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W enn von „neuen Mana- gement-Ansätzen“ die Rede ist, dann schrillen bei mir automatisch die Alarmglo- cken: Welcher alte Hut wird da wieder in einer neuen Pa- ckung verkauft? Welcher Mar- keting-Trick zur Steigerung ei- ner Auflage oder zur besseren Auslastung einer Beratergrup- pe steckt da wieder dahinter? Derzeit wird vielfach „Story- telling“ oder „Story Manage- ment“ als neue Heilslehre für das Management angeprie- sen. Ist es der x-te Aufguss von alten Konzepten? Um es kurz zu machen: Ja, das ist es! Seit der Antike – und vermutlich auch schon viel früher – begleiten die Men- schen in allen Kulturen Ge- schichten, Fabeln, Märchen und Überlieferungen. Ge- schichten sind die Grundlage von Kultur, Herrschaft, Macht, Ethik und vielem anderen. Der Mensch ist in seinem Wesen ein Erzählender. Uns allen vertraut sind die vielfältigen, farbenprächtigen – und lehr- reichen – Geschichten der Bi- bel. Auch der moderne Staat Israel baut in seinen geistigen Wurzeln auf Geschichten, Überlieferungen, Traditionen. Gott hat das erwählte Volk aus der Sklaverei in Ägypten befreit – vor ziemlich langer Zeit, wenn ich mich da recht erinnere. Und doch prägt die- se Geschichte die Identität ei- ner ganzen Nation – in der Gegenwart – als einem aus- gewählten Volk. Und die Geschichten und Gleichnisse des Neuen Testa- ments sind Bestandteil unserer – oft wenig christlichen – Ge- genwart: Viele Redewendun- gen zeugen davon: Stell Dein Licht nicht unter den Scheffel! Nimm erst den Balken aus dem eigenen Auge! Wer ohne Sünde ist, der werfe den ers- ten Stein! Wirf die Perlen nicht vor die Säue! Junger Wein in alten Schläuchen... und viele mehr! Warum sind Geschichten so wirksam? Warum prägen sie unser aller Leben in einem sol- chen Ausmaß? Und: Wie kön- nen Geschichten, wie kann die Kunst des Erzählens in ei- nem Unternehmen, im Mana- gement sinnvoll genützt wer- den? Futter für die rechte Hirnhälfte? Die Anhänger der sehr popu- lären – wenn auch stark ver- kürzenden – Lehre von den zwei Gehirnhälften würden die Wirkung von Geschichten, Gleichnissen, Storys oder Me- taphern einfach mit dem An- sprechen und Nutzen der rechten Hirnhälfte erklären. Diese ist ja angeblich zustän- dig für Bilder, Emotionen, ganzheitliche Betrachtungs- weisen und all die anderen, von den Links-Hemisphärlern so lange unterdrückten se- gensreichen Fähigkeiten. Auch wenn die Ansichten über die einfache Funktionstei- lung zwischen rechter und lin- ker Hirnhälfte in dieser Form nicht mehr aktuell sind – Ge- schichten bedienen wirklich vorzüglich unsere innere Vor- stellungswelt, unsere Phanta- sie, unsere Emotionalität. Lern- psychologisch kann man sa- gen, dass Geschichten, die gut erzählt werden, unsere in- nere Repräsentation vieler Sin- nessysteme aktivieren: Wir se- hen innere Bilder, hören Stim- men und Geräusche, schme- cken, fühlen und riechen et- was in unserer Vorstellung, wenn wir uns auf eine span- nende Geschichte einlassen. Dieses Nützen vieler Sinnes- systeme bei der internen Ver- arbeitung einer Geschichte dürfte auch einer der Gründe sein, warum Geschichten leicht zu merken und leichter weiter- zugeben sind: einmal gehört, vergisst man sie nicht mehr so schnell – und auch nach eini- gen Stufen des Weiter-Erzäh- lens bleibt doch meist der Kern, die Botschaft erhalten (auch wenn – im Zuge der se- lektiven Wahrnehmung – die einzelnen Geschichtenerzäh- ler ihren eigenen Senf dazu- geben und unpassende Zuta- ten herausfiltern …). Geschichten bringen also in unserem Inneren etwas zum Klingeln, sprechen unsere Emo- tionen an und nehmen uns mit in ein inneres Erleben. Und jeder Mensch dürfte ein tiefes Bedürfnis nach dem Aben- teuer im Kopf haben: Dort, wo sich was tut, ist das wahre Leben, dort, wo sich Emotio- nen zeigen, wo Erleben mög- lich ist, dort wollen wir hin, das zieht uns an. Geschichten versorgen uns mit dem lebens- COVER Power ohne Point – Präsentieren NEU Storytelling: Das Geschichtenerzählen wieder entdecken Hand aufs Herz – woran erinnern Sie sich bei einer lange zurückliegenden Präsentation? An die Zahlen, die Fakten, die Theorie? Oder an den zündenden Witz, die spannende Story, das emotional berührende Beispiel? Die Magie einer guten Geschichte zu nützen ist das Konzept des Storytellings. Was dahinter steht und wofür es im Management nützlich ist untersucht der folgende Beitrag von Mag. Dr. Gerhard Scheibel. 14 TRAiNiNG Nr. 1/Feb. 2005 14-25 cover bei KH fg/KH 04.02.2005 23:41 Uhr Seite 14

