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1 Photogrammetrie zur Dokumentation und als Planungsgrundlage – Qualitätsbetrachtung in: Venzmer, Helmuth (Hrsg.), Europäischer Sanierungskalender 2006 A. Bruschke Photogrammetrische Verfahren werden seit Meydenbauer für die Dokumentation von Denkmalen und als Planungsgrundlage eingesetzt. Heute führen nicht nur Spezialisten diese Aufgaben als Dienstleistung aus. Seit leistungsfähige PC´s und Digitalkameras zur Verfügung stehen, haben sich so genannte Low-Cost- Systeme stark verbreitet. Mit verschiedenen Softwareprodukten ist heute prinzipiell jedermann in der Lage, photogrammetrische Aufgaben zu bearbeiten, zur Unterstützung eigener Dokumentationen bzw. als Anbieter auf einem unübersichtlichen Markt. Mit dem Beitrag wird versucht, die komplexen technologischen Zusam- menhänge soweit darzulegen, dass die Brauchbarkeit der Ergebnisse und der große mögliche Nutzen für den jeweiligen speziellen Zweck erreicht werden können. Since Meydenbauer photogrammetric methods are used for the documentation of monuments and as funda- mentals of planning. These days not only specialists offer the service to carry out these tasks. Since efficient PC’s and digital cameras have become available, so called ‘low-cost-systems’ are very popular. Using dif- ferent software products basically everyone is able to deal with photogrammetric tasks either to support their own documentations or to appear as a contractor on an extensive market. This article is trying to demonstrate the complex technical context in order to achieve the usability of results and attain the greatest benefit possi- ble for the particular applications. Photogrammetrie in der Bauaufnahme Mit der Erfindung der Photogrammetrie durch Albrecht Meydenbauer und der Gründung der Königlich Preußischen Meßbildanstalt 1885 hat eine wesentliche Ergänzung der traditionellen Bauaufnahmemethoden ihren Anfang genommen [1]. Nach der weiteren Entwicklung der Photogrammetrie (Einführung der Stereo- photogrammetrie, analytische Auswertesysteme, einfacher PC-Lösungen und digitaler Bildverarbeitung) und dem Einsatz von Tachymetern (einschließlich reflektorloser Distanzmessung) hat sich der Schwerpunkt der Fachdiskussion zu Fragen der Bauaufnahme heute auf Laserscanner und 3D-Visualisierungen verlegt. Seit dem ersten Symposium „Von Handaufmass bis High Tech“ 2000 in Cottbus [2] bis zur erfolgreichen Fort- setzung 2005 hat sich ein deutlich qualitativer Fortschritt an den demonstrierten 3D-Beispielen gezeigt, ein Ausdruck der rasanten technischen Entwicklung aber auch der gewachsenen Erfahrungen im Umgang mit neuer Technik und Software. Allerdings ist die Photogrammetrie fast in Vergessenheit geraten, scheinbar ist alles gesagt? Tatsächlich hat sie sich (deren traditionelles Hauptanwendungsgebiet die Abbildung der Erdoberfläche in Karten und Orthofotos ist) unwahrscheinlich schnell und breit entwickelt, insbesondere durch Sensortechnik und digitale Bildverarbeitung. Durch Verbindungen mit anderen Disziplinen wurden zum Beispiel automati- sierte Lösungen im Automobilbau und anderen Bereichen geschaffen [3]. Die Bauaufnahme und Architekturvermessung verschließt sich weitgehend einer Automatisierung. Die übli- che Definition des Photogrammetrie-Begriffes zeigt [3]: „Unter Photogrammetrie versteht man allgemein Methoden, aus einem oder mehreren Bildern eines beliebigen Objektes indirekt dessen Form, Lage und Grö- ße durch Bildmessungen sowie dessen inhaltliche Beschreibung durch Bildinterpretation zu gewinnen.“ Ver-

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Photogrammetrie zur Dokumentation und als Planungsgrundlage –Qualitätsbetrachtungin: Venzmer, Helmuth (Hrsg.), Europäischer Sanierungskalender 2006

A. Bruschke

Photogrammetrische Verfahren werden seit Meydenbauer für die Dokumentation von Denkmalen und alsPlanungsgrundlage eingesetzt. Heute führen nicht nur Spezialisten diese Aufgaben als Dienstleistung aus.Seit leistungsfähige PC´s und Digitalkameras zur Verfügung stehen, haben sich so genannte Low-Cost-Systeme stark verbreitet. Mit verschiedenen Softwareprodukten ist heute prinzipiell jedermann in der Lage,photogrammetrische Aufgaben zu bearbeiten, zur Unterstützung eigener Dokumentationen bzw. als Anbieterauf einem unübersichtlichen Markt. Mit dem Beitrag wird versucht, die komplexen technologischen Zusam-menhänge soweit darzulegen, dass die Brauchbarkeit der Ergebnisse und der große mögliche Nutzen für denjeweiligen speziellen Zweck erreicht werden können.

Since Meydenbauer photogrammetric methods are used for the documentation of monuments and as funda-mentals of planning. These days not only specialists offer the service to carry out these tasks. Since efficientPC’s and digital cameras have become available, so called ‘low-cost-systems’ are very popular. Using dif-ferent software products basically everyone is able to deal with photogrammetric tasks either to support theirown documentations or to appear as a contractor on an extensive market. This article is trying to demonstratethe complex technical context in order to achieve the usability of results and attain the greatest benefit possi-ble for the particular applications.

Photogrammetrie in der Bauaufnahme

Mit der Erfindung der Photogrammetrie durch Albrecht Meydenbauer und der Gründung der Königlich

Preußischen Meßbildanstalt 1885 hat eine wesentliche Ergänzung der traditionellen Bauaufnahmemethoden

ihren Anfang genommen [1]. Nach der weiteren Entwicklung der Photogrammetrie (Einführung der Stereo-

photogrammetrie, analytische Auswertesysteme, einfacher PC-Lösungen und digitaler Bildverarbeitung) und

dem Einsatz von Tachymetern (einschließlich reflektorloser Distanzmessung) hat sich der Schwerpunkt der

Fachdiskussion zu Fragen der Bauaufnahme heute auf Laserscanner und 3D-Visualisierungen verlegt. Seit

dem ersten Symposium „Von Handaufmass bis High Tech“ 2000 in Cottbus [2] bis zur erfolgreichen Fort-

setzung 2005 hat sich ein deutlich qualitativer Fortschritt an den demonstrierten 3D-Beispielen gezeigt, ein

Ausdruck der rasanten technischen Entwicklung aber auch der gewachsenen Erfahrungen im Umgang mit

neuer Technik und Software. Allerdings ist die Photogrammetrie fast in Vergessenheit geraten, scheinbar ist

alles gesagt?

