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Heft 11 Juli 2000 perspektive 21 Brandenburgische Hefte für Wissenschaft und Politik WIRTSCHAFT UND UMWELT Beiträge von Prof. Dr. Joachim Katzur Prof. Dr. Rolf Kreibich Dr. Kurt Häge Dr. Eberhard Henne Dr. Georg Wagener-Lohse u. a.

perspektive21 - Heft 11

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Wirtschaft und Umwelt

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Heft 11 Juli 2000

perspektive 21Brandenburgische Hefte für Wissenschaft und Politik

WIRTSCHAFTUND UMWELT

Beiträge vonProf. Dr. Joachim KatzurProf. Dr. Rolf KreibichDr. Kurt HägeDr. Eberhard HenneDr. Georg Wagener-Lohseu. a.

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Zeit

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Gabriele Schnell

Ende und Anfang

Chronik der PotsdamerSozialdemokratie 1945/46 – 1989/90200 Seiten, Paperback, 19,80 DMISBN 3-933909-05-8

Vorzugsausgabe in rotes Leinengebunden, 34,80 DM

Gabriele Schnell schreibt die spannungsvolle Geschichte derPotsdamer Sozialdemokratie in den Jahren des Umbruchs: DerKampf gegen die Zwangsvereinigung 1945/46 und der mutigeNeubeginn 1989/90. Eine umfangreiche Material- undDokumentensammlung ergänzt ihre Darstellung.

Benjamin EhlersWer, wenn nicht wir!

10 JahreJunge Sozialdemokraten in der DDRmit einem Vorwort von Manfred Stolpe208 Seiten, Paperback, 19,80 DMISBN 3-933909-07-4

»Die ostdeutsche SPD kann es sichlangfristig nicht erlauben, jungeMenschen ausschließlich für Handlangerdienste zu verwenden.Sie müssen Freiräume für ihre eigenen politischen Themenerhalten. Nicht zuletzt muß ihnen auch institutionell eine Chan-ce eingeräumt werden. ... Insofern können es sich jungeMenschen erlauben, etliche Jahre auf ihre Chance in der Politikzu warten; ob sich die SPD dieses Abwarten leisten kann, istmehr als fraglich.«

BENJAMIN EHLERS

10 JAHRE

JUNGE SOZIALDEMOKRATEN

IN DER DDR

mit einem Vorwort von Manfred Stolpe

Wer, wenn nicht wir!

k a i w e b e r m e d i e n p r o d u k t i o n e ns c h l a a t z s t r a s s e 6 · 1 4 4 7 3 p o t s d a m

f o n 0 3 31 - 2 8 0 0 5 0 9 · f a x 2 8 0 0 5 1 7e - m a i l : i n f o @ w e b e r - m e d i e n . d e

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Interview

mit Wolfgang Birthler, Minister fürErnährung, Landwirtschaft und Forsten, Umweltschutz, Naturschutz undRaumordnung desLandes Brandenburg . . . . . . . . . . .Seite 3

Beiträge

Lausitzer Braunkohlevon Dr. Kurt Häge . . . . . . . . . . . .Seite 10

Bergbausanierung – eine volkswirt-schaftlich notwendige Investitionvon Prof. Dr. Joachim Katzur . . . .Seite 16

Das System der GroßschutzgebieteBrandenburgsvon Dr. Eberhard Henne . . . . . . .Seite 29

Ausbau des Wasserstraßennetzes im Bereich der WSD Ostvon Peter Neugebauer . . . . . . . . .Seite 41

Das Märchen vom guten Binnenschiffvon Manfred Krauß, Ulrike Kielhorn,Wilfried Lücking undSibylle Rosenkranz . . . . . . . . . . . .Seite 49

Eine zukunftsfähige Energiestrategiefür Brandenburgvon Prof. Dr. Rolf Kreibich . . . . .Seite 64

Nachhaltige Energiepolitik fürBrandenburg in einemwettbewerblichen Umfeldvon Dr. Georg Wagener-Lohse . . .Seite 72

INHALT

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WIRTSCHAFTUND UMWELT

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Liebe Leserinnen und Leser,

heutzutage ist die Bedeutung einer umwelt-schonenden und nachhaltigen Poltik aner-kannt.In diesem Heft soll es deshalb darum gehen,Beispiele aufzuzeigen, wie sich Ökonomieund Ökologie miteinander in Einklang brin-gen lassen. Alle Autoren versuchen aufzu-zeigen, wie es gelingen kann, mit Umwelt-schutz Arbeitsplätze zu sichern und neue zuschaffen. Es geht also nicht darum, ein „ent-weder..., oder“ zu erreichen, sondern ein„sowohl.., als auch“. Ziel der perspektive 21 ist es, zum Diskutie-ren anzuregen. Deshalb sind in diesem HeftBeiträge zu finden, die sich mit einem ande-ren ergänzen. Somit erhalten zwei Autorendie Möglichkeit, sich zu ähnlichen Themenzu äußern. Ein solches Paar bilden dieBeiträge von Peter Neugebauer von derWasser- und Schifffahrtsdirektion Ost undWinfried Lücking vom BUND zum Ausbauder Wasserstraßen.Sicherlich wird manch ein Lösungsvor-schlag den einen Leser mehr, andere wenigerüberzeugen. Die Debatte kann also weiterge-hen.Gelungen ist uns auch, einen Beitrag vonProf. Dr. Kurt Häge, Vorstandsvorsitzenderder LAUBAG, eines der größten Unterneh-men Brandenburgs, zu gewinnen. Auf ihnantwortet Prof. Dr. Joachim Katzur vomInstitut für Bergbaufolgelandschaften.

Die Naturschutzpolitik des Landes Branden-burg stellt einer der fundiertesten Kenner,der ehemalige Brandenburgische Umwelt-minister und jetzige Direktor des Bio-spärenreservat Schorfheide-Chorin, Dr.Eberhard Henne vor. Große Bedeutung für ein nachhaltiges Wirt-schaften hat die Einsparung natürlicher Res-sourcen. Prof. Dr. Rolf Kreibich vom Institutfür Zukunftsstudien und Technologiebewer-tung und Dr. Georg Wagener-Lohse von derBrandenburger Energiesparagentur haben inihren Beiträgen interessante Vorschlägezusammengetragen.Traditionell wird jede Ausgabe der perspek-tive 21 durch ein Interview eröffnet. Bran-denburgs Umwelt- und Landwirtschaftsmi-nister Wolfgang Birthler (SPD) beantworteteunsere Fragen zu den in diesem Heft ange-sprochenen Themen.Die nächste Ausgabe der perspektive 21 istfür den Spätsommer geplant. Themen-schwerpunkt: „Frauen in Politik und Gesell-schaft“.

Die Redaktion

P. S.Viele ältere Ausgaben der perspektive 21sind mittlerweile vergriffen. Mit der beige-fügten Postkarte können aber noch die Aus-gaben 7 bis 10 kostenlos nachbestellt wer-den. Oder einfach per e-mail: [email protected]

VORWORT

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Nach der Landtagswahl wurden dasUmwelt- und Landwirtschaftsministeriumzusammengelegt. Dies wurde nicht kritiklosvon der Öffentlichkeit aufgenommen. Istdiese Zusammenlegung sinnvoll? Wie las-sen sich die Themen Landwirtschaft undUmweltschutz miteinander verbinden?

Landwirtschaft und Naturschutz gehörenzusammen. Es gibt viele Überschneidungenund vor allem ein Ziel: Erhalt unserer viel-fältigen Kulturlandschaft und Stärkungregionaler Strukturen. Nachhaltigkeit ist fürmich dabei immer die große Klammer. Die Kritik an der Zusammenlegung warunbegründet und ist auch längst verblasst.Es wurde erkannt, dass die Bündelung derKräfte unter einem Dach sinnvoll ist und

für effektivere Abläufe sorgt. Während inden vergangenen Jahren viel Kraft in nichtimmer erfreuliche Diskussionen und lang-wierige Abstimmungsprozesse investiertwerden musste, werden im gemeinsamenMinisterium Konflikte zwischen Landwirt-schaft und Umwelt auf direktem Wege kon-struktiv verhandelt, abgewogen und ent-schieden. Der kooperative Stil bei der Fest-legung von Brandenburgs FFH-Gebietenfür das europäische Naturschutzsystem„Natura 2000“ ist dafür ebenso beredtesZeugnis wie das erfolgreiche Managementbei den dioxinbelalasteten Futtermitteln. Das neue Ministerium ist stark und kompe-tent. Es ist das Ressort mit Brandenburgswichtigster Zukunftsaufgabe: Zur nachhal-tigen Entwicklung der ländlichen Räume

INTERVIEW

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PERSPEKTIVENDER UMWELTPOLITIKIN BRANDENBURG

Wolfgang Birthler, Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten,Umweltschutz, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg

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aus ihren eigenen Möglichkeiten beizutra-gen. Landwirte und Umweltschützer sinddabei von Natur aus Verbündete, denn nureine „nachhaltige Entwicklung“ im Sinneder AGENDA 21 sichert den Landwirtenauf Dauer den Erhalt ihrer wichtigstennatürlichen Ressourcen. Andererseits ist einwirksamer Umweltschutz nur im Einklangmit den Menschen und durch die Menschenumsetzbar. Weil effektiver Umweltschutzauch Geld kostet, ist eine stabile wirtschaft-liche Basis eine wichtige Voraussetzungdafür. Landwirte und Umweltschützer sit-zen im gleichen Boot. Es ist aber gut undsinnvoll, wenn es nur einen Steuermanngibt.

Brandenburg weist viele landschaftlichwertvolle Gebiete auf. Durch die dünneBesiedelung und Sperrung von Gebietenkonnte mehr davon erhalten werden als inanderen Bundesländern. Es wurden 1Nationalpark, 3 Biosphärenreservate und10 Naturparks eingerichtet. Gut 30 % derLandesfläche sind Großschutzgebiete. Wiesoll es in den nächsten Jahren weitergehen? Werden neue Gebiete unter Schutzgestellt oder ändert sich die Naturschutzpo-litik?

Der Brandenburger Weg des Flächen-schutzes und damit auch das System derGroßschutzgebiete hat sich bewährt. Esbedarf deshalb in der Naturschutzpolitikauch keiner Änderung, sondern einer kon-sequenten inhaltlichen Fortsetzung. Des-halb steht in den nächsten Jahren nichtmehr die Erhöhung der Quantität, sondern

der Qualität der Schutzgebiete im Mittel-punkt. Darunter verstehe ich z.B. die recht-liche Absicherung noch im Verfahrenbefindlicher Gebiete, die finanzielle Absi-cherung der naturschutzgerechten landwirt-schaftlichen Nutzung und die qualitativeVerbesserung der touristischen Möglichkei-ten. Eine besonders große inhaltliche Arbeitbedeutet für uns die inhaltliche Umsetzungder FFH-Richtlinie der EU, nachdem Bran-denburg im März die abschließendeGebietsmeldung an Bund und EU gebenkonnte. Geplant ist jedoch noch ein weite-res Großschutzgebiet, der Naturpark Stech-lin-Ruppiner Land im Norden Branden-burgs.

Die Landwirte wehren sich beispielsweiseim Nationalpark Unteres Odertal gegen dieUnterschutzstellung weiterer Gebiete. Siehaben als Minister beide Interessen zuberücksichtigen. Was sagen Sie den Land-wirten?

Im Unteren Odertal sollen keine weiterenGebiete unter Schutz gestellt werden. Der10.500 ha große Nationalpark besteht seit1995 durch Gesetz. Die heutigen Diskus-sionen beziehen sich vielmehr auf dieflächenscharfe Abgrenzung unterschiedli-cher Schutzkategorien und die künftigelandwirtschaftliche Nutzung in Teilberei-chen des Nationalparks. Es geht um vieleDetails wie Pachtdauer und Pachtzins,Flächentauschverhältnisse und ähnliches. In der Vergangenheit hatten vorwiegendfehlende Information und Kommunikation– bzw. der Wille dazu – zwischen den

PERSPEKTIVEN DER UMWELTPOLITIKInterview mit Minister Wolfgang Birthler

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Beteiligten zu Unmut und Missverständnis-sen geführt. Die jeweiligen Seiten habensich verbarrikadiert, schlecht übereinanderaber kaum miteinander geredet. Durchunser neues Handlungskonzept, das eineAgrarstrukturelle Entwicklungsplanungund ein Flurneuordnungsverfahren beinhal-tet, sind Vernunft und konkrete inhaltlicheDiskussion zurückgekehrt. Das PrenzlauerAmt für Flurneuordnung leistet dafür einesehr gute Arbeit. Es herrscht Ruhe imNationalpark, aber keine Friedhofsruhe,denn auf Basis des Konzepts wird sehr akri-bisch und gut gearbeitet. Das Flurneuor-dungsverfahren wird allerdings rund 10Jahre dauern. Diese Zeit aber müssen wirfür dieses große internationale Naturschutz-und Entwicklungsprojekt aufbringen. Spä-tere Generationen werden es uns danken.Der Nationalpark soll ein Schutzgebiet mitteilweiser Nutzung sein: UmweltgerechteLand- und Fischereiwirtschaft und vorallem Fremdenverkehr. Der Nationalparkbringt Geld in die Region: Zum einen meh-rere 10 Mio. DM durch Flächenkäufe, dieprimär an Bürger der Region gehen, zumanderen durch den Tourismus. So wurdendurch Gäste, die 1998 ausschließlich wegendes Nationalparks in die Region kamen,rund 5 Mio. DM allein durch Übernachtun-gen umgesetzt. Auch die Vermarktungdurch ein eigenes Label bietet Chancen:Die Einführung einer Regionalmarke imbenachbarten Biosphärenreservat Schorf-heide-Chorin ist beispielsweise eine bereitserfolgreiche Marketingstrategie, die denErzeugern hilft, ihre Produkte besser amMarkt zu etablieren.

Wer wirklich Nachteile durch Naturschutz-maßnahmen auf seinem Produktionsstan-dort hat, erhält Ausgleichsleistungen. Dafürstehen im Rahmen des EU-KULAP-Pro-gramms, der EU-Artikel 16 Zahlungennach Ausgleich- und Garantiefonds und desVertragsnaturschutzes finanzielle Mittel zurVerfügung. Gerade die Landwirte sind tra-ditionell die Vorreiter einer nachhaltigenEntwicklung, von der heute so viel gespro-chen wird. Seit Generationen achtenumsichtige Landwirte darauf, die Boden-qualität der Felder als ihre wichtigste Res-source zu pflegen und zu erhalten. Nichtsanderes meinen Naturschützer, wenn Sievon nachhaltiger Entwicklung sprechen.

Innerhalb der EU werden zu viele landwirt-schaftliche Produkte hergestellt. Flächenmussten stillgelegt werden, Produktions-mengen werden quotiert. Mit der Osterwei-terung werden Staaten wie Polen zur EUstoßen, in denen die Landwirtschaft immernoch einen bedeutenden Teil der Arbeits-kräfte beschäftigt und zum Bruttoinlands-produkt beiträgt. Dadurch wird sich derWettbewerb verschärfen. Sehen Sie in derökologischen Landwirtschaft vor allem inHinblick auf den Absatzmarkt Berlin eineZukunft für die Brandenburger Landwirte?

Seit 1990 gab es einen radikalen Umbruchin unserer Landwirtschaft. Die Zahl derBeschäftigten hat sich um 80 % verringert.In der Landwirtschaft sind noch etwa30.000 Menschen direkt beschäftigt. DieBrandenburger Böden, unsere Streusand-büchse, gehören nicht zu den besten. Der

PERSPEKTIVEN DER UMWELTPOLITIKInterview mit Minister Wolfgang Birthler

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Ökologische Landbau bietet in dieser Situa-tion eine Zukunftschance; er wird aber diegrundsätzlichen Problemen in der Land-wirtschaft nicht lösen können. Mit 5,5 %Anteil an der landwirtschaftlichen Nutz-fläche ist Brandenburg gemeinsam mitMecklenburg-Vorpommern beim Ökoland-bau bereits bundesweit führend. Der Bun-desdurchschnitt liegt bei 2 %. Die Vorteile des Ökolandbaus liegen aufder Hand: Eindeutig umweltgerechteFlächennutzung mit positiven Stoffkreis-läufen, Produktion gesunder Lebensmittelund - für Brandenburg besonders wichtig -ein prozentual hoher Beschäftigungsgradim Vergleich zur konventionellen Landwirt-schaft. Verarbeitungs-, Vermarktungs- undAnbaustrukturen müssen jedoch noch ent-schieden verbessert werden. So steht einemgroßen Angebot an Fleisch und Getreideein Defizit an Obst und Gemüse gegenüber.Das Land unterstützt daher insbesondereden Anbau von Frischobst und Gemüse.Berlin ist für unseren Ökolandbau der zen-trale Markt, der jedoch noch viel zu wenigbedient wird; dafür gibt es vielfältige Grün-de. Einzelne Verkaufsaktionen auf Stadt-teilmärkten und Lieferkisten vom Land anEinzelabnehmer in der Stadt sind jedochnicht ausreichend, um den breiten Markt zuerreichen. Die Öko-Produkte müssen in dieSupermärkte und in die Großküchen. Der-zeit stammen lediglich 5% der in Berlinverkauften ökologisch produzierten Nah-rungsmittel aus Brandenburg. Der größteTeil kommt aus dem Ausland oder den altenBundesländern auf den Berliner Markt.

Ein anderes Thema: Die Braunkohle hateine hohe Bedeutung für das Land Bran-denburg sowohl was die Arbeitsplätze alsauch was den Anteil am Energiemix betrifft.Bei der Verbrennung von Braunkohle ent-steht Kohlendioxid, welches die Umweltschädigt. Wie sehen Sie als Umweltministerdie Rolle der Braunkohle?

Die Braunkohle ist für die brandenburgi-sche Lausitz, deren Arbeitslosenquote über20% liegt, ein bedeutender Wirtschaftsfak-tor. Sie ist das industrielle Rückgrat derRegion, auch wenn ihre Bedeutung lang-sam zurückgeht. Die Landesregierungbekennt sich auch deshalb zur Braunkohle-nutzung. Sie ist sich aber auch der Klima-schutzverpflichtung bewusst, insbesonderedem Erfordernis der CO2-Minderung. Des-halb müssen wir drei Dinge parallel tun:Die abgasärmsten und energetisch effektiv-sten Kohleverbrennungstechnologien nut-zen, den Energieverbrauch senken und dieNutzung erneuerbarer Energien ausbauen.Nur so können wir den CO2-Ausstoß sen-ken und die Braunkohle weiter nutzen.Für die Förderung von Braunkohle werdenbedeutende Flächen benötigt. Landwirt-schaftlich genutzte Flächen, Forste aberauch ganze Dörfer müssen der Kohle wei-chen. Dies stößt natürlich auf Widerstand,besonders in Horno. Andererseits sind ausehemaligen Tagebauen neue Naturschön-heiten entstanden. Mit Hilfe der Internatio-nalen Bauausstellung „Fürst-Pückler-Land“soll eine der größten Seenplatten entstehen.Die über 100-jährige Braunkohlenutzunghat der Lausitz tiefe Wunden zugefügt. Es

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dauert noch Jahrzehnte bis sie verheilt sind.Heute ist dort eine der spannendsten Land-schaften zu besichtigen: AusgekohlteBraunkohlefelder, deren Ränder jäh in dieTiefe stürzen, Mondlandschaften, anstei-gendes Wasser. Diese Landschaften werdenihr Gesicht radikal verändern und dieseVeränderungen bringen neue Chancen indie Lausitz. Über 20 Seen entstehen unddas heißt neue Nutzungen. Das einst ver-gessen geglaubte Pritzen wird einmal denBeinamen „am See“ haben und mit Sicher-heit ein florierender Ort sein. Die Interna-tionale Bauausstellung, die diese Verände-rung zum Thema hat, ist eine große Chan-ce, den notwendigen Strukturwandel derLausitz von einer Industrie- zur Dienstlei-stungsregion positiv zu begleiten. Das neueBild der Lausitz wird die Lebensqualitätebenso wie die Wettbewerbsfähigkeit derRegion wesentlich erhöhen.

Die Förderung der Braunkohle hat auchAuswirkungen auf den Wasserhaushalt inweiten Teilen des Landes. Mit dem Ende desBergbaus und der Flutung mehrerer Rest-löcher wird der künstlich abgesenkteGrundwasserspiegel in der Lausitz steigen.Andererseits werden die Wassermengen inSpree, Neiße und Schwarzer Elster sinken.Droht der Spreewald auszutrocknen und dieSpree in Berlin zum Rinnsal zu verküm-mern?

Weder die Spree noch der Spreewald wer-den austrocknen und wir werden auch nichtBerlin das Wasser abgraben. Brandenburgentwickelt derzeit gemeinsam mit Berlin,

Sachsen, und Sachsen-Anhalt Bewirtschaf-tungsgrundsätze für die Wassernutzung.Die Wasserbedarfsdeckung wird immerVorrang vor der Restlochflutung haben.Eine Flutungszentrale wird diesen Prozesssteuern, so dass Wassermangel als Folgeder Restlochflutung nirgendwo zu befürch-ten ist.Zur Restlochflutung gibt es keine Alternati-ve. Der natürliche Prozess – ohne zusätzli-chem Flutungswasser – würde zu einerÜbersäuerung der jungen Seen führen; eineNutzung für Mensch und Tier wäre nichtmöglich.

Die Bundesregierung plant den Ausstiegaus der Kernenergie. Welche Probleme dieVerstromung der Kohle, die auch nurbegrenzt vorhanden ist, mit sich bringt,haben Sie erläutert. Das heißt, ein größerwerdender Teil des Energiemixes muss ausalternativen und regenerativen Energie-quellen gewonnen werden. Welche Chancensehen Sie, dass sich das Land Brandenburgals Energiestandort weiterhin behauptenkann, indem es auf erneuerbare Brennstoff-träger setzt? Welche Möglichkeiten sehenSie hierbei, zumal Brandenburg über Son-nen- und Windenergie nur eingeschränktverfügt?

Der Ausstieg aus der Kernenergie wirdstattfinden. Das ist aus vielfältigen Gründenrichtig. Der Streit um das eine oder andereJahr früher oder später ist jedoch eine Phan-tomdiskussion, die dem eigentlich Zielschadet und starke Kräfte im Umweltbe-reich bei Verbänden, Parteien und Verwal-

PERSPEKTIVEN DER UMWELTPOLITIKInterview mit Minister Wolfgang Birthler

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tungen absorbiert, die ich für andere Aufga-ben sinnvoller eingesetzt sehe. Energieeinsparung ist unser größter Ener-gie-„lieferant“ – 30 % vom jetzigen Ver-brauch erscheinen mir realistisch. Dazumüssen die Rahmenbedingungen geschaf-fen werden. Die Ökosteuer ist davon einElement. Bereits 1992 hat die Landesregie-rung die Brandenburgische Energiespara-gentur (BEA) gegründet, um Industrie,Gewerbe und Verwaltung mit dem nötigenFachwissen auszustatten. Die Ministerienhaben Förderprogramme aufgelegt, mitderen Hilfe Energiespartechnologien ent-wickelt, erprobt und eingesetzt werden kön-nen. Im vergangenem Jahr hat die Landes-regierung die Energietechnologieinitiative(ETI) ins Leben gerufen. Diese bündelt alleKräfte zur Erreichung unserer drei energie-politischen Ziele: Energieeinsparung, Ver-lustminimierung und Nutzung erneuerbarerEnergien.Brandenburg verfügt über ein hohes Wis-sens- und Leistungsniveau in der Energie-technologie; unsere Hochschulen und For-schungseinrichtungen zählen in diesemBereich zur Elite. Die landwirtschaftlichenNutzflächen sichern und ein hohes Biomas-sepotential, die Windkraftnutzung wirdweiter steigen. Die Zukunft gehört meinesErachtens jedoch der Solarenergie. In die-sem Bereich wird es in den nächsten Jahrenund Jahrzehnten gewaltige Entwicklungengeben, die die Solarnutzung auch in Län-dern wie Brandenburg ökonomisch werdenläßt.

Brandenburg ist eines der wasserreichstenBundesländer. Viele Städte sind durch Flüs-se und Kanäle miteinander verbunden.Trotzdem wird eine großer Teil der zu trans-portierenden Güter auf der Straße trans-portiert. Welche Chancen bietet des Bran-denburger Wasserstraßennetz für einenumweltfreundlichen und preisgünstigenTransport von Waren?

Verkehrsvermeidung durch Nutzung regio-naler Wirtschaftskreisläufe ist Grundsatzmeiner Politik. Nicht zu vermeidender Ver-kehr sollte vor allem auf Schiene und Was-serstraße erfolgen. Dank des guten Schie-nen- und Wasserstraßennetzes ist Branden-burg dafür hervorragend geeignet. DieHauptwasserstraßen Oder, Spree, Havelund Elbe sind mit historisch gewachsenenKanälen verbunden. Die Lage Branden-burgs als Tor nach Osteuropa ist ein weite-rer Pluspunkt. Um die vergleichsweiseenergiesparsame, kostengünstige, umwelt-verträgliche und sichere Binnenschifffahrtin der Konkurrenz zur Straße zu stärkenwird die Wasserstraßeninfrastruktur weiterverbessert. Im Rahmen des Bundesver-kehrswegeplanes und des „Projekt 17“ wer-den vorrangig die Wasserstraßen Hannover-Magdeburg-Berlin und Berlin-Eberswalde-Stettin ausgebaut.

Der Ausbau von Wasserstraßen ist anderer-seits nicht unumstritten. Gegen den Havel-ausbau, einem Teilstück des Verkehrspro-jektes Deutsche Einheit Nr. 17, wurde einVolksbegehren initiiert. Umweltschützerführen erhebliche Bedenken gegen dieses

PERSPEKTIVEN DER UMWELTPOLITIKInterview mit Minister Wolfgang Birthler

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Projekt an. Wie positioniert sich die Lan-desregierung hierzu?

Das Volksbegehren hat nicht die erforderli-che Unterstützung bei der Bevölkerunggefunden. Das vom Aktionsbündnis gefor-derte und überdies gesetzlich vorgeschrie-bene Raumordnungsverfahren ist durchge-führt und für die im Land Brandenburg lie-gende Wasserstraße abgeschlossen. Im Ver-fahren wurde insbesondere den Umwelt-auswirkungen ein hoher Stellenwert beige-messen. So haben wir Änderungen undMaßgaben vorgegeben, die die Anzahl derDurchstiche und Abgrabungen wesentlich

reduzieren. Eingriffe in die Potsdamer Kul-turlandschaft, dazu gehört auch die Glie-nicker Brücke, müssen vermieden werden. Ich denke, dass wir einen guten Kompro-miss gefunden haben, der die Wasser-straßen wirtschaftlich attraktiver macht,ohne gravierende Umweltbeeinträchtigun-gen zuzulassen. Detailfragen sind jedochnoch zu klären. Das betrifft insbesonderedie Schleuse Kleinmachnow und die Inten-sität des Wasserstraßenausbaus RichtungKönigs-Wusterhausen und Eisenhütten-stadt.

www.brandenburg.de/land/m/uv

PERSPEKTIVEN DER UMWELTPOLITIKInterview mit Minister Wolfgang Birthler

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HAT LAUSITZERBRAUNKOHLE ZUKUNFT?

Braunkohlenbergbau im 21. Jahrhundert –Stand und Perspektiven in der deutschen Energiewirtschaft

Der „Energiehunger“ der Welt beträgt jähr-lich ca. 13 Milliarden Gigawattstunden.Allein die Bundesrepublik Deutschlandverbraucht im Jahr über 550 Tausend Giga-wattstunden Strom. Immerhin konsumiertein einzelner Bundesbürger rein rechne-risch im Laufe seines 70jährigen Lebensnahezu 1.300 Tonnen Rohstoffe – unteranderen: 50 Tonnen Steinkohle, 145 Ton-nen Braunkohle und 166 Tonnen Erdöl. Die Staaten der Europäischen Gemein-schaft sind aufgrund ihrer Naturressourcendarauf angewiesen, etwa die Hälfte ihresEnergiebedarfs durch Importe zu decken.Auch die Energieversorgung der Bundes-republik Deutschland ist durch eine hoheImportabhängigkeit gekennzeichnet. Vordiesem Hintergrund spielt eine Ressource

ihre Vorzüge aus: Braunkohle ist der einzi-ge heimische Energieträger, der in ausrei-chendem Umfang vorhanden und subven-tionsfrei zu konkurrenzfähigen Bedingun-gen abbaubar ist. Das renommierte For-schungsinstitut Prognos geht in seinerjüngsten Trendskizze davon aus, dass dieBraunkohle in den nächsten 20 Jahrenneben der Import-Steinkohle wichtigsterEnergieträger zur Stromerzeugung inDeutschland sein wird.

Ein Blick in die BraunkohlenreviereDeutschlands Braunkohlenförderungkonzentriert sich im wesentlichen auf dasRheinland, die Lausitz und Mitteldeutsch-land. Die Gruben in Helmstedt, Hessenund Bayern haben eine eher regionale

THEMA

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von Prof. Dr. Kurt Häge

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Bedeutung. Alle Reviere unterscheidensich in den geologischen und wirtschaft-lich gewinnbaren Vorräten, aber auch inden Förderbedingungen und Qualitäts-werten der Braunkohle. Während die geo-logischen Verhältnisse in Mitteldeutsch-land besonders günstig scheinen, lagerndie größten wirtschaftlich gewinnbarenVorräte Deutschlands im Rheinland. DasLausitzer und das Rheinische Revier wei-sen etwa ähnliche Qualitäten der Roh-braunkohle auf, unterscheiden sich aberwesentlich in der Tiefe und in der Flöz-mächtigkeit der zu fördernden Kohle. Im Gegensatz zu den anderen Revierenkann nur in der Lausitz aufgrund der geo-logischen Verhältnisse die hocheffektiveFörderbrückentechnik bei der Abraumbe-wegung eingesetzt werden. Gegenwärtigfördern hier die Tagebaue Jänschwalde,Cottbus-Nord, Nochten und Welzow-Süd

insgesamt ca. 50 Millionen Tonnen Braun-kohle jährlich. Sie versorgen die modernenVEAG-Braunkohlenkraftwerke Jänsch-walde, Schwarze Pumpe und Boxbergsowie den Veredlungsstandort SchwarzePumpe mit Rohkohle.

Braunkohle im EnergiemixMehr als ein Viertel der Energie, die inDeutschland zur Stromerzeugung aufge-wandt wird, stammt aus den heimischenBraunkohlerevieren. Mit einer Brutto-stromerzeugung von ca. 41 Tausend Giga-wattstunden jährlich hält die Lausitz etwa30 Prozent Anteile am deutschen Braun-kohlestrom. Über 10 Prozent des Primärenergiever-brauchs in Deutschland werden durchBraunkohle gesichert. Rechnet man dieeinheimische Primärenergiegewinnung –also ohne die importierten Energien – dann

LAUSITZER BRAUNKOHLEDr. Kurt Häge

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beträgt der Beitrag der Braunkohle zureigenen Energiegewinnung fast 40 Pro-zent. Damit sind die Millionen Jahre altenFlöze im Rheinland, im Mitteldeutschenund im Lausitzer Revier wichtige Pfeilerzur Deckung des deutschen Energiebe-darfs und Stützen im angestrebten Ener-giemix. Schon heute ist abzusehen, dassihre Bedeutung angesichts des beschlosse-nen Kernergieausstiegs sowie der weiterenReduzierung der deutschen Steinkohleför-derung künftig noch steigen wird. In dermomentanen Debatte stehen immerhinmehr als 45 Prozent der deutschen Strom-erzeugung zu Disposition.

