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PKM4: Ausschreibungen für Übersetzungsleistungen gestalten, 04.11.2010 1 Der Vortrag von Hans Pich und Stefan Gentz auf der tekom Jahrestagung 2010 richtete sich an Mitarbeiter aus den Fachabteilungen für Dokumentation und Einkauf. Thematisiert wurde die Gestaltung von Ausschreibungen für Übersetzungsleistungen. Zusätzliche Informationen, insbesondere auch eine Beschreibung der Balanced Translation Proposal Methode (BTPM), finden Sie auch im Tagungsband der tekom zur Jahrestagung 2010 ab Seite 246. Für Fragen können Sie sich gerne an die Referenten wenden.

PKM4: Ausschreibungen für Übersetzungsleistungen gestalten · Beschreibung der Balanced Translation Proposal Methode (BTPM), finden Sie auch im Tagungsband der tekom zur Jahrestagung

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PKM4: Ausschreibungen für Übersetzungsleistungen gestalten, 04.11.2010

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Der Vortrag von Hans Pich und Stefan Gentz auf der tekom Jahrestagung 2010 richtete sich an Mitarbeiter aus den Fachabteilungen für Dokumentation und Einkauf.

Thematisiert wurde die Gestaltung von Ausschreibungen für Übersetzungsleistungen.

Zusätzliche Informationen, insbesondere auch eine Beschreibung der Balanced Translation ProposalMethode (BTPM), finden Sie auch im Tagungsband der tekom zur Jahrestagung 2010 ab Seite 246.

Für Fragen können Sie sich gerne an die Referenten wenden.

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Hans Pich• Studium der Informatik an der T.U. Berlin und der

Universität Passau;• Vertriebsmitarbeiter der unitext language

Services GmbH, Berlin;• ab 1997 Senior-Projektleiter bei der Document

Service Center GmbH, Berlin• seit 2008 für den Bereich Business Development

verantwortlich• E-Mail: [email protected]• https://www.xing.com/profile/Hans_Pich

Stefan Gentz• Specialist Language and Document Engineering,

Graphics and DTP bei der Translingua Language & Technology GmbH in Bonn;

• Seit 1999 Geschäftsführer der TRACOM OHG in Bonn• Trainer für Adobe FrameMaker, Adobe InDesign,

SDL Trados und (Qualitäts-)Management• Zertifizierter Auditor ISO 9001 (TÜV)• Berät Unternehmen zu Dokumentations- und

Übersetzungssystemen und begleitet Sie bei professionellem Ausschreibungsmanagement und der Auswahl geeigneter Übersetzungsdienstleister.

• E-Mail: [email protected]• https://www.xing.com/profile/Stefan_Gentz

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Ein strukturierter, transparenter, kooperativer Ausschreibungsprozess trägt wesentlich zum Erfolg von Lieferantenbeziehungen bei. Ziel professionellen Beschaffungsmanagements ist es, die internen Geschäftsbedürfnisse mit den externen Lieferanten-fähigkeiten so zu verbinden, dass ein nachhaltiger Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen entsteht.

Für Übersetzungsleistungen gibt es jedoch in der Praxis immer wieder Ausschreibungen, bei denen allein schon die Anforderungen so unglücklich oder unvollständig beschrieben sind, dass es kaum möglich ist, den resultierenden Bearbeitungsaufwand zu kalkulieren. Die darauf basierenden Angebote sind dann meist weder wirklich vergleichbar noch führen sie zu einer für Auftraggeber und Auftragnehmer optimalen Basis der Zusammenarbeit.

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Zur Erzielung professioneller Ergebnisse und nachhaltiger Wertschöpfung ist ein professionelles Ausschreibungs- und Lieferantenmanagement notwendig. Das gilt natürlich auch für Übersetzungs-leistungen.

