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LANDESKONFERENZ 2015
Pensionistenverband Vorarlberg
Berichts- und Antragsheft
BERICHTS- UND ANTRAGSHEFT
Seite 12
Antrag 1 – Pflege und Betreuung langfristig sichern!
Der PVÖ fordert unter anderem: Valorisierung des Pflegegeldes,
Rechtsanspruch auf Reha, verpflichtende Erschwerniszuschläge beim
Pflegegeld, Demenzzentrum und mehr Gesundheitsförderung,…
Wenn zukünftig immer mehr Frauen und Männer ein hohes Alter erreichen und auch pflegebedürftig
werden, gleichzeitig jedoch immer weniger potenzielle Helferinnen und Helfer in den Familien zur
Verfügung stehen, sind die bisherigen zwei Säulen der Versorgung auf Dauer nicht mehr tragfähig: die
ambulante Pflege durch Familienangehörige sowie die überwiegend professionelle stationäre Pflege.
Die wachsende Zahl älterer Menschen wird in Zukunft nicht allein mit professionellen Kräften versorgt
werden können.
Aufgrund der demographischen Entwicklung wird der Erhalt von Selbstständigkeit und
Selbstbestimmung auch gesamtgesellschaftlich immer bedeutender. Daneben müssen bekannte und
innovative Ansätze in der Pflege und Betreuung verstärkt werden. Quartiersbezogene Wohnkonzepte,
mobile Hilfsdienste, ambulante Dienstleistungen zur Entlastung von pflegenden Angehörigen,… sollen
Pflege und Betreuung langfristig finanzierbar halten und dem Wunsch der Betroffenen, möglichst lange
in den eigenen vier Wänden zu leben, entsprechen.
Unabhängig von den Pflege- und Betreuungskonzepten ist die Finanzierung der Pflege von größter
Bedeutung. Die Finanzierung der Pflege- und Betreuung in Österreich ist auf eine solide Basis zu stellen.
So sind etwa Zuschläge zur Kapitalertragssteuern, sowie eine einzuführende Vermögenssteuer als
Basis für diese steuerfinanzierte Pflege und Betreuung einzuführen. Diese neuen Einnahmen, und die
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bisher bereits zur Verfügung stehenden steuerlichen Mittel, sind in dem Pflegefonds zuzuführen. Der
Pflegefonds kann dadurch über 2018 hinaus zureichend dotiert werden.
In den kommenden Jahren wird der Pflegebereich vor allem auch wegen der Finanzierungsfrage an
Bedeutung gewinnen. Daher sind Grundsätze vom Pensionistenverband an Gesetzgeber
weiterzureichen, die nicht verrückbar sind.
Die Landeskonferenz des Pensionistenverbandes Vorarlberg
beschließt daher und fordert von den politischen Verantwortlichen:
• die laufende Valorisierung des Pflegegeldes; der Wertverlust des Pflegegeldes seit der
Einführung beträgt rund 30 Prozent.
• den Rechtsanspruch auf medizinische Rehabilitation umzusetzen. Durch Einbeziehung der
Pensionisten in die Rehabilitation können chronische Leiden gelindert und die
Pflegebedürftigkeit zurückgedrängt werden. Die Kosten der Alters-Rehabilitation sind als
aufkommensneutral einzuschätzen, weil höhere Folgekosten, etwa der Bezug von (höherem)
Pflegegeld oder teure medizinische Behandlungen, dadurch vermieden werden können.
• die Beibehaltung des Grundsatzes der „Pflege“ von Betreuung und Hilfe stark zu machen. Als
Betreuung gilt vor allem An- und Auskleiden, Körperpflege, Zubereitung und Einnahme von
Mahlzeiten, Verrichtung der Notdurft, Einnahme von Medikamenten, Mobilitätshilfe im engeren
Sinn (z.B. Hilfe beim Aufstehen und Zubettgehen, Gehen, Treppensteigen). Als Hilfe gilt die
Herbeischaffung von Nahrungsmitteln, Medikamenten und Bedarfsgütern des täglichen Lebens,
die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, z.B. Begleitung zum Arzt, zur Therapie.
• dass es zu keinen weiteren Verschlechterungen beim Zugang zum Pflegegeld durch
Änderungen bei den Pflegestufen, der Stundenanzahl oder Anforderungen kommt.
• verpflichtende Erschwerniszuschläge, analog bei Demenz, bei „psychischen Störungen“
durch eine Normierung in der Einstufungsverordnung zum BPGG einzuführen.
• die Teilhabe im Alter in Form von Bildungsangeboten zu ermöglichen. Bildung für das
Alter und Bildung im Alter sind eine wesentliche Grundlage für eine positive Lebensgestaltung.
Bildung fördert Aktivität, motiviert, mobilisiert und hilft auch, mit Einschränkungen und
Krankheiten im Alter besser fertig zu werden. Die Nutzung neuer Technologien im Alltag wird
immer mehr zur Vorbedingung gesellschaftlicher Teilhabe. Um allen älteren Mitbürgerinnen
und Mitbürgern diese Teilhabe auch zu ermöglichen, sind finanzielle Rahmenbedingungen zu
schaffen, die diese gewünschte Teilhabe auch ermöglichen.
• die aktivierende Pflege als ein Teil der Versorgung zu forcieren. Für den Pflegebedarf aus
geistig-seelischen Gründen oder bei Formen der Demenz, besteht nach wie vor nicht die
hinreichende Pflegeleistung. Insgesamt muss es mehr als nur eine körperbezogene Pflege sein.
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Ganzheitliche Pflege meint auch soziale Betreuung, Begleitung der pflegenden Angehörigen und
Verbesserung der Kommunikation.
• dem Wunsch der Mehrheit der älteren Menschen so lange wie möglich im privaten
Umfeld zu bleiben zu ermöglichen. Wohnungen müssen daher bereits bei der Planung
vorausschauend in stärkerem Maße barrierefrei und im Bedarfsfall veränderbar sein. Bei der
Entwicklung neuer und der Revitalisierung alter Wohnquartiere sind die Belange älterer
Menschen stärker zu berücksichtigen. Bei Heimen und Wohngemeinschaften sollte
überschaubaren Wohneinheiten der Vorzug gegeben werden. Alternative Angebote, wie
Tagesbetreuungszentren und betreutes Wohnen, Mehrgenerationenhäuser sind
flächendeckend in allen Regionen sicher zu stellen. Der Ausbau der Infrastruktur für die Pflege
und Betreuung durch die Länder ist voranzutreiben. Mobile Hilfsdienste und medizinische
Hauskrankenpflege sind adäquat mit Personal auszustatten, insbesondere bei der
Hauskrankenpflege ist auch eine Versorgung in der Nacht sicher zu stellen.
• in jedem Bundesland ist ein Zentrum für Demenz- und Alzheimererkrankungen
einzurichten. Diese haben nebst der stationären und ambulanten Behandlung auch die
kontinuierliche Aus- und Weiterbildung der Ärzte und des Pflegepersonals (intra- und
extramural) sicherzustellen. Stationäre und ambulante geriatrische Remobilisation sind als
begleitende Maßnahme zur Verhinderung von Pflege ein weiterer, wichtiger Meilenstein in der
gesamten Thematik von Pflege und Betreuung anzusehen. Die im ÖSG vorgesehenen
Maßnahmen zum Aufbau der quantitativ und qualitativ notwendigen Anzahl stationärer und
ambulanter Einrichtungen im Bereich Akutgeriatrie und Remobilisation sind voranzutreiben.
• Gesundheitsförderung und Prävention im Alter größere Bedeutung beizumessen. Die
bestehenden Präventionspotenziale älterer Menschen wurden in verschiedenen Studien
ausgewiesen und legen die bundesweit einheitliche Implementierung entsprechender
gesundheitsfördernder und präventiver Maßnahmen nahe. Bislang bestehen in Österreich
jedoch noch keine flächendeckenden Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention für
ältere Menschen. Gesundheitsförderung und Prävention sind auch bei schon vorhandenen
Einschränkungen enorm wichtig. So können Mobilität erhalten, Selbständigkeit und Teilhabe
im Alltag unterstützt und die Entstehung von Pflegebedürftigkeit hinausgezögert werden. Ziel
ist dabei nicht die völlige Vermeidung von Erkrankungen, sondern krankheitsbedingte
Auswirkungen zu lindern, den Ausbruch neuer Erkrankungen zu vermeiden und/oder ein
Leben mit Krankheit zu erlernen. Darüber hinaus soll eine Grundlage geschaffen werden, die
zusätzlichen Lebensjahre mit einer möglichst hohen Lebensqualität zu erleben.
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Antrag 2 – Wertschopfungsabgabe zur Finanzierung der Sozialversicherungen
Wir fordern die Einführung der Wertschöpfungsabgabe, weil immer mehr
Arbeitskraft durch Maschinen ersetzt werden und die alleinige Finanzierung
des Sozialstaates über Gehälter und Einkommen ungerecht und
verantwortungslos ist.
Die Finanzierung unseres Sozialsystems entstand in der arbeitsintensiven Gesellschaft des 19.
