in keine andere.

Page 91: Paracelsus - Paragranum

91Paracelsus: Das Buch Paragranum

Seht doch, ihr meine Leser und Hörer, was für einenelenden, zu erbarmenden Prozeß alle Skribenten, undalle, so jetzt zu meinen Zeiten Arzt sind, im caducushaben, daß sie einen nit davon zu befreien wissen.Soll es mir dann unbillig sein, daß ich solche Skri-benten und praeceptores verachte, die da wollen, mansolle die Arznei brauchen, die sie haben, und dienichts taugt, und einer, der einen anderen Weg sucht,durch den den Kranken außerhalb ihrer Bescheißereigeholfen wird, der soll ein Vagant, ein Polyphem, einNarr sein?! Das ist die Wahrheit, daß alle ihre Rezep-te gegen den caducus und andere Krankheiten mehr,ihre causae und rationes, erlogen sind; das beweist ihrWerk und bezeugen ihre eignen Kranken, desgleichendie Natur an sich selbst und aller Grund, auf dem dieArznei sieht. Und nit allein in den Dingen, sondernsie wissen nicht eine einzige Krankheit mit gewisserund tröstlicher Arznei zu heilen, während doch Gottnicht einen solchen Ungewissen, sondern einen gewis-sen Arzt haben will. Gibt er dem Ackerbau, denSteinmetzen usw., Gewißheit, noch viel mehr gibt ersie dem Arzt, an dem mehr liegt als an diesen allen, -und sie machen daraus einen verzweifelten Grund undsagen, es stünde in der Hand Gottes. Und so muß »dieHand Gottes« die Unwissenheit solcher Bescheißereiverteidigen, und sie haben Recht und Gott hat Un-recht; ihre Kunst wäre gerecht, Gott hat es gebrochen.

Page 92: Paracelsus - Paragranum

92Paracelsus: Das Buch Paragranum

Sind das keine Bescheißer, so wird es keiner mehr.Weiter merkt, wie ich die Alchemie für einen so

trefflichen Grund der Arznei nehme, nämlich darin,daß die größten Hauptkrankheiten apoplexia oderSchlag, paralysis oder Lähmung, lethargus oderSchlafsucht, caducus, mania oder Wut, phrenesis oderWahnsinn, melancholia, id est tristitia, und derglei-chen mehr nicht durch die Decoquierung oder Koche-rei der Apotheker geheilt wer. den können. Dennebenso wenig, wie ein Fleisch am Schnee gekochtwerden kann, ebensowenig kann durch solche Kunstder Apotheker solche Arznei in ihren effectum kom-men. Denn wie ein jeglich Ding, um zu seiner Eigen-tümlichkeit zu kommen, seine besondere Meister-schaft hat, so müßt ihr das auch hier in den Krankhei-ten verstehen, daß sie besondere arcana haben, drummüssen sie eben besondere praeparationes haben.Von diesen Bereitungen rede ich; das ist so zu verste-hen, daß besondere arcana besondere Administrierun-gen haben und andere Administrierung andere Praepa-rierungen. Nun ist in den Apotheken keine Praeparazoder Bereitung nit als allein eine Durcheinander-kochung, wie ein Suppenwust, und im selbigen Ko-chen ertrinken die arcana und kommen zu keiner Wir-kung, denn die Natur muß in und gemäß ihrer Weiseund Art gehalten werden. Wie ihr seht, daß das Wein-ziehen eine besondere Bereitung hat, das Brotziehen

Page 93: Paracelsus - Paragranum

93Paracelsus: Das Buch Paragranum

eine besondere, eine besondere mit dem Fleisch, mitSalz usw. Kräutern und anderen Dingen ist, so solltihr auch verstehen, daß die Natur nicht Essen undTrinken, Fleisch und Brot in eins durcheinanderplampert, sondern jedes seine Form hat; das geschiehtnicht ohne große Ursache, sondern aus viel Ursa-chen, - hier nicht not zu erzählen. Wenn die Naturuns nun das vorbildet und gibt uns dadurch zu verste-hen, daß in allen Dingen eine Ordnung zu halten sei,so werden wir gleichermaßen gezwungen, anders undaber anders die Arzneien gegen die Krankheiten zubereiten. Die Leber will trinken und fordert Wein,Wasser; nun siehe, wie am selbigen Orte der Weinhergekommen sei, und wie er geboren worden sei, biser der Leber den Durst legt. Und ebenso auf dieseWeise: der Magen will essen; nun siehe, wie ihm dasBrot und die zu essende Speise so mannigfaltig berei-tet wird. Nichts anderem versieh dich in den Krank-heiten, wenn du zur rechten Heilung kommen, daß duauch dermaßen solche Unterscheidungen halten mußtund verstehen, als sei apoplexia ein Durst und müßtealso eine besondere Arznei und also auch eine beson-dere Bereitung haben, - und gleich, als sei caducusder Magen und muß zu seiner Notdurft wieder eineandere Bereitung haben, wie der Magen. Und als seimania gleich den vasis spermaticis, den Samengefä-ßen, die da ihre Notdurft auch anderwegs haben

Page 94: Paracelsus - Paragranum

94Paracelsus: Das Buch Paragranum

wollen, so sollt ihr euch des anderen Weges mit ande-rer Arznei und Bereitung in der mania auch versehen.Drum halte ich euch das billig vor, weil ihr so guteArznei und die Bereitung in der Hand habt, und durchden Suppenwust laßt ihrs verderben und ertrinken.Soll solches nit gesagt und eröffnet werden?! Damitder selbigen Irrung zuvorgekommen wird und damitdie Kranken zu den Arkanen kommen, die ihnen Gottzu ihrer Notdurft geschaffen hat. Darum wißt auf sol-ches, daß es so sein muß, wie ich es setze, und nichtwie ihr es setzt. Hier hernach müßt ihr mir und ichnicht euch nach. Und wenn ihr noch so viel widermich aufwerft und plärrt, so bleibt doch meine Mo-narchei und die eure nit. Drum so mag ich billig hierso viel in der Alchemie schreiben, auf daß ihr wohlerkennt und erfahrt, was in ihr sei und wie sie verstan-den werden soll; ihr müßt nicht ein Ärgernis in demnehmen, daß dir daraus weder Gold noch Silber wer-den soll, sondern das betrachten, daß da die Arkaneneröffnet werden und die Verführung der Apothekenentdeckt werde, wie bei ihnen der gemeine Mann be-schissen und betrogen wird, und geben es ihm füreinen Gulden, und nähmen es nit für einen Pfennigwieder zurück, - solch gute Dinge haben sie.

Wer ist, der dem widerspreche, daß nit in allenguten Dingen auch Gift liege und sei; das muß einjeglicher zugeben. So nun dem also ist, so ist meine

Page 95: Paracelsus - Paragranum

95Paracelsus: Das Buch Paragranum

Frage: muß man nit das Gift vom Guten scheiden,und das Gute nehmen und das Böse nit? Ja, man muß.So man das nun tun muß, so sagt mir an: wie kommtes dann in eure Apotheken? Ihr laßt es alles beieinan-der. Nun aber, damit ihr in eurer Einfalt euch verant-wortet über das, das ihr bekennen müßt, und damit ihrverantwortet wo es hinkommt, so sprecht ihr von cor-rectiones, die nähmen ihm das Gift weg, wie die Küt-ten oder Sprossen der scammonea, dem Purgierkraut,und ist dann euer diagridium, euer Purgiersaft; wasfür ein Corrigieren ist das? Bleibt nicht darnach dasGift dasselbe wie zuvor? Und du sagst, du habest cur-rigiert, es schade kein Gift mehr. Wo kommt es hin?Es bleibt im diagridium. Versuche, übersteigere dieGabe, schau wo das Gift liege, ob du es da nicht innewerdest? Ebenso corrigierst du den Turbith und heißtihn Diaturbith; das sind correctiones, die den Bauernwohl zustünden, und den Hengsten einzugeben wären.Versuche es, übertritt die Dosis, schau, ob du da nitdas Gift finden werdest. Corrigieren ist Nehmen, dasist corrigiert. Wenn einer böse ist und gesündigt hatund man straft ihn, das hilft nicht länger, als der will,der geschlagen worden ist. So sind auch diese correc-tiones; es sieht bei ihnen, nicht bei dir. Nun ist daeinem Arzte nichts anderes zu betrachten, als daß dasGift hinweggenommen werde; das muß durch Schei-den geschehen. Gleicherweise wie mit einer Schlange;

