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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga und die neugefundenen Mantovaner-Messen Palestrina's. Ein ergänzender Bericht; Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga und die neugefundenen Mantovaner-MessenPalestrina's. Ein ergänzender BerichtAuthor(s): Knud JeppesenSource: Acta Musicologica, Vol. 25, Fasc. 4 (Oct. - Dec., 1953), pp. 132-179Published by: International Musicological SocietyStable URL: http://www.jstor.org/stable/931972 .

Accessed: 29/05/2014 11:41

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga und die neugefundenen Mantovaner-Messen Palestrina's

Ein erg6nzender Bericht*) Knud Jeppesen (Aarhus)

Mit dem 33. und abschliessenden Band der Gesamtausgabe der Werke Pier-

luigi da Palestrina's, den Fr. X. Haberl 1907 auf dem Verlage Breitkopf & Hiirtel heraussandte, vermeinte man, dass jetzt endlich alle noch aufbewahrten

Kompositionen des Meisters in Neuausgabe vorlagen. Allerdings vermisste man hierbei die vielbesprochenen aber riitselhaften Man-

tova-Messen, (deren einstige Existenz u. a. durch eigenhiindige Briefe Palestri-

na's bestlitigt war) die aber jetzt verloren gegangen schienen'). Es ging aus diesen Briefen u. a. hervor, dass Palestrina am 2. Februar 1568 dem

Herzoge eine von ihm bestellte Messe iibersandte, und dass er weiter vom 1. November 1578 bis 21. Mairz des folgenden Jahres insgesamt 7 Messen nach Mantova schickte, die mit dem gregorianischen Choral verkniipft waren, und von denen eine im 4. Kirchenton stand, und eine andere eine Messe >>della Madonna<< (also: B. M. V.) bildete. Diese somit publizierte Korrespondenz schien aber in mehreren Beziehungen so undeutlich, ja direkt dunkel, dass die an sich wohlmotivierte Frage entstand, ob es sich hier nicht eher um einstim-

mige Choralmessen als um polyphone Kompositionen gehandelt habe - um Choralmelodien also, die der Herzog dem Pierluigi zur Revision gesandt hiitte. Hierfiir sprach erstens der Umstand, dass Palestrina gerade zu dieser Zeit mit

*) Vgl. Acta Musicologica Vol. XXII, p. 36. 1) Diese Briefe, aus denen hervorgeht, dass P. in den Jahren 1568-79, vom Herzog

Guglielmo Gonzaga damit beauftragt, verschiedene Messen komponiert oder revidiert hatte, befinden sich noch im Archivio Gonzaga in Mantova, und wurden vom Archivisten Ferrato, dem einstigen Direktor des Archivs, dem Musikgelehrten Pietro Canal zur Verfiigung gestellt. Sie wurden dann von diesem in seiner Studie: Della Musica in Mantova (Memorie del R. Istituto Veneto di Scienze, Lettere ed Arti. 1881) zum ersten male publiziert. Dies hierin veroffentlichte Material wurde dann einige Jahre spiiter durch Arbeiten von Haberl: Das Archiv der Gonzaga in Mantua (Kirchenmusikalisches Jahrbuch 1886) und von A. Bertolotti, (einem der Amtsnachfolger Ferrato's),: Musici alla Corte dei Gonzaga in Mantova dal Secolo XV al XVIII (1890) an etlichen Punkten, jedoch nicht wesentlich erweitert.

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einer Neuredaktion oder Reformation der gregorianischen Melodien beschiiftigt war, fiir die er vom Papst Gregorius XIII im Jahre 1577 berufen wurde, und zweitens, dass es nicht maglich schien, solche mehrstimmigen Messen, weder unter den schon bekannten von P. noch sonst irgendwo festzustellen. In Man- tova jedenfalls waren weder im Gonzaga-Archiv noch in den anderen bekann- ten Bibliotheken der Stadt Manuskripte von Palestrina zu finden, wie ich es

persijnlich bei meinem Besuch dort im Sommer 1930 konstatieren musste. Dann erschien 1933 in >>Theodor Kroyer-Festschrift<< ein Beitrag des bekann- ten milanesichen Musikforschers Prof. Gaetano Cesari: L'Archivio musicale di S. Barbara in Mantova ed una messa die Guglielmo Gonzaga<<. Nachdem der Verfasser die schon friiher bekannten Tatsachen wegen des Verhiiltnisses des Herzog Guglielmo zur Musik und zu den beriihmten Musikern seiner Zeit erwahnt hat, fiihrt er fort: Meno nota invece l'attivith svolta internamente dalla stessa cappella, n" meglio conosciute sono le vicende attraversate dal suo archivio. Vicende, queste, abbastanza strane, oltre le quali e pero lieto con- statare come parte almeno delle musiche appartenute a quell' archivio siano pervenute fino a noi, in esemplari spesso incompleti od in manoscritti danneg- giati dal tempo, ma pur sempre bastevoli a darci un'idea del repertorio musi- cale della cappella dei Gonzaga. Quei materiali sarebbero fors'anche andati dispersi se una parte di essi non fosse stata posta in salvo passando nella Bib- lioteca del Liceo Musicale di Bologna; e se un' altra considerevole parte non avesse trovate aperte, in un primo tempo, le vie conducenti all' Archivio di Stato di Milano e ad iniziativa di Cesare Cantui, allora direttore di questo Ar- chivio statale, non avessero avuta poi accoglienza in luogo piiu conveniente: nella Biblioteca del Regio Conservatorio >>G. Verdi<< di Milano, ove sono tuttora conservate<<. Cesari teilte weiter eine Liste der Namen der verschiede- nen Komponisten mit, von denen im Fondo di S. Barbara in Milano Werke noch aufbewahrt werden, hierunter auch den Palestrina's, jedoch ohne jegliche Erwiihnung der Art dieser Kompositionen, ob Messen, Motetten etc. ebenso wie Angaben dariiber, ob es sich hier um bekannte oder bisher unbekannte Werke des Meisters handelt, vollstiindig bei Cesari fehlen.

Wichtig waren jedoch vor allem die Auskiinfte iiber das Schicksal des S. Barbara Archives in der neueren Zeit. Mein Weg fiihrte mich zuniichst nach Bologna. In der Bibliothek des dortigen Liceo Musicale wusste man jedoch nichts von einer einstmaligen tbernahme eines Teiles des S. Barbara Archivs, ebenso wie die Kataloge der Bibliothek

hieriiber schweigen. Meine Nachforschung war also hier vergeblich. Nicht viel mehr Gliick hatte ich anfangs in Milano, wohin ich erst 1947 nach der Beendigung des zweiten Weltkrieges gehen konnte. Das Gebiiude des Kon- servatoriums war wiihrend des Krieges zerstirt worden; gliicklicherweise wa- ren jedoch die Bestlinde der Bibliothek intakt, aber befanden sich noch ausser- halb Milano's, wohin sie evakuiert waren. Erst im Friihjahr 1950 konnte ich feststellen, dass anscheinend alles, was Mitte des vorigen Jahrhunderts sich

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noch in Mantova befand, jedenfalls im Wesentlichen jetzt in Milano vorhanden sei. Das Musikarchiv der Schlosskirche S. Barbara (d. h. aber nur der polyphone Teil davon, woriiber spaiter) befand sich niimlich um 1850 noch in Mantova, in welchem Jahre es an einen reichen mantovanischen Priester Don Guiseppe Greggiati verkauft wurde. Das Kapitel der Basilica iiberliess ihm alles >>in massa<< und fiir den *iusserst bescheidenen Betrag von 500 lire; trotzdem wurde

jedoch bei dieser Gelegenheit von zwei >esperti<< ein Inventario ausgefertigt, von dem sich jetzt im Archivio di Stato in Mantova eine Kopie befindet2). Dem Inventar wurden einige Avvertenze der beiden >Sachverstlindigen<< beige- fiigt, worin es zum Schluss heisst: Infine si dichiara conscienzosamente e per la

verita, che nella Musica descritta nel presente Inventario, non vi sono riscon- trati oggetti di pregevole memoria, ne per antichita ne merito intrinseco, e niente poi d'interessante nei rapporti d'archeologia e della Storia della Mu- sica Sacra. Mantova 30 Agosto 1850. Wie man aus dem folgenden ersehen diirfte, eine ziemlich seltsame Begutach- tung - Ob die beiden Herren dabei ganz so naiv gewesen sind, wie es scheinen

kiinnte, mag jedoch dahingestellt bleiben. tYbrigens liisst die etwas phlegmatische Weise, in welcher Greggiati in seinem Testament seine Musikbibliothek er-

wiihnt, vermuten, dass er nicht personlich dariiber vollig klar gewesen ist, welch abenteuerliches Geschaift er durch das Erwerben der S. Barbara-Musika- lien gemacht hatte. Nach dem Tode Greggiati's fiel im Jahre 1866 durch testamentarische Ver-

fiigung sein bedeutendes Vermiigen und damit auch seine Musikbibliothek sei- ner Geburtsstadt, dem unweit von Mantova gelegenen Marktflecken Ostiglia zu'). Der Gedanke Greggiati's war, dass sein Musikarchiv der Erziehung der musikalischen Jugend seiner Vaterstadt dienen sollte, und er gab in seinem Testament dem Wunsch Ausdruck, dass der Magistrat von Ostiglia es nie ver- kaufen, sondern der Stadt bewahren solle4). Das S. Barbara-Archiv kam also in dieser Weise dorthin, wo es mit anderen Musikalien Greggiati's zusammen eine sehr bedeutende Musikbibliothek bildete. Aber verniinftigerweise-wie man wohl sagen darf- fiihlte sich der Magistrat von Ostiglia nicht vom Wunsche

Greggiati's gebunden, und das S. Barbara-Archiv wurde vom italienischen

2) Im Ganzen werden hierin 137 Nr. verzeichnet, die in zwei Hauptgruppen geordnet sind:

A, welche Musikalien in Stimmbiichern enthiilt, und B, die aus mittleren oder griisseren Chorbiichern besteht, und sich ab Nr. 118 bis 137 erstreckt. Gruppe A. fiillt weiter in drei

Unterabteilungen: Misse (Nr. 1-53), Motetti (Nr. 54-86) und Salmi et Inni (Nr. 87-117), und Gruppe B in zwei: Libri in foglio piccolo (Nr. 118-125) und in foglio grande (126-). In allen Abteilungen kommen sowohl Manuskripte wie Drucke vor.

3) Vgl., A. Zanchi Bertelli: Cenno sullo stato attuale di Ostiglia. Mantova 1866. 4) Testament vom 25. September 1855: Consiglio per altro il Comune di Ostiglia a non

vendere ma ritenere per se e conservare il mio archivio musicale, che io reputo assai pregevole per la quantith delle opere di ogni genere che lo compongono, parecchie delle quali sono rare, non poche autografe, e la cui raccolta a me costb assai tempo, cure, disturbi e spese. Esso potra essere utilissimo a quei giovani del paese che si applicassero allo studio della musica. L. c. p. 211.

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Staat erworben, und danach der Bibliothek des Konservatoriums in Milano einverleibt, wo es bedeutend griissere Wirkung haben konnte als in einer ent- legenen Kleinstadt5). Nach der UObernahme des Archivs vom Konservatorium in Milano wurde ein neues Inventar herausgearbeitet: Musica antica gia della Cappella di S. Barbara in Mantova. Catalogo della Musica antica da Chiesa e Madrigali. Dies Verzeich- nis registriert wohl im grossen und ganzen dieselben Stiicke wie das &iltere aus Mantova, doch in betraichtlich griisserer Anzahl (195 gegen friiher 137) und in geiinderter Anordnung'). Die graissere Anzahl des Milano-Kataloges ist wahr- scheinlich nur der oberfliichlichen Arbeit der beiden Mantovaner-Herren zu verdanken; denn Stiicke, die ganz klar aus dem S. Barbara-Archiv herstammen, im ilteren Inventar jedoch nicht angefiihrt sind, tauchen jetzt auf'). Es kann somit kein Zweifel dariiber bestehen, dass das Musikarchiv von S. Barbara nicht zersplittert, sondern aus Ostiglia ungeteilt nach Milano kam. Die Bestiinde des Fondo di S. Barbara, wie sie jetzt in der Bibliothek des Kon- servatoriums dieser Stadt vorliegen, bilden mit ihren kaum 200 Nummern ein zwar kleines, jedoch aiusserst kostbares und wichtiges Musikarchiv. Besonders was die Geschichte der italienischen Kirchenmusik im spiiteren Teil des 16. Jahrhunderts betrifft, sind sie von kaum zu iiberschiitzender Bedeutung. Die Sammlung wurde, wie die darin enthaltenen Kompositionen es klar ma-

5) Nur das eigentliche S. Barbara-Archiv kam aber nach Milano. Der iibrige Teil, der Biblio- thek verblieb in Ostiglia in Obhut der noch existierenden Opera Pia Greggiati, welche auf Grund- lage des hinterlassenen Vermigens G.s gestiftet wurde. Um die Mbglichkeit, dass einige Bestlinde aus S. Barbara sich noch in Ostiglia befinden kiinnten, zu kliiren, besuchte ich im Herbst 1952 die Stadt, mit dem Ergebnis, dass dies jedenfalls recht unwahrscheinlich sei. Die Bibliothek bestand vor dem letzten Krieg aus 6-7000 Stiicken (wobei jedoch jeder einzelne Band oder jedes Stimmheft mitgezihlt wurde). Wiihrend des Krieges wurde aber soviel durch Bom- bardement zerst6rt, dass jetzt nur noch ca. 3000 Blinde vorhanden sein sollen. Diese Blinde sind jedoch z.Zt. nicht zuglinglich, sondern werden in versiegelten Kisten aufbewahrt, woriiber 1950 ein neuer Katalog ausgefertigt wurde. Dieser Katalog sowie auch sein ailterer, noch vor dem Kriege verfasster Vorgainger, verzeichnet so gut wie ausschliesslich nur Musikalien des 18.-19. Jahrhunderts, und darunter kaum etwas griisserer Bedeutung. Ausserdem sind nur noch einige

Bestlinde vorhanden, die in zwei Kisten im Palazzo Municipale der Stadt deponiert sind, deren Inhalt als besonders wichtig erachtet wurde, und bei deren Auswahl Professor Dr. F. Torre - franca mitwirkte, durch dessen freundlichen Hinweis ich auf die Existenz der Bibliothek auf- merksam wurde. Der Inhalt soil einem noch vor dem Krieg verfassten Spezial-Katalog ent- sprechen, der 636 Blinde verzeichnet, worunter Franchinus Gaffurius: Angelica e divina opera musicale (1508), Glarean's: Dodecachordon (1547) und eine ganze Reihe Exemplare von Zarlino's Istituzione Harmoniche (so 5 (!) der Ausgabe von 1562) - aber anscheinend auch hier nichts von erstklassiger Bedeutung.

6) I. Piccolo Formato (151 Nr.), II. Volumi in Grande Formato (17 Nr..) und III. Opere incomplete (27 Nr.).

7) So z. B. eine ganze Reihe handgeschriebener Biinde mit Hymnen, Psalmen und Motetten der beiden S. Barbara - Kapellmeister Giaches de Wert und Gian Giacomo Gastoldi, Messen, auf Grundlagen des speziellen S. Barbara Kyriales geschrieben, von Giulio Brusco und Giovanni Contini - ebenfalls seiner Zeit Kapellmeister der Basilica - ein Ms. mit Psalmen fiir Sext und Non des Francesco Gonzaga etc.

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chen, in der Regierungszeit des Herzogs Guglielmo Gonzaga (1550-87) ange- legt, und dann von dessen niichsten Nachfolgern erweitert. Es scheint, als ob man mit der Neuanschaffung von Musikdrucken oder Handschriften um ca. 1630 aufgehoirt habe. Und ailtere Sachen - d. h. Werke, die sich vor der Griin- dung von S. Barbara (1565) datieren, sind sehr sparsam vorhanden8). An Drucken des spaiteren 16. Jahrhunderts und des Anfangs vom folgenden ist das Archiv besonders reich, und enthailt viele Sachen, die sonst unbekannt sind, meistens von Komponisten, die an Mantova Ankniipfung hatten, oder in Nach- barstiidten wie Ferrara, Cremona, Verona oder Milano wirkten. Oberhaupt hat das Archiv einen ausgepraigt lokalen Charakter - ja, noch dazu und viel- mehr, einen persinlichen, den ihres Begriinders Guglielmo.

Eine hochst markante und merkwiirdige Persoinlichkeit, dieser Fiirst eines Hauses, das mit den groissten kulturellen und kiinstlerischen Traditionen Ita- liens eng verbunden war. Peter Paul Rubens, der Hofmaler seines Sohnes und Nachfolgers Vincenzo, hat ihn in iippigem expansivem Barock allerdings post- hum abgebildet. Mehr der Wahrheit entsprechend scheint jedoch die marmorne Statue eines unbekannten Meisters am Hochalter der herrlichen S. Andrea in Mantova: Der Herzog knieend, von schwachem, deformen Kiorperbau, fast gnomenhaft mit dem iibergrossen hochstirnigen Kopf und mit starren, fana- tischen Augen. Er war von Geburt bucklig, was in damaligem Italien, wo selbst die erlesensten Geister sich iiber Zwerge und dgl. amiisieren konnten, fiir eine Vordergrunds- figur eine sehr bedenkliche Sache war. Seine Familie hatte ihn deshalb fiir die mehr zuriickgezogene geistliche Laufbahn bestimmt, und wollte ihn dazu be- wegen, die Tronfolge nach seinem plitzlich dahingerafften Hilteren Bruder nicht anzutreten. Das fiel ihm aber gar nicht ein, und er zeigte sich bald als ein hervorragender Regent, der mit grbisstem politischen Takt und Geschick seinen Staat heil aus vielen drohenden und schwierigen Situationen heraus- brachte. Durch kluge Okonomie gelang es ihm, seine Lainder zu einer noch nie gewesenen Bliite zu bringen, und noch dazu wurde er persiinlich einer der reichsten Moinner seiner Zeit. Sein Hofhalt war gliinzend und zohlte nie weni- ger als 1000 Personen - prachtliebend und freigebig war er, jedoch nie ver- schwenderisch. Von Temperament cholerisch, tatkraiftig und heftig, dazu sehr eigensinnig und launenhaft, besass er jedoch die geniale, nie ablassende Un- geduld seiner beriihmten Grossmutter, der Isabella d'Este, und verlor, allen Abschweifungen zum Trotz, nie das gesetzte Ziel aus dem Auge. Vor allem war er aber ein hochbegabter Mann, mit vielseitigen geistigen Interessen, worun- ter die Musik in erster Reihe stand.

8) Die iiltesten sind die Messen- und Motetten.Drucke Petrucci's aus den Jahren 1502-1508. Sonst sind nur wenige Komponisten der ersten Hiilfte des 16. Jahrhunderts repriisentiert wie Christoforo Morales, Jachet di Mantova und Domenicus Phinot.