Einen guten Ausgangspunkt bietet (für zertifizierte wie für nicht-zertifizierte Unternehmen) die ISO 9001. Sie stellt im Abschnitt 7.4.1 (Beschaffungsprozess) ganz konkrete Anforderungen. Aus der Normsprache in die Praxis geholt:• Definieren Sie Ihre Anforderungen an die

Lieferanten und die zu erbringenden Leistungen.• Wählen Sie die Lieferanten auf Grundlage Ihrer

Beurteilungsergebnisse aus.Zur erfolgreichen Umsetzung sollten Sie also mindestens diese Voraussetzungen schaffen:• Einen strukturierten, dokumentierten

Beschaffungsprozess,• sinnvoll definierte Ausschreibungsbedingungen,• vergleichbare, quantifizierbare Erfüllungen von

Beschaffungsanforderungen.

Das Ergebnis sind im Optimalfall betriebswirtschaftlich fundierte, vertret- bzw. belastbare Entscheidungen, die langfristige, gute Ergebnisse bringen. Gleichzeitig stellt ein solches Vorgehen auch die Grundlage dar für eine ehrliche, ethische und faire Geschäftsbeziehung, die auch Corporate Governance und spezifischen unternehmensinternen Regeln genügt.

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Dabei muss das Rad nicht immer gleich ganz neu erfunden werden. In den meisten größeren Unternehmen gibt es bereits ein Beschaffungswesen: „Den Einkauf“. Im Normalfall verfügt dieser auch über (hoffentlich dokumentierte) Beschaffungsprozesse, die als Grundlage dienen können.

Dazu gehören in unserem Fall zumindest für ISO 9001-zertifizierte Unternehmen in jedem Fall mindestens:• Anforderungen an die gemeinsamen Prozesse mit

dem Lieferanten.• Anforderungen an die Ausrüstung (z. B. zu

verwendendes Translation Memory System, zu verwendende Autoren-/DTP/Grafiksoftware).

• Anforderungen an die Qualifikation des Personals (z. B. muttersprachliche Übersetzer, Zertifizierung für das Translation Memory Tool).

• Anforderungen an das Qualitätsmanagement-system des Lieferanten.

Insbesondere ein so sensibles und spezialisiertes Thema wie der Einkauf von Übersetzungsleistungen hat natürlich über diese Standards hinaus besondere Anforderungen. Diese Anforderungen gilt es individuell zu ermitteln und zu definieren.

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Der Gesamtprozess der Ausschreibungsgestaltung unterliegt sinnvollerweise wie alle Prozesse im Unternehmen dem PDCA-Zyklus. PDCA steht für Plan – Do – Check – Act (Planen – Tun – Überprüfen –Umsetzen), auch bekannt als DemingscherRegelkreis.

In den vier Phase planen wir zunächst die Ausschreibung („Plan“), erstellen dann die Ausschreibung und fahren ggf. einen Probelauf („Do“), werfen noch einmal einen Blick zurück und führen ggf. letzte Korrekturen durch („Check“), um anschließend in die eigentliche Ausschreibung zu gehen („Act“). Im Rahmen des KVP sei hier auch besonders das „Zyklus“ in „PDCA-Zyklus“ betont. Zyklus bedeutet eben genau, dass nach erfolgreicher Ausschreibung der Zyklus von vorne losgeht. Die aus der Ausschreibung gewonnenen Erkenntnisse sollten dabei direkt in die neu initiierte Plan-Phase Eingang finden. Für einen nachhaltigen Erfolg sollte dies unbedingt auch ein Ausschreibungs-Review mit einschließen, um erkannte Stärken und Schwächen und Optimierungspotenziale aufzuzeigen. Mögliche Erkenntnisse könnten z. B. sein, dass die gestellten Anforderungen zu hoch waren (zu wenige Bieter), die Ausbalancierung der Gewichtungsfaktoren optimiert werden muss oder die Auschreibungs- und Bewertungsunterlagen erweitert werden müssen.