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Wenn von „neuen Mana-gement-Ansätzen“ die

Rede ist, dann schrillen beimir automatisch die Alarmglo-cken: Welcher alte Hut wirdda wieder in einer neuen Pa-ckung verkauft? Welcher Mar-keting-Trick zur Steigerung ei-ner Auflage oder zur besserenAuslastung einer Beratergrup-pe steckt da wieder dahinter?Derzeit wird vielfach „Story-telling“ oder „Story Manage-ment“ als neue Heilslehre fürdas Management angeprie-sen. Ist es der x-te Aufgussvon alten Konzepten?Um es kurz zu machen: Ja,das ist es! Seit der Antike –und vermutlich auch schon vielfrüher – begleiten die Men-schen in allen Kulturen Ge-schichten, Fabeln, Märchenund Überlieferungen. Ge-schichten sind die Grundlagevon Kultur, Herrschaft, Macht,Ethik und vielem anderen. Der

Mensch ist in seinem Wesenein Erzählender. Uns allenvertraut sind die vielfältigen,farbenprächtigen – und lehr-reichen – Geschichten der Bi-bel. Auch der moderne StaatIsrael baut in seinen geistigenWurzeln auf Geschichten,Überlieferungen, Traditionen.Gott hat das erwählte Volkaus der Sklaverei in Ägyptenbefreit – vor ziemlich langerZeit, wenn ich mich da rechterinnere. Und doch prägt die-se Geschichte die Identität ei-ner ganzen Nation – in derGegenwart – als einem aus-gewählten Volk.Und die Geschichten undGleichnisse des Neuen Testa-ments sind Bestandteil unserer– oft wenig christlichen – Ge-genwart: Viele Redewendun-gen zeugen davon: Stell DeinLicht nicht unter den Scheffel!Nimm erst den Balken ausdem eigenen Auge! Wer ohne

Sünde ist, der werfe den ers-ten Stein! Wirf die Perlen nichtvor die Säue! Junger Wein inalten Schläuchen... und vielemehr!Warum sind Geschichten sowirksam? Warum prägen sieunser aller Leben in einem sol-chen Ausmaß? Und: Wie kön-nen Geschichten, wie kanndie Kunst des Erzählens in ei-nem Unternehmen, im Mana-gement sinnvoll genützt wer-den?

Futter für die rechteHirnhälfte?

Die Anhänger der sehr popu-lären – wenn auch stark ver-kürzenden – Lehre von denzwei Gehirnhälften würdendie Wirkung von Geschichten,Gleichnissen, Storys oder Me-taphern einfach mit dem An-sprechen und Nutzen derrechten Hirnhälfte erklären.Diese ist ja angeblich zustän-dig für Bilder, Emotionen,ganzheitliche Betrachtungs-weisen und all die anderen,von den Links-Hemisphärlernso lange unterdrückten se-gensreichen Fähigkeiten.Auch wenn die Ansichtenüber die einfache Funktionstei-lung zwischen rechter und lin-ker Hirnhälfte in dieser Formnicht mehr aktuell sind – Ge-schichten bedienen wirklichvorzüglich unsere innere Vor-stellungswelt, unsere Phanta-sie, unsere Emotionalität. Lern-