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Schon in den jungen Jahren erfasste er den Plan, in Verehrung S. Barbara, der besonderen Schutzheiligen seiner Familie, eine Kirche zu erbauen. Trotz Pas-

sivitlit oder Widerstand der hohen Geistlichen seines Geschlechtes fiihrte er zahe seinen Gedanken durch, und fiigte im ungeheueren Komplex der >>Reggia<< zu Mantova - schon damals eins der imposantesten Fiirstenschlisser Euro-

pas - die noch bestehende >>Basilica di S. Barbara in Corte<< hinein. Die Kirche wurde in repriasentativem, etwas kiihlem und reserviertem Barock vom Architekten Giovanni Battista Bertani geplant, und in den Jahren 1562-65

aufgefiihrt. Hierin sollte jetzt alles in grossartigstem Stile, und vor allem ganz nach dem Geschmack des Begriinders eingerichtet werden. Der Herzog verstand zu- niichst in Rom eine administrative Sonderstellung seiner Schlosskirche zu erreichen und so zu behaupten, dass sie eigentlich erst mit dem Konkordat zwischen Italien und dem Vatikan 1929 riickg*ingig gemacht wurde. Offizielles Oberhaupt der Basilica (das reelle war jedoch der Herzog) war ein Abt, der Rang und Titel als Bischof innehatte, und direkt dem heiligen Stuhl unterstellt war, und somit nicht vom Bischof von Mantova dependierte. Nach ihm folgten noch sechs >>dignitai< (Arciprete, Arcidiacono, Primicerio, Provosto, Priore und Decano), 12 Canonici, 6 Mansionari, 2 Diaconi und 2

Subdiaconi'). Die Dignita sowie die Canonici trugen Mitren und violette Ge- winder, und hatten Rang und Titel als Grafen und apostolische Protonota- ren - alles war also aiusserst vornehm intendiert, und der Gottesdienst wur- de mit hiichster Pracht begangen. Aber diese aiussere Sonderstellung seiner Basilica geniigte dem Herzog noch nicht. Er wollte, um seine Unabhlingigkeit von Rom noch mehr zu priizisieren, eine spezielle Liturgie dort einfiihren, und da er selber nicht nur liturgisch interessiert, sondern auch eingearbeitet war, verfasste er persiinlich die Vor-

lagen sowohl eines Missales wie eines Breviers, die er 1568 nach Rom sandte, um die niitige paipstliche Approbation davon zu erhalten'0). Es ist nicht zu

verwundern, dass eine solche disziplinlire Extravaganz auf harten Widerstand im Vatikan stiess. Noch dazu machte Guglielmo seine Sache immer kompli- zierter und weniger mundgerecht dadurch, dass er wieder und wieder seine

Vorschla*ge Hinderte. So hatte er mit den griissten Schwierigkeiten zu kiimpfen; seine fast unbegrenzte Ziihigkeit und Energie brachten ihm jedoch nach vielen Jahren den endlichen Sieg, und seine Liturgie wurde von Gregor XIII durch eine Bulle von 10. November 1583 approbiert. In diesem Zusammenhang soll der Papst geiiussert haben - und er hat es wahrscheinlich ehrlich gemeint - dass er abdizieren michte, wenn es noch zwei auf der Welt wie Guglielmo giibe').

9) Archivio Gonzaga, Mantova. B. 2986, (27/8 1578) und 3294.

10) Vgl. Joseph Schmid: Weitere Beitriige zur Geschichte des romischen Breviers und Missale. Theologische Quartalschrift. 67. Jahrgang, p. 478 ff.

11) Wie bedeutend der persiinliche Einsatz des Herzogs in dieser Angelegenheit war, geht am deutlichsten hervor, wenn man die Korrespondenz zwischen Mantova und den manto-

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Der Herzog hatte jetzt, auch offiziell, seine eigene Liturgie - selbstherrlich wie er war, hatte er sie allerdings schon lange vorher in S. Barbara praktizieren lassen. Auch dies geniigte ihm aber nicht: er wollte noch seine eigene Musik dazu haben.

Zuneichst gait es, die unentbehrliche Grundlage einer jeden kirchenmusika- lichen Praxis dieser Zeit, den cantus firmus, den einstimmigen gregorianischen Gesang, in tbereinstimmung mit den besonderen Rubriken der S. Barbara zu

bringen. Er liess deshalb eine betriichtliche Reihe grosser Chorbiicher pracht- voll auf Pergament ausfiihren. Die Redaktion davon hat er wahrscheinlich, jedenfalls teilweise, selber ausgeiibt. Sie huldigte klar den damals herrschenden humanistischen Ansichten wegen der Notwendigkeit und des Charakters einer Choralreform. Diese Chorbiicher werden, anscheinend liickenlos, noch im Archiv der Kirche aufbewahrtl2). Besonders bemerkenswert wegen der Origi- nalitiit ihres Inhaltes scheint hier das Chorbuch Nr. 1: Kyriale ad usum Ec- clesie Sancte Barbare"3). Es enthiilt den Choral fiir die zehn Messen, womit das Kalendarium S. Barbara rechnet:

1. In Dublicibus majoribus 2. In Duplicibus minoribus 3. In Festis Beatae Mariae Virginis 4. In Festis Apostolorum 5. In Dominicis diebus 6. In Semiduplicibus majoribus 7. In Semiduplicibus minoribus 8. In Simplicibus minoribus 9. In Simplicibus minoribus et Feriis Temporis Pascalis

10. In Feriis per annum

vanischen Geschiiftstriigern in Rom, besonders von den Jahren 1568- ca. 1580, durchgeht. Diese Dokumente des Arch. Gonzaga handeln beinahe ausschliesslich iiber die Interessen S. Barbara's, jedoch nicht allein iiber liturgische Fragen, sondern auch iiber die Okonomie der

Basilica, die der Herzog durch piipstliche Pfriinden zu konsolidieren strebte. Auch in der vatikanischen Bibliothek findet man zahlreiche Beweise fiir das persiinliche Eingreifen des

Herzogs in diesen Fragen (besonders in den Codizes Vat. 3456. 6182 und 6183). Nach Joseph Schmid. 1. c. p. 478 soil das Brevier von Francesco Osanna 1585 gedruckt worden sein. Das

einzige, mir bekannte Exemplar (Bibliothek des bischaifl. Seminars in Mantova) stammt jedoch aus der Offizin Dominico Nicolino's in Venezia und wurde schon 1583 gedruckt. Wahrscheinlich wurde auch das Missale gleichzeitig herausgegeben, aber die einzige Ausgabe davon, die ich

angetroffen habe, wurde so spiit wie 1693 in Venezia von Andrea Poleti gedruckt. (Exempl. in der Biblioteca Comunale und imn Arch. S. Barbara, Mantova).

12) Vgl. Memorie Storiche Cronologiche dell' Insigne I. R. Collegiata Basilica di S. Barbara in Mantova raccolte dal Canonico Pietro Pellegretti. Seconda Edizione diligentemente corretta e accresciuta. (Ms. von c. 1850, das auf iltere Quellen zuriickgeht), p. 16: Duca Guglielmo ... fece comporre sopra tali rubriche le Messe, i graduali, gl'inni e tutte le antifonen in 20 grandiosi libri, i quali non tanto per la bellezza ed antichith, quanto per la squisitezza del canto fermo sono tenuti in molto riputazione. (Ms. im Bischifl. Seminar, Mantova).

13) Pergamentcodex von 54 fogl. 55 X 33 cm. in braunem Ganzleder gebunden.

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Dies Kyriale sonderte sich jedoch nicht nur in der Rangordnung der Feste mit der Unterteilung vom Duplex und Semiduplex, sondern auch in vielen anderen Hinsichten recht radikal von dem traditionellen roimischen ab. So wurde, in

[bereinstimmung mit der iiberwiegenden polyphonen Praxis der Zeit, die Einheit der Tonalitait als leitendes musikalisches Prinzip anerkannt. Hier- nach sollten alle 5 Stiicke des einzelnen Ordinariums derselben Tonart angeha- ren, und somit stehen die obenangefiihrten Messen der Reihe nach vollstiin-

dig in der 8.-4.-7.-1.-2.-6.-5.-1.-4.- und 3. Tonart. Um dies durchfiihren zu ko*n-

nen, stellte man teils Stiicke des r6mischen Kyriales in geainderter Ordnung zusammen, teils komponierte man (wie es scheint) neue Stiicke, ja vollsta*n- dige Messen. So nahm man fiir die Duplicibus majoribus das Kyrie der VI. Messe der Vaticana (allerdings so stark geaindert, dass es fraglich scheint, ob es sich hier nicht vielmehr um eine neue Melodie handelt, die nur den Anfang mit der iilteren gemeinsam hat), das I. Gloria der Cantus ad libitum, ein der Vaticana unbekanntes Credo, das Sanctus der IV. und das Agnus Dei der XIV. Messe, und erreichte hierdurch die tonale Uniformierung des Zyklus. Vollstaindig durch Stiicke des roimischen Kyriales zusammengestellt sind nur die beiden Messen: In Festis Apostol. (Kyrie aus der IV. Gloria und Sanctus aus der II.

Agnus der XI. Messe, und Credo IV der Vaticana) und: In Semiduplicibus minoribus (Kyrie und Gloria der VIII., Sanctus der IX., Agnus Dei der XVII. Messe, und Credo Nr. III ibid.). Ganz von der Vaticana unabhlingig sind die Messen: In Simplicibus I und In Feriis. Teils aus iilteren, teils aus neueren Stiicken besteht, ausser der schon genannten M. Duplicibus majori- bus, u. a. die M. Duplicibus minor. (Gloria aus der IV. Messe, und Credo mit allerdings sehr schwachen Beriihrungspunkten mit dem I. Credo; das iibrige der Vaticana fremd!) und die Messe B. M. V. (nur das Gloria der gleichnami- gen Messe der Vaticana entnommen). Diese letzte Messe hat leine eigentiim- lich schoine Kyriemelodie in ausgepriigt mixolydischer Tonart:

Af I I

8 KY - ri-e e - - - le, i-son.

S- --'- ;' - ---["- 8 Chri-ste e - - - - - le- i -son.

8 Ky-ri- e e - - le- i-son.

Diese, mir sonst unbekannte Strophe, liegt deutlich zu Grunde auch fiir die iibrigen >>neuen<< Stiicke der Messe. Speziell die charakteristische Wendung

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des ersten Abschnittes vom 1. Kyrie kehrt iiberall, mehr oder weniger variiert zuriick, z. B.:

~(Credo) fa-cto-rem coe - li et ter - rae (Sanctus) Pile-ni sunt coe - li et

8 ter - ra (Agnus Dei) qui tol - lis pec- ca- ta mun - - di

Es ist wohl somit klar, dass die ganze Messe (mit Ausnahme des schon bekann- ten Gloria's,) von einer und derselben Persiinlichkeit komponiert oder zu-

rechtgelegt gewesen sein mussl'). Der Wille zur klaren einheitlichen Tonalitiit iiussert sich jedoch nicht allein in der Grossform der Messen, sondern ebensoviel in der detaillierten Redaktion der einzelnen Melodien. So wurde z. B. die traditionelle Form vom >>Christe<< der M. In Dominicis diebus:

.. .1---I--

8 Chri - ste e - - le - i - son.

im Kyriale von S. Barbara also geaindert:

8 Chri - ste e le - i - son.

Gewiss nicht schiiner - nein, lange nicht so schiin - jedoch vierstiindlich, weil man das Kyrie, das nach der riimischen Tradition im ersten Ton steht, plagalisch ummodeln miichte, so dass es in die Haupttonart der Messe, die

hypodorische, hineinpassen konnte. Deshalb eliminierte man die kritischen hohen T6ne :c und d, welche die authentische Lage der dorischen Tonart kennzeichnen. Weiter fiihrte man es prinzipiell durch, dass alle kleineren, jedoch einigermassen selbstiindigen Bruchstiicke der Hauptteile des Ordina-

riums, sowohl am Anfang wie beim Schluss entweder Tonika oder Dominant der Tonart hatten. Den Begriff der Dominante fasste man allerdings nicht in striktem >>gregorianischem<<, sondern in mehr harmonischem Sinne der

14) Eine gewisse, jedoch nicht sehr vorherrschende Ahlinlichkeit mit dem Vesperhymnus fiir das S. Barbara-Fest: Exultet celebra virginis inclyte (Chorbuch Nr. 8 des Archives der Basilica) wiire zu bemerken. Schon miiglich, dass diese Messenteile auf Grundlage irgend eines Hymnus, oder, vielleicht eher, iiber einer Sequenzenmelodie ausgeformt wurden. tCbrigens scheint diese Messe, und das gilt vermutlich dem ganzen Repertoire des vorliegenden Kyriales, allein in S. Barbara Verwendung gefunden zu haben. Z. B. zeigen die gleichzeitigen Chorbiicher der beiden Hauptkirchen Mantova's, S. Pietro (Kathedrale) und S. Andrea, die traditionellen

riimischen Weisen der Missa B. M. V.

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 141

Mehrstimmigkeit auf. So wurden die Anfangs- und Schlussnoten auf folgende Tone beschrainkt:

1. Ton 2. T. 3. T. 4. T. 5. T. 6. T. 7. T. 8. T.

8

Das heisst also, dass im Gegensatz zur Gregorianik, die authentischen und

plagalen Formen der einzelnen Tonarten eine gemeinsame Dominant hatten, welche die Oberquinte zur Tonika bildete. Nur in den phrygischen Tonarten

liess man, um, in llbereinstimmung mit der gregorianischen Praxis, das pre-

kisre :h zu vermeiden, die Dominante der Hypotonart, die Oberquarte zur

Tonika, auch fiir die authentische Tonart gelten. Diese Prinzipien werden in der weit iiberwiegenden Anzahl der Faille genau beobachtet. Nur beim Gloria und Credo der M. In Festis Apostolorum ist dies nicht der Fall - warum, will nicht recht einleuchten. Man kiSnnte vielleicht

denken, dass sie bei der Revision einfach vergessen worden seien, wenn sie nicht in anderen Hinsichten deutliche Spuren einer Revision erwiesen. Aber sonst wird iiberall diese Tonica-Dominante-Bevorzugung genau eingehalten, was natiirlich viele eingehende Anderungen der Hilteren Melodieformen mit sich fiihrt. So wird - um ein einzelnes Beispiel unter vielen zu zitieren -- im Gloria der Messe In Duplicibus minoribus die Hiltere Form:

qFji 8 Et in ter -ra pax ho- mi- ni -bus

in Mantova also geiindert:

8 Et in ter - ra pax ho - ni ni -bus

wodurch also, anstatt mit : d-g mit : e-a (Tonika und Dominante der herrschen- den 4. Tonart) angefangen wird. Korrektur des Schlusstons nach denselben

Gesichtspunkten kann man z. B. in demselben Stiick beobachten:

8 in glo - ri - a De- i Pa

. - tris.

8

Acta musicologica XXV 4

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142 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Weiter werden die Melodien in Mantova so modifiziert oder neukomponiert, dass der Oktav-Ambitus der Tonarten, der eigentlich nur ein theoretisches Abstraktum bildet, mit beinahe pedantischer Genauigkeit eingehalten wird:

i. T. 2.T. 3. T. 4. T. 5. T. 6. T. 7. T. 8. T.

Wie man sieht, wird nur gelegentlich eine Erweiterung des Oktav-Umfanges durch eine Ober-oder Unter-Sekunde erlaubt, und im 4. Ton wird sogar (in Obereinstimmung mit der alten Praxis) nicht einmal die Oktave v611ig aus-

geniitzt. Dass auch dadurch Anderungen vorkommen, die den iisthetischen Wert der Melodien beeintriichtigen, zeigt z. B. folgende Wendung vom Gloria der Messe In Festis Apostolorum, wo die sch5ne, freigeschwungene Form der Vaticana:

8 Glo - ri- fi -ca - mus te.

in recht prosaischer Weise also nivelliert wird:

SGlo - ri - fi - ca - mus te

Vielleicht, dass die Mantovaner-Redaktion hier und in dihnlichen Faillen nicht die direkte Schuld triigt - denn miiglicherweise waren solche >Verbesse-

rungen<< schon in den ailteren, uns unbekannten, von ihr benutzten Vorlagen eingefiihrt. Jedenfalls bildet das fehlende Verstindnis fiir die Eigenart der mittelalterlichen Melodien nicht eine mantovanische Spezialitiit, sondern

iiberhaupt ein Charakteristikum des 16. Jahrhunderts, der goldenen Zeit der Choralreformatoren. Man kann sich deshalb nur dariiber wundern, unter den

neuhinzugekommenen Melodien des S. Barbara Kyriales nicht wenigen von feinem Stilgefiihl und hohem kiinstlerischen Wert zu begegnen. Auch kann man als positives Moment notieren, dass die damals herrschenden Ansichten der humanistischen Welt, wonach die gregorianischen Melodien notwendi-

gerweise revidiert sein miissten, so dass bei der Textlegung liingere Melismen nur auf sprachlich akzentuierten Silben kommen diirften - dass diese Ansich- ten wohl gewissermassen im Kyriale Guglielmo's beriicksichtigt wurden, jedoch ohne dogmatische Steifheit, ganz ungekiinstelt.