Jahrhunderts. Damals machte es Sinn, als Bemessungsgrundlage fur die Sozialversicherung die Lohne
und Gehalter heranzuziehen. Aber aus den Fabrikhallen, in denen anno dazumal tausende Arbeiter
beschaftigt waren, wurden menschenleere, aber wertschopfungsintensive und hochprofitable
Produktionsstatten. Die Beitragsgrundlage ist nach wie vor die Bruttolohn- und Gehaltssumme.
Mit ihr werden die Sozialversicherungsbeitrage (Pensionen, Gesundheit, Unfallkosten und
Arbeitslosigkeit) finanziert. Ebenso die Wohnbauforderung, die Kommunalabgabe und der Beitrag fur
den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF), aus dem unter anderem Familienbeihilfen und Karenzgeld
berechnet werden.
Die hohe Besteuerung des Faktors Arbeit im Verhaltnis zur Besteuerung des Faktors Kapital vermindert
den Einsatz von Arbeit in der Produktion bzw. fuhrt zur Ersetzung durch Maschinen. Die Einfuhrung
einer Wertschopfungsabgabe zur Finanzierung von Sozialleistungen - oft auch als „Umbasierung“ der
Sozialversicherungsbeitrage bezeichnet - kann aufkommensneutral erfolgen.
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Ein erster Schritt ware etwa eine Umbasierung der Beitrage zum FLAF, mit einer Senkung des
Beitragssatzes von derzeit 4,5 auf 2,5%. Mehr Beitrage hatten kapitalintensive Branchen, wie
Energiewirtschaft, Banken, Versicherungen und die Landwirtschaft, zu leisten. Entlastet wurden
Industrie und Gewerbe insgesamt, der Handel und der Bausektor. In einer WIFO-Studie wurde die
Beschaftigungswirkung einer Umstellung der FLAF-Finanzierung untersucht. Mittelfristig, so das
Ergebnis, konnten durch diese geringfugige A/ nderung 21.000 Arbeitsplatze entstehen.
Eine vorerst aufkommensneutrale Wertschopfungsabgabe wurde auch zu einer Steigerung des
Beitragsaufkommens fuhren, weil die erweiterte Bemessungsgrundlage rascher steigt als die in den
letzten 25 Jahren sinkende Lohnsumme. Von einer adaquaten Mitfinanzierung des Sozialstaates konnten
sich Unternehmen, die jetzt durch Rationalisierungsinvestitionen und Kundigungen sparen, nicht mehr
so leicht drucken.
Die Landeskonferenz des Pensionistenverbandes Vorarlberg
beschließt daher und fordert von den politischen Verantwortlichen:
• eine aufkommensneutrale Wertschopfungsabgabe zur Finanzierung der sozialen
Sicherungssysteme ist auszuarbeiten.
Antrag 3 - Beseitigung der steuerlichen Diskriminierung von GrenzgangerpensionistInnen
Wir fordern die Sechstelbegünstigung, Regelung zum Progressionsvorbehalt
und KV-Beiträge als Werbungskosten.
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Die Problematik der PensionistInnen mit (Teil-)leistungen aus Deutschland, Schweiz, Liechtenstein,…
hat, auch durch die Doppelbesteuerungsabkommen, in den vergangenen Jahren zugenommen. Waren
diese PensionistInnen beim Punkt der Krankenversicherungsbeitrage vor 2010 gegenuber den
osterreichischen PensionsbezieherInnen teilweise bevorteilt, wurde dieser Umstand durch eine
entsprechende EU-Verordnung geschlossen. Seitdem bezahlen die Grenzgangerpensionisten auch die
Versicherungsbeitrage fur die auslandischen Teilleistungen. Von der Politik wurde argumentiert, dass
damit mehr Gerechtigkeit geschaffen wurde, was naturlich auch im Sinne des PVO/ war.
Dieselbe Gerechtigkeit wurde aber weder bei der Sechstelbegunstigung noch beim
Progessionsvorbehalt geschaffen. Hier bestehen weiterhin massive Benachteiligungen fur die
O/ sterreicherInnen mit auslandischen Rentenbezugen, mit massiven Auswirkungen auf deren
Einkommen. Zum Teil verzeichnen diese PensionistInnen seit dem Jahr 2010 Einkommenseinbußen von
bis zu 15 Prozent.
Es ist daher im Sinne des Pensionistenverbandes, von der Politik diese Gerechtigkeit im Sinne der
Betroffenen einzufordern und die Situation und die Forderungen hier naher zu beschreiben:
Forderung 1) Steuersechstel auf ausländische Pensionen
In O/ sterreich unterliegen der 13. und 14. Monatsbezug, also das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, gemaß §
67 Abs 1 EStG 1988 der fixen Besteuerung des einheitlichen Steuersatzes von 6 Prozent. Bezuge unter
2.000 Euro innerhalb des Kalenderjahres sind sogar zur Ganze steuerfrei. In jedem Fall steht ein
Freibetrag von 620 Euro zu. Auch PensionistInnen mit osterreichischen Pensionsleistungen profitieren
von diesem Steuersechstel.
Nicht in den Genuss dieser Begunstigung kommen jedoch z.B. O/ sterreicherInnen die eine Rente aus der
gesetzlichen AHV beziehen. Die Schweiz zahlt gemaß Art 19 des Bundesgesetzes uber den Allgemeinen
Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) periodische Leistungen in der Regel monatlich aus. Eine
Aufteilung in 13 oder 14 monatlichen Renten oder auch Sonderzahlungen sind in der Schweiz gesetzlich
nicht vorgesehen. Das Steuerjahr hat in der Schweiz nur 12 Monate. Der Pensionsberechtigte erhalt
daher von der Schweizer Pensionsversicherung, unabhangig davon ob er in der Aktivzeit zwolf, vierzehn
oder mehr Bezuge jahrlich erhalten hatte, seine Pension immer nur in maximal zwolf Monatsraten
ausbezahlt.
Auf den ersten Blick ist fur die Anwendbarkeit der Begunstigung des § 67 Abs 1 EStG 1988 somit der
Auszahlungsmodus. Eine nahere Beschaftigung mit dem Einkommenssteuergesetz bringt den
Begutachter jedoch auf den § 69 EStG 1988. In dieser Bestimmung werden namlich Falle normiert, in
denen unabhangig vom Auszahlungsmodus die Begunstigung des § 67 Abs 1 EStG 1988 trotzdem
zustehen. Der Gesetzgeber hat namlich in den jeweiligen Sozialversicherungsgesetzen normiert, dass
den PensionsempfangerInnen jeweils im Monat April und September „Sonderzahlungen“ zustehen, auch
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fur PensionsbezieherInnen, deren fruhere Aktivbezuge nicht dem Lohnsteuerabzug unterlegen waren,
werden also durch § 67 Abs 1 EStG 1988 begunstigt. Wesentlich dafur ist nur, dass das
Einkommenssteuergesetz unterstellt, dass neben der laufenden Pensionszahlung auch eine
Sonderzahlung gewahrt wird. Dafur wurden eben in § 69 EStG 1988 Sonderfalle festgesetzt. Diese
mussten nun nur mehr erweitert werden. Somit konnten BezieherInnen von auslandischen Renten im
Zuge der Steuererklarung ein Siebentel der ausbezahlten Bezuge steuerbegunstigt veranlagt werden.
Forderung 2) Progressionsvorbehalt von BezieherInnen
deutscher Pensionen
Komplexer stellt sich die Problematik von BezieherInnen von deutschen Pensionen dar. Rund 140.000
O/ sterreicherInnen sind vom Doppelbesteuerungsabkommen betroffen. Vermeintliche
Verhandlungserfolge der osterreichischen FinanzministerInnen, wie das Nichteinhebung von
Kleinstbetragen, Verzugszinsen und Saumniszuschlage bei den Betroffenen durch das Finanzamt
Neubrandenburg, haben sich als Seifenblase herausgestellt. Die Praxis zeigt, dass weiterhin der
Ermessensspielraum seitens der deutschen Behorden angewendet wird, unter Verweis auf
Rechtsentscheidungen.
Weitaus schwerer wiegt jedoch der Progressionsvorbehalt in O/ sterreich. Das zwischen Deutschland und
O/ sterreich abgeschlossene Doppelbesteuerungsabkommen weist Deutschland fur Renten aus der
gesetzlichen deutschen Rentenversicherung das alleinige Besteuerungsrecht zu. In O/ sterreich werden
diese Renten auf Grund des Doppelbesteuerungsabkommens von der Steuer befreit. O/ sterreich hat
jedoch das Recht, die deutschen Rentenbezuge bei der Festsetzung der Steuer fur das ubrige
Einkommen in O/ sterreich zu berucksichtigen, was hinlanglich als Progressionsvorbehalt bezeichnet
wird. „Progressionsvorbehalt“ bedeutet, dass der osterreichische Fiskus auslandische Einkunfte zwar
nicht in die Bemessungsgrundlage fur die Ermittlung der Einkommensteuer einberechnet. Wenn das
Finanzamt aber den Steuertarif fur das gleichzeitig in O/ sterreich erzielte Einkommen ermittelt, dann
schlagt er die auslandischen Einkunfte fiktiv hinzu.
