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254 BerWissGesch 6 (1983): Rezensionen Im ersten Teil wird dem Leser anschaulich und vielseitig dokumentiert vor Augen gefuhrt, welche Schwierigkeiten konstitutioneller, konfessioneller, kultureller, allgemeinpolitischer sowie standortbe- dingter Art mit der Griindung und Einrichtung dieser rheinischen Universitat verbunden waren. Der zweite Teil bietet nach einleitenden allgemeinen Betrachtungen uber das Berufungsverfahren, z. B. uber Entscheidungskompetenz, jeweils in gesonderten Kapiteln die chronologisch geordnete Re- konstruktion der ,,vollstandigen Besetzung" der sechs Fakultaten. Deutlich stellt der Verfasser dabei die Hintergriinde der Berufungspolitik Altensteins heraus, z. B. dat3 er den Ehrgeiz hatte, nur hervor- ragende Wissenschaftler fur Bonn zu gewinnen, diese jedoch nicht den damaligen sieben anderen predischen Universitaten entziehen wollte, und dai3 er protestantische Gelehrte bevorzugte. Dabei raumte er namhaften Berliner Professoren wie dem Anatomen Karl Asmund Rudolphi (1771-1832) als Gutachter bedeutende Mitwirkungsmoglichkeiten ein. Dariiber hinaus envies er sich aber auch in seinen Entscheidungen als von personlichen Interessen und zwischenmenschlichen Beziehungen abhiingig. So lie6 er sich z. B. von dem ihm nahestehenden und von ihm geforderten Zoologen Georg August Goldfuss (1782-1848) und dessen beider Freund Christian Gottfried Daniel Nees von Esenbeck (1776-1858) - letzterer besonders in seiner Funktion als Prasident der Leopoldina - erheblich im wissenschaftlichen Urteil beeinflussen. Andererseits ist es gerade der engen Verbindung Altensteins zu diesen beiden Gelehrten, seiner Vorliebe fur die Naturwis- senschaften und seiner Durchsetzungskraft gegeniiber dem Staatskanzler Karl August Fiirst von Har- denberg (1750-1822), mit dem er die Berufungen abzustimmen hatte, zu verdanken, d& er entgegen dem urspriinglichen Stellenplan einer Provinzuniversitat die Zahl der aderordentlichen Professuren betrachtlich erhohen und somit das Lehrangebot erweitern konnte. Damit stellt er die Weichen f& die weitere Entwicklung an den Hochschulen und fur den raschen Aufschwung der Universitat Bonn. Eine iibersichtliche und klare Gliederung der Arbeit, wechselnde Seiteninhaltshberschriften und kurze zusammenfassende Betrachtungen am SchluB der einzelnen Kapitel erleichtern dem Leser bei der Fiille der angefuhrten Personen, Sachverhalte und Quellen die Orientierung. Ausfuhrliche Fu5noten geben erganzende und weiterfuhrende Hinweise. Bibliographische Ubersichten vermitteln ein Bild von dem Umfang und der Vielgestaltigkeit des benutzten Quellenmaterials. Ein Personenindex mit kurzen biographischen Angaben (Lebensdaten, Beruf, Ort der Tatigkeit) ermoglichen das gezielte Suchen und Identifizieren von bestimmten Personen. Hier beeintrachtigen allerdings einige Ungenauigkeiten, vor allem bei der Nennung der Daten von Natunvissenschaftlern, und zum Teil eine fehlende Ubereinstim- mung von Fanotentext und Personenindex den Gesamteindruck der Arbeit: So wurde Heinrich Friedrich Link (1767-185 1) 1815 nicht Professor der ,,Natunvissenschaften" (p. 84, Anm. 262), sondern der Naturgeschichte an der Universitat Berlin, K. A. Rudolphi 1808 nicht ordentlicher Profes- sor der Anatomie in ,,Konigsberg" (p. 84, Anm. 262), sondern in Greifswald, wie es im Personenindex (p. 303) auch richtig steht. Insgesamt stellt diese - trotz des stellenweise etwas trockenen Sachverhaltes - lesenswerte Studie einen wichtigen Beitrag zur Bonner Universitatsgeschichte und zur Person des ersten preaischen Kultusministers Altenstein dar und ist nicht nur Historikern, sondern auch Wissenschaftshistorikern und Juristen zu empfehlen. Eine Auswahl der ausgewerteten, zum Teil schwer zuganglichen Doku- mente beabsichtigt der Autor in einem gesonderten Band zu publizieren. Irmtraut Scheele, Hamburg. Philosophie in Selbstdarstellungen. Herausgegeben von Ludwig J. Pongratz. Hamburg: Felix Meiner Verlag. Bd 1: X und 316 Seiten, 1975, Paperback DM 34,- / Bd 2: 399 Seiten, 1975, Paperback DM 34,- / Bd 3: 292 Seiten, 1977, Paperback DM 28,-. Mit der ,,Philosophie in Selbstdarstellungen" hat der Felix Meiner Verlag eine Tradition der zwanziger Jahre wieder aufgenommen, in denen innerhalb seiner Sammlung ,,Die Wissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen" 1922 bis 1929 insgesamt 32 Bande erschienen waren, auch damals beginnend mit ,,Die Philosophie in Selbstdarstellungen" (weiterhin: Medizin, Rechts-, Kunst-, Geschichts- und Reli- gionswissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Padagogik). Die Idee war seineneit auf den philosc- phischen Berater des Verlages, Raymund Schmidt, zuliickgegangen; sie wurde Anfang der siebziger Jahre von Ludwig J. Pongratz wieder aufgenommen, und der Verlag Hans Huber (Bern) begann sie in drei Biinden mit Selbstdarstellungen von Psychologen, Psychiatern und Psychotherapeuten (1972-1975) zu verwirklichen. Fiir die Ausdehnung im alten Sinne konnte dann wieder der Felix Meiner Verlag gewonnen werden. Das bisher schon vorgelegte Ergebnis ist ein (zu erweiterndes) Stuck Wissenschafts- und Zeitgeschichte aus der Selbstreflexion von Denkern heraus gesehen, die sie mit gepragt haben - und von da her ist zu hoffen, daD der Verlag seine sich selbst gesteckten Grenzen in diesem Falle zu iiberschreiten gewillt ist und auch Naturwissenschaftler und Techniker in eigenen