Tatsächlich hat sie sich (deren traditionelles Hauptanwendungsgebiet die Abbildung der Erdoberfläche in

Karten und Orthofotos ist) unwahrscheinlich schnell und breit entwickelt, insbesondere durch Sensortechnik

und digitale Bildverarbeitung. Durch Verbindungen mit anderen Disziplinen wurden zum Beispiel automati-

sierte Lösungen im Automobilbau und anderen Bereichen geschaffen [3].

Die Bauaufnahme und Architekturvermessung verschließt sich weitgehend einer Automatisierung. Die übli-

che Definition des Photogrammetrie-Begriffes zeigt [3]: „Unter Photogrammetrie versteht man allgemein

Methoden, aus einem oder mehreren Bildern eines beliebigen Objektes indirekt dessen Form, Lage und Grö-

ße durch Bildmessungen sowie dessen inhaltliche Beschreibung durch Bildinterpretation zu gewinnen.“ Ver-

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schiedene technische Entwicklungen, auch zur Auswertung digitaler Bilder, sind also nur die eine – die In-

terpretation im Sinne des Erkenntnisgewinnes für die Bauaufnahme ist die andere Seite [4].

Eine kurze Übersicht über die historische Entwicklung der Architekturphotogrammetrie und Erläuterungen

zu verschiedenen photogrammetrischen Verfahren im Einzelnen samt einigen Beispielen gibt Eckstein in [5].

Den wesentlichen Vorteilen der Photogrammetrie für Anwendungen in der Bauaufnahme

- berührungslose Vermessung (z.B. bei Gefährdung der Standsicherheit),

- Erfassung nicht zugänglicher Gebäudeteile (hohe Bauwerke),

- hoher Dokumentationswert der Messbilder und Informationsspeicher, auf den zu jedem Zeitpunkt, auch

für inhaltliche Interpretation, zurückgegriffen werden kann,

- sehr hohe Messgeschwindigkeit,

- kontinuierliche linienweise Auswertung komplizierter Architekturformen durch Stereoauswertung (3D-

Vektorisierung)

stehen zwei ebenso wesentliche Einschränkungen gegenüber [4]:

- Das Objekt muss fotografierbar sein.

- Die Interpretation und Auswertung findet im Bild und nicht am Objekt statt.

In Abwägung dieser Eigenschaften ist eine Entscheidung zum Einsatz der Photogrammetrie an einem kon-

kreten Objekt nach verschiedenen Gesichtspunkten zu treffen:

a) Für welchen Verwendungszweck soll eine Bauaufnahme erfolgen?

b) Welche Anforderungen bestehen an das Endergebnis?

c) Welche Objekteigenschaften und Umgebungsbedingungen sind zu berücksichtigen?

d) Welche alternativen Methoden sind geeignet?

In den nachfolgenden Fallbeispielen werden recht unterschiedliche Anwendungen und Anforderungen de-

monstriert, eine vollständige Übersicht aller Möglichkeiten oder eine Systematik ist hier nicht möglich. Von

Dokumentationen für restauratorische Untersuchungen über Bestandspläne für einfache Sanierungs- oder

umfassende Umbaumaßnahmen reicht die Spanne der Anwendungen, auch von der Stadtbildinventarisation

bis zur genauesten Aufnahme von gotischem Maßwerk für die Schadenskartierung, Erstellung von Steinli-

sten und die Herstellung von Schablonen für zu ersetzende Werkstücke. Warum und wie eine qualifizierte

Bestandsaufnahme als Grundlage für die Leistungsausschreibung zur Sanierung einer gründerzeitlichen Na-

tursteinfassade genutzt wird (und damit für eine zuverlässige Kostenplanung), ist beispielhaft in [6] doku-

mentiert.

Die Methodik der Bestandsaufnahme, formal gegliedert in die Bereiche Bauaufnahme und Bauuntersuchung

mit Befunddokumentation [7] wird entsprechend der verschiedensten Anforderungen systematisiert. Die

bekannteste Einteilung wird nach vier Genauigkeitsstufen vorgenommen [8]. In [9] wird der Genauigkeits-

begriff noch stärker differenziert. Die „Aussageschärfe“ eines Bauaufmasses wird hier von zwei wesentli-

chen Faktoren abhängig gemacht – der Messgenauigkeit und der Darstellungsgenauigkeit. Neben der rein

geometrischen Genauigkeit kommt der Form der Darstellung eine besondere Bedeutung zu. Die Differenzie-

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rung in Anforderungsstufen wird betont anwendungsbezogen vorgenommen und durch eine 5. Stufe für wis-

senschaftliche Zwecke erweitert.

Die typische Aufgabe für Bauaufnahmen dürfte die Herstellung werkplanfähiger Bestandsgrundlagen sein

[9]: „Für eine denkmalpflegerische Projektierung mit entwurfsbedingten Eingriffen in den Baubestand ist

eine formgetreue Plangrundlage der Stufe III unverzichtbar.“ Da sich wohl selten schon vorab alle Anforde-

rungen vorhersehen lassen und erst in der Bauphase durch Freilegungen neue Erkenntnisse ergeben, wird

eine projektbegleitende Bauaufnahme vorgeschlagen, die auf einer Grundlage wie in Stufe III aufbaut und in

weiteren Phasen die Informationen verdichtet [10].

Wenn nicht entsprechend voraus gedacht wird und spätere Anforderungen nicht erkannt werden, kann es also

passieren, dass für eine einfache Bauaufnahme der Stufe I oder II umsonst Geld ausgegeben wird. Solche

Bestandspläne lassen sich nicht verbessern, auch die Nutzung von Altplanbeständen gehört in den Bereich

der Legende [9].

