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Parodontitis r ao eine immunologische Erkrankung mit genetischer Komponente $mfu*m.nm Smffi"xdätt Die Parodontitis ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, deren Entstehung und Progression durch mehrere Faktoren bedingt wird. Neben exogenen Risikofaktoren wie Rauchen, Stress und mangelnder Mundhygiene gilt eine Verschiebung des mikrobiellen Keimspektrums in der Mundhöhle und die damit einhergehende steigende Pathogenität des Biofilms als wichtigster initialer Faktor. Ausmaß und Verlauf der Erkrankung wird dann aber durch die körpereigene Entzündungsreaktion des Patienten bestimmt. Die individuelle Entzündungskompetenz eines jeden Patienten wird durch genetische Varianten (Polymorphismen) in den für die Immunantwort relevanten Genen bestimmt und erklärt den genetischen Faktor als entscheidenden Risikofaktor für die Progression der Parodontitis. Sch I ü sselwö rte r: Pa rod o ntiti s, M u n d h ö h I e, Entzü n d u n g sreaktion, Poly m o rph i smen. Die Genetik spielt eine wichtige Rolle bei einer Parodontitis Untersuchungen bei Zwillingen bestätigen den Einfluss der Genetik bei der Parodontitis (1). ln einer Studie an 110 Zwillings- paaren wurde gezeigt, dass sich eineiige Zwillinge hinsichtlich Taschentiefe, Attachmentverlust, Plaque und Gingivitis signifikant ähnlicher waren. Da in der Studie die äußeren Einflussfaktoren für die Zwillingspaare identisch waren, müssen die unterschied- lichen klinischen Marker bei den zweieiigen Zwillingen je nach Marker zu 38 o/o bis 82 o/o erblich bedingt sein. Die Bedeutung der genetischen Prädisposition wurde in Familienstudien bestätigt (2). Da die Entzündungsreaktion bei der chronischen Parodontitis pathognomisch ist, überrascht es nicht, dass vor allem Gene der Entzündu ngsfaktoren vera ntwortlich si nd. Pathogene Bakterien lmmunsystem Abb. 1: Die individuelle Entzündungsantwort auf pathogene Bakterien wird u.a. durch qenetische Varianten in den für die lmmunantwort relevanten Genen bestimmt. Verlauf der parodontalen Entzündungsantwort Auslösender Reiz für die Entzündungskaskade ist der subgingi- vale (Parodontitis) bzw. supragingivale (Periimplantitis) Biofilm. Durch das 5aumepithel diffundierende bakterielle Mediatoren wie z.B. Liposaccharide (LPS) aktivieren Gewebemakrophagen. Diese sezernieren proentzündliche Zytokine, insbesondere lnterleukin-1 (lL-1), Tumor Nekrose Faktor-alpha (TNF q) und lnterleukin-6 (lL-6). Diese Zytokine bedingen eine lokale Aktivierung des Gefäß- endothels, was die lnfiltration weiterer lmmunzellen fördert (Chemotaxis). Für das parodontale Entzündungsgeschehen sind die durch die genannten Zytokine initiierten Gewebe-destruktiven Vorgänge von zentraler Bedeutung. lL-1, TNF o und lL-6 aktivieren über eine Steigerung der RANKl-Expression die Osteoklasten, umwelt.medizin'gesellschaft | 24 | 2/ 2011

Parodontitis eine immunologische genetischer Komponente · 2016-07-04 · Parodontitis und der Konzentration lokaler Entzündungszytokine, insbesondere lL-1, ist vielfach beschrieben

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Page 1: Parodontitis eine immunologische genetischer Komponente · 2016-07-04 · Parodontitis und der Konzentration lokaler Entzündungszytokine, insbesondere lL-1, ist vielfach beschrieben

Parodontitis raoeine immunologische Erkrankung

mit genetischer Komponente$mfu*m.nm Smffi"xdätt

Die Parodontitis ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, deren Entstehung und Progressiondurch mehrere Faktoren bedingt wird. Neben exogenen Risikofaktoren wie Rauchen, Stressund mangelnder Mundhygiene gilt eine Verschiebung des mikrobiellen Keimspektrums in derMundhöhle und die damit einhergehende steigende Pathogenität des Biofilms als wichtigsterinitialer Faktor. Ausmaß und Verlauf der Erkrankung wird dann aber durch die körpereigeneEntzündungsreaktion des Patienten bestimmt. Die individuelle Entzündungskompetenz einesjeden Patienten wird durch genetische Varianten (Polymorphismen) in den für die Immunantwortrelevanten Genen bestimmt und erklärt den genetischen Faktor als entscheidenden Risikofaktorfür die Progression der Parodontitis.