UmweltverträglicherBraunkohlenbergbauDie Ziele der deutschen Energieversor-gung sind klar definiert: Wirtschaftlichkeitund Versorgungssicherheit zum einen,

umwelt- und ressourcenschonende Per-spektiven zum anderen. In wie weit kannBraunkohlenbergbau diesem Anspruchgerecht werden?Das Gewinnen und Fördern des RohstoffsBraunkohle ist unvermeidlich mit Einwir-kungen in die Umwelt von Mensch, Floraund Fauna verbunden. Land wird vorüber-gehend in Anspruch genommen, Lärm undStaub dringen über Abbaugrenzen derTagebaue hinaus und beeinträchtigennaheliegende Ortschaften. Bergbau greiftin jahrhundertealte Landschaft ein und läs-st zeitgleich neues Land entstehen. AlsLandschaftsgestalter hinterlässt der Berg-bau der Lausitz weitreichende Mischwäl-der, Seen und landwirtschaftliche Nutz-flächen – neue Kulturlandschaften, dieauch in Verantwortung für künftige Gene-rationen aus den Bedürfnissen und Vorstel-lungen der Menschen dieser Region

LAUSITZER BRAUNKOHLEDr. Kurt Häge

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erwachsen. Mit einer Vielzahl von Schutz-und Ausgleichsmaßnahmen ist der Berg-bautreibende bemüht, notwendige Eingrif-fe in Boden, Luft und Wasser schnellst-möglich zu kompensieren bzw. entspre-chend den jeweiligen technischen Mög-lichkeiten auf ein Mindestmaß zu begren-zen. Hierzu gehören maschinentechnischeMaßnahmen zum Schallschutz ebenso wiedas Einleiten von gereinigtem Grubenwas-ser in das Lausitzer Gewässernetz – unteranderem als Ökowasser für tagebaunahgelegene Feucht- und Naturschutzgebiete.Bepflanzte Schutzwände oder Dämme bil-den „grüne Grenzen“ am Tagebaurand undschirmen Nachbargemeinden vor Staub-und Lärmbelästigungen ab. Eine Umfrage des Meinungsforschungsin-stitutes sensus zur Braunkohle im Lausit-zer Revier und in Brandenburg bestätigtdem Bergbautreibenden einen verantwor-

tungsvollen Umgang mit der Umwelt.Schadstoffminimierung und das rekulti-vierte Bergbaufolgeland werden von denbefragten Brandenburgern wahrgenom-men und positiv bewertet. Fazit der Studie:Das Image und die öffentliche Akzeptanzhat sich nachhaltig verbessert.Bergbau trägt Verantwortung für Genera-tionen. Der schonende Umgang mit dernatürlichen, nicht erneuerbaren RessourceBraunkohle ist ein wichtiges Element beimUmsetzen des Leitbildes einer nachhalti-gen Entwicklung, das auf die Bewahrungder wirtschaftlichen, sozialen und ökologi-schen Lebensgrundlagen künftiger Gene-rationen abzielt. Ressourcenschonung imBraunkohlenbergbau schließt deshalb auchdas Gewinnen der Begleitrohstoffe überder Kohle wie zum Beispiel Kiese, Sandeund Tone ein.Umweltschutz ist neben der Wirtschaft-

LAUSITZER BRAUNKOHLEDr. Kurt Häge

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lichkeit ein Unternehmensziel der LAU-BAG. Sämtliche Maßnahmen zumUmwelt- und Naturschutz werden vomBergbautreibenden gleichrangig neben denbergbaulichen Arbeiten zum Gewinnen derBraunkohle realisiert. Langzeitmessungenund Studien dienen der Ergebniskontrolleund belegen die Wirksamkeit der realisier-ten Immissions- und Emissionsschutzmaß-nahmen – insbesondere im Umfeld derBraunkohlenveredlung.

Braunkohle im WettbewerbAufgrund der fortschreitenden Liberalisie-rung des deutschen Energiemarktes undder zunehmenden Globalisierung der Welt-wirtschaft kommt dem Wettbewerb derheimischen Braunkohle mit den Importen-ergieträgern Erdgas, Steinkohle und Erdöleine große Bedeutung zu. Bei aller gegen-wärtiger Begeisterung für Gas- undDampfkraftwerke, für Blockheizwerkeund Kraft-Wärme-Kopplung darf dennochnicht vergessen werden, dass sich die Prei-se für Braunkohle, deren Produkte und fürStrom und Fernwärme in der Vergangen-heit stets unabhängig von den internationa-len Preisentwicklungen bei Erdöl, Erdgasund Importsteinkohle entwickelten.Importenergien sind mit Risiken behaftet.Insbesondere das Erdöl aber auch das Erd-gas kommen aus politisch instabilenRegionen. Forschungsinstitute gehen vonweltweit deutlich steigenden Erdgasver-bräuchen aus. Verknappungen und damitPreissteigerungen werden die Folge sein.Die Unsicherheit einer Investition in Gas-Kraftwerke ist deshalb beträchtlich.

Die Wettbewerbsöffnung des deutschenStrommarktes und vorhandene Überkapa-zitäten in der Europäischen Union undDeutschland führten zudem seit März1998 zu einem starken Strompreisverfall.Nachvollziehbar wird diese Entwicklungdurch den sogenannten VIK-Strompreisin-dex der acht überregionalen deutschenStromproduzenten. Demnach hat derStrompreis seit dem Frühjahr 1998 bisjetzt deutschlandweit um 13 % und beimBraunkohlestrom in der Lausitz sogar um17 % nachgegeben.

Braunkohle veredeltIn den letzten 100 Jahren haben sich dieTechnik und die Effizienz der Braunkoh-lenkraftwerke fortwährend weiterent-wickelt. Die stetige Verbesserung der Wir-kungsgrade der Kraftwerksanlagen führtedazu, dass immer weniger Rohkohle zurErzeugung einer Kilowattstunde Strombenötigt wird. Während gegenwärtig inden modernen Kraftwerken der Lausitzaus einem Kilogramm Braunkohle eineKilowattstunde Strom erzeugt wird, warendazu vor 100 Jahren noch 7 Kilogrammerforderlich. Das Neubauwerk Schwarze Pumpe ist einBraunkohlenkraftwerk, das hinsichtlichWirkungsgrade und Umweltschutz inter-nationale Standards setzt.Die moderne Kohle-Veredlungstechnikermöglicht inzwischen hohe Wirkungsgra-de. Das beweisen auch zwei innovativeNeubauanlagen im Osten Brandenburgs –Projekte der Weltausstellung EXPO 2000:Das Heizkraftwerk Frankfurt/Oder wird

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erstmals mit einer Kraft-Wärme-Kopplungauf der Basis von Braunkohlenstaubbetrieben und das Heizkraftwerk Cottbusist das weltweit erste Kraftwerk mit einerDruckwirbelschichtverbrennung auf derBasis von Wirbelschichtbraunkohle.Diese Heizwerke erreichen thermischeWirkungsgrade bis zu 92 Prozent. Im Ver-gleich zu herkömmlichen Rostfeuerungenwird für die gleiche Wärmeleistung hierbei18 Prozent weniger Brennstoff eingesetztund entsprechend weniger CO2 emittiert.Dabei signalisieren die derzeitig in derEntwicklung befindlichen Anlagen nochweitere energetische und zugleich umwelt-schonende und wirtschaftliche Möglich-keiten der Stromerzeugung aus Braunkoh-le.

FazitIn dem Geschäftsjahr 1999/2000 wird dieLAUBAG erstmals seit der Wende mehrBraunkohle fördern als in den jeweiligenJahren zuvor. Auch künftig liegt der pro-gnostizierte Kraftwerksbedarf über denbisherigen Planansätzen. Bedingung fürdie langfristige Wettbewerbsfähigkeitwaren und sind umfangreiche Umstruktu-rierungen und Investitionen in den Berg-bau und seine Zulieferbetriebe. Dasgesamte Investitionsvolumen im Bergbau

und im Braunkohlenkraftwerksbereichbeträgt bis zum Jahr 2010 rund 20 Milliar-den Mark – allein 5 Milliarden Markfließen in den Anlagenpark der Tagebauefür technische Neuerungen. Damit istneben der kostengünstigen Gewinnung derBraunkohle auch die Einhaltung der stren-gen Umweltschutzauflagen gesichert. Dar-über hinaus bringen diese Investitionenüber die Auftragsvergabe an Firmen wirk-same Impulse in die Wirtschaftsstrukturder Bundesländer Brandenburg und Sach-sen. Über 20.000 industrielle und gewerb-liche Arbeitsplätze sind direkt und indirektmit der Braunkohlenindustrie verbundenoder von ihr abhängig.Von daher hat Lausitzer Braunkohle nichtnur aufgrund ihrer Konkurrenzfähigkeitsondern auch mit Blick auf die Wirt-schaftskraft und damit verbundenenArbeitsplätzen Zukunftschancen.

Professor Dr. Kurt Häge ist Vorstandsspre-cher der Lausitzer Braunkohle Aktienge-sellschaft und Dozent am LehrstuhlBodenschutz und Rekultivierung an derBrandenburgischen Technischen Univer-sität Cottbus

www.laubag.de.

LAUSITZER BRAUNKOHLEDr. Kurt Häge

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BERGBAUSANIERUNG –EINE VOLKSWIRTSCHAFTLICHNOTWENDIGE INVESTITION

1. Umwelt und nachhaltigesWirtschaftenDer Mensch hat bereits in vorgeschichtli-cher Zeit aktiv auf die Umwelt eingewirktund diese, wenn auch im bescheidendenMaße, verändert. Erst im 20. Jahrhunderthat sich der Charakter der Einwirkung dermenschlichen Gesellschaft auf die Naturqualitativ grundlegend gewandelt. Derrasche Fortschritt von Wissenschaft undTechnik haben schließlich dazu geführt,daß Umfang und Nachhaltigkeit der Ein-wirkungen (Umweltverschmutzungen undUmweltverbrauch) dramatisch zugenom-men und die Umweltveränderungen globa-len Charakter angenommen haben. Vordiesem Hintergrund stellte sich die Frage„Kann es maximalen Konsum einer maxi-

malen Menschenzahl für eine unbegrenzteZukunft geben?“Die Grenzen des Wirtschaftswachstumssind keine theoretischen. Sie ergeben sichaus dem begrenzten Angebot an Naturgü-tern (= Naturressourcen). Deshalb rückenin das Zentrum der wissenschaftlich-tech-nischen Neuerungen die Besinnung aufregenerierbare Ressourcen und die Imitati-on geschlossener Stoffkreisläufe. Nurwenn es gelingt, die technologischen (=künstlichen) Systeme der Warenprodukti-on durchgängig so zu gestalten, daß keineAbfälle entstehen (Recyclingprozesse, ge-schlossene Stoffkreisläufe) und der Ener-giebedarf dem Angebot an regenerierbarenEnergiequellen angepaßt ist, wird derWiderspruch zwischen Natur und Gesell-

THEMA

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schaft langfristig beherrschbar. Das Vor-bild hierfür liefert uns die Natur selbst, dieWirkungsprinzipien der biologischenStoffproduktion hervorgebracht hat, die inihrer Effizienz nach heutigen Maßstäbennicht überboten werden können.Der Widerspruch zwischen Natur undGesellschaft ist in den ökonomisch-ökolo-gischen Diskrepanzen zwischen den Lei-stungsanforderungen der Gesellschaft andie Natur und dem Leistungsvermögeneines Naturraumes in bezug auf die Nut-zungsanforderungen der Gesellschaft (=Naturraumpotentiale) begründet. Nach denInhalten und Nutzungszielen des Naturdar-gebotes werden unterschieden:• biologisches Ertragspotential (Biomasse-• produktion)• Wasserdargebotspotential (Wasserbereit-• stellung)• Rohstoffpotential (Bodenschätze)• Bebauungspotential (Bauland)• Entsorgungspotential (Regulierungs-• prozesse)• Rekreationspotential (Erholungswerte)• Naturschutzpotential (Regenerations-• mechanismen)Jedes dieser Naturraumpotentiale (NRP)kann in mehrere Teilpotentiale unterglie-dert werden.Ein Wesensmerkmal der NRP ist die Mög-lichkeit ihrer Reproduktion, so daß überRaum-Zeit-Vergleiche Betrachtungen zurEntwicklung der NRP angestellt werdenkönnen. Das gilt im Prinzip für alle NRP.Am Beispiel des agrobiologischen Ertrags-potential läßt sich nachweisen, daß in denletzten 100 Jahrhundert das Leistungsver-

mögen der landwirtschaftlich genutztenNaturräume in bezug auf die Biomasse-produktion pro Hektar sehr stark angestie-gen ist. Diese Eigenschaft des Naturrau-mes wurde also erweitert reproduziert.Ertragsrückgänge traten ein, wennbestimmte ökologische Sachverhalte ver-nachlässigt wurden. Die Folge war eineeingeschränkte Reproduktion des NRP, sodaß danach nur noch auf einem geringerenNiveau produziert werden konnte. Dassteht im ursächlichen Zusammenhang mitden durch die Landwirtschaft selbst verur-sachten Umweltzerstörungen durchUmweltverschmutzung und Umweltver-brauch. Beides bedingt, daß die Verfügbar-keit der Naturressourcen mehr oder weni-ger stark eingeschränkt ist. Da die Natur-ressourcen wie z.B. Boden, Luft, Wasser,Pflanzen und Tiere als natürliche Arbeits-mittel und Arbeitsgegenstände in dengesellschaftlichen Reproduktionsprozeßeingehen und die Natur Quelle des gesell-schaftlichen Reichtums ist, sind die ratio-nelle Nutzung und der Schutz der Naturein ökonomisches Erfordernis.Das oberste Ziel jeder vernünftigenUmweltpolitik, die der Existenzsicherungmenschlichen Lebens dienen will, bestehtdarin, daß derjenige, der Naturressourcenund Naturraumpotentiale beanspruchtzugleich für deren Erhaltung und Wieder-herstellung im Rahmen seines Produk-tionsprozesses verantwortlich zeichnet.Die im Produktionsprozeß eintretendenVerluste an nichtreproduzierbaren Natur-ressourcen (z.B. Bodenschätze, Boden)sind m. E. stoff- und energiewirtschaftlich

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ausgleichbar, indem die Eigenschaften desbeanspruchten Naturraumes für die Pro-duktion nachwachsender Rohstoffe (Bio-masse) unter Ausnutzung der vorhandenenMöglichkeiten verbessert werden.Umweltzerstörung durch Umwelt-/Res-sourcenverbrauch und Umweltverschmut-zung beeinträchtigt die Produktivitätnaturgebundener Produktionszweige.Allerdings führt nicht jede Umweltver-schmutzung zu Umweltschäden. Die Naturkann in begrenztem Umfang Abfälle,Rückstände und Abwässer verwerten, sodaß Umweltschäden erst entstehen, wennbestimmte, vielfach nicht bekannteSchwellenwerte überschritten werden.Ähnliches gilt für den Umweltverbrauch,der nicht zwangsläufig zur Erschöpfungder Natur führt, weil innerhalb der natürli-chen Kreislaufprozesse (ökologischeZyklen) Abfallstoffe und Abwässer zurRegeneration der verbrauchten Umweltdienen. Beispielsweise können Abwässernach technischer, technisch-biologischerund/oder natürlich-biologischer Reinigungüber den Bodenfilter zur Auffüllung derGrundwasservorräte genutzt werden. Glei-ches gilt für die festen Abfallstoffe, die inAbhängigkeit von ihrer stofflichen Zusam-mensetzung und ihrer chemischen Eigen-schaften entweder zur Wiederherstellungder Naturressource »Boden« und zur Ver-besserung ihrer Nutzeigenschaften oderzur Substitution von Rohstoffen verwendetwerden können.Im Produktionsprozeß wird über die Artund Weise der Naturraumnutzung ent-schieden. Deshalb sollte jeder Wirtschafts-

zweig, der Naturressourcen und Natur-raumpotentiale nutzt bzw. beansprucht, dieBedingungen für Dauerhaftigkeit und Ste-tigkeit seiner eigenen Produktion imZusammenwirken mit den ökonomischen(und gesellschaftlichen) Faktoren definie-ren. Die Endlichkeit der auf den Verbrauchvon nichtreproduzierbaren Naturressour-cen (Bodenschätze) ausgerichteten Wirt-schaftszweige ist vorprogrammiert. Diemögliche Substitution dieser Ressourcen(Braunkohle als Energieträger) durchpotentiell nicht erschöpfbare (Sonnenener-gie) oder reproduzierbare Naturressourcen(Biomasse als Energieträger) und dasOffenhalten der Raumnutzung für künftigeEntwicklungen sind Grund genug, um inden durch Gewinnung von Bodenschät-zen geschädigten Landschaften die Wie-derherstellung der Naturraumpotentialeauf möglichst hohem Niveau zu fordern.Der erste und wohl einzige Wirtschafts-zweig, der das Nachhaltigkeitsprinzip sei-ner Wirtschaftlichkeit formuliert unddurchgesetzt hat, ist die Forstwirtschaft.Die Nachhaltigkeitsvorstellungen derForstwirtschaft beruhten zu Beginn des 19.Jahrhunderts auf die Nachhaltigkeit derHolzerträge, später das Holzertragsvermö-gens und beruhen heute auf der Nachhal-tigkeit sämtlicher materieller und immate-rieller Leistungen des Waldes (multifunk-tionale Forstwirtschaft). Die Verwirkli-chung dieses Nachhaltigkeitsprinzips istan die Erfüllung ganz spezifischer Voraus-setzungen, d.h. Bedingungen der Nachhal-tigkeit geknüpft, die sich wiederum ausden Nutz-, Schutz- und Erholungsfunktio-

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nen des Waldes ableiten. Die Länge desforstlichen Produktionsprozesses und dieBesonderheiten der forstliche Reprodukti-on (Wald ist Arbeitsmittel und Arbeitsge-genstand; Produkt ist verwertbare Biomas-se) bringen es mit sich, daß zur Überwa-chung des Reproduktionsprozesses Kon-trollmechanismen eingeführt sind.Das Nachhaltigkeitsprinzip der Landwirt-schaft könnte in ähnlicher Weise formu-liert werden, denn unser Wissen über dieSteuerungs- und Regulationsmechanismender Agroökosysteme (Freiland- und Stallö-kosysteme) hat sich in den letzten Jahr-zehnten vervielfacht. Wir kennen dieGefahren, die aus der Konzentration derTierproduktion und dem Streben nachMaximierung der Biomasseproduktion inVerbindung mit den monostrukturiertenNutzökosystemen entstehen. Deshalb istdie Einheit von Pflanzen- und Tierproduk-tion eine der wichtigsten Bedingungen füreine umweltschonende landwirtschaftlicheProduktion, denn die in der Region anfal-lenden tierischen Exkremente müssen hierauch umweltverträglich verwertet werdenkönnen (Regionalisierung der Stoffkreis-läufe). Von besonderer Bedeutung ist derfunktionale Zustand der Nutzökosystemeund Naturressourcen. Anzustreben sindstoffverlustarm Agroökosysteme. DieZielstellung läßt sich bei einem niedrigenProduktionsniveau leichter verwirklichenals bei einem hohen. Dennoch besteht keinnegativer Zusammenhang zwischen Pro-duktionsniveau und funktionalem Zustandder Naturressourcen. Die NaturressourceWasser wird beispielsweise unter ver-

gleichbaren Standortbedingungen stärkerdurch sickerwassergebundene Stoffausträ-ge belastet, wenn aufgrund des schlechtenBodenzustandes (geringer Humusgehalt,Bodenverdichtungen) und des Nichtein-haltes agrotechnischer Termine (Saat,Düngung) die applizierte Düngergabe nurzu einem geringen Teil von den Pflanzenverwertet werden kann. Bei einer besserenAckerkultur werden höhere Pflanzenerträ-ge erzielt und sind die produktionsbeding-ten Belastungen der Wasserressourcendeutlich geringer. Der funktionale Zustandder Agroökosysteme läßt sich demnachüber die erzielten Pflanzenerträge definie-ren. Die dabei einzuhaltenden naturgebun-denen Produktionsbedingungen könntendurch wissenschaftlich begründete Ziel-größen des Bodenzustandes sowie durchGrenzwerte der Schad- und Nährstoffbela-stung von Naturressourcen formuliert wer-den. Ihre Einhaltung wäre turnusmäßig(alle 5 Jahre) zu kontrollieren.Die landwirtschaftlichen Freiflächen erfül-len wie die Wälder wichtige ökologischeAusgleichsfunktionen gegenüber den urba-nen Gebieten. Dazu gehören u. a. Repro-duktion des Wasserdargebotes, Stabilisie-rung des Oberflächenwasserhaushaltes, O2-Nachlieferung und CO2-Bindung durchautotrophe Organismen, Lebensstätte fürPflanzen und Tiere in ihrer Gesamtheit,Stoff- und Energieaustausch mit Siedlungs-gebieten und klimaregulierende Wirkungder Vegetation (Kühlung der Atmosphäre,Tau- und Niederschlagsbildung). DieseAusgleichsfunktionen können in ihrerKomplexität von keinem anderen Wirt-

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schaftszweig realisiert werden und müssendeshalb auch Bestandteil des landwirt-schaftlichen Reprodktionsprozesses sein.Daraus ergibt sich die zentrale Stellung vonLand- und Forstwirtschaft im Stoffwechselzwischen Natur und Gesellschaft.Das Nachhaltigkeitsprinzip der Landwirt-schaft beruht produktionsorientiert aufdem Streben nach Dauer, Stetigkeit undHöchstmaß des biologischen Ertragspo-tentials von Agroökosystemen sowiegesamtvolkswirtschaftlich auf dem Stre-ben nach dauerhafter Gewährleistung allerFunktionen und Leistungen der agrarischgenutzten Landschaften.

2. Braunkohlenbergbau und UmweltIn der Lausitz wird seit über 150 JahrenBraunkohle abgebaut. Die ausschließlichübertägige Gewinnung der Braunkohlebedingt, daß die im Verlauf der Erd- undMenschheitsgeschichte entstandenen Kult-urlandschaften mit ihren Natur- und Sach-gebieten vollständig zerstört, die Produkti-onsgrundlagen naturgebundener Wirt-schaftszweige vernichtet bzw. beeinträch-tigt und Infrastrukturen sowie Lebensqua-lität der Menschen nachhaltig beeinflußtwurden. Die bergbauliche Tätigkeit bietetaber auch die Möglichkeit, Defekte desNaturraumes im Hinblick auf die Nut-zungsansprüche der Gesellschaft zu behe-ben, Fehlentwicklungen in der Flächen-struktur der Kulturlandschaft zu korrigie-ren und neue Landschaften nach menschli-chen Wertvorstellungen entstehen zu las-sen. Wesentlich ist, daß diese Möglichkei-ten, wie sie sich aus Gewinnung, Transport

und Ablagerung der über dem Braunkoh-lenflöz liegenden Deckgebirgsschichtenunterschiedlicher Eignung für die Folge-nutzung ergeben, auch genutzt und zielge-richtet umgesetzt werden. Die Realisie-rung einer solchen am Naturraum orientier-ten Zielsetzung erfordert landschaftsplane-rische Konzepte, die das gleichgewichteteHandeln der an der Gestaltung von Berg-baufolgelandschaften (BFL) beteiligtenExperten sichern. Das Land Brandenburgverfügt mit dem Referat für Braunkohle-und Sanierungsplanung über das Leitungs-instrument, das aus der Sicht des Autors invorbildlicher Weise die Belange der Land-schaftsplanung und Raumnutzung bei derGestaltung und Entwicklung von Bergbau-folgelandschaften vertritt.Das Erscheinungsbild der vom Braunkoh-lenbergbau beanspruchten Gebiete prägenKippen, Halden, Randschläuche, Rest-löcher, Bruchfelder und Tagebaurestloch-seen. Diese technogenen Naturraumeinhei-ten bilden zusammen mit den bergbaulichbeeinflußten, unverritzten Tagebaurandge-bieten (Grundwasserabsenkung, Flächentei-lung, Bergbautrassen u.a.m.) einen eigen-ständigen Landschaftsraum mit einembestimmten kausalen Beziehungs- und Wir-kungsgefüge. Die Bergbaufolgelandschaf-ten sind ein neuer Landschaftstyp. Die Konzepte zur Gestaltung von BFLmüssen einerseits die ökologischen Schä-den und Folgewirkungen der übertägigenBraunkohlengewinnung und andererseitsdie bereits heute erkennbaren Entwick-lungstendenzen in der Kulturlandschaftberücksichtigen.

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Die landschaftsökologischen Schäden undFolgewirkungen des Braunkohlenberg-baues lassen sich in der Lausitz wie folgtwiedergegeben:• Grundwasserabsenkung auf z.Z. 2.100

km2 (Wasserdefizit im Jahr 1990 ca. 13Mrd. m3)

• Vernichtung der Biogeozönosen (Le-bensgemeinschaften) auf derzeit rund85.000 ha und perspektivisch rund120.000 ha (Devastierungsgebiet)

• Zerstörung der Geokomplexe undGrundwasserleiter bis zum Liegendender Flöze

• Veränderung der Standortqualität, Bio-zönosen und natürlichen Produktionsbe-dingungen auf den vormals grundwas-sernahen und grundwasserbeeinflußtenStandorten innerhalb des Grundwasser-absenkungstrichters

• Zerstörung des natürlichen Landschafts-gefüges und der historisch gewachsenenFlächennutzungsstrukturen· Einfügen neuer Landschaftselemente

in die Kulturlandschaft· Veränderung des Bodeninventar

(Inhalts- und Raumstruktur), Groß-und Mikroreliefs sowie der Grund-wasserflurabstände und natürlichenVorflutverhältnisse

· Veränderung des Acker-Wald-Verhält-nisses zuungunsten der Landwirt-schaft

· Anstieg der Wasserflächen, Hohlfor-men und Böschungsflächen

• Belüftung der pyrit-/markasitführendenDeckgebirgsschichten und Abraumsub-strate sowie Freisetzung von Schwefel-

säure, Eisensulfaten und Schwermetal-len

• Abnahme der pH-Werte und/oderAnstieg der Salzfrachten im Kippen-grundwasser-und Kippenoberflächen-wasser durch Eintrag der Pyrit-/Marka-sit-, Silikat- und Carbonatverwitterungs-produkte.

Die Folgen der bergbaubedingten Land-schaftszerstörungen sind in ihrer Größen-ordnung schwer abschätzbar, denn siebetreffen alle Naturressourcen und Natur-raumpotentiale, die in ihrer Verfügbarkeitund Nutzungseignung sowie ihrer Lei-stungsfähigkeit entweder dauerhaft odervorübergehend verändert werden. Auf-grund bisheriger Untersuchungsergebnissedarf jedoch nicht von vornherein unter-stellt werden, daß alle Bergbaufolgeland-schaften von geringer Produktivität undAttraktivität sind als die vorbergbaulichenKulturlandschaften.Am Beispiel der Tagebaue Plessa, Grüne-walde, Kleinleipisch, Koyne, Klettwitzund Meuro konnte gezeigt werden, daß beiRealisierung der in den Sanierungsplänenausgewiesenen Flächennutzungen undFlächennutzungsstrukturen die landschaft-liche Vielfalt in den ehemaligen Tagebau-gebieten um durchschnittlich 40 % und imUmland der Tagebaue um rund 10 %ansteigen wird. Auch die baumartenspezi-fischen ertrags- und wachstumskundlichenUntersuchungen belegen, daß das trophi-sche Potential der Kippenstandorte viel-fach unterschätzt wird. Aus den Kippenbö-den werden offensichtlich größere Nähr-stoffmengen freigesetzt als auf den lithofa-

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ziell vergleichbaren altdiluvialen Waldbö-den, die bereits durch Stoffverlagerungs-prozesse ausgelaugt sind. Deshalb entspre-chen die Wuchsleistungen aller untersuch-ten Baumarten mindestens den auf unver-ritzten Waldstandorten erzielbaren undliegen oftmals sogar darüber. Das Negativ-Image der Kippen und Halden ist damitwiderlegt.Ähnlich verhält es sich mit den landwirt-schaftlich genutzten Kippenstandorten,die zu Rekultivierungsbeginn zwar einegeringere, aber nach einer gewissen Ein-wirkungsdauer der bodenmeliorativensowie acker- und pflanzenbaulichen Maß-nahmen vielfach eine höhere, an den Pflan-zenerträgen meßbare Bodenfruchtbarkeitbesitzen als die devastierten landwirt-schaftlichen Nutzflächen. Das gilt auch fürdie extrem sauren, kohle- und schwefel-haltigen Kipp-Lehmsande und Kipp-Leh-me, die nach einer Grundmelioration derlandwirtschaftlichen Dauernutzung zuge-führt werden können. Ihr Ertragsvermö-gen ist deutlich höher als das der quartärenSande und entspricht annähernd dem derKipp-Lehmsande und Kipp-Lehme. Dasist für die Lausitz von außerordentlichgroßer Bedeutung, denn hier bestehen dieBodendecken der Kippen zu rund 60 %aus tertiären Abraumsubstraten.In den Tagebaugebieten bereichern berg-bauspezifische Biotope die Landschaft wiez.B. Steilböschungen, Findlingsgruppen,Tagebaurestlochseen und Rohböden. Da-durch wird die Naturraumdiversität nach-haltig beeinflußt. Reliefenergie, Stillge-wässerfläche, Dichte der Linienstrukturen,

oligotrophe Trockenrasenbiotope undHutungsflächen nehmen zu. Dem stehendie Abnahme von Obstwiesen, Obstalleenund trockene Kiefernwälder sowie die Ver-luste an Quellstandorten, Fließen, Gräben,Teichen, Moorgewässern, Torfmooren,Naßwäldern, Feuchtwiesen und Feucht-weiden gegenüber. Dennoch kann im Prin-zip davon ausgegangen werden, daß die imUmland der Tagebaue anzutreffenden Tier-und Pflanzenarten auch auf den Kippenund Halden erwartet werden dürfen unddort mitunter auch sehr günstige Ausbrei-tungsbedingungen vorfinden. Das belegtdas Datenmaterial über die die Bergbau-folgelandschaft besiedelnden Pflanzen-und Tierarten, unter denen sich viele Rote-Liste-Arten befinden. Im Hinblick auf diebiotopgebundene Regeneration der poten-tiellen natürlichen Vegetation (pnV) wirdprognostiziert, daß die vorbergbaulicheDominanz der Pfeifengras-Birken-Stielei-chen und Birken-Stieleichen-Hainbuchen-wälder von der Dominanz der Kiefern-Mischwaldgesellschaften und Straußgras-Kiefern-Traubeneichenwälder abgelöstwird. Die natürliche Regeneration der vonHainbuche, Rotbuche, Winterlinde, Trau-ben- und Stieleiche geprägten pnV-Typenist vielfach durch das Fehlen entsprechen-der Samenträger im Umland der Tagebaueerschwert bzw. in absehbarer Zeit nichtmöglich. Als eine Alternative bieten sichErstaufforstungen sowie der Umbau derKippenwälder mit diesen Baumarten an.Das Naturschutzpotential der BFL wird inder Lausitz nach einer gewissen Entwick-lungszeit mindestens dem der unverritzten

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Landschaften entsprechen und ist zum Teilnoch höher einzuschätzen.Von sehr großer regionalwirtschaftlicherBedeutung sind die Auswirkungen desBraunkohlenbergbaues auf den Landschafts-wasserhaushalt. Das durch die Grundwasser-absenkung verursachte Wasserdefizit wurdeim Jahr 1990 mit 9 Mrd. m3 angegeben. Dasgebietliche Wasserdefizit betrug jedoch 13Mrd. m3, denn für die Füllung der Tagebau-restlöcher wurden damals noch zusätzlich 4Mrd. m3 Wasser benötigt. Der für den Aus-gleich des Wasserdefizites aus dem gebietli-chen Dargebotsaufkommen errechnete Zeit-raum lag nach damaligem Kenntnisstand bei60 Jahren. In dieser Zeit ist der landschafts-notwendige Mindestabfluß der Hauptvorflu-ter solange durch Rückführung von Sümp-fungswasser künstlich aufrechtzuerhalten bissich abflußwirksame Grundwasservorräteeingestellt haben.Die Beschaffenheit der Grundwasser undOberflächengewässer wird über einen sehrlangen Zeitraum durch die Verwitterungs-produkte der Sulfide, vornehmlich derEisendisulfide (Fe2+, Fe3+, SO4

2-, H+) bela-stet. Nach konservativen Schätzungenbewegt sich das mobilisierbare Säurepo-tential in einer aus kohle- und schwefelhal-tigen Sedimenten bestehenden Modellkip-pe in einer Größenordnung von rund 0,8Mio Liter 1 N H2SO4 pro Hektar. Diedurch die Sulfidverwitterung verursachteSäurefreisetzung führt zu einer intensivenVerwitterung des Mineralbestandes (Sili-kate, Carbonate etc.). Daraus wiederumresultiert die starke Befrachtung derSicker- und Grundwässer mit Al- bzw. Ca-

Sulfaten. Die Stoffkonzentrationen derSickerwässer tertiärer Sedimente nehmenzwar mit der Zeit ab, sind aber deutlichmehr als 50 Jahre von wasserwirtschaftli-cher Relevanz. Nachhaltige Verbesserun-gen in der Beschaffenheit der Kippen-grundwasser und Kippenoberflächenge-wässer sind wegen der Dominanz tertiärerAbraumsubstrate erst zu erwarten, wenndie sickerwassergebundenen Stoffeinträgedurch Stoffimmobilisierung, vorzugsweisedurch die mikrobiell gesteuerte Eisen- undSchwefelreduktion sowie die Bildung vonEisensulfiden, kompensiert werden. Dasist ein sehr langwieriger Prozeß wie Frei-landuntersuchungen beweisen. Die Salz-konzentration (> 92 % Sulfate) der Kip-pengrundwasser kann ca. 50 Jahre nachEinstellung der Kohleförderung immernoch rund 4.900 mg/l betragen. Beim Ein-tritt dieses stark reduzierten und mit bis zu730 mg/l Fe2+ (^ 13,07mmol/l) belastetenGrundwassers in oxidische Bereiche, bei-spielsweise Oberflächengewässer werdendurch die Oxidation von Fe2+ zu Fe3+ unddie nachfolgende Ausfällung von Fe(OH)3rund 26,14 mmol/l Protonen H+ freigesetzt,die mit den SO4

2--Anionen zur Schwefel-säure (H2SO4) reagierten. Das pH desFeSO4-haltigen Grundwassers sinkt sovon 5,06 auf 1,58 ab. Das begründet dieGefahr der Wiederversauerung bereitsalkalisierter Oberflächengewässer. DieSäureschübe können in den jüngeren Kip-penkomplexen extrem hoch sein, so daßjunge Seenbildungen trotz der im Kippen-körper ablaufenden Pufferreaktionen pH-Werte von < 2,5 bis 1,9 aufweisen.