Dieser gilt auch fur jene Einkommensteile in O/ sterreich, die in Deutschland versteuert werden mussen,
obwohl der Progressionsvorbehalt in O/ sterreich nicht explizit im Gesetz verankert wird. Dadurch erhalt
der osterreichische Fiskus ein nicht unbetrachtliches Korberlgeld.
Das Ergebnis: Der Steuerpflichtige rutscht in eine hohere Steuerklasse, als dies kraft seiner inlandischen
Einkunfte der Fall ware. Und zahlt folglich mehr Steuer – egal, ob das auslandische Einkommen schon
versteuert ist. Dezidiert vom Progressionsvorbehalt in O/ sterreich ausgenommen sind laut BMF-
Richtlinie Beamte und sonstige Bedienstete der EU und ihrer Organe.
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Der O/ sterreichische Seniorenrat schlagt daher vor, dass die entrichtete Steuer von in Deutschland
Steuerpflichtigen von der Bruttopension in Abzug gebracht wird, d.h. die Nettopension als
Berechnungsgrundlage fur den Progressionsvorbehalt heranzuziehen ist.
Weitere Unklarheiten ergeben sich bei der Werbekostenpauschale, die fur den Steuerpflichtigen erst ab
2009 abziehbar sind und fur das Ehegattensplitting, einer gemeinsamen Veranlagungen von Ehegatten,
wo bis heute erst zwei Falle abgeschlossen werden konnten, da eben die Frage ob ein doppelter
Grundfreibetrag bei jenem Steuerpflichtigen zur Anwendung kommt, welcher nur eine beschrankte
Steuerpflicht hat oder eben kein doppelter Grundfreibetrag in Anwendung gebracht werden kann. Zu
dieser Thematik hat nunmehr auch eine Arbeitsgruppe eine gemeinsame Position des Seniorenrates
erarbeitet, welche auch in der Sitzung des Seniorenrates einstimmig beschlossen worden ist. Wichtig ist
hier noch, dass diese gemeinsame Position aufgrund der Hartnackigkeit der PVO/ Landesgruppe
Vorarlberg zustande gekommen ist.
Die Landeskonferenz des Pensionistenverbandes Vorarlberg
beschließt daher und fordert von den politischen Verantwortlichen:
• dass der § 69 EStG dahingehend erganzt wird, dass im Rahmen des Veranlagungsverfahrens
ein Siebentel der ausgezahlten Bezüge als sonstiger Bezug gemaß § 67 Abs 1 EStG
ausgewiesen werden.
• Verhandlungen mit den deutschen Gesetzgebern zu fuhren, mit dem Ziel, dass beschrankt
Steuerpflichtige in Deutschland zukunftig direkt die fällige Steuer durch die deutsche
Rentenversicherung eingehoben werden. Festgehalten wird dazu, dass diese Vereinbarungen in
Deutschland offensichtlich noch keine rechtliche Grundlage (Verordnung der Finanzverwaltung
bzw. U/ bereinkommen mit der Bundesrepublik Deutschland o.a.) gefunden haben.
• Kleinstbetragsbescheide (unter 10 Euro pro Jahr) abzuschaffen. Das BMF hat zwar bei
Auskunften bisher immer versichert, dass solche nicht mehr ausgestellt werden, uns liegen aber
gegenteilige Informationen vor.
• Verzugszinsen und Säumniszuschläge abzuschaffen. Falls weiterhin solche von den
deutschen Steuerbehorden eingehoben werden (entgegen der Zusagen durch das BMF) ist es
sicherlich sinnvoll, hier durch ein rechtsverbindlich Zusage und deren schriftliche Verankerung
Rechtssicherheit zu erlangen.
• eine klare Regelung zu den Ratenzahlungen zu finden. Auch hier sollten klare Regelungen
getroffen werden und nicht dem Ermessen der einzelnen Beamten uberlassen werden. Die
Raten mussen naturlich moderat sein und durfen den Steuerpflichtigen nicht uberfordern.
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• die Prüfung und gegebenenfalls die Adaptierung des Ehegattensplitting, damit dieser
moglichst einfach und nachvollziehbar in Anspruch genommen werden kann
• die Beseitigung der Ungleichbehandlung der Höhe des Grundfreibetrages zwischen
deutschen und auslandischen Steuerzahlern in den Jahren 2005 bis 2007. Wahrend deutsche
Steuerzahler einen Grundfreibetrag von EUR 7664,- in Anspruch nehmen konnten, hat dieser
fur auslandische Steuerzahler EUR 6136,- betragen. Diese Ungleichbehandlung bewirkte, dass
fur viele Pensionistinnen und Pensionisten in O/ sterreich eine unbeschrankte Steuerpflicht nicht
erreichbar war.
• dass Krankenversicherungsbeiträge für ausländische Renten als Werbungskosten
geltend gemacht werden können. Es wird daran erinnert, dass die Kosten fur
Krankenversicherungsbeitrage seit 2010/2011 auch fur auslandische Renten anfallen.
Problematisch ist dabei, dass diese Kosten nur in Deutschland von unbeschrankt
Steuerpflichtigen als Werbungskosten geltend gemacht konnen, nicht hingegen von den
beschrankt Steuerpflichtigen.
In O/ sterreich konnen diese Beitrage gar nicht geltend gemacht werden, da es sich um KV-
Beitrage fur eine deutsche Rente handelt. Nachdem diese deutschen KV-Beitrage aber der
osterreichischen Krankenversicherung zu Gute kommen, ist diese Rechtslage schwer
verstandlich.
• eine klare Regelung zur Nachversteuerung in Österreich zu schaffen. Hier sollte durch
Erlass des BMF klar geregelt werden, wie lange eine Nachversteuerung bei Nichtmeldung der
deutschen Rente (Progressionsvorbehalt) erfolgen soll. Eine funfjahrige Frist ist ausreichend.
• Wiedereinsetzung in vorigen Stand
Die Wiedereinsetzung in vorigen Stand in Deutschland gemaß § 110 AO (D) bezieht sich
lediglich auf den Erstbescheid. Folgebescheide unterliegen dieser Regelung nicht mehr. D.h. der
Betroffene verliert die Moglichkeit an sich zu Unrecht entrichtete Steuerzahlungen
zuruckzufordern.
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Antrag 4 – Nein zu TTIP und CETA
Wir fordern das Ausklammern aller sozialer Leistungen, Einrichtungen und
Dienste - einschließlich der Daseinsvorsorge und der sozialen Sicherheit –
aus den TTIP-Verhandlungen.
Was die herrschenden neoliberalen Krafte in der EU durch die Finanzkrisen sowie die Staats- und
Bankenrettung zu Lasten der Steuerzahler nicht geschafft haben, konnte uber das
Freihandelsabkommen mit den USA (Transatlantic Trade and Investment Partnership TTIP) bittere
Realitat werden: Der Sozialstaat europaischer Pragung soll sturmreif geschossen werden. Damit scheint
sich zu bestatigen, was der Prasident der Europaischen Zentralbank, der Italiener Mario Draghi, erst
kurzlich in mehreren Interviews deutlich gesagt hat: dass der Sozialstaat in Europa keine Zukunft mehr
habe.
Diese Abwartsspirale ist langst in Gang gesetzt. In den EU Krisenlandern mussen die Menschen fur die
finanziellen Rettungsoperationen rigorose Kurzungsauflagen bei Lohnen, Renten,
Gesundheitsversorgung und sonstigen sozialen Maßnahmen hinnehmen. Auch in O/ sterreich sind
spurbare Einschrankungen fur die soziale Sicherheit und die offentlichen Leistungen bereits eingeleitet.
Die Konsequenzen sind Arbeitslosigkeit mit Hoffnungs- und Perspektivlosigkeit vor allem fur die alteren
Menschen nicht nur in den Krisenlandern. In O/ sterreich konnten Wirtschaft und Beschaftigung auf
hohem Niveau gehalten werden. Allerdings ist der bittere Preis fur Arbeitnehmer Niedriglohne und
Armut, sowie fur die Steuerzahler ein schon lange nicht mehr vertretbarer Steuerdruck.
Diese schleichende Auflosung des Sozialstaates auf nationaler und europaischer Ebene soll jetzt durch
ein Investitionsschutzabkommen (Investor-state dispute settlement ISDS) im Rahmen des TTIP
zugunsten der europaischen und US-Konzerne fortgefuhrt werden. Vollmundige Versprechen der EU-
Kommission als Verhandlungspartner mit den USA fur das Freihandelsabkommen uber Beschaftigungs-
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und Wohlstandszuwachse tauschen daruber hinweg, dass der Wirtschaft noch mehr Macht uber
nationale Regierungen, Parlamente, Gewerkschaften und sonstige zivile Organisationen gegeben werden
soll. Danach waren die Regelungsbereiche von Finanzwesen und Wirtschaft, des Umwelt- und
Verbraucherschutzes, von Bildung und Kultur, der Tarifpolitik sowie des Arbeits- und Sozialrechtes den
Klageverfahren der Konzerne aus kommerziellen Interessen durch demokratisch weder legitimierte
noch kontrollierbare Schiedsgerichte ausgesetzt.