Sch I ü sselwö rte r: Pa rod o ntiti s, M u n d h ö h I e, Entzü n d u n g sreaktion, Poly m o rph i smen.

Die Genetik spielt eine wichtige Rollebei einer Parodontitis

Untersuchungen bei Zwillingen bestätigen den Einfluss der

Genetik bei der Parodontitis (1). ln einer Studie an 110 Zwillings-paaren wurde gezeigt, dass sich eineiige Zwillinge hinsichtlichTaschentiefe, Attachmentverlust, Plaque und Gingivitis signifikantähnlicher waren. Da in der Studie die äußeren Einflussfaktoren

für die Zwillingspaare identisch waren, müssen die unterschied-lichen klinischen Marker bei den zweieiigen Zwillingen je nach

Marker zu 38 o/o bis 82 o/o erblich bedingt sein. Die Bedeutung dergenetischen Prädisposition wurde in Familienstudien bestätigt(2). Da die Entzündungsreaktion bei der chronischen Parodontitispathognomisch ist, überrascht es nicht, dass vor allem Gene derEntzündu ngsfaktoren vera ntwortlich si nd.

PathogeneBakterien

lmmunsystem

Abb. 1: Die individuelle Entzündungsantwort auf pathogene Bakterien wird u.a. durch

qenetische Varianten in den für die lmmunantwort relevanten Genen bestimmt.

Verlauf der parodontalenEntzündungsantwort

Auslösender Reiz für die Entzündungskaskade ist der subgingi-vale (Parodontitis) bzw. supragingivale (Periimplantitis) Biofilm.Durch das 5aumepithel diffundierende bakterielle Mediatoren wiez.B. Liposaccharide (LPS) aktivieren Gewebemakrophagen. Diese

sezernieren proentzündliche Zytokine, insbesondere lnterleukin-1(lL-1), Tumor Nekrose Faktor-alpha (TNF q) und lnterleukin-6 (lL-6).

Diese Zytokine bedingen eine lokale Aktivierung des Gefäß-

endothels, was die lnfiltration weiterer lmmunzellen fördert(Chemotaxis). Für das parodontale Entzündungsgeschehen sinddie durch die genannten Zytokine initiierten Gewebe-destruktivenVorgänge von zentraler Bedeutung. lL-1, TNF o und lL-6 aktivierenüber eine Steigerung der RANKl-Expression die Osteoklasten,

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Auslösender Reiz,

z.B. subgingjvale Bakterien

Freisetzung von bakteriellenMediatoren, z.B. LPS

Aktivierung vonSchieimhautmakrophagen

Aktivierung lokalerEntz ündungsprozesse

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Knochenabbau

Gewebeabbau

OPG TIMP

zeitversetzteEntzü ndu ngshem mu ng: IL1RN, IL 1O

TNFa, lL

ß

Abb. 2: Der Verlauf der parodontalen Entzündungsantwort wird durch das Verhältnis

pro- und antientzündlicher Zytokine bestimmt

was mit einer erhöhten Alveolarknochenresorption einhergeht(3, 4). Zusätzlich steigern diese Zytokine die Freisetzung der

gewebeabbauenden Matrixmetalloproteinase 8 (MMP-B) die

heute mit hoher Präzision aus der Zahntasche messbar ist und

einen wichtigen Prognosemarker darstellt (5). Zur Verhinderung

eines chronischen Entzündungsgeschehens wird die initiierteEntzündungsantwort im Normalfall durch die Ausschüttung der

antientzündlichen Zytokine lL1-Rezeptorantagonist (lL1 RN) und

lL-10 gebremst. Beide Zytokine hemmen die lL-'l -,TNF-a- und lL-6-

Freisetzung und damit einhergehend die Endothelaktivierung,

wodurch die lnfiltration weiterer lmmunzellen ins Gewebe limi-tiert wird. lL-10 schützt vor destruktiven Entzündungsvorgängen,

indem es einerseits über eine gesteigerte TIMP- (Tissue lnhibitorof MMPs) Freisetzung (Gegenspieler des MMP-B) Gewebeabbau

bremst und anderseits über die OPG-(Osteoprotegin) lnduktion(Gegenspieler des RANK) den Knochenabbau verhindert (6).