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Der erwartete Anstieg der Wasserflächenum rund 240 km2 nach Einstellung derTagebaue Cottbus-Nord, Jänschwalde,Welzow-Süd, Nochten und Reichwaldeführt zu einem dramatischen Verlust anBodenflächen, der vor allem zu Lasten derLandwirtschaft geht. Der bergbaubedingteRückgang an landwirtschaftlichen Nutz-flächen wird voraussichtlich 170 bis 180km2 betragen. Vermutlich nehmen auch dieWaldflächen ab, so daß die Biomassepro-duktion in den Bergbaugebieten einemnegativen Trend unterliegt. Dieser Sach-verhalt muß künftig bei den an den aktivenBergbau zu richtenden Anforderungenstärker berücksichtigt werden.

3. BergbausanierungDer mit der gesellschaftlichen Wende ein-getretene wirtschaftliche Umstrukturie-rungsprozeß führte zwangsläufig zum dra-matischen Rückgang der Braunkohleför-derung. Gleichzeitig nahm die Zahl der inder Braunkohlenindustrie Beschäftigtenextrem stark ab und die Arbeitslosenquotestieg auf 20 bis 25 %. Damit ist das Lausit-zer Braunkohlenrevier nicht nur ein ökolo-gisches sondern auch ein sozioökonomi-sches Problemgebiet. Während die ökolo-gischen „Probleme“ auf lange Sicht durchdie Natur selbst (Selbstheilungskräfte)gelöst werden, sind die sozialen Problemeder Region nicht ohne die Wiederherstel-lung der Leistungsfähigkeit des Natur-haushaltes lösbar – der Mensch braucht dieNatur, die Natur den Menschen nicht.Die Grundvoraussetzung für die notwendi-

ge wirtschaftliche Umstrukturierung dereinseitig auf Kohle und Energie ausge-richteten Region ist die Entwicklung öko-logisch stabiler, vielfach nutzbarer Berg-baufolgelandschaften. Nur auf diesemWege, der ein sehr langwieriger undzudem anspruchsvoller ist, lassen sichdurch Ansiedlung neuer, möglichst inno-vativer Industrieunternehmen und denAusbau des Dienstleistungssektors jeneArbeitsplätze schaffen, die notwendigsind, um der Bevölkerung und der Regioneine wirtschaftliche Perspektive für dieZeit nach dem Bergbau zu geben. Obwohljeder Anfang schwer ist, so wurde dochmit der Herausbildung des Sanierungs-bergbaues (LMBV), einem neuen Unter-nehmenszweig in der Geschichte des deut-schen Bergbaus, der erste Schritt getan,um dieses Ziel zu erreichen. Die Braun-kohlensanierung ist somit Teil der Strate-gie zur Überwindung strukturellerSchwächen und zum Abbau des Negativi-mages der Bergbauregionen.Mit dem bis zum 31.12.2002 fortgeschrie-benen Verwaltungsabkommen vom01.12.1992 haben Bund und Länder denfinanziellen Rahmen für die Beseitigungder bergbaulichen Altlasten (Stichtagrege-lung 1. Juli 1992), in der Lausitz auf einerFläche von 621 km2 Größe, abgesteckt.Auf dieser Grundlage wurde das größteUmweltschutzprogramm in der GeschichteDeutschlands initiiert. Der Lausitzer undMitteldeutschen Bergbau-Verwaltungsge-sellschaft mbH (LMBV) als Träger desSanierungsbergbaues standen bis zum

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31.12.1999 fast 10 Mrd. DM zur Verfü-gung (Schriftliche Mitteilung der LMBVvom Dezember 1999). Die zügige Fort-führung und der erfolgreiche Abschlußder Sanierungsmaßnahmen an den meistenehemaligen Bergbaustandorten erforderneine Verlängerung des Verwaltungsabkom-mens über das Jahr 2002 hinaus. Es ist zuhoffen, daß vor allem im Interesse derMenschen in den Bergbauregionen auchnach 2002 die Mittel für die Fortführungdes Strukturwandels und die Gestaltungder Bergbaufolgelandschaften bereitge-stellt werden können.Die Aufgaben des Sanierungsbergbauesund die dabei zu lösenden Probleme sindso vielgestaltig, daß sie hier nur ausschnitt-weise wiedergegeben werden können. Siereichen von der Revitalisierung ehemalsaufgegebener Ortschaften, der Sanierungder Rückstandshalden braunkohlever-edelnder Industrie, dem Abriß stillgelegterIndustrieanlagen und der Rekultivierungvon Kippenflächen bis zur Vermarktungder aus der Bergaufsicht entlassenen Lie-genschaften. Im Folgenden soll auf einige Aspekte derBergbausanierung eingegangen werden,die die Abwehr von Gefahren für Menschund Natur (Nutzungseignung) betreffenund von oberster Priorität sind. Die LMBVist nach eigenen Angaben Projektträger fürdie Sanierung von insgesamt rund 235Tagebauen und Tagebaurestlöchern mit844 km derzeit nicht betretbaren Böschun-gen. Diese Böschungen sind auf Dauernicht standsicher. Besonders die lockergelagerten und gleichförmigen Sande, wie

sie in der Lausitz häufig angetroffen wer-den, neigen bei Grundwasseraufgang zuspontaner Verflüssigung. Das „Setzungs-fließen“ ist die gefährlichste Rutschungs-form. Die Setzungsfließrutschungen kün-digen sich nicht an. Sie entwickeln sichausgehend vom Ufersaum eines Restlo-ches mit hoher Geschwindigkeit, laufen inwenigen Minuten ab und erfassen oftmalsmehrere hundert Meter der angrenzendenKippe. Auslöser des Setzungsfließens sindBöschungsbruch, Sackungen in der was-sergesättigten Kippe und Erschütterungs-eintrag beim Begehen und Befahren desUfers oder Wellenschlag. Dadurch entste-hen im wassergesättigten UntergrundPorenwasserüberdrücke und das labileSand-Wasser-Gemisch verliert seine Fest-igkeit. Im Böschungsnahbereich der Kip-pen fließt das Sand-Wasser-Gemisch inden Restlochsee, wo es Schwallwellenauslöst.Die Herstellung der öffentlichen Sicher-heit erfordert die Sanierung setzungsfließ-gefährdeter Kippenböschungen bis zurKippensohle (gewachsenes Liegendes). Zudiesem Zweck werden unter Berücksichti-gung der hydrologischen Situation nichtverflüssigungsfähige Stützkörper in odervor der Kippe angelegt. Der durch Rüttel-druck-, Spreng- und/oder dynamischeIntensivverdichtung stabilisierte Boden-körper stützt die Kippe im Fall einer Ver-flüssigung des wassergesättigten Unter-grundes. In wasserfreien Restlöchern die-nen Spülkippen und Erdbaudämme (ver-dichtet) als Stützkörper. Die nicht zu spon-taner Verflüssigung neigenden sowie die

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bereits stabilisierten Kippenböschungenwerden entsprechend den Nutzungsanfor-derungen und unter Berücksichtigung derBelange der Landschaftsentwicklung alsauch die des Naturschutzes abgeflacht.Die Flutung der gestalteten Tagebaurest-löcher erfolgt durch natürlichen Grund-wasserzustrom und/oder Zufuhr vonFremdwasser. Bei Aufgang des Grundwas-sers besteht, wie bereits ausgeführt, dieakute Gefahr der Formierung schwefelsau-rer Tagebauseen (pH < 2,5 bis 1,9). SolcheSeen dürfen nicht an die öffentlichenGewässer angeschlossen werden, waszusätzliche Kosten für die Wasserhebungund Wasserreinigung verursachen würde.Außerdem wäre ihre infrastrukturelle Nut-zung über mehrere Jahrzehnte blockiert,denn für die natürliche Entsäuerung derschwefelsauren Wasserkörper ist ein Zeit-raum von vermutlich > 40 bis 60 Jahreanzusetzen.Dagegen können Restlochseen, die mitalkalisiertem Oberflächenwasser geflutetwerden, schon nach wenigen Jahren alsSpeicherbecken, Badegewässer, Land-schaftssee und für den Tourismus genutztwerden. Bei zügiger Fremdwasserflutungsteigt der Wasserspiegel im Tagebaurest-loch schneller als das Grundwasser imUmfeld, so daß das Eindringen von sauremKippengrundwasser in den See verhindertwird. Zur Bewahrung der gewünschtenWasserqualität ist eine Nachsorge notwen-dig, die unbedingt wissenschaftlich beglei-tet werden muß.In der Lausitz ist 1996 mit der Flutung derTagebaue Olbersdorf, Gräbendorf und

Dreiweibern begonnen worden, danachfolgten die Tagebaue Bärwalde, Lohsa II,Greifenhain, Schlabendorf-Nord, Berg-hammer und Spreetal-Nord/Ost. Die in derLausitz derzeitig zu flutenden 27 größerenTagebauseen ergeben eine Wasserflächevon ca. 13.400 ha und ein Seenvolumenvon rund 2,3 Mrd. m3. Auf die Wiederher-stellung des Wasserhaushaltes entfallen ca.68 % der geplanten Sanierungskosten.Diese Aufwendungen sind volkswirt-schaftlich gerechtfertigt, denn mit der(angestrebten) Wiederherstellung einessich weitgehend selbstregulierenden Land-schaftswasserhaushaltes und der Grundsa-nierung künftiger Seenlandschaften wer-den wesentliche Voraussetzungen für einewirtschaftliche Wiederbelebung der ehe-maligen Bergbauregionen geschaffen.Die Rekultivierung der Kippen und Hal-den für verschiedene Flächenbedarfsträgerist eine weitere Bedingung für die erfolg-reiche und sozialverträgliche Durch-führung des wirtschaftlichen Umstruktu-rierungsprozesses. Die dabei auftretendenProbleme betreffen in erster Linie die inte-grative Entwicklung des ländlichenRaumes als akzeptablen Wohn-, Erwerbs-und Freilandstandort. Der ländliche Raumwurde und wird auch künftig am stärkstendurch den Braunkohlenbergbau bean-sprucht. In der Lausitz werden nach Ein-stellung der noch aktiven Tagebaue einmalrund 2.400 km2 mittelbar und unmittelbar(1.200 km2 Kippen und Halden) bergbau-lich beeinflußt sein. Das entspricht in etwader Wirtschaftsfläche des Saarlandes. Die vom Braunkohlenausschuß des Lan-

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des bestätigten Sanierungspläne enthaltenFestlegungen zur Oberflächengestaltung,Rekultivierung bzw. Renaturierung und zuden angestrebten Nutzungszielen. Dabeiwird auf eine naturraum- und nutzungsver-trägliche Ausformung des Kippenreliefsgeachtet. Die Nutzungsart der Kippen-flächen richtet sich nach den stabilenfruchtbarkeitsbestimmenden Bodeneigen-schaften. Die Verbesserung der beeinfluß-baren fruchtbarkeitsbegrenzenden Bode-neigenschaften (Bodenreaktion, Humusge-halt, Bodengefüge, pflanzenverfügbareNährstoffvorräte) ist das Ziel der die land-wirtschaftliche und forstliche Dauernut-zung einleitenden Rekultivierungsverfah-ren. Hierfür wurden Regeln und Richtwer-te erarbeite, die der Wiederherstellung derBodenfuntkionen (Produktions-, Lebens-raum-, Speicher- und Filterfunktion) aufmöglichst hohem Niveau dienen. Im wei-teren werden naturbelassene und naturnahgestaltete Flächen ausgeschieden, die inerster Linie dem Naturschutz dienen.Dadurch soll die Leistungsfähigkeit derBergbaufolgelandschaften im Hinblick aufden Ersatz verlorengegangener Teile oderFunktionen von Lebewesen und Ökosyste-men verbessert werden. Diese Fähigkeit istbiotopgebunden, so daß über die naturrä-umliche Ausstattung der Kippen und Hal-den Einfluß auf das biotische Regenerati-onspotential (Naturschutzpotential) ge-nommen wird. Die Rekultivierungsmaß-nahmen beeinflussen ebenfalls die bioti-sche Ausstattung der sich entwickelndenNutzs- und Schutzökosysteme. Durch dieland- und forstwirtschaftliche Rekultivie-

rung werden Lebensräume geschaffen, dieder Wiederansiedlung der heimischenFlora und Fauna dienen und oft die wich-tigsten Rückzugsgebiete für viele vomAussterben bedrohte Tier- und Pflanzenar-ten sind.Die Attraktivität der Bergbaufolgeland-schaften wird nicht nur von der Nutzungs-und Biotopvielfalt sondern auch von denFlächennutzungsstrukturen bestimmt.Deshalb wird auf ein ausgewogenes Ver-hältnis von Nutz- und Schutzökosystemen,landwirtschaftlich und forstlich genutztenFlächen und innerhalb der Vorranggebieteder Land- und Forstwirtschaft auf eineausgewogene innere Struktur geachtet(Nadel-, Laub- sowie Laub- und Laub-Nadel-Mischwälder – Acker, Grünland,Weiden). Bei der Gestaltung der landwirt-schaftlichen Vorranggebiete ist auf einökologisch wirksames Flächenangebot annichtagraren Nutz-/Schutzökosystemen(≥ 5 % Gehölz- und extensiv genutzte,gehölzfreie Offenlandbiotope) zu achten.Vergleichbares gilt für die forstlichen Vor-ranggebiete, in die Nichtholzbodenflächenvon ausreichender Größe (Wildäcker,Grünland, gehölzarme Offenlandbiotope)eingeordnet werden. Außerdem werdenBiotopverbundsysteme in und zwischenden Vorranggebieten sowie zum Umlandeingerichtet. In Anlehnung an die vorberg-baulichen Verhältnisse und unter Berück-sichtigung der in den Bergbaugebieten zuerwartenden Veränderungen in der Natur-raumausstattung sowie der allgemeinenEntwicklungstendenzen in der Natur wer-den folgende Nutzungsziele auf den Kip-

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pen-Bodenflächen angestrebt: 60 % Forst-wirtschaft (multifunktional), 25 % Land-wirtschaft (incl. extensiv genutztem Gras-land, Hutungen und Wildobst) und 15 %Naturschutz (Sukzessions- und Renaturie-rungsflächen einschließlich Flächenbedarffür Biotopverbundsysteme). Diese Nut-zungsartenverteilung wird annähernd mitSanierungsabschluß unter der Vorausset-zung erreicht, daß ein größerer Teil dervon der LMBV ausgewiesenen naturnahenFlächen (Ø 32,6 % der Kippen-Boden-flächen) wie z.B. die Waldsukzessions-flächen der Forstwirtschaft (prognostiziertca. 41,4 % der Kippen-Bodenfläche) zuge-ordnet werden muß.Die gegenwärtig entstehenden Bergbaufol-gelandschaften zeichnen sich durch Bio-top- und Nutzungsvielfalt aus. Die Visionmultifunktional nutzbarer, attraktiv gestal-teter, seen- und biotopreicher Bergbaufol-gelandschaften wird Realität. Natürlichbleibt noch viel zu tun, aber schon jetzt,und das ist entscheidend, identifizierensich die Bewohner der Bergbauregionenmit den neu gestalteten Landschaften.Davon kann sich jeder überzeugen, dereine Exkursion in die ehemaligen Tage-baugebiete der Lausitz unternimmt. Erwird überrascht sein von dem, was seit1991 geschaffen wurde. TraditionsreicheIndustriestandorte erhalten so eine neueChance. In den ländlichen Gebieten wer-den Tourismus und Erholung eine wach-sende Bedeutung erlangen. Damit dieseErwartungen auch erfüllt werden können,

sind der Dienstleistungssektor auszubau-en, die Freizeitangebote zu verbessern undwie mit der »Internationalen Bauausstel-lung (IBA) Fürst-Pückler-Land« ange-strebt touristische Höhepunkte zu schaffenbzw. wiederzubeleben. Auch müssenästhetische Gesichtspunkte stärker bei derGestaltung der »Kippenlandschaften«Berücksichtigung finden. Eine Aufgabeder Landschaftsarchitekten, die mit ihrenMitteln dazu beitragen können, daß dieRegion an Profil und Standortqualitätgewinnt. Auch ist zu hoffen, daß die mitder Sanierung angestrebten Nutzungszielenicht durch die Vermarktung der Flächenin Frage gestellt werden. Das Ziel sindBergbaufolgelandschaften, die aufgrundihrer naturräumlichen und biotischen Aus-stattung sowie raumfunktionalen Zweck-bestimmung• der freien Entfaltung der Persönlichkeit• in der Gemeinschaft dienen,• die natürlichen Lebens- und• Produktionsgrundlagen der Gesellschaft• dauerhaft sichern,• die Gestaltungsmöglichkeiten der Raum-• nutzung langfristig offenhalten und• gleichwertige Lebensbedingungen für• die Menschen in allen Teilräumen bieten• oder dazu führen.

Prof. Dr. Joachim Katzurist Direktor des Instituts für Bergbaufolge-landschaften e. V. in Finsterwalde.

http://FIB.de

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Den Prozess der wirtschaftlichen Globali-sierung können die ländlichen GebieteBrandenburgs nur erfolgreich bestehen,wenn es ihnen gelingt, bei Erhalt ihrerIdentität regional angepasste nachhaltigeWirtschaftskreisläufe aufzubauen.Derzeit führen nicht selten unzureichendabgestimmte Fördermaßnahmen bei länd-lichen Entwicklungsprogrammen zur Zer-störung typischer ländlicher Strukturenund zum Verlust kultureller Identität in denbrandenburgischen Dörfern. Die Eigenver-antwortung der Bürger für ihre Gemeindenund deren Umfeld nimmt ab.Diesen negativen Trend gilt es zu stoppen.Eine Grundvoraussetzung dafür ist derErhalt unserer Dörfer mit möglichst vielenLebensfunktionen. Bei allen eingeleiteten

Maßnahmen und Förderungen sollte dar-auf geachtet werden, dass leben, arbeiten,wohnen und erholen wieder wesentlicheMerkmale eines brandenburgischen Dor-fes sein müssen. Nur so lassen sich intaktesoziale Gemeinschaften erhalten und dieVerantwortung der Bürger für ihre Kom-mune und deren landschaftliches Umfelderhöhen.Grundsatz der zukünftigen Entwicklung inländlichen Gebieten muß eine nachhaltigeRaumentwicklung sein. Die flächeninten-siven Suburbanisierungsprozesse, wie siein vielen Kommunen Brandenburgs zueiner Alltagserscheinung geworden sind,schaffen energie- und materialintensiveRaumstrukturen, zunehmender individuel-ler Personenverkehr ist zwangsläufig die

THEMA

DAS SYSTEM DER GROSS-SCHUTZGEBIETE BRANDENBURGS

Ein Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung im ländlichen Raum

von Dr. Eberhard Henne

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Folge, die Pro-Kopf-Kosten für Infrastruk-turleistungen steigen rapide an. Das kannnicht der Inhalt einer sozialen Politik fürdie Zukunft Brandenburgs sein, weil siezwangsläufig zur Destabilisierung ländli-cher Regionen beiträgt.Das bis zum Jahr 2000 entstandene Systemder Großschutzgebiete in Brandenburg isteiner der Hauptinhalte der Naturschutzpo-litik unseres Landes. Mit drei Biosphären-reservaten, einem Nationalpark und zehnNaturparken weist das Land Brandenburgein Netz von Großschutzgebieten auf, dasalle repräsentativen Naturräume erfaßt undsie in Berücksichtigung der landschaftli-chen Gegebenheiten durch die verschiede-nen Kategorien der Schutzgebiete sichertund für eine nachhaltige (dauerhaft natur-gerechte) Entwicklung vorsieht. In Anbe-tracht der Tatsache, dass Brandenburg mitBerlin in seiner Mitte einen der größtendeutschen Ballungsräume beherbergt, bie-tet der Spannungsbogen zwischen dendünnbesiedelten ländlichen Räumen undder hohen Besiedlungsdichte der Stadt beieiner sinnvoll gesteuerten dauerhaft natur-gerechten Landesentwicklung ein hohesPotential für die Zukunft des Gesamtrau-mes Berlin-Brandenburg. Die großengeschützten Landschaften können in vie-lerlei Hinsicht in diesem bevölkerungspo-litischen Spannungsfeld von Bedeutungsein.Natürlich sind solche Regionen begehrteErholungsgebiete für die Stadtbevölkerungund den Aufbau von Tourismusstrukturen,die sich sinnvoll in ländliche Siedlungsbe-reiche integrieren und die vorhandenen

Naturräume gleichzeitig nutzen und scho-nen, sie bieten gute Entwicklungschancen.Aber auch die Primärproduktionsbereichein Land- und Forstwirtschaft können mitneuen Konzepten in der Produktionsher-stellung und bei der Verarbeitung und Ver-marktung dieser Produkte wesentlich vomBerliner Markt profitieren. Da die Großschutzgebiete ca. 30% derLandesfläche Brandenburgs einnehmen,können gezielt geförderte Entwicklungenin diesen Regionen durchaus einen gutenBeitrag zur Landesentwicklung in denperipheren Räumen leisten. Die geschaffe-nen Beispiele, laufende Projekte und daserarbeitete Wissen in den Großschutzge-bietsverwaltungen sind in diesem Prozessein wesentlicher Katalysator. Insbesonderedie drei Biosphärenreservate mit ihrenMAB-Programmen der UNESCO alsGrundlage, sollen als Modellgebiet füreine dauerhaft naturgerechte Regionalent-wicklung dienen.In allen Großschutzgebieten Brandenburgsliegen hauptsächlich Dörfer und nur aus-nahmsweise kleinere Städte. Deshalb sindauch viele Bemühungen in den Planungenund Umsetzungsprojekten der Schutzge-bietsverwaltungen auf eine nachhaltigeSiedlungsentwicklung der dörflichenKommunen ausgerichtet. EntsprechendeBemühungen können aber nur erfolgreichsein, wenn diese Bestrebungen von einerzukunftsorientierten Politik der SPD unse-res Landes mitgetragen werden. Das Dorfmit seinen vielfältigen Lebensfunktionenund dessen Einbindung in Landschaftenmit repräsentativen Naturräumen muß

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dabei im Mittelpunkt einer nachhaltigenEntwicklung im ländlichen Raum stehen.Die wichtigsten Funktionen des Dorfeskönnten dabei folgendermaßen definiertsein:

Leben im Dorf bedeutet:Eine überschaubare soziale Sphäre mitregional unterschiedlicher kultureller Iden-tität ist eine wesentliche Lebensgrundlagefür die Bevölkerung im ländlichen Raum.Mit landschaftsangepasster Bauweise sol-len die dörflichen Strukturen erhalten bzw.bei Schonung des Dorfbildes vorsichtigweiter entwickelt werden. Die brandenbur-gischen Dörfer mit typischen Randstruktu-ren; Bauerngärten, Streuobstwiesen,Hecken, ländliche Parkanlagen sollengepflegt und für die Einbindung in dieLandschaft bei entsprechender Nutzungerhalten werden. Für die Anbindung derDörfer an die zuständigen Amtsgemeindenund Städte müssen gut entwickelte Struk-turen des öffentlichen Personennahver-kehrs vorhanden sein.Bei der Versorgung mit Lebensmittelnsollte darauf geachtet werden, dass land-wirtschaftliche Betriebe mit eigenen Ver-arbeitungs- und Vermarktungseinrichtun-gen möglichst auf der Basis von Erzeuger-gemeinschaften gefördert werden, weil sievon der Bevölkerung gern angenommenwerden. So können Arbeitsplätze auf demDorf entstehen, frische Produkte gelangenauf kürzestem Wege zum Verbraucher undregionale Wirtschaftskreisläufe könnensich entwickeln, sie tragen zur Identitäteiner Region bei.

Für die Abwasserentsorgung sind mög-lichst dezentrale, ökologisch einwandfreieLösungen zu schaffen. Bei der Abfallent-sorgung ist der Brandenburger Weg unterdem Leitsatz Abfallvermeidung vor Ver-wertung und vor Beseitigung konsequenteinzuhalten.

Wohnen im Dorf bedeutet:Mehr individuelle Wohnqualität einerseitsund die Einbindung in ein überschaubaressozialesUmfeld andererseits. Außerdembietet ein dörfliches Wohnumfeld in derRegel mehr Raum für Freizeitgestaltungnach persönlichen Vorstellungen und fürdie teilweise direkte Einbindung in dienatürliche Umgebung. Diese Qualitätenund Möglichkeiten bauen auf traditionellentstandenen Strukturen auf und sind wei-terhin nur zu garantieren, wenn der Cha-rakter und die Attraktivität der Dörfergewahrt bleibt.Deshalb sollte bei der Flächennutzungs-planung und den daraus abgeleiteten Bau-plänen darauf geachtet werden, dass diedörflichen Strukturen durch Bebauung imDorfkern bei Ausnutzung aller Möglich-keiten der Flächenregulierung und derUmnutzung vorhandener Bausubstanz denVorrang haben. Die Entstehung vonflächenintensiven Satellitensiedlungen, diemit hohen Kosten für die Bereitstellungder notwendigen Infrastruktur die Gemein-den finanziell belasten, soll vermieden.Dadurch werden Dörfer ihres Charaktersund ihrer Identität beraubt. Bestehendesoziale Gemeinschaften werden bei star-ken Veränderungen der Bevölkerungs-

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struktur nicht selten nachhaltig negativbeeinflußt. Für den Wohnungsbau im Dorfeignen sich ökologische Baustoffe beson-ders bei der Sanierung oft dorfprägenderalter Gebäude. Eine solche Bauweise trägtmaßgeblich zur Verbesserung desWohnklimas bei und ist ein wesentlicherBeitrag zum gesunden Wohnen. Die oftgroßräumigen dörflichen Wohngebäudemit ihrem Nebengelass können seht gut zuUnterkünften für den ländlichen Touris-mus ausgebaut werden.Bei allen Ausbau- und Umbaumaßnahmensollten die neuen Erkenntnisse der Baubio-logie und der Energieeinsparung berück-sichtigt werden. Außerdem können selbstin alte Gebäude moderne Anlagen zuralternativen Engergienutzung (Solarther-me, Solarstromerzeugung, Nutzung nach-wachsender Rohstoffe, Geothermieanla-gen in Kombination mit Solarthermie,Biogasanlagen etc.) integriert werden.Mit den Förderinstrumenten der Landesre-gierung können die aufgezählten Möglich-keiten der ländlichen Siedlungsentwick-lung sinnvoll gefördert werden. Nicht mehrgenutzte Stallanlagen, alte Ferienlager undandere ungenutze Bauwerke im dörflichenUmfeld sind nach Klärung der Rechtslagezurückzubauen und zu entsiegeln.

Arbeiten im Dorf bedeutet:Neben der Sicherung der für das Dorf inseiner Region typischen Arbeitsplätzeauch die Schaffung von Erwerbsmöglich-keiten, die mit dem örtlichen Arbeitsmarktin Zusammenhang stehen. Grundsatz fürdie weitere Entwicklung von dörflichen

Betrieben soll die Schaffung von Möglich-keiten sein, dass Produkte aus der Primär-produktion im ländlichen Raum weiterverarbeitet werden können. Bei der Ver-marktung von landwirtschaftlichen Pro-dukten für die menschliche Ernährungspielt dieser Prozeß eine entscheidendeRolle, um regionale Wirtschaftskreisläufeaufzubauen und um den Vertrieb derErzeugnisse als ein Arbeitsfeld für dasDorf zu erschließen. Dazu ist eine gezielteFörderung von Verarbeitungs- und Ver-marktungsstrukturen auf der Basis vonErzeugergemeinschaften von besondererBedeutung.Die Landschaftspflege, Arbeiten im Ver-tragsnaturschutz, die Schaffung von touri-stischer Infrastruktur in und um die Dörferals weitere Arbeitsgebiete sind weiter zuentwickeln und zu unterstützen. Der länd-liche Raum ist für die alternative Energie-erzeugung hervorragend geeignet. DerAnbau und die Nutzung von nachwachsen-den Rohstoffen, die energetischeErschließung von Abprodukten undAbfallstoffen über die Biogasanlagen oderähnliche Verfahren, der Bau und der Ein-satz von Solar- oder geothermischen Anla-gen sind nur einige Beispiele für diesenArbeitsmarkt. Aber auch durch eine aktiveAnsiedlungspolitik können in ländlichenRegionen angepaßtes Gewerbe undDienstleistungen in die bestehenden Dorf-strukturen integriert werden, ohne zusätz-liche flächenintensive und kostspieligeGewerbegebiete vorzuhalten. In bestehen-den Dorfstrukturen sind heute überall aus-reichende Nebengebäude und Ställe vor-

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handen, in die sich entsprechende Nutzun-gen eingliedern ließen. Selbst die Etablie-rung von verkehrsextensiven modernenArbeitsplätzen in der Datener- und Verar-beitung im ländlichen Raum ist in anderenBundesländern schon gängige Praxis akti-ver Ansiedlungspolitik und -förderung.