Page 96: Paracelsus - Paragranum

96Paracelsus: Das Buch Paragranum

die ist giftig und ist gut zu essen; nimmst du ihr dasGift hinweg, so kannst du sie ohne Schaden essen. Soist auch mit allen andern Dingen zu verstehen, daßeine solche Scheidung da sein müsse, und so lange dieselbige nicht da ist, dieweil magst du deiner Wirkungkeine Vertröstung haben, - es sei denn, daß dir dieNatur aus glücklichem Zufall das Amt vertrete, deinerKunst halben wäre es alles umsonst. Das muß nuneinmal ein rechter Grund sein, das das Gift hinwegnimmt, wie das denn durch die Alchemie geschieht.Denn das ist von nöten, daß es geschehe, wo zumBeispiel Mars in Sol liegt, daß Mars hinweg genom-men werde, auch wo Saturn in der Venus liegt, daßSaturn von der Venus geschieden werde. Denn so vielAscendenten und impressiones in den Dingen derNatur sind, so viel sind in den selbigen auch corpora.Und was dir widerwärtige corpora sind, die selbigenmüssen hinweggenommen werden, auf daß alle Con-trarietaet hingehe und von dem Guten, das du suchst,weggenommen werde. Und so wenig ein Gold, dasnicht in das Feuer gebracht worden ist, nutz und gutist, so wenig ist auch die Arznei, die nit durch dasFeuer läuft, nutz und gut. Denn alle Dinge müssendurch das Feuer in die andere Gebärung, in der siedem Menschen dienlich sein sollen, gehen. Soll denndas nit eine Kunst und ein Grund eines jeglichen Arz-tes sein, weil der Arzt ja nit Gift, sondern arcana

Page 97: Paracelsus - Paragranum

97Paracelsus: Das Buch Paragranum

brauchen soll? Alle Apothekerei und die Praeparie-rungen alle, so viele ihrer sind, geben keinen Buchsta-ben solcher Lehre, sondern ihr Corrigieren ist glei-cherweise nur, als wenn ein Hund in eine Stube fisteteund man vertreibt den Gestank mit trochiscis, mitPillchen, und Thymian oder Wacholderholz; ist nichtder Gestank ebenso darin wie vor, wiewohl er nichtgerochen wird?! Sollte darum einer sagen, der Ge-stank ist abgeschieden und ist nicht da? Er ist da, abercorrigiert mit dem Rauch; so gehen Rauch und Dreckmiteinander einher. Solche correctores sind die Apo-theker, sie überladen den (bitteren) aloepaticum mitZucker und soll so nichts mehr schaden, und ist alsoder Zucker ihre Kunst und der Honig, und der Enzianihr corrigieren im Theriak. Sind nicht das grobe Esel-stücke, und sollen Fürsten der Arznei sein?! Wermöchte so blind sein, der das nicht riechen wollte,daß es nichts sei? Was ist ihr Vorgehen von der Arz-nei anderes, - es ist so eine liebliche Latwerge, voneitel Gewürz, Zucker und Honig und von andernguten Dingen zusammengeklaubt, und ist fürwahr vieldavon geschrieben worden, und lappest die Krankenmit der Arznei, wenn sie nur lieblich ist. Betrachtet esselbst, daß das nicht der Grund ist, so viele Dinge undStücke zusammenzusetzen und dem Suppenwust be-fehlen zu kochen. Weit ist das vom Grunde der Arz-nei und nichts als eine eitle ausgeklaubte Phantasterei.

Page 98: Paracelsus - Paragranum

98Paracelsus: Das Buch Paragranum

So ist angezeigt worden der Grund der Arznei,nämlich in der Philosophie, Astronomie und Alche-mie, auf welchen dreien aller Grund eines jeglichenArztes steht, und wer nicht auf die drei Gründe gebautist, den flößt ein jeglicher Regenguß hinweg. Das ist:seine Arbeit nimmt ihm der Wind hinweg, nimmt ihmder Neumond hinweg; ihm zerbricht der nächste Neu-mond seinen Bau, der nächste Regen weicht ihn ihmauf. Nun urteile nach solchem Setzen der Arznei aufsolchen Grund, ob ich wider die Ordnung der Arzneiein doctor sei, oder ob ich hierin ein Ketzer sei oderein Zerbrecher der Wahrheit oder ein toller Stier-kopf?! Ob ich die gegenteilige Lehre billig oder un-billig behandle oder nit. Mit was Fug und Recht siesich wider mich auflehnen. Ich kann wohl erkennen,daß keiner seinen Kolben gern fallen läßt; ein jegli-cher, dem sein Kolben in der Hand erwärmte, der be-hält ihn gern darin. Das tun aber allein die Narren;der weise Mann solls nicht tun; der weise Mann sollden Kolben fallen lassen und einen andern suchen.Was liegt mir an ihnen, sie folgen mir oder nicht?! Ichwerd sie nit zwingen können. Aber offenbar machenwerd ich sie, daß sie sich mit viel Bescheißerei erhal-ten und daß ihr Grund nichts denn Phantasie sei. Derden Kranken treu und fromm ist, der der Natur inihrer Kunst nachfolgen will, der wird mich nit fliehen.Es sind nit alle Christo nachgegangen, die zu seinen

Page 99: Paracelsus - Paragranum

99Paracelsus: Das Buch Paragranum

Zeiten da waren, viele waren die ihn verachteten, -warum sollte mir dann eine solche Freiheit vergönntsein, daß mich niemand verachtete?! Ich bin wohlebenso stark und eifrig auf ihrer Leier gelegen wie sie;da ich aber sah, daß sie nichts anderes als Töten, Ster-ben, Würgen, Erkrümmen, Erlahmen, Verderbenmachte und zurichtete, und daß kein Grund da war,war ich gezwungen, der Wahrheit anderwegs nachzu-gehen. Darnach sagten sie, ich verstünde den Avi-cenna nit, den Galen nit und ich wüßte nit, was sieschrieben, und sie sagten, sie verstünden es. Und ausdem folgte über sie, daß sie erwürgten, ermordeten,verderbten, erlahmten mehr denn ich, so daß ich eben-sowohl sprechen möchte: der es versteht und der esnit versteht, es ist alles ein Tun; sie können nicht aufdie andere der beiden Seiten treten. Je länger, je mehrich aber ihr und mein Verderben besehen habe, je län-ger je mehr war ich gezwungen, meinen Haß daraufzu legen, und ich habe darin so viel erkannt, daß ichfinde, daß es eine eitle, ausgeklaubte, auserlesene Be-scheißerei ist. Ich will es aber hiermit nit beschlossenhaben, sondern in meinen Schriften weiter zu verste-hen geben, wie und in was Weg alle Dinge in Falschund Irrung stünden. Finde auch je länger je mehr, daßnicht allein in der Medizin, sondern auch in der Philo-sophie und Astronomie hierin nichts nach dem rechtenGrund vorgenommen worden ist, wie denn gemeldet

Page 100: Paracelsus - Paragranum

100Paracelsus: Das Buch Paragranum

wurde. Das aber, die zu verwerfen, die so lange Zeitin der Glorie und Magnifizenz erhalten worden sind,wird einen großen Pöbel wider mich machen. Ichweiß, daß es einmal dazu kommen wird, daß die sel-ben Magnifizenzen werden niedergestürzt werden,denn in ihnen ist nichts als Phantasie, - wie ich auchmit dem nit will geschlossen haben, sondern auchweiter, für und für, davon schreiben. Ob mir schondie Hohen Schulen nit folgen, ist mein Wille nit, dennsie werden noch nieder genug werden. Ich wills euchdermaßen erläutern und vorhalten, daß meine Schrif-ten bis in den letzten Tag der Welt bleiben und wahr-haftig sein müssen, die euern werden erkannt werdenals voller Gallen, Gift und Schlangengezücht, undvon den Leuten gehaßt wie die Kröten. Es ist nit meinWille, daß ihr übers Jahr sollt umfallen oder umgesto-ßen werden, sondern ihr müßt nach langer Zeit eureSchande selbst offenbaren und durch die Reuter fal-len. Stärker werde ich nach meinem Tode als voherwider euch darüber richten. Und wenn ihr schon mei-nen Leib freßt, so habt ihr nur Dreck gefressen; derTheophrastus wird mit euch ohne den Leib kriegen.