Wie verschiedene Untersuchungen zeigen, ist der verwertbare Zuwachs an Wirtschaftswachstum und
Beschaftigung durch TTIP minimal. So wird das jahresdurchschnittliche Wirtschaftswachstum in der EU
fur 15 Jahre hochgerechnet auf jahrlich 0,034 Prozent des Bruttoinlandsprodukts geschatzt, in den USA
0,028 Prozent. Die Schatzung der dadurch geschaffenen Arbeitsplatze z.B. in Deutschland schwankt
zwischen knapp 13. 000 (Bertelsmann Stiftung) und 18.000 (Ifo) pro Jahr. Auf O/ sterreich bezogen hat
dieses Abkommen fur die Schaffung von Arbeitsplatzen daher kaum Auswirkungen. Aber um die
Schaffung von Arbeitsplatzen geht es bei diesem Spiel auch nicht, es dient lediglich zur Verschleierung
der wahren Absichten, namlich um die Eliminierung des Sozialstaates Europaischer Pragung.
Investitionsschutz - Aufhebung demokratischer Regulierung
Es gibt bereits genugend Beispiele, um welche massiven Angriffe auf die nationale Politik mit
gigantischen Summen es bei derartigen Investitionsschutzabkommen mit den Klageverfahren durch
private Schiedsgerichte geht. Bereits heute kommen mehr als die Halfte der auslandischen
Direktinvestitionen von der jeweils anderen Seite des Atlantiks. Befeuert werden die Klageverfahren von
amerikanischen und europaischen Anwaltskanzleien, die sich kraftige Gewinne von derartigen
Schiedsverfahren versprechen - bei Stundenlohnen von 1.000 US Dollar Rechtskosten und
durchschnittlich 8 Mio. US Dollar pro Verfahren.
In den bereits heute bestehenden 3.000 internationalen Investitionsabkommen und etwa 514
bekannten Investor-Staat Klagen bis Ende 2012, werden die Gefahrdungen von Regierungen und
Parlamenten deutlich. Die Schiedsgerichte aus zumeist drei von den Streitparteien benannten
Privatpersonen, tagen haufig in Hotelzimmern der Welt-Metropolen London, Washington oder Paris
hinter verschlossenen Turen. Die Schiedsspruche sind bindend und Berufung ist nicht zulassig.
Nach massiven Protesten gegen die Implementierung dieser Schiedsgerichte werden nunmehr neu –
noch brutalere – Alternativen seitens der Verhandler vorgestellt. Alle handelsrelevanten, nationalen
Gesetzesplane – Umwelt, Gesundheit, Arbeitsrecht usw. – sollen hin kunftig meldepflichtig sein und von
einer „ Clearingstelle „ auf ihre Kompatibilitat zu TTIP hin uberpruft werden. Dies bedeutet im Klartext,
dass solche Gesetze, welche mogliche Gewinne schmalern wurden, erst gar nicht das Licht der
GESETZESWELT erblicken wurden. Dies durch eine aggressive Lobbyarbeit der Wirtschaftsverbande
bei den politischen Eliten.
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Soziale Sicherung - Konflikt zwischen EU und USA
Fur die Menschen in O/ sterreich spielen die Systeme der sozialen Sicherheit zu Recht eine existenzielle
Rolle. In kaum einem anderen sozialen Bereich aber sind die Unterschiede in Philosophie, Grundsatz
und praktischer Politik zwischen den USA und der O/ sterreich so stark ausgepragt. Ein eindrucksvolles
Beispiel sind die jahrelangen erbitterten Auseinandersetzungen in den USA uber die Einfuhrung einer
gesetzlichen Krankenversicherung, welche sich immer noch im Experimentierstadium befindet.
Die Quote der Sozialversicherungsabgaben in O/ sterreich ist 2013 auf 30,4 Prozent angestiegen. Sie soll
infolge der durch O/ VP-Finanzminister Schelling bereits angedeuteten Reformen im Pensions-,
Gesundheits- und Pflegebereich aber wieder sinken, was gleichbedeutend mit Leistungskurzungen zu
sehen ist. Sollte das TTIP in der vorliegenden Form beschlossen werden, offnet dies US-Konzernen in
O/ sterreich jegliche Klagemoglichkeit gegen O/ sterreich, um den erheblich hoheren
Sozialversicherungsbeitragen an den Arbeitskosten auszuweichen. Wie die Erfahrungen und
Kontroversen bei der politischen Aushandlung von Beitragen, Steuern und Leistungen deutlich zeigen,
ist dieser gemeinsame Angriff durch die neoliberale Politik in O/ sterreich und die zu erwartende
Klagswellen durch das TTIP nicht nur fur die große Mehrzahl der Menschen in O/ sterreich eine
existenzielle Bedrohung, sondern auch fur die Zukunft von Sozialstaat, Politik und Demokratie.
Dass Gefahr im Verzuge ist, beweist der Umgang der EU-Kommission mit den Burgerinitiativen. Die EU-
Kommission hat die Europaische Burgerinitiative gegen die Freihandelsvertrage TTIP und CETA
zuruckgewiesen. Das kommt nicht von ungefahr. Denn durch den EU-Vertrag von Lissabon wird
neoliberale Freihandelspolitik im EU-Primarrecht verankert, also auch die Kommission auf diese Politik
verpflichtet.
Und eine Europaische Burgerinitiative (EBI), die ohnehin keine wie immer geartete bindende Wirkung
hat, darf eine A/ nderung dieses Primarrechts nicht zum Inhalt haben. Entsprechend
lapidar auch die Ablehnung der EBI durch die EU-Kommission:
„Ihre geplante Bürgerinitiative liegt offenkundig außerhalb des Rahmens, in dem die Kommission befugt
ist, einen Vorschlag für einen Rechtsakt der Union vorzulegen, um die Verträge umzusetzen.“
Eine Abkehr von der neoliberalen Freihandelsdoktrin darf in EU-Europa also nicht einmal erbeten
werden.
Der EU-Vertrag von Lissabon verpflichtet die Mitgliedsstaaten nicht nur nach innen zu einer „offenen
Marktwirtschaft mit freiem Wettbewerb“ sondern fordert auch nach außen den
„Abbau internationaler Handelshemmnisse“ (Art. 21, VEU), die „Beseitigung der Beschrankungen im
internationalen Handelsverkehr und bei den auslandischen Direktinvestitionen“ (Art. 206, VAEU). Die
Mitbestimmungsrechte der nationalen Parlamente bei Freihandelsvertragen wurden durch den
Lissabon-Vertrag stark eingeschrankt, die Macht der Kommission dagegen ausgebaut. Das Mandat fur
die Aushandlung von Freihandelsvertragen liegt ausschließlich bei der EU-Kommission, die aufs engste
mit den großen EU-Konzernen und ihren Lobbyisten verbunden ist und zu den entschiedensten
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Verfechtern einer aggressiven neoliberalen Außenwirtschaftspolitik zahlt. Entsprechend intransparent
werden diese Vertrage – siehe TTIP, TISA, CETA & Co – hinter verschlossenen Turen ausgemauschelt, um
die Interessen der Konzerne bestmoglich durchsetzen zu konnen. Durch diese neoliberalen
Freihandelsvertrage sollen soziale, okologische und demokratische Standards in allen betroffenen
Landern ausgehebelt und existenzielle Guter wie Gesundheit, Wasserversorgung, Energie, Bildung usw.
zum lukrativen Markt fur Großkonzerne werden.
Die Landeskonferenz des Pensionistenverbandes Vorarlberg
beschließt daher und fordert von den politischen Verantwortlichen:
• dass sie Freihandelsverträge wie TTIP, CETA und TISA in der jetzt vorliegenden Form
(CETA ) und den geplanten Anschlag auf Sozialstaat und Demokratie bei TTIP kategorisch
ablehnt. Wir fordern stattdessen kooperative internationale Beziehungen zum gegenseitigen
Vorteil und nicht die Unterordnung unter eine neoliberale Freihandelsdoktrin, die die Starken
immer starker und die Schwachen immer schwacher macht.
• sollten die politischen und wirtschaftlichen Eliten, trotz dieser massiven Bedenken, je ein
Investitionsschutzabkommen beschließen, haben gesonderte Schiedsverfahren im Rahmen des
TTIP nichts zu suchen. Auch die Abstimmung von Gesetzen vor der Gesetzeswerdung ist aus
demokratiepolitischen Grunden abzulehnen. Vielmehr ist dringend geboten, aus den
Verhandlungsverfahren zum TTIP alle sozialen Leistungen, Einrichtungen und Dienste
auszunehmen - einschließlich der Daseinsvorsorge und der sozialen Sicherheit. Sie sind
Teil des demokratisch verfassten Sozialstaates auf nationaler Ebene und mussen in der Hoheit
der jeweiligen Lander, ihrer Regierungen und Parlamente bleiben.