Der Verlauf der parodontalen Entzündungsantwort wird somitdurch das Verhältnis pro- und antientzündlicher Zytokine be-

stimmt. Mit welcher lntensität die Zytokine im Rahmen der

lmmunantwort freigesetzt werden, ist durch Polymorphismen in

den Genen der Zytokine individuellfestgelegt. lm Folgenden wird

auf die Genpolymorphismen eingegangen, die nach aktuellem

Stand der Literatur mit der Parodontitisprogression assoziiert sind.

lnterleukin-1 -Gencluster

Der enge Zusammenhang zwischen dem Schweregrad einer

Parodontitis und der Konzentration lokaler Entzündungszytokine,

insbesondere lL-1, ist vielfach beschrieben (7). lm entzündeten

Parodontalgewebe und in der gingivalen Saumflüssigkeit kommt

es zu einer erhöhten lL-1l lL'l RN-Ratio (B). Das lnterleukin-l-Gencluster liegt auf dem Chromosom 2 und umfasst die Gene

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für lL-la (lL1A), lL-l13 (lLlB) und den lL-1-Rezeptorantagonisten(lL1 RN). Für zwei Polymorphismen im lL-1-Gen ist die funktio-nelle Bedeutung belegt. Der eine ist an Position -889 in der Pro-

moterregion des lLlA-Gens (C/T), der zweite liegt an der Stelle

-3953 (C/T) des lLl B-Gens. Liegt bei beiden Polymorphismen das

T-Allel vor, kommt es zu einer gesteigerten lL-'l -Synthese und

damit einhergehend zu einer gesteigerten Entzündungskapazität(9). Diese Entzündungsaktivität wird noch zusätzlich verstärkt,

wenn im ILlRN-Gen der Polymorphismus T-2018C vorliegt,der zu einer verminderten Freisetzung des antientzündlichenGegenspielers lLlRN führt. Die genannten Genotypen zeigen

eine enge Assoziation zur Parodontitis. Patienten mit diesem

Polymorphismus entwickeln bei gegebener bakterieller Belas-

tung häufiger und ausgeprägter eine Parodontitis als alters-

gleiche Probanden ohne diese Polymorphismen ('l 0). Das Risiko

des Zahnverlustes ist in der genotypisch auffälligen Polulation 2,7

mal höher (11). Die Kombination von Rauchen und einem positi-

ven lLl -Genotyp erhöht die Häufigkeit des Zahnverlustes um den

Faklor 7,7.1n der gleichen Studie wurde die Bedeutung der lL-1-

Polymorphismen auch unabhängig vom Raucherstatus gezeigt.

TNF-q

Das TNF-o-Gen liegt auf dem Chromosom 6. Ein G/A-Polymor-phismus an der Stelle -308 im Promoter des Gens geht mit einer

bis zu siebenfach gesteigerten TNFa-Gen-Expression einher (12).

Bei Patienten mit Therapie-resistenter Parodontitis und Trägern

des A-Allels im TNFo-Gen liegt eine gesteigerteTNF-o-Freisetzung

durch orale Schleimhautleukozyten vor. Durch Blockierung der

TNF-q- und lL-1-Effekte durch lösliche Rezeptoren lassen sich

Entzündung und Knochenresorption hemmen (13). Der mit einer

erhöhten TNF-o-Transkriptionsaktivität einhergehende -308G/A-

Polymorphismus wurde in diversen Studien auch häufiger bei

Patienten mit bronchialer Hyperreaktivität und Asthma, Diabetes

mellitus Typ l, Psoriasis-Arthritis, Lupus erythematosus und chro-

nisch entzündlichen Darmerkrankungen nachgewiesen (14).

Auf Grund der herausragenden Bedeutung der proentzündlichen

Schlüsselzytokine TNF-o und lL-1 sowie dessen Gegenspieler

ILl RN für die individuelle Entzündungsneigung hat es sich durch-gesetzt, anhand der erläuterten genetischen Konstellationen die

Entzündungsprädisposition in 5 Graden zu beschreiben. So wer-

den Patienten mit Entzündungsgrad 0 und 1 als Low-Responder

bezeichnet, da eine normale oder allenfalls geringfügig erhöhte

Entzündunsgkapazität vorliegt. Bei GRAD 3- und 4-Patienten,

sogenannten Highrespondern, liegt hingegen genetisch festge-

legt eine stark erhöhte Entzündungsbereitschaft vor.

