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J. Geom.c© 2014 Springer BaselDOI 10.1007/s00022-014-0229-z Journal of Geometry
Pentagonsatze in projektiven Ebenen
Armin Saam
Zusammenfassung. Wir untersuchen einen Schließungssatz, der sich aufdie Schnittpunkte gewisser Seiten mit den entsprechenden Diagonalendes Pentagons bezieht, und zeigen, dass er in desarguesschen Ebenenallgemeingultig ist.
Mathematics Subject Classification (2010). 51A20.
Schlusselworter. Schließungssatze, Desarguessche Ebene, Pentagon,Pentagondiagonalen.
Wir lenken die Aufmerksamkeit des Lesers auf eine Schließungskonfiguration,die wir zunachst nur in desarguesschen Ebenen untersuchen. Es seien funfPunkte Ai in allgemeiner Lage gegeben, das heißt, keine drei seien kollinear.Die Seiten des von ihnen gebildeten Funfecks seien ai = Ai−2Ai+2, wobeihier und im Folgenden alle Indizes modulo 5 zu nehmen sind. Die Diagonalenbezeichnen wir mit di = Ai−1Ai+1, ihre Schnittpunkte mit den entsprechendenSeiten seien Ri = ai ∩ di. Wir untersuchen, welche Folgerungen sich ergeben,wenn drei dieser funf Punkte kollinear sind.1
Satz 1. Es seien Ai (Indizes modulo 5) funf Punkte in allgemeiner Lage,ai = Ai−2Ai+2, di = Ai−1Ai+1 und Ri = ai ∩ di. Gilt dann fur ein j:κ(Rj−1, Rj , Rj+1), so auch κ(Rj−2, Rj , Rj+2).
Beweis Man kann sich auf den Fall j = 0 beschranken (Fig. 1). Wir setzen mitobigen Bezeichnungen κ(R4, R0, R1) voraus. Ferner seien D0 = A1A2 ∩ A3A4
und B0 = A1A3 ∩ A2A4. Dann gilt
2. κ(D0, B0, A0).
Nach Voraussetzung sind die beiden Dreiecke D0A1A4 und A0A3A2 perspek-tiv bezuglich einer Achse, denn die Schnittpunkte entsprechender Seiten sindkollinear:
D0A1 ∩ A0A3 = R4, A1A4 ∩ A3A2 = R0, A4D0 ∩ A2A0 = R1.
1Wir werden im Folgenden die Kollinearitat von Punkten A, B, C, . . . kurz mit κ(A, B, C, . . .)ausdrucken. Analog sei die Kopunktalitat von Geraden a, b, c, . . . mit κ(a, b, c, . . .) dargestellt.
A. Saam J. Geom.
A1
A2
A0
A3 A4
B0D0
R0R1
R3
R2
R4
Figure 1 Der Schließungssatz
Offenbar sind diese drei Punkte paarweise verschieden. Durch Umkehrung desSatzes von Desargues folgt daraus: Die Geraden D0A0, A1A3 und A4A2 schnei-den sich in einem Punkt, namlich B0, womit (2) gezeigt ist.
Somit sind auch die beiden Dreiecke R2A3A4 und R3A2A1 perspektiv, da sichentsprechende Seiten nach (2) in kollinearen Punkten schneiden:
Es ist R2A3 ∩ R3A2 = B0, A3A4 ∩ A2A1 = D0, A4R2 ∩ A1R3 = A0. ErneuteAnwendung des Satzes von Desargues ergibt κ(R2R3, A3A2, A4A1), das heißt,es ist κ(R2, R3, R0), wie im Schließungssatz behauptet.
Die Lagebeziehung zwischen den Punkten Ri wollen wir noch auf eine an-dere Art charakterisieren. Wir definieren als die Geradenzahl γ einer Mengevon 5 Punkten die Anzahl der verschiedenen Geraden, die je zwei der Punktemiteinander verbinden. Es gilt immer γ ∈ {1, 5, 6, 8, 10}. Der Schließungssatzsagt nun aus, dass fur die Menge der Ri diese Zahl niemals 5 oder 8 sein kann.