psychologisch kann man sa-gen, dass Geschichten, diegut erzählt werden, unsere in-nere Repräsentation vieler Sin-nessysteme aktivieren: Wir se-hen innere Bilder, hören Stim-men und Geräusche, schme-cken, fühlen und riechen et-was in unserer Vorstellung,wenn wir uns auf eine span-nende Geschichte einlassen.Dieses Nützen vieler Sinnes-systeme bei der internen Ver-arbeitung einer Geschichtedürfte auch einer der Gründesein, warum Geschichten leichtzu merken und leichter weiter-zugeben sind: einmal gehört,vergisst man sie nicht mehr soschnell – und auch nach eini-gen Stufen des Weiter-Erzäh-lens bleibt doch meist derKern, die Botschaft erhalten(auch wenn – im Zuge der se-lektiven Wahrnehmung – dieeinzelnen Geschichtenerzäh-ler ihren eigenen Senf dazu-geben und unpassende Zuta-ten herausfiltern …).Geschichten bringen also inunserem Inneren etwas zumKlingeln, sprechen unsere Emo-tionen an und nehmen uns mitin ein inneres Erleben. Undjeder Mensch dürfte ein tiefesBedürfnis nach dem Aben-teuer im Kopf haben: Dort, wosich was tut, ist das wahreLeben, dort, wo sich Emotio-nen zeigen, wo Erleben mög-lich ist, dort wollen wir hin,das zieht uns an. Geschichtenversorgen uns mit dem lebens-

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Power ohne Point –Präsentieren NEUStorytelling: Das Geschichtenerzählen wieder entdecken

Hand aufs Herz – woran erinnern Sie sich bei einer

lange zurückliegenden Präsentation? An die Zahlen, die

Fakten, die Theorie? Oder an den zündenden Witz, die

spannende Story, das emotional berührende Beispiel?

Die Magie einer guten Geschichte zu nützen ist das

Konzept des Storytellings. Was dahinter steht und wofür

es im Management nützlich ist untersucht der folgende

Beitrag von Mag. Dr. Gerhard Scheibel.

14 TRAiNiNG Nr. 1/Feb. 2005

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notwendigen Futter für unserePhantasie, für unsere Träume,für unsere Modelle von derWelt. Ohne Emotionen, ohneErlebnisse ist das Leben leer –und Erlebnisse aus zweiterHand sind für unseren Kopffast genauso gut wie selbstErlebtes: Die Gehirnforschungzeigt, dass es zwischen derAbspeicherung einer Erinne-rung und einem konstruiertenBild wenig Unterschiede gibt(was übrigens im mentalenTraining ausgiebig genütztwird …).

Und dafür eignet sich Story-telling ideal

• Power ohne Point – unterdiesem griffigen Slogan ma-chen die Autoren des Buches„Storytelling“ (Hanser Verlag)Werbung für ein Präsentierenmit weniger Technik, dafür mitmehr Herz. Gute Redner wuss-ten das schon seit langem:Witze, Geschichten, Sketche,Pointen, Storys bleiben längerim Gedächtnis der Zuhörerhängen als Zahlen, Daten undFakten. Viel Wissen, viele

Konzepte und Ideen werdenaber in Büchern, auf Univer-sitäten oder in Seminaren insehr trockener Form darge-stellt. Es ist gar nicht so leichtfür einen Redner oder Präsen-tator einen sachlichen Inhaltfarbig, plastisch, emotionalbewegend zu verpacken. Aber gerade das Beherrschendieser Kunst macht einen gu-ten, wirksamen Redner aus.An anschauliche Beispiele, anplastisch gemalte Bilder (auchwenn sie nur mit Worten undohne Folien präsentiert wer-den), an Metaphern und guteGeschichten erinnert man sichgerne und oft. Leider hat sichin Management-Kreisen viel-fach der Irrglaube durchge-setzt, dass technisch hochwer-tige PowerPoint-Shows wichti-ger sind als eine sprachlicheund emotional gute Aufberei-tung. Die Computerprogram-me verleiten zum „Spielen“ mitEffekten, mit grafischen Tricksund innovativen Designs.Doch dabei wird oft das Wich-tigste einer Präsentation ver-gessen: der Mensch, der dieseInhalte verstehen und weiter-