Philosophie in Selbstdarstellungen. Herausgegeben von Ludwig J. Pongratz. Hamburg: Felix Meiner Verlag. Bd 1: X und 316 Seiten, 1975, Paperback DM 34,- / Bd 2: 399 Seiten, 1975, Paperback

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254 BerWissGesch 6 (1983): Rezensionen

Im ersten Teil wird dem Leser anschaulich und vielseitig dokumentiert vor Augen gefuhrt, welche Schwierigkeiten konstitutioneller, konfessioneller, kultureller, allgemeinpolitischer sowie standortbe- dingter Art mit der Griindung und Einrichtung dieser rheinischen Universitat verbunden waren.

Der zweite Teil bietet nach einleitenden allgemeinen Betrachtungen uber das Berufungsverfahren, z. B. uber Entscheidungskompetenz, jeweils in gesonderten Kapiteln die chronologisch geordnete Re- konstruktion der ,,vollstandigen Besetzung" der sechs Fakultaten. Deutlich stellt der Verfasser dabei die Hintergriinde der Berufungspolitik Altensteins heraus, z. B. dat3 er den Ehrgeiz hatte, nur hervor- ragende Wissenschaftler fur Bonn zu gewinnen, diese jedoch nicht den damaligen sieben anderen predischen Universitaten entziehen wollte, und dai3 er protestantische Gelehrte bevorzugte. Dabei raumte er namhaften Berliner Professoren wie dem Anatomen Karl Asmund Rudolphi (1771-1832) als Gutachter bedeutende Mitwirkungsmoglichkeiten ein.

Dariiber hinaus envies er sich aber auch in seinen Entscheidungen als von personlichen Interessen und zwischenmenschlichen Beziehungen abhiingig. So lie6 er sich z. B. von dem ihm nahestehenden und von ihm geforderten Zoologen Georg August Goldfuss (1782-1848) und dessen beider Freund Christian Gottfried Daniel Nees von Esenbeck (1776-1858) - letzterer besonders in seiner Funktion als Prasident der Leopoldina - erheblich im wissenschaftlichen Urteil beeinflussen. Andererseits ist es gerade der engen Verbindung Altensteins zu diesen beiden Gelehrten, seiner Vorliebe fur die Naturwis- senschaften und seiner Durchsetzungskraft gegeniiber dem Staatskanzler Karl August Fiirst von Har- denberg (1750-1822), mit dem er die Berufungen abzustimmen hatte, zu verdanken, d& er entgegen dem urspriinglichen Stellenplan einer Provinzuniversitat die Zahl der aderordentlichen Professuren betrachtlich erhohen und somit das Lehrangebot erweitern konnte. Damit stellt er die Weichen f& die weitere Entwicklung an den Hochschulen und fur den raschen Aufschwung der Universitat Bonn.

Eine iibersichtliche und klare Gliederung der Arbeit, wechselnde Seiteninhaltshberschriften und kurze zusammenfassende Betrachtungen am SchluB der einzelnen Kapitel erleichtern dem Leser bei der Fiille der angefuhrten Personen, Sachverhalte und Quellen die Orientierung. Ausfuhrliche Fu5noten geben erganzende und weiterfuhrende Hinweise. Bibliographische Ubersichten vermitteln ein Bild von dem Umfang und der Vielgestaltigkeit des benutzten Quellenmaterials. Ein Personenindex mit kurzen biographischen Angaben (Lebensdaten, Beruf, Ort der Tatigkeit) ermoglichen das gezielte Suchen und Identifizieren von bestimmten Personen. Hier beeintrachtigen allerdings einige Ungenauigkeiten, vor allem bei der Nennung der Daten von Natunvissenschaftlern, und zum Teil eine fehlende Ubereinstim- mung von Fanotentext und Personenindex den Gesamteindruck der Arbeit: So wurde Heinrich Friedrich Link (1767-185 1) 1815 nicht Professor der ,,Natunvissenschaften" (p. 84, Anm. 262), sondern der Naturgeschichte an der Universitat Berlin, K. A. Rudolphi 1808 nicht ordentlicher Profes- sor der Anatomie in ,,Konigsberg" (p. 84, Anm. 262), sondern in Greifswald, wie es im Personenindex (p. 303) auch richtig steht.