Erholen im Dorf bedeutet:Dass die Tendenz im Fremdenverkehr, inländlichen Gebieten Wochenend- oderKurzurlaub zu machen, deutlich zunimmt.Auch der Urlaub auf dem Bauernhof, bes-ser das dörfliche Urlaubsmilieu inmittenvielfältiger Kulturlandschaften, erfreutsich zunehmender Beliebtheit. Gerade fürdie Entwicklung des Fremdenverkehrs alsNebenerwerbszweig im ländlichen Raumkommt dem Erhalt typischer Dorfstruktu-ren und dem Schutz der mannigfaltigenNaturraumausstattung eine große Bedeu-tung zu. Deshalb ist es notwendig, touristi-sche Dienstleistungen in den Kommunenzu entwickeln und zu fördern und sie mitden kulturellen Möglichkeiten der jeweili-gen Region zu koppeln, um den Besu-chern ein möglichst breites Angebot zumachen. Die Spannbreite des Kunstange-botes von der Galerie im Speicher oderStall, über das Theater in der Scheunen biszur Lesung im alten Schloß ist noch langenicht ausgeschöpft und kann mit gutenIdeen wesentlich zum Erfolg eine Bil-dungs- und Erlebnistourismus beitragen.Die Form der Nutzung der Kulturland-schaften Brandenburgs mit ihren natürli-chen Reichtümern ist die entscheidendeFrage, die heute im Interesse der Lebens-

qualität künftiger Generationen möglichstumfassend zu beantworten ist. Nur wennes gelingt, im Zusammenwirken vielerExperten regional angepasste Konzepte füreine dauerhaft naturverträgliche Entwick-lung der Landschaftsnutzung zu erstellen,kann die Nachhaltigkeit dieses Prozessesgarantiert werden. Einen bedeutenden Beitrag kann dabei derNaturschutz leisten, wenn er als ökologi-scher, ökonomischer und sozialer Beitragfür unsere Gesellschaft verstanden wird.Deshalb ist Naturschutz heute wesentlichmehr als reiner Biotop- und Artenschutz.Sicherlich wird auch weiterhin der Zustandder Ökosysteme und die Vielfalt der Artenein wesentliches Kontrollinstrument für dieNachhaltigkeit unseres Handelns sein.Sicherlich werden zum Schutz von Lebens-räumen und Arten auch weiterhin nochSchutzgebiete und -strategien benötigt.Aber Naturschutz muß heute viel mehr alsgesellschaftliche Aufgabe begriffen wer-den, die in allen Entwicklungsprozesseneiner modernen, um Nachhaltigkeit bemüh-ten Industriegesellschaft Berücksichtigungfinden muß. Diese Ansätze für eine moder-ne Naturschutzpolitik lassen sich am bestenin großflächigen Schutzgebieten verwirkli-chen, und darauf baut insbesondere dasKonzept der Biosphärenreservate auf.Biosphärenreservate haben einen langenNamen, aber erst eine kurze Geschichte.Mit der von der UNESCO 1968 nach Pariseinberufenen Expertenkommission warmit der sogenannten „Biosphärenkonfe-renz“ der Startschuss gegeben. 1970 wur-de dann auf der 16. Generalkonferenz der

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UNESCO das Programm „Man and Bios-phäre“ (MAB). Der Mensch und die Bios-phäre verabschiedet. Auf der Grundlagedes MAB-Programmes wurde bis heuteein weltweites Netz von über 360 Bios-phärenreservaten aufgebaut.Ausgehend von diesem Programm definie-ren sich Biosphärenreservate als genutzteKulturlandschaften mit vielen natürlichenoder naturnahen Ökosystemkomplexen. Indiesen Schutzgebieten soll die auf die Nut-zung der vorhandenen Ressourcen ausge-richtete wirtschaftliche Tätigkeit des Men-schen dauerhaft naturverträglich gestaltetund in ihrer ganzen Komplexität mit demErhalt der Natur verbunden werden.Um diese Vorstellungen umsetzen zu kön-nen, weisen die Biosphärenreservate des-halb eine klare Zonierung auf. Neben denKernzonen, die ohne jegliche Nutzungdurch den Menschen mindestens 3% derGesamtfläche ausmachen soll ist auch diePflegezone mit mindestens 15 %Flächenanteil rechtlich als Naturschutzge-biet geschützt. Die Pflegezonen liegen alsPuffergebiete um die Kernzonen und inihnen ist eine Nutzung, die in besondererWeise den Schutz der Lebensräume undArten berücksichtigt, erlaubt. Ca. 80 % derGesamtfläche eines Biosphärenreservatesnimmt die Entwicklungszone ein. Sie istals Lebens- und Wirtschaftsraum der hierlebenden und sich erholenden Menschendas Gebiet, in dem eine sozial- und natur-verträgliche nachhaltige Regionalentwick-lung beispielhaft demonstriert werden soll.Das Aufgabenfeld der Biosphärenreservateist aber noch wesentlich umfangreicher und

in Deutschland über Kriterien für die Aner-kennung und Überprüfung DeutscherUNESCO-Biosphärenreservate klar gere-gelt. Mit diesen Kriterien ist die hohe Qua-lität dieser Schutzgebietskategorie ebensodeutlich bei der Auswahl und Anerkennunggeregelt wie die alle zehn Jahre stattfinden-de Evaluierung. In den Arbeitsfeldernspielt neben dem Aufbau von nachhaltigenLandnutzungssystemen die Öffentlich-keitsarbeit und die Umweltbildung einegleichberechtigte Rolle. Eine breite und aufAnwendung orientierte Forschung kommtals weiteres Aufgabengebiet hinzu. Außer-dem sollen Biosphärenreservate als einrepräsentatives Netz von Landschaften aufder ganzen Welt eine wesentliche Rolle beider international abgestimmten Ökosyste-maren Umweltbeobachtung spielen. DieseUmweltbeobachtung ist ein wichtiges Kon-trollinstrument für den Einfluß menschli-cher Landnutzung auf die vorhandenenRessourcen, die Lebensräume und die vor-kommenden Tier- und Pflanzenarten.Natürlich spielen die Biosphärenreservatemit ihrer engen Verzahnung von Kultur-landschaften, mit noch vorhandenen natür-lichen oder naturnahen Lebensgemein-schaften der Arten im Schutzgebiet.Schon aus der kurzen Schilderung herauskann man ersehen, dass die Biosphärenre-servate ein weitverzweigtes aber sehrlogisch aufgebautes Arbeitsfeld besitzen,das nur durch eine auf dieses breite Aufga-bengebiet abgestimmte Verwaltungbeherrscht und in Zusammenarbeit mit denKommunen und den Behörden in denLandkreisen bewältigt werden kann.

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Dass diese theoretischen Vorstellungensich durchaus in die Praxis umsetzen las-sen, kann in einigen BiosphärenreservatenDeutschlands sehr gut nachvollzogen wer-den. Einige Beispiele aus der Arbeit desBiosphärenreservates Schorfheide-Chorinsollen das demonstrieren.Das Biosphärenreservat Schorfheide-Cho-rin wurde mit dem Nationalparkprogrammder de-Maziere-Regierung am 12.9.1990gesetzlich festgesetzt und ist mit einerFläche von 1261 km2 eines der größtenSchutzgebiete Brandenburgs im Nordostendes Landes. Die letzte Eiszeit, die Weichselkaltzeit,formte vor 15000 Jahren diese Landschaft.Hüglige Endmoränen, bewaldet und mitSteinblöcken durchsetzt, wechseln mitkuppigen Grundmoränenplatten undAckerlandschaften, die durch Seen, Moo-re, Trockenrasenkuppen und Feldheckenreich gegliedert sind. Auf den Sander-flächen im Süden stehen die großen Wäl-der der sagenumwobenen und geschicht-strächtigen Schorfheide. Burgen, Klösterund kleine Ackerbürgerstädte sind Zeug-nisse der kulturhistorischen Entwicklung.Die Struktur der Landschaft und das sub-kontinentale Klima ließen trotz der jahr-hundertelangen Tätigkeit des Menscheneine Kulturlandschaft entstehen, in der dienatürlichen Bedingungen dem menschli-chen Tun immer wieder Grenzen setzten.So war es nahezu zwingend, daß in denZeiten der politischen Wende im Rahmendes Nationalparkprogramms in dieserRegion ein Biosphärenreservat entstand,um die natürlichen und kulturhistorischen

Werte zu schützen und in Zukunft natur-verträglich, nachhaltig zu entwickeln.Das Konzept des Biosphärenreservatssieht vor, den wirtschaftenden Menschenin seiner Wirkung auf die Biosphäre vonvornherein mit einzubeziehen. 79 % dergesamten Fläche sind weiterhin wirtschaft-lich zu nutzende Landschaften. Allerdingssoll hier die Nutzung umweltverträglichpraktiziert werden, um die natürlichenRessourcen zu schützen. In der Forstwirt-schaft wird naturgemäße Waldbewirtschaf-tung angestrebt, in der Landwirtschaftumweltverträglicher Ackerbau oder exten-sive Weidewirtschaft. Der Tourismus sollumweltschonend weiterentwickelt werden.Das Biosphärenreservat ist in verschiedeneZonen mit abgestuftem Schutzstatus unter-teilt. Die Naturschutzgebiete umfassen inder Pflegezone 21 % der Fläche. Davon istein kleiner Teil als Kernzone ausgewiesen(2,8 % der Gesamtfläche), aus der sich derMensch gänzlich zurückziehen soll. Dieangrenzende Pflegezone ist eine Pufferzo-nen, in der die Nutzung an die Erfordernis-se des Naturschutzes angepasst werdenmuß. Das übrige Gebiet (79 %), die Ent-wicklungszone besitzt den Status einesLandschaftsschutzgebietes. 50 % des Schutzgebietes sind von Waldbedeckt. Die Schorfheide im Südwesten,ist eines der größten zusammenhängendenWaldgebiete Deutschlands. Das Säulendiagramm gibt eine Übersichtzu den einzelnen Landschaftsstrukturenund Nutzungen. Hier nimmt der Wald65298 ha und damit 50,5 % der Flächedes BR ein. 37654 ha sind Ackerland

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(29,1 % des BR) und 12672 ha sind Grün-land (entsprechend 9.8%). Die Gewässernehmen 7620 ha ein und machen damit 5,9% des Schutzgebietes aus.Für das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin ist die Entwicklung regionalerKreisläufe zur Produktion, Verarbeitungund Vermarktung von einheimischen Pro-dukten grundsätzlicher Bestandteil desSchutzgebietskonzeptes. Natur- und Landschaftsschutz in einemBiosphärenreservat heißt insbesondereauch Landschaftsnutzung. Regionale Wirtschaftskreisläufe, die vomPrinzip der dauerhaft, naturverträglichenRessourcennutzung ausgehen, sind enormwichtig für einen Naturschutz, der sich imZusammenhang von ökologischer, ökono-mischer und sozialer Verantwortung sieht.In diesem Sinne ist die Agenda 21, dasvom Weltgipfel der Vereinten Nationen1992 verabschiedete Aktionsprogramm fürden Übergang in das 21. Jahrhundert, ins-besondere für Städte und GemeindenHandlungsorientierung für eine nachhalti-

ge kommunale Entwicklung. Das Bios-phärenreservat und die Kommunen sindaufgerufen, Wege zu gehen, die sich anden Grundbedürfnissen der Menschen ori-entieren, ohne die natürlichen Lebens-grundlagen zu gefährden. Das betrifft vorallem die Probleme der Güterproduktion,der Energie- und Stoffumsätze, der Ver-kehrsvorgänge und der Flächennutzung.Auf solche Fragen ist die Praxis und dieForschung im Biosphärenreservat Schorf-heide-Chorin konzentriert. Dabei zeigendie ersten Ergebnisse, daß die Vervollstän-digung von Wirtschaftskreisläufen in derLandwirtschaft am besten in den ökolo-gisch orientierten Betrieben möglich ist.Der ökologische Landbau ist geradezu einMuster für die Kreislaufwirtschaft und dieBeherrschung von kleinen Stoffkreisläufen. Die Landwirtschaftliche Nutzfläche desBiosphärenreservates umfaßt insgesamt 50 326,2 Hektar, das sind 38,96 Prozent derGesamtfläche. Davon werden 6428 Hektaralso 18 Prozent, ökologisch bewirtschaftet.Weitere Betriebe befinden sich in der

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Verteilung der unterschiedlichen Verteilung der Landnutzungen imBereich des Biosphärenreservates Schorfheide-Chorin

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37654

762012563582

12672

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20000

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40000

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70000

80000

Wälder und Forsten Äcker und Wiesen Seen Siedlungen Verkehr

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Umstellung, so dass Ende des Jahres 2000ca. 20 % der landwirtschaftlichen Anbauf-läche ökologisch genutzt werden.Das Biosphärenreservat Schorfheide-Cho-rin ist mit 28 Einwohnern pro km2 eine deram dünnsten besiedelten Landschaften inDeutschland. In den strukturschwachenRegionen der Uckermark und des nördli-chen Barnim liegt die Arbeitslosigkeit inmanchen Kommunen bei 25-30 %. In die-ser Situation spielt die Entwicklung derökologischen Landwirtschaft eine beson-dere Rolle, denn in Betrieben, wo dieerzeugten Produkte auch verarbeitet undvermarktet werden, sind wesentlich mehrArbeitskräfte beschäftigt als in der konven-tionellen Landwirtschaft. Im konventionel-len Landbau werden im Biosphärenreser-vat Schorfheide-Chorin derzeitig 1,3Arbeitskräfte 100 ha beschäftigt. In derAgrargenossenschaft Brodowin, also imökologischen Landbau, beträgt diese Zahl

4,7 Arbeitskräfte/100 Ha. Mit der Verarbei-tung und Vermarktung seiner Produkte hatdieses Unternehmen es verstanden, nichtnur einen ökologische wertvollen Beitragzu leisten, sondern damit auch eine sozialeSicherheit im Dorf geschaffen. Brodowinist mit 8 % Arbeitslosigkeit die Kommunemit der geringsten Arbeitslosenquote imgesamten Amtsbereich Eberswalde.Die Entwicklung der letzten Jahre hatgezeigt, daß die Vermarktung der Produkteüber den Großhandel (ökonomisch proble-matisch) oder die Direktvermarktung (zuarbeitsaufwendig für einzelne Landwirte)nicht zu der notwendigen Stabilisierungder Betriebe führt.Die gegenwärtige Situation im Bereich derökologischen Produktion ist geprägt durchden Aufbau eines regio-nalen Verbundesvon Betrieben des kontrolliert-ökologi-schen Anbaus sowie weiteren landwirt-schaftlichen Betrieben, die gegenwärtig

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0,00%

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Anteil Öko-Landbau BRD(1998)

Anteil Öko-LandbauBrandenburg (1998)

Anteil Öko-Landbau BRSC (2000)

Vergleich Anteil Ökolandbau an GesamtLN

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Umstellungen bzw. Teilumstellungen ihrerBetriebe planen. In diesem Verbund sind der Aufbau vongemeinsamen Verarbeitungs- und Ver-marktungskapazitäten vorgesehen.

Ziele sind:• ökonomische Stabilisierung durch• maximale Wertschöpfung vor Ort• (Qualitätsprodukte, regionsorientierte• Verarbeitungs-, Vermarktungs- und• Vertriebsformen),• Integration von Haupt-, Neben- und• Zuerwerbsbewirtschaftung,• Erhöhung des Identifikationspotentials• mit der Region durch Kooperationen• zugunsten eines Binnen- und Außen-• profils (kooperative Erarbeitung,• Umsetzung und Pflege der Richtlinien• für eine Regionalmarke),• Förderung und Weiterentwicklung• ökologischer Landbauformen gemäß den• Anforderungen der regionalen• Produktionsstruktur in der Großschut-• gebietsregion,• langfristige Konsumenten- und• Besucherbindung.Ein wesentlicher Schritt in diese Richtungist die Etablierung der Regionalmarke imBiosphärenreservat.Neben dem Werbeaspekt fungiert die Ver-gabe des Herkunftszeichens an mittlerwei-le 48 Betriebe als Schaltstelle zwischenProduzenten und Dienstleistern. Vielfälti-ge Kontakte zwischen Landwirten,Fischern, Imkern sowie Gastwirten undGeschäften konnten hergestellt werden.Ein weiteres Projekt zur Förderung der

Direktvermarktung ist der im Aufbaubefindliche Biosphärenlandmarkt.Es ist Praxis im Biosphärenreservat, dieEntwicklungsperspektive in der Regionmit konkreten Modellprojekten zu unter-setzen und dafür die erforderlichen Instru-mentarien zu schaffen.So wurde mit der Zielsetzung des Erhaltsund der Pflege einer naturnahen Kultur-landschaft der LandschaftspflegeverbandUckermark-Schorfheide e.V. gegründet.Hier arbeiten Landnutzer, Naturschützerund Kommunalvertreter gleichberechtigtzusammen zur Durchführung von Land-schaftspflegeprojekten.

Weitere Ziele sind:• Die Entwicklung einer umwelt- und sozi-

alverträglichen Erholungsnutzung aufder Basis ruhiger landschaftsbezogenerErholungsformen. Insbesondere dieErholungsnutzung fungiert zunehmendals wichtiger Wirtschaftssektor derRegion. Hier entstehen die meistenArbeitsplätze. Das Biosphärenreservatist aufgrund der zahlreichen Seen, der

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unzerschnittenen Wälder, der abwechs-lungsreichen Offenlandschaft, der Viel-zahl an naturkundlichen und kulturhisto-rischen Sehenswürdigkeiten für naturbe-zogene Erholungsnutzung bestensgeeignet. Durch die Nähe zum Ballungs-raum Berlin ist einerseits die Nachfragesehr groß. Andererseits bringt dieszwangsläufig Konflikte mit sich, die esdurch eine gezielte Lenkung und Eta-blierung naturbezogener Erholungsfor-men zu lösen gilt. Ein wichtiges Stand-bein könnte die Etablierung eines quali-fizierten Bildungs- und Erlebnistouris-mus darstellen. Im Gebiet ist bereits eineVielzahl von Umweltbildungseinrich-tungen vorhanden, es werden Führungenund Veranstaltungen durch die Natur-wacht durchgeführt. Dies stellt einAlleinstellungsmerkmal vor anderenRegionen dar.

• Die Qualifizierung angebotener Dienst-leistungen (z.B. im Bereich naturbezo-gene Erholung durch geführte Wande-rungen) und der Infrastruktur (Gastro-nomie und Beherbergung durch mehrRegionalität und Qualität angebotenerProdukte).

• Der Erhalt der vorhandenen kulturhisto-rischen und naturräumlichen Eigenartder Siedlungen und Vielzahl kulturhisto-rischen Landschaftselemente.

• Der Umnutzung einer Vielzahl leerstehen-der Gebäude und Betriebsstandorte auf-grund der Entleerung des ländlichen

Raumes. Die Siedlungsentwicklung kannzum großen Teil durch Flächenrecyclingund die Umnutzung vorhandener Gebäudegesichert werden. Der Bedarf für Neuver-siegelung und die daraus entstehende Zer-siedelung der Landschaft ist dadurch zumindern. Durch die Umnutzung wird orts-bildprägende Bausubstanz dauerhafterhalten.

• Die Etablierung einer ökologisch ausge-richteten Waldbewirtschaftung in dengroßen, zusammenhängenden Wäldernund Forsten des BR. Biotopschonendeund gleichzeitig wirtschaftlich tragbareBewirtschaftungsformen werden modell-haft erprobt. Ein vergleichsweise hoherProzentsatz der Waldfläche ist in Landes-besitz (ca. zwei Drittel), so dass dienaturschutzfachliche Einflussnahme auf-grund der Beachtenspflicht des Pflege-und Entwicklungsplans des Biosphären-reservates sehr effektiv erscheint. Einhoher Waldanteil ist darüber hinaus alsNaturschutzgebiet gesichert. Insbesonde-re in diesen Bereichen besteht eine Chan-ce die Kiefernmonokulturen naturnäherumzugestalten.

• Die Nutzung der vielfältigen wissen-schaftlichen Grundlagen zur Gebietsent-wicklung im Bereich der Landwirt-schaft, der Siedlungsentwicklung unddes Tourismus. Zur Entflechtung vonRaumansprüchen und Analyse von Bela-stungsgrenzen wurden Forschungspro-jekte (z.B. ForschungsverbundprojektNaturschutz in der Agrarlandschaft und

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Gutachten (Nutzungskonzepte für dieGroßseen, Verkehrskonzept des BR)erstellt, auf deren Grundlage konkreteProjekte und Maßnahmen entwickeltwurden.

Etwa 250 Arbeitsplätze sind direkt mit denProjekten des Biosphärenreservates ver-bunden, insbesondere mit der Landschafts-pflege, der Forschung, der Schutzgebiets-betreuung und nicht zuletzt mit derUmweltbildung.Der Trend der Umstrukturierung in derLandwirtschaft mit seinen vielen positivenNebenwirkungen auf die Stoffkreisläufeder Natur, ist ein schon heute nachvoll-ziehbares Beispiel für nachhaltiges Wirt-schaften im Sinne der Biosphärenreser-vats-Idee.Die Einführung naturschonender, nachhal-tiger Landnutzungsverfahren steht hier imVordergrund. Ein erlebbares Beispiel dafürsind die landwirtschaftlichen Unterneh-

men, die ökologischen Landbau betreiben. So werden nicht nur gut schmeckende undgesunde Nahrungsmittel hergestellt,zugleich kann sauberes Grundwasser ent-stehen, die Qualität der Seen und Fließge-wässer verbessert sich, der Boden wirdschonend genutzt und viele verschwunde-ne Tier- und Pflanzenarten kehren auf dieehemals intensiv genutzten Flächenzurück.

Dr. Eberhard Henne ist Direktor des Bios-phärenreservat Schorfheide-Chorin undwar 1998/99 Umweltminister des LandesBrandenburg.

www.brandenburg.de/land/mlur/u/b_auf43b.htm

www.brandenburg.de/land/umwelt/s_chorin/brodowin.htm

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EinleitungDie Bundesrepublik Deutschland istEigentümer der großen schiffbaren FlüsseDeutschlands und der sie verbindendenSchifffahrtskanäle. Es sind dies insgesamtrd. 6.500 km Binnenwasserstraßen.Betreut werden die Wasserstraßen von derWasser- und Schifffahrtsverwaltung(WSV). Diese wird vom Bundesministerfür Verkehr, Bau- und Wohnungswesen(BMVBW) geleitet. Die WSV besteht aussieben Wasser- und Schifffahrtsdirektio-nen (WSD). Die größte WSD ist die erstmit der Wiedervereinigung gegründeteWSD Ost mit der Zuständigkeit für mehrals 2.400 km schiffbarer Bundeswasser-straße, etwas mehr als ein Drittel aller Bin-nenbundeswasserstraßen.

THEMA

AUSBAU DESWASSERSTRASSENNETZESIM BEREICH DER WSD OST

von Peter Neugebauer

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Das Wasserstraßennetz umfasst dieGewässer zwischen Elbe und Oder (Mär-kische Wasserstraßen), die Elbe mit eini-gen Nebenflüssen von der tschechischenGrenze bis zur Stadtgrenze Hamburgs unddie Oder, soweit sie deutsches Hoheitsge-biet durchfließt. Die Flüsse Elbe, Oder,Havel und Spree bilden das natürlicheRückgrat für die ab dem 17. Jahrhunderterfolgten ergänzenden und verbindendenKanalbauten.Über Jahrhunderte ist so zwischen Elbeund Oder aus Flüssen, Seen und Kanälenein weit verzweigtes Wasserstraßennetzentstanden, das entscheidend zum Aufbauund zur wirtschaftlichen Entwicklung die-ser Region beigetragen hat, jedoch sind diein den letzten Jahrzehnten im westeuropäi-schen Netz erfolgten Erweiterungen nichtnachvollzogen worden, so dass das Was-serstraßennetz zum überwiegenden Teileinem Standard zum Anfang des vorigenJahrhunderts entspricht.Das vorhandene Wasserstraßennetz kannin diesem Zustand den großen Vorteil, dendas System Wasserstraße – Binnenschifffür den Gütertransport aufweist, nichtwahrnehmen.Zukunftsorientierte Verkehrspolitik bedeu-tet, Verkehr möglichst zu vermeiden undfür die Bewältigung unumgänglichen Ver-kehrs Träger zu fördern, die die Umweltam geringsten belasten.Binnenschifffahrt spart Energie, Schiffebenötigen wegen ihrer besseren Ener-gieumwandlung weniger Energie als Bahnund LKW. Ein Großmotorgüterschiff kannmit einer Fahrt die Ladung von 80 LKW

zu je 30 t befördern. Binnenschiffe sind diesichersten Verkehrsträger, ihre geringeUnfallquote sowie besondere Konstruktionund Ausstattung prädestinieren sie für denTransport gefährlicher Güter. Binnenschif-fe vermeiden auch eine direkte Beeinträch-tigung der Umwelt, da sie fast geräuschlosverkehren und weder Luft noch Wasserverschmutzen. Darüber hinaus benutzenBinnenschiffe zum großen Teil natürlicheWasserwege, die auch bei dem über 50Jahre vernachlässigten Ausbauzustand nurpunktuell und geringfügig verändert wer-den müssen, ohne dass das ökologischeSystem beeinträchtigt wird. Gerade amBeispiel Havel ist dies nachzuvollziehen. Erst eine Verbesserung des gegenwärtigenStandards wird zu mehr Verkehr auf derWasserstraße führen. Nach Fertigstellungder ersten Teilbaumaßnahme, dem Wasser-straßenkreuz Magdeburg, wird sich derGewinn für die Umwelt bestätigen. Bisherhaben alle Wasserstraßenausbau- oder -neubaumaßnahmen die vorher erstelltenPrognosen weit übertroffen. Selbst der bis-her noch nicht voll bestätigte Elbe-Seiten-Kanal wird demnächst als Alternativwas-serweg – um den Elbe-Ausbau zu begren-zen – eine überragende Bedeutung erlan-gen.Die zur Qualitätsangleichung an das west-europäische Wasserstraßennetz notwendi-gen Wasserstraßenabmessungen gehen nurwenig über das hinaus, was in der Wasser-straßenklasse IV für den sicheren Verkehrder Europaschiffe festgeschrieben ist.Schon dort finden sich u.a. lange Schub-verbände, 4 m Wassertiere und 5,25 m

AUSBAU DES WASSERSTRASSENNETZESvon Peter Neugebauer

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Brückendurchfahrtshöhe. Im Bereich derWSD Ost ist das Verkehrsprojekt DeutscheEinheit (VDE) Nr. 17 das herausragende,nach diesen Randbedingungen auszu-führende Vorhaben.

Verkehrsprojekt Deutsche Einheit (VDE)Nr. 17Das VDE 17 sieht den Ausbau der Wasser-straßenverbindung Hannover-Magdeburg-Berlin für einen leistungsfähigen, moder-nen Wirtschaftsverkehr mit Binnenschif-fen vor. Die heutige Situation ist durchzahlreiche zu kleine Anlagen und durcheine Abladetiefenbeschränkung mit darausresultierenden verringerten Beladungs-mengen für die größeren zugelassenenBinnenschiffe (z.B. Europaschiffe nur 50 –60 %) geprägt. Insgesamt müssen 9 Anla-gen (Schleusen und Wehre), rd. 200 kmStrecke und 66 Brücken um-, aus- oderneu gebaut werden.Alle Ausbaumaßnahmen werden unterBerücksichtigung verschiedenster Rand-bedingungen wie Verkehrsbelange,Umweltbelange, Erholungsnutzung, Kul-tur- und Stadtraumbewahrung auf derGrundlage von Umweltverträglichkeitsun-tersuchungen geplant. Die endgültige Artund Weise des Ausbaus wird erst im Zugevon Planfeststellungsverfahren unterBeteiligung aller Betroffener und Interes-sierter festgelegt. Nach Fertigstellung des VDE 17 ergebensich u.a. Veränderungsmöglichkeiten fürden Abschnitt der Havel von der StadtBrandenburg bis zur Mündung in die Elbe,da die Schifffahrt dort nur noch nachrangi-

ge Bedeutung haben wird. Die Wasser- undSchifffahrtsverwaltung des Bundes wird imRahmen ihrer Zuständigkeit die Renaturie-rungsbestrebungen der Länder unterstüt-zen, sie ist jedoch nicht Veranlasser oderTräger entsprechender Maßnahmen.Der Bereich Magdeburg ist im Rahmendes VDE 17 ein mehrfacher Engpass. Diehier schon im Bau befindlichen Maßnah-men sind deshalb auch ein Hauptelementdes VDE 17.

Wasserstraßenkreuz Magdeburg (WKM)und Anbindung des Hafens MagdeburgMit dem Bau der Kanalbrücke, der Mittel-landkanal-Anschlussstrecken und derSchleuse Hohenwarthe als Abstiegsbau-werk in den Elbe-Havel-Kanal wird einedirekte, vom Elbewasserstand unabhängi-ge Verbindung über die Elbe geschaffen.Über die neue Schleuse Rothensee und denverbreiterten Rothenseer Verbindungska-nal (RVK) werden die vorhandenen Mag-deburger Häfen sowie der geplante neue„Hanse-Hafen“ an die West-Ost-Wasser-straßenverbindung angeschlossen. Darü-ber hinaus ist vorgesehen, das Hafengelän-de mit einer Hafenschleuse von der Elbe

AUSBAU DES WASSERSTRASSENNETZESvon Peter Neugebauer

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mit ihren schwankenden Wasserständenabzutrennen. Der offizielle Baubeginn des Wasser-straßenkreuzes Magdeburg erfolgte mitdem 1. Spatenstich für die SchleuseRothensee am 19. Juni 1997.Gebaut wird eine Sparschleuse mit 3 Spar-becken, einer Nutzlänge von 190 m sowieeiner Nutzbreite von 12,5 m. Die Hubhöhebeträgt rd. 11 bis 16 m.Bereits 1919 gab es erste Entwürfe einerVerbindung des Mittellandkanals mit demElbe-Havel-Kanal, und 1937 begannen dieBauarbeiten an der Kanalbrücke, 1941wurden diese eingestellt. Fertiggestelltwaren die beiden Widerlager, 3 Bögen derFlutbrücke und die Strompfeiler.

Zunächst ging die neue Planung davonaus, die Kanalbrücke auf den in den 30igerJahren errichteten Fundamentkörpern zuerrichten. Die durch die Bundesanstalt fürWasserbau erfolgte Begutachtung der Pfei-ler ergab jedoch, dass diese aufgrund derschlechten Betonqualität abgebrochenwerden mussten. Die neue Brücke ist auf ganzer Länge eineStahlkonstruktion. Die Gesamtlänge vonrd. 918 m ist gegliedert in die Vorland-brücke mit einer Länge von rd. 691 msowie die Strombrücke mit einer Längevon rd. 227 m. Die Stützweiten im Vor-landbereich betragen rd. 42 m, die maxi-male Spannweite der Strombrücke beträgtrd. 106 m.

AUSBAU DES WASSERSTRASSENNETZESvon Peter Neugebauer

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Zur Überwindung des Höhenunterschiedesvon 18,56 m vom MLK zum EHK warfrüher ein Schiffshebewerk vorgesehenund begonnen worden. Nunmehr wird eineDoppelsparschleuse mit 2 Kammern á 190m Länge und 12,5 m Breite errichtet. Die Kanalbrücke und die SchleusenanlageHohenwarthe sollen im Jahre 2003 fertig-gestellt sein.