tragen soll. Technische Perfek-tion heißt nicht automatischgehirngerechte Darstellung:Das Erzählen von Geschich-ten, das anschauliche, erlebni-sorientierte, das herzbewe-gende Schildern von Ideenund Konzepten ist die besteForm, Lerneffekte beim Men-schen auszulösen.• Das große Gebiet des Wis-sensmanagements ist eineweitere Anwendungsform desbewussten praktizierten Story-tellings. Denn was heißt es imGrunde genommen, Wissen ineiner Firma zu teilen, Wissenanderen zur Verfügung zustellen? Vielfach ist das Wis-sen nicht eine neue Theorie,

sondern die konkrete Erfah-rung mit einem Produkt, miteiner Prozedur – oder mit ei-nem Kunden! Und Informa-tionen über die Wünsche ei-nes Kunden, die besonderenVorlieben oder seine speziel-len Empfindlichkeiten werdenbesser in Form von Geschich-ten als in der Form von Daten-bankeinträgen weitergegeben.Elektronisch verarbeitete Infor-mationen haben viele Vorteile– von der einfachen Sortier-barkeit bis zur Möglichkeit dessystematischen Abrufens –aber sie haben ihr Leben, ihrePlastizität, ihren Erlebnischa-rakter eingebüßt. Keine Da-tenbank eignet sich zum Spei-chern von Emotionen, vonganzheitlichem Wahrnehmen.Storytelling als Methode desWissensmanagements klingtzunächst sehr nach „low tech“– hat aber eine große Wirk-samkeit in kleineren Teams.Die spannende Erzählungüber die Erlebnisse mit Kun-den X oder die lange miss-glückte – dann aber dochgeschaffte – Reparatur desGerätes Y erzeugt innere Bil-der bei den Zuhörern undmacht die Arbeit emotionalreicher. So ein Austausch anInformationen – vielleicht so-gar beim täglichen Kaffee-tratsch in der Küche – ist diegrundlegende Form von Wis-sensmanagement, die auchsehr einfach umsetzbar ist. Ein Beispiel: Bei der FirmaRank Xerox wurde in den

Die größte Macht hat das

richtige Wort zur

richtigen Zeit.

Mark Twain

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90er-Jahren so ein Modellumgesetzt: Bei der Beobach-tung der „Problemlösealgorith-men“ der Servicetechniker ent-deckte man, dass sie kniffligeFragen der Reparatur einzel-ner Geräte nicht in erster Liniedurch Blättern in dicken Hand-büchern lösten, sondern vorallem durch das Befragen an-derer Kollegen. Auch bei inof-fiziellen Treffen (Kaffeepausenetc.) machten oft Geschichtenvon neuen Reparaturideenund trickreichen Vorgehens-weisen die Runde. Wissens-austausch erfolgte also spon-tan – über das Erzählen vonGeschichten. Ein innovativerBerater machte aus diesemVerhalten eine Tugend: Stattdie Techniker zur schriftlichenAuswertung von Fehlern undpenibler Dokumentation vonneuen technischen Möglich-keiten zu vergattern, ließ erFunkgeräte in die Servicefahr-zeuge einbauen, die es den

Technikern ermöglichten, in-nerhalb einer bestimmten Re-gion mit anderen auf einer re-servierten Frequenz zu plau-dern, Fragen zu stellen, Erfah-rungen auszutauschen undeinfach „Geschichten zu er-zählen“. So entstand ein hie-rarchiefreies Netzwerk des In-formationsaustausches – indem jeder etwas einbringenund sich etwas herausholenkonnte. Schilderte ein Techni-ker ein Problem über Funk, sokonnte jeder, der gerade auch„on air“ war, sich einklinkenund seine Ideen dazu einbrin-gen – das voneinander Lernengeschah damit auf mündli-chem, flüchtigem Weg – ohneProzeduren, ohne besondereRegeln – und vor allem ohnezusätzlichen Aufwand!• Public Relations, Imagebil-dung und Öffentlichkeitsarbeitvon Firmen sind ein weiteressehr zukunftsträchtiges Gebiet,in dem Storytelling seinen