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Antrag 5 – Gesundheit fur Alle
Wir fordern ein klares Bekenntnis zu einer solidarischen Gesundheitspolitik und lehnen eine zunehmende Ökonomisierung ab.
Die Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten ist gestiegen. Die Verbesserung der
Einkommensverhaltnisse, der Ausbau der Ausbildungsmoglichkeiten, stabile und bessere Lebens- und
Arbeitsbedingungen haben dazu ebenso beigetragen wie der Aufbau eines hochwertigen
Gesundheitswesens.
Nach wie vor sind jedoch die Gesundheitschancen innerhalb der Bevolkerung ungleich verteilt. Das
Risiko krank zu werden folgt unverandert einem sozialen Profil: eine benachteiligte gesellschaftliche
Stellung ist mit hoherem Krankheitsrisiko verbunden. Zunehmende Lebenserwartung bei relativ gutem
Gesundheitszustand trifft zunehmend fur Manner zu; Frauen haben zwar eine langere
Lebenserwartung, damit verbunden sind aber auch langere Phasen beeintrachtigter Gesundheit.
Die ursprunglichen Infektionskrankheiten wurden durch "Zivilisationskrankheiten" abgelost. Das
arbeits- und umweltbedingte Krankheitsrisiko und das Sterben vor der Zeit konnen positiv beeinflusst
werden. Dies gilt insbesondere fur Herz-, Kreislauferkrankungen, Krebs, psychische Erkrankungen und
Erkrankungen des Bewegungs- und Stutzapparats.
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Diese bestehenden Versorgungslücken sind daher ehestens zu schließen. Das osterreichische
Gesundheitssystem erfasst nahezu die gesamte Bevolkerung und bietet daher noch eine umfassende
und qualitativ hochwertige Versorgung im Fall einer Erkrankung an.
In der Behandlung von psychisch erkrankten Menschen, in der Akutgeriatrie und Palliativmedizin,
in der ambulanten Rehabilitation sowie der ambulanten und stationären Remobilisation ist die
Versorgung jedoch nach wie vor mangelhaft. Der Zugang zu Spitzenmedizin und facharztlicher
Versorgung ist in regionalen Randlagen nicht vollstandig gewahrleistet. Insgesamt ist die Orientierung
auf Vorsorge, Gesundheitsforderung und Pravention mangelhaft und daher sehr rasch auszubauen.
Ein weiteres Strukturproblem besteht in der Verteilung der verfugbaren finanziellen Mittel. Die
regionale Verteilung der Steuermittel orientiert sich zu wenig am Versorgungsbedarf der Bevolkerung,
gleiches gilt fur den Risikoausgleich innerhalb und zwischen den Sozialversicherungstragern. Dadurch
kann schlechtere medizinische Behandlung in Regionen mit niedrigem Einkommen und relativ hoherer
Krankheitshaufigkeit nicht ausgeschlossen werden.
Die Steuerung des Gesundheitswesens ist hochgradig zersplittert. Die Verantwortung fur die
Teilbereiche des Gesundheitssystems ist aufgeteilt zwischen dem Bund, der Sozialversicherung und den
Bundeslandern, und noch einmal gegliedert nach Versorgungsangeboten (stationare und ambulante
Krankenbehandlung, Rehabilitation, Pflege, Vorbeugung).
Eine abgestimmte und integrative Gesundheitsversorgung setzt vor diesem Hintergrund klar
definierte Zielvorgaben und strukturierte Entscheidungsablaufe voraus. Die letzten A/ nderungen der
Bundesregierung haben dazu nur beschrankt beitragen. Die derzeit bestehende Honorierung der
Leistungsanbieter ist fur eine integrierte Gesundheitsversorgung nicht geeignet. Die unzureichend
aufeinander abgestimmte Bezahlung der Allgemeinmediziner und FacharztInnen, der
Spitalsambulatorien und der Spitaler in Form von Fallpauschalen, Vergutung von Einzelleistungen oder
auch mit Globalbudgets bewirkt Qualitats- und Versorgungsmangel ebenso wie Effizienzverluste durch
finanzielle Fehlanreize.
Der medizinische Fortschritt, steigendes Einkommensniveau und steigende Erwartungshaltungen bei
PatientInnen, sowie die zunehmende Alterung der Gesellschaft losen Ausgabensteigerungen aus. Ein
zielgerichteter Einsatz der ohnehin knappen Mittel konnte daher durch begleitende Bewertung des
gesundheitlichen Nutzens von medizinischen Innovationen unterstutzt werden. U/ ber fundierte
Evaluierungen kann eine bessere Priorisierung und damit ein effizienter Ressourceneinsatz im Interesse
der Zahler und der PatientInnen erreicht werden.
Gesundheit hat nicht nur aus Sicht der alteren Generation einen besonderen Stellenwert, sie ist
bestimmend fur die Chancen des Menschen am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu konnen. Der
BERICHTS- UND ANTRAGSHEFT
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Verlust oder die Beeintrachtigung von Gesundheit stellt somit ein soziales Risiko dar, dass am
wirksamsten solidarisch durch eine Risikogemeinschaft bewaltigt werden kann.
Daher ist die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit weiterhin in das Zentrum
staatlicher Wohlfahrtspolitik zu stellen. Die Formen der staatlichen Einflussnahme konnen
unterschiedlich sein, außer Streit steht aber die Einsicht, dass uber Marktmechanismen ein sozial
gerechtes und effizientes Gesundheitssystem nicht zustande kommen kann.
Das offentliche Gesundheitswesen in O/ sterreich folgt dem normativen Leitmotiv des Europaischen
Sozialmodells, wonach Gesundheit für alle leistbar zur Verfugung stehen muss. Durch die
verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung, der Vielzahl an Tragern, in Verbindung mit nicht immer
klaren Kompetenzen und mangelnder Integration zwischen den Bereichen sind die Effizienz und die
Transparenz des Gesundheitswesens beeintrachtigt.
Auch die Beteiligung der Patienten und der Patientinnen an der Weiterentwicklung des
Gesundheitswesens in O/ sterreich steckt nach wie vor in den Kinderschuhen.
Auch die nunmehr beschlossene Reform wird in vielen Bereichen den Anspruchen, welche die altere
Generation auch im Interesse der jungeren Generation geriert, nur teilweise gerecht.
So begrußen wir die seit langem von uns geforderte starkere Zuwendung zu einem Ausbau der
Gesundheitsforderung und Pravention, verstarkter Ausbau der Qualitat, sowohl im Bereich der
Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualitat. Auch die angestrebten Veranderungen im Bereich der hohen
Hospitalisierungsrate in O/ sterreich zugunsten alternativer Modelle im ambulanten Bereich sind zwar
nicht neu, werden aber - sollten sie diesmal doch durchgezogen werden - auch im Interesse zukunftiger
Patienten und Patientinnen ausdrucklich befurwortet. Auch andere - erstmals in den Fokus eines
Reformgesetzes geruckte Begriffe wie HIAP, HTA, Best Point of Service, Primary Health Care usw. - sind
zwar ebenfalls nicht neu, konnten aber in vielen Bereichen durchaus verbesserte Ablaufe in der
medizinischen Versorgung fur die Menschen bedeuten. Allerdings nur dann, wenn nicht ausschließlich
finanzielle Grunde als Leitmotiv fur "positive Veranderungen" herhalten mussten.
Allerdings gibt es bei diesem " Reformgesetz " leider auch Aspekte, welche durchaus den Verdacht nahe
legen, dass es nicht nur ausschließlich um eine Verbesserung des osterreichischen Gesundheitssystems
gehe, sondern auch um Ansatze einer Rationierungshinwendung nach neoliberalen Glaubenssatzen.
Auch die Festlegung von Entscheidungsstrukturen und Sanktionsmechanismen bis ins letzte Detail legt
doch den Schluss nahe, dass hier ein gewaltiger Moloch an Burokratie aufgebaut wurde. Denn solche,
mit dem Gesundheitsreformgesetz einhergehenden Strukturveranderungen bedeuten nach neoliberaler
Lehre standig mehr Administration und damit auch mehr Kosten fur Personal und Sachaufwand.
Besonders die Verlagerung von Entscheidungen in kleinste Einheiten wie die
Zielsteuerungskommissionen auf Bundes- und auf Landesebene, wo die wesentlichen Entscheidungen
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im kleinsten Kreis getroffen und danach in den weiteren Organen lediglich abgewunken werden, ist an
Intransparenz und Verachtung demokratischer Spielregeln nicht mehr zu uberbieten.