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Ein geeignetes Tool für die „Selbstfindung“ ist die SWOT-Analyse. SWOT steht für Strengths, Weaknesses, Opportunities and Threats und stellt eine strukturierte, matrixorientierte Analysemethode der eigenen Stärken und Schwächen sowie der Chancen und Risiken dar. Die Methode ist auch deswegen so geeignet, da der Übersetzungsprozess meist in einen übergeordneten Prozess integriert werden muss und der Übergang an den Nahstellen der Einzelprozesse oft erhebliche Risiken birgt. Beispielhaft sei hier die Übergabe individueller Datenformate (z. B. ein eigener XML-Dialekt) an ein Translation Memory System genannt.

Weiterhin sollten in der Planungsphase auch die Anforderungen der einzelnen interessierten Parteien ermittelt werden. Interne Stakeholder können z. B. Geschäftsleitung, Einkauf, Rechtsabteilung, Fachabteilung und Technische Dokumentation sein. Dabei müssen die Interessen mit geeigneten Tools erfasst und gewichtet werden, da die häufig konträren Interessen der einzelnen Stakeholder bisweilen schwer „unter einen Hut“ zu bekommen sind.Zu den externen Stakeholdern gehören z. B. Auftraggeber und Lieferanten (Stichwort Lieferanten-Doku), aber auch spezifische Anforderungen an die Genehmigung von Produkten und gesetzliche Vorgaben im Allgemeinen. Und zu den externen Stakeholdern gehören auch die Lieferanten der Übersetzung! Auch deren Interessen sollten in jedem Fall bei der Gestaltung der Ausschreibung berücksichtigt werden, wenn die Ausschreibung nicht „am Markt vorbei“ erfolglos „versanden“ soll.

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Die geforderten Beschaffungsangaben zu definieren kann durchaus aufwendig sein, da dafür detaillierte Kenntnisse des Gesamtprozesses nötig sind. Auch müssen in Hinblick auf die Budgetierung interne Unternehmensvorgaben und Anforderungen mit der Marktsituation ausbalanciert werden.Ungenaue Beschaffungsangaben können ebenso wie unrealistische Vorgaben sonst schnell die Ausschreibung scheitern lassen.

Im Rahmen der SWOT-Analyse kann z. B. im Feld Weaknesses herausgekommen sein, dass Sie immer wieder an Termin-, Kapazitäts- und Qualitätsgrenzen stoßen, weil Sie nach der Übersetzung noch die zwanzig zielsprachlichen Varianten Ihres Handbuchs auf den Fremdsprachensatz und landes- bzw. sprachspezifische Besonderheiten hin prüfen, Reviews mit Ihren Länderniederlassungen organisieren, deren Ergebnisse einarbeiten und finale Fassungen erstellen müssen.

Die Chancen-Analyse kann z. B. ergeben, dass diese Aufgaben komplett an einen darauf spezialisierten Übersetzungsdienstleister outgesourct werden soll. Dies würde dann Eingang in die Beschaffungsangaben finden.

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Wichtig ist, dass den Bietern Ihrer Ausschreibung klar ist, was Sie erwarten. Wenn Sie z. B. eigentlich einen Systemanbieter suchen, der Ihnen über die eigentliche Kerndienstleistung „Übersetzung“ hinaus noch weitere Leistungen bietet, dann sollten Sie das spezifizieren. Solche Leistungen könnten z. B. die Einführung eines ganzheitlichen Systems sein, dass Authoring-Memory, Translation Memory, Terminologie-Datenbank und weitere Komponenten wie ein CMS miteinander verknüpft.

Darüber hinaus müssen die erwarteten Einzelleistungen und erforderlichen Qualifikationen möglichst genau spezifiziert werden. Je präziser hier gearbeitet wird, desto weniger Aufwand entsteht im Rückfragen-Management.Gleichzeitig können über entsprechend gestaltetet Ausschreibungsunterlagen die tatsächlich befähigten Bieter leichter ermittelt werden. Dabei sollten Sie auch zwischen Pflichtangaben und freiwilligen Angaben unterscheiden (und dies später Gewichten können).