Eine so grossangelegte kirchliche Institution, wie die Schlosskirche in Man- tova, konnte natiirlich nicht ohne eine selbstindige Kapelle fiir mehrst. Mu- sik bestehen. Wie weit diese Selbstindigkeit ging, ist jedoch, jedenfalls in den friiheren Jahren der Basilica, nicht ganz klar. So beklagt der Herzog in einem Brief vom 27. August 1578, dass S. Barbara nicht selber Geld hat, um die Kosten fiir die Musik zu bestreiten, so dass er seine eigene Hofmusik in

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 143

die Kirche schicken muss, um die Gottesdienste in geziemender Weise zu

feiern15). Woher die Mittel dazu auch herriihrten - jedenfalls wurde S. Barbara schnell

fiir ihre hervorragende Kapelle beriihmt, und auch Fremde kamen besonders um sie zu hbrenl6). Das mehrstimmige Repertoire von S. Barbara liisst sich wohl einigermassen gut bei Betrachtung der beiden ailteren Inventarien des Musikarchivs beurteilen. Wir finden hier unter den Drucken vor allem Palestrina, den Lieblingskomponi- sten Herzog Guglielmos, reich repriisentiert"7). Aber er bildet insofern eine Aus-

nahme, als er der einzige nicht lokale oder jedenfalls nicht norditalienische

Komponist ist, dessen Werke hier in grSsserem Massstabe vorhanden sind. Betrachtet man jetzt die Musikmanuskripte von S. Barbara, geht diese Sonder-

stellung mit noch klarerer Deutlichkeit hervor : Handschriftlich liegen hier ca. 70 Nr. vor - eine sehr betraichtliche Anzahl im Verhiiltnis zu den 195 Nr., die den Gesamtbestand des Archivs bilden. Unter diesen Mss. finden sich auffallend wenige Motetten, dagegen viele Psalmen, Hymnen und Magni- ficat, und ganz besonders viele Messen. Unter diesen Messen sind mir auch 10 Messen von Palestrina begegnet, die mir sonst unbekannt waren. Die alten und recht unpraizisen Inventarien des Ar- chivs sind wahrscheinlich daran schuld, dass sie so lange unbemerkt verblei- ben konnten. Es handelt sich hier um eine vierstimmige Messe ohne Titel, und um 9 Choral- messen (2 Duplicibus minoribus, 3 B. M. V., 2 in Festis Apostolorum und 2 in

Semiduplicibus majoribus). Diese Choralmessen geh6ren klar dem speziellen Messenrepertoire von S. Bar- bara an, einem Bestand, der vollig original ist, und so weit mir bekannt, sonst

nirgendwo anzutreffen. Es folgt hier eine UCbersicht, die so gut wie alle in S. Barbara handschriftlich

15) Aus dem gleichen Brief geht hervor, dass die Kapelle aus zwei maestri, der eine fiir canto fermo, der andere fiir canto figurato bestand, (jeder von ihnen bekam 12 scudi im Jahre); ein Kapellmeister (100 sc.), ein Organist >>Che sona di e notte frequentemente<< (100 sc.), und 8 Siinger (ai 50 sc.) bildeten den Kern der Musikausiibung, wozu dann noch die Siingerknaben und die jungen Kleriker kamen. (Arch. Gonz. B. 2986.) Um ca. 1570 bestand die Kapelle aus Giaches de Wert als Kapellmeister und aus folgenden 8 Siingernamen: Livio Martinelli, Gugli- elmo Testore, Guglielmo Fordosio, Tassino Gallo, Claudio borgognone, Agostino Bonvicino, Garoja spagnolo und Antonio Bressano. (ibid. B. 3125).

16) So liess der Kardinal von Augsburg, einer der besten Musikkenner seiner Zeit, im Miirz 1566 bitten, dass man bei seinem bevorstehenden Besuch in Mantova die Vesper in S. Barbara

spaiter als gewbhnlich abhalten wiirde, um ihm zu erm6glichen, die schone Musik zu hSren. Kirchenmus. Jahrb. 1886, p. 34.

17) So sind (mit Ausnahme des vierten) alle die zehn ersten Messenbiicher von ihmi ange- fiihrt, wozu noch das 1. Buch der 4st. Messen von 1590, und die 8st. Messen von 1601 komimen - weiter die 2., 3. und 4. Biicher der 4-6 st. Motetten ,das 1. Buch der 4st. Magnificat von 1591 und die Offertorien von 1594.

4*

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144 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

iiberlieferten Messen umfasst, indem nur ganz wenige davon nicht dieser Spezie angeharen"l).

I. Missae in Duplicibus majoribus

1) Franci8ci Rovigi. N. 166, f. 1' und N. 127 2) Serenissimi (i. e. Herzog Guglielmo Gon-

zaga) N. 7 a

3) Joannis Contini, N. 40 4) Giaches Wert, N. 142

II. Missae in Duplicibus minoribus

1) Joannis Prenestini, N. 164, f. 1' (vgl. N.

14,1) 2) Joannis Prenestini, N. 164, f. 23' 3) Julius Bruschus, N. 34

4) Serenissimi (Gugl.), N. 7 b 5) Jaches Wert, N. 145 6) Joannis Contini, N. 45 7) Pauli Isnardi, N. 89

III. Missae in Festis B. M. V.

1) Joannis Prenestini, N. 164, f. 44' 2) Joannis Prenestini, N. 164, f. 66' 3) Joannis Prenestini, N. 164, f. 84' (vgl. N.

14,2)

4) Nicolai Parme, N. 123 5) Jaches Wert, N. 143 6) Augusto Bonvicini, N. 32 7) Joannis Contini, N. 42

IV. Missae in Festis Apostolorum

1) Joannis Prenestini, N. 166, f. 23' (vgl. N.

14,3) 2) Joannis Prenestini, N. 166, f. 44' 3) Serenissimi (Gugl.), N. 85 4) Gulielmi Textoris, N. 136

5) Joannis Contini, N. 41 und N. 192, f. 65 6) Francesci Rovigii, N. 129 und N. 192, f.

103

7) Giaches Wert, N. 192, f. 85

V. Missae in Dominicis diebus

1) Joannis Jacobi Gastoldi, N. 166, f. 64' (vgl. die Herausgabe desselben Kompo- nisten: Messe a 5 et a 8 voci. Libro I. Venezia 1600, und Pellini: Missae Domi-

nicales, Milano, 1592) 2) Anonym, N. 14,4 3) Jaco. Castrati, N. 35

4) Alexandri Striggi, N. 133 und 134 (vgl. Pellini ibid.)

5) Francesci Rovigii, N. 128 und N. 192, f. 42 (vgl. Pellini, ibid.)

6) Giaches Wert, N. 192, f. 20 (vgl. Pellini, ibid.)

7) Joannis Contini, N. 192, f. 2 (vgl. Pellini, ibid.)

VI. Missae in Semiduplicibus majoribus

1) Joannis Prenestini, N. 166, f. 85' 2) Joannis Prenestini, N. 166, f. 103' (vgl.

N. 14,5)

3) August. Bonvicini, N. 33

18) Zur Vervollstiindigung der Liste in Acta Musicologica XXII, p. 37. Ich muss zu dieser be- merken, dass die Messe von Isnardi N. 90 leider hier versehentlich zweimal angefiihrt wurde. Sie ist im Ms. als Missa Angelorum bezeichnet, gehbirt jedoch anscheinend unter die Semi- duplicibus minoribus. Ebenso wurde die Liste dadurch emendiert, dass ich bei meinem Besuch in Milano (Friihjahr 1953), die beiden, mir friiher entgangenen Messen I, 4 und VI, 3 feststellen und auch endlich das Chorbuch 192, das 1950 noch nicht zugiinglich war (vgl. 1. c. S. 46), kon- sultieren konnte.

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 145

VII. Missae in Semiduplicibus minoribus

1) Julius Bruschus, N. 174 3) Paolo Isnardi, N. 90 (? - Verzeichnet: 2) Gul. Textoris, N. 135 Missa Angelorum)

VIII. Missa in Simplicibus minoribus

Anonym, N. 180,3

IX. Missae in Feriis per annum

1) Julii Bruschi: Die Lune (1) 2) Jaches Wert: Die Martis (2) N 180 3) Francisci Rovigii: Die Mercuri (5)

4) Joan. Jacobi Gastoldi: Die Jovis (6) 5) Vincentii Suardi: Die Veneris (7) N 180 6) Paolo Pezzani: Die Saturni (8)

Diese hier verzeichneten Messen sind, ohne Ausnahme:

1) Choralmessen, iiber Themen des speziellen S. Barbara-Kyriales komponiert. 2) fiir alternierenden Vortrag bestimmt, so dass die Choralmelodien nur teil- weise polyphon bearbeitet sind, waihrend die hierbei fehlenden Stiicke ver- mutlich durch unisonen gregorianischen Gesang mit oder ohne Orgelbeglei- tung oder durch Orgelspiel allein ersetzt wurden. 3) fiir 5st. Chor gesetzt. Dies gilt wahrscheinlich auch den Messen II, 5 und III, 5, obwohl von der ersten nur noch 4 Stimmbiinde, und von der letzten, im Inventarium als 6st. bezeichnet, nur 5 Stimmb. vorhanden sind. Es geht also aus der obenstehenden tbersicht hervor, dass die insgesamt 45 Messen sich folgendermassen auf die Komponisten verteilen:

Palestrina 9 Gian Giacopo Gastoldi 2 Giaches de Wert 6 Paolo Isnardi 2 Giovanni Contino 5 Nicolo Parma 1 Francesco Rovigo 4 Jaco. Castrati 1 Giulio Brusco 3 Alessandro Striggio 1 Herzog Guglielmo 3 Vincenzio Suardi 1 Agostino Bonvicino 2 Paolo Pezzani 1 Guglielmo Testore 2

Anonyme Messen 2.

Palestrina hat also auch hier eine fiihrende Rolle im Repertoire gespielt, und ist noch dabei als einziger nicht lokaler, (oder im weiteren Sinn lokaler) Kom- ponist vertreten. Bemerkenswert ist es niimlich, dass alle diese Messen von

Persionlichkeiten herriihren, die - insofern sie uns bekannt sind, enge Bezie- hungen mit dem Hofe in Mantova hatten.

So lebte Giovanni Contino (geb. ca. 1512 in Brescia) in den Jahren 1561-65 als Kapellmeister Herzog Guglielmos's. Er sehnte sich aber nach seiner Geburtsstadt zuriick, und pflegte schon im April 1564 deswegen Verhandlungen mit den Behirden der dortigen Kathedrale, mit dem

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146 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Ergebnis, dass er ab November 1565 zum zweiten Mal dort als Kapellmeister angestellt wurde.19) Am 22. Juni 1565 schreibt der Herzog an seinen Kapellmeister, Giulio Brusco, dass er vor allem dafiir Sorge tragen miisse, dass mit der Abreise Giovanni Contino's nicht noch andere die Kapelle verlassen (Arch. Gonz. B. 2976). Von 1569-1574 ist der Aufenhaltsort Contino's uns nicht bekannt.20) Don Giulio Brusco war (Canal und Bertolotti zufolge) um 1560 Kapellmeister der Kirche S. Francesco in Mantova und Vertrauensmann und Ratgeber des Herzogs in musikalischen Angelegenheiten. Er wurde 1564 damit beauftragt, die Vigilpsalmen fiir S. Barbara zu kom-

ponieren.21) Er war iibrigens Geistlicher, und wird 1565 als Canonicus tituliert, war also wohl damals nicht ganz jung mehr. Im Verzeichnis der Kapelle von ca. 1570 (B. 3125) steht er nicht als Kapellmeister, sondern ganz unten als extraordingirer Siinger angefuihrt, allerdings mit der Bemerkung, dass er nicht linger seinen Sold bezieht- was wahrscheinlich nicht bedeutet, dass er nicht mehr am Leben ist, sondern nur, dass er anderswo angestellt war. Giaches de Wert (geb. ca. 1536) wirkte von ca. 1565-1582 als Kapellmeister an S. Barbara, verblieb aber bis zu seinem Tode (1596) in Mantova, mit Kompositionen eifrig beschiiftigt. So hatte er 1586 vom Herzog den Auftrag, Hymnen fiir S. Barbara zu schreiben, und im folgenden Jahre war er mit Lauden fiir dieselbe Heilige beschliftigt. Auch soill er die Messe bei der Kronung Vincenzo's, des Tronerben Guglielmo's, komponiert haben. Der Nachfolger Wert's als

Kapellmeister an S. Barbara, Gian Giacopo Gastoldi (ca. 1556 geb.), scheint dies Amt his 1609

innegehabt zu haben (in einem Brief vom 8. Januar 1609 (B. 3296) ersucht ein jiingerer Geist- licher, das Canonicat, das bei der bevorstehenden Ernennung des Canonicus Antonio Taronio zum Kapellmeister an S. Barbara ledig wird, zu erhalten). Als hochbesoldeter Organist der Basilica wird Francesco Rovigo Dezember 1592 vermerkt; er stand jedoch schon als junger Mensch im Dienste des Herzogs, der ihn 1570 nach Venezia sandte um dort seine Ausbildung zu vervollstiindigen (vgl. Bertolotti, a. a. O. p. 57). Er starb in Mantova 1597, 66 Jahre alt, wurde also um 1530 geboren. Siinger an S. Barbara waren Agostino Bonvicino, welcher in den Jahren ca. 1560-70 dort verzeichnet ist, und, gleichzeitig mit ihm, Guglielmo Testori. Von diesem letzteren werden in der Kathedrale von Treviso zwei Motetten aufbewahrt, von welchen die eine mit folgender Dedikation versehen ist: Ad clarissimum Jo. Baptistam Contarenum patavii praetorem dignis- simum Gulielmus Textoris carceratus (vgl. Giovanni d'Alessi: I Manoscritti Musicali del Sec.

XVI? del Duomo di Treviso. Acta Musicologica. Vol. III, 1931, p. 155), was teils auf eine Verbindung mit Padova, und teils auch auf eine dramatische Laufbahn des Komponisten deutet. Man findet ihn dann auch ganz richtig in Dokumenten dieser Stadt verzeichnet, als Siinger der Kathedrale in den Jahren 1557-67. Er wird hierin Contra-Altist und >gallusc benannt, (vgl. R. Casimiri: Musica e Musicisti nella Cattedrale di Padova. Note d'Archivio XVIII, 1941, p. 206 ff. und XIX, p. 52). In mehr peripherischen Beziehungen zu den Gonzaga scheinen Alessandro Striggio, Nicolo

19) Vgl. Paolo Guerrini: Giovanni Contino di Brescia, Note d'Archivio per la Storia Musi- cale. I (1924) p. 130 ff.

20) Canal, 1 c. p. 720, schreibt, dass er ca. 1564 starb, und Anne Marie Bautier-Regnier (>Jacques de Wert<, Revue Belge de Musicologie. IV (1950) p. 47) bemerkt, dass J. de Wert im Herbst 1564 nach Mantova kam, um Contino zu ersetzen, welcher krank war, und im Januar 1565 seiner Krankheit erlag. Dokumente, von Guerrini (1. c.) veroiffentlicht, erweisen aber klar, dass er erst 1574 gestorben sein kann.

21) Vielleicht handelt es sich noch um diesen, vielleicht auch um neuere Auftriige, wenn der Herzog im obengenannten Brief vom 22/6 65 ihm schreibt: >mi rincresce ch(e) in q(ues)ti caldi habbiate da componer tu(t)to, mi consola p(er)b ch(e) alla gionta di q(ue)sta h(au)rete fatto tu(t)to, che potrete posat'un poco, tu(t)to pidi che le feste no(n) sono cosi frequenti, come p(er) il passato.< Andere Briefe vom Herzog im Sommer 1565 (vgl. B. 2950, 17. und 22. Juli) zeigen, dass Brusco die Funktionen eines Kapellmeisters ausgeiibt habe.

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 147

Parma und Paolo Isnardi gestanden zu haben. Striggio, als Madrigalkomponist besonders beriihmt, wurde ca. 1535 geboren, und geh6rte der mantovanischen Nobilitait an; er lebte liingere Zeit bei den Medizaiern in Firenze, stand aber fortwihrend in Verbindung mit den Gon-

zaga, und ist 1587 (Bertolotti p. 59) in seiner Geburtsstadt gestorben. Auch Nicolo Parma war aus Mantova-iiber seine Beziehungen hierzu ist aber nur bekannt, dass er 1611, wo er als Domkapell- meister in Novara lebte, den Herzog Vincenzo Gonzaga um ein lediges Canonicat ersuchte (Ber- tolotti, p. 93). Isnardi endlich war Ferrarese und wirkte als Kapellmeister der Kathedrale dieser mit dem Musikleben Mantova's eng verbundenen Stadt. Sein 1. Buch der 5st. Madrigale widmete er 1568 dem Herzog Guglielmo. Villig unbekannt sind mir Vincenzio Suardi, Paolo Pezzani und Jaco. Castrati (oder Castrato?). Im schon genannten Brief des Herzogs vom 22/6 1565 heisst es u. a.: Ho hauuto gran contento del Castrato. Vielleicht ist dieser deshalb identisch mit einemn gewissen M. Gioan Castrato, der in einem Brief aus Rom 1581 erwahnt wird mit der Bemerkung, dass er friiher im Dienste des Herzogs gestanden habe, (Bertolotti, p. 58). Mbiglich auch, dass der Kastratsiinger Jacomo Antonio Pales, der 1586 aus Rom nach Mantova kam, hierbei in Betracht zu ziehen wire, (vgl. Bertolotti, p. 67).

Pierluigi da Palestrina, weit der beriihmteste unter alien diesen Komponisten, wie auch der hier am reichsten vertretene, scheint nie in Mantova direkt an- gestellt gewesen zu sein. Es ist jedoch bekannt, dass zwischen ihm und dem Herzog im Friihjahr 1583 Verhandlungen gefiihrt wurden, die darauf zielten, ihn nach Mantova als Hofkapellmeister zu berufen, Verhandlungen, die aber ergebnislos endeten. Immerhin hat er, wie kein anderer der grossen Kompo- nisten der Zeit, mit dem Herzog Guglielmo und mit Mantova enge und sehr bedeutungsvolle Beziehungen gepflegt. Von ca. 1568 bis zum Tode des gros- sen Herzogs 1587 stand er in fast ununterbrochener Korrespondenz mit die- sera2m). Das erste Mal, dass man den Namen Palestrina's im Archiv der Gonzaga an-

trifft, ist, so weit bisher bekannt, als Unterschrift eines eigenhiindigen Briefes vom 2. Februar 1568:

Ill(ustrissi)mo et Eccel(lentissi)mo signor(e) Colendissimo Son certo che il mio poco saper, no(n) arriua al molto uoler(e) che tengo di seruire 1'Eccel(len)za v(ost)ra: tutta uolta mi e" parso piu tosto e legger(e) di mostrargli la mia insufficienza, che per asconderla, rimaner mal creato, essen- domi comandato da si Eccellente signor(e), et p(er) mano di virtuoso cosi raro, com(e) m(esser) Giacches di far questa Messa, qui inclusa, la quale ho fatta cosi com(e) m'ha instrutto m(esser) Aniballe Cappello, se in questa prima uolta, no(n) haurb sodisfatta la mente di V(ost)ra Eccel(len)za se li piacera comandarmi, come(e) la uoglia, o, breue, o, longa, o che si sentan le parole, io mi

22) Bertolotti (p. 47) schreibt allerdings, dass diese Verbindung schon 1565 eingeleitet wurde, aber dies scheint auf Missverstiindnis einer Bemerkung Canal's (1. c., p. 686) zu beruhen, indem die Briefe, die C. hier erwlihnt, allerdings iiber musikalische Fragen handeln, und mit Rom Beriihrung haben, jedoch ohne weder direkt noch indirekt Palestrina zu nennen.

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p(ro)vard seruirla secondo il mio poter(e) il quale tutto spendero sempr(e) in seruitio dell'Eccellenza v(ost)ra, alla quale humil(men)te bascio le Ill(ustris- si)me et Eccel(lentissi)me Mani Di Roma li 2.di Febraro 1568

Di V(ost)ra Eccellenza humilissimo seruitor(e) il Palestrina

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 149

Mit diesem Brief, (der zusammen mit den 11 anderen eigenhiindigen Briefen Palestrina's in einer besonderen Mappe vom Direktor des Gonzaga Archivs auf- bewahrt wird), hat also P. dem Herzog eine nicht niiher bezeichnete Messe iibersandt, die ihm durch einen Brief vom Jaches Wert in Auftrag gegeben wurde, und nach niiheren Angaben, die ihm Annibale Capello iibermittelte,

entstand23). Fiir diese Sendung dankt Guglielmo in einem eigenhaindigen Brief (Kopie in B. 2950): A m(esser) Gio(vanni) Pietro Luigi da Palestina (sic!) Se bene non vi ho prima d'adesso ringratiato della messa, che mi mandaste a di pass(ati), non resta per questo che io non l'habbia hauuta cara, anzi ella mi e piacciuta assai et me la tengo molto cara et il testimonio che ue ne fara de p(rese)nte il Fiera mio Cauaglierizzo ue ne potra rendere piu chiaro ancora, a lui dunq(ue) mi rimetto et assicurandoui che tengo q(ue)l conto di uoi, che me- rita la vertiu uostro, ui desidero lunga uita. Di Mant(ova) a 19 di Aprile 1568.

