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Die Masoala-Halle des Zoos Zürich wird dereinst die grösste Sammlung von Pflanzen aus Madagaskar beher- bergen. Foto: Christian Vogt. La halle Masoala du zoo de Zurich hé- bergera un jour la plus grande collec- tion de plantes de Madagascar. Vor zwei Wochen gingen wiederum die Grünen Tage über die Bühne. Die drei- tägige Veranstaltung wird alle zwei Jahre von der Vereinigung Oeschberger organi- siert. Im Mittelpunkt des Veranstaltungs- tages für alle Fachrichtungen standen die Pflanzen. Das Gebiet, das die Interessen der Branche eint. Mit Günther Vogt, Inhaber des Büros Vogt Landschaftsarchitekten in Zürich und Mün- chen, fand die Tagung einen eloquent vorge- tragenen Einstieg, der pointierte Aussagen nicht missen liess. Der am Oeschberg ausge- bildete Staudengärtner und international ge- fragte Landschaftsarchitekt «sieht sich noch immer als Gärtner», wenn auch, weil aus der Übung gekommen, als mittelmässiger, wie er freimütig einräumte. Während sich mancher Landschaftsarchitekt, manche Landschafts- architektin schwer tut mit den grünen Wur- zeln des Berufsstandes, zeigt Vogt keinerlei Berühungsängste gegenüber der lebendigen Materie, die den Inhalt der planerischen Ar- beit der Landschaftsarchitektur prägt. Die von Vogt präsentierte kleine Werkschau gab einen Einblick in die Arbeit des Büros, das oft mit grossmassstäblichen Aufgaben befasst ist. Einen Trend sieht Vogt darin, dass sich die Projekte zunehmend in den Innenraum Pflanzen im Zentrum Bekenntnis zu den grünen Wurzeln an den «Grünen Tagen 2005» 6 Der Gartenbau 5/2005 PFLANZEN- VERWENDUNG verschieben. Darin liege zugleich eine Problematik des Berufsstandes, denn die Ge- sellschaft wolle die Natur noch mehr kontrol- lieren, sagte Vogt. Er beobachtet im Allgemei- nen ein starkes Bedürfnis bei den Leuten, Pflanzen zu «erleben». Als Projektbeispiel im Innenraum diente der «Dschungel» im neuen Bürogebäude der Firma Novartis, Basel. Um den Zuhörerinnen eine Grössenvorstellung der Begrünung zu geben, nannte Vogt das Gesamtgewicht der Pflanzen von 70 t, die hierbei eingebracht werden. Je nach Etage erhält man einen an- deren Einblick in den Dschungel. Vogt konnte Daniel Vasella, CEO der Firma No- vartis, von der Idee überzeugen, den Pflan- zen als Ursprung der Pharmaindustrie im Konzept des Bürogebäudes eine prominente Rolle einzuräumen. Für den berühmten Londoner Büroturm von Norman Foster, die so genannte Gurke, waren ebenfalls Pflanzen gewünscht, wie Vogt als weiteres Projekt aus seinem Büro vorstellte. Da sich die Leute den ganzen Tag im Gebäude aufhielten, sei der Wunsch nach Pflanzen legitim, sagte Vogt. Hierbei setzte das Büro auf die herkömmliche Innenbegrü- nung mit Einzelgefässen. Eine Besonderheit der eigens entwickelten Grossgefässe besteht in einem beweglichen Topfrand. Ursprünglich seien Vorhänge aus Hängepflanzen wie Til- landsien geplant gewesen. Die Idee scheiterte letztlich an den klimatischen Bedingungen. Die Masoala-Halle im Zoo Zürich ist wohl das spektakulärste Projekt unter Glas, das vom Büro Vogt geplant worden ist. Die Grösse sei entscheidend bei diesem Projekt, wo ein Lebensraum unter künstlichen Bedingungen rekonstruiert wurde, sagte Vogt und stellte klar, dass vergleichbare Projekte wie Eden in Cornwall sowie das Regenwaldhaus in Han- nover weitaus kleiner sind. Foto oben: Staudenbeete in grosser Artenvielfalt und farblich abgestimmt prägen die Aussenräume des Haupsit- zes der Helvetia Patria in St. Gallen. Foto: Christian Vogt. En haut: Des plates-bandes constituées d’une grande diversité de plantes très colorées caractérisent les espaces ex- térieurs du siège de Helvetia Patria à St-Gall.