Die Landeskonferenz des Pensionistenverbandes Vorarlberg
beschließt daher und fordert von den politischen Verantwortlichen:
• dass in Zukunft nicht ein kleiner Kreis die Ausrichtung der Gesundheitspolitik bestimmt,
sondern dass hier die Entscheidung auf breiterer Basis unter Miteinbeziehung der
Versicherten zu erfolgen hat. In Zeiten, in denen Burgerbeteiligung in aller Munde ist und die
politischen Parteien sich geradezu bei offentlichen Auftritten zu mehr Burgerbeteiligung
bekennen, ware es an der Zeit, auch im Gesundheitswesen nicht im kleinsten Kreis, sondern auf
breitester Basis diese Reform und damit auch gemeinsam mit den Parlamenten, den
Sozialversicherungstragern und den Betroffenen zu erarbeiten. Es sind breite Diskussionen in
den dafur vorgesehenen und demokratisch legitimierten Organen des Staates unter Beiziehung
von Experten und NGO´s im Gesetz zu normieren. Die von uns angesprochenen Behandlungen
von essentiellen, die Menschen betreffenden A/ nderungen im Gesundheitssystem im kleinsten
Kreis - Bundes-Zielsteuerungskommission mit all ihren Machtbefugnissen - werden von uns
strikte abgelehnt.
• von einer Deckelung der Gesundheitsausgaben am BIP Abstand zu nehmen. Es entsteht
hier der Eindruck, dass noch mehr gespart werden soll, als dies bisher ohnedies schon der Fall
war. Abgesehen davon, dass die Prognosen des BIP in Anbetracht der wirtschaftlichen
Entwicklung in O/ sterreich und Europa wohl kaum den Realitaten gerecht werden, bedeuten
diese Maßnahmen bei einer Zunahme der Arbeitslosigkeit und damit schlechterer Einnahmen,
sowie einer Zunahme der alteren Generation und damit einer verstarkten Nachfrage von
medizinischen Leistungen unweigerlich Leistungskurzungen. Denn bei den angestrebten
Finanzzielen davon zu sprechen, dass dies ohne Leistungseinschrankungen und nur mit
verbesserten Ablaufen gehen wird, ist die Quadratur des Kreises.
• ein klares Bekenntnis zu einer solidarischen Gesundheitspolitik. Die Finanzierung des
solidarischen Gesundheitssystems bleibt beim Staat und dies hat sich auch in einer klaren
Aussage zu manifestieren. In diesem Zusammenhang darf auch darauf verwiesen werden, dass
das Gesundheitsreformgesetz ausschließlich auf Ausgabenobergrenzen,
Ausgabendampfungseffekte und dergleichen setzt. Wir vermissen hier allerdings durchaus auch
ein Andenken alternativer Finanzierungsmöglichkeiten, wie z.B. uber erhohte
Kapitalsteuern. Weitere Selbstbehalte werden in Anbetracht der ohnedies schon hohen
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Selbstbehalte in O/ sterreich und der zusehends sich verschlechternden Einkommenssituation
fur viele Menschen von uns abgelehnt und sollten nicht angedacht werden.
• die Forderung von integrierten Versorgungsmodellen als wichtiger Bestandteil einer
zukunftsweisenden Gesundheitspolitik. Die integrierte Versorgung stellt die durchgehende
Orientierung am Bedarf der PatientInnen im Behandlungsprozess in den Vordergrund.
Integrierte Versorgungsmodelle konnen, nach internationalen Vorbildern und auch nach den
Ergebnissen osterreichischer Modellprojekte, einen wesentlichen Beitrag zur verbesserten
Qualitat und Effizienz in der Gesundheitsversorgung insbesondere zum Nutzen von chronisch
kranken, pflegebedurftigen und auch akut erkrankten PatientInnen leisten. Es geht darum, nicht
symptombezogen an die Krankheit der PatientInnen heranzugehen, sondern den kranken
Menschen in seinem Umfeld ganzheitlich zu erfassen. Im weitesten Sinn stellt die Begleitung
des Menschen durch den Hausarzt seines Vertrauens durch das gesamte Gesundheitssystem
inklusive praventiver und gesundheitsfordernder Maßnahmen das Idealbild integrierter
Versorgung dar. Dabei sind evidenzbasierte Behandlungskorridore ein wesentlicher
Bestandteil integrierter Versorgungsmodelle. Entwicklung und verbindliche Implementierung
von evidenzbasierten "Behandlungskorridoren" bzw. Case-/Care-/Disease-
Managementsystemen insbesondere fur die wichtigsten "Chroniker-Krankheitsbilder (z.B.
Diabetes, Demenz, Depressionen, Asthma, Schlaganfall, Brustkrebs, Koronare
Herzerkrankungen, Palliativversorgung...) unter ehest moglicher Berucksichtigung nationaler
und internationaler "state-of the-art" Entwicklungen und Erfahrungen durch die Gesundheit
O/ sterreich und gemeinsam mit den Playern in der medizinischen Versorgung.
• Gesundheitsförderung und Prävention ist ein erhohter Stellenwert beizumessen. Die im
Gesetz normierten Ansatze reichen bei weitem nicht aus, um die geforderten und erwunschten
Ziele im Interesse der Menschen zu erreichen.
• die Ablehnung einer zunehmenden Ökonomisierung. Sozial- und Praventivmedizin hat den
drei ethischen Grundprinzipien des arztlichen Handelns zu folgen: Patientenautonomie, Nicht-
Schadens- und Wohltuns-Prinzip, sowie das Gleichheitsprinzip.
• den Rechtsanspruch auf Reha fur Pensionisten.
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Antrag 6 – Sichere Pensionen
Wir fordern gerechte Pensionsanpassungen, eine Anhebung der
Mindestpension und eine sichere Finanzierung des Pensionssystems.
All das, was man unter dem deskriptiven und zugleich normativen Begriff der Globalisierung fasst, ist
keineswegs das Ergebnis zwangslaufiger okonomischer Entwicklungen, sondern einer ausgeklugelten
und bewusst ins Werk gesetzten, sich ihrer verheerenden Folgen allerdings kaum bewussten Politik.
Diese Politik, die sich schamlos eines Vokabulars der Freiheit, des Liberalismus, der Liberalisierung, der
Deregulierung bedient, ist in Wirklichkeit eine Politik der Entpolitisierung und zielt paradoxerweise
darauf ab, die Krafte der O/ konomie von all ihren Fesseln zu befreien, ihnen dadurch einen fatalen
Einfluss einzuraumen und die Regierungen ebenso wie die Burger den derart von ihren Fesseln
„befreiten“ Gesetzen der O/ konomie zu unterwerfen. Es ist vor allem die in den Sitzungen der großen
internationalen Organisationen, wie der WTO oder der Europaischen Kommission, innerhalb all der
„Netzwerke“ multinationaler Unternehmen entwickelte Politik, die sich auf den verschiedensten Wegen
durchgesetzt hat, was dazu fuhrte, dass Regierungen ihre fruhere Kontrolle uber die Krafte der
O/ konomie Schritt fur Schritt aufgegeben haben.
Gegen diese Politik der Entpolitisierung gilt es nun, der Politik, politischem Denken und Handeln wieder
ihren rechtmaßigen Platz einzuraumen. Denn mit der Entwicklung des Sozialstaates wurde die
Herstellung von sozialer Gerechtigkeit zur vorrangigen politischen Aufgabe erklart. Ungerechtigkeit
wurde damit als gesellschaftlich produziertes Problem, nicht mehr als unabanderliches Schicksal
anerkannt. Diese Entwicklung trug der Tatsache Rechnung, dass gesellschaftliche Teilhabe den
Ausgleich asymmetrischer Ausgangsbedingungen und das Recht auf existenzielle Absicherung in
sozialen Notlagen voraussetzt. Sozialpolitische Rechtsanspruche und professionelle Soziale Arbeit
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bedeuten einen wesentlichen Schritt gesellschaftlicher Evolution. Diese politische Steuerung und
Begrenzung des Marktes und soziale Gerechtigkeit als Steuerungsprinzip werden von Vertretern der
marktradikalen Position kategorisch zuruckgewiesen.
Die Rede von der Gerechtigkeit, so Friedrich von Hajek, insbesondere von Verteilungsgerechtigkeit sei
unsinnig. Der gesellschaftliche Zusammenhalt werde durch die Sicherung der Eigentumsrechte
ausreichend gewahrleistet. Eine Korrektur des Marktergebnisses sei daher nicht gerechtfertigt. Die auf
Verteilung – eben den Sozialstaat – zielende makrookonomische Steuerung musse abgebaut werden,
denn der Rechtsanspruch auf soziale Sicherung sei mit dem globalen Wettbewerb nicht vereinbar. Diese
Positionen werden nunmehr zusehends auch von konservativen Parteien vertreten.
Die aktuelle Krise widerlegt zwar den Neoliberalismus, reaktiviert ihn jedoch gleichzeitig. Die Hoffnung,
dass die politischen Akteure dieser Weltanschauung gelernt hatten, dass es eben politischer
Rahmenbedingungen und Begrenzungen des Marktes sowie des Schutzes zentraler Lebensbereiche vor
dem Marktmechanismus bedurfe, ist fehl am Platz.
Die kostspieligen Versuche der Restrukturierung der Wirtschafts- und Finanzsysteme mit Hilfe
staatlicher Gelder treiben die Staatsverschuldungen in horrende Hohen. Privatisierungen zur
Finanzierung dieses Irrsinns bedeuten eine weitere Spirale der sozialen Enteignung, die Verscharfung
sozialer Ungerechtigkeit und eine Beschleunigung der gesellschaftlichen Spaltung. Dieses Denken
demonstriert die Dissoziation des neoliberalen Denkens und Handelns aus allen menschlichen und
gesellschaftlichen Bezugen und die Diffamierung zivilisatorischer Normen und Werte des
Zusammenlebens – namlich Solidarität, Toleranz, Humanität und Gerechtigkeit.