Planen Sie auch die Lenkung der Eingänge und insbesondere auch, wie mit fehlerhaften oder unvollständigen Einsendungen umgegangen werden soll. In jedem Fall sollten Sie Dokumente für Ihr Feedback bereithalten (Absage/Zusage), ggf. auch unterschiedliche Fassungen bei mehrphasigen Ausschreibungen. Es sollte selbstverständlich sein, den ausscheidenden Bietern dies höflich unter Angabe der Kriterien mitzuteilen. Bedenken Sie, dass Ihre Bieter für Sie Zeit und Kosten in die Ausschreibung gesteckt haben, und Sie vielleicht auch auf diese Bieter später einmal zurückkommen möchten.

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Eine erfolgreiche Ausschreibung werden immer zwei Dokumentklassen benötigt: Die eigentlichen Ausschreibungsunterlagen, die Sie den Bietern bereitstellen, sowie Bewertungsunterlagen, mit deren Hilfe Sie die Ergebnisse strukturiert erfassen und sinnvoll auswerten können. Die Bewertungs-unterlagen müssen die Ergebnisse der Ausschreibungsunterlagen abbilden können.Generell sollten Ausschreibungs- und Bewertungs-unterlagen so aufeinander abgestimmt sein, dass eine schnelle und einfache Datenübernahme in die Bewertungsunterlagen möglich ist. Wie das zu realisieren ist, hängt von den gewählten Ausschreibungsmethoden und Medien ab. Die in der Regel sinnvollste Methode ist die elektronische Bereitstellung der Ausschreibungsunterlagen. Dies kann in Form von „echten“, automatisch auswertbaren PDF-Formularen sein, oder in Form von Webformularen. Der Vorteil einer elektronischen Verarbeitung ist, dass die Ausschreibungsunterlagen bei entsprechender Gestaltung / Programmierung präzisere, interpretationsfreiere und fehlerfreiere (Poka Yoke!) Ergebnisse liefern und zudem automatisch erfasst werden können.

Im Rahmen einer Marktanalyse kann eine Liste von Kandidaten erstellt werden, die explizit eingeladen werden sollen. Dies ist insbesondere dann wichtig, wenn eine öffentliche Ausschreibung gefahren wird, bei der sichergestellt werden soll, dass bestimmte Bieter in jedem Fall teilnehmen. In der Regel stellt die Wunschkandidatenlisten eine Teilmenge des Bieterpools dar.

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Sind die Ausschreibungs- und Bewertungsunterlagen fertig und die Liste der Bieter erstellt, sollten die Ausschreibungsunterlagen noch mal selbstkritisch geprüft werden: Sind sie zu oberflächlich? Ermöglichen Sie womöglich im Formteil noch unscharfe und dadurch später schwer zu vergleichende und bewertende Antworten? Oder sind die Unterlagen ggf. zu komplex, zu schwer verständlich, zu unpräzise? Lassen die Unterlagen dem Bieter genug Raum, um individuellen Ideen „in die Waagschale zu werfen“? Auch hat es sich bewährt, die Unterlagen abschließend noch einmal mit dem „KISS“-Blick (Keep it Short and Simple) zu betrachten.

Damit eine Ausschreibung erfolgreich ist, sollten die Ausschreibungsunterlagen auch in Ton und Gestaltung „einladend“ sein – Sie wollen ja kein Verhör führen und dadurch ggf. attraktive Partner gleich verschrecken.

In der Do-Phase ist auch ein „Trockenlauf“ sinnvoll, um den Ausschreibungsprozess zu simulieren und um mögliche Schwächen und Lücken noch frühzeitig zu entdecken. Die Ergebnisse sollten in der Check-Phase ausgewertet werden und ggf. einfließen.