Pflanzen im Zentrum - Vogt Lasollte dem Wunsch der Architekten gemäss durch Blumenbeete ersetzt werden. Eine kleinräumig gegliederte Staudenpflanzung dehnt sich auf einer Fläche

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Page 1: Pflanzen im Zentrum - Vogt Lasollte dem Wunsch der Architekten gemäss durch Blumenbeete ersetzt werden. Eine kleinräumig gegliederte Staudenpflanzung dehnt sich auf einer Fläche

Die Masoala-Halle des Zoos Zürichwird dereinst die grösste Sammlungvon Pflanzen aus Madagaskar beher-bergen. Foto: Christian Vogt.La halle Masoala du zoo de Zurich hé-bergera un jour la plus grande collec-tion de plantes de Madagascar.

Vor zwei Wochen gingen wiederum dieGrünen Tage über die Bühne. Die drei-tägige Veranstaltung wird alle zwei Jahrevon der Vereinigung Oeschberger organi-siert. Im Mittelpunkt des Veranstaltungs-tages für alle Fachrichtungen standen diePflanzen. Das Gebiet, das die Interessen derBranche eint.

Mit Günther Vogt, Inhaber des Büros VogtLandschaftsarchitekten in Zürich und Mün-chen, fand die Tagung einen eloquent vorge-tragenen Einstieg, der pointierte Aussagennicht missen liess. Der am Oeschberg ausge-bildete Staudengärtner und international ge-fragte Landschaftsarchitekt «sieht sich nochimmer als Gärtner», wenn auch, weil aus derÜbung gekommen, als mittelmässiger, wie erfreimütig einräumte. Während sich mancherLandschaftsarchitekt, manche Landschafts-architektin schwer tut mit den grünen Wur-zeln des Berufsstandes, zeigt Vogt keinerleiBerühungsängste gegenüber der lebendigenMaterie, die den Inhalt der planerischen Ar-beit der Landschaftsarchitektur prägt. Die vonVogt präsentierte kleine Werkschau gab einenEinblick in die Arbeit des Büros, das oft mitgrossmassstäblichen Aufgaben befasst ist.

Einen Trend sieht Vogt darin, dass sichdie Projekte zunehmend in den Innenraum

Pflanzen im Zentrum Bekenntnis zu den grünen Wurzeln an den «Grünen Tagen 2005»

6 Der Gartenbau 5/2005

PFLANZEN-VERWENDUNG

verschieben. Darin liege zugleich eineProblematik des Berufsstandes, denn die Ge-sellschaft wolle die Natur noch mehr kontrol-lieren, sagte Vogt. Er beobachtet im Allgemei-nen ein starkes Bedürfnis bei den Leuten,Pflanzen zu «erleben».

Als Projektbeispiel im Innenraum dienteder «Dschungel» im neuen Bürogebäude derFirma Novartis, Basel. Um den Zuhörerinneneine Grössenvorstellung der Begrünung zugeben, nannte Vogt das Gesamtgewicht derPflanzen von 70 t, die hierbei eingebrachtwerden. Je nach Etage erhält man einen an-deren Einblick in den Dschungel. Vogtkonnte Daniel Vasella, CEO der Firma No-vartis, von der Idee überzeugen, den Pflan-zen als Ursprung der Pharmaindustrie imKonzept des Bürogebäudes eine prominenteRolle einzuräumen.

Für den berühmten Londoner Büroturmvon Norman Foster, die so genannte Gurke,waren ebenfalls Pflanzen gewünscht, wieVogt als weiteres Projekt aus seinem Bürovorstellte. Da sich die Leute den ganzen Tagim Gebäude aufhielten, sei der Wunsch nachPflanzen legitim, sagte Vogt. Hierbei setztedas Büro auf die herkömmliche Innenbegrü-nung mit Einzelgefässen. Eine Besonderheitder eigens entwickelten Grossgefässe bestehtin einem beweglichen Topfrand. Ursprünglichseien Vorhänge aus Hängepflanzen wie Til-landsien geplant gewesen. Die Idee scheiterteletztlich an den klimatischen Bedingungen.