Eine genauere Erläuterung der übrigen Methoden sowie die Bewertung der Vor- und Nachteile erfolgt unter

verschiedenen Gesichtspunkten in [4], [7], [9] und [10]. Prinzipiell werden außer den photogrammetrischen

Verfahren das traditionelle Handaufmaß, das tachymetrische Aufmaß und das Laserscannen beschrieben. Die

letztliche Entscheidung für eine bestimmte Methode hängt nur bei gleichwertigen Alternativen ausschließlich

von Wirtschaftlichkeitsfragen ab. Diese gibt es nur selten. Häufig wird eine komplexe Aufgabe durch die

Kombination mehrerer Methoden gelöst.

Im Dienstleistungsbereich ist es entscheidend, die Anforderungen so klar zu definieren, daß weitgehend die

Qualität des Endproduktes gesichert werden kann und nachprüfbar ist. Das ist in der Praxis leider selten oder

nur ungenügend der Fall und führt logischerweise zu späterem Mehraufwand, da Mängel nicht sofort ent-

deckt werden können. Neben der oben diskutierten Frage eines eindeutigen Leistungsverzeichnisses mit kla-

ren inhaltlichen Vorgaben müssen jedoch ebenso Vorgaben zur Messtechnik aufgestellt werden [11], [12].

Nach DIN ISO 9001 dient Qualitätsmanagement der Erreichung beherrschter Prozesse. Insofern trägt die

Definition qualitätsbestimmender technologischer Rahmenmerkmale auch zur Vermeidung von Missver-

ständnissen, Ärger, Mehraufwand und -kosten bei. In seltenen Fällen wird das berücksichtigt, in jedem dieser

Fälle aber erfolgreich.

Gibt es die Photogrammetrie für jedermann? Seit dem Aufkommen von PC-Lösungen scheint das der Fall zu

sein. Die Qualität der Ergebnisse hängt aber auch hier weiterhin von einigen Rahmenbedingungen ab, die

sowohl Anwender aber auch Auftraggeber berücksichtigen sollten.

Bilderzeugung

Fotografieren heißt zeichnen mit Licht. Die Komplexität der Zusammenhänge zwischen Lichtquelle, Atmo-

sphäre, Oberflächeneigenschaften, Filter und Objektiv, Filmemulsion und Laborprozess (und das alles noch

für verschiedene Spektralbereiche) lässt ebenso Verständnis für den historischen Begriff der Lichtbildkunst

aufkommen. Die Berücksichtigung und der gezielte Einsatz der einzelnen Komponenten ist hauptsächlicher

Gegenstand der Fernerkundung [13]. Aber auch bei der Aufnahmeplanung für die Architekturphotogramme-

trie sind diese Fragen zu berücksichtigen und für eine ausreichende Bildqualität entscheidend.

Die Aufnahmeanordnung und das Licht sind natürlich bei Innenaufnahmen im Gegensatz zu Außenfassaden

in der Regel besser planbar. Trotzdem sollte ein seitlicher Lichteinfallswinkel angestrebt werden sowie ge-

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richtetes Licht jedoch mit einem Anteil diffuser Strahlung. Entsprechend den Materialeigenschaften hat die

Oberfläche eine unterschiedliche Rauhigkeit, die die Absorption bzw. Reflexion in Abhängigkeit des Win-

kels beeinflusst und damit Strukturen erkennbar werden lässt. Das richtige Maß an Streulicht ist für den op-

timalen Kontrast verantwortlich. Tageszeit und Wetter sind also bei Außenaufnahmen die entscheidenden

Faktoren und Wartezeiten regelmäßig nicht zu vermeiden.

Ein einfach kontrollierbares aber notwendiges Kriterium ist die fotografische Auflösung der Messbilder, die

durch den Bildmaßstab definiert wird. Um entsprechende geometrische Genauigkeit und Detailerkennbarkeit

zu erhalten, ist unter Berücksichtigung moderner Objektive und Auswertetechnik ein Verhältnis von ca. 1/5

zwischen Bildmaßstab und Auswertemaßstab erforderlich. Wenn zum Beispiel ein Fassadenaufmass im

Maßstab 1:50 benötigt wird, sollen die Messbilder keinen schlechteren Bildmaßstab von 1:250 haben. Das ist

völlig unabhängig vom Bildformat. Dieser beeinflusst nur die benötigte Anzahl der Aufnahmen, wie in Bild

12 demonstriert wird. Die Planung der Aufnahmedisposition sieht dann unter Berücksichtigung der Umge-

bungsbedingungen und dem möglichen Aufnahmeabstand den Einsatz verschiedener Objektivbrennweiten

vor.

Das die Ausrichtung der Aufnahmen weitestgehend frontal zur Fassade erfolgen soll, hat zwei Gründe. Ein

Anmessen unter einem größeren Winkel hat Ungenauigkeiten zur Folge. Außerdem müssen Untersichten

bzw. Verdeckungen vermieden werden. Arbeitsbühnen und Hubschrauber sind daher gängige Plattformen

und für hohe oder unzugängliche Bauwerke ein sowohl unverzichtbares als auch wirtschaftliches Hilfsmittel

auf Grund der kurzen Einsatzzeiten. Die Vorlage einer Aufnahmeplanung (Bild 7) einschließlich der einge-

setzten Messkammern ist aus allen genannten Gründen ein wirksames Instrument zur Qualitätssicherung.

Die schnelle Entwicklung der digitalen Aufnahmetechnik bringt einige Vorteile und stellt die Frage nach

deren Einsatz in der Photogrammetrie. Neben den Fragen nach der geometrischen Stabilität (bzw. den Mög-

lichkeiten einer Kalibrierung) setzt hier immer noch die Bildauflösung Grenzen. In [14] wird folgendes Bei-

spiel vorgerechnet: Wenn bei einer Ausgabe im Maßstab 1:50 mit 300 dpi sichergestellt werden soll, dass

jedes Pixel einem physikalischen Sensorelement entspricht, kann mit einer 4 Megapixelkamera an einer Fas-

sade eine Fläche aufgenommen werden von nur 5,2 x 6,9 m.