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Nun kann die (halb-)öffentliche Ausschreibung starten. Laden Sie Ihre Kandidaten schriftlich ein, schicken Sie die Ausschreibungsunterlagen mit und definieren Sie vor allem auch konkrete Termine und Fristen.

Schicken Sie den Bietern auch eine Übersicht über den Ablauf der Ausschreibung mit. Ein fester Terminplan (an den Sie sich natürlich auch selbst halten sollten) macht das Verfahren transparent und reduziert Rückfragen („Wann erfahren wir denn, ob …“, „Was ist denn der nächste Schritt?“) auf ein Minimum.

Erfassen Sie die eingehenden Angebote und übernehmen Sie die Daten in die erstellten Bewertungsunterlagen. Klären Sie ggf. telefonisch oder per E-Mail offene Fragen (die, die Ihre Bieter an Sie haben und die, die Sie ggf. noch an einzelne Bieter haben). Teilen Sie am Ende der Bewertungsphase den Bietern schriftlich das Ergebnis mit. Den Bietern, die es auf die Short-List geschafft haben, teilen Sie diese ebenfalls mit (ggf. nochmals mit Hinweis auf die folgenden Schritte).

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Die Auswertung einer Ausschreibung erfolgt immer auf Basis der zur Verfügung gestellten Informationen. Hierbei werden sowohl die angefragten Leistungen nach Art und Umfang berücksichtigt, wie auch die in der Ausschreibung beschriebenen Voraussetzungen und Ziele des Auftraggebers.

Zu den Voraussetzungen gehören beispielsweise vor-handene Translation Memorys und Terminologie-datenbanken. Dabei ist es auch wichtig, eine Einschätzung über die Qualität und den Umfang der einzusetzenden Materialien zu erhalten. Darüber hinaus sind aber auch Vorgaben in der Ablauforganisation und in technischen Schnittstellen zu anderen Systemen wie CMS oder PIM zu betrachten.

Wichtig für die Konzeption eines passgenauen Angebots ist Kenntnis über die Ziele des Auftraggebers. Natürlich möchte jeder die beste Qualität in kürzester Zeit zu minimalen Kosten. Dies ist in der Realität so nicht erreichbar. Eine Einschätzung und Gewichtung der Ziele des Auftraggebers ermöglichen es dem Dienstleister auf die konkreten Anforderungen einzugehen und ein passgenaues Angebot zu erstellen.

Im Rahmen der Auswertung sollte es für die Dienstleister auch die Möglichkeit geben, Rückfragen zu formulieren. Die Fragen und Antworten sollten vom Auftraggeber dazu genutzt werden, die Ausschreibung zu präzisieren. Eine Verteilung der Antworten und der ggf. präzisierten Ausschreibung an alle Teilnehmer ist selbstverständlich. Hilfreich ist, es eine zweite Fragenrunde vorzusehen, da die Antworten oft neue Fragen aufwerfen.

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In der Planung einer Ausschreibung sollte genug Zeit für die Umsetzung von Rückfragen eingeplant werden.Rückfragen bedeuten, dass die Anbieter entweder etwas nicht verstanden haben bzw. die Informationen der Ausschreibung für eine sichere Kalkulation nicht ausreichend waren, oder dass es möglicherweise alternative Vorgehensweisen gibt, deren Angebot über Rückfragen abgeklärt werden soll.

Da sich bei der Beantwortung der Fragen neue Fragen ergeben können oder die Antworten noch nicht ausreichend sind, sollte mindestens eine zweite Fragenrunde vorgesehen werden.

Die Anzahl der Rückfragen lässt sich verringern, wenn die Beschreibung der angeforderten Leistungen sehr präzise ist.