Interleukin-6

Auch wenn die Stärke der initialen Entzündungsantwort vor allem

durch TNF-o und lL-1 festgelegt wird, spielen andere Zytokine in

der Modulation eine bedeutende Rolle.

Das proinflammatorische Zylokin lnterleukin-6 wird u.a. von

Makrophagen, Fibroblasten, Epithelzellen und T-Zellen sezerniert.

lL-6 steigert die MMP-8-Freisetzung und die Knochenresorption

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(4). Moreira et al. (15) zeigte, dass die ll-6-Expression mit demAttachmentverlust korreliert. Eine erhöhte IL-6-Expression istnicht nur für die Parodontitis, sondern auch für andere chronischentzündliche Erkrankungen wie z.B. die Rheumatoid-Arthritisgezeigt (16). Bei einer erfolgreichen parodontaltherapie gehtdie lL-6-Sekretion deutlich zurück (17). Ein G/C-polymorphismusim Promoter des auf dem Chromosom 7 liegenden Gens an derStelle -174 hat Einfluss sowohl auf die ll-6-Transkription als auchdie lL-6-Proteinsekretion. Das G-Allel geht mit einer erhöhten lL-6-Freisetzung einher. ln Studien wurde das G-Allel mit chronischenund auch aggressiven Krankheitsverläufen assoziiert (1 g).

Der Fakt, dass bei Trägern des G-AIlels (erhöhte lL-6-Freisetzung)erhöhte Keimlasten an Aggregatibacter actinomycetemcomitansund Porphyromonas gingivalis verglichen mit Trägern des C-Allels(normale lL-6-Freisetzung) gefunden wurden (1 9), verdeutlicht,dass eine genetisch bedingte zu starke Entzündungsantwort miteinem chronischen Krankheitsverlauf einhergeht, bei dem dieparodontopathogenen Keime zwar initialer Auslöser sind, dieunkontrollierte gesteigerte körpereigene Entzündung dann aberfür die Progression der Erkrankung verantwortlich ist. lnsofern istes heute unbestritten, dass die Bakterien zwar einen wichtigenTrigger darstellen, die chronische Parodontitis aber vorrangig alsimmunologisches und nicht nur als infektiologisches Geschehenanzusehen ist.

lnterleukin-10

Neben dem lL1-Rezeptor-Antagonist (lL1RN) wird auch lnter-leukin-10 (lL-10) als antiinflammatorisches Zytokin bei einer Ent-zündungsreaktion zeitversetzt von Makrophagen sezerniert (6).

Der Polymorphismus C-592A im auf dem Chromosom 1 liegen-den lL10 Gen wurde in einer Vielzahl von Studien mit derProgression der Parodontitis assoziiert. Er geht mit vermindertenlL-10-Spiegeln einher (20). Claudino et al. (2'l) konntezeigen, dassder Polymorphismus hetero, und homozygot verändert (CA undAA) signifikant gehäuft bel parodontitispatienten vorkommt. Er

wies zudem nach, dass bei Trägern des A-Allels die vermindertelL-'1O-Freisetzung mit deutlich niedrigeren Mengen an TlMp-3 undOPG sowie erhöhter Knochenresorption, gesteigerte Gewebe-destruktion und Zunahme derTaschentiefen einhergeht.

Vitamin-D-Rezeptor

Der Vitamin-D-Rezeptor (VDR) ist ein Transkriptionsfaktor, der diebiologischen Effekte des Vitamin-D (Calciferol) an den Zielzellenvermittelt. Dies geschieht, indem der VDR ähnlich wie NFxB imZellkern die Transkription von Genen an- und abschaltet. DasVDR-Gen liegt auf dem Chromosom 12. Der sogenannte Taq-Polymorphismus an der Stelle 1056 im Exon 9 führt zu einemT/C-Austausch und wurde gehäuft bei patienten mit chronischerParodontitis nachgewiesen (22). Dieses ist durch die zentrale Rolledes Vitamin D im Knochenstoffwechsel, in der lmmunantwortund im Kalzium- und Phosphatstoffwechsel erklärbar.