Bildbearbeitung

Für die Herstellung entzerrter Messbilder und von Bildplänen werden heute nur noch digitale Bilder verwen-

det. Außer für die Entwicklung der Negativ- oder Diafilme der Messbildaufnahmen spielt der fotografische

Prozess keine Rolle mehr. Da aus oben diskutierten Gründen und zur Vermeidung von Unmengen an Bildern

also eher analog fotografiert wird, kommen Durchlichtscanner zum Einsatz. Auch hier muss die Scannauflö-

sung dem Vergrößerungsverhältnis zum Ausgabemaßstab entsprechen.

Die Vorteile der digitalen Bildverarbeitung für die Architekturphotogrammetrie liegen in der schnellen Be-

arbeitung von Montagen entzerrter Messbilder zu Bildplänen und den dabei nötigen geometrischen und ra-

diometrischen Anpassungen. Da bei der Transformation fotografischer zentralperspektiver Abbildungen auf

eine Ebene Umklappungen von Vorsprüngen nicht zu vermeiden sind, kommt es zu Versetzungen und An-

passungsproblemen. Echte Orthogonalprojektionen auf der Basis digitaler 3D-Oberflächenmodelle sind na-

türlich machbar, aber wegen des Aufwandes eher selten (anders in der Aerophotogrammetrie auf Grund der

dort möglichen Automatisierung). Abwicklungen z.B. von Gewölbeflächen auf mathematische Regelflächen

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und damit unverkürzte maßstäbliche Abbildungen für Kartierungszwecke sind heute ein weiteres Ergebnis

der digitalen Bildverarbeitung.

Auswertung

Die einfache Nutzung von entzerrten Messbildern

für interpretierende Betrachtungen bedarf hier

keiner weiteren Ausführung. In der Regel ist je-

doch die „… inhaltliche Beschreibung durch Bil-

dinterpretation …“ (s. Definition der Photogram-

metrie) mit der Umsetzung in Zeichnungen ver-

bunden. Bei dieser Auswertung wird der völlig

undifferenzierte Bildinhalt auf das Wesentliche

und für die jeweilige Aussage Notwendige redu-

ziert. Ob „Hochzeichnen“ von entzerrten Messbil-

dern, punktweise Messung aus zwei konvergenten

Bildern oder linienweise Stereoauswertung –

heute ist damit eine Vektorisierung gemeint.

Neben der oben diskutierten Bedeutung der Bildqualität ist insbesondere das räumliche Sehen durch stereo-

skopische Betrachtung eines Bildpaares als herausragender Vorteil für die Interpretation zu nennen. Vermut-

lich wird es bald zum Standard gehören, dass von der Photogrammetrie orientierte Bildpaare für Interpretati-

onszwecke z.B. als überlagertes rot/grün-Bild digital zur Verfügung gestellt werden. Diese können dann

entsprechend dem Anaglyphenverfahren mit Brille am Bildschirm räumlich betrachtet werden. Darüber hin-

aus ermöglicht die Stereoauswertung (Bild 1) natürlich auch die „formgerechte“ Vermessung von Architek-

turlinien mit einer sehr hohen Punktdichte.

Das Problem der Definition inhaltlicher Anforderungen wird anschaulich in [15] deutlich. Die dargestellten

ziemlich unterschiedlichen Ergebnisse eines Wettbewerbes können nur auf die nicht vorhandene oder nicht

verstandene klare Aufgabenstellung zurückzuführen sein. Stark verwitterte Fugen bzw. Mörtelausbesserun-

gen machen es der Photogrammetrie in diesen Fällen aus Prinzip unmöglich, genaue Steingrößen und Ab-

messungen der Blöcke anzugeben. Das bleibt einer örtlichen Untersuchung und Ergänzung vorbehalten.

Ebenso sind abgewitterte Profile und Formen nicht mehr darstellbar, sondern können nur Ergebnis einer

Entwurfsarbeit unter Berücksichtigung von begründeten Annahmen sein. Wenn das nicht die Aufgabe der

photogrammetrischen Auswertung sein soll, bleibt dieser das punktgenaue Abtasten – hier der sichtbaren

Grenze zwischen Naturstein und Mörtelfuge bzw. des Umrisses der verwitterten Formen. Leicht zu definie-

rende und kontrollierende Qualitätskriterien sind in allen Fällen:

- Messgenauigkeit als relative Größe (Nachbarschaftsgenauigkeit) und als absolute Größe (bezüglich des

gesamten Gebäudes),

- Punktdichte (der wirklich zu messende Punktabstand).

Die Aussageschärfe [9] wird nach verschiedenen Darstellungsinhalten und in Abhängigkeit des Maßstabes

zu differenzieren sein. Eine Erhöhung der Detailauflösung bei wichtigen Sachverhalten geht auch mit Gene-

Bild 1: Arbeit am analytischen Stereoaus-wertegerät Planicomp P3

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ralisierungen bei anderen Fragen einher. Diese Anforderungen als auch der Einsatz grafischer Mittel zur

Steigerung der Aussagekraft [6] und die Differenzierung in Layer können sehr wohl vor einer Aufgabe fest-

gelegt werden. Diese Mühe ist sicher geringer als spätere Nacharbeit.

Feldvergleiche und Ergänzungsmessungen schließen Lücken oder unbestätigte Vermutungen. Im Sinne der

Informationsverdichtung [10] und in Anerkennung der Grenzen der Photogrammetrie muss so bei Bedarf die

Bestandsdokumentation gesichert werden. In der Regel ist das vorhersehbar und sollte deshalb auch zur Si-

cherung der Qualität gefordert werden. Wird dieser Arbeitsschritt planmäßig mit einer organisierten Zusam-

menarbeit verschiedener Fachdisziplinen verbunden, trägt dieser Austausch nicht nur zum gegenseitigen

Verständnis sondern natürlich zu einem befriedigendem Ergebnis bei [11], [16].

Kartierung und Informationsverarbeitung

Die Erkundung von speziellen Merkmalen wie Bearbeitungsspuren, Schäden, Materialarten und anderen

restauratorischen Befunden ist Voraussetzung für die Planung der Maßnahmen und die Erstellung von Lei-

stungsverzeichnissen. Dazu sind photogrammetrische Auswertungen übliche Arbeitsgrundlagen. Das Auf-

tragen der vor Ort gewonnenen Informationen mit punktförmigen, linienhaften oder flächenmäßigem Bezug

und die maßstäbliche Darstellung in einem räumlichen Zusammenhang (Kartierung) erschließt diese durch

entsprechende visuelle Mittel. Entsprechend den Möglichkeiten von CAD ist diese einmal erfolgte selektive

Erfassung der Informationen in sinnvoller Weise auch für die weitere Verarbeitung zu nutzen.