Beim Auftraggeber sollte die Bedeutung der Rückfragen und auch die Qualität der Antworten auch in den Fachabteilungen betont werden. Verbleibende Unklarheiten müssen die Anbieter als Unsicherheits-faktor mit in der Kalkulation berücksichtigen. Entweder erhöht das die Kosten oder schlägt sich in der umsetzbaren Qualität nieder.

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Die Konzeption des Angebots besteht aus mehreren Teilen. Wichtig für den Auftraggeber ist neben einer Preisangabe vor allem die Leistungs-beschreibung. Nur mit der Leistungsbeschreibung kann der Auftraggeber die Preisangaben bewerten. Eine Angabe von 2 € / Zeile Übersetzung ist genau so wenig hilfreich, wie die Angabe von 20.000 € für ein Auto wenn man nicht weiß um was für Autos es sich handelt.

Für die Vergleichbarkeit der Leistungsbeschreibungen ist es hilfreich, wenn bereits in der Ausschreibung wesentliche Elemente auf Basis von Standards wie der EN 15038 angefordert werden. Darüber hinaus sollten die Anbieter die Leistungen detailliert und präzise beschreiben bzw. quantifizierbare Leistungsstandards definieren.

Bei einer Dienstleistung ist es oft nicht einfach, das Ergebnis im Vorhinein quantifizierbar zu beschreiben. Dies wird umso mehr erschwert, wenn das Ergebnis zusätzlich auch von Vorleistungen des Auftraggebers entscheidend beeinflusst wird. In der Praxis hat es sich bewährt, wenn statt dessen Mindeststandards an die Art der Leistungserbringung definiert werden. Dies bedeutet bei Übersetzungen bspw. Mindestanforderungen an die Qualifikation der Leistungserbringer (Übersetzer, Korrektoren, Lektoren), der durchzuführenden Arbeitsschritte und konkrete Verfahrungen der Freigabe / Abschlussprüfung.

Der zweite Aspekt ist natürlich die Kosten-/Preiskalkulation. Üblicherweise kann auch der Auftraggeber nicht im Vorhinein eine verbindliche Aussage über die zu bearbeitenden Volumina geben. Hilfreich ist es daher, ein Preismodell zu verwenden, dass flexibel auf wechselnde Anforderungen angewendet werden kann. Schwierig sind hier immer Mischkalkulationen, die bei veränderten Rahmenbedingungen entweder für den Auftraggeber zu erhöhten Kosten führen (bspw. durch zu geringe Anreize die eigenen Strukturen zu optimieren) oder den Auftragnehmer unter zu starken wirtschaftlichen Druck setzen. Auftragnehmer, die sich „verkalkuliert“ haben, könnten dazu tendieren, den Druck bspw. durch den Einsatz billigerer Übersetzer oder den Verzicht auf wichtige Arbeitsschritte auszugleichen. Dies kann nicht im gemeinsamen Interesse sein.

Wichtig ist es, sich erneut auf die Ziele des Auftraggebers zu konzentrieren und auch bei der Aufwandskalkulation und den entsprechenden Preisangaben im Einklang mit diesen Zielen zu bewegen.

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In der Praxis gibt es immer wieder typische Problemstellen in Ausschreibungen.

Aus der Sicht des Anbieters sind dies zumeist fehlende oder unzureichende Informationen über einzusetzende Materialien / Voraussetzungen, die jedoch erheblichen Einfluss auf den Aufwand und damit auf die Kosten haben.

Die Qualität und der Umfang von Translation Memorys, Terminologiebeständen und Style Guides beeinflussen direkt die Kosten. Eine Terminologiedatenbank ist für den Übersetzer nur dann effizienzsteigernd einsetzbar, wenn es eine aktive Terminologieerkennung gibt. Das manuelle Suchen in langen Listen würde im Gegensatz dazu den Aufwand sogar noch deutlich erhöhen.