Ich will aber die ermahnt haben, die da Ärzte wer-den wollen, daß sie die Sache gegen mich geschickterals ihre praeceptores angreifen, und ihr die Sache zwi-schen mir und dem Gegenteil aus euerm Fleiß und Ur-teil bedenkt, und keinem Teil zu früh zufallt und den

Page 101: Paracelsus - Paragranum

101Paracelsus: Das Buch Paragranum

andern verwerft, sondern bedenkt mit höchstem Fleiß,wo ihr, nämlich in der Gesundheit der Kranken, an-landen wollt. Wenn das nun euer Vorhaben ist undalle Argument, so laßt mich auch in der Zahl derersein, die euch lehren, denn ich lande in die Gesund-heit des Kranken, - mit was Grund und Tapferkeit, istbeschrieben worden und täglich werd ichs offenbarmachen. Deshalb aber, daß ich allein bin, daß ich neubin, daß ich deutsch bin, verachtet drum meine Schrif-ten nit und laßt euch nit abwendig machen. Denn hier-durch muß die Kunst der Arznei gehen und gelerntwerden, und sonst durch keinen andern Weg nit. Ichwill euch auch in Sonderheit anbefehlen, daß ihr mitFleiß die Arbeiten lesen wollt, die ich (mit der HilfeGottes) vollenden will, - nämlich ein Volumen vonder Philosophie der Arznei, darin aller KrankheitenUrsprung kundgemacht werden soll, und eins in derAstronomie wegen der Heilung, mit genugsamlichenVerstand vorgehalten, und am letzten eins von der Al-chemie, das ist modum praeparandi rerum medicina-lium. Und wenn ihr die selbigen drei durchlesen undverstehen werdet, so werdet ihr (auch die, die abgefal-len sind) mir nachfolgen. Will auch hiermit nit schlie-ßen, sondern für und für, dieweil Gott Gnad gibt, dieMonarchei erfüllen. Und so mir die große Ungunst et-licher Widersacher aus der Arznei und anderer, nit soheftig auf dem Halse läge, so müßte auf diesmal der

Page 102: Paracelsus - Paragranum

102Paracelsus: Das Buch Paragranum

Hauptteil beendet worden sein. Ich kann auch dasvorhersehen, daß sich die astronomi auch wider micheinlegen werden, auch die philosophi, aber sie werdenmich nit verstehen und werden zu früh wider michschreien und zuletzt werden sie wieder heimziehen.Laßt euch aber dadurch nit abwendig machen, son-dern lest dieweil das ihre, bis daß das meine auf denFüßen nachfolgen wird; so werdet ihr finden, was ihrgern haben werdet. Denn mein Vorhaben zu schreibenist allein hierin: auf was Grund ich die Arznei setzeund halte; auf daß ihr von mir wißt, was ihr auf michund auf meinen Grund bauen sollt. Und ich lege euchdas so vor, daß ihr mich nit aus der Anweisung eurerVäter, Lehrer, Professorn usw. verwerfen könnt. Ihrsollt euch nit durch die gemeinen Ärzte, Scherer,Bader, Blatterer usw. verführen lassen; die wollenhoch und mächtig angesehen werden und brauchengroße Rede und Geschwätz, nichts als eitel Berühmenund Geuden, und ist doch nichts daran. Es ist mitihnen gleich wie mit dem Psallieren der Nonnen; dieselbigen Nonnen brauchen des Psalters Weisen undtreiben Gesang, und wissen weiter weder gickes nochgackes. So ists mit den Ärzten auch; sie schreien undtreiben die Weise für und für, und wie eine Nonnemanchmal ein Wort versteht, darnach zehn Blätterlang nichts mehr, so sind auch diese Ärzte. Sie treffenmanchmal eins, darnach aber nichts mehr. Solches

Page 103: Paracelsus - Paragranum

103Paracelsus: Das Buch Paragranum

alles ermeßt und erfahrt bei euch selbst, so werdet ihrselbst darin Richter sein, aus was Grund mancher fun-diert ist und schreibt, wiewohl das doch in der Arzneinit seltsam ist, und sich niemand Scheltens kümmernsoll. Denn die Arznei ist in ihren Conscienzen ärgerals alle Hurenwirte und wie die Holhipper gegenein-ander gerichtet, was alles Zeichen der unwahrhaftigenKunst sind. Sie brauchen Neid und Haß, Verhinde-rung und dergleichen, wo einer solches erweisenmag, - das ist ihre Kunst. Denn so regiert sie derTeufel, aus den sie die Ordnung haben und führen;daran sollt ihr nicht zweifeln, und das beweist, daßdas viele Morden und Erwürgen nit »aus der HandGottes« geschieht.

Page 104: Paracelsus - Paragranum

104Paracelsus: Das Buch Paragranum

Der vierte Grund der Arznei, welcher istWesenheit

Wenn nun die Schrift von dem Wissen und denKünsten der Arznei, auf denen ein jeglicher Arzt ste-hen und seine Profession darein setzen soll, zumSchluß gekommen ist, so ist nun von nöten zu sagen,daß der selbige Arzt noch einen Grund an sich habenmuß, der da auf die drei diene, das ist, der die drei inseinem Grund innehält und nach dem Willen Gottes,der die Arznei gegeben und geschaffen hat, trägt.Denn der Arzt ist der, der nur andern arzneit, nichtsich selber. Wie ein Schaf, das nicht sich Wolle trägt,sondern dem Weber und dem Kürschner, und wirddrum gelobt, daß es viel und gute Wolle trage, so sollauch der Arzt gleich dem Schafe sein, und nit sichsondern andern den Nutz tragen und geben, und sichdieses Exempels nit entäußern. Denn ebenso ist auchChristus von Johannes baptista einem Lamm gleich-gebildet worden. Nun ist es sehr von nöten, daß einArzt einem Lamme gleich sei, denn da liegen viel grö-ßere Dinge in ihm innen verborgen, nämlich Mörde-rei, Erwürgen, Verkrümmen, Erlahmen, Verderberei,Schinderei, Diebstahl, Raub; diese Dinge alle sind ineinem Wolfsarzt. Wie ein Lamm und Schaf soll derArzt sein, der von Gott ist, wie ein Wolf ist der, der

Page 105: Paracelsus - Paragranum

105Paracelsus: Das Buch Paragranum

seine Arznei wider Gott braucht. Nun entnehmt ausdem, was für ein verflucht Tier der Wolf ist, wie Gottden Schnödesten und Verdammtesten dem Wolf ver-gleicht; so soll der Name billig auch dem reißendenArzte zugelegt werden. Welche sind die (reißenden)?Es sind die, die da arzneien und wissen bei ihrem Ge-wissen, daß sie nichts davon wissen und können,doch gebrauchen sie es um des Geldes willen; denenist gleich dem Wolf, der nimmt die Schafe und weißes wohl, daß sie nicht sein sind, aber um seines Nut-zes willen tut ers. Ein solcher Arzt ist ein Mörder,denn er wagt es, die Kranken genesen oder sterben,nur damit sein Nutz vor sich gehe. Und gleich einemSchaf in des Wolfs Rachen, so sind auch diese Kran-ken in des Arztes Hand. Desgleichen weiter: sie steh-len dem Kranken sein Gut, sie nehmen ihm sein Hausund Hof, fressen ihm das seine, entblößen ihn und dieseinen, - das ist gestohlen und geraubt. Denn einer,der sich mit unwahrhaftiger, Ungewisser Kunstnährt, - was er damit einnimmt, ist nichts anderes alsein Raub. Sie morden und erwürgen, verkrüppeln underlahmen. Denn Ursach: sie wissen von den Dingenallen nichts, es muß bei ihnen seinen Fortgang neh-men, wie der Wind eben das Segel weht. Nicht alsosoll der Arzt sein. Er soll nicht seinen Nutz betrach-ten; ob er seine Kunst schon kann und weiß, so kanner und weiß sie darum nicht, daß er dadurch Hoffart