Palestrina, der offenbar mit seiner Belohnung ausserordentlich zufrieden war, bedankt sich umgehend in einem Brief:

Ill(ustrissi)mo et Ecc(ellentissi)mo S(ign)or(e) et Patron(e) mio oss(ervan- dissi)mo. Poi che la bassezza mia m'impedisce di poter ringratiar(e) V(ostra) Ecc(ellenz)a con altro che con parole, la pregaro in luogo dell'effetto, a, uoler accettar(e) r'affetto sincero dell'animo mio, contentandosi di q(ue)l ch'io posso per quel ch'io debbo, et credendo che s'io non sono p(er) esser mai atto ai satis- far(e) all'obligo grande ch'io ho co(n) essa lei del Amoreuolissima littera et del dono delli 50 D(uca)ti ch'io so(no) ben atto a cognoscerlo et pronto a render(e) quella gratia ch'io posso, et supplendo co(n) l'affettion(e) et osserua(n)za al mancame(n)to delle mie forze, le quali pero com(e) siano saran(n)o tutte uolte a seruigi di V(ostra) Ecc(ellenz)a Ill(ustrissi)ma a cui co(n) ogni humilta" bascio le mani, pregandoli ogni felicita Di Roma il p(rim)o di Maggio 1568.

Di V(ostra) S(ignoria) Ill(ustrissi)ma et Ecc(ellen- tissi)ma Humilissimo seruitor(e) Gioua(n)i Petraloygi Prenestino24).

Unter den ganz wenigen handschriftlichen Messen des S. Barbara Archivs zu Milano, die nicht der oben katalogisierten Hauptgruppe der Messen angeh5i- ren, findet sich als Nr. 109 des Inventariums: Palestrina, Messa a 4 voci. Dies Ms. besteht aus 4 Stimmheften, Cantus, Altus, Tenor, Bassus, von respektive 6, 6, 6 und 5 Papierbl. Die Hefte, die in Querformat mittlerer Graisse sind, liegen in einem Umschlag, worauf mit einer Hand des 17.-18. Jahrhunderts notiert ist: III/Palestrina Giannetto/Messa a 4 voci. Dann ist noch mit Blei-

23) Dieser Capello, dessen Namen so oft in Verbindung mit Palestrina auftaucht, war ein mantovanischer Geistlicher ,der gleichzeitig sowohl bei der Botschaft Guglielmo's in Rom, wie am Hofe des Kardinals Ippolito d'Este in Rom und Tivoli diente. Bei diesem reichen und sehr musikliebenden Fiirsten lebte bekanntlich auch Palestrina als Kapellmeister vom 1. August 1567 bis April 1571, da er in sein friiheres Amt an der Peterskirche zuriickkehrte. Capello, der als eine Art Kulturattache des Herzogs fungierte, scheint ein persiinlicher Freund Pale- strina's gewesen zu sein.

24) Die Signatur, die bei der Wiedergabe dieses Briefes bei Bertolotti (p. 48) facsimiliert steht, gehort nicht ihm, sondern dem Brief P.s vom 23/3 1585 (Bertolotti, p. 54) und ist beim Druck falsch angebracht worden.

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150 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

stift die spaitere Signatur :109, hinzugefiigt. -ber den Anfang der Altstimme hat der Schreiber mit einer zierlichen Hand des spaiteren 16. Jahrhunderts vermerkt: Altus/Di Gioannetto Pallestrino(sic!). Man kann sich vielleicht

fiber diese sonderbare Variante vom Namen des Meisters wundern; sie ist aber nur eine der vielen, die wir zu dieser Zeit treffen, welche in dergleichen Sachen eine fiir uns merkwiirdige Indifferenz zeigte. So finden wir in den ei-

genhaiindigen Briefen oder Quittungen Palestrina's als Unterschrift bald nur:

Giovanni, bald auch: Giovanni Petraloysio Prenestino, Gio: petraloysio, Giopie- tro Aloysio Prenestino, Giovanni pierluigi etc. Selber nennt er sich nur seltener

(wie im oben angefiihrten Brief) Palestrina; dagegen wird er oft unter diesem Namen von anderen erwiihnt, noch haiufiger aber als: Palestina (!)25). Die Form: Palestrino ist iibrigens die korrekte Italienisierung vom lateinischen: Praenestinus, ebenso wie Palestrina dem Ortsnamen: Praeneste entspricht.

- -7

344

~~4-c

LdS r , 1

Fondo di S. Barbara, Nr. 109.

25) Obrigens findet man eine Unmenge an Benennungsarten wie z. B.: Palestrino, Pelle-

strino, Palestino, Pellestrina, Gianetto da Pelestrino, Prenestinus, Gianetto da Pallestrina, Gianetto da Palestina, Gio. Pier. Luigi Prenestino, Giovanni Patralovisio, Gianetto da Palle-

stina, Gianetto Palestrino, Pelestina, Giovanni da penestrina, Gio. perluigi da penestrina etc. Fr. X. Haberl hat gewiss Recht, wenn er (Gesamtausg. Palestr. XXVIII, I) bemerkt: Wenn der Name Giov. Pierluigi's noch zu seinen Lebzeiten sogar in den Biichern des Archives von St. Peter und der piipstlichen Kapelle als >Pierluicci da Pelestrino, Pierloicci da Pelestrina, Pelestrino, Gio. da Pelestrino, Pelestrina u. s .w. thatsiichlich vorgefunden wird, so konnen

aihnliche typographische Verstasse bei auswiirtigen Buchdruckern nicht Wunder nehmen.<<

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 151

Alle 4 Stimmen sind von einer Hand geschrieben, die der Zeit um 1570 ange-

hisren diirfte, und die Gewandtheit eines professionellen Kopisten zu zeigen scheint. Jedenfalls handelt es sich nicht um ein Autogramm Palestrina's, und dasselbe gilt ebenfalls den anderen Palestrina-Messen in S. Barbara. Es ist

jedoch fraglich, ob diese Stiicke iiberhaupt in Handschrift des Komponisten je in Mantova vorgelegen haben, denn ein so beriihmter und gesuchter Meister wie er, hat wohl als Regel die Reinschrift seiner Kompositionen einem Ama- nuensis iiberlassen miissen. Anders liisst es sich jedenfalls schwierig erkliiren, dass die Notenschrift Palestrina's zu den allergroissten Seltenheiten gehoirt26). Obwohl die Bemerkungen im Briefe, womit Palestrina die tbersendung seiner Messe begleitet, nichts direkt iiber die Art dieser Komposition besagen, geben sie uns immerhin einige wichtige Fingerzeige. So die Frage, oh der Herzog die Messe: kurz oder lang, oder so, dass man die Worte verstehen kann, wiinsche. Palestrina hatte in den dieser Korrespondenz unmittelbar vorhergehenden Jahren den entscheidenden kiinstlerischen wie auch Hiusseren Erfolg seiner Laufbahn mit der Marcellus-Messe erlebt -- einen Erfolg, der mit den von dem eben beendigten Tridentiner-Konzil praizisierten Forderungen betreffs Verstiindlichkeit des Textes in kirchlichen Kompositionen zweifellos in Ver-

bindung stand. Ich habe seiner Zeit (vgl. Der Palestrinastil und die Dissonanz, 1925, p. 32) um die Klarheit der Deklamation bei Palestrina besser beurteilen zu kbnnen, diese durch eine kleine statistische Untersuchung zu beleuchten versucht. Das Gloria der Marcellus-Messe, diejenige Komposition Palestrina's, worin man die groisste Riicksichtnahme auf die Verstlindligkeit der Wiirter findet, wurde darin mit den entsprechenden Teilen von 5 anderen Palestrina- Messen verglichen, indem 3 Faille dabei besonders untersucht wurden :A, (wo Textsilben entweder von nur einer oder gleichzeitig von mehreren Stimmen

eingefiihrt werden, und wobei die Worte deshalb am leichtesten verstaindlich

sind), B, (wo Textsilben eingefiihrt werden, wiihrend andere, davon verschiede- ne Silben in anderen Stimmen schon im voraus liegen) und C, (wo verschiedene Textsilben gleichzeitig in den verschiedenen Stimmen eingefiihrt werden). Es

zeigte sich,dass die Marcellus-Messe hierbei eine bemerkenswerte Sonderstellung einnahm, indem in ihrem Gloria diese Gruppen durch folgende Zahlen vertreten waren: A: 58,45 %, B: 32,66 % und C: 8,80 %. Besonders diese letzte Gruppe, worin alle unklaren Stellen enthalten sind, ist hierbei wichtig, und es zeigte sich, dass die Messe: Assumpta est Maria, die hier der Marcellus-Messe am nahesten kommt, eine so betraichtlich hohere Zahl wie 14,46 % aufweist.

26) Keine der Messen von P. liegen so im Autogramm vor - iiberhaupt kennt man von ihm

personlich geschrieben nur den kleinen Kodex 59 des lateranischen Musikarchives, der wesent- lich Hymnen enthalt, und die kurze 8st. Motette: Omnis pulchritudo Domini, die sich auf 8

losgerissenen Bliittern in der S. Cecilia-Bibliothek in Rom findet. Diese Mss. sind noch dazu ohne Signatur des Komponisten iiberliefert. Die unverneinbare Ahnlichkeit vom Duktus des

unterlegten Textes mit der Handschrift P.'s, so wie wir sie in seinen personlichen Briefen beobachten k6nnen, in Verbindung mit dem musikalischen Inhalt der betreffenden Mss., macht es aber mehr als wahrscheinlich, dass auch die Notenschrift hier vom Komponisten selber herriihre.

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152 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Gliedert man jetzt in entsprechender Weise die vorliegende Messe aus Mantova in diese Untersuchung ein, kommt man zu dem iiberraschenden Ergebnis, dass

sie schlechthin diejenige Palestrina-Messe ist, die am allerklarsten die Be- strebungen des Komponisten nach Verstaiindlichkeit des Textes hervortreten

liisst: A: 70,23 %. B: 25,57 %. C: 4,20 %. Es kann deshalb nicht Zweifel dariiber bestehen, dass Palestrina hier den Er- folg der Marcellus-Messe hat verfolgen wollen, so wie er es auch durch andere Werke in diesen Jahren (vgl. weiter unten) versuchte. Aber auch in anderen Hinsichten zeigen diese beiden Messen Affinitait; man vergleiche zum Beispiel den Anfang vom Sanctus der Marcellus-Messe:

San n.

ctus,

0 _

San - - - - ctus, San

-. Air e• I

&.

8 San - - - - ctus San -

-

San - - - - ctus, San -

mit dem korrespondierenden Teile der Mantova-Messe:

San - ctus, San - ctus

S San ctus, San ctus

AO

8 San - - ctus, San -

San ctus, San \ San - ctus, San -

Sie gehoren beide einem bei Palestrina sehr selten vorkommenden Typus des Sanctus an, das sonst bei ihm als Regel mit Imitation anfiingt. Die Mantova-Messe, die hier vorliegt, ist iibrigens in vielen Hinsichten eigenar- tig. So ist sie die einzige bisher bekannte Messe von Palestrina, die >>a voce mutate<<, also fiir Miinnerchor, geschrieben ist. iberhaupt sind Messen dieser Art recht selten zu dieser Zeit, wo man gewiohnlich Chorknaben zur Verfiigung hatte, um in der Kirchenmusik die hohen Stimmen auszufiihren, und natiirlich den klanglich mehr differenzierten gemischten Chor bevorzugte. Noch dazu

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 153

ist diese Messe, was Umfang der Stimmen betrifft, ausserordentlich beschrainkt, indem die drei Oberstimmen sich ohne eigentlichen Unterschied innerhalb des

gleichen Gebietes (f-a) bewegen, w*ihrend der Bass nur eine Quarte tiefer

disponiert ist, also die tiefere Lage dieser Stimmkategorie nicht ausniitzt.

Ungewithnlich ist auch die Form der Messe: Da die 5 Hauptteile des Ordina- riums alle mit verschiedenen Themen anfangen, sollte man denken, dass es sich hier um eine >>Freimesse<< (auf speziell dafiir erfundenen Themen des

Komponisten aufgebaut, vgl. Acta Musicologica, Vol XVI-XVII, p. 21) hand- le. So habe ich auch friiher angenommen, aber nachdem ich die Messe spar- tieren konnte, hat es sich in iiberraschender Weise gezeigt, dass das Credo auf Grundlage vom Credo I (4. Ton) des Graduale romanum als cantus firmus

komponiert ist, wiihrend allerdings die anderen Stiicke uiber freikomponierten, von einander unabhiingigen Themen entstanden zu sein scheinen. Diese gre- gorianische Melodie liegt, in die Oberquinte transponiert, wesentlich im Tenor

jedoch selten in gleichlangen Notenwerten, sondern meistens rhythmisch und auch melodisch variiert, z. B.:

an - te o - mni-a sae - - cu - la

ao-mi-a sae cu- la 8 an - t o - ni-a sae - cu - la

an - te - mni - mi -a sae-cu - la

8 an - te o - mni-a sae - cu - la

B. 09 •J V " " 11 1o i p

an - te o0 - tni - a sae - cu - la

8 an - te o - mni -a sae - cu - la

Dasselbe Konstruktionsprinzip, iiber denselben cantus firmus, verwendet Pa- lestrina in seinen beiden bisher bekannten B. M. V.-Messen. Die erste von diesen ist 4st. und wurde im 2. Buch der Messen (1567) u. a. zusammen mit der Marcellus-Messe herausgegeben; die zweite, fiir 6 Stimmen, erschien im

folgenden Messenbuch (1570). Hier ist auch der c. f. in die Oberquinte transponiert, in der 6st. Messe doch noch um eine Oktave hiiher, indem er von den beiden Sopranen abwechselnd vorgetragen wird. Die 4st. Messe hat dagegen den c. f. wesentlich im Alt und ganz in derselben Lage wie in der Man- tova-Messe. Beide Messen respektieren jedoch insofern die hypophrygische Tonart, als sie das abschliessende:h des c. f. allerdings nicht als transponierten Grundton, sondern immerhin als Oberquinte des phrygischen:e behandeln. In der Mantova-Messe wird dagegen die Tonart des c. f. mit noch grisserer Freiheit behandelt, indem die in dieser Messe sonst iiberall herrschende mixolydische Tonart auch im Credo durchgefiihrt, und das:h somit als Oberterz von:g

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154 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

aufgefasst wird. Die Verwandtschaft zwischen diesen Credo ist unverkennbar und mitunter sehr auffallend, man vergleiche z. B. die Rhythmisierung der

gleichen Wendung des cantus firmus:

(G. Ausg. XI, p. 11)

' I P 'F r F r 8 Et in Spi - ri- turn San - ctum Do- mi -

num_ (G. Ausg. XII, p. 151)

Et in Spi- ri - tum San - ctum Do - mi - num (Mantova- Messe)

8 Et in Spi - ri - turn San - ctum Do-mi-num

A(Graduale romanum)

8 Et n Spi - ri - tu San - ctum Do- mi-num 8 Et i n Spi - ri- tum San - ctum Do - mi -num _

Sehr bemerkenswert scheint es auch, dass diese drei Messen anscheinend fiber dieselbe Fassung des gregorianischen Credos komponiert sind, was dadurch be- wiesen sein diirfte, dass sie, wenn sie von der traditionellen Gestalt, wie wir sie im Graduale romanum finden, differieren, dies in der gleichen Weise tun, z. B.:

(G. Ausg. XI, p. 9 Vgl. XII, p. 149) to 50_-r, c

i. • r r

. . 'I A i ria Mi -

8 Cru - ci - fi xus e - ti- am pro no - bis:

(Mantova-Messe)

r'w r r r 'r - - 8 Cru- ci - fi - xus e - ti- am pro no- bis:

A(Graduale romanum)

8 Cru- ci - fi - xus e - ti-ampro no -bis: 8 Cru - ci - f i- xus e - ti - am pro no- bis:

Aber auch mit anderen Palestrina-Messen dieser Epoche zeigt unsere Messe deutliche Verwandtschaft. Dies gilt besonders der Missa Brevis (G. Ausg. Bd. XII) die 1570 herausgegeben wurde, z. B.:

Missa Brevis Mantova- Messe A C

8 Ky-rie e - lei - - - - son,-_

Chri-ste e- lei -

Mantova-Messe --Aar R s Dr

8 - -son A- gnus.. De- - - -

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 155

tberhaupt zeigt aber die vorliegende Messe durch ihre Themen und ganze Struktur so klaren Zusammenhang mit dem Stil, den Palestrina in seinen Mes- sen um ca. 1565-70 verwendet, dass kaum daran zu zweifeln sei, dass sie identisch mit der im Briefe vom 2. Februar 1568 nach Mantova gesandten Messe ist - dies um so mehr, als sie die einzige Komposition des S. Barbara- Archives bildet, die hierfiir im Betracht kommen kann. Sie ist besonders merkwiirdig durch ihre so energisch angestrebte Deutlichkeit der Deklamation in den wortreichen Saitzen des Messentextes, wobei sie alle anderen Messen ihres Komponisten iibertrifft, aber nicht weniger dadurch dass sie eine Verbindung zwischen Choralmesse und Freimesse darstellt27). Dieser Misch-Typus steht bei Palestrina ganz isoliert da, auch kommt er, mir bekannt, nicht bei anderen Komponisten dieser Epoche vor. Wahrscheinlich handelt es sich deshalb hier um eine spezielle Anweisung des Herzogs. Gugli- elmo war ein sehr ideenreicher, kaprizioiser Kopf, und seine leider nicht mehr bekannte Instruktion, die er durch seinen Vertrauensmann dem Palestrina

iibermittelte, ist sicher nicht weniger eigenwillig und detailliert gewesen als

diejenige, mit welcher seine beriihmte Grossmutter, die Isabella d'Este, am

Anfang des Jahrhunderts ihre Hofmaler mit allegorischen Gemailden fiir ihre

>>grotta<< in Arbeit setzte.