Sozialpolitik etablierte sich mit dem Ziel der Beschrankung sozialer Ungerechtigkeit. Dieser Ausgleich
sozialer Asymmetrien und die Absicherung sozialer Notlagen durch staatliche Verteilung sind zentrale,
jedoch nicht hinreichende Voraussetzungen sozialer Gerechtigkeit. Sie sind aber ein unverzichtbarer
Kern der politischen Gestaltung des Zusammenlebens in einem Sozialstaat. Nicht mehr die machtigen
Lobbys der Industrie und wirtschaftsnaher Verbande sind der Fokus einer nicht mehr akzeptierten
Politik, sondern jene, welche durch ihre Leistungen erst die Erfolge der O/ sterreich AG ermoglichten.
Die Landeskonferenz des Pensionistenverbandes Vorarlberg
beschließt daher und fordert von den politischen Verantwortlichen:
• Gerechte Pensionsanpassungen: Die altere Generation hat fur die Budgetsanierung
gedampfte Anpassungen fur 2013 und 2014 hingenommen. In den Folgejahren muss es wieder
die volle Abgeltung gemaß Verbraucherpreisindex geben. Im Sinne der Armutsbekampfung
muss es zudem Nachbesserungen bei den Mindestpensionisten geben. Auch wird eine
Pensionsautomatik mit all ihren negativen Folgen fur die Werterhaltung der Pensionen und
damit auch auf die Kaufkraft abgelehnt.
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• eine umfassende Pensionsreform: Die Erhohung des Regelpensionsalters lehnt der
Pensionistenverband Vorarlberg ab, denn bei der derzeitigen Arbeitsmarktlage wurde dies nur
erhebliche Pensionskurzungen bedeuten. Aus dem gleichen Grund stellen wir uns auch gegen
die vorzeitige Angleichung des Frauenpensionsalters an jenes der Manner.
Vor allem fur die jungere Generation fordert der PVO/ , dass bei Berechnung der Pension, die ab
2028 die luckenlose Durchrechnung aller Beitragsjahre vorsieht, die schlechtesten 10 Jahre
unberücksichtigt bleiben. Die Notwendigkeit des Herausrechnens begrundet sich damit, dass
Beitragszeiten wahrend der Ausbildung, der Berufspraktika und der Kindererziehung bzw. der
geringen Einkommen in den ersten Arbeitsjahren das kunftige Pensionsniveau extrem senken.
Diese Maßnahme wurde das Vertrauen der Jungen in das umlagefinanzierte System starken und
die Nettoersatzrate wesentlich erhohen.
Der Pensionistenverband bekennt sich dazu, das tatsachliche Pensionsantrittsalter an das
Regelpensionsalter heranzufuhren. Hierzu sind allerdings auch die notwendigen
Rahmenbedingungen zu schaffen, dass altere Mitarbeiter auch langer beschaftigt werden
konnen. Nebst den bereits mehrmals durch den PVO/ angesprochenen Verbesserungen in
diesem Bereich, welche dazu dienen, alteren Menschen ein langeres Arbeiten in den Betrieben
zu ermoglichen (Ausbau der betrieblichen Gesundheitsförderung, altersgerechte
Arbeitsplätze, Nutzen des Know-Hows der A/ lteren fur die Jungeren usw. ), ist auch ein
wirksames Bonus/Malus System – welches auch im Koalitionsabkommen vorgesehen ist - zu
implementieren. Es ist nicht einzusehen, dass altere Mitarbeiter sehr rasch gekundigt werden
konnen und dann mit hohen Abschlagen bei einer IV/BU Pension zu rechnen haben, der
Arbeitgeber allerdings mit keinerlei Konsequenzen. Dies deshalb, weil gerade die
Arbeitsgeberseite permanent darauf drangt, das tatsachliche Pensionsantrittsalter dem
gesetzlichen anzupassen.
• eine sichere Finanzierung der Pensionen: Das Pensionssystem krankt vor allem daran, dass
es durch Abgaben auf Lohnarbeit finanziert wird. In Zeiten hoher Arbeitslosigkeit, prekarer
Beschaftigungsformen und stagnierender Lohne ist diese einseitige Fixierung auf die abhangige
Erwerbsarbeit ein großes Problem. Eine Verteilung der Lasten auf mehrere und breitere
Schultern wurde den Beitragssatz stabilisieren und die Pensionen sichern. Darum sollen
gewinn- und vermogensbezogene Abgaben als Einnahmen fur die Sozialsicherungssysteme
dienen. Eine Wertschöpfungsabgabe ist verbindlich als Bemessungs-grundlage fur kunftige
Sozialbeitrage zu implementieren.
• untere Pensionseinkommen ( Ausgleichzulagenbezieher ) sind bis auf 950 Euro anzuheben,
um der nach wie vor vorhandenen Armut in diesem Bereich wirksamer als bisher entgegen zu
treten. Es ist zu uberprufen, ob im Bereich der Ausgleichszulagenbezieher die
Krankenversicherungsbeitrage durch den Bund ubernommen werden konnen. Eine
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Einschleifregelung ist mit zu berucksichtigen. Dies ware ein weiterer Beitrag wirksamer
Armutsbekampfung.
• dass die Pensionsanpassung in Hinkunft wieder ab dem ersten dem Pensionsantritt
folgendem Jahr zu erfolgen hat. Eine diesbezugliche A/ nderung der "Pensionssicherungsreform
2003" ist ehestens vorzunehmen.
• Ein Mitbestimmungsrecht der Pensionistenverbande in den Sozialversicherungen.
Resolution 1 - Fur eine soziale Burgergesellschaft
Seit geraumer Zeit steht der Sozialstaat, fruher ein konstitutiver Bestandteil osterreichischer
Staatlichkeit, unter erheblichem Druck. Man kann von einer Sinnkrise des Sozialen sprechen, die zur
Umgestaltung fast aller Lebensbereiche nach dem Vorbild des Marktes ausgenutzt wird.
1. Es fallt eine Tendenz zur O/ konomisierung des Sozialen ins Auge. Fast alle Lebensbereiche, etwa
Kultur, Bildung, Gesundheit, Freizeit und soziale Infrastruktur, werden gegenwartig nach dem
Muster des Marktes restrukturiert. Sozial zu sein bedeutet nicht mehr, sich humanistischer
Grunduberzeugungen oder christlicher Nachstenliebe um arme, benachteiligte oder behinderte
Menschen und ihre Probleme zu kummern bzw. moralischen Verpflichtungen und ethischen
Normen nachzukommen. Vielmehr wird auch das Soziale vom neoliberalen Zeitgeist
durchdrungen und von der Konkurrenz, dem Gewinnstreben und der betriebswirtschaftlichen
Effizienz bestimmt.
2. Es findet eine Kulturalisierung des Sozialen statt. Nun stehen nicht mehr materielle Interessen
bzw. Interessengegensatze im Blickfeld, wenn man uber die Entwicklung von Staat, Wirtschaft
und Gesellschaft spricht, sondern die kulturelle Identitat. Die Kulturalisierung des Sozialen
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bedeutet, dass die Zugehorigkeit zur Gesellschaft nicht mehr uber die Zugehorigkeit ihrer
Mitglieder zu einer bestimmten Klasse, Schicht oder Gruppe definiert wird, die gemeinsame
Interessen haben (und daher ein hohes Maß an Solidaritat realisieren konnen, falls sie sich
dessen bewusst werden), sondern dass starker nach kulturellen U/ bereinstimmungen, also
gemeinsamer Sprache, Religion und Tradition, gefragt wird. Das ist der Grund, weshalb sich
Widerstand gegen diese Entwicklung nur schwer artikulieren und organisieren kann.
3. Es zeichnet sich eine Biologisierung des Sozialen ab. Gesellschaftlich bedingte Verhaltensweisen
werden heute immer haufiger an den Genen festgemacht. Dabei spielt der Demografie-Diskurs,
d.h. die Art und Weise, wie uber die (Alters-)Struktur der Gesellschaft einerseits und den
drohenden Bevolkerungsschwund andererseits, gesprochen bzw. geschrieben wird, eine
Schlusselrolle. Mit dem demografischen Wandel ruckt die Humanbiologie ins Zentrum der
Gesellschaftspolitik und entscheidet quasi naturwuchsig, wie ein naturgesetzlicher Sachzwang,
uber Rentenhohen und Sozialleistungen. Wer die meist Katastrophenszenarien gleichenden
Bevolkerungsprognosen betrachtet, deren Haufung in den Medien auffallt, stellt fest, dass die
Urangst von Neonazis und Rechtsextremisten, „das osterreichische Volk“ konne „aussterben“, in
die Mitte der Gesellschaft wandert.