Page 106: Paracelsus - Paragranum

106Paracelsus: Das Buch Paragranum

erlange, Pracht, Pomp, und seine Hausfrau in gülde-nen Ketten aufziehe, und sie, die eine Bäuerin, eineKöchin, eine Magd, eine Dirn, etwa einst eine Hur ge-wesen ist, einer Gräfin gleich mache, setze und stelle,gekleidet und gewandet. Dies sind alle reißendeWölfe. Die Arznei soll in einem Schaf sein und ineinem Lamm, also daß sie mit solchem Gemüt, Treueund Herzen gereicht und mitgeteilt werde, und hinge-gen Treue vom Kranken erwarten. Denn Treue aufTreue gebührt sich, Wahrheit auf Wahrheit, Gerechtesauf Gerechtes, nicht Gerechtes auf Ungerechtes, wieetwa einen Wolfsarzt mit Treue bezahlen, wie: durcheinen Kranken, der ein Lamm ist, den reißenden Wolfersättigen. Sondern die Dinge alle sollen im Arzt an-fangen; wenn sie im Anfange vorhanden sind, werdensie im Ende, das ist vom Kranken, auch gefundenwerden. Wo aber der Arzt die Ordnung umkehrt undist ein Wolf und will ein Schaf haben, oder ist unge-recht, will einen Gerechten haben, der ihm gebe, under selbst gibt dem Kranken nichts, oder daß ihm derKranke treu sei und er ihm untreu, - wo das ist, amselbigen Ort wißt, daß kein Fieber, kein Wind, keinWetter über den Märzen irriger läuft und verworrenerdurcheinander geht, als solche Arzt ein Gewächsdurcheinander machen, daß niemand wohl erkennenkann, was es ist, und vermischen Treu und Untreu,Falsch und Betrug, Gutes und Böses, ärger als Galle

Page 107: Paracelsus - Paragranum

107Paracelsus: Das Buch Paragranum

und Zucker.Ob ich nit billig die Redlichkeit eines Arztes auch

einen Grund und eine Säule der Arznei sein lassensoll? Was ist des Arztes Redlichkeit? Ja, ja, nein,nein, das ist seine Redlichkeit, darauf soll er gründen.So nun Ja ja sein soll, so muß er die Arznei dermaßenim rechten Grund wissen, daß das Ja ein Ja sei undwerde, und so soll auch nein das Nein sein. Drummuß er wissen, was Nein der Arznei sei. Aus demfolgt, daß diese Redlichkeit eines Arztes auf der Wis-senheit der Kunst stehe, welche Wissenheit aus demgemeldeten und angezeigten Grund geht und kommt,außerhalb derer auch keiner in der Arznei sich redlichheißen oder melden kann. Nun merkt, daß Gott unterallen Künsten und Fakultäten der Menschen den Arztam liebsten hat, befiehlt und gebeut. Wenn nun derArzt dermaßen von Gott hervorgenommen und gesetztworden ist, so darf er endlich kein Larvenmann sein,kein altes Weib, kein Henker, kein Lügner, keinLeichtfertiger, sondern er muß ein wahrhaftiger Mannsein. Denn so wenig Gott den falschen Propheten Dis-cipel und Jünger läßt, ebensowenig läßt er diesenÄrzten die Kunst der Arznei. Denn ihr seht, daß diefalschen Propheten, Apostel usw., Märtyrer undBeichtiger nit grünen, nicht vorankommen, sonderndann, wenn sie sich am höchsten und am bestenschätzen, so fallen sie, und alle ihre Jünger erheben

Page 108: Paracelsus - Paragranum

108Paracelsus: Das Buch Paragranum

sich gegen sie, und die ihrigen überwinden sie, dennGott läßt sein Wort und Geheimnis durch keinen Fal-schen einen Vorangang haben. Wenn er durch dieFalschen ebenso wie durch den Gerechten und ohneArglist Wahrhaftigen wirkte, so hätte er nit seineApostel auszuwählen brauchen, sondern hätte es wohldem Satan befohlen. So es aber wider den Satan ist,und die falschen Propheten des Satans sind, so stehetsin den Auserwählten Gottes. Und so werden die fal-schen Propheten, Apostel usw. Märtyrer in diesenDingen ausgeschlossen, und all ihre Wunderwerke,Zeichen, Taten, Predigten, Lehre, Weissagung werdenalle verworfen und weder ihr Ja noch Nein wird vorGott angenommen werden, sondern Gutes und Bösesin den Abgrund der Hölle gestoßen. So ist es auchhier mit der Arznei zu verstehen, nämlich daß Gott nitdie Leichtfertigkeit damit begaben will, sondern will,daß sie durch die Wahrhaftigen geschehe. Denn weilGott die Kunst dem Menschen zu nutz geschaffen undgegeben hat, was niemand Widerreden kann, so mußsie allein in der Wahrheit und in gewisser Wahrheitstehen, nicht in verzweifelter Kunst, sondern in ge-wisser Kunst. Denn Gott will, daß der Mensch wahr-haftig und nicht ein Zweifler und Lügner sei, er hatdie Wahrheit geschaffen, nit die Lügen, dem Arztealso verordnet und angeschafft, in der Wahrheit zusein, nicht in Lügen. Die Wahrheit ist seine

Page 109: Paracelsus - Paragranum

109Paracelsus: Das Buch Paragranum

Redlichkeit. Also ist des Arztes Redlichkeit, daß er sostandhaft und so wahrhaft wie die erwählten ApostelChristi sei, denn er ist nicht weniger als sie bei Gott.So nun Gott die Wahrheit ist und er setzt den Arzt,wie könnte er ihn dann zu einem alten Weibe oder zueiner (Plapper)taschen machen, sondern er muß ihn inder Wahrheit machen. Hierauf soll die vierte Säulegesetzt werden. Aber wo sie nicht in der Wahrheit, sounbeweglich wie Gott selbst, steht, sondern sie stehtin der Luft, so steht sie auf den Satan gebaut, gleichwie die falschen Propheten, die sperren den Leutendas Maul auch auf, und gleich wie die falschen Apo-stel, die tun auch Zeichen vor der Welt, und gleichwie die falschen Märtyrer, die sich töten lassen wiedie gerechten, und gleich wie die falschen Beichtiger,die beten und fasten ebenso wohl wie die gerechten.Nun sind sie um solches willen nicht auf die WahrheitGottes noch auf Christum gebaut, sondern auf denTeufel und Satan, in dem tun sie es. Ebenso suchenund nennen auch diese Ärzte ihre Fortuna und Kunst,und darnach sagen sie, gleich den oben gemeldetenfalschen: wir sind aus Gott; sehet, was wir können,seht was wir tun; da seht, wie Gott durch uns wirkt, -und verschweigen die Wahrheit, daß es durch denTeufel geschieht. So ihr betrachtetet, wie so seltsamdie Zeichen geschehen, so würdet ihr in denselbenauch finden, wie euer großer Triumph beschehen sei,

Page 110: Paracelsus - Paragranum

110Paracelsus: Das Buch Paragranum

und das Geschrei, nicht durch euch, sondern durchden, der leidet.

Nit weniger soll der Arzt eines guten Glaubenssein. Denn der, der eines guten Glaubens ist, der lügtnicht und ist ein Vollbringer der Werke Gottes. Dennso wie er ist, so ist er sein selbst ein Zeugnis; das ist:du mußt in Gott eines ehrlichen, redlichen, starken,wahrhaftigen Glaubens mit allem deinem Gemüt,Herzen, Sinn und Gedanken, in aller Liebe und Ver-trauen, sein, - alsdann, auf solchen Glauben undLiebe wird Gott seine Wahrheit nit von dir ziehen undwird dir seine Werke glaublich, sichtlich, tröstlich of-fenbar machen. Nun aber, so du gegen Gott nit einessolchen Glaubens bist, so wird es dir in deinen Wer-ken abgohn und du wirst darin Mangel haben; nach-folgend hat das Volk alsdann auch keinen Glauben indich. Auf das folgt, daß du dem Volk offenbar wür-dest, wie du gegen Gott in deinem Glauben stehest.Denn wenn sie dich unwahrhaftig, lügenhaft, zweiflig,unwissend finden, so können sie aus dem VollenGrund dafür haben, daß deine Sache gegenüber Gottnichts sei und daß du ein Schwärmer in der Arzneibist, und also kann niemand deine Kunst genießen.Gleicherweise wie einer, der da predigt und lehrt dasVolk und sagt ihm viel, und es geht kein apostolischWerk nebenher, das ist der Buchstabe, der tot ist.Denn diese Predigt läßt Gott in den Schäflein oder