Die Verbindung zwischen Palestrina und dem Herzog wird noch im selben Jahre weiterbetont. Am 31. Juli sendet ein Verwandter Guglielmos's, der spii- tere Kardinal Scipione Gonzaga, zwei Motetten aus Tivoli, wo er sich zusam- men mit Palestrina in Villa d'Este aufhlilt, nach Mantova mit einem Brief, worin es u. a. heisst: ... sapendo io quanto V(ostra) Ecc(ellenza) sia inclinata alla Musica, et quanto in particolare oda volontieri le cose del m(aestr)o (und nicht: mio, wie Bertolotti, p. 48 schreibt) Palestrina etc. (Arch. Gonzaga, B. 900). Diese Motetten, die nicht mehr vorhanden zu sein scheinen, haben of- fenbar so sehr gefallen, dass Guglielmo neue Motetten von Palestrina wiinschte, und ihm in Auftrag gab, solche zu schreiben iiber Texte, die er vielleicht per- siinlich verfasst, jedenfalls aber auserwdihlt hatte, und dem Meister zugehen liess. In einem Brief vom 13. Dezember 1568 sendet P. diese, nicht niiher an- gegebenen Motetten, zusammen mit einigen 4st. Falsibordoni, ebenfalls eige- ner Komposition, und einigen iilteren dreistimmigen vom Repertoire der piipstlichen Kapelle, die der Herzog den Annibale Capello gebeten hatte, sich zu verschaffen. Auch diese Stiicke scheinen nicht liinger im S. Barbara- Archive vorhanden zu sein, aber es ist wohl nicht unwahrscheinlich, dass die Motetten, mit den beiden zweiteiligen Kompositionen: Gaude Barbara beata und Beata Barbara, die 1572 im zweiten, dem Herzog gewidmeten Buch der Motetten gedruckt wurden, identisch sind.

27) Dass bei >>Qui tollis<< im Gloria das 1. Kyrie variiert wird und dass, wie schon angefiihrt, Christe und Agnus Dei thematische

A.hnlichkeit zeigen, lindert an diesem Verhailtnis nichts. Auch bei anderen Messen Palestrina's kommt Ahnliches vor (vgl. Acta Musicologica, Vol. XVI-XVI, p. 22-24) ohne dass der Begriff der Freimesse dadurch beeintriichtigt wird.

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156 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Aber nicht nur Palestrina sendet Kompositionen an den Herzog sondern auch

umgekehrt. Guglielmo hatte namlich nicht nur eine griindliche musikalische

Erziehung inne, sondern war selber ein nicht unbegabter Komponist, wie auch andere Mitglieder der Gonzaga es waren2S). Er hatte sich offenbar die Aufgabe gestellt, ein ganz neues selbstiindiges Musik-

Repertoire fiir S. Barbara, in tbereinstimmung mit ihrer selbstiindigen Li-

turgie, zu erzielen, und liess nicht nur zu diesem Zweck seine Hofmusiker und andere Komponisten arbeiten, sondern ging selber hier an der Spitze29). Aber auch Madrigale komponierte der Herzog und er sendet ein solches und eine Motette an Palestrina um seine Meinung dariiber zu erfahren. P. antwortet in einem Brief von 3. Miirz 1570 (und nicht 76, wie zufolge eines Druchfehlers bei Bertolotti steht. Da der Brief hier iiberhaupt recht ungenau publiziert ist, sei er in extenso mitgeteilt):

Excellentissimo sig(n)or(e) e Padron(e) oss(ervatissi)mo Hauendomi fatto fauor(e) di farmi udir(e) il Motetto et il Madrigale, di V(ost)- ra excel(len)za il suo virtuoso, mi comandb da sua parte che dicessi liberame(n)- te il mio parer(e), io dico che cosi come l'E(ccellenza) u(ost)ra, auanza in ogni sua opera la natura, cosi nella Musica eccede quelli che ne fanno degname(n)te p(ro)fession(e), et per meglio co(n)te(m)plarlo, ho partito il Motetto, et uisto il bello artifitio lo(n)tano dal com(m)une, et il dar(e) spirto uiuo alle parole,

28) So sein Oheim, der Kardinal Ercole, der 1553 Zwischenaktsmusik ffir eine Aufffihrung von Ariost's >>I suppositi<< schrieb, und so ein gewisser Francesco Gonzaga, Mantovano, der 1619 ein Buch dreistimmiger Canzonetten in Venezia herausgab, und von dem u. a. auch 4st. Psalmen fir die Sexta in Milano handschriftlich vorliegen (S. Barbara 84). Dieser Francesco diirfte identisch sein mit dem gleichnamigen Spriissling der Gonzaga von Bozzolo (1546-1620), der 1593 Bischof in Mantova wurde, und ein jiingerer Bruder des schon genannten Scipione Gon-

zaga war. Dieser letzte war iibrigens nicht nur Musikliebhaber, sondern komponierte ebenfalls; im 2. Buch der 5 st. Madrigale von Paolo Clerico (Venezia 1562) kommen so einige Madrigale von ihm vor.

29) Im Cod. 180 sehen wir ihn am Werke: Sechs Musiker seines Hofkreises haben je eine Messe fiir jeden Alltag der Woche geschrieben, die sein 4stimmiges Te Deum flankieren (hier anonym, aber in einem Ms. der Kathedrale von Casale Monferrato, der Hauptstadt seines zweiten

Herzogtums, unter seinem Namen fiberliefert). Er komponierte nicht nur Messen, wie die drei schon angefiihrten, sondern auch Motetten und andere Formen. Im Arch. S. Barbara ist als N. 6 ein anonymer Druck aufbewahrt: Sacrae Cantiones / Quinque vocum / In Festis Duplicibus Maioribus / Ecclesiae Sanctae Barbarae (Venetijs Apud Angelum Gardanum. MDLXXXIII.) Auf dem Umschlag ist mit einer gleichzeitigen Schrift vermerkt: Motetti di S. (ua) A.(ltezza), dass heisst also von Guglielmo. Mehrere von den in diesem Druck enthaltenen Motetten (vielleicht alle - ich fand keine Zeit, dies zu kontrollieren!) stehen auch handschriftlich, anonym, in S. Barb. N. 8. Uber sie handelt zweifellos der recht interessante Brief des Verlegers Angelo Gardano vom 12. Juli 1586, (Bertolotti, p. 45). Der Herzog verhandelt durch Wert als Vermittler mit dem Drucker fiber Herausgabe seines neu komponierten Magnificats. Der Verleger, der behauptet, dass er nur wenige Expl. von einem frifiheren Werk des Herzog hat verkaufen kiinnen, was daran liegt, dass der Herzog es ohne seinen Namen hat erscheinen lassen, ist nicht sehr interessiert an neuen Werken seiner Hand. Dass Guglielmo sich nicht damit zufrieden gab - es wilrde ihm auch nur schlecht iihneln - geht aus einem Brief von Benedetto Pallavicino aus Venezia hervor (vom 1. Novembr. 1586, vgl. Bertolotti, p. 62) woraus ersichtlich ist, dass Gardano bei der Beendigung des Druckes (vermutlich also vom Magnificat) war.

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 157

secondo il significato, ho segnati alcuni luoghi, che mi par ch(e) qua(n)do si pilo far di meno, s(on)i meglio l'Harmonia, com(e) e .sesta. et unisono; mouen- dosi a(m)be le parti et sesta et quinta ascendendo et discend(en)do simil(men)te alcuni Unisoni, che le fughe ia forza ci conducono le parti, mi par(e) ancora che p(er) la stretta tessitura delle fughe, si occupino le parole alli ascoltani, che no(n) le godono, come nella Musica co(m)mune, be(n) si uede che l'Ecc(el- len)za v(ost)ra sai meglio, di me tutte queste minuzzole, ma p(er) obedirla ho ditto q(ue)sto et cosi l'obediro sempr(e) quando mi farra fauor(e) di coman- darmi com(e) seruitor(e) affettionato et obligatissimo, et prega(n)do n(ost)ro sig(no)re che co(n)serui l'Ecc(ellen)za V(ostra) fo fin(e) humil(men)te bascian- dole le mani Di Roma li 3 di Marzo 1570

D(i) V(ostra) Ecc(ellen)za humil et deuoto seruo Gioua(n)ni Petraloysio

Von Tivoli aus schreibt Annibale Capello am 12. August desselben Jahres an Zibramonte, den Kanzleichef des Herzogs, dass er bald eine 8st. Motette: Domine in virtute tua laetabitur rex, die Palestrina fiir den K*nig von Spa- nien komponiert hat, senden werde, und mit einem Brief vom 2. September folgt das Stiick (B. 904). Diese Motette zitiert bei ihrem Anfang den beriihmten Anfang der Marcellus-Messe (vgl. Acta Musicologica, XVI-XVII, p. 24). P. hat sicher auch hiermit den Erfolg dieses Werks verfolgen wollen - das Stiick wurde zum ersten Mal im 2. Buch der Motetten (1572) verioffentlicht, welche Publikation nach Mantova von Annibale Capello mit einem Brief aus Rom vom 24. Septbr. 1572 gesandt wurde, worin es u. a. heisst: M(esser) Giouanni da Palestino (sic!) m'ha consegnato un libro di Motetti fatti per seruitio della Chiesa II quale no(n) prima che hier sera li fu mandato di Ven(ezi)a. Essendoli parso ch'io debba inuiarlo a V(ostra) Ecc(ellenz)a senza altra l(ette)ra, che l'Epistola dedicatoria dell' opera, nella quale dimostra con quanto grande affetto et con quanta ragione si affatica per far(e) cosa grata a V(ostra) ecc(ellenz)a etc. Palestrina wurde am 27. Septembr. fiir diese Sendung mit einer Gabe von 25 Scudi belohnt (vgl. Canal, p. 684) - es sind noch 2 Exempl. dieses Druckes in S. Barbara vorhanden (Milano, N. 117-118), dagegen scheint die handschrift- liche Kopie der Motette: Domine in virtute nicht lainger dort zu existieren. Im selben Jahre wurden Verhandlungen dariiber gefiihrt, dass Rodolfo, der 22jiihrige Sohn Palestrina's, nach Mantova in den Dienst des Herzogs gehen soll- te, aber am 3. Januar 1573 schreibt Bischof Odescalco - ein Berichterstatter des Herzogs in Rom - dass Palestrina nicht nur diesen jungen Sohn, sondern auch seinen eigenen Bruder verloren habe (B. 910). Der Herzog sendet weitere Kompositionen an Palestrina. Am 17. April 1574 berichtet Capello, dass Palestrina noch nicht dazu gekommen ist, dem Herzog iiber eine ihm von diesem zugesandte Messe zu schreiben, weil er auf den Befehl des Papstes einige Lamentationen fiir die Charwoche habe komponieren miissen. Die Messe Guglielmo's ist aber im Hause des Scipione Gonzaga gesun- gen worden, und hat dabei eine solche Wirkung ausgeiibt: che senza punto di adulatione da tutti e riputata V(ostra) Ecc(ellenz)a cosi sig(no)re delle Muse come di noi Mantoani etc. (B. 911).

Acta musicologica XXV 5

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158 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Mit diesem Brief folgte auch ein Brief Palestrina's:

Ill(ustrissi)mo et Ecc(ellentissi)mo sig(n)or(e) mio Padron(e) Col(endissi)mo lo credo ch(e) m(esser) Don Aniballe scriua a v(ostra) eccel(len)za perch(e) la messa " stata tarda al ritornare, la quale

" stata reuista da me, pii tosto p(er) ubedire, ch(e) per bisogno ch(e) hauesse di auertime(n)to alcuno, cosi la mando ripartita et doue dico il parer mio ui sono alcune crocette, il pleni no(n) lho tocco p(er)ch(e) spero che u(n) giorno V(ostra) ecc(ellen)za hauendo u(n) poco d' otio si pigliara piacer(e) di rinouar(e) quel terzetto, no(n) hauen- do poi altro desiderio ch(e) di ubedir(e) et seruir(e) la ecc(ellen)za V(ostra) la supplicard sempr(e) si degni di comandarmi ch(e) n(ost)ro Sig(n)or(e) la feliciti et adempia ogni suo desiderio, et humilissimame(n)te gli baso le mani Di Roma li 17 di Aprile 1574

D(i) V(ostra) eccel(len)za Ill(ustrissi)ma humil(issi)mo et devotissimo Gio: petraloysio

Ob diese Messe sich unter den 3 noch in Milano aufbewahrten des Herzogi verbirgt ist ungewiss. tbrigens muss man die diplomatische Gewandtheit bewun- dern, womit der Musiker hier dem Fiirsten gegeniiber klar und mit Wiirde seine sachliche Kritik zum Ausdruck bringt. Dass auch dieser geniigend iiberlegen und sachlich eingestellt war,um dies nicht iibelzunehmen,geht u.a.daraus hervor, dass er bald darauf den Meister mit der Komposition einer Canzone, deren Text er ihm sandte, beauftragt, (Brief Palestrina's vom 9. Februar 1575 in Facsi- mile bei Bertolotti, p. 51. Auch dies Stiick, das im Briefe nicht naher bezeich- net wird, scheint nicht mehr in S. Barbara vorhanden zu sein).

Mit den Jahren 1578-79 kommen wir jetzt zu einem Hauptkapitel in den

Beziehungen zwischen Palestrina und Mantova: Am 18. Oktober 78 schreibt Don Annibale dem Herzog einen Brief aus Rom3). Dieser Brief, der von Bertolotti (p. 52) nicht recht genau publiziert wurde, lautet

(B. 923).

Ser(enissi)mo Princ(ip)e Mando l'hinno fatto da Mons(ignore) Moretto Et insieme una lettera a v(ostra) Alt(ez)za hauendo scritto l'uno et l'altra di sua mano, con hauermi detto che spera essersi lasciato intendere, et che inteso sia per sodisfare conforme al suo gran desiderio di farle grato seruitio. M(esser) Gio(uanni) da Palestina non seruendogli per l'indispositione graue hauuta di fresco la testa, ne la uista, per essercitar La gran uolunth di seruir in quel modo che puo V(ostra) A(ltezza) ha cominciato a porre sul Leuto le chirie et la Gloria della p(rim)a messa, et me le ha fatti sentire pieni ueram(en)te di gran suauita et leggiadrie.

30) Nachdem er schon im Sommer nach Mantova nicht niher spezifierte Motetten gesandt hatte (vgl. B. 2207, am 2. Aug.)

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 159

Et quando con buona gra(tia) di lei potesse farlo hora che N(ostro) s(ignore) in san Pietro ha comandato che si canti con due chori di XII per choro come ha trovato che ordinb Giulio IIo quan(do) lascio p(er) tal effetto intradeba- stanti a quel Capitolo, et ha p(er) q(nies)to ancho fatto mandar uia tutti i Can- tori Coniugati salvo lui per priuilegio spetiale, Vorebbe far anche le seconde parti et seruirsene nella detta chiesa in molte solenneta in luogo dell' organo poiche afferma che nel uero V(ostra) Alt(ez)z(a) ha purgati quei Canti fermi di tutti i barbarismi e di tutte l'imperfettioni che ui erano, Il che perb non fara senza sua licenza, ma quando prima dalla debolezza gli sara permesso, spiegara ci? ch'ha fatto col liuto con tutto il suo studio, Et con tal fine alla benignissima gr(ati)a di V(ostra) A(ltezza) humilissimam(en)te mi raccomando, con pregarle lunghiss(im)a uita di Roma li XVIII di Ottob(re) LXXVIII. D(i) V(ostra) Alt(ez)za ser(enissi)ma

Humiliss(im)o et deuotiss(im)o seruo et Vasallo A.C.

Der am Anfang des Briefes genannte Moretto ist der beriihmte franzisische Humanist Marc-Antoine Muret (1526-81), welcher seine spaiteren Jahre in Rom verlebte. Er bildet in den Verhandlungen mit Mantova in diesen Jahren eine Parallelerscheinung zu Palestrina, indem der Herzog die Liturgie fiir S.Barbara durch diesen musikalisch, sowie durch jenen literarisch bereichern und ihr einen Non plus ultra-Stempel geben machte31). Der iibrige Teil des Briefes, der den Palestrina angeht, ist an manchen Stellen unklar und hat deshalb zu recht verschiedenen Deutungsversuchen gefiihrt. Palestrina ist neulich krank gewesen und ist deshalb darin behindert worden, dem Herzog, so wie er es gern wollte, zu dienen. Er hat jetzt aber damit angefangen, von der ersten Messe die Kyrien und das Gloria fiir Laute zu setzen, und Capello, der sie gehiirt hat, findet sie sehr schen. Aber nachdem der Papst jetzt befohlen hat, dass der Chor der Peterskirches erweitert wird so dass man wieder mit zwei Charen a 12 Sainger singen kann, (und gleichzeitig dekretiert hat, dass alle die verheirateten Siinger (mit Ausnahme von Palestrina) entlassen werden sollen), so michte P. noch >>le seconde parti<< der canti fermi, um auch sie zu >>machen<<, und sie bei vielen Feierlichkeiten in der Kirche, anstatt der Orgel, zu verwenden etc. Das Dekret, wovon hier gesprochen wird, ist sicher die Bulle Gregorius des XIIIs vom 1. August 1578 (vgl. Acta Musicologica XXII, p. 41). Qber die Entlassung der verheirateten Siinger (und uiber die Sonderstellung Palestrina's bei dieser Aktion) habe ich dagegen bisher keine direkte Information gefunden, aber es diirfte sich richtig damit verhalten, indem die Cappella Giulia im Sommer 1578 und im Laufe des folg. Jahres eine auffallende Reorganisation ihres Sain-

31) Schon 1570 verfasste Muret 27 Hymnen in Auftrage Guglielmo's, fir die er mit 100 Gold- scudi belohnt wurde (diese Sammlung, die 1575 gedruckt erschien, findet sich handschriftlich noch im Arch. Gonz. B. 3296). Die von Capello hier genannte Hymne >per le laudi della festa di S. Michele in versi diemetri jambici? wurde mit einem Briefe Muret's vom 14. October 1578 (B. 923) dem Herzog iibersandt, welcher durch einen persinlichen Brief am 24. October (B. 2986) sich dafiir bedankt.