Insgesamt stellt diese - trotz des stellenweise etwas trockenen Sachverhaltes - lesenswerte Studie einen wichtigen Beitrag zur Bonner Universitatsgeschichte und zur Person des ersten preaischen Kultusministers Altenstein dar und ist nicht nur Historikern, sondern auch Wissenschaftshistorikern und Juristen zu empfehlen. Eine Auswahl der ausgewerteten, zum Teil schwer zuganglichen Doku- mente beabsichtigt der Autor in einem gesonderten Band zu publizieren.

Irmtraut Scheele, Hamburg.

Philosophie in Selbstdarstellungen. Herausgegeben von Ludwig J. Pongratz. Hamburg: Felix Meiner Verlag. Bd 1: X und 316 Seiten, 1975, Paperback DM 34,- / Bd 2: 399 Seiten, 1975, Paperback DM 34,- / Bd 3: 292 Seiten, 1977, Paperback DM 28,-.

Mit der ,,Philosophie in Selbstdarstellungen" hat der Felix Meiner Verlag eine Tradition der zwanziger Jahre wieder aufgenommen, in denen innerhalb seiner Sammlung ,,Die Wissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen" 1922 bis 1929 insgesamt 3 2 Bande erschienen waren, auch damals beginnend mit ,,Die Philosophie in Selbstdarstellungen" (weiterhin: Medizin, Rechts-, Kunst-, Geschichts- und Reli- gionswissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Padagogik). Die Idee war seineneit auf den philosc- phischen Berater des Verlages, Raymund Schmidt, zuliickgegangen; sie wurde Anfang der siebziger Jahre von Ludwig J. Pongratz wieder aufgenommen, und der Verlag Hans Huber (Bern) begann sie in drei Biinden mit Selbstdarstellungen von Psychologen, Psychiatern und Psychotherapeuten (1972-1975) zu verwirklichen. Fiir die Ausdehnung im alten Sinne konnte dann wieder der Felix Meiner Verlag gewonnen werden. Das bisher schon vorgelegte Ergebnis ist ein (zu erweiterndes) Stuck Wissenschafts- und Zeitgeschichte aus der Selbstreflexion von Denkern heraus gesehen, die sie mit gepragt haben - und von da her ist zu hoffen, daD der Verlag seine sich selbst gesteckten Grenzen in diesem Falle zu iiberschreiten gewillt ist und auch Naturwissenschaftler und Techniker in eigenen

BerWissGesch 6 (1983): Rezensionen 255

Banden zu Wort kommen Wt. Nehmen wir die Selbstdarstellungen von Carl Friedrich von Weizsacker (Bd 2, S. 342-390), der von der Physik her zur Philosophie s t i d , ohne sie als Fundament je verlassen zu haben, und Pascual Jordan (Bd 1, S. 194-2181, der als Physiker insbesondere Fragen der Religion aus der Sicht der Naturwissenschaften reflektierte, als einen Schritt in diese Richtung. Daneben eignen sich die Selbstdarstellungen, die groDtenteils iiberhaupt erst durch den sanften Druck von Herausgeber und Verlag initiiert wurden, also teilweise auch nur aufgrund dieses Unternehmens veranlai3t worden und zustande gekommen sind, bestens als erste Einfuhrungen in die Philosophie des betreffenden Denkers- und insgesamt in die (deutschsprachige) Philosophie der Gegenwart, zumal eine Auswahl und Anordnung nach Schulen und Richtungen oder nach Bereichen der Philosophie bewuDt vermieden worden ist. Deutschsprachigkeit scheint das einzige Abgrenzungskriterium zu sein, wenn darauf auch nirgends hingewiesen wird.

Die ersten drei Biinde enthalten folgende, jeweils mit einem Foto illustrierte Selbstdarstellungen: (Bd 1) Ernst Bloch, Joseph M. Bochenski, Alois Dempf, Hermann Glockner, Hans-Eduard Hengsten- berg, Pascual Jordan, Werner M a , Josef Pieper, Helmuth Plessner; (Bd 2) Gotthard Giinther, Dietrich von Hildebrand, Ludwig Landgrebe, Bruno Liebrucks, Franziska Mayer-Hildebrand, Walter Schulz, Wilhelm Weischedel, C. F. von Weizsacker; (Bd 3) Julius Ebbinghaus, HansGeorg Cadamer, Heinz Heimsoeth, Erich Heintel, Friedrich Kaulbach und Helmut Kuhn. Die Biinde sind jeweils mit einem Namensregister und Schlagwortverzeichnis versehen.

Fritz Krafft, Mainz.