Ubrigens: Setzt man κ(Rj−2, Rj , Rj+2) voraus, so ergibt eine analoge Beweisfuhrung die Kollinearitat κ(Rj−1, Rj , Rj+1). Man erkennt, dass in der Kon-figuration der funf Punkte Ri einer eine Sonderrolle spielt, namlich Rj . EinFunfeck A0A1A2A3A4 mit der Eigenschaft κ(Rj−1, Rj , Rj+1) nennen wir aufRj gerichtet (oder auch auf j gerichtet) und Rj den Zielpunkt des Pentagons.Man beachte, dass es gleichgultig ist, fur welches Indextripel wir κ(Ri, Rj , Rk)voraussetzen, da jedes Tripel als (j − 1, j, j + 1) oder (j − 2, j, j + 2) fur eingeeignetes j dargestellt werden kann. Der Index j ist dabei eindeutig bestimmt,es sei denn, dass alle Ri kollinear waren.
Nach dem Dualitatsprinzip der projektiven Geometrie gilt in desarguesschenEbenen auch die zu (1) duale Aussage:
Pentagonsatze in projektiven Ebenen
A1
A0
A3
D0
D4
D3
D2
D1
A2
A4
a4
a3
a0
a1
a2
Figure 2 Der duale Schließungssatz
Satz 3. Es seien ai (Indizes modulo 5) funf Geraden in allgemeiner Lage,Ai = ai−2 ∩ ai+2 und Di = ai−1 ∩ ai+1 sowie ri = AiDi. Gilt dann fur ein j:κ(rj−1, rj , rj+1), so auch κ(rj−2, rj , rj+2) (Fig. 2 fur j = 0).
Analog zur Geradenzahl γ einer Menge von 5 Punkten definieren wir dieSchnittpunktzahl λ einer Menge von 5 Geraden als die Anzahl der verschiede-nen Schnittpunkte der 5 Geraden. Es gilt immer λ ∈ {1, 5, 6, 8, 10}. Nach demletzten Satz ist diese Zahl fur die Menge der ri 1, 6 oder 10. Ist an einemFunfseit κ(rj−1, rj , rj+1), so nennen wir es auf j gerichtet; die Gerade rj nen-nen wir die Zielgerade des Funfseits.
Von besonderem Interesse ist der folgende Satz, denn er verknupft dieSchließungsaussage uber das Funfeck mit der uber das zugehorige Funfseit.
Satz 4. Es seien Ai funf Punkte in allgemeiner Lage und ai = Ai−2Ai+2
die Seiten des von ihnen gebildeten Funfecks. Ferner seien Ri = Ai−2Ai+2 ∩Ai−1Ai+1 und ri = (ai−2 ∩ ai+2).(ai−1 ∩ ai+1): Gilt dann fur ein jκ(Rj−1, Rj , Rj+1), so auch κ(rj−1, rj , rj+1).
Beweis Wir fuhren die Hilfspunkte Di = ai−1 ∩ ai+1 ein und zeigen zunachst:
5. Ist κ(R4, R0, R1), so auch κ(D2, R0,D3).
Wir betrachten die Perspektivitaten α: a1 −−→A0
a4 und β: a4 −−→R0
a1. Die Ab-
bildung ε = αβαβ hat die drei Fixpunkte A3, R1 und D0 = a1 ∩ a4. Da dieZentren der vier Perspektivitaten kollinear sind, ist nach [2] (dort Satz (2.3))oder auch [1] (dort Seite 63–73) ε die Identitat, und da Dαβα
2 = D3 ist, folgtDβ
3 = D2, das heißt κ(D2, R0,D3). Nun wende man die Umkehrung des Satzesvon Desargues auf die beiden Dreiecke D0A1A4 und A0D1D4 an (Fig. 3).
A. Saam J. Geom.
A2A3
A4
A0
A1
R0
R4
R1
D2
D1D4
D0 D0 D0
D3
a1
a4
Figure 3 Zum Beweis von 5
Entsprechende Seiten schneiden sich in kollinearen Punkten: D0A1 ∩ A0D1 =D3, A4D0 ∩ D4A0 = D2, A1A4 ∩ D1D4 = d0 ∩ a0 = R0. Folglich sind die bei-den Dreiecke perspektiv, das heißt A0D0, A1D1, A4D4 schneiden sich in einemPunkt. Es ist also κ(r4, r0, r1) wie behauptet.
Satz (4) sagt aus, dass, wenn das Funfeck [Ai] auf j gerichtet ist, dies auchauf das Funfseit [ai] zutrifft.
Satz 6. Es sei [Ai] ein Funfeck mit Ri = Ai−2Ai+2 ∩ Ai−1Ai+1 undκ(Rj−1, Rj , Rj+1) fur ein j. Ferner seien Bi = Ai−1Ai+2∩Ai+1Ai−2 die Eckeneines Funfecks und Qi = Bi−2Bi+2 ∩ Bi−1Bi+1 die Schnittpunkte der Seitenund entsprechenden Diagonalen dieses Funfecks. Dann gilt auch κ(Qj−1, Qj ,Qj+1) und es ist uberdies Qj = Rj.