Elbe-Havel-Kanal (EHK)Der EHK ist rd. 56 km lang. Er verbindetdie Elbe nördlich von Magdeburg mit derHavel westlich der Stadt Brandenburg.Nach Fertigstellung des Wasserstraßenkreu-zes stellt der EHK die östliche Fortsetzungdes Mittellandkanals – wie schon in den30er Jahren geplant – dar. Die geplantenAusbaumaßnahmen sehen vor, die Wasser-spiegelbreite im Kanalquerschnitt von35,50 m auf 55 m im Trapezprofil zu ver-breitern. Die Verbreiterung erfolgt nachAbwägung der Umweltbeeinträchtigungenmöglichst jeweils nur auf einer Seite. DieSohle wird von 3,50 m auf 4,0 m vertieft.Bei Parchau/Ihleburg verläuft der Kanal ineinem zu engen Kurvenradius und wird zurGewährleistung des sicheren Schiffsver-kehrs als Durchstich verlegt. Die als Altarmverbleibende Kurve wird in ein vom Kanalabgetrenntes Gewässer mit abgeschrägtenUfern zu einem Feuchtbiotop umgewan-delt. Die Ausbaumaßnahmen haben in die-sem Abschnitt begonnen, 2006 soll derKanalausbau einschließlich dem Neubauvon je einer zweiten Schleusenkammer anden bestehenden Schleusenanlagen bei Zer-ben und Wusterwitz beendet sein.

Untere Havel-Wasserstraße (UHW) undHavelkanal (HvK)Der Flussabschnitt der UHW, der zumVDE 17 gehört, ist rd. 50 km lang und ver-läuft vom Plauer See östlich der StadtBrandenburg bis zum Jungfernsee in Ber-lin. Zwei Kanalabschnitte, der Silokanal(SiK) in der Stadt Brandenburg und derSacrow-Paretzer Kanal (SPK) bei Potsdamverkürzen den Verlauf der Havel. DerHavelausbau stellt in vielerlei Hinsicht dasKernstück des Ausbauvorhabens VDE 17in Brandenburg dar. Umwelt, Raum, Kultur und Technik inEinklang zu bringen, gehört zu den beson-deren Herausforderungen bei der Planung. Die Kanalabschnitte reichen in ihrenAbmessungen von rd. 50 m Wasserspie-gelbreite und 3,70 m bzw. 3,40 m Wasser-tiefe nicht aus und werden daher in derRegel im Trapezprofil mit 55 m Breite und4 m Tiefe ausgebaut. Die Verbreiterung istjeweils an einer Uferseite vorgesehen. DerPlanfeststellungsbeschluss für den Ausbaudes SiK wurde 1999 erlassen, das Planfest-stellungsverfahren für den Ausbau desSPK wird im Jahre 2000 durchgeführt. In Abhängigkeit von dem Bau des Hafensam Güterverteilzentrum in Wustermarkwird der HvK als Verbindung zur UHWauch ausgebaut.Noch nicht abgeschlossen sind die Planun-gen für die Fluss- und Seenbereiche.Die Havel ist Teil eines traditionellen Was-serweges, der seit dem Mittelalter durchStauanlagen, Durchstiche, Hochwasser-schutzanlagen und Meliorationsmaßnah-men zum Zwecke des intensiven Acker-

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baus eine ständige Veränderung erfahrenhat. Sie ist heute weder ein regulierterKanal noch ein unberührter Wildfluss.Im Zusammenspiel des Wirkens der Men-schen und den Eigenheiten eines ausge-prägten Flachlandflusses ist eine Kultur-landschaft von ganz besonderem Reiz ent-standen, die durch ihre Naturnähe besticht.An diesem Erscheinungsbild wird sichauch in Zukunft durch die geringfügigenAusbaumaßnahmen nichts ändern. Aufdem ca. 22 km langen Abschnitt der Flus-shavel werden nur punktuell an vier Stel-len Verbreiterungen durchgeführt. Diesbetrifft kurze Abschnitte im Bereich desDeetzer Knies, am Bullenohr bei KleinKreutz und in zwei alten Durchstichen amDaumgraben bei Ketzin und dem WusterDurchstich. Es werden keine neuen Durch-stiche geplant, und es erfolgen keine Ufer-befestigungen mit Spundwänden oderBeton.Die durch die o.a. menschlichen Einwir-kungen erfolgten ökologischen Schädigun-gen sollen z.T. wieder beseitigt werden. Soist z.B. für den allgemeinen Betrachternicht sofort erkennbar, dass auch an derHavel im Land Brandenburg wie in Berlinein Röhrichtrückgang im Uferbereicherfolgt. Ehemalige Flussteile, die vomRöhricht geprägt waren, weisen heute –auch außerhalb der Einflussnahme durchSchiffswellen – kaum noch Röhrichtbe-stände auf. Die Hauptursache der Röh-richtvertreibung aus dem Wasser heraushin zu Restbeständen am Land liegt in derGewässerverschmutzung im Rahmen einerWirkungskette. Die dem natürlichen Ufer-

schutz beraubten Ufer wurden nach undnach mit Steinschüttungen befestigt. Die in den letzten Jahren erfolgten Maß-nahmen zur Gewässerreinhaltung ermögli-chen einen Rückbau dieser unnatürlichenBefestigung und die Wiederansiedlung desnatürlichen Uferschutzes. Auch die weni-gen Ausbaubereiche sollen mit Schrägu-fern und mit Uferbewuchs gestaltet wer-den. In fast allen Seenbereichen und z.T.im Flussbereich sind ausreichende Tiefen-verhältnisse vorhanden, so dass auch dieSohlenvertiefung nur punktuell erfolgenwird. Im Zuge der weiteren Planung wirdangestrebt, außerhalb der Kanalabschnittenur eine Fahrrinnentiefe von 3,50 m herzu-stellen. Auch die Befürchtung, dass vonden zukünftig verkehrenden größerenSchiffseinheiten mehr Wellenbelastungenausgehen, ist unbegründet. Im Rahmeneiner Untersuchung zu den möglichenAuswirkungen des zu erwartenden Ver-kehrs auf im Uferbereich stehende Bau-werke des Kulturraumes Potsdam/Berlinwurde festgestellt, dass bei Einhaltung dervorgeschriebenen Fahrgeschwindigkeitsich Wellenhöhen ergeben werden, wie sievom heutigen Verkehr erzeugt werden. Es erfolgte auch eine detaillierte, gebäu-debezogene Untersuchung über sonstigemögliche Auswirkungen auf den Kultur-raum. Das Ergebnis der Studie – auch vonder Stiftung Preußische Schlösser undGärten anerkannt – schließt jedwedeBeeinträchtigung auch durch die geringfü-gigen Wasserstandsänderungen aus. Weite-re Befürchtungen über Veränderungen imKulturraum haben schon ihren Nieder-

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schlag im Raumordnungsbeschluss der„Gemeinsamen LandesplanungsabteilungBerlin/Brandenburg“ gefunden. Alle Auf-lagen dieses Beschlusses werden im Rah-men der Planungen zum Wasserstraßen-ausbau eingehalten. Befürchtungen zu negativen Auswirkun-gen sind im wesentlichen dadurch entstan-den, dass Planungsvarianten als Ausbau-vorhaben verstanden wurden. So war z.B.im Zuge der Voruntersuchungen auch einefür die Schifffahrt optimale Variante mitAbgrabungen im Park Babelsberg betrach-tet worden. Die aus den Alternativ-unter-suchungen sich herauskristallisierendeVorzugsvariante wird keine Uferverände-rungen enthalten. Im Einklang mit demRaumordnungsbeschluss wird lediglicheine Verbreiterung des Durchstiches zumGriebnitzsee verfolgt. Die Schifffahrt wirdz.T. nur im Richtungsverkehr erfolgen, dienotwendigen Liege-/Wartestellen werdenjedoch nicht im Bereich des Kulturraumesangeordnet. Auch werden im Zuge desVDE 17 keine baulichen Veränderungenan der Glienicker Brücke veranlasst. Alle bisher konkret benannten Befürchtun-gen konnten durch Untersuchungen, Stel-lungnahmen und Gutachten ausgeräumtwerden.Letztendlich verbleibt eine befürchtetevisuelle Beeinträchtigung durch diezukünftig verkehrenden größeren Schiff-seinheiten.Eine Teilentlastung könnte die Führungdes Schiffsverkehrs zum Westhafen umBerlin herum über den Havelkanal brin-gen. Auch diese Alternativtrasse wurde

untersucht. Unabhängige, von der BerlinerLandesverwaltung beauftragte Gutachterbestätigen die Aussagen der Wasser- undSchifffahrtsverwaltung, dass diese Alter-native mit mehr Eingriff und Beeinträchti-gungen verbunden wäre.Wahrscheinlich wird der zukünftige Besu-cher des Kulturraumes auch diese Schiffenicht anders empfinden als heutige Erho-lungssuchende, die die Schiffe als beleben-des Element erklären.

Berliner WasserstraßenAm süd-westlichen Stadtrand von Berlinverzweigt sich im Jungfernsee das VDE 17in die Trasse Berlin Nord, die über dieHavel, Spree und den Westhafenkanal(WHK) zum Westhafen führt sowie in dieTrasse Berlin Süd, über die die Häfen amTeltowkanal (TeK) und der Osthafen ange-schlossen werden.An beiden Trassen befinden sich ca. 100öffentliche und private Häfen undUmschlageinrichtungen, ein hohes Poten-tial für die Verlagerung von Gütertranspor-ten auf die Wasserstraße.Einen absoluten Engpass stellt die Schleu-se Charlottenburg mit einer maximalenKammerlänge von 80 m dar, so dass dieden sonstigen Berliner Raum anfahrendenEuropaschiffe den Westhafen nicht errei-chen können. Seit 1998 laufen die Bau-maßnahmen zum Bau einer neuen Schleu-senanlage nördlich der vorhandenenSchleuse. Die neue Schleuse wird eineKammerlänge von 115 m und einer Breitevon 12,5 aufweisen, sie soll im Jahre 2002fertiggestellt sein.

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Die abgeschlossenen Vorplanungen für dieSüdtrasse sehen vor, den Teltowkanal undden Britzer Verbindungskanal untergeringstmöglicher Inanspruchnahme vonGelände so auszubauen, dass ein 185 mlanger Schubverband einschiffig, d.h. ohneGegenverkehr eines gleich großen Schif-fes, passieren kann. Dazu wird eine Durch-fahrtsbreite von 29 m und eine Wassertiefevon 4,0 m in den Kanalstrecken und 3,50 min den Seenbereichen hergestellt.Über den Teltowkanal wird auch die fürdie Binnenschifffahrt im Land Branden-burg wichtige Verbindung zur Spree-Oder-Wasserstraße (Eisenhüttenstadt) und zumHafen Königs Wusterhausen hergestellt.

Weiterführender WasserstraßenausbauÜber die HOW erfolgt zum einen dieAnbindung des Berliner Wirtschaftsrau-mes an den Seehafen Stettin, zum anderenist die HOW der nördliche Teil der europä-ischen West-Ost-Verbindung.Auch die HOW wird entsprechend derWasserstraßenklasse Va/Vb ausgebaut,dabei wird die Wassertiefe vorerst nur auf3,0 m erweitert.Darüber hinaus ist der Bau eines zweitenSchiffshebewerkes mit einem größerenTrog (115 m Länge, 12,5 m Breite, 4,0 mTiefe) geplant. Der östliche Teil der HOW, die Hohensaa-ten-Friedrichstaler-Wasserstraße, soll imHinblick auf den Neubau eines Hafens in

Schwedt für den Verkehr mit Küstenmo-torschiffen ertüchtigt werden. Die Spree-Oder-Wasserstraße (SOW)stellt den südlichen Teil der europäischenOst-West-Verbindung dar. Um zukünftigder Schifffahrt mit Europaschiffen undSchubverbänden im Richtungsverkehreine Abladetiefe von 2,0 m zur Verfügungzu stellen, werden innerhalb der 85 kmlangen Wasserstraße zwischen Seddinseeund Eisenhüttenstadt Sohlbaggerungenund Uferbefestigungen durchgeführt. An den Schleusen in Wernsdorf, Kersdorfund Fürstenwalde sind Verlängerungen jeeiner Schleusenkammer geplant. Neben den großen Binnenwasserstraßen-verbindungen befinden sich zahlreicheweitere Bundeswasserstraßen im Gebietder WSD Ost, die für die jeweilige Regionvon erheblicher Bedeutung wegen derAnbindung von Industriestandorten, aberauch in Hinblick auf die Fahrgast- undFreizeitschifffahrt sind. Zweihundertund-zehn (210) kleinere und größere Infra-strukturmaßnahmen von Uferinstandset-zungen an der Spree in Berlin bis zumNeubau der Schleusen Spandau und Lau-enburg sind in den nächsten Jahren an die-sen Gewässern geplant.

Peter Neugebauer ist Referent in der Was-serschifffahrtsdirektion Ost.

www.wsv.de

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Über den Rhein-Main-Donau-Kanal:„... das dümmste Projekt seit dem Turmbauzu Babel“

Zitat Ex-Bundesverkehrsminister Hauff(SPD) im Kölner Stadtanzeiger vom26.9.1981.

„Es wird Zeit, der Schöpfung in der Ver-kehrspolitik mehr Raum zu gewähren“

Zitat Ex-Bundesverkehrsminister M. Wis-smann (CDU) in „Verkehrsnachrichten“,Heft 7 (1993).

Zu Projekt 17:„Leistungsfähige Wasserstraßen sind fürden Warentransport und den Wirtschafts-standort Deutschland unverzichtbar.....Containertransporte auf dem Wasser bietenenorme Potenziale und zwar nicht nur aufdem Rhein, sondern auch auf den Wasser-wegen bis hin nach Osteuropa. Hiermitkann eine beträchtliche Entlastung desStraflenverkehrs erreicht werden, wennman bedenkt, daß ein großes Binnenschiff100 Container und mehr transportierenkann, so viel wie 50 LKW.“

Zitat Parlamentarischer StaatssekretärScheffler (SPD) in Pressemitteilung120/2000 vom 10.05.2000.

THEMA

DAS MÄRCHEN VOMGUTEN BINNENSCHIFF

von Manfred Krauß, Ulrike Kielhorn, Wilfried Lücking und Sibylle Rosenkranz,BUND-Landesverband Berlin e. V.

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VorbemerkungenIn der öffentlichen Meinung und in denReden vieler Politiker gilt das Binnenschiffals das umweltfreundlichste Verkehrsmittel,dem sie am liebsten den gesamten Trans-port anvertrauen würden. Von besondererDurchschlagskraft ist dabei das ständig undjederzeit vorgetragene Argument, daß einBinnenschiff soundsoviele LKW-Fahrtenersetzt!Neben dem inzwischen in der Versenkungverschwundenen Transrapid war und ist dasProjekt 17 eines jener Großbauvorhaben imLande Brandenburg und Berlin das von denNatur- und Umweltweltschützern heftigbekämpft wird. Für den nicht so mit derMaterie vertrauten Bürger scheint es malwieder so, daß die Naturschützer sowiesogegen alles sind: erst gegen den schönenschnellen Transrapid und jetzt auch nochgegen das gute alte Binnenschiff, dasgemütlich tuckernd Güter umweltfreund-lich für uns transportiert. Sind wir nun wirklich so verbohrt oder las-sen wir uns nur von den Verkehrspolitikernkeine Märchen mehr aufbinden, wie dasMärchen vom guten ökologischen undumweltfreundlichen Binnenschiff und sei-nem Kampf um Transportanteile gegen denbösen Lastwagen und die unfähige Güter-bahn, um für uns die Autobahnen freizuhal-ten. Anscheinend gibt es jede Menge Politi-ker, die dieses Märchen noch immer glau-ben, sonst würden nicht Milliarden in denAusbau eines ineffizienten und ganz undgar nicht umweltfreundlichen Verkehrsträ-gers gesteckt!

Warum sind wir gegen Projekt 17?Der erste und wichtigste Grund ist: Es gehtuns nicht allein um die weitere Verschlech-terung des Zustands der Havel. Projekt 17als Groflschiffahrtsstrecke zwischen Elbeund Oder ist quasi die „Einstiegsdroge“ fürden Ausbau dieser beiden letzten noch rela-tiv naturnahen und unverbauten größerenFlüsse in Mitteleuropa. Und die Elbe gehörtschließlich nach Ex-Umweltminister Töp-fer zum berühmten Tafelsilber der deut-schen Einheit.Wir wissen, daß die Bundeswasserstraßen-verwaltung mit Eifer versucht, auf Biegenund Brechen dieses Projekt im Rahmen der„Transeuropäischen Netze“ umzusetzen:Nach Havel, Elbe und Oder geht es dannweiter zu Warthe, Weichsel und Bug immerRichtung Osten! Zwischendurch werdennoch Donau, Saale und Weser bearbeitet.Der zweite Grund: Je mehr man sich mitder Materie beschäftigt, Prognosen undBegründungen für Projekt 17 hinterfragt,desto mehr Ungereimtheiten entdeckt man,desto mehr gewinnt man den Eindruck,daßdieses Projekt eigentlich nichtgebraucht wird. Es ist die konsequenteFortsetzung einer lange Reihe von Fluflaus-bauten auf Kosten der Umwelt, die verkehr-lich kaum von Bedeutung sind, aber eineenorme Verschwendung öffentlicher Mitteldarstellen. Betrieben wird das alles voneiner Behörde, die dies für ihre Existenz-rechtfertigung braucht und der ökonomi-sches und ökologisches Denken gelindegesagt, sehr, sehr fremd sind. Wir wollen imfolgenden versuchen, dies zu belegen:

DAS MÄRCHEN VOM GUTEN BINNENSCHIFFvon Manfred Kraus, Ulrike Kielhorn, Winfried Lücking und Sibylle Rosenkranz

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Ausbauziele –Ausbaustandard von Projekt 17Der Ausbau von Havel, Elbe-Havel- undMittellandkanal zwischen Hannover undBerlin und der Berliner Wasserstraßengehört zu den sog. „VerkehrsprojektenDeutsche Einheit“, die mit besonderemVorrang realisiert werden sollen.Auf insgesamt 253 km Länge sollen Flüsseund Kanäle entsprechend der Wasser-straßenklasse Va/Vb ausgebaut werden,damit Schubverbände von 185 m Länge,11,40 m Breite und einer Tragfähigkeit von3.500 t sowie Großmotorgüterschiffe miteiner Länge von 110 m und einer Trag-fähigkeit von 2.000 t voll beladen fahrenkönnen. Dies erfordert eine Vertiefung derGewässer auf 4 m. Kernstück der Planun-gen ist eine von den Elbe-Wasserständenunabhängige Kreuzung der Elbe bei Mag-deburg, da bislang deren stark schwanken-de Wasserstände die Abladetiefe einschrän-ken. Im Bundesverkehrswegeplan 1992wurden für diesen Zweck 4 Mrd. DM vor-gesehen; mittlerweile sind 5,4 Mrd. DMveranschlagt.Die Wasserstraßenklasse Va/Vb ist nach denVorgaben des Bundesverkehrsministeriumsangeblich der gängige westeuropäische Stan-dard, an den die ostdeutschen Flüsse undKanäle dringend angepaßt werden müssen.Dieser Standard wird aber im wesentlichennur auf dem Unterlauf des Rheins erreicht.Auf den Kanälen wird dieser Standard z. Zt.erst hergestellt. So kostet allein der Ausbaudes Mittellandkanals bis Hannover weitere 5Mrd. DM, diese müßten eigentlich dem Pro-jekt 17 zugeschlagen werden.

Daß dieses Standardmaß weitgehend nichtvorhanden ist, kann man auch am Jahrhun-dertbauwerk Rhein-Main-Donau-Kanalerkennen. Obwohl erst 1992 fertiggestellt,wurde er für wesentlich kleinere Schiffstypengebaut. Er ist demnach eigentlich schon ver-altet und bedürfte nach der Logik der Wasser-bauer einer dringenden Verbreiterung.Die Planungen für das Projekt 17 gehen aufÜerlegungen aus den 20er Jahren zurückund reihen sich in die lange Reihe immerneuer Ausbaustufen ein, die jeweils für dieEwigkeit projektiert wurden, um sich dannschnell als zu klein zu erweisen. So wurdeauch der Ausbau des Teltowkanals in West-Berlin in den 70er Jahren als Zukunftsinve-stition verkauft, während der erneute Aus-bau heute damit begründet wird, daß derKanal ja auf dem Stand der 20er Jahre sei.Zusätzlich sollen auch der Oder-Havel-Kanal und die Hohensaaten-Friedrichstha-ler-Wasserstraße ausgebaut werden, um dieAnbindung nach Stettin zu verbessern. Diessoll jedoch wiederum mit einem kleinerenAusbaustandard realisiert werden als Pro-jekt 17. Die Kosten werden auf 3-4 Mrd.veranschlagt. Damit beläuft sich der Ausbau der gesam-ten Strecke vom Mittelandkanal bis Stettinauf mindestens 13-15 Mrd. DM.

Die Trans-Europäischen-NetzeMit der von vorneherein beabsichtigtenWeiterführung nach Polen hat das Projekt17 auch internationale Bedeutung. Im April1994 legte die Europäische Kommissioneinen Vorschlag über Leitlinien für denAufbau eines transeuropäischen Verkehrs-

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netzes (TEN) bis zum Jahr 2010 vor, derauf bereits früher getroffenen Entscheidun-gen zur Schaffung von Netzen für Hochge-schwindigkeitszüge, den kombinierten Ver-kehr, den Straflenverkehr und die Binnen-schiffahrt aufbaut. 1995 wurde die Projektliste hinsichtlichBauzeiten und Kosten konkretisiert. DieElbe-Oder-Verbindung wurde dabei nichtlänger als prioritär eingestuft, sondern vonweiteren Prüfungen abhängig gemacht. Fol-gerichtig findet sich das Projekt 17 auchnicht auf der Liste der vorrangig zu realisie-renden Verkehrsprojekte der EU, obwohldie Wasser- und Schiffahrtsdirektion sichimmer auf die europäische Bedeutungberuft. Andererseits kümmern sich manche Länderauch nicht um der derartige Festlegungenim Rahmen der EU. Dies belegt der klugeVerzicht der französischen Regierung aufden Ausbau des Rhein-Rhone-Kanals imletzten Jahr. Dort wird dem Ausbau derWasserstraßen längst nicht jene Bedeutungbeigemessen wie bei uns, ohne daß daswirtschaftliche Wachstum darunter leidet.

Natur- und Landschaftszerstörung durchden AusbauWesentliches Merkmal naturbelassenerFlüsse und ihrer Auen ist der jährlicheWechsel von Hoch- und Niedrigwasser.Diese sind durch ein sich dynamisch verän-derndes kleinräumiges Mosaik unterschied-licher Standortbedingungen gekennzeich-net und gehören zu den am meisten gefähr-deten Naturräumen Europas. Durch dieseDynamik sind sie in der Regel nicht

ganzjährig schiffbar. Es bedurfte enormerEingriffe in die Gewässer, z.B. durch denBau von Staustufen, Begradigungen undmassive Uferbefestigungen, um sie zurNutzung als Wasserstraße herzurichten.Dadurch wurden überall in Deutschlandeinzigartige Naturlandschaften zerstört.Besonders ins Gewicht fällt dabei der Ver-lust der Auendynamik und der periodischüberschwemmten Vorländer bei staugere-gelten Flüssen wie der Havel. Unterhalbvon Staustufen kommt es zur Eintiefungdes Fluflbetts, weil das Geschiebe fehlt.Auch die Einengung des Fluflbetts durchBuhnen wie an der Elbe führt zur Eintie-fung und damit Austrocknung der Auenbe-reiche.Auch die Havel wurde bereits vor der Jahr-hundertwende in Teilabschnitten kanalisiert(z. B. Sacrow-Paretzer Kanal 1874-76) undschon wesentlich früher gestaut. Die Ein-griffsintensität war aber aufgrund der tech-nischen Möglichkeiten und der moderatenSchiffsgrößen relativ gering. So ist trotzallem der Fluß als naturnah zu bezeichnen.Es gibt ausgedehnte überschwemmungszo-nen und Mäander. An den seenartigenErweiterungen finden sich ausgedehnteRöhrichte. Viele Gebiete entlang des Flus-ses sind von hoher Bedeutung für denNaturschutz und sind schon heute als „Spe-cial protected bird areas“ (SPA) geschützt,bzw. werden in Zukunft nach der Flora-Fauna-Habitat (FFH)-Richtlinie der EUBestandteil eines europaweiten Schutzge-bietssystems sein.Der Ausbau zur Großschiffahrtsstraßeerfordert an vielen Abschnitten Quer-

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schnittserweiterungen und Vertiefungen derGewässersohle auf 4 m. Die Ufer müssenwegen des Wellenschlags der Großschif-fahrt mit Steinschüttungen oder Spundwän-den befestigt werden.Da die Fahrrinne teilweise durch ausge-dehnte Seengebiete führt, ist an deren röh-richtbestandenen Ufern durch den Wellen-schlag der Schiffahrt mit starken Beein-trächtigungen zu rechnen. An der BerlinerHavel gingen innerhalb von 40 Jahren dieRöhrichtbestände um ca. 70 % zurück undzwar in erster Linie verursacht durch denWellenschlag von Fracht- und Fahrgast-schiffen sowie Motorbooten. Nach demVerschwinden des Röhrichts erodiert dasgesamte Ufer. In Berlin werden deshalb seit1993 jährlich ca. 2-3 Mill. DM für dieBeseitigung dieser Schäden ausgegeben.Aus den genannten Gründen lehnen sowohlder Sachverständigenrat für Umweltfragen inseinen Umweltgutachten von 1998 als auchdas Umweltbundesamt (UBA 1997) weitereAusbaumaßnahmen an Fließgewässern ab.

Reicht das Wasser?Havel und Spree täuschen mit ihren seenar-tigen Erweiterungen einen in Realität nichtvorhandenen Wasserreichtum vor. Ursachedafür sind Niederschlagsmengen von unter700 mm, die nur geringe Abflußspendenerlauben. Im Gegensatz zu Rhein, Neckaroder Mosel sind Havel und Spree typischeFlachlandflüsse mit einem sehr geringemGefälle und einer äußerst geringen Wasser-führung (Unterhavel, Berlin MW = 55m3/s.; Rhein, holländische Grenze MW =2.270 m3/s.).

Das Abflußverhalten der Spree, als demwichtigsten Wasserlieferanten für die Aus-baustrecke, ist zudem mit dem andererFlüsse kaum zu vergleichen, da es seit Jahr-zehnten durch die Braunkohleförderung inder Lausitz bestimmt wird. Ein großer Teilder heutigen Wasserführung besteht ausSümpfungswasser der Tagebaue, dessenMenge jedoch stark zurückgegangen ist.Die aus diesem Grund geplanten Speicher-becken in der Niederlausitz zum Ausgleichdes sommerlichen Spreeniedrigwasserswerden in Zukunft bis zu ihrer endgültigeFüllung vermutlich sämtliche Hochwässerder Spree schlucken. Die inzwischen all-jährlich auftretenden Abflußengpässe zei-gen die angespannte Situation, obwohl z.B.der Spree regelmäßig stark verschmutztesOderwasser über den Oder-Spree-Kanalzugeführt wird.An der Havel läßt die Verbreiterung desFlußbetts und die Vertiefung der Fahrrinnemögliche Hochwässer schneller abfließen.Verbunden mit der zukünftigen Wasser-mangelsituation ergibt sich daraus, daß ander unteren Havel vermutlich kaum nochFrühjahrshochwässer auftreten werden, diezur Aufrechterhaltung der Auendynamikaber unbedingt notwendig sind.Die Verbreiterung des Sacrow-ParetzerKanals führt dazu, daß die Durchströmungder Potsdamer Havelseen noch mehrabnimmt. Hier muß mit einer drastischenVerschlechterung der Wasserqualitätgerechnet werden.Für die Schifffahrt kamen daher die Bran-denburger und Berliner Umweltbehördenzu folgendem Urteil: „Aus dem Vergleich

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der Bilanzergebnisse mit dem Wasserbedarfder Schifffahrt sind Probleme sowohl in derSpree als auch in der Havel ersichtlich. AmPegel Ketzin drohen im Monat Juli Ein-schränkungen für die Schifffahrt, da derMindestdurchfluß unterschritten werdenkann, in Berlin sind die Monate Juni bisAugust betroffen. Insbesondere im inner-städtischen Bereich ist zeitweilig mit einervölligen Einstellung der Schifffahrt inTrockenwetterzeiten zu rechnen.“ Hinzu kommt, daß bei einem zukünftig ver-stärkten Transport wassergefährdenderStoffe mittels Tankschiffen auch mit dererhöhten Wahrscheinlichkeit von Havariengerechnet werden muß, wie es das Beispieldes Rheins fast wöchentlich zeigt. Auf-grund der geringen Fließgeschwindigkeitder Havel kommt es hier zu einer wesent-lich höheren Verweildauer der freigesetztenStoffe im Wasser, was im Raum Berlin zueiner katastrophalen Gefährdung der Trink-wasserversorgung aus Uferfiltrat führenkann, da sich die Brunnengalerien entlangder Havelufer befinden.Die ökologischen Schäden und Lebens-raumverluste durch Ausbau und Unterhal-tung der Wasserwege für die Binnenschiff-fahrt sind für uns zu gravierend, als daß hiervon einem ökologischen Verkehrsmittelgesprochen werden kann.

Energieverbrauch undLuftverschmutzung durch Binnenschiffe Von den Lobbyisten der Binnenschiffahrtwird unermüdlich behauptet, daß das Bin-nenschiff in Punkto Energieverbrauch dasumweltfreundlichste Transportmittel über-

haupt sei. Zu diesem Thema gibt es eineerkleckliche Zahl von Gutachten mit teil-weise differierenden Ergebnissen. DerPrimärenergieverbrauch der Frachtschif-fahrt ist jedenfalls nach diesen Quellen nurunwesentlich geringer, teilweise aber auchhöher als derjenige der Güterbahn. Hat dasBinnenschiff somit zwar leichte Vorteile imTreibstoffverbrauch je Tonnenkilometergegenüber der Bahn und speziell dem Lkw,so sieht dies ganz anders aus, sobald diegesamte Transportkette von Haus zu Hausbetrachtet wird. Aufgrund der wesentlichgeringeren Netzdichte des Gewässersy-stems erfordert der Transport per Schiffweitaus häufigere und längere An- undAbtransporte als bei der Bahn, und dieseerfolgen meist mit dem Lkw.Die „Mobilitäts-Bilanz“, eine neue Studieerstellt vom Institut für Energie- undUmweltforschung Heidelberg (Ifeu 1999),im Auftrag vom World Wildlife Found undder Deutschen Bahn, kommt dabei zu fürdas Binnenschiff nicht gerade positivenAussagen. Dabei wurde unter anderem derHeizöltransport von einer Hamburger Raf-finerie zu einem Heizöllager in Berlin mitBahn und mit Binnenschiff verglichen.Notwendige Rangiervorgänge wurdenebenso berücksichtigt, wie der Energieauf-wand für den Schleusenbetrieb.für den Vergleich wurde der Primär-Ener-gieverbrauch, sowie verschiedene Emissi-onsparameter erfasst. Im Ergebnis benötigtdie Bahn im Vergleich zum Schiff nur etwahalb so viel Energie. Noch günstigerschneidet sie bei den CO2-Emissionen ab.Bei den Nicht-Methan-Kohlenwasserstof-

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fen und bei den Stickoxiden ist der Schad-stoffausstoß des Binnenschiffs sogar 20-mal so hoch wie die der Bahn. Das liegt amDieselantrieb des Schiffs im Vergleich zumweitgehend elektrisch geführten Bahntrans-port.Damit zeigt sich, daß die Emissionsbela-stungen durch die Binnenschiffahrt erheb-lich größer sind, als von deren Befürwor-tern immer behauptet wurde. Bislang gibtes für die Binnenschiffe auch keine Emissi-onsgrenzwerte. LKW-Motoren werdendagegen aufgrund der strengen Euro-Nor-men immer sauberer. Es stellt sich hier dieFrage, mit welcher Berechtigung die Bin-nenschiffahrt von Emissionsgrenzwertenausgenommen wird, während selbst Rasen-mäher heutzutage schon mit Katalysatorenausgestattet sind.Hinzu kommt, daß die Flotte der Binnen-schiffe mit einem Durchschnittsalter von 48Jahren recht betagt ist. 65% ihrer Motorensind älter als 36 Jahre und entsprechendamit nicht dem Stand der Technik. Sierußen mit dem billigsten Diesel ungehin-dert vor sich hin. Damit entpuppt sich dasArgument vom energiesparenden undumweltfreundlichen Binnenschiff bei nähe-rer Betrachtung als Märchen.