Angaben über Umfänge und erwartete Durchlaufzeiten sind für die Planung sehr wichtig. Bei zu viel Volumen in zu kurzer zeit ist der Dienstleister gezwungen einen höhere Kapazitätsreserve aufzubauen. Dies erhöht möglicherweise unnötig die Kosten. Oft wäre es durch eine geschicktere Ablauforganisation möglich die Auslastung zu verstetigen und damit die Qualität zu erhöhen ohne die Kosten zu steigern.

Die Angabe von quantitätsorientierten Preisen bspw. für die Vor-und Nachbereitung von Dateien kann nur mit entsprechenden Beispieldateien und vereinbarten Qualitätsstandards der Quelldateien erfolgen. So bedeutet die Vor- und Nachbereitung von InDesign-Dateien im günstigen vielleicht nur 5 Minuten / Seite, kann aber auch leicht mal mehrere Stunden je Seite in Anspruch nehmen.

Mischkalkulationen sind immer schwierig. Sie basieren auf konkreten Szenarien und den damit verbundenen Rahmen-bedingungen. Eine aus Sicht des Einkaufs schön einfache Rahmenvereinbarung mit einem zu einfachem Preismodell kann schnell zu einem Problem werden, wenn der Dienstleister auf sich ändernde Rahmenbedingungen mit einer schlechteren Leistung reagiert bzw. reagieren muss.

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Ein besonderes Thema sind Probeübersetzungen. Immer wieder gefordert, bringen sie doch oft nur sehr wenig Information für den Auftraggeber.

Wenn ein Dienstleister weiß, dass er eine Probeübersetzung anfertigen muss und ein Interesse am Auftrag hat, wird er seinen besten Übersetzer die Übersetzung anfertigen lassen, diese von mehreren anderen Mitarbeitern prüfen lassen. Er wird sich die allergrößte Mühe geben. Im Ergebnis erfährt der Auftraggeber also nur, ob es dem Dienstleister möglich ist, zumindest einen qualifizierten Übersetzer einzusetzen. Ob dieser später auch die Übersetzungen durchführt ist unklar.

Eine Alternative zur Probeübersetzung wäre ein Probeauftrag. Dieser sollte natürlich erfolgen bevor der Dienstleister zur Teilnahme an der Ausschreibung eingeladen wurde. Die Platzierung eines kleinen Auftrags ohne weitere Ankündigung gibt ein wesentlich realistischeres Bild von der Leistung eines Dienstleisters als die Übersetzung eines angekündigten Testtextes.

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Die Basis für eine langfristige Zusammenarbeit ist die Balance zwischen Kosten und Aufwand. Auf Seiten des Auftraggebers ist verständlicherweise der Wunsch nach geringen Einkaufskonditionen bestimmend. Für den Dienstleister bedeutet das Eingehen auf diesen Wunsch, eine Möglichkeit zu finden, die geforderten Leistungen (bei gesetzter Qualität) mit möglichst geringem Aufwand zu erbringen. Verschiebt sich dieses fragile Gleichgewicht zugunsten einer der beiden Seiten, ist der Erfolg der Zusammenarbeit gefährdet.

Da üblicherweise die Anbieter den ersten Schritt bei den Preisverhandlungen führen, ist es wichtig, dass das Preisangebot auf einer soliden Kalkulation beruht. Unsicherheiten z. B. aufgrund fehlender oder falscher Informationen aus der Ausschreibung erschweren oder verhindern diese Kalkulation.

Klare und verlässliche Anforderungen auf der einen Seite und verbindliche Leistungszusagen auf der anderen Seite sind daher entscheidend für eine faire und langfristig orientierte Preisfindung. Hilfreich ist hierbei insb. die Bereitschaft auf Seiten des Auftraggebers die eigenen Prozesse und Anforderungen anzupassen, wenn dadurch der Aufwand beim Dienstleister sinkt. Dies bringt oft wesentlich größere Einsparpotenziale als das Drücken von Preisen.