Bild 2: Schichtenarchitektur von monuMAP

CAD

monuMAP

Datenbank

Externe Zeichnungen einbinden,Plotten, CAD-Funktionen

Kartieren, Verknüpfen

spezielle Auswertungen

Standard-Berichte

Visualisieren (Schraffuren) Nutzer

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Ein allgemeines Konzept mit spezieller Sicht auf die Arbeitsvorgänge in der Restaurierung und Sanierungs-

planung stellt zum Beispiel monuMAP der Firma KUBIT GmbH dar. Das moderne Kartierungswerkzeug

basiert auf einer Standard-CAD-Umgebung. Damit sind verschiedene Vorteile verbunden:

- Kompatibilität: Import von Zeichnungen aus anderen Quellen/anderen CAD-Systemen und Weitergabe

von Plänen und Plots

- Darstellung von Fotos

- Verbindung zu anderen Applikationen: z.B. Bildentzerrung und Darstellung von Punktwolken von 3D-

Scannern

Neben allgemeinen Anforderungen an die praktische und schnelle Handhabung wie Paletten zur Werkzeug-

auswahl, Visualisierungsmöglichkeiten mit freier Auswahl für Flächen-, Punkt- und Liniensignaturen und

selektiven Darstellungen sind logische Verknüpfungen und Auswertemöglichkeiten gefragt. Die Daten-

bankanbindung reduziert insbesondere immer wiederkehrende manuelle Tätigkeiten durch:

- Zusammenführen mehrerer Zeichnungen (z.B. eine Tabelle mit allen Schäden eines Projektes usw. – nur

dadurch sind übergreifende Auswertungen möglich),

- Standardisierte Berichte wie Stücklisten und Kostenaufstellungen,

- spezielle Abfragen (SQL: z.B. Gib alle Steine vom Typ x, mit Maßnahme y).

Die Kartierung erfolgt also in einer vorhandenen

CAD-Zeichnung bzw. auf einem digitalen Bild

(üblicherweise entzerrtes Foto oder gescannte

Analogzeichnung). Die entsprechenden Infor-

mationen/ Sachdaten (variable Datenstruktur s.

Baumdiagramm im Bild 3) werden mit den

CAD-Elementen Punkt, Linie und Fläche ver-

knüpft.

Das Entscheidende im Zusammenhang mit der

Photogrammetrie ist die möglichst sinnvolle

Arbeitsteilung und wiederum die genaue Absprache. Der aufwendige Teil der Kartierung besteht im Zeich-

nen/ Vektorisieren der Flächen (z.B. Steinumrisse) oder Linien (z.B. Fugen, Risse). Hier gibt die Photo-

grammetrie unter Berücksichtigung aller Vor- und Nachteile eine effiziente Unterstützung.

Fallbeispiel 1 – Appartamento Borgia im Vatikan

Eine typische Aufgabe für die Photogrammetrie ist die Herstellung von Kartierungsgrundlagen für die Re-

staurierung, hier demonstriert an einem ganz besonderen Beispiel, bei dem auch der dokumentarische Wert

eine wesentliche Rolle spielt. Die Ausstattung des Appartamento Borgia im Vatikan stammt aus dem 15.

Jahrhundert und ist in ihrem Reichtum und ihrer Qualität einzigartig. Die Wände und Decken sind reich aus-

gestattet mit plastischer Dekoration aus vergoldetem Stuck an Gurtbögen und Gewölberippen, welche die

Fresken umfassen. In den Lünettenmalereien (Bild 4) sind Architekturteile aus plastisch modelliertem Gold-

Bild 3: Kartierungsbeispiel mit Strukturbaum

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stuck (hier Säulen des Konstantinbogens), Ge-

wänder und Landschaften durch Bordüren und

einzeln aufgetragenen kleinen vergoldeten Kü-

gelchen einer Wachsmischung hervorgehoben.

Mehrere vorangegangene Restaurierungen haben

Ausbesserungen hinterlassen. Putzunebenheiten,

Risse und Schäden sind zu beobachten.

Der geforderte sehr große Maßstab von 1:10 für

die Bestandserfassung ist wegen der Feinheit der

Malerei und Dekoration erforderlich. Die Um-

setzung in Zeichnungen ist wegen der hohen

Dichte der Informationen sehr wirtschaftlich

durch die Stereophotogrammetrie zu lösen. Die

Abwicklung bzw. Verebnung der Gewölbeflä-

chen setzt eine dreidimensionale Auswertung

voraus. Die 3D-Vektoren werden anschließend

auf ein bestanpassende Zylinder- oder Kegelflä-

che abgewickelt. Damit werden auch für diese

Flächen verebnete, maßstabsgerechte Bestands-

zeichnungen ohne Verkürzungen geschaffen.

Die Fresken

befinden sich

in einer Höhe

von 4 bis 8

Metern und

sind durch

den Staub der Jahrhunderte sehr dunkel. Mit dem bloßen Auge sind die

beschriebenen Feinheiten nicht zu erkennen. Die sichere Interpretation

der Befunde hängt jedoch maßgeblich von der fotografischen Qualität der

Aufnahmen, d.h. neben der Auflösung bzw. dem Bildmaßstab hier im

Wesentlichen von einer entsprechenden Ausleuchtung ab. Eine hohe all-

gemeine Helligkeit wird mit zwei 1000 W-Halogenleuchten aus möglichst

größerer Entfernung erzeugt, die für eine gleichmäßige Lichtverteilung über die gesamte Fläche sorgen.

Zwei weitere Leuchten sind für ein Streiflicht notwendig, um entsprechende Plastizität im Bild zu schaffen.

Diffuses Licht zur Vermeidung von Schlagschatten wird durch die Schirme erzeugt.