Page 111: Paracelsus - Paragranum

111Paracelsus: Das Buch Paragranum

Zuhörenden nit fruchtbar werden; er nimmt es wiedervon ihnen. Denn der, der da säet, der ist nit der rechteSämann zum Acker und säet nichts als Raden ein;ebenso ist es mit solchen ungegründeten Ärzten. All-dieweil die Arznei nichts als eine Wahrheit sein soll,so muß sie aus Gottes und auf Gottes Wahrheit ge-gründet stehen, und in keiner Lüge. Soll ich denndann im Unrecht sein, wenn ich den Grund dahinsetze, daß Gott der Lehrer der Arznei sei, das ist inder Weise, daß er sie erschaffen hat. Drum soll derArzt vom Volk seinen Glauben haben, - so hat er ihnauch bei Gott, denn von dir zu Gott, vom Volk indich will Gott, daß alle Teile in der Wahrheit stehensollen und leben. Und alle Künste auf Erden sindgöttlich, sind aus Gott und nichts ist aus anderemGrund. Denn der Hl. Geist ist der Anzünder desLichts der Natur, darum kann niemand die Astrono-mie, niemand die Alchemie, niemand die Medizin,niemand die Philosophie, niemand die Theologie, nie-mand die Artisterei, niemand die Poeterei, niemanddie Musik, niemand die Geomantie, niemand die au-guria und das andere alles lästern. Denn warum? Waserfindet der Mensch aus sich selbst oder durch sichselbst. Nicht ein Plätzlein an ein Paar Hosen zu set-zen. Was erfindet der Teufel? Nichts auf Erden, garnichts, nit so viel, daß man eine Laus auf dem Hauptetöten oder fangen könnte. Was aber in uns erfunden

Page 112: Paracelsus - Paragranum

112Paracelsus: Das Buch Paragranum

wird durch das angezündete Licht der Natur, - als-dann so ist der Teufel der Wegweiser, der alle Dinge,so uns Gott gibt, sich zu fälschen untersteht, sie zuLügen zu machen und zu Betrügerei, woraus dannalle Handwerke Hinderungen empfangen; die Alche-mie ist verführt und in die lügenhafte Sprache und fal-sche Lehre gebracht worden, desgleichen die Geo-mantie auf einen falschen Grund gesetzt, die Medizinaus ihrem rechten Gang gebracht worden. Und so hatder Teufel die auguria auch verwandelt. Und er ist einLügner und die Lüge allein, und Gott die Wahrheit,und Gott gibt und lehrt uns die Wahrheit, und derTeufel untersteht sich von stundan Gott dadurch zuschmähen und ihn zu einem Lügner zu machen, undverführt die in Gott schwachen Gläubigen und führtsie in Irrtume, auf daß sie von Gott abfallen und inder Kunst Lügen finden und Gott als Lügner strafen,und so mit Lügen ihre Zeit verzehren und umgehen,und suchen und grübeln, und daß sie doch ohne dasFinden der Wahrheit sterben. So wißt, daß der Arzthierin ein Aufmerken haben soll, denn nicht auf desSatans Grund sondern auf den Grund Gottes ist er ge-baut, und soll stetig unverrückt in der Wahrheit wan-dern. Und ich melde, daß die Fakultäten und alleÄrzte in der Lügnerei wandeln und mit Gewalt darinliegen, und die Lüge für einen Grund halten und ach-ten, und auf ihr bleiben. Und sie heißen es eine

Page 113: Paracelsus - Paragranum

113Paracelsus: Das Buch Paragranum

Wahrheit, - die doch erlogen ist. Und so muß derVater der Lüge, der Satan eine Säule der Arznei sein,so es doch Gott sein soll und nicht der Satan. Und obihr auf solcher Säule recht steht, das merkt und erfahrtihr daran, wie nahe ihr Gott seid oder wie weit vonihm entfernt, und daß ihr die Lügensäule Gott zulegt,und euch selbst dem Teufel also ergebt und sein Reicherhaltet.

Und nicht allein in den gemeldeten, seinen Leib be-treffenden Tugenden, sondern auch in weiteren denLeib betreffenden Dingen sich rein und keusch halten,nicht seine Arznei zur Hoffart brauchen! Denn ausdem wächst ein falscher Arzt. So bald der Arzt imSinn hat, seinen Gewinn anders als aus reinem Herzenzu brauchen, steht er auf falschem Grund. Drum ge-bührt dies Gut nicht den Huren. Denn was davon denHuren gehört, wird nicht aus dem rechten Grund ge-wonnen; denn Gott läßt das aus ihm gewonnene Gutden Huren und Buben, weil Huren und Buben nichtfruchten und werden. Denn anders ist es ein gewon-nen Gut eines Arztes, anders ein gewonnen Gut einesKriegsmannes, anders ist eines Arztes Gut gegeneines Königs Gut, einen andern Auftrag hat ein Königmit seinem Gut, einen andern Auftrag der Arzt. Nunist des Arztes Auftrag nichts anderes, als sein Gut zurEhrbarkeit hin zu ordnen. Wenn ers dahin ordnet, soist er eines guten Grundes; wenn er das aber bricht,

Page 114: Paracelsus - Paragranum

114Paracelsus: Das Buch Paragranum

und wenn er schon seine Ehefrau dem Bilde der Huregleich machen wollte, seine ehelichen Kinder den Kö-nigen gleich zieren und sie in die Hoffart richten, soist doch sein Gut nicht aus gutem Grunde gewonnen,nicht aus dem Grunde von Gott, sondern vom Teufel,der ihm Kranke macht und gibt, und sie ihm auch ge-sund macht.

Was meint ihr Ärzte, - wenn ihr schon von einemeine rechte Kunst lernt und ihr seid Buben und ge-braucht sie zur Büberei, - es ist aus dem Teufel. DieKunst ist aus Gott, euer Brauch und Wesen aus demTeufel. Und wenn ihr nun damit viel gewinnt, es istgleich wie einer, der mit gestohlenem Gute gewinntund wird mit gestohlenem Gut reich; was ist der beiGott?! Ein Dieb. So habt ihr etliche Künste inne.Nicht als Arzt, sondern als die, die sie den Ärzten ge-stohlen haben, und weil euer Herz sich dermaßen mitStehlen nähren, führen und begehren will, so läßteuch Gott auch die Nahrung in der Gestalt geschehen.Aus Gott werden alle Menschen genährt und geführt,und Gott muß uns ernähren, sonst vermag uns nie-mand zu nähren. Aber wie ein Herr mit seinen Knech-ten, wess' Sinns ein jeglicher ist, darnach hält er ihn;so Gott auch. Will sich einer mit Wahrheit nähren, sogibt ihm Gott in der Wahrheit genug und gibt ihm mitder Wahrheit seine Nahrung, denn er ist uns schuldigdie Nahrung zu geben. Die gibt er uns, wie wirs

Page 115: Paracelsus - Paragranum

115Paracelsus: Das Buch Paragranum

haben wollen. Wollen wir es mit Lüge haben, so wer-den die Wahrheiten bei uns Lügen, und wir leben alsLügner. Nun gibt Gott den Lügnern ihre Nahrungebensowohl wie den Wahrhaftigen, denn er muß unsalle ernähren, Gute und Böse, wie er es mit der Sonneund Erde und allen Geschöpfen beweist. Also soll derArzt rein und keusch sein, das ist: so ganz, daß seinGemüt zu keiner Geile, Hoffart, Argem usw. oder der-gleichen stünde, noch das sein Fürnehmen sei. Denndie selbigen, die in solcher Lüge stehen, offenbarenlügenhaftige Werke, verlogne Arbeit, und alles, dasfalsch ist, ist bei ihnen, und sie nähren sich so mitLügnerei; das ist kein Grund der Arznei, sondern dieWahrheit soll ein Grund sein. Dieselbige ist rein undkeusch, und alle ihre Früchte aus diesem Gut bleibenrein und keusch, und kein Makel der Hoffart, des Nei-des, der Geile, der Unkeuschheit, des Übermuts, desPompes, der Pracht, des Ansehens, des Spiegels usw.ist an ihnen. Wenn ich euch hierauf den Grund desArztes vorlege, so sagt ihr, ich sei unsinnig, niemandwisse, was ich rede, ich sei besessen; ich bin des Sin-nes, die Dinge vorzubringen, daß man es wohl verste-he, und ihr sagt, es diene nit zur Sache. Fragt die Bau-ern darüber, ob ex nit zur Sache diene, oder ob es nitdie materia sei, die euch zuwider ist.