Prognosen und WeissagungenZur Bedarfsbegründung für Projekt 17 wur-den vom Bundesverkehrsministeriumumfangreiche Gutachten über die zukünfti-ge Verkehrsentwicklung und den darausresultierenden Bedarf erstellt. Leider sinddiese Gutachten, gelinde gesagt, eine Zumu-tung. Die darin vorgebrachten Argumente

beruhen auf veralteten Daten und sind teil-weise schlichtweg sachlich unzutreffend.Bereits 1992 wurde von dem PlanungsbüroPlanco-Consulting (1992) eingestanden,daß es sich bei den eigenen Prognosen umobere Erwartungswerte handeln würde unddie „best-case-Prognose“ als Berechnungs-grundlage gewählt wurde. Mittlerweile sindjedoch erhebliche Veränderungen dergrundlegenden Strukturdaten eingetreten.Die Bevölkerungszahl ging zurück und dasWachstum insbesondere in den neuen Län-dern lag deutlich unter den Prognosen.Trotzdem wurde 1995 mit der alten Progno-se weiter gearbeitet. Dazu sei nur ein aktu-elles Beispiel vom Teltowkanal erwähnt:Bei der Prognose der Transportmengen ander Schleuse Kleinmachnow wird der Ein-bruch nach der Umstellung des Kraftwer-kes Lichterfelde auf Gas verschwiegen.Von den 1997 transportierten 1 Mio. t sindnämlich 1999 nur noch 511.001 t geblieben.Vom Deutschen Institut für Wirtschaftsfor-schung (DIW 1994) stammen im Rahmendes Energiekonzeptes für Brandenburgneuere Daten: Darin wird für 2010 für Ber-lin ein Aufkommen von 6,4 Mio. t, beiBegünstigung der Binnenschiffahrt durchein Maßnahmenbündel aus ordnungs- undfinanzpolitischen Eingriffen und techni-schen Verbesserungen von 7,3 Mio. t vor-hergesagt. Nach Planco-Consulting sollenaber über 14 Mio. t umgeschlagen werden.Das von der Gemeinsamen Landespla-nungsabteilung Berlin-Brandenburg miteiner Überprüfung der vorhandenen Gut-achten zur Wirtschaftlichkeit des Projekt 17beauftragte Büro Emch & Berger (1999)

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bezeichnete ebenfalls die zugrundeliegen-den Prognosen als überholt und fordertederen Überarbeitung. Solange sollten Ent-scheidungen über die Realisierung des Pro-jekt 17 ausgesetzt werden.Im übrigen sind derzeit nach Angaben desbrandenburgischen Wirtschaftsministeri-ums die Wasserstraflen nur zu 30 % ausge-lastet. Das Transportvolumen könnte alsoauch ohne Ausbau drastisch gesteigert wer-den. Zusätzlich verbessern sich mit demAusbau des Wasserstraflenkreuzes Magde-burg und des Elbe-Havel-Kanals die Ver-hältnisse derart, dafl Berlin ab 2003 mitGroflmotorschiffen bis zu einer Abladetiefevon 2,20 m angefahren werden kann.Dadurch ergibt sich eine Steigerung derAbladetiefe um 67 %. Weitere Baumaflnah-men wären dadurch mehr als überflüssig.Im übrigen ist die Schönrechnerei durchGutachten eine alte Praxis und mufl nichtweiter verwundern, denn bei allen Kanal-Großprojekten der vergangenen Jahre(Elbe-Seiten-Kanal, Rhein-Main-Donau-Kanal, Saarausbau) gab es keine seriösenKosten-Nutzen-Analysen. Die Transport-prognosen lagen in der Regel um ein Mehr-faches über dem tatsächlich eingetretenenWert, während die Kosten immer wesent-lich niedriger eingeschätzt wurden. Dervolkswirtschaftliche Nutzen wurde undwird bei allen Wasserstraßenbaumaßnah-men immer schöngerechnet!

Die Bedeutung der Binnenschiffahrt imTransportgeschehenAufgrund vieler systemeigener Nachteileist die Binnenschiffahrt immer weniger in

der Lage, unter den derzeitigen politischenBedingungen dem das Transportgeschehendominierenden LKW wesentlich Marktan-teile abzunehmen. Wie sehr Schätzungenund Realität der Verkehrsentwicklung imgesamten Bundesgebiet auseinander klaf-fen, zeigt die Abb. 1. Binnenschiff undBahn dümpeln unterhalb der vorhergesag-ten Transportmengen vor sich hin, währendder LKW einen Transportzuwachs weitüber der Vorhersage erfuhr.Zwar ist die Binnenschiffahrt der AltenBundesländer durch die sehr leistungsfähi-ge Wasserstraße Rhein und die Konzentrati-on von Industrie in diesem Bereich geprägt.Ihr Anteil am Transportaufkommen in denalten Bundesländern lag aber trotzdem nurbei ca. 20 %. Davon werden rund 75 %allein auf dem Rhein erbracht. In den neuenBundesländern beträgt der Anteil der Bin-nenschiffahrt am Transportaufkommenlediglich satte 4 % (Emch & Berger 1999).Dies zeigt, wie unbedeutend der Ausbau derHavel für die Transportströme insgesamt istund wie unbrauchbar die Übertragung vonEntwicklungstendenzen in der Binnenschif-fahrt von west- auf ostdeutsche Verhältnisseist.Der insgesamt geringe Anteil am gesamtenTransportvolumen liegt vor allem in densystembedingten Nachteilen der Binnen-schiffahrt begründet. Es sind dies vor allemgeringe Transportgeschwindigkeiten ver-bunden mit einer zumeist langen Bereitstel-lungsdauer, zeitweilige (teilweise monate-lange) Unterbrechung des Betriebs durchHoch- und Niedrigwasser, Nebeltage undEisgang (bei zwei Monaten Frost-Pause ist

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z.B. in Ostdeutschland kein durchgehender„Just-in-Time“-Betrieb möglich) und dieBindung an einen Verkehrsweg mit extremgeringer Raumerschlieflung. Ihr größter Vorteil hingegen sind die niedri-gen Frachtkosten im ungebrochenen Ver-kehr, d.h. im direkten Transport vom Verla-der zum Empfänger ohne Vor- oder Nach-lauf mit Bahn und LKW. Dementsprechendliegt das hauptsächliche Transportaufkom-men der Binnenschiffahrt im Bereich derMassengüter, die auf geringe Frachtpreiseangewiesen sind. Ein Umladen der Frachtmacht diese erheblich teurer. Dadurch kön-nen die Umschlagkosten die Transportko-stenvorteile der Binnenschiffahrt rechtschnell aufzehren. Hinzu kommt, daß sichinfolge des Strukturwandels der Wirtschaftdie Zusammensetzung der Güter stark ver-ändert. Der Trend geht dabei immer stärkerin Richtung auf leichtgewichtige undhöherwertige Güter, an deren Transport dieBinnenschiffahrt aber nur einen unbedeu-tenden Anteil hat. Einige Reedereien versuchen sich den ver-änderten Verhältnissen anzupassen undhaben im Containertransport auf dem Rheineinen neuen Markt erschlossen. Inzwischenwerden 90% des Binnenschiffahrt-Contai-nerverkehrs auf dem Rhein abgewickelt.Dies macht aber nur 4% der gesamten Bin-nenschiff-Transportmenge aus. Abgesehendavon werden aber immer noch 60 % derüber See ein- und ausgehenden Containermit dem LKW entlang der Rheinschienetransportiert (Handelsblatt 5.2.1992).Offensichtlich sind demnach noch andereKriterien als ein günstiger Transportpreis

für die Verkehrsmittelwahl ausschlagge-bend (Petschow & Meyerhoff 1993).So ist denn auch in den Alten Bundeslän-dern der Anteil der Binnenschiffahrt amTransportvolumen von 30 % im Jahr 1960auf 17 % im Jahr 1998 zurückgegangen.Dies geschah trotz umfangreicher Ausbau-maßnahmen und dem Einsatz von Schiffenmit deutlich höherer Tragfähigkeit. Ange-sichts dieser Tatsachen scheint die auf derRelation Hannover-Magdeburg-Berlin pro-gnostizierte Bedarfssteigerung von gegen-wärtig 4 Mio. t auf 20 bis 25 Mio. t unddamit eine Steigerung des Transportauf-kommens von 4% auf 21% schieresWunschdenken, zumal auch die aktuellenZahlen von 1999 einen Rückgang derTransportmengen in der Binnenschiffahrtbundesweit von über 6% zeigen.Von Bedeutung ist auch, daß die derzeit inden Berliner Häfen umgeschlagenen Güter-mengen ihre Quellen zu 50 % im RaumBerlin/Brandenburg haben und damitLokalverkehre sind. (Emch & Berger1999). Der hohe Anteil der regionalenTransporte resultiert aus der Bautätigkeit inBerlin, die zum einen stetig abnimmt undderen Großbaustellen in Bereichen liegen,die auch in Zukunft nur mit herkömmlichenSchiffen angefahren werden können, denndie innerstädtischen Wasserstraßen sollennicht ausgebaut werden.Somit wird sehr deutlich, dafl allein dieVerbesserung der Infrastruktur, sprich Was-serstraßenausbau, der Binnenschiffahrt kei-ne zusätzlichen Güter bringt und damitauch nicht die Strafle entlastet wird. Solan-ge aber die vorhandenen Potentiale nicht

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ausgeschöpft sind, ist ein zusätzlicher Aus-bau der Flüsse und Kanäle grundsätzlichabzulehnen.

Gibt es überhauptVerlagerungspotentiale?Binnenschiff und Eisenbahn sehen sicheiner massiven Konkurrenz durch denLKW ausgesetzt, der ihnen Jahr für Jahrmehr Anteile an dem immer noch wachsen-den europäischen Transportmarkt abnimmt.Der große Vorteil des LKWs ist seineSchnelligkeit und die Fähigkeit, praktischjeden Zielort ohne Umladevorgänge anzu-fahren (Petschow & Meyerhoff 1993).Zudem ist er konkurrenzlos billig. Es istnicht erkennbar, wie aus diesem Grund daswesentlich langsamere und unflexiblereSchiff dem LKW Marktanteile wegnehmenkann. Dazu kommen die geringe Netzdich-te, die derjenigen der Bahn um das 10-facheunterlegen ist und die enorme Witterungs-abhängigkeit.Schließlich gibt es auch eine sehr geringeBereitschaft vieler Unternehmen die Bin-nenschiffahrt als Transportmittel anzuneh-men. Dies ergab ein Gutachten zur zukünf-tigen Nutzung der Binnenschiffahrt und derErschlieflung neuer Transportpotentiale(Planco-Consulting 1999). Danach könnensich zwei Drittel aller Unternehmen, diebislang die Binnenschiffahrt nicht nutzen,den Einsatz prinzipiell nicht vorstellen. Vonden Unternehmen, die sich einen erstmali-gen oder verstärkten Einsatz vorstellenkönnen, liegen die meisten am Rhein oderseinen Nebenflüssen. Als Begründung fürden grundsätzlichen Ausschluß zur Nut-

zung der Binnenschiffahrt wurde von denbefragten Unternehmen zum überwiegen-den Teil• zu lange Transportzeiten (50 %) • die geringe Wasserstraßennetzdichte (20 %)• schlechte Partiegrößen (20 %)angeführt. Die Transportkosten, die von derBinnenschifffahrt immer wieder alsBegründung für den verstärkten Ausbau derWasserstraßen herhalten müssen, wurdenlediglich von 6% der befragten Unterneh-men als Ausschlußgrund erwähnt. Kritisiertwurden aber die hohen Umschlagskostenund der meist doch wieder notwendige Vor-und Nachlauf mit dem LKW. An diesenAusschlußgründen wird auch das Projekt17 nichts ändern.Da bislang hauptsächlich Massengüter wieBaustoffe, Erze, Schrott, Düngemittel,Getreide, Mineralöl und Kohle, deren Lie-ferung nicht an kurze Transportzeitengebunden ist, mit dem Schiff transportiertwerden, wird es auch von dieser Seite zukeiner nennenswerten Entlastung desGüterverkehrs auf den Straßen kommen,sondern es wird einzig der Bahn Konkur-renz gemacht, die mit dem Binnenschiffgenau um diese Güter in einem ruinösenWettbewerb steht. Bei der Diskussion, die Güter von derStraße auf Bahn und Binnenschiff zu verla-gern, wird in der Regel vergessen, daß 80 %der LKWs auf der Autobahn dem Regional-und Nahverkehr zuzuordnen sind. Vondaher besteht auch aus diesem Grund nurnoch ein geringes Verlagerungspotential fürBahn und Binnenschiff, da für sie imwesentlichen der Fernverkehr relevant ist.

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Damit ist zu erwarten, dafl mittelfristig kei-ne nennenswerte Verkehrsverlagerung vonder Straße auf das Schiff stattfinden wird.Gewinner bleibt der LKW, Verlierer sindallemal Bahn und Schiff. Dies wird durchden Rückgang der Transportmengen vonMassengütern noch forciert.Zu diesem Ergebnis kommt auch ein Gut-achten im Auftrag des UBA (1994) Danachfördert die gegenwärtige Verkehrspolitiktrotz gegenteiliger Behauptungen der Poli-tiker den LKW-Verkehr und verschlechtertdie Position von Bahn und Binnenschif-fahrt. Es finden keine Verlagerungen statt.Selbst das Binnenschiff begünstigendefinanz- und ordnungspolitische Maflnah-men bringen danach kaum Zuwächse.Schließlich verfügt nach Aussagen derDeutschen Bahn AG das Streckennetz inden neuen Bundesländern über erheblicheKapazitätsreserven. Im Jahr 2010 wird esbei den derzeitigen Ausbauvarianten (paral-lel zum Projekt 17) täglich über 100 freieFahrbahntrassen je Richtung geben, die fürzusätzliche Güterzüge genutzt werden kön-nen. Dies bedeutet eine zusätzliche Ver-kehrsleistung von mindestens 25 Mill. to/a.Dies ist in etwa die Verkehrsleistung, mitder Projekt 17 begründet wird.

SubventionierungBei den gesamten Berechnungen zur Wirt-schaftlichkeit der Binnenschiffahrt fallendie beachtlichen Subventionen unter denTisch, die vom Steuerzahler getragen wer-den. Von ihren Befürwortern wird die Bin-nenschifffahrt immer wieder als hoch wirt-schaftlicher Verkehrsträger bezeichnet.

Dies kann aber angesichts der Befreiungvon der Mineralölsteuer und einem Wege-kostendeckungsgrad von rund 10% nur alsschlechter Witz bezeichnet werden. Für 1994 schätzt das DIW, daß 20-25% derEinnahmen der Binnenschiffahrt für dieMineralölsteuer hätten aufgewendet wer-den müssen. Wären die gesamten unge-deckten Kosten (Wegekosten und externeKosten durch Umweltschäden) durch eineAnhebung der Mineralölpreise ausgegli-chen worden, hätten die Aufwendungen fürTreibstoff den Gesamteinnahmen aus denBeförderungsleistungen entsprochen.Während also die privat organisierte Bin-nenschiffahrt in hohem Maß direkt undindirekt durch den Staat subventioniertwird, mufl die Bahn, zwar jetzt AG, abernoch immer im Staatsbesitz befindlich, fürihre Dieselloks Mineralölsteuer bezahlenund wurde auch nicht von der Ökosteuerbefreit!Um es drastischer zu formulieren: Müßtedie deutsche Binnenschiffahrt ab sofortMineralölsteuer bezahlen, wäre sie kurz vorder Pleite, müßte sie ihre Wegekosten imgleichen Maße wie die Bahn zahlen, gäbesie es von heute auf morgen nicht mehr.

ResümeeIm Wertesystem der für die Flüsse in unse-rer Gesellschaft verantwortlichen Behördenund Politiker ist offensichtlich nicht dasBewußtsein vorhanden, dafl Flüsse dieLebensadern unseres Planeten sind. Andersist es nicht zu erklären, daß alle anderenBelange wie Naturschutz, Erholung, undsogar der Wasserwirtschaft etc. der Nut-

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zung als Wasserstraßen untergeordnet unddie Flüsse als Transportkanäle zugerichtetwerden. Die Forderung nach Schutz wert-voller Lebensräume im Ausland, wie z.B.den tropische Regenwäldern, ist mittlerwei-le schon als Lippenbekenntnis fast einSelbstverständnis. Andererseits sind dieverantwortlichen Behörden in unseremeigenem Land nicht Willens und in derLage, wertvolle Biotope vor der Zerstörungzu schützen.Durch die bisherige Verkehrspolitik wurdenbereits immense Flächen und Ressourcenverbraucht, ökologisch intakte Landschaf-ten zerschnitten und unwiederbringlich zer-stört. Trotz gewachsenen Wissens über öko-logische Zusammenhänge sollen nun nochdie letzten vorhandenen naturnahen Fließ-gewässer verbaut werden. Dem Bedürfnisder Menschen nach Erholung in diesenLandschaften und dem Schutz der Naturgü-ter wird damit in keiner Weise Rechnunggetragen. Dort, wo schon Schutzgebieteausgewiesen wurden (z.B. Elbtalauen),werden diese vom Bundesverkehrsministe-rium unterlaufen und damit selbst interna-tionale Verpflichtungen ignoriert. In diesemSinne brauchen wir dringend eine neueökologisch ausgerichtete Flußpolitik, dersich die verkehrlichen Belange der Binnen-schiffahrt unterzuordnen haben. Bevor überhaupt weitere Ausbaupläne vonWasserstraflen in Erwägung gezogen wer-den, mufl mit allen zu Gebote stehendenMitteln das stetige Anwachsen des Güter-verkehrs in Europa gestoppt werden, umweiteren Flächenverbrauch, weitere massi-ve Eingriffe in die sensiblen Fluflsysteme

und das immense Anwachsen des Energie-verbrauchs und der dadurch hervorgerufe-nen CO≤ -Emissionen zu verhindern. Zuletzterem hat sich die Bundesrepublik 1990im Zuge der internationalen Klimarahmen-konvention verpflichtet. Bis zum Jahr 2005sollen die CO≤-Emissionen um 25 % (aufder Basis von 1990) reduziert werden.Während die deutschen Umweltministervon schwarz bis grün aus den genanntenGründen gebetsmühlenartig betonen, daßder Verkehr drastisch reduziert und teurerwerden muß und selbst der verkehrswissen-schaftliche Beirat des Bundesverkehrsmini-sters dies fordert, tut der Bundesverkehrs-minister zur gleichen Zeit genau dasGegenteil: Er baut die drei konkurierendenVerkehrsträger Straße, Bahn und Binnen-schiff aus, um so den Verkehr noch billigerzu machen. Ohne zusätzlich Lenkungs- und Steue-rungsmaflnahmen ergeben sich aber keineVerlagerungseffekte vom LKW auf dasBinnenschiff oder besser noch zur Bahn,sondern es erhöhen sich die Transportmen-gen insgesamt, weil so das „Just in time“-Prinzip durch die Deregionalisierung vonErzeugung und Verbrauch noch weiterzunimmt.Der parallele Ausbau dreier miteinanderkonkurrierender Verkehrsträger ist wederökologisch noch volkswirtschaftlich ver-tretbar, weil er den Transport auf Kostender Allgemeinheit verbilligt und dadurchimmer mehr Verkehr erzeugt. Angesichtsder immer knapperen öffentlicher Finan-zen, der finanziellen Probleme der Bahnund der Forderung nach weiterem Ausbau

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der Autobahnen drängt sich die Frage auf,ob und wie lange noch sich auch ein so rei-ches Land wie die BRD den parallelen Aus-bau von drei konkurrierenden und auchnicht kooperationswilligen Verkehrsträgernleisten kann.Diese Verkehrspolitik ist konzeptionslos,ökonomisch bedenklich und in höchstemMaße umweltschädlich.

Was will das Aktionsbündnis gegen denHavelausbau?Wir lehnen Projekt 17 sowie alle weiterenNachfolgeprojekte ab, da eine realistischeBewertung ergibt, daß der Wasserstraßen-ausbau in Brandenburg und Berlin keineerhöhte Dringlichkeit besitzt, das progno-stizierte Wachstum des Transportvolumensnicht eintreten wird und vor allem die Bin-nenschiffahrt nicht in der Lage ist, zur Ent-lastung der Straßen vom Güterverkehr bei-zutragen. Wir halten die Eingriffe und ihre Auswir-kungen auf Natur- und Landschaft beson-ders aufgrund der prekären Wasserhaus-haltssituation für nicht ausgleichbar. Fahr-wasservertiefungen auf 4 m, Querschnitt-serweiterungen, Durchstiche von Mäandernund fester Uferbau mit Steinschüttungenund Spundwänden können von uns nichtakzeptiert werden.Wir akzeptieren weiterhin auf den bereitsbestehenden Trassen den Betrieb mit Bin-nenschiffen der Europaklasse (Johann Wel-ker; 80 m Länge, 9 m Breite, 2,5 m Tief-gang). Die Instandhaltungsmaßnahmen an denBrandenburger und Berliner Wasserstraßen

müssen auf ein zur Aufrechterhaltung desderzeitigen Betriebs notwendiges Mini-mum beschränkt werden. Beim Unterhaltmüssen die Belange des Naturschutzes undder Wasserwirtschaft Berücksichtigung fin-den.Es darf keinen Ausbau von Elbe, Oder undSaale geben. Nicht die Flüsse Europas müs-sen dem wirtschaftlichen Wachstumswahnangepaßt werden, sondern die Schiffs-größen müssen sich den vorhandenenGewässerstrukturen anpassen. Soll Binnen-schiffahrt in Zukunft weiterhin möglichsein, muß das Bundesverkehrsministeriumin dieser Hinsicht Neuentwicklungen för-dern. Die Bundesregierung muß sich des-halb auch dafür einsetzten, daß im Rahmender Transeuropäischen Netze keine Mittelmehr für den Ausbau von Wasserstraßenzur Verfügung gestellt werden.Für jeden größeren Eingriff in Natur undLandschaft, also auch beim Projekt 17, mußjeweils eine Gesamtumweltverträglichkeit-sprüfung entsprechend den EG-Richtlinienerstellt werden. Das heißt, für die gesamteAusbaustrecke vom Mittellandkanal bisStettin Prüfung der Nullvariante und mögli-cher Ausbauvarianten. Dazu gehört auchdie Prüfung anderer Transportalternativen,z.B. ob Investitionen in das bestehendeBahnnetz nicht weitaus sinnvoller undeffektiver sind.Im Rahmen der Überarbeitung des Bundes-verkehrswegeplans muß es zu einer Neube-stimmung der Rolle der Binnenschifffahrtkommen. Die ökologischen Auswirkungender Binnenschiffahrt dürfen dabei nichtweiter heruntergespielt werden.

DAS MÄRCHEN VOM GUTEN BINNENSCHIFFvon Manfred Kraus, Ulrike Kielhorn, Winfried Lücking und Sibylle Rosenkranz

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Im Sinne einer Gleichbehandlung der Ver-kehrsträger fordern wir die sofortige Ein-führung der Mineralölsteuer für die Bin-nenschifffahrt. Desweiteren ist diese anihren Verkehrswegekosten voll zu beteili-gen. Es darf keine versteckten Subventio-nen für alle Verkehrsträger mehr geben.Als verkehrslenkende Maßnahme fordernwir zum schnellstmöglichen Zeitpunkt dieEinführung einer leistungsbezogenenSchwerverkehrsabgabe (LSVA) für denLKW. Weitere Maßnahmen müssen folgen.Alle Verkehrsträger müssen zukünftig fürihre Folgekosten aufkommen.Vor einer Zustimmung zum Neu- oder Aus-bau von Wasserstraßen müssen längst über-fällige Konzepte zur Verkehrsvermeidungentwickelt und umgesetzt werden. Dazu istes notwendig, das Verkehr erzeugende „Justin Time“-Prinzip zurückzudrängen. DieBundesregierung muß sich dafür aufeuropäischer Ebene einsetzen.Bereits im Bundeshaushalt eingeplanteMittel für den Wasserstraflenausbau sollenfür die Renaturierung verbauter Flußland-schaften wie z. B. die Untere Havel undMittlere Elbe usw. verwendet werden, umeine gewisse Wiedergutmachung zu leisten.Das würde auch Arbeitsplätze bei den Was-serstraßen-Neubauämtern erhalten.Die in Brandenburg noch reichlich vorhan-denen Bahn-Nebenstrecken weisen einehohe Flächenerschlieflung auf. Sie befindensich in einem schlechten Zustand und war-ten sozusagen auf ihre Stillegung. Hier sol-len Mittel von Projekt 17 für die Moderni-sierung und Beschleunigung des Bahngü-terverkehrs verwendet werden.

Zitierte LiteraturDIW 1994: Energiekonzept für das LandBrandenburg, Kapitel 4.4. Verkehr. Berlin.

Emch & Berger 1999: Gutachterliche Stel-lungnahme zu den Auswirkungen verkehr-licher Maflnahmen im Bereich der Wasser-straflen, Häfen und Umschlagstellen in Ber-lin und dem Brandenburger Teil des enge-ren Verflechtungsraums. Im Auftrag derGemeinsamen Landesplanungsabt.).

Institut für Energie- und UmweltforschungHeidelberg (Ifeu) 1999: Mobilitäts-Bilanzfür Personen und Güter. Die Verkehrssyste-me Deutschlands im Vergleich. Heidelberg.Im Auftrag von WWF und DB.

Petschow, U. &. J. Meyerhoff 1993: ökono-misch-ökologische Bewertung des Projek-tes 17 Deutsche Einheit – Ausbau der Havelzur Großschiffahrtsstrafle, Schriftenreihedes IÖW 63/93, Berlin

Planco-Consulting 1992: Bewertung vor-dringlicher Wasserstraflenprojekte in denneuen Bundesländern, Gutachten im Auf-trag des Bundesministers für Verkehr FE-Nr. 90323/91. Essen.

Planco-Consulting 1995: Ergänzende Pro-jektbewertung für den Ausbau von Binnen-schiffahrtsstraßen am Beispiel von Projekt17 Deutsche Einheit. Essen.

Planco-Consulting 1999: Erfassung undEvaluierung der maßgeblichen Kriterien,die den Modal-Split der Binnenschifffahrt

DAS MÄRCHEN VOM GUTEN BINNENSCHIFFvon Manfred Kraus, Ulrike Kielhorn, Winfried Lücking und Sibylle Rosenkranz

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und der konkurrierenden Verkehrsträgernbeeinflussen. Im Auftrag des BMV.

Sachverständigenrat für Umweltfragen1998: Umweltgutachten 1998.

Uba (Umweltbundesamt) (Hrsg.) 1994:Verminderung der Luft- und Lärmbelastun-gen im Güterfernverkehr 2010, For-schungsbericht 104 05 962 von DIW (Pro-jektleitung), ifeu, IVU/HACON, BerichteNr. 5/94. Berlin.

Uba (Umweltbundesamt) 1997: Nachhalti-ges Deutschland, Erich Schmidt Verlag.Berlin.

Bund für Umwelt und NaturschutzDeutschland (BUND)Landesverband Berlin e.V.Crellestr. 3510827 BerlinTel.: 030/78 79 00 0Fax: 030/78 79 00 18

www.bund.net

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DAS MÄRCHEN VOM GUTEN BINNENSCHIFFvon Manfred Kraus, Ulrike Kielhorn, Winfried Lücking und Sibylle Rosenkranz

Abb. 1:Güterverkehrsaufkommen inDeutschland in Mrd. tkmvon 1980 bis 2010:Real und Prognose.

Weiße Säulen:nur alte Bundesländer.

Quellen :DIW, Stat. Bundesamt,BVWP 1992.

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THEMA

EINE ZUKUNFTSFÄHIGEENERGIESTRATEGIE FÜR

BRANDENBURG

Die Energiepolitik des Landes Branden-burg muß sich heute genauso wie die Ener-giepolitik der Bundesrepublik Deutschlandin globale Entwicklungen und Zukunfts-perspektiven einbetten. Wenn wir die Glo-balisierung von Technik, Wirtschaft, Han-del, Finanzsystem, Kommunikation undMobilität wollen oder für unvermeidbarhalten, dann müssen auch die globalenFolgen und ihre regionalen und lokalenWirkungen beachtet und auf ihreZukunftsfähigkeit abgeklopft werden.Halten wir deshalb zunächst noch einmalfest: In keiner anderen Hochkultur habensich auch nur annäherungsweise solche Ver-änderungen vollzogen wie in der durchWissenschaft und Technik geprägten Indu-striezivilisation. Wir haben in den Industrie-

ländern einen grandiosen Wohlstanderreicht und allein in den letzten 100 Jahrendie Produktivität im Produktionsbereich umüber 3500% erhöht und im Bürobereichallein in den letzten 40 Jahren um über2000%. Wir haben das Realeinkommen indiesen 100 Jahren ebenfalls um 3000%gesteigert und die Lebenszeit der Menschenverdoppelt, im Durchschnitt um 37,5 Jahreverlängert. Diese Zahlen spiegeln ganzzweifellos die Erfüllung langgehegterZukunftsvisionen und Menschheitsträumewider. Der Einsatz von Energie war in die-ser Zeit der Motor der Entwicklung und dieEinsatzmenge an Energieträgern wurde bisvor wenigen Jahren als unmittelbar mit demWachstum von Produktivität und Bruttoso-zialprodukt gekoppelt angesehen.

von Prof. Dr. Rolf Kreibich

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ZUKUNFTSFÄHIGE ENERGIESTRATEGIEvon Prof. Dr. Rolf Kreibich

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Erst nach den beiden Ölpreiskrisen von1972/73 und 1979/80 lernten wir, daß esweder ein Natur- noch Wirtschaftsgesetzgibt, nach dem zunehmender Wohlstandeines Landes direkt vom Einsatz und Ver-brauch von Energie abhängt, gleich garnicht vom Einsatz fossiler Energieträger(Kohle, Erdöl, Erdgas) und der Kernener-gie. Im Gegenteil, die Probleme als Folgedes horrenden Energieverbrauchs wuchsenschneller als ihre Lösungen: Heute wächstdie Weltbevölkerung jeden Tag um250.000 Menschen, wird die Atmosphäretäglich mit 60 Millionen Tonnen Kohlendi-oxyd aus Kraftwerken, Heizungen undKraftfahrzeugen belastet und wird dieFläche von 63.000 Fußballfeldern Regen-wald vernichtet. Wir zerstören durchanthropogene Eingriffe täglich 20.000 haAckerland und vernichten 100 bis 200 Tier-arten. Das sind die neuesten Zahlen derOECD und des Umweltbundesamtes. Diegroßen Risiken der Kernenergienutzungund des nicht geschlossenen Entsorgungs-kreislaufes für abgebrannte Brennelementesind bekannt. Trotzdem beruht in Deutsch-land noch immer der Primärenergieeinsatzzu 87,8% auf fossilen Energieträgern undnur zu 10,6% auf Kernenergie. Nur 1,6%der Energie stammt aus „sauberen“ regene-rativen Energiequellen, hauptsächlich ausder Nutzung von Wasserkraft, der Wind-kraft und der Biomasse. Wir können mitGewißheit sagen, daß ein solches Energie-verbrauchsmuster auf längere Sicht nichtzukunftsfähig ist: Heute wissen wir, daßprinzipielle Belastbarkeitsgrenzen undRisikopotentiale nicht gesehen wurden.