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Üblicherweise schließt sich an die schriftliche Aus-schreibung und das Angebot eine Präsentation der in die engere Wahl gekommenen Dienstleister an. Die Präsentation sollte dem Zweck dienen, den Dienst-leister auch persönlich noch einmal kennenzulernen, die Plausibilität der im Angebot gemachten Aussagen zu prüfen und letzte Unklarheiten aus dem gesamten Ausschreibungsverfahren zu klären.

Für eine erfolgreiche Präsentation ist es sehr hilfreich, wenn sich sowohl Auftraggeber als auch die Dienstleister inhaltlich auf die Fragen der jeweils anderen Seite vorbereiten können. Dies bedeutet jedoch, dass es auch konkrete Fragen geben sollte. Präsentationen, die ohne vorhergehende Abstimmung erfolgen, können eher die Fähigkeit des Dienstleisters im Bereich Präsentationstechnik und im Umgang mit Powerpoint abprüfen. Wer konkret fragt, bekommt auch konkrete Antworten.

Auf der anderen Seite sind auch Marathon-veranstaltungen mit 3 oder mehr Präsentationen von Dienstleistern hintereinander nicht hilfreich. Spätestens nach der zweiten Präsentation sind auch die Verantwortlichen beim Auftraggeber nicht mehr mit voller Konzentration bei der Sache.

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Besondere Anforderungen können auch die Durchführung einer Ausschreibung erschweren. Dies gilt für Anforderungen aus dem organisatorischen Bereich (Kooperation mit anderen Dienstleistern in einem Multi-Vendor-Szenario oder mit verschiedenen Organisationseinheiten beim Auftraggeber bei InCountry-Reviews oder im terminologie-Management) genauso wie bei speziellen technologischen Anforderungen (Anbindung an bestimmte Systeme, Implementierung von neuen Schnittstellen). Hier sollten Auftraggeber, die nicht selbst über das entsprechende Know-How verfügen, sich unabhängigen Rat und Unterstützung holen.

Gut ist es, wenn in einer Ausschreibung auch Aspekte der Einarbeitung und des Trainings der Mitarbeiter beim Dienstleister berücksichtigt werden. Übersetzer sind zuerst einmal Experten für Sprache. Die Produkt-expertise liegt vor allem beim Auftraggeber.

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Auch nach Abschluss der Ausschreibung ist das

Rahmenvereinbarung sollten konkrete Vereinbarungen für die Startphase getroffen werden.

Verfahren noch nicht beendet. Bereits mit der

Hierzu zählen sowohl erforderliche technologische Anpassungen wie auch das Training bzw. die Schulung der Übersetzer. Hilfreich ist es auch, wenn der Übersetzungsdienstleister bei den beauftragenden Abteilungen persönlich vorgestellt wird, bzw. sich persönlich vorstellen kann.

Direkte Kontakte zwischen den Übersetzern und den Ansprechpartnern in den Zielmärkten können auf beiden Seiten viel Unsicherheit abbauen.

Da auch die beste Ausschreibung und das beste Angebot nie die Realität umfassend vorhersagen können, sollte eine konkrete Überprüfung der Leistungen und auch der Preise erfolgen. Bewährt haben sich hier Zeiträume von ca. 6 – 12 Monaten für eine erste Überprüfung.

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Strukturierte Ausschreibungsverfahren geben sowohl dem Auftraggeber als auch dem Anbieter mehr Sicherheit. Durch den vorhersagbaren, transparenten Ablauf, die konkrete Planung der Inhalte und die sachorientierte Auswertung führen sie zu einer passgenaueren Lieferantenauswahl. Dies hilft auch den Anbietern, denn am besten bedient man die Auftraggeber, die genau die Leistung brauchen, die man am besten erbringen kann.

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Wir bedanken uns für Ihre Aufmerksamkeit und stehen auch nach der Veranstaltung jederzeit gerne für Fragen zur Verfügung.

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