Damit der Arzt ganz werde und in vollkommenemGrunde stehe, so wißt, daß er in allen Dingen mit

Page 116: Paracelsus - Paragranum

116Paracelsus: Das Buch Paragranum

bequemer Ordnung handeln soll. Nun ist von der Be-quemlichkeit zu schreiben, daß sie sei congruitas, dasist: nach der gesetzten Ordnung der Natur und nit derMenschen handeln. Denn der Arzt ist nit dem Men-schen unterworfen, sondern durch die Natur alleinGott. Nun folgt hierauf, daß diese Bequemlichkeitund Bestimmung der Ordnung aus der Art des Leibeswie auch aus dem Licht der Natur gehen soll: dennder Leib hat ein ander Licht an sich selbst, wieder einanderes ist das Licht der Natur, die Art betreffend.Nun sollen sich diese Arten zusammenfügen. Weilnun Gleiches zu Gleichem kommen soll, das ist con-gruitas, so daß eins das andere recht angreife, eins aufdas andere laute, so sollt zuerst ein Wissen um dieArt des Leibes vorhanden sein. Wenn der Leib naturtund gezogen ist, so braucht er zu keinem Arzt. Dennder gezogene Leib ist anders und kein Kind mehr, dasin die Lehre geht; der gezogene Leib ist der ausge-wachsene Leib, in fremden Dingen. Der ist ausge-wachsen, der sich selbst empfindet: der ist fremd, derin ein Unbekanntes geht. Es ist die An des Lichts derNatur, daß sie dem Menschen in der Wiege eingeht,daß sie mit Ruten in ihn hineingeschlagen wird, daßsie am Haar herzu gezogen wird, und geht dermaßenin ihn hinein, daß sie kleiner als das Senfkorn ist undwächst größer auf als der Senf. Dieweil nun der Senf-baum Vögel auf sich sitzen sieht und war der kleinste

Page 117: Paracelsus - Paragranum

117Paracelsus: Das Buch Paragranum

unter allen, was ist seine Bedeutung anderes, als daßdas jung in uns kommt, das im Alter groß wird und sogroß, daß der Mensch nicht allein für sich selbst daist, sondern auch für alle anderen. Auf dieses nun:Weil der Mensch ein Baum werden und diese LehrChristi und das Exempel vom Senfbaum erfüllensoll, - ein alter ausgewachsener Baum kann nichtsmehr fassen und ist diesem Senfkorn gegenüber so gutwie tot. Weil er nun tot ist und ist nichts, und das Ex-empel lautet auf das Senfkorn und nit auf das Holzund die Äste, - wie kann dann aus einer alten Tanneein Kütten oder Sprößling wachsen? Oder aus einemalten Lorbeerbaum ein junger Holunder? Es ist nitmöglich. Noch viel unmöglicher ist es, daß ein alterKorrektor in einer Druckerei, ein alter Conventor ineiner Logiker-Burse, ein alter pater in einer SchuleArzt werde, denn der Arzt soll wachsen. Wie könnendie Alten noch wachsen? Sie sind ausgewachsen undverwachsen und im Moder vermoost und verwickelt,so daß nichts als Knorren und Knebel daraus werden.Darum, wenn ein Arzt auf einem Grunde stehen soll,so muß er in der Wiege gesät werden wie ein Senf-korn, und darin aufwachsen, so wie die Großen vorGott, so wie die Heiligen vor Gott, und müssen sowachsen, daß sie in den Dingen der Arznei wie einSenfbaum zunehmen, daß sie über alle hinaus wach-sen. Solches muß mit der Jugend aufgehen und muß

Page 118: Paracelsus - Paragranum

118Paracelsus: Das Buch Paragranum

wachsen. Wie wächst es denn bei den alten Väternauf, die verwachsen sind, und sie treten einher, unddie Zeit ist hin, sie haben nit geblühet, haben nit ge-sproßt, haben nit ausgeschoßt, sind nit im Märzen ge-wesen, wissen vom April nichts, wissen nicht, ob derMai blau oder grün sei, sind in den Heumonat gekom-men und haben wollen Frucht tragen. Das sind dieZeitlosen, das ist Kunstlosen, die im Herbst wachsen.Drauf wißt, daß congruitas da sein soll; nit wie sie esverstehen, sondern wie ich es anzeige, daß die Art desLeibes soll mit der Art des natürlichen Lichts auf-wachsen, so gleichen sie sich selbst zusammen. Dennder Mensch kann sie nit zusammensetzenund -ordnen, denn das ist nicht seines Vermögens. Sosoll der Grund von Jugend auf stehen und befestetwerden, und was nit zu seiner Zeit gesät wird, da wirdkein guter Trieb draus. Das sind die Ärzte, die vonwilden Apfelbäumen auf Weidenstöcke veredelt wer-den, haben weder Kern noch Samen; wenn man siesät, so geraten sie zu dem, das sie begehren.

Es mag auch nit ohne sein: wo der Grund einesguten Arztes ist, daß da auch die Treue mit läuft undvollkommen sei, nit eine halbe, nit eine geteilte, nitein Stückwerk, sondern eine ganze, vollkommeneTreue. Denn so wenig in Gott die Wahrheit geteiltoder gemischt werden kann, so wenig auch die Treue.Denn das sind Dinge, die sich nicht teilen lassen, so

Page 119: Paracelsus - Paragranum

119Paracelsus: Das Buch Paragranum

wenig wie die Liebe, denn Treue und Liebe ist einDing. Worin aber liegt nun die Treue eines Arztes?Nit allein, daß er fleißig den Kranken besucht, son-dern: ehe daß er den Kranken erkennt, sieht und hört,soll er in die Treue eingegangen sein, das ist: mitFleiß und Treuen gelernt haben, was sein Anliegensein soll. Denn hier wird die größte Treue versäumt,darin daß einer lernen will um der Pracht, um desScheines, um des Maulgeschwätzes, um des Namenswillen, und in solchen Dingen gesättigt sein möchte.Das sind alles Untreuen und ist außerhalb der Liebe.Denn die Liebe ist um ihrer selbst, nicht um andererDinge willen da. Einer lernt und befleißigt sich, sichselbst nutz zu sein, nit einem andern. Nun liegt dieTreue in dem, daß man sie wisse und könne; der sienit kann, derselbe kann sie auch nicht mitteilen. Drumso liegt es am Lernen, damit man es könne. Weil esnun am Lernen liegt, im Erfahren, so muß sie ange-fangen werden, zuvor und ehe die Kranken da sind.Wenn sie da sind, so ist darnach das Zeigen und Obender selben Treue da, das ist das Werk der Treue. Nunaber vom Lernen und vom Anfang des Werkes wißt,daß keiner ein Arzt werden kann ohne Lehre, ohne Er-fahrenheit, nit in einer kurzen Zeit, sondern in einerlangen Zeit. Denn lang ist die Zahl der Krankheiten,und sehr viel und mannigfach. Denn niemand wirdohne Lehr und Erfahrenheit, und die gar lange und

Page 120: Paracelsus - Paragranum

120Paracelsus: Das Buch Paragranum

eingehend, ein Arzt. So wenig, wie vor dem Maiendie Blüte ausschlägt, vor der Ernte das Korn zeitigwird, vor dem Herbst der Wein, ebenso wenig kanndie Zeit in einer jeglichen Erfahrenheit verkürzt wer-den. Nun reicht die Erfahrenheit von der Jugend anbis in das Alter und bis nahe an den Tod; nit zehnStunden lang bleibt einer unbelehrt. Wie wollen danndie alten patres, die erst in der Mitte ihres Lebens her-einkommen, zur Ernte und zum Herbst kommen? Eshilft ihnen nicht: ich bin auch sonst und vorher in die-sem und jenem recht gelehrt gewesen, - diese Dingealle dienen nicht der Treue zu den Kranken, sondernder Förderung deines Eigennutzes und dir selbst treu,dem Kranken untreu zu sein. Nicht das selbige, son-dern die Arznei sollst du wissen, das sind die Treuenzu den Kranken; die anderen gehören allein dir unddeiner Frau, - wie ein Roßdreck, der neben den Äp-feln schwimmt. Der Grund, den du so hereinziehst, istein sandiger Grund, auf den du nichts bauen magstnoch kannst. Weil nun kein fremder Grund hier in derArznei etwas taugt, sondern allein der von Jugend aufeingebildete Grund lauterer Arznei, so wisse hierüber:wie schwer und hart es einem Kranken ist, einem sol-chen Conventor, Schulmeister, Provisor und derglei-chen Pater, (die da allein verzweifeln machen), hierinihnen zu vertrauen, dieweil alle Handwerke, Schuh-macher, Kürschner usw. von Jugend auf darin erzogen

Page 121: Paracelsus - Paragranum

121Paracelsus: Das Buch Paragranum

sein müssen, und mit noch mehrerem Fleiß von derjungen Jugend auf Maler, Bildschnitzer, Goldschmie-de. So das bei den Handwerkern so ist, noch vielmehr ist es in der Arznei, die mehr Lernens bedarfdenn diese alle. Und ebensowenig wie du einen ge-schickten und sehr gelehrten Meister von der HohenSchule von Leipzig oder von Wien nehmen kannst,der nun sehr hoch gelehrt ist, und kannst aus demsel-ben Gelehrten einen noch geschickteren Schuhmachermachen als du bist, ebenso wenig gibt er auch einengeschickten Arzt, sondern viel tölpischer als ge-schickt. Und wie ein Esel auf der Leiern, so sind sieim Pulsgreifen und Fühlen an der Stirn, ob sie brenneoder nicht. Darauf wißt, ihr Ärzte, daß ihr, so spät an-fangend, die Treue nicht vollkommen lernt noch fertigbringt, und daß euch eure Sophisterei und Philosophienichts hilft. Denn euch hängt das Doktorat so an wieeinem Bauern der Adel; das ist (eure Rede): ich binedel, ich bin Doktor. Wie könnt ihr alten Schreiber-linge treu werden? Ihr könnt doch in euern altenTagen nicht Treues erlernen. Saturn ist zu stark widereuch.