So werden Oberflächenstrukturen sichtbar, die sonst nur bei intensiver Beobachtung aus unmittelbarer Nähe

gewonnen werden können. Die Aufnahmen haben damit einen hohen Dokumentationswert und werden vom

Restaurator auch zusätzlich zu den Zeichnungen benutzt. Ein weiterer entscheidender Vorteil für die zuver-

lässige Interpretation der Befunde ist die dreidimensionale Betrachtung und Auswertung in Stereomessbil-

dern.

Bild 5: Aufnahmearbeiten

mit Kunstlicht

Bild 4: Detailausschnitt des gescannten Messbildes

„Disputation der Heiligen Katharina“ (im Original inFarbe)

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Fallbeispiel 2 – Historische Räume im Schloß Mannheim

Die Arbeitsteilung zwischen Photogrammetrie und Restau-

rator hängt natürlich vom konkreten Objekt ab und kann sehr

unterschiedlich sein. Für die großen Stuckflächen und Dek-

kengemälde im Mannheimer Schloß reichen digitale Bildplä-

ne aus. Der Umfang der Zeichenarbeit ist gering. Wichtig ist

in diesem Beispiel weniger eine hohe maßliche Genauigkeit

als die Abbildungsqualität und Aussagekraft der Bildpläne,

die als Interpretations- und Dokumentationsgrundlage die-

nen.

Vorgaben für die Aufnahmedisposition und deren Nach-

weis helfen die Gesamtqualität sichern. Der Bildmaßstab

der Aufnahmen muss dem Maßstab der Bildpläne von 1:20

entsprechen, darf also entsprechend allgemeiner Erfahrun-

gen nicht schlechter als 1:100 sein – ein leicht kontrollier-

bares Kriterium. Für den optischen Gesamteindruck sind

frontal ausgerichtete Aufnahmen vorgesehen. Außerdem

wird zum Beispiel für jede Fensterachse eine mittige Auf-

nahme benötigt, damit die in der Nische liegenden Fenster

voll abgebildet sind und nicht durch die Laibungen ver-

deckt werden. Weiter ist die Auflösung der

digitalen Bildpläne mit 300 dpi für den Maß-

stab 1:20 festgelegt, nach der sich dann die

erforderliche Scanauflösung ergibt.

Jedes einzelne Bild wird digital auf eine

Bezugsebene entzerrt. Durch Umbildung des

zentralperspektiven Bildes gilt der exakte

Maßstab nur in dieser Fläche (im Bild 8 das

Deckengemälde). Vorspringende Stuckteile

sind entsprechend etwas größer abgebildet,

was zu Umklappungen bzw. Überschneidun-

gen bei Montagen benachbarter Bilder führt

(Bild 8 unten Mitte). Da sich die Stuckele-

mente wiederholen, kann dieser Mangel

akzeptiert werden. Alternativ müßte sonst

ein so genanntes True-Orthofoto hergestellt

Bild 6: Bildplan aus zwei montierten

Bildern

Bild 7: Aufnahmedisposition im Trep-

penhaus und angrenzenden Sälen

Bild 8: Bildplan der Decke im Rittersaal: Stuckdetail mit

Bildmontage zweier überlappender Bilder (im Original inFarbe)

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werden. Dazu könnte mit Laserscannern zwar relativ leicht eine entsprechende Punktwolke erzeugt werden.

Jedoch ist die anschließende Auswertung von Laserscannerdaten und die in allen Punkten überzeugende

Modellbildung aber noch mit einem erheblichen Aufwand verbunden und heute für Standardaufgaben noch

nicht wirtschaftlich einsetzbar [9].

Fallbeispiel 3 – Die Haderburg in Salurn

Die Ruine der Haderburg liegt stark höhengestaffelt

auf einem Felssporn bei der Gemeinde Salurn über

dem Eisacktal. Der romanische Bergfried und die

umfangreichen Mauerreste sind von großem bauhi-

storischem Interesse. Die Sicherung und Erschlie-

ßung der Ruine bietet die Möglichkeit hervorra-

gender Ausblicke und schafft eine reizvolle Kulisse

für kulturelle Veranstaltungen. Die insgesamt 22

Grundrisse, Schnitte und Ansichten im Maßstab

1:50 sind auf Grund der unzugänglichen Lage

überwiegend nur photogrammetrisch zu erstellen.

Die einzige Möglichkeit ist hier die bereits häufig angewendete Messbildaufnahme aus dem Hubschrauber.

Die notwendigen 50 Aufnahmen für alle Seiten sind

jedoch in nur 20 Flugminuten erledigt, so dass diese

teure Aufnahmeplattform ein trotzdem sehr wirtschaftli-

ches Hilfsmittel ist. Wenn in anderen Fällen die Alterna-

tive zu entsprechenden Arbeitsbühnen abzuwägen ist,

kann mit Helikoptern sogar preiswerter gearbeitet wer-

den, da mit Hubtechnik immer eine längere Verweildau-

er notwendig ist. Voraussetzungen sind eine exakte

Flugplanung und -organisation sowie ein entsprechendes

Können der Piloten, die nach Anweisung die zugewiese-

nen Positionen in der Standschwebe in nächster Distanz

zum Bauwerk einnehmen müssen. Die Flugplanung be-

rücksichtigt neben den allgemeinen photogrammetri-

schen Bedingungen insbesondere die Lichtverhältnisse.

Zum Beispiel ist bei Rundum-Aufnahmen Gegenlicht

auszuschließen. Vorausschauende Beobachtungen der

Wetter- und Windverhältnisse sind unabdingbar.

Mehrere Reihen sich überlappender Meßbilder sind die

Grundlage für eine photogrammetrische Triangulation

zur Bestimmung von Paßpunkten und der Orientierung

der Aufnahmen in einem einheitlichen Koordinatensy-

stem. Die Stereoauswertung und die ergänzenden tachy-

Bild 9: Hubschraubereinsatz an der Ha-derburg

Bild 10: Helikopteraufnahme für Triangulationund Stereoauswertung, Bildmaßstab ca. 1:250

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metrischen Messungen für Grundrisse, Schnitte und Ansichten beschränken sich auf Umrisse der Mauerteile,

Öffnungen, noch erkennbare Architekturmerkmale sowie wesentliche Befunde in den Wandflächen.