Die Masoala-Halle im Zoo Zürich ist wohldas spektakulärste Projekt unter Glas, dasvom Büro Vogt geplant worden ist. Die Grössesei entscheidend bei diesem Projekt, wo einLebensraum unter künstlichen Bedingungenrekonstruiert wurde, sagte Vogt und stellteklar, dass vergleichbare Projekte wie Eden inCornwall sowie das Regenwaldhaus in Han-nover weitaus kleiner sind.

Foto oben: Staudenbeete in grosserArtenvielfalt und farblich abgestimmtprägen die Aussenräume des Haupsit-zes der Helvetia Patria in St. Gallen.Foto: Christian Vogt.En haut: Des plates-bandes constituéesd’une grande diversité de plantes trèscolorées caractérisent les espaces ex-térieurs du siège de Helvetia Patria àSt-Gall.

Page 2: Pflanzen im Zentrum - Vogt Lasollte dem Wunsch der Architekten gemäss durch Blumenbeete ersetzt werden. Eine kleinräumig gegliederte Staudenpflanzung dehnt sich auf einer Fläche

Zoos und Botanische GärtenzusammenlegenDie Masoala-Halle wird einmal die welt-

weit grösste Sammlung madagasischerPflanzenarten beherbergen. Nach und nachwird die bestehende Pflanzung durch in Ma-dagaskar gezogene Pflanzen ersetzt. In die-sem Projekt sind die Pflanzen mindestensebenso wichtig wie die Tiere. Ein grosses Potenzial sieht Vogt, indem sich die Zoos undBotanischen Gärten zusammenschliessen,denn beide wollen das Gleiche, und zwar einen Lebensraum zeigen.

«Eventlandschaften» unter Glas seien heutein der halben Welt geplant, sagte Vogt. Inseinem Büro seien Anfragen aus dem arabi-schen Raum eingegangen von Investoren,die zehn Mal so grosse Projekte planen wiedie Masoala-Halle. Ihnen erteilt er ebensoeine Absage wie der Vielzahl von Anfragen,die eine Renovation von Innenbegrünungenbetreffen. Für Projekte im Innenraum giltlaut Vogt: «Es sollte öfter nein gesagt wer-den, wenn das Raumklima nicht stimmt.»

Tropische Pflanzen stehen laut Vogt imTrend des gegenwärtig gefragten Instant-Gardening, weil sie innerhalb kurzer Zeitviel Wirkung bringen. Hier sind Grenzen ge-setzt. Als Beispiel nannte Vogt das vor Kur-zem eröffnete «Tropical Island» in Branden-burg, das mit riesigen Problemen bei derBepflanzung zu kämpfen hat (siehe auch«Der Gartenbau» 2/05). Im Hauruckverfah-ren wurde dort eine tropische Ferienland-schaft in eine ungenutzte Cargo-Halle miteiner Höhe von 50 m gebaut. Die Pflanzen-lieferung hätte mittlerweile gestoppt werdenmüssen, wie Vogt sagte. Damit die Pflanzenüberhaupt eine Chance haben, muss nunnachträglich eine künstliche Beleuchtungeingebaut werden. Der Verzicht auf Kunst-licht war hingegen eine wichtige Bedingungbei der Planung der Masoala-Halle.

Ein kritischer Punkt für den Erfolg desProjektes Masoala-Halle bestand in derWahl des künstlichen Substrates, wobei eineLebensdauer von 25 Jahren zu gewährlei-sten war. Laut Vogt hat sich die Substrat-wahl sehr gut bewährt. Er rühmte die«Schweizer Qualität», die hier mit der Rezep-tur der Firma Forster zum Zug kam. Das Kli-ma ist Teil der Gestaltung. Faszinierend andiesem Projekt sei auch das künstliche Wet-ter – der Nebel, der Regen –, das die Illusionder Tropen erzeuge, sagte Vogt weiter. Erlegte grossen Wert da-rauf, dass bei der Kli-masteuerung Leute am Werk sind, die etwasvon Pflanzen verstehen. Ein Gewächshaus-Klimaspezialist ist zuständig für die Steue-rung der Masoala- Halle. Bei der Bekämp-fung von Schädlingen wird voll auf denNützlingseinsatz gesetzt. Das Konzept wurdein Zusammenarbeit mit einem Insektenfor-scher geplant.