5*

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160 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

gerpersonals erhiilt"2). Die bisherigen Deutungsversuche dieses Briefes kon- trastieren ganz besonders in der Frage iiber die Art der Arbeit, die dem Pale- strina hier in Kommission vom Herzog gegeben war. Haberl (Kirchenmus. Jahrb. 1886, p. 39 und 1894, p. 93), R. Molitor (Die Nach-Tridentinische Cho- ral-Reform zu Rom, 1901-02, Bd. I, p. 130) und, in der neueren Zeit, K. G. Fellerer (Der gregorianische Choral im Wandel der Jahrhunderte, 1936, p. 45), um die wichtigsten zu nennen, vertreten die Anschauung, dass es sich hierbei um eine Revision der vom Herzog nach Rom gesandten Choralmelodien handle, waih- rend u. a. Z. K. Pyne (Palestrina, 1922, p. 114), Michel Brenet (Palestrina, 1914, p. 88) und A. Cametti (Palestrina, 1925, p. 188) der Ansicht sind, dass P. mit der Komposition von mehrstimmigen Messen beauftragt worden war. Das unbestrit- tene Verdienst, darauf hingewiesen zu haben, dass es sich hier um alternatim- Messen mit Orgel drehen miisse, gebiihrt aber Oliver Strunk (Guglielmo Gonzaga und Palestrina's Missa Dominicalis, Musical Quarterly, April 1947), wodurch ganz neues Licht uiber das Problem kam. Personlich war ich der Ansicht, dass auf Grundlage des bisher bekannten Materials, die Auffassung dass P. sich hier mit Revision der mantovanischen Kyrialemelodien beschaiftigte, die wahrschein- lichste waire. Im Herbst 1952 hatte ich aber wieder Gelegenheit, bei einem Hinge- ren Aufenthalt in Mantova im Archivio Gonzaga Nachforschungen anzustellen, und dabei gelang es mir wichtige, bisher unbemerkte Dokumente zu entdecken, die in dieser Frage vbillige Klarheit bringen. Waihrend in Mantova alle aus Rom eingegangenen Briefe wesentlich bewahrt sind, verhiilt es sich leider anders mit den Briefen, die in Form von Instruk- tionen etc. aus der Kanzlei des Herzogs der mantovanischen Gesandtschaft beim heiligen Stuhl zugingen. Doch wurden in vielen Fillen Briefe, bevor sie abgin- gen, kopiert, oder die Entwiirfe dazu aufbewahrt. Leider kennen wir nicht die Instruktion wegen dieser Kommission an Palestrina. Wahrscheinlich kam sie ihm nicht direkt, sondern durch den Annibale Capello zu, und dass sie jetzt nicht mehr vorhanden scheint, hiingt vielleicht damit zusammen, dass in den >>Copialettere riservate<< (B. 2976), die Kopien von Briefen mehr privater Art enthalten, eine Liicke vom 18. October 1577 bis 9. Dezbr. 1579 besteht. In B. 2207 (Le minute della Cancelleria Mantovana, 1578) findet sich jedoch der

32) Juli 1578 bestand die Cappella Giulia aus nur insgesamt 14 Siingern: 3 Bisse, 3 Tenore, 5 Altisten und 3 Soprane, wovon die zwei Knaben gewesen zu sein scheinen (vgl. Capp. Giulia 37 in der vat. Bibliothek). Mit dem 1. August scheiden zwei der Miinnersiinger (der Tenorist D. Alexander und der Altist D. Nicolao flamingo) aus dem Chor, und 7 neue Siinger treten ein, so dass jetzt 4 Biisse, 4 Tenoire, 6 Altisten und 5 Soprane vorhanden sind. Eine noch wesent- lichere Erweiterung entsteht dadurch, dass ab September 78 fiinf weitere Siingerknaben hinzu- kommen (die im Hause Palestrina's erzogen werden), und ab Dezember 79 fiinf >>cappellani<< -

junge Geistliche, die, da sie in der Lbhnungsliste unter den Ausgaben fir Musik sortieren, wohl im Chore mitgesungen haben (Capp. Giul. 38). Die Kapelle hatte im Januar einen Bestand von insgesamt 25 Siingern erreicht: 5 Biisse, 4 Tenire, 6 Altisten und 10 Soprane, wozu also noch die 5 Kapelliine kamen. Damit scheint die Reorganisation dann beendet zu sein, aber es war ja auch dadurch eine Erweiterung des Chores erreicht, die noch die Bestimmungen des Papstes iibertraf.

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Entwurf eines Briefes an den Capello vom 23. Oktober 1578, der, nachdem der Sekretir seine Vorlage ausgearbeitet hatte, vom Herzog persinlich mit seiner flotten, charaktervollen und leicht wiedererkennbaren Schrift, weitgehend geindert wurde:

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I - o'f0101

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, / A 1 ',11t X f

9.r

Der urspriingliche Entwurf des Briefes fingt mit Linie 5 des obenstehenden Facsimiles an: Al capello, und endet mit noch 5 Zeilen auf der (nicht hier ab-

gebildeten) Riickseite des Blattes:

Al capello V(ostra) S(ignoria) haurai con q(ues)ta la l(ette)ra che S(ua) Alt(ezz)a scriue a Mons(ignore) Moretto p(er) ringratiarlo dell' hin(n)o mandatole il quale 1'e piaciuto assai, per0 V(ostra) S(ignoria) la dia al sud(dett)o Mons(ignore). S(ua) Alt(ezz)a ordina ch(e) V(ostra) S(ignoria) dica a m(esser) Giouan(n)i di Palestina ch(e) attenda a risanarsi, ne si affretti di porre sul leuto li chirie et la gloria con l'altre compositioni, perch(e) hauendoui posto mano tant'altri ualent(i) huomini non bisogna composit(ion)i di leuto, ma si bene compo- sit(ion)i fatta con molto studio. Reputa S(ua). Alt(ezz)a che la musica fatta p(er) S(an)ta Barbara non riuscirebb(e) forse costi p(er) le molte fughe q(u)ali ue sono dentro, usandosi costi musica piana, tuttauia s'ella piace al d(etto) m(es- ser) Giouan(n)i et se ne uole seruire, S(ua) Alt(ezz)a dari ordine ch(e) si come ella gli e stata mandata sin hora spezzata, gli sia man(da)ta intiera.

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162 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Dieser Entwurf bildet eine ganz klare Beantwortung des Briefes Capello's vom 18. Oktober, (welchen der offenbar nicht sehr musikverstaindige Sekretiir vor sich auf dem Schreibtisch gehabt haben muss, denn er schreibt mehrere Ausdriicke davon direkt ab), enthailt aber verschiedene Missverstaindnisse, z. B. dass man in der Peterskirche nur einstimmigen, gregorianischen Choral ver- wenden sollte, und dass es Palestrina's Absicht wiire, die Messen fiir Laute endlich zu schreiben, und nicht nur die Skizzen dazu. Der Herzog ist dann auch nicht damit recht zufrieden gewesen, und hat persinlich den ganzen Schluss davon gestrichen, und mit eigenen Worten ersetzt:

(S(ua) Alt(ezz)a ordina ch(e) V(ostra) S(ignoria) dica a m(esser) Giouan(n)i di Palestina ch(e) attenda a risanarsi, ne si affretti di porre sul leuto le messe, disid(erando) ella ch'esse siano fugate continouam(ente) et sopra soggetto come hanno fatto gl'altri, et esso isteso nel Doppio maggiore, et p(er)che q(uesto) stile che si usa inS(ant)a Bar(bar)a e differente di q(ue)llo cheV(ostra) S(ignoria) scriue usarsi costi, nonmi ha l'Al(tezza) su(a) ordinato che nel capo di seruirsene costi in S. Pietro in luogo d(e)l organo io le dica altro, se non se q(uesti) canti fermi cosi acconci piaciono a esso m(esser) Gio(uanni) la glieli mandera intieri da seruirsene come li uerra com(m)odo.

Di Rizolo a 23 d' ott(ob)re 1578

Es geht also aus diesem Brief hervor, dass der Herzog den Capello bittet, Palestrina zu sagen, dass er vor allem dafiir sorgen muss, wieder gesund zu werden, und dass er nicht sich zu beeilen braucht die Messen fiir die Laute zu setzen (d. h. sie zu komponieren), da der Herzog wiinscht, dass sie fortwiihrend imitierend konzipiert werden, (die Meinung wird wohl sein miis- sen, dass man mit einer so kunstvollen Schreibweise nicht jagen kann!); iibri- gens sollen sie >>sopra soggetto<< (Choralmessen) sein, wie die anderen (die Komponisten um Guglielmo) sie geschrieben haben sowie Palestrina auch selber in seiner Missa: Duplicibus Majoribus. (Es ist nicht ganz klar, auf welche Messe von P. der Herzog hier hindeutet. Vielleicht hatte er friiher eine solche uns unbekannte Messe fiir Mantova komponiert. Aber die Akten schweigen dariiber, und es ist wohl deshalb wahrscheinlicher, dass der Herzog die gleich- namige Messe Palestrina's, die allerdings nicht uiber die Singweisen des S.

Barbara-Kyriales gebaut ist, und die erst im Bd. XXIII der Ges. Ausg. (1888) gedruckt wurde, gekannt habe). Obwohl dieser Stil anders ist als derjenige, welchen man, wie der Herzog aus Capello's Brief verstanden hat, in S. Peter verwendet, (es war seine Ambition, dass alles in seiner Hofkirche vorneh-

miner und kostbarer als sonst irgendwas auf der Welt sein sollte), so wird er doch bereit sein, seine canti fermi in vollstiindiger Gestalt an P. zu senden, der dann damit machen kann, was ihm beliebt. Es geht also aus diesem Brief unzweideutig hervor, dass die Palestrina-Messen, woriiber hier die Rede ist, polyphone waren (denn sonst hat >>fugate conti-

nouamente<< keinen Sinn), dass sie iiber canti fermi zu schreiben waren, die der Herzog selbst redigiert oder redigieren lassen hatte, und dass diese zu-

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nAichst nur unvollstaiindig dem Palestrina iibersandt wurden, d. h. also, dass es die Absicht des Herzogs war, dass sie alternatim komponiert sein sollten, so dass sie also nur teilweise fiir mehrstimmigen Chor bestimmt waren. Hierduch wird auch der folgende Brief Capello's, der bisher zu verschiedenen Missverstaindnissen Anlass gab, vallig klar. Am 1. November beantwortet C. den eben zitierten Brief, indem er zunaichst mitteilt, dass er das Schreiben des

Herzogs dem Monsgn. Moretto iibergeben hat; dann heisst es weiter: Mando ancho una messa del Palestina con la sua 1(ette)ra, il quale attendera a fugarle il piu che si potra: il quale spera non succede(n)do altro di mandarne ogni dieci giorni una, Et quanto a i canti fermi mostra desiderarli grandemente etc.

(B. 923). Man hat diese Stelle so verstehen wollen, dass P. sich so viel wie

miglich mit der Komposition der Messen beeilen wollte (fugare = sbrigare, vgl. Cametti, a. a. O. p. 189 und Strunk 1. c. p. 233) - eine Lisung, die an sich nahe-

liegend war, obwohl sprachlich gewagt: sie bildet aber nur die direkte Antwort auf den Wunch der Herzogs, dass die Messen >>fugate continouamente<< sein sol- len: Palestrina will sie, so viel es ihm moglich ist, imitierend schreiben, und hofft

iibrigens, wenn sonst alles glatt geht, jeden zehnten Tag eine neue Messe sen- den zu konnen. Am 5. November (und nicht am 1. ,wie es bei Bertolotti irrtiimlich angegeben

ist), schreibt der Meister selbst an den Herzog:

Sere(nissi)mo Principe, V(ost)ra altezza haura l'inclusa Messa da me fatta nella mia co(n)ualescenza, et lo sa Iddio se quando mi furono portati i canti fermi, piu mi premeua il no(n) posserla seruir(e) che il mal ch'io hauea, hora attenderb all'altre co(n) ogni studio accio habbiano in se quelle parte ch(e) l'Altezza v(ost)ra desidera, Io nel co(m)porre questa ho trasportato il canto fermo talhora una qui(n)ta piu su talhora una ottaua accio uenisse piu alegra ch(e) no(n) porta di sua natura il quarto tono, quest'altra della Mado(n)na no(n) ne haura bisogno p(er) esser(e) da se stessa aute(n)tica, hauro p(er) gran(dissi)mo fauor(e) poter(e) hauer(e) il remane(n)te del ca(n)to fermo poi ch(e) e cosi ben purgato da bar- barismi et dai mali suoni et se l'Altezza v(ost)ra si contentara si mandara(n)no in sta(m)pa co(n) il graduale ch(e) n(ost)ro signor(e) mi ha co(m)mandato ch(e) io em(m)endi, ne altro occorendomi bacio humiliss(imamen)te la Mano a v(ost)ra A(ltezza) con desiderarle da N(ostro) S(ignore) Iddio ogni gra(n)- dezza et lu(n)ghezza di vita, Di Roma li 5 di 9mbr(e) 1578. D(i) V(ostra) A(ltez- za) ser(enissi)ma Humiliss(imo) et deuotiss(imo) seruo

Gio: petraloysio

In einem Brief vom 15. Novbr. (B. 923) sendet C. die zweite Messe nach Man- tova: Mando a V(ostra) Alt(ez)za la seconda messa del Palestrina, et di ma(no) in mano manderb l'altre come siano finite. tOber den Versand der dritten Messe schweigen die Akten, aber am 10. Dezember geht die vierte, (mit der Bemerkung Capello's, dass sie dem Komponisten selbst sehr gefiillt), von Rom ab: Mando a V(ostra) Alt(ez)za la quarta messa fatta del Palestrina della quale egli molto si compiace (B. 923).

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164 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Dann tritt eine liingere Stockung in der Korrespondenz ein. Vielleicht hatte Palestrina erwartet, die Erkenntlichkeit des Herzogs zu vernehmen, ehe er weiter mit der Arbeit ging. Jedenfalls kommt die Initiative wieder aus Mantova: In einem bisher unbemerkten Entwurf eines Schreibens der dortigen Kanzlei

(B. 2208) an den Gesandten in Rom, Pompeo Strozzi, heisst es: M. Pietro Giouan- ni Luigi, Palestina, se pur ha tal pronomi, ma s(ua) A(ltezza) e ben certa del

cognome Palestina et Don Anibale il conosce, si ritroua hauere fatto alc(un)e compositioni di musica a richiesta di lei, ne ella lo ha mai riconosciuto di cosa

alc(un)a, per cio com(m)anda che V(ostra) S(ignoria) gli dara in nome di lei cento scudi in segno della buona uolunta che S(ua) A(Itezza) le porta.. (10. Miirz 1579). Strozzi zahlt dann am 17. Mairz dem Palestrina die hundert scudi und antwor- tet mit einem Brief an den Kastellanen in Mantova, Cesare Riva, vom 18. Miirz, der auch bisher unbemerkt blieb (B. 925): I1I Palestrina hebbe hieri li 100 scudi et mi lascio q(ues)ta messa mi disse chene baciarebbe la mano i S(ua) A(ltezza) p(er) mercordi et manderebbe il restante che ha in com(m)iss(ion)e. P. hat also gleich bei der Zahlung dem Strozzi eine neue Messe iibergegeben, die er

fertig liegend, aber noch nicht abgesandt hatte, und die Strozzi seinem Briefe

beifiigt. Der etwas merkwiirdige Ausdruck, dass P. am niichsten Mitwoch fiir die empfangene Gabe des Herzogs Hand kiissen wolle, bedeutet sicher nur, dass P. sich mit einem Brief am folgenden Mittwoch bedanken werde, denn Mittwoch und Samstag waren die Posttage der Gesandtschaft, wo die Kuriere nach Mantova gingen. Palestrina war jedoch noch schneller, indem er schon am folgenden Samstag dem Herzog schrieb:

Sereniss(im)o S(ignore) Duca P(ad)rone et S(ignore) Coien(dissi)mo Per ordine di V(ostra) Altezza, I1 sig(n)or Caualiero strozzi m'ha donati cento scudi d'oro, de quali humil(men)te co(n) il maggior affetto che posso le ren- do infinitiss(im)e gratie, Pregando 11 s(ignore) n(ost)ro Idio "a concedermi ha- bilita conforme al desiderio di meritare la benigniss(im)a gr(ati)a di v(ostra) Altezza, per la cui vita, et per ogni felicitai della ser(enissi)ma Casa sua no(n) restaro mai di pregar(e) et supplicar(e) Idio, le mando le tre ultime Messe, fatte secondo l'ultimo auertime(n)to che mi fu dato dal Re(veren)do m(esser) Annibale p(er) ordine dell'Altezza u(ost)ra, p(er) la cui ubidienza esseguiro sempr(e) tutti i suoi comandame(n)ti co(n) grandiss(im)a prontezza et atten- tione, raccomandandomi humil(men)te alla benigna gra(tia) di V(ostra) Alt- (tez)za che no(st)ro S(ignore) le conceda lu(n)ghiss(im)a et feliciss(im)a vita, Di Roma li XXI di Marzo LXXIX

D(i) V(ostra) Altezza sereniss(im)a Humiliss(im)o et obligatiss(im)o seruitor(e) Giouan(n)i petraloysio

Palestrina bedankt sich also hier in formvollendeter Weise fiir diese Gabe, die eigentlich fiir eine so grosse Arbeit recht bescheiden war, besonders wenn man daran denkt, dass P. fiir die eine Messe, die er 1568 schrieb, mit 50 scudi be- lohnt wurde. Vielleicht haben die 100 scudi hier den Charakter eines Maximal-

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honorars fiir derartige geistige Leistungen gehabt (so bekam auch Msgn. Mo- retto denselben Betrag fiir seine 27 Hymnen). Jedenfalls hat Palestrina aber, wenn er auch nicht Grund hiitte, mit seiner Belohnung ganz zufrieden zu sein, Anstand genug, sich in keiner Weise das merken zu lassen. Er sendet gleichzeitig mit dem Brief die drei >>ultime<< Messen, die er offenbar schon liingst fertig hatte, und die wohl nur eine Durchsicht seiner naitig hatten, um weiterexpediert wer- den zu k-nnen. Mit >>ultime<< muss er aber gemeint haben: die letzten Mes- sen, die ich bis jetzt fertig habe, denn dass seine Kommission nicht dadurch

vollstaiindig erledigt war, zeigt ein bisher unbeachteter passus eines Briefes von Strozzi an den Herzog vom 1. April 1579 (B. 925), in dem es zum Schluss heisst: Et a D. Annibale ho detto che mandi cop(ia) de la sentenza che hebbe queste giorni II s(ignore) Car(dina)le Ill(ustrissi)mo da este et insieme una Messa nuova che le manda II Palestrina che sara per fine humi-

liss(imamen)te et con ogni riuerenza inchinandolemi etc. Palestrina hat also noch eine Messe geschrieben, die die letzte dieser Kommis- sion gewesen zu sein scheint, denn jedenfalls ist nicht in den Berichten aus Rom in diesem Jahre mehr iiber Messen von P. die Rede").