Bild 11: Vertikalschnitt mit Blick nach Nord durch die untere Vorburg mit Ansicht der oberen Vorburg

(links) und Hauptburg mit Bergfried (Originalmaßstab 1:50)

Aus Nahaufnahmen mit entsprechender hoher Bildauflösung werden in Ergänzung zu den Bestandsplänen

1:50 digitale Bildpläne im Maßstab 1:20 für die weitere detaillierte Kartierung angefertigt. In der hier

abgebildeten Großformataufnahme 13x18cm (Bild 12) sind zum Vergleich eine fiktive 6x6- und eine

Kleinbildaufnahme mit gleichem Maßstab, d.h. gleicher Bildqualität markiert. Die Verwendung kleinerer For-

mate hätte also eine zum Teil wesentlich größere Bildanzahl mit einem erheblichen Mehraufwand zur Folge.

Diese Frage wird auch am Beispiel Siena diskutiert.

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Bild 13: Senkrechtaufnahme mit unter dem Hubschrauber befestigter Meßkammer

Bild 12: Nahaufnahme für Bildpläne,Bildmaßstab ca. 1:100

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Fallbeispiel 4 – Sint-Jan-Kathedraal in ´s-Hertogenbosch und Freiburger Münster

Unter Berücksichtigung der Umgebungsbedin-

gungen wurden bereits mehrfach auch an hohen

Türmen Hubschrauber eingesetzt. Jedoch werden

Arbeitsbühnen verwendet, wenn schwierige Auf-

nahmepositionen für die Erfassung aller Teilflä-

chen erreicht werden müssen, z.B. für Pfeilerab-

wicklungen oder die Innenseiten von Strebepfei-

lern. Besonders große Arbeitsbühnen werden

nicht nur wegen der Höhe benötigt, sondern we-

gen ihrer Gelenkigkeit und der großen seitlichen

Reichweite.

Die Natursteinfassade an der Kathedrale in ´s-

Hertogenbosch ist früher weitgehend schon einmal

ersetzt worden. Die Fugen und Profile sind wenig

verwittert. Die Umrisse der Blöcke und Architek-

turformen sind somit klar zu definieren und können

daher durch wenige Eckpunkte bzw. Bögen ver-

messen und dargestellt werden. Da der Umfang der

geplanten Auswechslungen trotzdem als sehr hoch

eingeschätzt wurde, ist zur Vorbereitung der Er-

satzstücke eine Genauigkeit von +1cm und damit

ein Maßstab von 1:20 erforderlich. Trotz bester

Aufnahmepositionen und Bildqualität (Color-Film)

bleiben doch Interpretationslücken, z.B. infolge von

Verdeckungen durch Fialen und Brüstungen, die

örtlich vom Gerüst ergänzt werden müssen.

Schwieriger und aufwendiger ist die photogram-

metrische Auswertung stark verwitterter Natur-

steinfassaden wie z.B. dem Freiburger Münster. Die

wirklichen Blockgrößen erschließen sich nicht der

photogrammetrischen Auswertung. Sie sind wegen

tief ausgewitterter Fugen und Mörtelausbesserungen meist nicht exakt erkennbar. Somit ist der einzig mögli-

che Weg eine genaue Umfahrung der Grenzen des Natursteins durch eine Polylinie mit dichter Punktfolge.

Das ist durch das äußerst schnelle stereoskopische Abtasten kein Problem. Verwitterte und nicht mehr klar

zu definierende Profile, Krabben oder Kreuzblumen werden wenigstens durch Umrisse und wenn möglich

Bild 14: Messbildaufnahme mit einer 80m-

Arbeitsbühne in ´s-Hertogenbosch

Bild 15: Ausschnitt einer Stereoauswertung des

nördlichen Querhausgiebels der Kathedrale in ´s-Hertogenbosch (Originalmaßstab 1:20)

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mit weiteren Anhaltspunkten formgerecht ausgewertet. Damit wird durch die Photogrammetrie eine best-

mögliche Vorlage für Entwurfszeichnungen bis zur Anfertigung von Schablonen geschaffen.

Bild 16: Ausschnitt einer Stereoauswertung des südlichen Hahnenturmes des Freiburger Münsters (Origi-

nalmaßstab 1:20)

Fallbeispiel 5 – Stadtbildatlas Stralsund

Im Unterschied zu den vorangegangen Beispielen erfordern Aufgaben der Stadtplanung kleine Maßstäbe.

Hier geht es um die Darstellung und das Vermitteln größerer Zusammenhänge. Entsprechend geringer sind

die Genauigkeitsanforderungen und demzufolge können auch einfachere Mittel gewählt werden. Die Fassa-

denauswertung für die Straßenabwicklungen, die systematisch für den Stadtbildatlas Stralsund angefertigt

werden, können überwiegend aus digital entzerrten Meßbildern hergestellt werden. Aufgrund der meist en-

gen Straßenverhältnisse bewährt sich eine Aufnahmetechnik mit extremen Weitwinkelobjektiven. Verdeckte

Bereich werden bei einem Feldvergleich ergänzt, Dachformen und Firsthöhen überwiegend aus Luftbildaus-

wertungen entnommen. Kann hier (für einen Geodäten problematisch) mit der Genauigkeit relativ großzügig

umgegangen werden, sind doch Architekturgliederung und prägende Formen entsprechend generalisiert aber

inhaltlich richtig und vollständig zu zeichnen.

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Bild 17: Fassadenabwicklung (Originalmaßstab 1:200)

Fallbeispiel 6 – Der Dom S. Maria Assunta in Siena

Der Alte und Neue Dom in Siena wurde mit insgesamt 34 Grundrissen, Schnitten und Ansichten vollständig

erfaßt [17]. Die für die Bauforschung benötigten Bestandspläne sind auf Grund der Größe des Domes und

wegen der Erreichbarkeit der meist unzugänglichen Fassaden überwiegend nur photogrammetrisch zu ge-

winnen, insbesondere sämtliche Außenansichten und der Kirchenraum.