Platz findet. Welche „Ge-schichte“ verbindet ein Kundemit einer Marke? Welche in-neren Bilder, welche Erlebnis-qualität, welche Emotionenlöst ein Produkt, ein Unterneh-mensname aus? Bekannt istdas Beispiel der Firma Apple,von der die Geschichte kur-siert, dass ihr erster Computerin einer Garage in Kalifornienzusammengebastelt wurde.Egal ob diese Story stimmtoder nicht – sie bleibt hängenund sagt etwas über die Phi-losophie dieses Unternehmensaus: Mut, Unternehmergeist,Innovationskraft und Jugend-lichkeit schwingen bei so einerStory mit – und das sind ja füreine Firma keine schlechtenAssoziationen. Geschichten inUmlauf zu bringen, Geschich-ten über ein Unternehmen zupflegen wird in Zukunft immermehr das Geschäft der profes-sionellen PR-Agenturen wer-den – und das ist eine Aufga-be, die über reine sachlicheProduktpräsentationen oderFirmenfakten weit hinausgeht.Wir Konsumenten kaufen sel-ten mit dem Verstand alleine,wir kaufen mit einem Produktimmer Emotionen, Erlebnis-qualität mit. Und diese Seitezu verstärken ist eine prakti-sche Anwendung von Storytel-ling – mit enormen wirtschaft-lichen Konsequenzen!

Hohe Wirkung der negativenGeschichten

Untersuchungen haben ge-zeigt, dass schlechte Ge-schichten über eine Firma –negative Presse, negative per-sönliche Erlebnisse, die weiter-erzählt werden etc. – eine 10-mal höhere Wirkung habenals positive Geschichten. Dasist auch ein Grund, warum ei-nem aktiven Reklamationsma-nagement eine so hohe Be-deutung zukommt: Gelingt es,eine Reklamation durch gutes,konstruktives und wertschät-

zendes Behandeln in eine po-sitive Geschichte zu verwan-deln, dann ist nicht nur Scha-den abgewendet, sondernauch ein neuer Nutzen erzieltworden. Die Kosten so einerReklamationsbearbeitung ste-hen in keiner Relation zummöglichen Schaden, den ein„Abschasseln“ mit sich brin-gen kann. Wer erlebt hat,dass eine Beschwerde, einUmtausch, eine Rückgabeoder eine Serviceleistung ein-fach, schnell und unbürokra-tisch erledigt wurde, der hateine Geschichte, die er seinenFreunden, seinen Kollegenweitererzählen kann. Und dasist dann eine gute Geschichteüber dieses Unternehmen.Ich selbst hatte in einem Ur-laubsort einmal Spaghetti „à lamaitre cuisine“ bestellt. DerKellner servierte mir dieseMahlzeit – freundlich wie im-mer. Nach einigen Minutenbemerkte er, wie ich in diesenSpaghetti recht lustlos herum-stocherte und nur einen Teilder Zutaten anrührte, aber vielauf die Seite räumte. Er kamzu mir und fragte, ob mir diesebesondere Spaghettikreationdes Hauses nicht zusagte. Ichsagte: „Na ja...!“, aß aberweiter. Ohne ein weiteres Wortzu verlieren nahm mir derKellner den halb vollen Tellerweg und rief mir im Fortgehenzu: „Gleich bekommen Sieeine andere Portion – auf Kos-ten des Hauses!“ Nach einigenMinuten kamen wunderbare,köstlich mundende SpaghettiBolognese – und ich warzufrieden! Er stellte mir dannweder die eine noch die ande-re Portion in Rechnung – undentschuldigte sich zweimal fürdie Panne. Kein Wunder, dassich diese positive Geschichtevielen Freunden weitererzählthabe – und diese dann auchKunden dieses Lokals wurden.Eine unfreundliche Bewirtunghätte auf der anderen Seitedazu geführt, dass ich die