Die wichtigsten hiervon sind die Erschöpf-lichkeit der Rohstoffe, insbesondere auchder fossilen Energieträger, die Überschrei-tung der Absorptionsfähigkeit globaler undlokaler Ökosysteme, die irreversiblen Fol-gen in Natur und Sozialsystem (Artenster-ben, Landschafts- und Kulturzerstörungen)und die quasi irreversiblen Folgen (Klima-wandel, Zerstörung der Ozonschicht,Radioaktivität). Auch die soziale Spreng-kraft der Ungleichverteilung von Reichtumund Armut beziehungsweise von Gewin-nen und Verlusten aus dem Naturvermögen(20% der Weltbevölkerung verbraucht 80%der fossilen Energievorräte) gehört auf dieSchattenseite unserer technisch-ökonomi-schen Entwicklungsdynamik und ihresheutigen Energieverbrauchsmusters.Vor diesem Hintergrund hat die internatio-nale Staatenemeinschaft auf der Konferenzvon Rio de Janeiro 1992 das neue Leitbild„sustainable development“ propagiert undim Rahmen der Agenda 21, dem gemeinsa-men Handlungsprogramm für das 21. Jahr-hundert, alle Staaten der Welt aufZukunftsstrategien und Maßnahmen zurnachhaltigen Entwicklung verpflichtet.In Deutschland wurde das Leitkonzept dernachhaltigen Entwicklung durch den Bun-destag, die Bundesregierung, die Minister-präsidenten der Länder und zahlreicheKommunen durch die Verpflichtung aufdie Agenda 21 ebenfalls anerkannt. EineReihe besonders innovativer Unterneh-men, teilweise organisiert im Bundesdeut-schen Arbeitskreis UmweltbewußtesManagement (B.A.U.M.) und bei futuree.V. des Bundesverbandes der jungen

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ZUKUNFTSFÄHIGE ENERGIESTRATEGIEvon Prof. Dr. Rolf Kreibich

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Unternehmer haben die Strategie derNachhaltigkeit als Unternehmensleitbildaufgenommen.Wenn wir zukunftsfähig bleiben wollen,dann müssen Politik, Wirtschaft undGesellschaft den Dreiklang der Entwick-lung von Ökonomie, Ökologie und Sozia-les im Sinne dauerhafter Stabilität imGleichgewicht halten durch• Sicherung von wirtschaftlicher Entwick-

lung und Beschäftigung• Erhaltung der natürlichen Lebensgrund-

lagen und• Sicherung von sozialer Gerechtigkeit

und Chancengleichheit.

Auch für die nationale und regionale Ener-gie- und Klimapolitik verlangt das Kon-zept eine grundlgegende Neubestimmungder energiestrategischen Ziele. Nicht mehrhoher Energieverbrauch und massiver Ein-satz von fossilen und nuklearen Energie-trägern kann die Strategie der Zukunftsein, sondern eine ökologisch, sozial undgenerativ verträgliche Energieverwen-dung. Diese besteht aus folgenden Ele-menten:

1.Energieeinsparung, rationelle Energie-verwendung und Nutzung effizienterEnergieumwandlungstechniken

2.Entwicklung neuer Techniken und inno-vativer Einsatz regenerativer Energien

3.Entwicklung und Nutzung von Energie-speichertechniken für Wärme und Strom

4.Nutzung von Erdgas als umweltfreund-lichsten fossilen Energieträger als län-gerfristige Übergangsstrategie

5.Einsatz von Erdöl, Stein- und Braunkoh-le nur noch als Energieträger im Rahmeneiner kurzfristigen Übergangsstrategie.

Auch für die deutschen Bundesländer sinddie Klima- und Energieverpflichtungenverbindlich, die Deutschland auf der Rio-Konferenz und im Nach-Rio-Prozeß ein-gegangen ist: Das betrifft zum einen dieSelbstverpflichtungserklärung der Bundes-regierung, den CO2-Ausstoß bis zum Jahr2005 um 25% gegenüber dem Jahr 1990zu reduzieren. Zum anderen resultiert ausdem 1997 beschlossenen Kyoto-Protokollund den darauf folgenden Einigungeninnerhalb der Europäischen Union einMinderungsziel für Deutschland (bezogenauf alle klimarelevenaten Spurengase) von21% im Mittel für den Zeitraum 2008 bis2012 im Vergleich zu 1990. Mit der erwar-teten Ratifizierung des Kyoto-Protokollsbis zum Jahr 2002 wid diese Verpflichtungvölkerrechtlich bindend. Neben diesenkurz- bis mittelfristigen Zielsetzungenweisen die Klimawissenschaftler seit lan-gem darauf hin, daß langfristig erheblichweitergehende Anstrengungen erforderlichsind. So enthalten die Empfehlungen derEnquete-Kommission des Deutschen Bun-destages „Schutz der Erdatmosphäre“ dasZiel, den Ausstoß klimarelevanter Spuren-gase (insbesonder den Ausstoß von CO2)weltweit bis 2030 mindestens zu halbie-ren. Vor diesem Hintergrund ergeben sichfür Deutschland und die deutschen Bun-desländer die folgenden Klimaschutzziele:

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ZUKUNFTSFÄHIGE ENERGIESTRATEGIEvon Prof. Dr. Rolf Kreibich

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Beschlossene bzw. abgeleitete Klima-schutzziele (CO2-Minderung bzw. Äqui-valent für alle Treibhausgase) für Deutsch-land:

2005: 25%2008 bis 2012: 30%2020: 40%2030: 50%Klimaschutzanforderungen

Es kann gar keinen Zweifel geben, daß vordiesem Hintergrund große Anstrengungenin der Energiepolitik erforderlich sind, umdie umwelt- und wirtschaftspolitischenZiele zu erfüllen. Schließlich wird auchweiterhin ein durchschnittliches Wirt-schaftswachstum von 2 bis 3% pro Jahrangestrebt. Daß trotzdem alle Ziele gleich-zeitig erreichbar sind, haben verschiedeneSzenarien aufgezeigt, die in den letztenJahren für die Bundesregierung und dieLänder erstellt wurden (vgl. Literaturver-zeichnis im Anhang).Als Leitziele für die Energiepolitik lassensich bis zum Jahr 2010 im wesentlichenfolgende sektorbezogene Anforderungenableiten:• Erhöhung der Produktivität des Energie-

einsatzes von heute ca. 1,8% auf rund3% pro Jahr. Dabei muß vor allem auchdie Effizienz des Stromeinsatzes verbes-sert werden.

• Mindestens Verdopplung des Beitragserneuerbarer Energien am Primärener-gieverbrauch; das erfordert den schritt-weisen Aufbau sich selbsttragenderMärkte.

• Verdopplung des Beitrages der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) zur Stromer-zeugung.

• Kein weiterer Anstieg des CO2-Aus-stoßes im Bereich Verkehr und kontinu-ierliche Rückführung der CO2-Emissio-nen in diesem Sektor um mindestens 5%gegenüber 1990; z.B. durch konsequenteSenkung der Flottenverbräuche im Pkw-und Lkw-Bereich.

• Durchführung eines umfassenden Wär-medämmprogramms und konsequentepassive Sonnenenergienutzung mit derZielrichtung, die jährliche Sanierungsra-te auf etwa 3% pro Jahr zu erhöhen undim Rahmen der ohnehin anstehendenSanierungsmaßnahmen und von Neu-bauten weitgehende Wärmeschutzmaß-nahmen und Nutzung solarer Energiege-winne (Niedrigenergiehaus-Standard)durch solares Bauen zu realisieren.

Für das Land Brandenburg hat der Aus-schuß für Immissionsschutz nach etwa ein-jähriger Arbeit auf der Grundlage dieserLeitziele zahlreiche Maßnahmen undMaßnahmenbündel beschlossen, die sichauf die beiden Hauptstratgien einer neuenEnergiepolitik beziehen:• Senkung des Energieverbrauchs durch

Energieeinsparung und rationelle Ener-gieverwendung aller Art;

• Substitution der konventionellen Energi-en (fossile Energien und Atomstrom)durch erneuerbare Energien.

Die nachfolgenden Maßnahmen zu den bei-den Strategien wurden gemeinsam mit Kri-

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ZUKUNFTSFÄHIGE ENERGIESTRATEGIEvon Prof. Dr. Rolf Kreibich

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terien und Bedingungen für ihre Umwelt-verträglichkeit vom Landesimmissionsaus-schuß nach einstimmiger Beschlußfassungam 14. Juni 2000 der Landesregierung alsEmpfehlung zur „Sicherung einer nachhal-tigen Entwicklung durch eine dauerhafte,klima- und ökologieverträgliche Energieer-zeugung/-versorgung“ übergeben (LIA-Beschluß vom 14.6.2000):

Maßnahmen zur Senkungdes Energieverbrauchs

1. Rationelle Energienutzung (z.B. durchstromsparende Geräte, Wärmedäm-mung)

2. Erhöhung der Effizienz bei der Ener-giegewinnung

3. Rationelle Energieumwandlung (u.a.durch Anwendung von Kraft-Wärme-Kopplung)

4. Ökologiegerechtes Bauen5. Umstellung auf weniger energieinten-

sive Strukturen im Verkehrs- undInfrastrukturbereich durch städtebau-liche/raumordnerische Maßnahmen

6. Verkehrsvermeidende bzw. -vermin-dernde Maßnahmen und Verlagerungauf umweltverträgliche Verkehrsmit-tel (Schiene, ÖPNV, Schiff, Fahrrad)

7. Energetische Systemoptimierung vonGebäuden und Produktionsprozessen

8. Lebenszyklusweite Steigerung derEnergie- und Ressourceneffizienz vonProdukten und Prozessen

9. Förderung von energiesparendem Ver-halten (Beratung, Erziehung).

Maßnahmen zurNutzung erneuerbarer Energien

Neben den bereits durch die Landesregie-rung Brandenburg angebotenen Program-men sollten folgende flankierende Maß-nahmen aufgegriffen und umgesetzt wer-den:

1. Durchführung von Bieterwettbewerbenfür die Wärmebereitstellung aus erneu-erbaren Energien (vor allem für größereAnlagen in den Bereichen Solarther-mie, Biomasse) mit der Zielsetzung derErprobung und Einführung von saiso-nalen Speichersystemen

2. Flächendeckende Durchführung vonWeiterbildungs- und Aufklärungskam-pagnen (insbesondere auch über diebestehenden Fördermöglichkeiten),inklusive zielgruppenspezifischer Mar-ketingkampagnen (insbesondere imBereich der Biomassenutzung)

3. Durchführung von Regionalkonferen-zen, regionalen Innovationswerkstättenmit dem Ziel, die Bildung regionalerAkteursnetzwerke zu initiieren (z.B.gemeinschaftlicher Aufbau von Kofer-mentationsanlagen)

4. Übernahme von Bürgschaften (z.B. fürBiomasseanlagen in der Landwirt-schaft, für Contractingmaßnahmen ingewerblichen Betrieben oder für Bohr-risiken bei geothermischen Anlagen)

5. Schaffung einer landesweiten Anlaufstel-le (z.B. auch für Kommunen) mit Bera-tungs- und Schlichtungsfunktion fürProblemfälle (Clearingstelle für die

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ZUKUNFTSFÄHIGE ENERGIESTRATEGIEvon Prof. Dr. Rolf Kreibich

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Windenergie zu Fragen des Landschafts-schutzes und der Netzanbindung)

6. Stärkere Verknüpfung von Energieeins-parmaßnahmen mit Maßnahmen zurNutzung erneuerbarer Energien z.B.mit Hilfe von kombinierten Contrac-ting- und Betreibermodellen (Initiie-rung und Dokumentation von gutenPraxisbeispielen).

Die Maßnahmen zur rationellen und spar-samen Energieverwendung bieten nichtnur die größten Potentiale hinsichtlich derRessourcenschonung, sondern erfüllengleichzeitig alle Ziele einer Entwicklungzur Nachhaltigkeit. Jede eingesparte TonneErdöl und Kohle, jeder eingesparte Kubik-meter Erdgas und jede eingesparte Kilo-wattstunde Strom schont per se dieUmwelt am besten (Ökologieverträglich-keit), spart im allgemeinen Devisen undKosten bei Produzenten und Konsumenten(Ökonomieverträglichkeit), verbessert dieLebensqualität und die Gesundheit derBürger (Sozialverträglichkeit) und schontdie Landschaft und unsere Kulturschätze(Kulturverträglichkeit). Vor diesem Hin-tergrund gehört die Umsetzung der Strate-gie der rationellen und sparsamen Energie-verwendung in Verbindung mit der Mobi-lisierung regenerativer Energien zumKernbereich einer Nachhaltigkeitsent-wicklung, die global und lokal auf inter-und intragenerativer Gerechtigkeit basiert.Beachten wir noch, daß eine Halbierungdes heutigen Energieverbrauchs durchrationelle Energieverwenung automatischzu einer Verdopplung des Anteils der rege-

nerativen Energien am Primärenergieein-satz führt, dann können Maßnahmen zurEnergieeinsparung gar nicht hoch genugeingeschätzt werden.Es sei noch darauf hingewiesen, daß dievorgeschlagenen Maßnahmen für dasLand Brandenburg noch lange keineSelbstläufer sein werden. Mächtige Inter-essen der Strom-, Mineralöl- und Kohle-wirtschaft sowie im Verkehrsbereich derAutomobilindustrie und zahlreicher Auto-fahrer, vor allem großer energiefressenderFahrzeuge und ihre Interessenverbändeblockieren nach wie vor dringend erforder-liche Energiesparmaßnahmen und dieDurchsetzung regenerativer Energien.Diese Blockadepolitik ist ja deshalb sounverständlich, weil sie nicht nur gemein-wohlschädigend und volkswirtschaftlichfatal ist, sondern auch aus der Sicht derUnternehmen und der Konsumenten(Autofahrer, Gerätenutzer, Hausbesitzer,Mieter etc.) zumindest mittel- und langfri-stig neben sozialen und ökologischen auchwirtschaftliche Nachteile bringt. Es läßtsich leicht nachweisen, daß eine Energie-politik der rationalen und sparsamen Ener-gienutzung, der Mobilisierung regenerati-ver Energien und Förderung von innovati-ven Energiespeichertechniken sowohlgroße technische Innovationspotentiale,Wettbewerbschancen und Exportpotentialeenthält als auch zukunftsträchtige Beschäf-tigungspotentiale sowie Kostenvorteileund Imagegewinne für die Unternehmenund die Wirtschaft insgesamt. Vor diesem Hintergrund muß das LandBrandenburg auch in Zukunft den Mut

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ZUKUNFTSFÄHIGE ENERGIESTRATEGIEvon Prof. Dr. Rolf Kreibich

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haben, weiterhin schrittweise aus derBraunkohle auszusteigen und in die neuenZukunftstechnologien der rationellen undregenerativen Energietechniken umzustei-gen. Brandenburg hat große Chancenbesonders auf den Gebieten der rationellenHeizungs- und Industrietechniken, desökologischen und solaren Bauens, dersolaren Energietechniken für Wärme undStrom, der Windkraftnutzung und der Nut-zung von Biomasse eine führende Stellungin Deutschland und in der Welt einzuneh-men.Die Vorzeichen sind dafür derzeit beson-ders günstig: Da die vorgesehenen Maß-nahmen eben keine Selbstläufer sind,brauchen wir abgestimmte bundes- undlandespolitische Rahmenbedingungen undFördermaßnahmen. Bundesweit sind dabeigerade in den letzten Monaten wichtigeWeichenstellungen (z.B. Einführung derÖkosteuer, Verabschiedung des Erneuer-baren Energien Gesetz, 100.000 Dächer-Programm, 200 Mio Förderprogramm desBundes) erfolgt, die einen wesentlichenBeitrag zur Zielerreichung leisten können.Diese bundesweiten Programme werdenheute bereits durch die LandesregierungBrandenburgs unterstützt und ergänzt. Anwesentlichen Landes-Programmen istdiesbezüglich zu nennen:• die Energie Technologie Initiative (ETI):

Zuschußprogramm „Rationelle Energie-verwendung und Nutzung ErneuerbarerEnergiequellen“ - Rationelle Energie-verwendung (Anlagen zur Energierück-gewinnung, Wärmepumpenanlagen) -Erneuerbare Energiequellen (KWK auf

Basis erneuerbarer Energieträger, Bio-masse, Windenergie, Wasserkraft, Son-nenenergie, Geothermie)

• das Programm „Finanzhilfen undBegrenzung der energiebedingtenUmweltbelastungen“: Unterstützt wer-den hierdurch u.a. Maßnahmen zurEnergieeinsaprung, Niedrigenergiebau-weise, dezentrale Kraft-Wärme-Kopp-lung, Bio-, Klär-, und Deponiegasanla-gen, Nutzung regenerativer Brennstoffe,Windenergie.

Das Land Brandenburg sollte endlichmanche Kleinmütigkeit und Kurzsichtig-keit in der Energiepolitik überwinden undein gemeinsames Vorgehen von Landesre-gierung und Parlament mit den Kommu-nen, den Unternehmen und den vielenengagierten Gruppen und Organisationender Zivilgesellschaft im Sinne der nach-haltigen Entwicklung organisieren. Mutzur Zukunftsgestaltung des Landes heißtin erst Linie auch Mut zu einer konse-quenten Energiepolitik der Nachhaltig-keit.

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ZUKUNFTSFÄHIGE ENERGIESTRATEGIEvon Prof. Dr. Rolf Kreibich

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Literaturangaben:Altner, Dürr, Michelsen, Nitsch (1995);Altner, G.; Dürr, H.-P.; Michelsen, G.;Nitsch, J. (Hrsg.): Zukünftige Energiepoli-tik – Vorrang für rationelle Energienutzungund regenerative Energiequellen, Bonn1995.

Ausschuß für Immissionsschutz des Lan-des Brandenburg (LIA): „Beschluß desAusschusses für Immissionsschutz: Emp-fehlungen für ein Konzept zur nachhalti-gen Energieerzeugung und -versorgung inBrandenburg“ vom 14. Juni 2000, Pots-dam 2000.

Consulting GmbH (1999): Studie zurErmittlung des Anteils erneuerbarer Ener-gieträger am Primärenergieverbrauch desLandes Brandenburg, Berlin 1999.

Deutsche Forschungsanstalt für Luft- undRaumfahrt (DLR)/Wuppertal Institut u.a.(1999): „Klimaschutz durch Nutzungerneuerbarer Energien“, Studie im Auftragvon BMU/UBA, Stuttgart, Wuppertal1999.

DLR, ISE (1997): Strategien für eine nach-haltige Energieversorgung - Ein solaresLangfristszenario für Deutschland: DLRStuttgart, ISE Freiburg 1997; auch: For-schungsverbund Sonnenenergie, H.P.Hertlein, P. Tolksdorf (Hrsg.), Köln 1998.

Enquete-Kommission „Schutz der Erdat-mosphäre“ (Hrsg.): Mehr Zukunft für dieErde, Karlsruhe 1995.

Fischedick, Hennicke (2000): Fischedick,M.; Hennicke, P.: Kurzstudie: Bedeutungregenerativer Energien für ein zukunfts-fähiges Energiesystem - SynoptischeBetrachtung vorliegender nationaler Ener-gieszenarien und Übertragung der Ergeb-nisse unter Berücksichtigung der spezifi-schen Gegebenheiten auf das Land Bran-denburg, Wuppertal 2000.

Kaltschmitt, Wiese (1997): Kaltschmitt,M.; Wiese, A.: Erneuerbare Energien, Ber-lin/Heidelberg 1997.

Kreibich, Rolf (1996): Nachhaltige Ent-wicklung - Leitbild für die Zukunft vonWirtschaft und Gesellschaft, Basel/Wein-heim 1996.

Landesumweltamt Brandenburg (2000):Tabellarische Auflistung der Potentiale fürerneuerbare Energien, Vorlage für denImmissionsausschuß des Landes Branden-burg, Potsdam 2000.

Prognos, EWI (1999): Die längerfristigeEntwicklung der Energiemärkte im Zei-chen von Wettbewerb und Umwelt, Studieim Auftrag des BMWi, Basel/Köln 1999.

Prof. Dr. Rolf Kreibichist Leiter des Instituts für Zukunftsstudienund Technologiebewertung.

www.izt.de

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10 Jahre Energiepolitik in Brandenburg for-dern anlässlich der bevorstehenden Überar-beitung des Energiekonzeptes zu einerOrtsbestimmung heraus. Als wichtigerenergiepolitischer Akteur der Landesregie-rung beschreibt der Geschäftsführer derBrandenburgischen Energiespar-Agenturseine Einschätzung der energiepolitischenNotwendigkeiten in einem gravierend ver-änderten Umfeld. Die Anforderungen einer nachhaltigen Ent-wicklung einerseits und die Überzeugungder Wirksamkeit eines freien Marktes in derEnergiewirtschaft bilden die beiden Pole,zwischen denen die Energiepolitik ihrePositionen bestimmen muss. Sie hat dabeidie Interessen von Energienutzern undEnergieanbietern gleichermaßen zu berück-

sichtigen und zu einem fairen Ausgleichmit den gesamtgesellschaftlichen Interes-sen zu bringen. Politik, Nutzern und Anbie-tern kommt dabei gleichermaßen eine hoheVerantwortung zu, weil nachhaltige Ener-giepolitik nur gemeinsam unter fairerLastenverteilung entwickelt und umgesetztwerden kann. Private Investitionen in wirtschaftlich trag-fähigen Projekten, staatliche Unterstützungin Pilot und Demonstrationsvorhaben,Informations- und Motivationsarbeit inöffentlich/privater Partnerschaft und staatli-che Regelungen, wo gesamtgesellschaftli-che Interessen gesichert und Belastungengemeinsam getragen werden müssen, soll-ten die vier Prinzipien bilden, mit denen die-se Energiepolitik umgesetzt werden kann.

THEMA

NACHHALTIGE ENERGIEPOLITIKFÜR BRANDENBURG IN EINEMWETTBEWERBLICHEN UMFELD

von Dr. Georg Wagener-Lohse

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1. Den Schwung des Aufbruchs in denNiederungen des Alltags nicht verlierenIn der Aufbruchstimmung der Gründungs-jahre des Landes Brandenburg wurden diesparsame Nutzung von Energie sowie dersparsame Gebrauch und die Wiederverwen-dung von Rohstoffen in den Rang einesVerfassungszieles (Artikel 39 (4)) erhoben.Brandenburg hat sich damit nicht eine Lastauferlegt oder in jugendlichem Leichtsinneine überzogene Zukunftserwartung formu-liert. Vielmehr wurden die negativen Erfah-rungen mit einem Wirtschaftssystem aufge-griffen, das bei der Nutzung der Ressourcenkeine Grenzen kannte. Es wurde damit dieÜberzeugung formuliert, dass nur im Mit-einander von einzelwirtschaftlichem Inter-esse und gesamtgesellschaftlichem Schutzder natürlichen Lebensgrundlagen einmodernes Gemeinwesen die Zukunftgewinnen kann. In der Erklärung von Rio, die auf nachfol-genden Konferenzen weiter konkretisiertwurde, ist diese an vielen Stellen der Weltgewonnene Überzeugung auf die Tagesord-nung für eine Politik des 21. Jahrhundertsgesetzt und durch den Bereich der sozialenAusgewogenheit ergänzt worden. Wirt-schafts-, Sozial- und Umweltpolitik müsseneine ausgewogene Einheit bilden, um derGeneration unserer Kinder den gleichenSpielraum zur Befriedigung ihrer Bedürfnis-se zu belassen, wie wir ihn selber wünschen.Die Energiepolitik ist ein Feld, auf dem die-se Anforderung in besonderer Weise buch-stabiert werden kann und auch muss. KeinTeilsystem unserer Gesellschaft ist eine sowesentliche Grundlage für die Funktions-

fähigkeit des gesamten Systems wie dieEnergiewirtschaft und kein Teilbereich istin gleichem Maße bestimmend für dieBeeinflussung der wichtigen Lebensgrund-lage Klima. Die Energiewirtschaft kanndamit nicht völlig dem freien Spiel indivi-dueller Wirtschaftskräfte überlassen wer-den, sondern muss Gegenstand politischerDebatten über die angemessene Gestaltungmittels der Energiepolitik sein.Es ist zu begrüßen, dass auch die Bundesre-gierung in ihrem Energiedialog Ansätzegefunden hat, den energiepolitischen Still-stand aufzulösen und mit den Akteurenkonsensfähige Lösungen zu suchen. AlsBrandenburger können wir durch Reflexionunserer Erfahrungen und zukunftsorientier-te Schlussfolgerungen dazu einen Beitragleisten.

2. Den Wettbewerb als HerausforderungannehmenWährend vor 10 Jahren die Neuordnung derEnergiewirtschaft in Ostdeutschland sowohlhinsichtlich der technischen Anlagen alsauch hinsichtlich der Besitzverhältnisse dieHerausforderung der Energiepolitik kenn-zeichnete, sind der Wettbewerb und seineWirkung heute zum maßgeblichen Themageworden. Die gewünschten Preissenkungenhat er für fast alle Energienutzer gebracht. Der Preis, der für die Liberalisierung bezahltwurde, war jedoch der Verlust von durch-schnittlich ca. 30 % der Arbeitsplätze in derEnergiewirtschaft und damit auch der Ver-lust von Akteuren, die sich durch günstigeErtragslage kostenlos für effizienten Ener-gieeinsatz einsetzen konnten (Energiebera-

NACHHALTIGE ENERGIEPOLITIKvon Dr. Georg Wagener-Lohse

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tung). Es muss befürchtet werden, dass derWettbewerbsdruck noch zur weiteren Ver-nichtung von Arbeitsplätzen in der Energie-wirtschaft Brandenburgs führen wird. Hinzukommt der Zwang, den Preis zum deutlichvorrangigen Entscheidungskriterium fürKauf oder Eigenproduktion von Strom her-anzuziehen. In einem Markt mit erheblichenÜberkapazitäten und abgeschriebenen Kraft-werken auf der einen und neuen Kraft-Wär-me-Kopplungsanlagen auf der anderen Seiteführt dies zur Stillegung hocheffizienterHeizkraftwerke, die umweltpolitisch Anfangder 90er Jahre Priorität hatten.Die gravierenden Preisreduktionen, die inden vergangenen eineinhalb Jahren erzieltwurden, mussten durch günstigeren Ein-kauf bei den Vorlieferanten und erheblicheRationalisierungen ermöglicht werden.Letztlich ist damit ein erheblicher Druckauf die Ostdeutsche Braunkohlenverstro-mung und die kommunale Stromerzeugungin der effizienten Kraft-Wärme-Kopplungausgelöst worden.Daneben muss mit einem Rückgang destechnischen Standards gerechnet werden,da Instandhaltungsaufwendungen reduziertwerden und die Versorgungssicherheit beiNeuinvestitionen auf ein Optimumbeschränkt bleibt.Wettbewerb in der Energiewirtschaft istjedoch unabhängig von diesen korrektur-fähigen Startproblemen nützlich für einebessere Kundenorientierung und denZugang vieler Anbieter zu den Kunden. Esdürfte mittelfristig auch zu einer stärkerenDezentralisierung der Stromerzeugung undzu besseren Bedingungen für die Kraft-

Wärme-Kopplung führen. Nicht der Wett-bewerb sollte deshalb Gegenstand derDebatte sein, sondern die Spielregeln, dieinnerhalb des Wettbewerbs einzuhalten sindund der Einfluss, den die EnergiepolitikBrandenburgs darauf nehmen kann. Mit Blick auf die notwendige nachhaltigeEntwicklung muss deshalb gefragt werden,wie Klimaschutz, wirtschaftlicher Erfolgund sozialverträgliche Entwicklung in Ein-klang gebracht und durch ein ausgewoge-nes Verhältnis von freiem Markt und ord-nungspolitischen Maßnahmen gewährlei-stet werden können.Die Politik der vergangenen Monate hatdazu wichtige Beispiele geliefert. Mit demErneuerbare Energie Gesetz und der Über-gangsregelung für bestehende KWK Anla-gen wurden auf Bundesebene wichtigeLeitplanken zur Eingrenzung des Wettbe-werbs geschaffen. Einige Bundesländerhaben sich dafür maßgeblich mit eingesetzt.Die Landespolitik Brandenburgs muss sichweiterhin auf dieser Ebene an der Gestal-tung der Randbedingungen beteiligen undmuss in Brandenburg selbst:• Ziele im Konsens mit den Akteuren• entwickeln, • deren Verbindlichkeit mit geeigneten• Instrumenten (Gesetze, Verordnungen,• Vereinbarungen) absichern, • Mittel zu deren Realisierung zur• Verfügung stellen und • die Zielverfolgung kontinuierlich• überprüfen. Anlässlich der Fortschreibung des Energie-konzeptes besteht hierzu eine hervorragen-de Möglichkeit.

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3. Das Energiekonzept für Brandenburgals bewährten Rahmen weiterentwickelnDas Energiekonzept für Brandenburg hatbei seiner Verabschiedung im Jahr 1996eine erste Antwort auf die Frage nach einernachhaltigen Energiewirtschaft gegeben.Für die neuen Bundesländer bildet es einevorbildliche Grundlage, die durch belastba-re Analysen vorbereitet und im Gesprächmit wichtigen Akteuren abgeklopft wordenist. Durch die Formulierung von dreigleichberechtigten Wegen, auf denen Bran-denburg die Zukunft erreichen will, wurdeder alte Streit zwischen Braunkohlebefür-wortern und Braunkohlegegnern zu einemAusgleich gebracht. Sicherung einer angemessenen Förderungund effizienten Verstromung von Braun-kohle, Verfolgung der effizienten Energie-nutzung und Ausbau der Nutzung erneuer-barer Energieträger wurden zu den Maxi-men der Energiepolitik erklärt. Die kommunale Energiewirtschaft mitihren besonderen strukturellen Möglichkei-ten zum kostengünstigen Klimaschutzdurch gekoppelte Wärme- und Stromerzeu-gung konnte erhalten werden. Durch politi-sche Unterstützung der Braunkohleverstro-mung und das Bund-Länderprogramm zurFernwärmesanierung wurden erheblicheAnstrengungen zur Effizienzseigerung undEmissionsminderung der konventionellenEnergiebereitstellung unternommen. Durch Beratungs- und Informationsleistun-gen der Brandenburgischen Energiespar-Agentur, durch das Programm für Rationel-le Energienutzung des Wirtschaftsministe-riums, das Mod/Inst-Programm des Mini-

steriums für Wohnen, das Immissions-schutzprogramm des Umweltministeriumsund die Förderung des Landwirtschaftsmi-nisteriums für die Nutzung nachwachsen-der Rohstoffe wurden wesentliche Instru-mente für die Verfolgung einer zukunftsge-rechten Energiepolitik eingesetzt. Leider hat die haushaltspolitische Neuori-entierung im Jahr 1997 zu einem gravieren-den Einbruch der Förderpolitik geführt.Mittlerweile ist jedoch die Erkenntnisgereift, dass Förderpolitik nicht das einzigeInstrument sein darf und einen langen Atemsowie eine scharfe Beobachtung benötigt,um die angestrebten Ziele der Marktent-wicklung tatsächlich zu erreichen. Die vonder SPD-Fraktion im Herbst 1998 neuangeschobene Förderung der Solarenergie-nutzung ist hierfür ein treffendes Beispiel.Mittlerweile haben wir durch die Kombina-tion verschiedener Instrumente (Informati-on, Beratung, Marketing, rechtliche Rah-menbedingungen, Planungssicherheit etc.)Fortschritte bei den verschiedenen erneuer-baren Energieträgern, insbesondere derWindenergienutzung erzielt, die Braunkoh-leförderung und –nutzung hat sich stabili-siert und die effiziente Energienutzungdringt nach und nach in das Bewusstseinöffentlicher Verwaltungen, Wohnungsunter-nehmen und produzierender Betriebe ein.Im Ergebnis hat sich der Primärenergieein-satz von 603 PJ im Jahr 1993 auf 575 PJ imJahr 1997 verringert. Der Endenergiever-brauch ist jedoch im gleichen Zeitraum von261 PJ auf 283 PJ angestiegen. Ursachehierfür ist vor allem ein Anstieg des Ener-giebedarfes von 10 % im Verkehrsbereich

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und von 19,2 % im Bereich Haushalte,Gewerbe, Dienstleistungen. In der Industriesank der Endenergieeinsatz jedoch um 7,5%. Je Einwohner hat Brandenburg mit 110GJ etwa den selben Endenergieeinsatz wieGesamtdeutschland mit 115 GJ erreicht.Beim Primärenergieeinsatz liegt Branden-burg als Energieland mit 224 GJ je Einwoh-ner um 26 % über dem GesamtdeutschenDurchschnitt.Die Nutzung erneuerbarer Energieträgerhat sich von 1993 bis 1997 um 21 % auf 3,4PJ erhöht und betrug damit 0,6 % desPrimärenergieeinsatzes.Die besonders durch das REN Programmdes MW und das Immissionsschutzpro-gramm des MUNR bis 1998 erreichte Ent-wicklung bei den Anlagen zur Nutzungerneuerbarer Energieträger zeigt folgendeGrafik.Insgesamt wurden zur Förderung 86,8 Mio.DM zwischen 1991 und 1998 aufgewendet.