4. Es ist eine Ethnisierung des Sozialen festzustellen. Je mehr die okonomische Konkurrenz im
Rahmen der „Standortsicherung“ verscharft wird, umso leichter lasst sich die kulturelle
Differenz zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft aufladen und als Ab- bzw.
Ausgrenzungskriterium gegenuber Mitbewerber(inne)n um Arbeitsplatze, Lehrstellen oder
soziale Transferleistungen instrumentalisieren. Ein „nationaler Wettbewerbsstaat“ der kein
Wohlfahrtsstaat im herkommlichen Sinne mehr sein mochte, bereitet Ethnisierungsprozessen
den Boden.
Die tiefe Sinnkrise des Sozialen besteht darin, dass es – quer durch die etablierten Parteien und fast alle
gesellschaftlichen Lager – primar als Belastung der Volkswirtschaft und potenzielle Gefahrdung ihrer
Konkurrenzfahigkeit auf den Weltmarkten gesehen, aber nicht mehr als eigenstandiger Faktor begriffen
wird, der mit uber die Demokratie, die Humanitat und Lebensqualitat einer Gesellschaft entscheidet.
Das neoliberale Konzept verlangt, jeden Glauben an die autonome Gestaltungsmacht der Wirtschafts-
und Sozialpolitik fahren zulassen. O/ konomismus, Fatalismus und tiefe Resignation hinsichtlich einer
Verbesserung des gesellschaftlichen Status quo gehoren zu seinen zwangslaufigen Folgen.
Neoliberalismus, Wohlstandschauvinismus und Standortnationalismus
Durch die Schaffung von großerer sozialer Ungleichheit gelangt man weniger zu mehr Freiheit (außer
fur die kleine Minderheit der Kapitaleigentumer) noch zu wahrer Demokratie. Mit dem Um- bzw. Abbau
des Sozialstaates geht vielmehr ein Ausbau des staatlichen Macht- und Gewaltapparates einher. Wer die
sozialen Grundrechte einschrankt, kommt nicht umhin, auch die demokratischen Grundrechte zu
beschneiden. Denn die Kurzung von staatlichen Leistungen im Bildungs-, Jugend- und Sozialbereich
BERICHTS- UND ANTRAGSHEFT
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zieht Proteste nach sich, der in aller Regel mit Maßnahmen von Polizei, Justiz und Geheimdiensten
begegnet wird.
Die ganze Gesellschaft, wie auch ihre einzelnen Mitglieder werden „marktgangig“ gemacht. Sie mussen
sich wirtschaftlichen Verwertungsbedurfnissen und Gewinnmaximierungsbemuhungen unterordnen,
was zum Konformismus der offentlichen Meinung beitragt, demokratische und soziale Alternativen der
Gesellschaftsentwicklung jedoch verschuttet. Das verbreitete Bewusstsein, auf den internationalen
Gutermarkten einer „Welt von Feinden“ gegenuber zu stehen und sich dort durch „osterreichischen
Erfindungsgeist“, großeren Fleiß und mehr Opferbereitschaft behaupten zu mussen, kann man
„Standortnationalismus“ nennen.
Standortnationalismus bezieht die traditionelle „Sorge um das Vaterland“ auf den Fetisch einer
angeblich sinkenden „Wettbewerbsfahigkeit“ und macht den „eigenen“, im Zuge der Globalisierung als
bedroht dargestellten Wirtschaftsstandort zum Fixpunkt des politischen Handelns.
Sozialdarwinismus, Standortnationalismus und Wohlstandschauvinismus gehoren zu den normalen
Begleiterscheinungen eines Denkens, das sich mit dem „eigenen“ Wirtschaftsstandort identifiziert und
dessen Schicksal auf den Weltmarkten hypostasiert. Ein „nationaler Wettbewerbsstaat“, der kein
herkommlicher Wohlfahrtsstaat mit einer umfassenden Verantwortung fur soziale Sicherheit und
Gerechtigkeit mehr sein mochte, verscharft durch seine marktradikale Wirtschaftspolitik die soziale
Ungleichheit und bereitet damit den Resonanzboden fur gesellschaftliche Ausgrenzungs- und
Ethnisierungsprozesse.
Wo die gezielte Umverteilung von unten nach oben mit dem Hinweis auf die Globalisierung – als zur
Sicherung des „Wirtschaftsstandortes A“ erforderlich – legitimiert wird, entsteht ein gesellschaftliches
Klima, das (ethnische) Ab- und Ausgrenzungsbemuhungen stutzt.
Noch in anderer Hinsicht bereitet die neoliberale Hegemonie, die außer der „sozialen Symmetrie“ des
wohlfahrtsstaatlich organisierten Kapitalismus auch die Demokratie gefahrdet, den Nahrboden fur
Rechtsextremismus und Neofaschismus. Die scheinbare U/ bermacht der O/ konomie gegenuber der Politik
bzw. transnationaler Konzerne gegenuber dem einzelnen Nationalstaat zerstort den Glauben junger
Menschen an die Gestaltbarkeit von Gesellschaft, treibt sie in die Resignation und verhindert so
demokratisches Engagement, das im Zeichen der viel beschworenen Globalisierung notiger denn je
ware.
Alternativen zum Standortnationalismus
Charakteristisch fur den Standortnationalismus – wie fur jede andere Spielart des Chauvinismus – ist
die Betonung des staatsburgerlichen „Innen-außen“-Gegensatzes. Notig ware es jedoch die Bedeutung
dieser Konfliktlinie dadurch zu relativieren, dass der innergesellschaftliche „Oben-unten“-Gegensatz
scharfer konturiert wird. Statt die soziale mit der nationalen Frage zu verbinden, wie es fast alle
Rechtsextremisten bzw. -populisten tun, muss die demokratische mit der sozialen Frage verknupft
werden.
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Genauso notig ware die Entwicklung einer neuen Kultur der Solidaritat. Entscheidend ist die Frage, in
welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen: Soll es eine Konkurrenzgesellschaft sein, die
Leistungsdruck und Arbeitshetze weiter erhoht, Erwerbslose, Alte und Behinderte ausgrenzt sowie
Egoismus, Durchsetzungsfahigkeit und Rucksichtslosigkeit eher honoriert, sich jedoch gleichzeitig uber
den Verfall von Sitte, Anstand und Moral wundert, oder eine soziale Burgergesellschaft, die Kooperation
statt Konkurrenzverhalten, Mitmenschlichkeit und Toleranz statt Gleichgultigkeit und Elitebewusstsein
fordert? Ist ein permanenter Wettkampf auf allen Ebenen und in allen Bereichen, zwischen
Burger(inne)n, Kommunen, Regionen und Staaten, bei dem die (sicher ohnehin relative)
Steuergerechtigkeit genauso auf der Strecke bleibt wie ein hoher Sozial- und Umweltstandard, wirklich
anzustreben? Eignet sich der Markt als gesamtgesellschaftlicher Regelungsmechanismus, obwohl er auf
seinem ureigenen Terrain, der Volkswirtschaft, ausweislich einer sich verfestigenden
Massenarbeitslosigkeit, gegenwartig klaglich versagt?
Darauf die richtigen Antworten zu geben heißt, den Neoliberalismus mitsamt seinem Konzept der
„Standortsicherung“, aber auch den sich modernisierenden Rechtsextremismus, Nationalismus und
Rassismus erfolgreich zu bekampfen.
Damit die Demokratie in einer (fast) aller befriedigenden Weise funktionieren kann, bedarf sie
wohlfahrtsstaatlicher Fundamente. Je bruchiger diese aufgrund permanenter Leistungskurzungen fur
Bedurftige werden und je starker sich die soziale Polarisierung in Arm und Reich manifestiert, umso
akuter ist die Demokratie gefahrdet. Umgekehrt verbessern vorhandene, aber noch zu wenig bekannte
und im politischen Raum verbreitete Alternativen zum Um- bzw. Abbau des Sozialstaates die
Moglichkeiten, der schrittweisen Rechtsentwicklung Einhalt zu gebieten und den materiellen
Nahrboden dafur trocken zu legen.
Statt eines Ab- oder Ruckbaus des Sozialstaates ware der Ausbau des bestehenden Systems zu mehr
Gerechtigkeit aller Burger/innen notig. Auf diese Weise wurde soziale Sicherheit bzw.
Verteilungsgerechtigkeit zum konstitutiven Bestandteil einer neuen Form der Demokratie, die mehr
beinhaltet als den regelmaßigen Gang zur Wahlurne, das leidliche Funktionieren des Parlaments und die
Existenz einer unabhangigen Justiz.
Hier werden die politischen und wirtschaftlichen Eliten dieses Landes aufgefordert, ihre Umverteilung
von unten nach oben, sowie ihre Gier nach noch mehr Macht im Sinne einer sozialen Burgergesellschaft
aufzugeben und diesen Gedanken auch in die Europaische Integration einzubringen. Dies ist notwendig,
da gerade auf europaischer Ebene dieser Weg ganz im Sinne der wirtschaftlichen Eliten vorangetrieben
wird. Die Folgen dieser Politik werden auch in O/ sterreich leider immer mehr sichtbar.
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