Zur photogrammetrischen Erfassung wurden

ursprünglich 2.250 Meßbilder mit einer 6x6

Kamera aufgenommen [11], [18]. Mit dieser

großen Anzahl ist ein hoher zeitlicher Auf-

wand bei allen nachfolgenden Arbeitsschritten

verbunden. Die MESSBILDSTELLE hat bei

der Übernahme des Projektes aus wirtschaftli-

chen Gründen alle Außenfassaden und den

Innenraum noch einmal mit der bewährten

Großformat-Technik, der UMK 13x18 erfaßt. Die Anzahl der verwendeten Bilder wird entsprechend dem

Verhältnis der Bildformate auf ca. 12-15% reduziert.

Trotz des hohen Anteils der Photogrammetrie an der Bauaufnahme des Domes, beruht das Gesamtergebnis

auf einer intensiven interdisziplinären Zusammenarbeit. Die Substruktionen, Nebenräume, Treppen, Umgän-

ge und Dachräume wurden durch die Bauforscher händisch aufgemessen und digitalisiert, eine zeitintensive

Bild 18: 6x6-Rollei-Aufnahme

eines Abschnittes des West-Giebels für Stereoauswertung

Bild 19: UMK 13x18 Innen-Aufnahme

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Arbeit, die einige Jahre später wohl überwiegend tachymetrisch ausgeführt worden wäre. Außerdem wurden

Bereiche örtlich ergänzt, die in den Messbildern durch Einrichtungsgegenstände verdeckt sind. Die Grenzen

der Auswertung aus Bildern zeigten sich unter anderem im durch Kerzenruß geschwärzten Innenraum bei

der Unterscheidung gemalter Fugen von echten Fugen der Marmorverkleidung. Das führte zu intensiven

Feldvergleichen der photogrammetrischen Auswertungen.

Die Zusammenarbeit zwischen Photogrammetrie und Bauforschung wurde zielgerichtet in mehreren gemein-

samen Kampagnen organisiert und hat wesentlich zum gegenseitigen Verständnis, zum Erkenntnisgewinn

und damit der Qualität des Ergebnisses beigetragen [11].

Bild 20: Ausschnitt des Längsschnittes mit Chor und Baptisterium (Originalmaßstab 1:50)

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[1] R. Meyer, Albrecht Meydenbauer, Baukunst in historischen Fotografien, VEB Fotokinoverlag, Leipzig 1985

[2] U. Weferling, K. Heine, U. Wulf (Hrsg.), Von Handaufmaß bis High Tech: Messen, Modellieren, Darstellen; Auf-

nahmeverfahren in der historischen Bauforschung, Zabern, Mainz 2001

[3] Th. Luhmann, Nahbereichsphotogrammetrie – Grundlagen, Methoden und Anwendungen, Herbert Wichmann Ver-

lag, Heidelberg 1999

[4] A. Bruschke, Bauaufnahme als Erkenntnisprozeß – Anforderungen und Methodenvergleich, in A. Bruschke (Hrsg.),

Bauaufnahme in der Denkmalpflege, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2005, S.183-190

[5] G. Eckstein, Im Dienste der Denkmalpflege. Fotogrammetrie: Mess-, Dokumentations- und Untersuchungsmethoden

bei Baudenkmalen, Fachzeitschrift: Bautenschutz + Bausanierung 21(1998)Nr.6, S.22-27

[6] G. Wangerin, N. Stannek, Bestandsaufnahme, Dokumentation und Ausschreibung, in: Naturwerkstein und Umwelt-

schutz in der Denkmalpflege, Ulm: Ebner 1997. S.491-539, Hrsg.: Berufsbildungswerk des Steinmetz- und Bildhauer-

handwerks e.V., Wiesbaden

[7] G. Eckstein, Die Bestandsaufnahme – Beobachten, Messen, Analysieren, Dokumentieren, in A. Bruschke (Hrsg.),

Bauaufnahme in der Denkmalpflege, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2005, S.78-114,

[8] G. Eckstein, Empfehlungen für Baudokumentationen, Arbeitsheft 7, Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Kon-

rad Theiss Verlag Stuttgart 1999

[9] E. Hädler, Sanierungsvoruntersuchung und Bauforschung als Teil des Planungsprozesses, Architekten in der

Denkmalpflege (Hrsg.: H. Thomas), Rudolf Müller Verlag, Köln 2004

[10] U. Weferling, Randbedingungen und Anwendungspotentiale moderner Aufnahmemethoden, in A. Bruschke

(Hrsg.), Bauaufnahme in der Denkmalpflege, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2005, S.69-77

[11] A. Bruschke, The Cathedral of Siena – Experiences of the Documentation and proposals for Quality Assurance in

the Documentation of Mounuments, XVIIth International Symposium of CIPA 2001 in Potsdam, International Archives

of Photogrammetrie, Remote Sensing & Spatial Information Sciences, 34-5/C7: 551-555

[12] H. Fuchsberger, Qualitätssicherung in der Bestandsaufnahme, in A. Bruschke (Hrsg.), Bauaufnahme in der Denk-

malpflege, Fraunhofer IRB Verlag, Stuttgart 2005, S.191-194,

[13] J. Albertz, Einführung in die Fernerkundung – Grundlagen der Interpretation von Luft- und Satellitenbildern,

Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2001

[14] A. Wiedemann, Handbuch Bauwerksvermessung, Geodäsie-Photogrammetrie-Laserscanning, Birkhäuser Verlag,

Basel Boston Berlin, 2004

[15] I. Rommel, Photogrammetrisch-messtechnisches Programm am Ulmer Münster, in: Vom Messbild zur Bauanalyse

– 25 Jahre Photogrammetrie im Landesdenkmalamt Baden-Württemberg, Arbeitsheft 9, Landesdenkmalamt Baden-

Württemberg, Konrad Theiss Verlag Stuttgart 2001, S.97-103

[16] K. Reidt, U. Wulf, Messen und Forschen, Neue Modelle für die Zukunft eines traditionsreichen Faches, architectu-

ra, 34/2004, S.192-200

[17] P.A. Riedel, M. Seidel (Hrsg.), Die Kirchen von Siena, Bd.3: Der Dom S. Maria Assunta, Bd.3.1.3 Planband,

Buckmannverlag München 1999

[18] A. Bruschke, J. Peipe, D. Woytowicz, Das Projekt „Die Kirchen von Siena“, Photogrammetrie Fernerkundung

Geoinformation, 1/2004, S.59-64