4. Die Energiepolitik zurMarktentwicklung nutzenEine Fortschreibung des Energiekonzeptessoll nun den erreichten Stand bilanzierenund die notwendigen Maßnahmen zur Ver-folgung energiepolitischer Ziele unter denheutigen Wettbewerbs- und Haushaltsbe-dingungen definieren. Eine Bilanzierung istdabei auch deshalb von Bedeutung, weil diespezielle Energiepolitik in der landespoliti-schen Debatte im Vergleich zu Sozial-,Arbeitsmarkt- oder Hochtechnologiepolitikerheblich an Bedeutung verloren hat. Dabei gehören die ökonomischen, organi-satorischen und technischen Aspekte derEnergieverwendung, auch ohne dem High-Tech- oder IT-Bereich zugeordnet zu sein,zu den wesentlichen KernkompetenzenBrandenburgs. Daneben bilden sie als Teilder Infrastruktur des Landes eine entschei-dende Basis für einen weiteren stabilenwirtschaftlichen Aufbau.

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Verkehr

Haushalte, Gewerbe,Handel, Dienstleis-tungen u nd üb rige

Verbraucher

0

50.000

100.000

150.000

200.000

250.000

300.000

1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997

Endenergieeinsatz nach Sektoren 1991-1997in Terajoule (TJ)

Gewinnung vo n Steinen

und Erden, sonst.Bergbau un d Verarb.

Gewerbe

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Im Bereich der effizienten und ressourcen-schonenden Energienutzung in Gebäuden,der Nutzung erneuerbarer Energieträgeroder der effizienten Energiebereitstellungfinden zur Zeit wesentliche Entwicklungenstatt. Angetrieben durch die Herausforderung,die Klimabelastung zu reduzieren, wird ins-besondere der Bereich der Wärmeversor-gung und damit der Absatzmarkt sowohlfür die leitungsgebundenen als auch nichtleitungsgebundenen Anbieter starke Verän-derungen erfahren. Im Bereich der privatenEnergieverwendung dominiert der Wärme-bedarf derzeitig mit 70 % ganz eindeutig,ohne dass dafür naturgegebene Notwendig-keiten vorliegen.Die kontinuierliche Senkung des Energie-bedarfs für Neubauten ist deshalb bereitsheute eine wesentliche Randbedingung fürdie Innovationsrichtung. Das sogenannteDrei-Liter-Haus, das im Gegensatz zumGebäudebestand mit rund 200 kWh Wär-mebedarf je m2 zur Raumheizung nur nochdrei Liter Öl oder 3 m3 Erdgas entsprechend30 kWh je m2 und Jahr Primärenergie bean-sprucht, muss zum Maßstab der Entwick-lung werden. Die Einbindung solarer undanderer auf der Basis erneuerbarer Energie-träger arbeitender Wärmeversorgungssyste-me bis hin zur Wärmepumpentechnik wirddamit zu einem Standardfall der Haustech-nik. Mit der in Vorbereitung befindlichen Ener-giesparverordnung werden erstmals inte-grierte Konzepte von Energiebereitstellungund Gebäudekonstruktion Gegenstand derPlanungsanforderungen. Elektronische

Steuerungssysteme, die in anderen Tech-nikbereichen seit Jahren die Entwicklungbestimmen, werden damit auch im Gebäu-debereich deutlich verstärkt Einzug halten.Es wird in der nahen Zukunft auch entspre-chende neue Anforderungen an den men-genmäßig weit dominierenden Altbaube-stand geben.Durch die Berücksichtigung dieser Ent-wicklungsrichtung in den entsprechendenFörderprogrammen der Landesregierungsollte ein Innovations- und Investitions-schub unterstützt werden, der Brandenbur-ger Unternehmen auch außerhalb neueMärkte erschließen hilft. Standardlösungenwerden ohnehin nachgefragt. StaatlicheLenkungsmaßnahmen müssen eine Steue-rung in Richtung erkennbarer Zukunfts-märkte beinhalten.Im Bereich der Energiebereitstellung wer-den mit dem Erneuerbare Energieen Gesetzweitere Entwicklungsschübe speziell fürdie solare Stromerzeugung (Photovoltaik)und die Energieversorgung auf der Basisnachwachsender Rohstoffe entstehen, wennderen Klassifizierung zügig gelöst wird.Da hier besonders dezentrale Lösungenbenötigt werden, ergibt sich ein Trend zukleineren Anlagen, in denen Strom- undWärmeerzeugung gekoppelt erzeugt wer-den können. Vergasungstechnologien erhal-ten in diesem Zusammenhang neue Bedeu-tung und sind Gegenstand vielfältiger Ent-wicklungsbemühungen auch im Blick aufgeeignete Entsorgungsverfahren.Die Brandenburgische Energiepolitik mussdiese Entwicklungsrichtungen mitbestim-men und zum Nutzen ansässiger Unterneh-

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men gestalten, indem sie sich auf verbindli-che Handlungsschwerpunkte verständigtund diese unter Erfolgskontrolle konzen-triert unterstützt. Dabei sind die Gestaltungsspielräumebegrenzt, die einer deutschen Region inEuropa zur Verfügung stehen. In Abhängig-keit von weltweiten Entwicklungen derBeschaffungsmärkte kann die brandenbur-gische Politik auf die energetische Infra-struktur Einfluss nehmen und der Nutzungeigener Ressourcen hinreichende Bedeu-tung schaffen sowie die effiziente Nutzungder Ressourcen beeinflussen.Dazu müssen geeignete Steuerungsmetho-den der öffentlichen Hand entwickelt wer-den, die sich durch Kompetenz und mini-male Bürokratie auszeichnen. Danebensollte die öffentliche Hand der Privatwirt-schaft geeignete, streng marktorientierte,Entwicklungskapazitäten zur Verfügungstellen. Mit solchen Kapazitäten kann dietypische Finanzschwäche der kleinen inno-vativen Unternehmen Brandenburgs ausge-glichen werden. Die EnergieTechnologieInitiative des Wirt-schaftsministeriums ist ein positiver Ansatzin diese Richtung. Er muss jedoch durchstärkere Konzentration, engere Kooperati-on mit den Unternehmen, klarere Förder-konditionen, verstärkte Kooperation zwi-schen Unternehmen und Entwicklungsein-richtungen und besseren Service an Bedeu-tung gewinnen.

5. Die Förderpolitikzur Gestaltung nutzenDie Förderpolitik muss den genanntenAspekten Rechnung tragen. Neben einemangemessenen Umfang, der an andereBereiche der Technologie- oder Wirt-schaftsförderung anzupassen ist, ist dieAusrichtung auf Qualität, Effizienz undMultiplikation von entscheidender Bedeu-tung. Zwischen Breiten- und Einzelförderung istdeutlicher zu unterscheiden. Während dieBreitenförderung weiter vereinfacht aber inihrer Wirkung besser evaluiert werdenmuss, ist die Einzelförderung öffentlich-keitswirksamer zu dokumentieren, um denNachahmungseffekt zu ermöglichen. Hier-zu sind gegebenenfalls Dritte zu beauftra-gen. Wettbewerbselemente, die im Europä-ischen Bereich seit Jahren üblich sind, wür-den zur größeren Wirksamkeit der Förder-mittel führen. Geeignete Abwicklungsformen, dieKosten/Nutzen-Erwägungen einbeziehen,sind hierzu für die Breitenförderung einer-seits und die Einzelförderung andererseitszu finden.Sicherzustellen ist, dass die Förderung aufsolche Tatbestände begrenzt wird, für dieeine Förderung innerhalb der notwendigenZeiträume zur Markteinführung durchge-halten werden kann. Kontinuität ist diewichtigste Voraussetzung für den politi-schen Erfolg der Förderung.Verstärkt werden sollte die Möglichkeit,nicht investive, erfolgsorientierte Maßnah-men zu fördern, die zur Verwirklichung derZiele des Energiekonzeptes führen. Die

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Berücksichtigung von Eigenleistungen derZuwendungsempfänger muss, wie in Euro-päischen Vorhaben ebenfalls möglich, ein-geführt werden.Ein deutliches Signal kann für die Industriegegeben werden, indem die Förderung aufjedwede Maßnahmen zur Verbesserung derEnergieeffizienz ausgedehnt wird, die zueiner Verbesserung der Energieprodukti-vität um mindestens 20 bis 25 % führen. Für die Nutzung der Wärmepumpentechno-logie, die energetische Holznutzung sowiefür die Schaffung von Pilotprojekten mitNiedrigenergiehaus-Siedlungen ist dieAnteilsfinanzierung des Verteilnetzes vonausschlaggebender Bedeutung. Die Ziel-richtung muss hier stets darin bestehen,optimale, nachahmenswerte Lösungen vor-zuführen und Dauersubventionen zu über-winden.Zur Solarförderung sollte kontinuierlichnach Auswertung der Erfahrungen derSolarinitiative entschieden werden. Einedirekte Handwerkerförderung sollte imLicht der Hamburger Erfahrungen des Jah-res 99 in Erwägung gezogen werden. DieUnterstützung bei der Einführung neuerTechnologien sollte vereinfacht werden undin Übereinstimmung mit den Zielen derEnergieTechnologieInitiative gebracht wer-den.

6. Die Energiepolitik gerade unterWettbewerbsbedingungen verstärkenAbseits der eingeschliffenen Formulierun-gen ist bei der Weiterentwicklung des Ener-giekonzeptes eine Verständigung darübernotwendig, wieso im Zeitalter von Globali-

sierung und Wettbewerb überhaupt Ener-giepolitik notwendig ist. In der folgendenRang- und Reihenfolge sind sechs aktuelleGründe aufgeführt:

6.1. Zur sicheren Bereitstellung(Verfügbarkeit)Energie ist einer der wesentlichen Antriebeunserer Gesellschaft. Seine Bereitstellungsichert Alltagsleben, ermöglicht Produkti-on, Transport und Freizeitgestaltung.. Esgehört damit zu den vitalen Interessen derPolitik, eine ausreichende Verfügbarkeitvon Energie zu vertretbaren Preisen zusichern. Auch wenn z.Z. kein Mangel anEnergieträgern erkennbar ist, bleibt es diewichtigste Aufgabe der staatlichen Vorsor-ge, die regionale Verfügbarkeit der Res-sourcen und den technischen Standard derNetzstruktur kritisch zu verfolgen. DieBetonung liegt hier in den Zeiten des Wett-bewerbs auf dem Kriterium sicher, dabereits Beispiele in anderen Volkswirt-schaften mit längeren Wettbewerbserfah-rungen Vernachlässigung bisher üblicherInstandhaltungsaufwendungen gezeigthaben und entsprechende Tendenzen bereitsauch in Brandenburg erkennbar werden.Eine Aufgabe der staatlichen Energieauf-sicht sollte daher in der Beobachtung dertechnischen Sicherheit bestehen.

6.2. Zum Schutz der Kunden vor mono-polistischen Preisen und Strukturen(Preiswürdigkeit)Im Vergleich zu unseren EuropäischenNachbarn war es evident, dass die Strom-preise in Deutschland und insbesondere in

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Ostdeutschland am oberen Ende lagen. DieNachteile, die sich daraus insbesondere fürdie energieintensiven Branchen ergaben,hatten ihre Ursache in einer Preisbildung,die typisch für monopolistische Märkte ist. Wettbewerbsnachteile gegenüber westdeut-schen oder europäischen Konkurrentenkonnten inzwischen durch die Strompreis-senkungen gemildert und Arbeitsplätzekonnten ein Stück weit stabilisiert werden.Die Liberalisierung des Strommarktes hatdazu geführt, dass in den Portmonees vonMillionen Bürgern netto etwas mehr Geldverbleibt. Brutto wurde jedoch ein Teildurch Ökosteueraufschläge umgeschichtet.Ein Ausgleich der entstandenen Umsatzver-luste der Energieanbieter durch das Ange-bot neuer Dienstleistungen im Sinne einerVerlängerung der Wertschöpfungskettewurde nur in wenigen Fällen erreicht. Weiterhin ist der unmittelbare Umgang mitKunden jenseits bunter Broschüren undanregender Werbekampagnen verbesse-rungsfähig. Die Auftrennung in Vertriebund Netzbetrieb führt z.Z. noch zu neuenUnsicherheiten statt zu mehr Transparenz. Echter Wettbewerb unter Einbeziehung derNetznutzung wird erst im Laufe dieses Jah-res entstehen, wenn im Rahmen der Ver-bändevereinbarung II jeder Netzbetreiberseine Nutzungsentgelte veröffentlicht hatund diese auch seinem eigenen Stromange-bot zugrunde legt. Manches externe Ange-bot wird sich dann nach Einbeziehung allernotwendigen Bestandteile relativieren.Zur Zeit sind weiterhin Tendenzen auszu-machen, mit denen die Netzbetreiber durchNutzungsentgelte oder Baukostenzuschüsse

den Kunden in ihrem Versorgungsgebietden Zugang zu attraktiven Angeboten Drit-ter oder die Netzeinspeisung erschweren.Weiterhin sind die teilweise angebotenenStrompreise eher als Kampfpreise zumErzielen von Marktanteilen einzuordnenund langfristig unter betriebswirtschaftli-chen Kriterien kaum haltbar. Insbesondere herrschen zwischen Ost- undWestdeutschland Disparitäten, die im Alterdes Kraftwerkparkes und den Aufwendun-gen zur Netzerneuerung begründet sind.Während in abgeschriebenen Kraftwerkenund Netzen allein die Betriebs- und Brenn-stoffkosten verdient werden müssen, stehenin Ostdeutschland für 5 bis 10 Jahre erheb-liche Kapitalkosten zu Buche, die noch ver-dient werden müssen. In dieser Gemengelage, die als Wettbewerbinnerhalb von Netzmonopolen bezeichnetwerden kann, bedarf es mehr denn je einerPreisbeobachtung, um den Energienutzerndie notwendige Transparenz für ihre Kauf-entscheidungen zu schaffen. Insbesondere in Ostdeutschland bedarf esaber auch der Übergangsregelungen, umden höheren Kapitaldienst erbringen zukönnen. Analog zu den staatlich finanzier-ten Verbraucherzentralen, die den Endkun-den neutrale Produkt- und Preisinformatio-nen zur Verfügung stellen, um sie gegen-über den Anbietern zu unterstützen, könnteeine Beratungsinstitution des Landes gegendie Verschleierungsbemühungen der Anbie-ter Transparenz setzen.

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6.3. Zur Sicherung einer effizienten Nut-zung bei Bereitstellung, Verteilung undAnwendung (Klima- und Umweltschutz)Das Wesen des Marktes ist es, einebestimmte Ware zu vergleichsweise günsti-gen Konditionen zur Verfügung stellen zukönnen. Dabei spielt nicht immer der nied-rigste Preis die entscheidende Rolle, wennDifferenzierungsmerkmale wie Serviceoder besondere Eigenschaften ähnlicheProdukte voneinander unterscheiden. Von dem überwiegenden Teil der Bevölke-rung und der produzierenden Unternehmenwird Strom kaum als Ware sondern als Teilder modernen Infrastruktur wahrgenom-men. Seine unmittelbaren Produkteigen-schaften lassen zudem kaum eine wahr-nehmbare Differenzierung zu. Der schwa-che Absatz besonderer Stromprodukte wieKWK-Strom oder grüner Strom zeigen,dass nur etwa 1% der Kunden an Differen-zierungen hinsichtlich der Beschaffungs-weise ernsthaft interessiert sind. Gleichzeitig wird jedoch durch die Strom-erzeugung in gravierender Weise Einflussauf unsere natürlichen Lebensgrundlagengenommen. Ob verfahrensbedingt 60 %oder 20 % der unvermeidlichen Kohlendio-xidemissionen ohne einen unmittelbarenNutzen zur Klimabeeinflussung freigesetztwerden, kann gesamtgesellschaftlich nichtbeliebig sein. So wie zur sozialen Absicherung staatlicheNetze geknüpft sind und jeder Bürgerselbstverständlich zu ihrer Erhaltungbeiträgt, sind auch zur Sicherung des Kli-maschutzes Vorkehrungen unumgänglich.Internationale Vereinbarungen, an die die

Bundesrepublik Deutschland völkerrecht-lich gebunden ist, legen fest, wie der Koh-lendioxidausstoß in den kommenden Jahrenreduziert werden muss.Zum ausreichenden Klimaschutz bedarf esim 21. Jahrhundert ganz gravierender CO2-Reduzierungen, die allein in den kommen-den 50 Jahren bei mindestens 50% liegen.Aus dem Dilemma zwischen Bedarf undBegrenzung führt nur neben der verstärktenNutzung erneuerbarer Energieträger dieEffizienzsteigerung des Einsatz. Damitkommt zur Verfügbarkeit oder der Preis-würdigkeit als Maßstab einer angemesse-nen Energieverwendung das Kriterium derRessourcenschonung hinzu. Der spezifi-sche Energieeinsatz für die Erzeugung spe-zieller Güter oder Anwendungsarten mussminimiert werden. Die Energiepolitik des Landes kann hiereinerseits motivierend und fördernd auf dieEnergienutzer und Energieanbieter einwir-ken und andererseits auf nationaler odereuropäischer Ebene dafür eintreten, dasseffizientere Verfahren steuerlich entlastetoder klimabelastende Verfahren belastetwerden. Eine deutsche Vorreiterrolle undein Engagement Brandenburgs als europä-ische Region sollte darin bestehen, gemein-same Lösungen in den entsprechenden Gre-mien vorzubereiten.

6.4. Zur angemessenen Berücksichti-gung eigener fossiler und erneuerbarerRohstoffe (regionale Wirtschafts- undArbeitsmarktpolitik)Bevor die 959 PJ (266 Mio. MWh) Primär-energieträger, die in Brandenburg 1997 ein-

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gesetzt wurden, in Prozessenergie, Raum-wärme oder Strom umgewandelt werdenkönnen, müssen sie zu 64 % außerhalbBrandenburgs beschafft werden. Je nachEnergieträger werden dazu zwischen 10 und30 DM je MWh Energieinhalt aufgewendet.Werden sie wie im Falle der Braunkohlen-gewinnung im eigenen Land zur Wertschöp-fung genutzt, dienen sie zur Finanzierungvon Arbeitsplätzen und Begründung regio-naler Wirtschaftskreisläufe. Für Gas, leichtes Heizöl und Mineralölpro-dukte, die zur Wärme- oder Stromerzeu-gung für den Brandenburger Bedarf einge-setzt werden, müssen jährlich rund 1,1 Mrd.DM an Vorlieferanten ausgeführt werden,die, in Brandenburg ausgegeben, zu weite-rer Wertschöpfung dienen könnten. Sowohldie Nutzung des einheimischen Energieträ-gers Braunkohle als auch die Nutzungnachwachsender Rohstoffe, wie Holz oderRaps könnten in diesem Sinne einen ver-stärkten Beitrag zur wirtschaftlichen Ent-wicklung Brandenburgs leisten. Während die Nutzung der Braunkohle wei-testgehend auf die grubennahen Standorteder Verstromung beschränkt ist, weil dieWirtschaftlichkeit nicht durch Transportko-sten unnötig belastet werden kann, könnennachwachsende Rohstoffe, insbesonderedas Restholz, Brandenburg weit genutztwerden. Für die ländlichen Räume, diedurch Gasleitungen noch nicht flächen-deckend erschlossen sind oder in denenÖlheizungen vorherrschen, bieten sichUntersuchungen zur Holzhackschnitzelver-sorgung in Einzelanlagen oder Nahwärme-netzen an.

Die Gewinnung von Holzhackschnitzelnkann durch landwirtschaftliche Betriebe inZusammenarbeit mit Waldbesitzern erfol-gen, wenn dafür die infrastrukturellen Vor-aussetzungen geschaffen werden. Ziel derBrandenburger Energiepolitik muss es sein,diese Ressourcen zur Wertschöpfung zunutzen und die davor liegenden Hemmnisseabzubauen.

6.5. Zur Stärkung verbrauchernaherAnbieter, die energiepolitische Zieleunter betriebswirtschaftlicher Optimie-rung umsetzen (Kommunale Energie-wirtschaft und unabhängige Anbieter)Unter Beachtung der Klimaschutzaspektemüssen fossile Primärenergieträger so effi-zient wie möglich genutzt werden. ZurKraft-Wärme-gekoppelten Erzeugung vonStrom und Wärme gibt es dabei keine Alter-native. Diese kann nur verbrauchernahgeschehen und setzt Akteure voraus, die dasVertrauen der handelnden Kundengenießen. Die Unternehmenspolitik derregionalen Stromanbieter hat Anfang der90er Jahre zu einer Abkehr von der vorhan-denen Struktur einer weitgehend verbrau-chernahen Wärmeerzeugung aus Industrie-kraftwerken geführt, die Strom und Wärmein Koppelprozessen erzeugten. KommunaleEnergieanbieter sind damit im wesentlichendie einzigen Anbieter, die über KWK-Anla-gen verfügen. Gleichzeitig sind Energiean-bieter in kommunalem Besitz eine derwenigen Einnahmequellen, über die Kom-munen zur wirtschaftlichen Betätigung ver-fügen, ohne dies unzulässig missbrauchenzu dürfen. Damit liegen mindestens zwei

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Gründe vor, sich massiv für die Erhaltungeiner kommunalen Energiewirtschaft mitKraft-Wärme-Kopplung einzusetzen. DieGesetzgebungsverfahren auf Bundesebeneund die Öffentlichkeitsarbeit auf Landese-bene bieten dem Land nutzbare Einflus-smöglichkeiten.

6.6. Zur Entwicklung und Anwendungexportfähiger Technologien (Know-How)Wir leben in einer Welt, die rasant ihrGesicht verändert. Die Weltbevölkerungnimmt weiterhin erheblich zu und erzeugteinen kontinuierlich steigenden Energiebe-darf. Während in den europäischen Länderneine Abkopplung des klassischen Zusam-menhangs von Bruttosozialprodukt undWirtschaftswachstum zu verzeichnen ist,nimmt der Energiebedarf in den raschwachsenden Teilen der Weltbevölkerung inAsien und Afrika zu. Mit welchen Techni-ken werden diese Nationen ihren Energie-bedarf befriedigen? Shell hat in seiner Prognose zur Entwick-lung des Energiebedarfs in den nächsten 50Jahren die Antwort gegeben, dass etwa 50% des Bedarfs aus erneuerbaren Energieträ-gern gedeckt werden müssen, um die Ver-fügbarkeit und nachhaltige Nutzung sichernzu können. Während in Europa weiterhinüber die Sinnhaftigkeit des Einsatzes erneu-erbarer Energieträger gestritten wird, ver-kauft Shell in Asien bereits Photovoltaik-Module über Vorfinanzierung und Refinan-zierung durch Scheckkarten. Während in Nordrhein-Westfalen mit Lan-desmitteln neue Produktionsanlagen fürPV-Module aufgebaut wurden, um den stei-

genden Weltmarktbedarf zu befriedigen istin Brandenburg noch keine eindeutige Stra-tegie definiert, wie man seinen Anteil an derEntwicklung sichern will. Wie weiter obenausgeführt, sollte die Energiepolitik gezieltEinfluss auf die Entwicklung und Anwen-dung entsprechender Techniken nehmenund dazu verschiedene Instrumente derForschungs-, Unternehmens- und Anwen-dungsförderung einsetzen.

7. Die Energie-Agentur als Umsetzungs-instrument weiterentwickelnIm Gegensatz zu staatlicher Verwaltungoder prüfenden Ämtern bietet eine landes-eigene, unabhängige Energieagentur dienötige Flexibilität, Know-how vorzuhalten,angemessene Beratung für staatliche undprivate Entscheidungen bereitzustellen,gezielte Öffentlichkeitsarbeit zur Werbungfür die politischen Ziele einzusetzen undzusätzliche finanzielle Mittel für die not-wendige Arbeit einzuwerben.Zur Umsetzung des oben genannten Verfas-sungsgebotes hat Brandenburg deshalb imLandesimmissionsschutzgesetz die Gewähr-leistung einer angemessenen und Interessenunabhängigen Beratung festgeschrieben undzu diesem Zweck 1991 als erstes der neuenBundesländer eine landeseigene Energie-spar-Agentur gegründet. So wie 9 von 10 alten Bundesländern verfügtBrandenburg damit über ein modernes Poli-tikinstrument. Wirtschafts- und Umweltmi-nisterium haben seinerzeit keine privatwirt-schaftlichen Gesellschafter einbezogen, umdie gesetzlichen Vorgaben zur Neutralität der

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Energieberatung zu sichern. Als Aufgabenwurden die Beratung, die Fortbildung, dieFörderung von Forschung und Entwicklung,die Initiierung von Modellprojekten zumContracting und die Übernahme von Pro-jektträgerschaften definiert.In Brandenburg, Deutschland und Europahat sich die BEA in den vergangenen 8 Jah-ren als selbständige Agentur durch ihrefachliche Unabhängigkeit und KundennäheAnerkennung erworben und ist damit eindeutliches Zeichen für die erfolgreicheEnergiepolitik des Landes geworden. Die Aufgabe der BEA ist entsprechend demEnergiekonzept des Landes Brandenburgdie eines Katalysators, der in engem Kon-takt mit Selbstverwaltungskörperschaften,Fernwärmegesellschaften, Wohnungsunter-nehmen und Industrie und Gewerbe dazubeiträgt, die Zielsetzungen der Landesre-gierung beschleunigt und effizient umzu-setzen. Sie hat daneben die Aufgabe, einenwesentlichen Beitrag zur Formulierung undUmsetzung der Kommunikationsstrategiezur verstärkten Sensibilisierung der ener-gieverbrauchenden und energiebereitstel-lenden Akteure im Land zu leisten.Nach den gravierenden Veränderungen desOrdnungsrahmens der Energiewirtschaftwächst die Bedeutung adäquater unabhän-giger Beratungs- und Informationsangebotefür Energieanwender sowie der Bedarf anInformation und Verflechtung innerhalb derEuropäischen Union. Ohne eine unabhängige Agentur, die denMarktpartnern ortsnah direkt und unbüro-kratisch Informationen, Hilfestellungenund Beratung anbietet, können die Ziele der

effizienten und umweltverträglichen Ener-gienutzung- und -bereitstellung nur schwergesichert werden.Aufbauend auf einer Landesförderungkonnte die BEA in den vergangenen Jahrendurch Akquisition bei EU, Bund und Landund durch Aufträge aus dem Bereich derZielgruppen ihr Projektvolumen ergänzen.Sie hat zusätzliche Arbeitsplätze im eige-nen Unternehmen geschaffen und achtEnergiebeauftragte zu Anstellungengebracht. Die BEA sieht eine wachsende Notwendig-keit der informellen Zusammenarbeit zwi-schen Energieerzeugern, Energieverbrau-chern, Planern, Beratern und Nichtregie-rungsorganisationen, ohne die eine Ver-wirklichung der Landesziele nicht möglichsein wird. Dementsprechend fordert derFachbeirat der BEA, in dem Vertreter allermaßgeblichen Akteure der Nutzer, Anbieterund Energiepolitik vertreten sind, die BEAintensiv auf, ihre Rolle bei der Vernetzungder energiepolitischen Aktivitäten der Lan-desregierung zu verstärken. Für die Arbeitder BEA ist besonders ein enger Informati-onsaustausch zu den zuständigen Ministeri-en für Wirtschaft, Landwirtschaft/Umwelt,Finanzen (Landesbauverwaltung) undWohnen/Verkehr wichtig.Eine engere Zusammenarbeit mit den bei-den weiteren Institutionen im Energiebe-reich, dem Energieressourceninstitut an derBTU in Cottbus und dem Institut für Solar-technologien in Frankfurt(Oder) würdeSynergiepotentiale erschließen.In einer engeren Kooperation bieten BEA,ERI und IST innerhalb eines Netzes, das

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durch die EnergieTechnologieInitiativebestimmt ist, die Gewähr, dass Entwicklun-gen zur Solarenergienutzung, zum energie-sparenden Bauen, zum Energiemanagementsowie zur Nutzung nachwachsender Roh-stoffe (Verbrennung und Vergasung) effizi-ent und marktgerecht verfolgt und zügig indie Praxis umgesetzt und/oder angewendetwerden. Eine staatliche Grundfinanzierungbedeutet dabei keine überflüssige Alimen-

tierung überflüssiger Forschung sonderndie angemessene Absicherung der Möglich-keiten, Mittel anderer öffentlicher oder pri-vater Geldgeber einzuwerben.

Dr. Georg Wagener-Lohse ist Geschäftsfüh-rer der Brandenburgischen Energiespar-Agentur (BEA).

www.bea-potsdam.de

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IMPRESSUM

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HerausgeberSPD-Landesverband BrandenburgRedaktionKlaus Ness (V.i.S.d.P.), Lars Krumrey,Madelaine Jacob, Andreas BüchnerAnschriftFriedrich-Ebert-Straße 6114469 PotsdamTelefon03 31 – 29 20 30Telefax03 31 – 2 70 85 35MailPerspektive-21@spd.deInternetwww.spd-brandenburg.deDruckDruck- und MedienhausHans Gieselmann, Bergholz-RehbrückeSatzkw

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perspektive 21Brandenburgische Hefte für Wissenschaft und Politik

Perspektive 21 erscheint seit 1997 regelmäßig viermal im Jahr. Sie istkostenlos beim SPD-Landesverband Brandenburg zu beziehen. Ziel derPublikation ist es, ein breites Diskussionforum zwischen Politik undWissenschaft zu schaffen. Denn leider kommt der Gedankenaustauschzwischen den „Machern“ und den „Denkern“ im Alltag immer noch vielzu kurz.

Von den älteren Heften sind noch die Nummern 7 – 10 mit den Themen-schwerpunkten Europa, Soziale Gerechtigkeit, Bildungs- und Wissen-soffensive und Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg verfügbar. Siekönnen sie gerne – wie auch das kostenlose Abonnement – mit der Post-karte bestellen.

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INTERVIEWmit Wolfgang Birthler,Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Umweltschutz, Naturschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg

BEITRÄGE

Lausitzer Braunkohlevon Dr. Kurt Häge

Bergbausanierung –eine volkswirtschaftlich notwendige Investitionvon Prof. Dr. Joachim Katzur

Das System derGroßschutzgebiete Brandenburgsvon Dr. Eberhard Henne

Ausbau des Wasserstraßennetzes im Bereich der WSD Ostvon Peter Neugebauer

Das Märchen vom guten Binnenschiffvon Manfred Krauß, Ulrike Kielhorn,Wilfried Lücking und Sibylle Rosenkranz

Eine zukunftsfähige Energiestrategiefür Brandenburgvon Prof. Dr. Rolf Kreibich

Nachhaltige Energiepolitik fürBrandenburg in einemwettbewerblichen Umfeldvon Dr. Georg Wagener-Lohse