Anwendung der Parodontitis-Genetikin der klinischen Diagnostik

Unter Berücksichtigung der dargestellten Tatsachen wird deut-lich, dass die Parodontitis nicht als ein ausschließlich infektiolo-gisches sondern vielmehr als ein immunologisches Geschehenangesehen werden sollte.Das bedeutet, dass Bakterien zwar einen wichtigen Trigger dar-stellen, das eigentliche Problem bei progredient verlaufendenParodontitiden aber die übersteigerte Entzündungsantwortdes Patienten ist. Somit erklärt sich auch, warum systemischeEntzündungserkrankungen wie Diabetes oder kardiovaskuläreErkrankungen auch ihrerseits die Entzündungssituation am paro-

dont verstärken können,

Die Kenntnis des individuellen Verhältnisses zwischen pro- undAntientzündung gibt einen prognostischen Hinweis für denErkrankungsverlauf, dient aber vor allem bei therapieresistentenVerlaufsformen auch zur Therapieoptimierung.Nicht selten tritt die Konstellation auf, dass nach einer antibioti-schen oder manuellen Therapie die Markerkeimnachweise vor-übergehend rückläufig sind, klinisch das Entzündungsgeschehenaber persistiert und die Erregerlast im weiteren Verlauf wiederzunimmt. Bei Nachweis einer erhöhten genetischen Entzündungs-neigung sollten daraufhin folgende zusätzliche Aspekte in dasBehandlungskonzept einbezogen werden:1. Sensibilisierungen auf Zahnersatzmaterialien und weitere

odontogene Störfaktoren sollten gezielt gesucht und saniertwerden.

2. Zusälzlich zur lokalen manuellen Therapie sollte ein antient-zündlicher Therapieansatz gewählt werden.

3. Diese Patienten sollten keine immunstimulierende Therapieerhalten, was in der Praxis leider häufig (ohne Rückmeldungan den behandelnden Zahnarzt) der Fall ist.

Abb. 3: Musterbefund einer 45-jährigen patientin mit progredienter generalisierterParodontitis.

nussans 15.04.2011

Profil Entzündungsgrad: lL1A, lL.1 B, lL1 RN undTNF{Profil Entzündungsmodulation: lL-6 und lL-10

Frgebnir: DienachgewiesenengenetischenKonstellationenergebenzusammenfassend

Genotyp-assoziiede Zltoktnseketion

PrcJnflammation Antllnflammation profnflammation Antltnflammation

n

WKKI wKr

interprctationr Die nachgewiesene Genotypkonstellation geht einher mit einer erbhten Freisetzuno desentzündungsfördernden zytokins lL-'1 bei gleichzeitiger Erniedrigung des entzindungshemmenden iLt-Rezeptorantagonisten. TNF-a wird normar freigesett. Dies gehi beivorhandenem Entdndungsreiz miteiner stark erhöhten Entzündungsneigung (cRAD 3) einhenBei den immunregulierenden Zytokinen lL-6 und lL-.10 liegen im vorliegenden Fall polymorphismen votwelche die proenzündliche crundkonsteilation noch verslä,ken. Das proentzündtiche lL-6 wird vermehrtund das antientzündliche lL-10 reduzied frejgeseüt.Der Gesamtbefund zeigt eine Konsteilation die eine prddisposition ilr chronische bzw. peßistierendeEntzündungsverläufe darstellt. Bei gegebener Klinik uäre im vorliegenden FaJl eine begleitende anii-entzündliche Therapie zu eilägen. Der Befund gibt zudem Anlass, den patienten beajglich Nikotin_vezicht und lntensivierung der rllundhygiene zu motivieren. Es empfehren sich engmaschigereRecaIund Prophylaxeinteryalle.

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ln den Fällen einer chronisch progredienten Parodontitis in denenkein erhöhter Entzündungsgrad nachgewiesen wird, sollte dage-gen nach anderen Prädispositionsfaktoren gesucht werden, wel-che die Schleimhautimmunfunktion herabsetzen können (lgA,

Mannose-bindendes Lektin, Granulozytenfunktion).

Das Wissen um die genetische Disposition zu einem progres-

siven Verlauf der Parodontitis sollte helfen und Anlass sein,

den Patienten bezüglich Nikotinverzicht und lntensivierung derMundhygiene zu motivieren. ln solchen Fällen empfehlen sich

zudem engmaschigere Recall- und Prophylaxeintervalle.

Kontakt:

Dr. rer nat. Sabine schüttlnstitut für Medizinische Diagnostik BerlinNicolaistraße 2212247 BerlinE-mail: [email protected]

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