Beweis Es sei ohne Beschrankung der Allgemeinheit das Funfeck [Ai] auf j = 0gerichtet. Das gilt dann auch fur eine andere zyklische Anordnung der Ecken,und zwar fur das Funfeck [Ci] = [A2i], denn dessen Seiten sind gleich denDiagonalen von [Ai] und umgekehrt. Die fur [Ci] zu konstruierenden PunkteRC
i sind dieselben wie die Punkte Ri des Funfecks [Ai], freilich in andererNummerierung. Deshalb ist auch [Ci] auf j = 0 gerichtet. Nun sind die Seitendes Funfecks [Bi] dieselben wie die von [Ci], und zwar ist bi = Bi−2Bi+2 =c2i, wie man leicht nachprufen kann. Deshalb ist auch das Funfeck [Bi] aufj = 0 gerichtet: κ(Q4, Q0, Q1). Die Zielgerade von [Bi] ist rB
0 = (b3 ∩ b2).(b4 ∩b1) = B0A0, die von [Ai] ist r0 = (a3 ∩ a2).(a4 ∩ a1) = A0D0. Wegen (2)κ(D0, B0, A0) stimmen fur beide Funfecke die Zielgeraden uberein: r0 = rB
0
(Fig. 4).
Pentagonsatze in projektiven Ebenen
A3A2
A1
A4
A0
R0
B0
B1
B2
B3
B4
D0
Figure 4 Zum Beweis von Satz 6
Das bedeutet aber, dass sich entsprechende Seiten der Dreiecke A4A3B1 undA1A2B4 in kollinearen Punkten schneiden: A4A3∩A1A2 = D0, A3B1∩A2B4 =A0 und B1A4 ∩ B4A1 = B0. Nach dem Satz von Desargues sind die Dreieckedann perspektiv, das heißt, κ(A4A1, A3A2, B1B4). Damit ist alles bewiesen:R0 = A2A3 ∩ A1A4 = A2A3 ∩ B2B3 = B1B4 ∩ B2B3 = Q0. Die Funfecke [Ai]und [Bi] haben denselben Zielpunkt.
Die synthetische Beweismethode scheint damit ausgeschopft. Doch mangewinnt weitere Einsichten, wenn man die analytische Methode heranziehtund mit Koordinaten arbeitet. Dazu legen wir die affine Ebene mit A1A2 alsuneigentlicher Geraden und A0A1 und A0A2 als Achsen zu Grunde, wahlen A3
als Einheitspunkt mit dem Koordinatenpaar (1, 1) und setzen fur A4 = (u, v)an. Offenbar gilt u, v /∈ {0, 1} und u �= v. Daraus erhalten wir dann R0 = (1, v),R1 = (0, (u − v)(u − 1)−1), R2 = (uv−1, 1), R3 = (u, 0), B0 = (u, 1). R4 undD0 sind die uneigentlichen Punkte von d4 und a1. Die Rechnung im der de-sarguesschen Ebene zugrunde liegenden Schiefkorper zeigt dann, dass jede derAussagen κ(A0, B0,D0), κ(R0, R1, R4) und κ(R0, R2, R3) aquivalent ist mit
7. u−1 + v = 2
Ebenso lasst sich leicht nachrechnen, dass κ(r0, r1, r4) und κ(r0, r2, r3) mit (7)aquivalent sind und dass in Satz 4 aus (7) auch Qj = Rj folgt.
Da in einem Alternativkorper je zwei Elemente u, v in einem Unterschiefkorperliegen, bleiben die vorliegenden Satze auch in Moufang-Ebenen gultig. Darauslasst sich der Schluss ziehen, dass es synthetische Beweise geben musste, diedurchweg nur den kleinen Satz von Desargues verwenden. Solche zu entwickelnscheint außerordentlich muhsam. Man kann darauf verzichten, da sie kaumeinen Zugewinn an Erkenntnissen einzubringen versprechen.
A. Saam J. Geom.
References
[1] Pickert, G.: Projektive Ebenen. Springer, Berlin (1975)
[2] Saam, A.: Schließungssatze als Eigenschaften von Projektivitaten. J. Geom. (32),86–130 (1988)
Armin SaamHochschule KoblenzNelkenweg 456220 KettigDeutschlande-mail: [email protected]
Received: April 9, 2014.