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T. 1/05

Fordern Sie Detailinformationen an!Hernstein International Management Institute

Stubenring 8-10, A -1010 WienT +43/1/514 506 600 F +43/1/514 506 617

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Abschluss mit dem Hernstein Management Degree

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Geschichte mit den grausli-chen Spaghetti auch vielenLeuten erzählt hätte – mit ent-sprechender Wirkung …!Auch die Attraktivität einerFirma für „High Potentials“wird durch das System Busch-trommel geprägt. Absolventenvon guten Schulen oder Uni-versitäten erzählen sich, wiees bei der Firma X oder derFirma Y zugeht – in Form vonGeschichten, in Form von Be-richten über selbst Erlebtes.Das Image, das so ein Unter-nehmen bei den möglichenneuen Mitarbeitern hat, bevorder Job-Aspirant überhauptüber die Schwelle des Firmen-tores getreten ist, wird in ho-hem Maße durch mündlichweitergegebene Geschichtenbestimmt.• Gerade in der Fernsehwer-bung merkt man einen Trendzu weniger Produktbeschrei-bungen, hin zu mehr Storys.War früher noch das lautstar-ke Anpreisen der Vorteile ei-nes neuen Waschmittels (Omowäscht weißer!) der Hauptin-halt eines Werbespots, so sindes heute immer öfter lustige,kurze, einprägsame Geschich-ten, die das Produkt oft nuram Rand erwähnen. Die Lot-teriewerbung etwa bringt im-mer kleine Storys, die zumSchmunzeln anregen und diedie Vorteile (und Nachteile)des Reichseins beschreiben.Manche Bierwerbung vermit-telt eher ein Lebensgefühl alseine Produktbeschreibung. Bril-lenreklame oder Autower-bungen nennen den Produkt-namen oft erst am Ende desSpots – und fesseln vorher dieAufmerksamkeit des p.t. Zuse-hers durch schöne Bilder undschnell bewegte Szenen. Undsolche Geschichten bleibenhängen, wirken auch im Un-terbewusstsein – mehr als diemarktschreierischen Anprei-sungen von Eigenschaften ei-ner Ware oder einer Dienst-leistung.

Bill Gates erzählt bei seinenAuftritten auf Kongressen undMessen gerne eine Geschichtevon der Zukunft der EDV: ermalt gerne ein Bild einer totalvernetzten, computerisiertenWelt – die für viele Kunden of-fensichtlich eine hohe Attrak-tivität besitzt. Visionäre sindimmer auch gute Geschichten-erzähler: sie erzählen die Ge-schichte von der Zukunft – undwenn diese lebendig, attraktivund mitreißend ist, dann legensie damit einen Baustein, dassdiese Geschichte auch Wirk-lichkeit wird.Geschichten, die Mitarbeitervon ihrem Unternehmen er-zählen, sind immer ein Spie-gel der Unternehmenskultur.Auf diese Geschichten zu hö-ren ist ein wichtiges Elementbei der Einleitung von ChangeManagement Prozessen – die-se Berichte über Erlebtes oderPhantasiertes geben Beraternund Managern Informationeneiner anderen Qualität als dieschönen Hochglanzbroschü-ren der firmeninternen PR-Ab-teilung.Auch Investoren wollen gerneGeschichten hören: die Ge-schichte vom blühenden Un-ternehmen, von der Bewäl-tigung der Krisen, von denstrahlenden Perspektiven. Wersolche Geschichten glaubhaftund authentisch erzählenkann, der findet ein offenesOhr bei Aktionären und Ban-ken – weil sich Zukunftsaus-sichten, Hoffnungen undChancen nicht nur über Zifferndarstellen lassen, sondern dasFleisch der guten Story brau-chen.