Es hat sich also aus dem vorhergehenden gezeigt, dass Palestrina in den Jahren 1578-79 nicht, wie man friiher vermeinte, nur sieben, sandern neun mehr-

stimmige Choralmessen nach Mantova gesandt hat. Und es zeigt sich jetzt weiter, dass gerade neun solche Messen von ihm noch im Archivio S. Barbara in der Bibliothek des Musikkonservatoriums in Milano aufbewahrt werden, wo sie in den Mss. 164 und 166 eingefiihrt sind"4). Die *ilteste von diesen Handschriften, N. 164, wird im iilteren Inventar von 1850 unter N. 133 so beschrieben: Contiene 5 messe del Palestrina di quelle giai stampate, 4 pezzi dell' Ufficiatura da morto-e 2 Passio senz'indicazione d'autore. Woher die beiden>>esperti<< die Auffassung geholt haben, dass diese

33) Oh die Wendung: che sara per fine. auf diese letzte Messe geht, ist unsicher, denn sie

niihert sich sehr an eine gebrijiuchliche Schlussfloskel dieser Zeit, die auch der Strozzi 6ifters

verwendet, wie: che sara el fine per hora, oder: che sara il fine di questo. 34 Diese Mss. sind grosse Chorbiicher von dem mantovanischen Geistlichen Francesco Sforza,

einem wundervollen Kalligraphen, der mit Recht sehr stolz auf seine Leistungen war und selten vergisst, seinen Namen, oft mit einer selbstlobenden Anmerkung anzufiuhren. Er ist in den Jahren 1592-97 als Kaplan in den Rechenschaften von S. Barbara verzeichnet (B. 3294-96), und nennt sich 1621 Dekan dieser Kirche (auf dem Titelblatt eines Heftes mit Praefationen etc., das noch im Archiv derselben sich findet). Unter den in Milano aufbewahrten Chor- bilchern hat er, ausser den beiden schon genannten, u. a. N. 167 und 168 (Hymnen von de Wert, 1590), Nr. 155 (aus verschiedenen Faszikeln von 1613-25 zusammengestellt) und N. 180 geschrieben. Dass er auch fiir andere Kirchen arbeitete, zeigt ein Chorbuch in der Kathedrale von Mantova (1616) und eine iihnliche Handschrift der Kathedrale von Casale Monferrato (1594). Von den Chorbiichern, die noch im Archiv von S. Barbara in Mantova vorhanden sind, stammt N. 12, ein Antiphonarium (1618), von seiner Hand.

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166 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

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.to on i~i~i}:i:'iIN; tZ~

Fondo di S. Barbara, Nr. 164, f. 4'.

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 167

Palestrinamessen unter die schon gedruckten geharen, ist unklar, aber wahr- scheinlich hat ihre Beschreibung dazu beigetragen, dass man sich wenig fiir den Inhalt dieses Chorbuches interessiert hat.Auch die Beschreibung im spaiteren Inventar ist iifters mangelvoll und irreleitend. Das Ms. ist ein Chorbuch mittleren Formats, Papier ca. 39,5 X 55 cm., aus 143 Blaittern bestehend, und in braunem gepresstem Ganzlederband vom 16. Jahr- hundert gebunden. Der Codex ist herrlich geschrieben, mit Noten, die so re-

gelmiissig sind, dass man beim ersten Blick denkt, dass sie gedruckt sind, und mit kunstfertigen Initialen in mehreren Farben gemalt. Auf f. 1, dem Titelblatt, steht zu lesen:

MANTVAE Per Franciscum Sfortiam

script. M D LXXX VII

Darauf folgt die Tabula, und unten auf dem Blatt steht weiter: Indice Francisci Sforze cum pollice palma Cognomen, libri in fronte nitente notat.

Um eine Probe der schoinen Arbeit des Kopisten zu geben sei eine Noten- seite in Facsimile mitgeteilt (siehe S. 166). Der Inhalt des Manuskriptes besteht aus folgenden Stiicken: f. 1'-- 22 Missa in Duplicibus. Joannis Prenestini f. 23'-43 Missa in Duplicibus. Joannis Prenestini f. 44'- 65 Missa Beate Marie Virg. Joannis Prenestini f. 66'- 83 Missa Beate Marie Virg. Joannis Prenestini f. 84'--102 Missa Beate Marie Virg. Joannis Prenestini (Diese Messen sind alle 5stimmig) Invitatorium mortuorum. f. 103'--104 Regem cui omnia vivunt, 4st, Anon. f. 104'?-107 Benedictus Dominus Deus Israel, 4st, Anon. f. 107'?-119 Missa defunctorum, 4st, Jaches Wert. f. 119'-120 Kyrie eleison, 5st. (Wert?) f. 120'W-122 Magnificat, 4st. Anon. f. 122' Libera me, 4st. Joan. Jac. Gastoldi. f. 123'--133 Passio secundum Marcum, 5st. Excellentiss. Jaches Wert. f. 134'-143 Passio secumdum Lucam, 5st. Excellentiss. Francisci (Beide Passionen sind 5st.) Rouigi.

Das Chorbuch 166 ist eng mit dem vorhergehenden verwandt, sowohl was die jiussere Ausstattung, wie den Inhalt betrifft. Es besteht aus 120 Papierbliittern (ca. 41 X 53,7 cm), und ist iihnlich wie 164 gebunden. Tm Initial des Superius auf der ersten Notenseite ist eingeschrieben: Mant./Per Franciscu(m)/Sfor/ tiam / 1592.

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168 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Der Inhalt besteht aus im Ganzen 6 Messen, die alle 5st. sind:

f. 1'-- 22 Missa in Dup. major. Francisci Rouigij. f. 23'-- 43 Missa in Festis Apostolor. Joannis Prenestini. f. 44'- 63 Missa in Festis Apostolor. Joannis Prenestini. f. 64'- 84 Missa in Dominicis diebus. Joannis Jacobi Gastoldi. f. 85'-102 Missa in Semidupl. maior. Joannis Prenestini. f. 103'-120 Missa in Semidupl. maior. Joannis Prenestini.

Die erste Messe dieser Handschrift findet sich auch in Stimmbeinden in N. 127, und die 4. Messe wurde 1592 als Nr. 4 in Pellini's: Missae Dominicales gedruckt, um dann spaiter noch, (umgestaltet und wesentlich erweitert, so dass sie nicht liinger als Alternatim-Messe hervortritt), in der Publikation Gastoldi's: Messe a 5 et a 8 voci. Libro I, Venezia 1600 zu erscheinen. Es ist bemerkenswert, dass die Messen in beiden Handschriften, in der Reihenfolge des S. Barbara-Kyri- ales geordnet sind. Dasselbe gilt dem Messenms. N. 14 im S. Barbara-Arch., einer Handschrift, die in 5 Stimmb'inden vom spaiteren Teil des 16. Jahrhun. derts (Papier obl. ca. 18,5 X 21 cm) 5 Messen enthailt:

1. Missa In Duplicib. minorib. 2. Missa B. M. V. 3. Missa In Festis Apostolorum 4. Missa Dominicalis 5. Missa In semidupl. Maioribus

Alle diese Messen sind 5st. und anonym, aber Nr. 1 und 2 stehen unter den Namen Palestrina's als 1. und 5. Messe in 164, und Nr. 3 und 5 finden sich als 2. und letzte Messe in 166. Alle Messen mit Ausnahme der 4. sind in S. Barbara unter dem Namen Palestrina's beglaubigt, und es liegt dann auch nahe anzu- nehmen, dass auch diese von ihm waire, so dass es sich hier um einen voll- staindigen Palestrina-Band handelte. Diese Messe, die ich sonst nirgends ge- funden habe, ist an sich dem Stil, den Palestrina in diesen Kompositionen verwendet, nicht uniihnlich, und es wiire deshalb maglich, dass sie immerhin von ihm stammt, woriiber ich mir spaitere Untersuchungen vorbehalte. Es sei doch gleich hier bemerkt, dass sie, was die Struktur betrifft, sich in wesent- lichen Beziehungen von den 1578-79 fiir S. Barbara komponierten unter- scheidet, so dass es jedenfalls ganz unwahrscheinlich ist, dass sie unter diese Messen gehairt. Ob das Ms. 14 jiinger oder ailter als 164 und 166 ist, kann ich nicht entscheiden. Jedenfalls sind diese beiden Chorbiicher nicht nach ihm kopiert, was klar daraus hervorgeht, dass sein Schreiber das zweite Kyrie der Missa Dupl. min., das in 164 richtig steht, vergessen hat. Wahrscheinlich sind deshalb alle diese drei Handschriften nach den Originalmanuskripten Pale- strina's, die verloren gegangen scheinen, abgeschrieben. Der Kopist von N. 14 (d. h. von deren vier ersten Messen, denn die letzte zeigt eine andere Hand!) diirfte iibrigens, ebensowie Sforza, dem Kreise der S. Barbara-Musik angehbrt haben, (indem er u. a. auch die beiden Messen des Herzogs in N. 7 kopiert hat).

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 169

Es liegen also in diesen Manuskripten 9 Messen von Palestrina vor, die zusam- men mit der 4st. Messe, die oben beschrieben ist, den villigen Bestand an handschriftlich iiberlieferten Messen des Meisters in S. Barbara bilden:

1. Missa in Duplicibus minoribus I 2. > > > II 3. >> Beatae Mariae Virginis I 4. >> > >> >> II 5. > >> >> >> III 6. >> in Festis Apostolorum I 7. >> > >> II 8. >> in Semiduplicib. maior. I 9. >> > > II

Eine niihere Betrachtung der musikalischen Gestaltung dieser Messen in Ver-

bindung mit dem, was wir aus den Briefen iiber sie erfahren haben, diirfte erwei-

sen, dass sie nicht nur identisch mit den in den Jahren 1578-79 von Palestrina nach Mantova gesandten sein miissen, sondern wahrscheinlich so ziemlich in der oben angegebenen Reihenfolge, worin sie Sforza kopierte, dort eingelaufen sind. Sie sind alle Alternatim-Messen, eine Form, die aus dem antiphonalen Gesang des Klerus, mit zwei gegen einander singenden Chorheilften hervorgegangen ist. Sie bestand meistens aus einer Abwechslung zwischen Orgelspiel und einstim-

migem gregorianischem Gesang. Mit mehrstimmigem Chorgesang verkniipft, scheint sie dagegen recht selten verwendet worden zu sein, so dass das Repertoire von S. Barbara, so weit bisher bekannt, etwas recht alleinstehendes bedeutet. Bemerkenswert ist es ebenfalls, dass diese Form, auch in Verbindung mit

mehrstimmigem Gesang, anscheinend nur als Choralmessen angetroffen wird. Der prinzipielle Typus (den man aber selten streng durchgefiihrt findet), sieht so aus:

Orgel Chor Kyrie 1 Kyrie 2 Kyrie 3 Christe 1 Christe 2 Christe 3

Zelebrant: Gloria in excelsis Deo

Et in terra Laudamus te Benedicimus te Adoramus te Glorificamus te Gratias agimus tibi Domine Deus, Rex Domine Fili Domine Deus, Agnus Qui tollis ... miserere Qui tollis ... suscipe Qui sedes Quoniam tu solus Tu solus Dominus Tu solus Altissimus Cum Sancto Spiritu Amen

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170 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Zelebrant: Credo in unum Deum

Patrem omnipotentem Et ex Patre Genitum Et incarnatus est Et resurrexit Et iterum

Qui cum Patre Confiteor Et vitam venturi

Sanctus 1

Sanctus, Dominus Benedictus

Agnus Dei 1

Agnus Dei 3

Et in unum Dominum Deum de Deo

Qui propter Crucifixus Et ascendit Et in Spiritum Sanctum Et unam sanctam Et exspecto Amen

Sanctus 2 Pleni sunt

Agnus Dei 2

Diese Form trifft man in wesentlichen Ziigen in allen bisher bekannten Orgel- messen des 16. Jahrhunderts. Die Palestrinamessen (und die S. Barbara-Messen iiberhaupt) sind aber anders disponiert:

Orgel(?): Mehrstimmiger Chor: Kyrie Christe

Kyrie

Zelebrant: Gloria in excelsis Deo

Et in terra pax hominibus Laudamus te Adoramus te Gratias agimus Domine Fili

Qui tollis ... miserere

Qui sedes Tu solus Dominus Cum Sancto Spiritu

bonae voluntatis Benedicimus te Glorificamus te Domine Deus, Rex Domine Deus, Agnus Qui tollis ... suscipe Quoniam tu solus Tu solus Altissimus Amen

Zelebrant: Credo in unum Deum

Patrem omnipotentem Et in unum Dominum Deum de Deo

Qui propter Crucifixus Et ascendit Et in Spiritum Et unam sanctam Et exspecto

factorem coeli et terrae Et ex Patre Genitum Et incarnatus est Et resurrexit Et iterum

Qui cum Patre Confiteor Et vitam venturi Amen

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 171

Sanctus 2 Sanctus 1 Sanctus, Dominus Pleni sunt Benedictus

oder:

Sanctus 1 Sanctus 2 Sanctus, Dominus Pleni sunt Benedictus

Agnus Dei 1 Agnus Dei 2 Agnus Dei 3

Ob die mehrstimmigen Teile der Messe in S. Barbara mit Orgelspiel oder mit

gregorianischem Gesang alternierend aufgefiihrt worden ist, wissen wir ei-

gentlich nicht. Die erste M5glichkeit ist vielleicht doch die wahrscheinlichste, indem wie schon erwlihnt, der Organist an S. Barbara ausserordentlich in An-

spruch genommen wurde, dass er, wie der Herzog schrieb, Tag und Nacht

spielen musste3"). Auch war lange Jahre der beriihmte Organist Hieronimo Cavazzoni an der, gleich nach der Errichtung von S. Barbara erbauten Anteg- nati-Orgel tiitig, der in besonderer hervorragender Weise das liturgische Or-

gelspiel meisterte, wie man es aus seinem Jugendwerk ersieht, der 1543 zu Venezia erschienenen: Intavolatura d'Organo, worin u. a. 3 Orgelmessen ent- halten sind36). Zunaichst bemerkt man, dass bei Palestrina das Kyrie-Christe- Kyrie anscheinend nicht alternatim gesungen wird. So auch in den iibrigen Mes- sen von S. Barbara - wohl um Zeit zu ersparen, denn der Betrieb war sehr rege, z. B. hatte man jeden Tag zwei gesungene Messen. Erst mit dem Gloria faingt das Alternieren an, aber in einer Weise, die recht auffallend ist, und die ich sonst nirgends gefunden habe: Der Chor setzt niim- lich sehr unlogisch mitten in einem Satze ein. Dann geht es konsequent ab- wechslend weiter, bis der Chor mit Amen das Stiick schliesst. Ein ihnlich

glattes Verfahren sehen wir beim Credo, nur mit der Abweichung, dass hier beide die letzten Abschnitte, also auch das abschliessende Amen, vom Chor

vorgetragen werden. Diese Dispositionen vom Gloria und Credo treffen wir in der Mehrzahl der Messen in S. Barbara (lifters doch so, dass das Alternieren

konsequent durchgefiihrt wird, und das Amen im Credo folglich der Orgel zu-

fdillt).

35) Daffir war er aber auch sehr gut besoldet, in dieser Beziehung mit dem Kapellmeister gleichgestellt, ja wurde mitunter hbher als dieser bezahit, wie es aus den Rechenchaften der Kirche von 1592 (B. 3296) zu ersehen ist. Hieraus sollte man schliessen koinnen, dass in der

Cappella Giulia die Orgel wenig verwendet wurde, denn der Organist, den Palestrina unter sich hatte, wurde in diesen Jahren mit nur 18 scudi jaihrlich gelohnt, wiihrend P. selber den zehnfachen Betrag erhob.

36) Wir werden deshalb weiter unten den Terminus: Orgel verwenden, obwohl nur mehr hypothetisch. Ebenso werden wir Chor = mehrst. Chor setzen.

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172 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Einen anderen Typus, wo der Chor beim Gloria und Credo, unmittelbar nach der Intonation des Priesters, mit Et in terra und Patrem eintritt, finden wir ebenfalls ziemlich reich vertreten, so dass wir hier von zwei Haupttypen reden konnen: A, wobei Gloria und Credo mit Orgelspiel anfangen, und B, wo der Chor ohne vorhergehendes Orgelspiel einsetzt. Die Erkl•irung des merkwiir-

digen A-Typus liegt wahrscheinlich darin, dass man es mehr praktisch gefunden hat, den Chor nach dem stabilen Orgelton, als nach dem mitunter sehr schwan- kenden Ton des Priesters einsetzen zu lassen. Aber beide Typen zeigen die

Eigentiimlichkeit, dass der Chor hier die geradziihligen Versikeln singt, also dieselben, die sonst bei der Orgelmesse dem Instrumente zufallen. Dies liisst sich vielleicht durch die Launen des Herzogs erkliiren, der bekanntlich immer alles in seiner besonderen Art haben wollte - es verdient doch hier bemerkt

zu werden, dass in der (wahrscheinlich nicht authent.) 5st. >Missa Dominicalis<< von Lud. Victoria (Opera omnia, Bd. VIII) das Credo dieselbe Disposition wie in S. Barbara zeigt - Beim Sanctus sehen wir in S. Barbara, dass manchmal das Benedictus der Orgel iiberlassen wird, und wenn so, dann 5fters in Verbindung mit dem Umstand, dass nur das 2. Sanctus vom Chor vorgetragen wird, also: Sanctus 1 (Orgel), Sanctus 2 (Chor), Sanctus 3 (Orgel), Pleni sunt (Chor), Benedictus (Orgel). In dieser Weise sind z. B. die drei Messen des Herzogs eingerichtet, die iibri- gens alle dem A-Typus angehdren. Mitunter werden doch auch zwei Sanctus vom Chor gesungen (das erste oder zweite und dann immer das dritte). Das Ag- nus wird gewiihnlich nur einmal gesungen, und es ist dann als Regel das zweite, selten das erste oder dritte. Es ist wohl maglich, dass es einmal, wenn alle diese Messen spartiert vorliegen, und wenn man auch die Biographien der betref- fenden Komponisten besser kennt, sich zeigen wird, dass diese Formvarianten

chronologisch bestimmt sind; vorliufig waire es gewagt die Fixierung einer solchen Entwickelungsreihe zu versuchen. Aus dem Briefe Annibale Capello's vom 18. Oktbr. 1578 wissen wir also, dass dem Palestrina die canti fermi von Mantova zugesandt worden sind, jedoch unvollstiindig (d. h. aber wohl nur was Gloria und Credo betrifft), und dass er noch >>le seconde parti<< davon wiinschte - ein Ausdruck, der mir friiher un-

verstiindlich schien, weil es ja eben die geradziihligen Versikeln sind, die man unter seinem Namen in der S. Barbara - Handschriften findet. Die Erklii-

rung diirfte aber darin liegen, dass er dabei nicht an die Reihenfolge im Mis-

sale, sondern an diejenige beim praktischen, alternierendenVortrag gedacht hat, wobei man mit: Et in terra und: Patrem anfing, also mit den Versikeln, fiir die er schon aus Mantova die Vorlagen bekommen hatte, und im Verhiiltnis zu welchen die noch fehlenden: ?le seconde parti<< bildeten. Palestrina wiinschte

diese, um (nach dem was Capello schreibt) auch sie zu komponieren und bei verschiedenen Feierlichkeiten anstatt der Orgel zu verwenden. Er muss wohl al- so daran gedacht haben, die Messen so zu supplieren dass sie von zwei antiphona- len mehrstimmigen Chorhiilften gesungen werden kuinnten. Es scheint aber,