Weiter soll der Arzt kunstreich sein. Der da kunst-reich sein will, der muß in allem seine Erfahrenheithaben, denn der Grund deiner Künste geht aus derKunstreiche; das ist, versteh, nicht der Grund derLehre, sondern der Grund der arzneiischen Kunst.

Page 122: Paracelsus - Paragranum

122Paracelsus: Das Buch Paragranum

Denn wie kannst du etwas beurteilen, wenn du dasnicht aus anderm urteilen kannst. Ein Urteiler sollsein Urteil, das er innen gibt, von dem außen nehmen.Der versteht die Kunst, der kunstreich ist, und derkann in ihr nichts beurteilen, der nicht kunstreich ist;aus anderem wird das, das beurteilt werden soll, ver-standen. Nun, wie kann ein Arzt ohne Kunstreichesein, weil in ihm die größten Arkanen, ihm bekannt,liegen und wohnen sollen. Denn die größten Arkanensind durch die Klugen aufgegangen. Was ist nunKunstreiche eines Arztes? Daß er wisse, was den un-empfindlichen Dingen nutz und zuwider sei, was denbeluis marinis, das ist den Meerwundern, was den Fi-schen, was den brutis, das ist Vernunftlosen, ange-nehm und unangenehm sei, was ihnen gesund und un-gesund sei. Das ist Kunstreiche, die natürlichen Dingebetreffend. Was mehr? Die Wundsegen und ihre Kräf-te, von wannen oder aus was sie das tun; was sonstsei; was die Melusine sei, was die Syrene sei, waspermutatio, das ist Veränderung, transplantatio, dasist Verpflanzung, und transmutatio, das ist Vertau-schung, sei, und wie sie mit vollkommenem Begreifenzu verstehen seien, was über die Natur sei, was überdie Art sei, was über das Leben sei, was das Sichtbareund das Unsichtbare sei, was die Süße und was dasBitter gebe, was da rieche, was der Tod sei, was demFischer diene, was dem Lederer, was dem Gerber,

Page 123: Paracelsus - Paragranum

123Paracelsus: Das Buch Paragranum

was dem Färber, was dem Schmiede der Metalle, wasdem Schmiede des Holzes, das ist dem Holzarbeiter,not zu wissen sei; was in die Küche gehört, was inden Keller gehört, was in den Garten gehört, was derZeit angehört, was ein Jäger weiß, was ein Bergmannweiß, was einem Landfahrer zusteht, was einem An-säßigen zusteht, was Kriegsläufe bedürfen, was Frie-den mache, was den Geistlichen, was den WeltlichenUrsache (ihrer Einsicht) gebe, was jedweder Standmache, was jedweder Stand sei, was jedweden Stan-des Ursprung sei, was Gott, was der Satan sei, wasGift, was Gegengift sei, was in Frauen, was in Man-nen sei, was Unterschied zwischen Frauen und Jung-frauen sei, zwischen gelben und bleichen, zwischenweißen und schwarzen und roten und falben in allenDingen, warum die Farbe da, eine andere da, warumkurz, warum lang, warum geraten, warum verfehlt,und was diese Adepterei in allen Dingen anbetrifft.Nit daß dies Arznei sei, sondern eine der Arznei ange-hängte Eigenschaft. Gleicherweise wie es eine Eigen-schaft eines gerechten, ausgewählten Apostels ist, daßer die Kranken gesund macht, die Blinden sehend, dieLahmen gerade, und die Toten auferweckt, - so han-gen auch solche Dinge am Arzt. Wie aber will dannso ein alter, ehrbarer, betagter Mann, der da in casua-libus, in temporalibus verlegen ist, diese Dinge erfas-sen? Der da eine lange Zeit braucht, allein die Namen,

Page 124: Paracelsus - Paragranum

124Paracelsus: Das Buch Paragranum

die mit der Rute hätten gelernt werden sollen, zu ler-nen? Auf solchen Dingen aber steht der Grund derArznei, daß ein Arzt solcher Dinge Wissen habenmuß. Denn mehr ist an einem Arzte denn an den Men-schen anderer Fakultäten gelegen, mehr an einemArzte denn an andern dergleichen Dingen. Wenn alsomehr an ihm gelegen ist, ist er auch mehr, mehr soll erauch sein, mehr soll er auch wissen, denn er soll einVater der Philosophie und Astronomie sein. Wie kön-nen diese alten Schüler, Apotheker und andere, dieerst mit der Zeit in die Arznei kommen und den Graderlangen, wohl bestehen und wohl gegründet sein?!Alters halben hätte es keine Not, wohl aber der Kunsthalben; da ist das Gebrechen. Das ist keine Kunst,Doktor und Meister zu werden; das Geld tuts. Das isteine Kunst, wahrhaftig Doktor und Meister zu sein.Wessen berühmt ihr professores und promotores euchin euren discipulis? Wenn sie Doktor werden, so sagtihr: er ist zu Leipzig mein Schüler gewesen, hat beimir Avicenna, Galen usw. gehört und die Aphorismendes Hippokrates usw. und viel gute Dinge, - doch andir und deinem Ding ist nichts Gutes darin. Was hater denn Gutes von dir gelernt? Erlähmen auf beidenSeiten. Das wäre wohl des Berühmens wert, wenn eindoctor, promotor, praeceptor etc. seinen auditores diesecreta der Wahrheit lehrte. Hier läge der Butz (desApfels); da könnte sich der auditor, das ist Hörer,

Page 125: Paracelsus - Paragranum

125Paracelsus: Das Buch Paragranum

freuen und sagen: das hab ich. Aber ach Gott, diesesecreta sind klein bei euch, so daß ihr euch derselbenschämen müßt. Ihr laßts also gut sein mit den totenBüchern, aus denen bei euch nie ein wahrhafter Arzterstanden ist. Der sich seines Schülers mit Ehren be-rühmen will, der muß ihm mehr als den Plunder Avi-cennas und die Possen Galens usw. und das mare ma-gnum des Jakobus de Partibus mitteilen.

Obwohl die Dinge alle von den Kranken zerbro-chen werden können, denn Ursach: ihr seht, daß dieDinge alle in denen gewirkt werden oder die Wirkungvollbracht werden soll, da müssen sie dazu auch ge-schickt sein; wo nicht, so wird in dem selben nichtsausgerichtet. Weil nun das alles im Arzt vorhandenist, und nun am Kranken so viel liegt, soll er zu emp-fangen geschickt sein, - ohne welche Geschicktheitnichts erfolgen kann. Drum wißt, was im Krankensein muß: eine natürliche Krankheit, ein natürlicherWille, eine natürliche Kraft, in diesen dreien steht dasVollenden des Werkes des Arztes. Wenn nun etwasanderes im Kranken als dieses ist, so wird er vomArzte keine Heilung erwarten können. Denn die, dieChristus gesund gemacht hat, mußten geschickt seinzu empfangen; der Ungeschickten ward nie einer ge-sund. Noch viel mehr ist es hier einem Arzte zu er-kennen not, daß seine Kranken der Geschicktheit seinsollen, denn die Kraft des Arztes ist kleiner als die

Page 126: Paracelsus - Paragranum

126Paracelsus: Das Buch Paragranum

Gottes. Gott hat eine Austeilung über die Menschenund über die Natur getroffen, die niemand ermessenoder ergründen oder erfahren kann, in was ein jedeseingeteilt worden ist. Den Menschen ist ein Großesbei Gott nicht wissend. Das geht aber den Arzt nichtan, sondern allein das geht ihn an, daß er nichts alsdurch Gott gewollt verantworte. Denn niemanden istes möglich zu erkennen, wo Gott fördert oder hindert.Der Arzt soll in des Himmels, des Wassers, der Luftund der Erden und aus den selbigen des MikrokosmosErkenntnis stehen, und auf solcher Erkenntnis vor sei-nem Gewissen bestehen, nichts Gott entziehen nochzulegen, alle Zeit Gnade und Barmherzigkeit erwar-ten. Denn hat er der Sonne eine Finsternis geschaffenund dem Monde, hat er sie stille stehen geheißen, hater einen Sündfluß über die Welt ergehen lassen, hat ertäglichen Reif und Hagel angeordnet, so ordnet er indergleichen Dingen auch seinen Willen, und willdabei nicht, daß seine Arznei, seine Schöpfung gelä-stert oder geschmäht oder untauglich genannt sei; siesei nicht genügend, sondern sie ist aller Kräfte voll.Das aber ist in diesem Zusammenhange auch seinWille, so will er nach seinem Willen handeln und derNatur ihre Kraft nicht nehmen, aber sie still stehenlassen; so wie er der Sonne ihren Schein nicht nimmt,wenn Finsternisse kommen; aber die Zeit über, wäh-rend die Finsternis ist, die Zeit über sieht man nichts.