Die Eigendynamik vonGeschichten

Gute Geschichten sind so et-was wie ein „Selbstläufer“: sieverbreiten sich in Windeseileohne aktives Zutun des „Er-finders“. Wer eine gute Ge-schichte zu erzählen hat, tut es

aus eigenem Antrieb, nichtweil er dazu „motiviert“ wurde– denn der Erzähler gewinntdadurch die Aufmerksamkeitseiner Zuhörer, er hat ein in-teressantes Thema, er wird –für kurze Zeit – zum Mittel-punkt einer Gesellschaft. EineGeschichte auf „Lager“ zu ha-ben, um damit in einemFreundeskreis, bei Kollegenoder Nachbarn einen An-knüpfungspunkt zu finden, ei-ne Gelegenheit zur „Selbst-präsentation“ zu haben, ist fürviele Menschen erstrebens-wert.Ich kenne Damen und Herren,die immer ihr Suchradar nachneuen Geschichten eingeschal-tet haben, damit sie in einerRunde immer attraktiven „Stoff“vorrätig haben. Solche Men-schen gelten als gute Unter-halter, charmante Plaudererund sind – wenn sie nicht pe-netrant übertreiben – überallgerne gesehen.

Geschichten werden also ei-nerseits deswegen so gerne„von selbst“ weiterverbreitet,weil der Erzähler daraus ei-nen psychologischen Nutzenzieht. Auf der anderen Seitefreuen sich auch die Zuhörerüber spannende, interessante,lebensnahe Geschichten. BeimHeurigen oder beim Kaffee-klatsch interessiert sich nie-mand für Zahlen, Produkt-daten oder wissenschaftlicheErörterungen – aber jedermöchte gerne miterleben, mit-fiebern, mitfühlen, wenn eineretwas zu erzählen hat. Schon zu allen Zeiten war die„Mundpropaganda“ ein wirk-sames Mittel, Stimmungen zuerzeugen, Meinungen zu ver-breiten und auch politischeZiele zu transportieren. Ge-rüchte, die in Form einer gu-ten Geschichte gekleidet sind,verbreiten sich rasend schnell– und sind kaum durch „harteFakten“ widerlegbar, weil der

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Zauber einer Story – so „er-funden“ sie sein mag – nichtdurch Tatsachen gestört wer-den kann. Mercedes hat langegebraucht, um den Schadender amüsanten „Elchtest“-Ge-schichte (kein normal Sterb-licher fährt so deppert um dieKurven wie die Elchtester!)wieder abzuwenden und seinImage als Hersteller von gutenAutos zurückzugewinnen.Glaubwürdige Geschichtensind fast so wirksam wie ein„Mem“ oder ein Gedanken-virus (siehe Training Nr. 6/2002) – sie verbreiten sichvon selbst und sind kaum zuwiderlegen ...Für die Imagebildung einesUnternehmens sind solcheselbstverbreitenden Geschich-ten daher von nicht zu unter-schätzender Bedeutung – mitGeschichten, die „von selbst“weitererzählt werden, erreichtman eine andere Zielgruppeals mit klassischer Werbung –und noch dazu in einer ande-ren Qualität, mit einer ande-ren Glaubwürdigkeit. Der Er-zähler der Geschichte ist näm-lich hier der Absender – undnicht eine anonyme Firma!Eine gute Geschichte kann eineinziges Plakat mit einem gu-ten Slogan sein – oder auchdie „Herr-der-Ringe“-Trilogie:Eine gute Geschichte bringtbeim Zuhörer, beim Zuseheretwas zum Schwingen. Damitist auch schon das wichtigstePrinzip des Geschichten-Er-zählens beschrieben: Egal,vom wem die Rede ist, wel-ches Thema und welche Per-sonen die Geschichte bestim-men – eine Parallele, eine An-knüpfung für den Leser, denHörer muss leicht herstellbarsein. „Tua res agitur“, sagt derLateiner und meint damit, dassman sich – in irgendeinerForm – in einer guten Ge-schichte wiederfinden muss,wenn die Geschichte Wirkunghaben soll. Sei es durch Iden-tifikation mit der Hauptperson,

sei es durch einen Anklangan ähnliche, selbst erlebte Si-tuationen, Probleme, Span-nungen oder Chancen. Dasmenschliche Gehirn ist durch-aus in der Lage, auch in einerstarken Verfremdung Bezie-hungen zum eigenen Lebenherzustellen. Auch wenn ichnicht in Gondor war und kei-ne Ringe herumschleppe findeich mich in der einen oder an-deren Gestalt von J.R.R. Tol-kien wieder – oder erahne ei-ne Parallele zwischen einemGespräch, einer Situation, ei-nem Ereignis meines eigenenLebens mit der Phantasie-Storydieser Filme.