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 173

dass nichts daraus geworden ist; denn im iiltesten aufbewahrten Musikinventa- rium der Cappella Giulia (von 1624. Ach. di S. Pietro. Caps 65. Fasc. 184) sind solche Messen von Palestrina nicht verzeichnet. Aus dem vom Herzog redigierten Antwortschreiben an Capello vom 23. Octo- ber geht es weiter hervor, dass dieser mehrstimmige Messen iiber seine Choral- melodien haben wollte, und zwar in einer fortwiihrend imitierenden Schreib- weise, und Palestrina liisst durch den Capello seinem Auftraggeber versichern, dass er, soweit miiglich, seinem Wunsch entgegenkommen wolle. In der Tat ist auch diese kunstfertige Schreibweise in den vorliegenden Messen mit einer obstinaten Konsequenz verwendet, die man sonst nicht bei Palestrina sieht, wo immer Abwechslung zwischen imitierenden und mehr akkordmaissigen Epi- soden den Stil charakterisiert. Das geht rein zahlenmissig aus dem Umfang der grossen Saitze hervor, (indem ja diese durchweg imitierende Schreibweise automatisch den Satzverlauf verliingern muss). So hat das umfangreichste Gloria unter den bisher herausgegebenen Messen Palestrina's (das aus der Missa Primi toni, Ges. Aug. Vol. XII) insgesamt 173 ( Takte, w~ihrend die Gloria-Stiicke der Messen B. M. V. I und Apostolorum II, welche die um-

fangsreichsten unter seinen Messen fiir Mantova sind, beziehungsweise 145 und 146 Takte zihlen, was eigentlich aber ca. 290 Takten entspricht, da ja hier nur die Hiilfte des Textes komponiert worden ist. Und beim Credo sehen wir als ma- ximale Ausdehnung auf der einen Seite dasjenige aus der Missa sine titulo (Vol. XXXII) mit seinen 274 Takten, und auf der anderen das Credo von Missa Apo- stolorum II, das 200 (also eigentlich ca. 400) Takte enthiilt.Vielleicht noch klarer geht dies Verhailtnis jedoch aus der Betrachtung eines einzelnen Momentes der Messe hervor, des: Et incarnatus est. Hier verwendet Palestrina,wie es iiberhaupt besonders im spaiteren Teil des 16. Jahrhunderts meistens die Sitte war, so gut wie immer eine feierliche, homophone Schreibweise. Es ist gerade bei dieser Stelle in der Messe, dass Palestrina vor allem den akkordmlissigen Satz bevor- zugt, z. B. (aus der Missa: O sacrum convivium, Vol. XXIII):

Et in-car - na-tus est de Spi- ri tu

Et in- car na -tus est de Spi - ri - tu

Et in- car - na-tus est de Spi - ri - to

Et in- car - na-tus es t de Spi - ri - tu Et in- car - na-tus est de Spi - ri - tu

Acta musicologica XXV 6

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174 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Man sieht dann auch, dass es ihm schwierig gewesen ist, diese Tradition zu verlassen: in den Messen Dupl. min. II, Semidupl. I, B. M. V. I und Apost. II ver- wendet er so eine Mischung zwischen imitierendem und rein homophonem Satz, wa*hrend er in den anderen Choralmessen ohne Kompromisse den vom

Herzog gewiinschten streng imitatorischen Stil durchfiihrt. Eine Episode wie die folgende aus dem Credo der Missa Semidupl. maj. II mit ihrem breiten wie nach einer Schnur verlaufenden imitatorischen Aufban, trifft man nirgends unter den bisher bekannten Palestrina-Messen; sie ist zweifellos nur auf dem

Hintergrund der Instruktionen aus Mantova zu verstehen:

Et incarnatus est, et ncarna - - use

Et incarnatus est, et inca incarnatus est

Et incar-na tus est, et e'e. a Ias

l est

8 Et incar-na-tus est,_

t incar- na - lusest de

8 Et incar-natus est de Spi -

Et in-car- natus est

Der Herzog hat offenbar wenig Sinn dafiir gehabt, dass der Text in seinen Mes- sen deutlich hervortreten sollte; er wollte vor allem kunstfertige, fein detail- lierte Arbeit.

Anfang November 78 hatte Palestrina endlich die erste Messe fertig und sandte sie mitsamt einem Brief am 5. nach Mantova ab. Die Nichtiibereinstimmung mit dem Brief Capello's, wonach sowohl Messe wie Brief Palestrina's schon am 1. November abgegangen sein sollten, diirfte wohl darauf deuten, dass P. schon

fiir diesen ersten Posttag seine Sendung angekiindigt hatte, jedoch erst am niichsten seine Verabredung einhalten konnte. In seinem Brief spricht Palestrina von zwei Messen. Die eine, die er waihrend seiner Rekonvaleszenz geschrieben hat und jetzt sendet, steht in der vierten, plagalen Tonart, wahrend die andere, mit welcher er sich weiter beschaiftigt, eine Marienmesse in authentischem Ton ist. Dies stimmt mit dem Inhalt des Chorbuchs 164 gut iiberein, worin die Missae Duplicibus der 4. Tonart ange- h5ren, wa*hrend die B. M. V.-Messen mixolydisch also authentisch sind. Weiter sagt P. iiber diese Messen, dass er beim Komponieren der ersten den cantus firmus mitunter eine Quinte, mitunter auch eine Oktave hdher transpo- niert habe, um sie >>piu alegra<< (d. h. mehr festlich oder klangvoll) zu gestalten, als sonst die Natur des 4. Tons es ermoglicht. Die andere Messe, die der Ma- donna, wird dies aber nicht natig haben, da sie ja der authentischen, hiiheren

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 175

Tonlage angehbre. Diese Bemerkungen sind nicht leicht zu verstehen und haben deshalb zu verschiedenen Missverstiindnissen Anlass gegeben. Dass man in den mehrstimmigen Choralmessen des 16. Jahrhunderts, die Themen bald in die Oberquinte, bald in die Oberoktave oder in andere Intervalle trans-

poniert, bildet ja niimlich ein so alltaigliches Verfahren, dass P. es nicht be- sonders zu bemerken brauchte. Nur bei eigentlichen Tenor-Messen in iilterem Stil (wo der c. f. ausschliesslich von dieser Stimme vorgetragen wurde,) oder bei dem einstimmigen Choral k*nnte man Anlass haben, iiber dgl. Anderungen Rechenschaft zu geben. Ich war deshalb friiher geneigt anzunehmen, dass die Rede hier von einer Revision der gregorianischen Melodien sein musste. Nach- dem es aber aus dem neulich hinzugekommenen Material hervorgeht, dass es sich um mehrstimmige durchimitierte Kompositionen handelt, und nachdem ich eine vollstiindige Spartierung dieser Messen habe unternehmen kennen (und also ihre Struktur niiher untersuchen konnte) sind diese Ansichten zu berich-

tigen. Es zeigt sich, dass diese Stiicke nach besonderen Prinzipien aufgebaut und dass sie, obwohl sich in ihnen keine besonders bevorzugte c. f.-Stimme findet, vom Choral ganz durchgedrungen sind. Die Behandlung des c. f. findet in ver- schiedenen Formen statt, entweder 1) in freierer, sowohl rhythmisch wie me- lodisch variierter Art, 2) oder in liingeren, wesentlich gleichlangen Notenwer- ten, dann auch gewoihnlich mit weniger Freiheit im Verhiltnis zum c. f. verbun- den. Die letztgenannten Formen trifft man besonders bei den Schliissen von imitatorischen Abschnitten, oder als durchgefiihrten cantus firmus eines voll-

stindigen Abschnittes, wobei sie dann mitunter auf mehrere Stimmen suk- zessive verteilt werden koinnen, hiiufiger in einer einzelnen Stimme durch-

gesungen werden. Unter den beiden Duplicibus-Messen ist die c. f.-Arbeit der zweiten besonders reich und praignant, was auch bei der ersten B. M. V.-Messe der Fall ist. Ver-

gleicht man jetzt diese beide Messen mit einander, wird man leicht sehen, dass, was die Behandlung der mehr markanten, eigentlichen c. f.-Episoden betrifft, ein auffallender Unterschied zwischen ihnen besteht (s. S. 176-77).

Wdihrend in der Duplicibus-Messe die Transpositionen in die Oberquinte oder Oberoktave hiiufig vorkommen (vgl. z. B. das Amen beim Credo, wo der T. I. den c. f. in der Oberquinte hat, oder die Episoden: Pleni sunt, Hosanna, Bene- dictus und Hosanna, in welchen der Cantus den vollstindigen c. f. in der Ober- oktave singt), ist der c. f. in der B. M. V. nur ganz ausnahmsweise transponiert (nur zweimal, und nur in die Oberoktave, niimlich beim Domine Deus, Rex und beim Amen des Credos - beide noch dazu ganz kurze Passagen), was also

gut mit den Bemerkungen Palestrina's in seinem Brief vom 5. Novbr. 78 stimmt. Die Messe, welche er mit diesem dem Herzog schickt, und die die erste seiner

Sendung bildet, war also eine Duplicibus minor.-Messe, (es ist jedoch unsicher, welche dieser beiden Messen aus dem Cod. 164 zuerst nach Mantova kam.). Die 2. Messe folgt dann am 15. Novembr. (also genau nach den 10 Tagen, die

Capello als Lieferungsfrist einer einzelnen Messe erwlihnt); von der Versen-

6*

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176 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Cantus firmus - Behandlung

Verkiirzungen: D - Missa in Duplicibus minoribus II M = Missa Beatae Mariae Virginis I a = durchgef. c. f. in liingeren gleichlangen oder wesentl. gleichlangen Notenwerten b - fragment. c. f. in - - - - -

Art der c. f. Intervall der Stimme Takt

Behandlung Imitation

D M D M D M D M

Kyrie I T. I T. II 22-27 7-27 b a 1 1

Christe A. 33-41 b 5 1 T. I T. II 49-56 51-55 b b 1 1

Kyrie II T. I T. I 59-68 63-68 b b 1 1 T. I T. I 79-84 80-86 b b 1 1

Bonae volunt. A. 1-8 a 8 C. T.I 4-8 6-9 a a 5+8 1

Benedicimus C. 9-11 a 5 + 8 T. II T. II 11-14 12-16 a a 5 1

Glorificamus A. T. II 15-24 23-28 a a 8 1

Domine Deus, T. II C. 32-42 42-53 b b 5 8 Rex

Domine Deus, B. T. II 44-60 64-72 a b 1 1 Agnus

Qui tollis - C. 61-66 b 5 + 8 suscipe T. I T. I 66-75 93-100 b b 5 1

Quoniam tu B. T. II 78-86 108-113 a a 1 1

solus

Tu solus T. I T. II 90-102 121-133 a a 5 1

Altissimus

Amen T. I T. II 108-113 141-145 a a 1 1

T. II 3-9 b 1 factorem B. T. II 9-11 16-19 b b 1 1

C. 18-21 b 5+ 8

Et ex patre C. T. II 28-34 31-34 b b 8 1

Genitum C. 37-46 a 8 T. II 47-50 b 5

T. I T. I 53-56 61-64 b b 1 Et incarnatus B. T. II 56-61 68-79 b b 1 1

C. 64-70 b 8

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Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 177

Stimme Takt Art der c. f. Intervall der Behandlung Imitation

D M D M D M D M

C. 71-77 b 8 Et resurrexit T. II T. I 77--80 99-103 b b 1 1

C. 82-85 b 8

Et iterum C. 88-96 b 8 B. 97-111 b 1

Qui cum patre T. I T. I 132-136 132-137 b b 1 1

Confiteor B. T. I 140-143 164-170 a b 1 1 C. 148-154 b 8

Et vitam vent. T. I T. I 155-169 171-180 a a 1 1

Amen T. I C. 173-177 183-191 a a 5 8

Sanctus I T. I T. II 8-12 5-10 a a 1 1

Sanctus III C. T. II 22-29 28-33 b b 8 1 A. 29-36 b 5

Pleni sunt C. 42-56 a 8

Hosanna C. T. II 63-78 66---73 a a 8 1

Benedictus C. 80-93 a 8 T. I 93-101 b 1

Hosanna C. T. II 102-120 125-132 a a(?) 8 1

Agnus Dei B. T. I. 9-19 37-44 b b 1 1 C. 31-40 b 8

dung der 3. Messe haben wir, wie schon genannt, keine Kunde,aber da die der vierten am 10. Dezbr. erfolgt, wird die vorhergehende wohl Ende No- vember fertig gewesen sein. Die fiinfte Messe wird dann am 17. Mairz 79 nach Mantova expediert, und am 21. desselben Monats sendet Palestrina noch drei Messen, die nach den letzten Instruktionen des Herzogs, welche er durch den Capello empfangen hatte, komponiert worden sind. Diese Instruktionen ken- nen wir allerdings nicht; aber die vier Messen im Cod. 166 (die Apostolorum und Semiduplicib.) zeigen alle eine auffallende Eigentiimlichkeit im Verhailt- nis zu den fiinf vorhergehenden, indem sie niimlich beim Sanctus das zweite und dritte Sanctus mehrstimmig haben, wiihrend in den friiheren das erste und dritte komponiert vorliegen. Dies deutet auf geainderte Wiinsche des Auf- traggebers hin, und es kann somit kaum Zweifel unterliegen, dass cod. 164 die vom 5. Novembr. 78 bis zum 17. Mhirz 79 nach Mantova gesandten Palestri- na-Messen enthiilt, wiihrend die vier noch folgenden vom Sforza im cod. 166 kopiert wurden.

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178 Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc.

Nach der Sendung der neunten Messe durch Pompeo Strozzi am 1. April 79 ist nichts mehr iiber Palestrina-Messen in Mantova bekannt. Die Korrespondenz hirt doch nicht damit auf: 1584 sendet P. dem Herzog seine eben erschienenen 4. und 5. Biicher der fiinfstimmigen Motetten. Nach dem Empfang des letzten bedankt sich der Herzog im folgenden (bisher unbekannten) Brief (B. 2986):

A m(esser) Gio(vanni) Pietro Luigi da Palestina Mag(nifi)co mio Car(issi)mo Mi furono grate le penult(im)e fatiche u(ost)re, si come ui ha detto il Capello, et tali ancomi sono state l'ultime, pero uene ringr(azi)o con q(ues)ta assicuran- doui che si come conosco le uirtu che sono in voi, et l'amorevolezza u(ost)ra uerso me, cosi riconoscerb sempre che me ne uerra l'occas(io)ne. In tanto me ui racc(oman)do.

Di Goito a 10. d'Agosto 1584 Alli piaceri u(ost)ri II Duca di Mant(ov)a

Im Miirz 1585 schickt P. dem Herzog einen >>canto<< und im Juli 1587 noch etliche weitere >>canti<<. Kurz nachher stirbt aber Guglielmo in Goito, und eins der interessantesten Kapitel der Musikgeschichte des 16. Jahrhunderts wird damit beendet.

Die Mantovaner-Messen Palestrina's nehmen eine Sonderstellung in seiner Pro- duktion ein, die zum grossen Teil auf die Eigenart ihres Auftraggebers zuriick- gehen diirfte. Sie sind die einzigen Werke des Meisters, die fiir eine andere

Liturgie als die riimische geschrieben wurde, was auch erklirt, dass sie unge- druckt verblieben - denn ihre Verwendungsmaiglichkeiten waren ausserhalb der Basilica S. Barbara sehr beschrainkt37).

37) Vom ganzen Repertoire der alternatim Messen in S. Barbara scheinen nur 5 seinerzeit veroffentlicht worden zu sein. Sie finden sich alle in einer merkwiurdigen Publikation: Missae Dominicales, die ein mantovanischer Karmelit, Giulio Pellini, 1592 in Milano drucken liess und dem Herzog Alfonso II d'Este in Ferrara, dem Schwager Guglielmo's, widmete. Hierin stehen 6 Sonntagsmessen von 6 Komponisten, die, wie Professor Strunk zuerst darauf aufmerksam machte, alle zu Mantova Beziehungen batten. Die letzte dieser Messen ist dem Palestrina zugeschrieben, und wurde im 33. Bd. der Gesamtausg. seiner Werke neugedruckt. Prof. Strunk meint, dass sie unter den 1578-79 fiir Mantova komponierten gehort. Von stilistischen Erwiigungen heraus habe ich sie bisher als dubium betrachtet. Nachdem die an- deren Messen aus Mantova mir bekannt geworden sind, bin ich doch nicht so sicher in dieser

Betrachtung. Jedenfalls hat die Messe mit dem Kyriale von S. Barbara deutliche Verbindung. Andererseits ist sie die einzige dieser 6 Messen, fir die ich nicht in Milano handschriftliche Vorlage habe feststellen koinnen, und sie gehiirt dem unter Palestrina's Namen nicht in S. Barbara vertretenen B-Typus der Alternatim-Messen an. Ob der Herzog Alfonzo fiir solche Messen Verwendung hat finden konnen? Er war mit einer Schwester Guglielmo's verhei- ratet, die vielleicht aus Mantova eine Vorliebe fir die S. Barbara-Musik mitgebracht hatte.

M6glich deshalb, dass die beiden Messenbiinde, die Palestrina dem Herzog ca. 1580 schenkte, Kopien der Messen fiir S. Barbara waren. Leider existieren die Messen nicht liinger in der Bibl. Estense, und sind auch nicht in ihren Katalogen vom friiheren Teile des 17. Jahrhun- derts verzeichnet; wahrscheinlich sind sie deshalb bei der nach Alfonso's Tod erfolgten Uber- fiuhrung der Bibliothek von Ferrara nach Modena, zusammen mit so vielen anderen wichtigen Bestinden der Sammlung verloren gegangen (vgl. Domenico Fava: La Biblioteca Estense nel suo sviluppo storico. Modena 1925. p. 164 ff.)

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Page 49: Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga und die neugefundenen Mantovaner-Messen Palestrina's. Ein ergänzender Bericht; Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga

Pierluigi da Palestrina, Herzog Guglielmo Gonzaga etc. 179

Sie sind auch die einzigen Messen, bei welchen Palestrina sich wiederholt die- selbe Aufgabe gestellt hat, (allerdings kommt es mehrmals vor, dass er zwei Messen uiber dieselbe Vorlage komponierte, aber dann immer mit wechselnder

Besetzung). Besonders sind sie aber merkwiirdig durch die imponierende Fan- thasie, womit innerhalb so enger Rahmen immer und immer neue und geistvolle Variationen und Kombinationen derselben Themen erfunden werden. Gewisser- massen bilden sie so zu sagen die >>Kunst der Fuge<< Palestrina's, und diirften auch durch die hohe und strenge Schiinheit, die als letztes Resultat der iiber- wundenen technischen Probleme ihnen bleibt, sich mit Ehren unter den anderen Messen ihres grossen Meisters behaupten. Qbrigens sind sie auch dadurch bedeutungsvoll, dass Sie eine wesentliche Liicke in unserer Einsicht der Stilentwickelung Palestrina's ausfiillen, insofern sie die

einzigen seiner Werke bilden, die uns bisher aus der sonst ganz unbelegten Pe- riode 1575-81 iiberliefert sind.

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