Page 127: Paracelsus - Paragranum

127Paracelsus: Das Buch Paragranum

Während also Gott der Arznei solchen Untergang ver-hängt, schleicht dieweil der Tod herein und nimmt dasLeben. Und darnach, wenn er fort ist, scheint die Arz-nei so sehr wie zuvor, wie die Sonne. In der Nachtstehlen die Diebe. Man sieht sie nicht, und es sind diegeschicktesten Diebe, die stehlen, ohne daß mansieht; so schleicht der Tod, in solcher Nacht der Arz-nei, herein, und stiehlt das Leben, das ist: den höch-sten Schatz, den der Mensch hat. Wenn Gott die Arz-nei nicht still stehen ließ, wie die Sonne zu der ZeitJosuah, wer könnte sterben? Viele, denen er die Ge-sundheit nimmt, so wie er die Sonne hinter sich gezo-gen hat, die will er krank haben, und will doch nit,daß sie ihn dessen zeihen. Denn so geheim sind seineWerke, daß wir es nicht meinen, nicht wissen, emp-finden, und nicht »woher« wissen, - und er will, daßwir der Arznei unterworfen sein sollen, daß wir in unsrein seien, daß wir keinen Argwohn auf ihn haben undtragen. So guten Willens sollen wir sein und so be-herzt gegen ihn, daß wir ihm solches nicht zutrauensollen, sondern der Natur die Schuld geben, und fürund für in die, durch seine Arznei, arbeiten, in demGlauben, daß alles, was der Arzt tue, daß es durchGott getan, vollbracht oder gehindert sei. SolcheTreue und solches Herz, Hoffnung und Vertrauen, sollder Kranke Gott gegenüber haben, auf daß er nit inUrsache der Finsternis falle, in der der Tod kommt, in

Page 128: Paracelsus - Paragranum

128Paracelsus: Das Buch Paragranum

der die Sonne zurückgezogen wird oder gar ein Sünd-fluß vorsichgehe. Denn hat er der ganzen Welt (dieSünde) nit übersehen, wie wollte er sie dann einigenübersehen, und das in der Stille und verborgen. So of-fenbar damals der Sündfluß war und allen Kreaturenbekannt, so verborgen sind nach diesem solche be-schlossene Urteile, so daß der Mensch selbst ohne dasausgesprochene Urteil Gottes von dieser Welt ab-scheidet.

Weil nun der Arzt so hoch und fest angesehen wer-den soll, gegründet auf solche starken Gründe undFundamente, so wißt hierbei, daß kein Arzt auf einemGrunde außerhalb der angezeigten vier Gründe beste-hen kann, weil so viel an einem Arzt liegt, daß Gottdurch ihn wirkt und ihn haben will, und er das Lobund das Leid der Arznei tragen soll, - das Lob, indemer genießt, durch was man Gott preist, nachfolgenddas Leid, das ist: wenn ihm die Arznei gestellt wird.Weil der ein Dieb ist, der ihm den Kranken stiehlt, soduldet sie Gott in keinem falschen, daß solche wederFreude noch Leid von ihm tragen sollen. Darum wißthierin auch, daß die Ärzte, die sich mit der Arznei al-lein zu erhalten begehren, weiter nichts ergründennoch erfahren. Wenn nun diese Ärzte, die Gott ernäh-ren muß, nach ihrem Willen mit Lüge wirken odertöten, will das Gott nicht, daß das auf ihn gelegtwerde, sondern dem selbigen Arzt wird der Mord

Page 129: Paracelsus - Paragranum

129Paracelsus: Das Buch Paragranum

zugeteilt, seine Freude, sein Leid als ein Ding, Argesund nichts Gutes. Denn Gott will nicht, daß die Arz-nei durch solche falschen Leute erhalten werden soll.Darum ist zu betrachten, in was Grund und Weg derArzt wandeln soll, und daß ich euch billig den vorhal-te, dieweil ihr das sein wollt, das ihr mit nichten seid,und wollt den Grund verwerfen, auf den ihr gebautsein sollt und ohne den ihr nicht stehen könnt nochPlatz habt.

Nun berechnet es euch von mir, aus was ich redeund schreibe und was mein Grund sei, und deren, dieihr aus meiner Sekte zu sein nennt, wieviel ehrlicherund statthafter sie gegründet seien denn ihr, die danichts anderes wissen als auf das Papier zu zeigen,das aus alten Hadern gemacht wird und im nächstenWasser zergeht. Und wie das selbige ist, so ist esauch eine Haderei, was ihr darauf findet, und ist eineLehr der Hadern und Lumpen. Das Papier ist derAcker, in den die Raden gesät werden, und ihr seidder Raden Arzt, denn ihr klaubt allein heraus, dasnichts taugt; das was taugt, das zertretet ihr. Darum,weil die Raden fetter stehen und ansehnlicher in ihremAnsehen als der Weizen, müssen sie eure Apothekenfüllen und in Ehren halten, und euch bei euermNamen. Und ihr seid doctores, wie die simplicia sind;sie sind faul und gerodiert, das ist zerfressen, verle-gen, wurmstichig, und niemand ist unter euch, der

Page 130: Paracelsus - Paragranum

130Paracelsus: Das Buch Paragranum

wisse, was in ihnen sei. Also wie ihr nichts in ihnenwißt, so weiß man und findet man auch nichts ineuch, außer dem, das in den Apotheken beschriebenist, und ist auch an euch das beste. Und weil ihr aufsolchen ungründigen Grund gebaut seid, so wißt ihrnichts. Und so bald ein kleiner Schweiß kommt, sostockt ihr und wißt nit, wo dran ihr seid, und Doktor(Theoprast, der) Schweizer, den ihr verachtet, ist eueraller Meister. Und ihr lest und lest, lernt und lernt,und könnt nichts. Was seid ihr anders denn die ausder Zahl der Jungfrauen, die das Öl ihrer Lampen ver-schüttet hatten, kamen zu den andern und wolltenwelches entleihen?! Ebenso seid ihr doctores; all eureBüchsen sind ausgeschüttete Lampen, und wenn einfremder Doktor kommt, so sprecht ihr: Lieber, lehrmich etwas, meine Lampen wollen nicht brennen; ichhab kein öl, ich hab keinen Saft, und so ich, ich undein anderer, der euch nit als Narren kennt, der selbigeteilt euch mit, - und wir machen uns damit selbst un-sere Feinde. Wenn wir aber nach der Jungfrau-en-Parabel lebten und gäben euch nichts, und ließeneuch Stadtärzte, Fürstenärzte und andere auf den Pol-sterdecken sitzen und euch um euer Ampelöl usw.selbst sorgen, so würdet ihr inne werden, was ihr er-langen würdet. Und wenn wir Landfahrer (die ihr unsso heißt) nit wären, wie große Morde geschähen durcheuch? Wie viele der Verderbten bringen wir wieder

Page 131: Paracelsus - Paragranum

131Paracelsus: Das Buch Paragranum

auf? Und da ihr seht, daß in solcher Erfahrenheit soviel liegt, schickt ihr eure Raden auch auszuwandernaus; so habt ihr jetzt das Wandern auch betrogen undbeschissen, also daß ihr nit allein die Heimischen,sondern auch Fremde und Heimische bescheißt undbetrügt. Will euch also hiermit meinen Grund vorge-halten haben, guter Hoffnung, ihr werdet eure Augenauftun und zu erkennen wissen, was eure Kunst undArznei sei, (will aber doch) die auditores, daß sieeuch nit zufallen, ermahnt haben.

Dixi.