Intensive Staudenpflanzung

Als Beispiel im Aussenraum stellte Vogt dieGestaltung am Hauptsitz der Helvetia PatriaVersicherungen, St. Gallen, vor. Der Rasensollte dem Wunsch der Architekten gemässdurch Blumenbeete ersetzt werden. Einekleinräumig gegliederte Staudenpflanzungdehnt sich auf einer Fläche von 23000m2 aus.In Zusammenarbeit mit Pit Altwegg wurdenDiagramme für das Blütenzeitspektrum derVielzahl hierbei verwendeter Arten ausgear-beitet und die Stauden vor Ort ausgelegt. DieGestaltung orientiert sich an Farbthemen, wiesie im klassischen Englischen Garten zu fin-den sind. Der Pflegeaufwand entspricht einerDrei-Viertel-Mannstelle.

Bei diesem Projekt, das den Titel «Blumen-berge» trägt, wurde vor allem auch wegen derdurch das Glasgebäude entstehenden Spiege-lungen auf Staudenpflanzungen gesetzt: «ImVorbeigehen wirken sie wie kleine Gärten»,beschrieb Vogt die Wirkung. Als gelernterStaudengärtner hat der Planer eine Vorliebefür diese Gewächse. Nach dem Frust frühererStaudenpflanzungen zog er vorübergehenddas Fazit «dauerhaft, aber funktioniert nicht»und ist nun überaus positiv überrascht, wiegut sich die Pflanzung bewährt. Das liegeauch daran, dass es heute Gartenbaufirmengebe, die das sehr gut machen, sagte Vogt, umdem ausführenden Branchenzweig allgemeinein Kränzchen zu winden: «Die Gartenbauerhaben in den letzten Jahren zugelegt.»

Die Werkschau wurde abgerundet durchdas Projekt Allianz Arena, der Umgebungs-gestaltung des Stadions in München. DasStadion liegt am Stadtrand, ist umgeben voneiner Kläranlage und einem Müllberg – der«Magen und Darm der Stadt», wie Vogt einBonmot prägte. Auf dem Dach des giganti-schen Parkhauses, das 12 000 Plätze fasst,entfaltet sich eine Heidelandschaft. Haupt-gedanke war dabei, dass der Aussenraum fürdie Anwohnerinnen auch dann nutzbarbleibt, wenn kein Spiel ist. Die Heidevege-

7Der Gartenbau 5/2005

PFLANZEN-VERWENDUNG

Das Stadion verliert sich beinahe in derweitläufigen, auf dem Dach des Park-hauses etablierten Heidelandschaft.Foto: Vogt Landschaftsarchitekten.Le stade se perd presque sur la vasteétendue du toit de la maison du parcplantée de plantes pour sol acide.

tation auf dem Dach entspricht der amBoden vorhandenen Flora. Für die dünn-schichtige Begrünung wurden 20000m3 Erdeaufgebracht und leicht modelliert. Die Arten-zusammensetzung ist in Zusammenarbeitmit der Universität Weihenstephan ent-wickelt worden. Die Samen wurden aus derangrenzenden Heidelandschaft gewonnen.Eine Million Pflanzen sind für dieses Projektin Staudengärtnereien gezogen worden, undzwar im gleichen Substrat wie bei der Dach-begrünung, was laut Vogt sehr wichtig ist fürden Erfolg. Ausgebracht wurden die Pflanzenmit Gemüsepflanzmaschinen.

Pflanzen ins Gespräch bringenDer Vortrag mündete in einem Plädoyer

für Pflanzen: «Wir müssen wieder lernen,über Pflanzen zu reden, und dies nach aussentragen.» Vogt richtete diese Forderung auchan die Adresse seiner Berufskolleginnen. DieHauptkritik, die er über den eigenen Berufs-stand von den Architekten vernimmt, lautet:«Sie wissen alle nicht mehr über Pflanzen alswir.» Dies müsse sich massiv ändern, forderteVogt abschliessend. Dieser Forderung konntesich Thomas Wullimann, Direktor der Garten-bauschule Oeschberg und Moderator derTagung, leicht anschliessen, schliesslich ent-spricht sie der Schwerpunktsetzung der Aus-und Weiterbildung am Oeschberg. ■

Waltraud Aberle