Wie gute Geschichtenaufgebaut sind

Gute Geschichten sind ein-fach, klar im Aufbau und er-zeugen Spannung. Die ein-fachste Form Spannung – unddamit Aufmerksamkeit – zuerzeugen ist es, ein Problemdarzustellen, eine Schwierig-keit zu schildern, die sich viel-leicht auch noch immer weitersteigert und aus der kein Aus-weg sichtbar wird – und danneine Lösung – wenn möglicheine unerwartete, eine unge-wöhnliche, eine kreative oderlustige – zu finden. So eineMinimaldramaturgie enthaltenfast alle Geschichten, die ger-ne weitererzählt werden: dieaufgebaute Spannung moti-viert zum Zuhören – denn ausso einer Geschichte kann je-der lernen, wie er mit eigenenSpannungen umgeht – unddie befreiende (hoffentlich, so-lange es eine positive Ge-schichte ist) Lösung erleichtertdann die Seele und das Ge-müt der Zuhörer. Man ist einStück des Erlebnisweges mit-gegangen, hat sich identifi-ziert, hat sich mitgefreut undmitgelitten und ist am Ende –wenn es hoffentlich das er-wartete Happyend gibt – er-leichtert und beglückt.

Je besser die Geschichte ist,umso unerwarteter ist das En-de, umso überraschender istdie Lösung. Das macht danndas Wesen einer guten Pointeaus – und je kreativer dieseausfällt, desto eher bleibt die-se Geschichte in Erinnerung.Von der sprachlichen Seitesind Geschichten dann leichtwahrnehmbar und gut merk-bar, wenn die Sätze kurz sind,viele Zeit- und Eigenschafts-wörter vorkommen und Nomi-nalisierungen und Hauptwort-stil tunlichst vermieden wer-den. Der Hauptwortstil, dieabstrakte Darstellung ist dieWelt der klassischen Business-Präsentationen – die Erzäh-lung lebt von Farben, von Ge-fühlen, von Erlebnissen, vonplastischen Bildern. Der Bild-entstehungsprozess im Gehirnder Zuhörer muss aktiviertwerden – das innere „Holly-wood-Studio“ muss in Aktiongebracht werden. Dann sinddie Worte einer Geschichteder Antrieb, im eigenen Kopfmeine eigene Geschichte ent-stehen zu lassen, mit all denBildern und Emotionen, diemir bekannt sind, die zu mei-ner Person passen und die inmeinem Fundus gespeichertsind. Keine zwei Wahrneh-mungen gleichen sich wie einEi dem anderen, jeder Hörereiner Geschichte macht –wenn er mitlebt – seine eigenedaraus – und das ist auch gutso, weil diese eigene Ge-schichte mehr Behaltewirkunghat. Wichtig ist dabei nur,dass der Kern, die Botschaftso klar ist, dass sie bei allerVerzerrung und Anpassungan die eigene Wahrneh-mungswirklichkeit erhaltenbleibt.Und diese Botschaft steckt im-mer zwischen den Zeilen. Gu-te Geschichten nennen ihre„Moral“ nicht – denn dieseentsteht im Kopf des Publi-kums. Die Botschaft der Ge-schichte wird selten explizit

genannt – aber sie schimmertunmissverständlich durch. Seies als eine Ermutigung, eineLehre über das Wesen desMenschen und der Welt, sei esals eine Ermahnung oder eineethische Botschaft. Jesus hatseine Gleichnisse nur sehr sel-ten „entschlüsselt“ – die ganz-heitliche Wirkung von Erzäh-lungen wird durch zu viel„Klartext“ reduziert.Es ist wirksamer für das Behal-ten und für die innere Verar-beitung, wenn der Zuhörereine Art „Aha-Erlebnis“ hat,wenn er die Bedeutung derGeschichte erkennt, wenn ersich seinen Reim auf das Er-zählte machen kann. Der Pro-zess der inneren Verarbeitung,der persönlichen Schlussfolge-rung, der persönlichen „Leh-re“, die daraus zu ziehen ist,ist durch nichts zu ersetzen –das hat mehr überzeugendeKraft als alles andere, weilman das Argument, die Bot-schaft, die Lehre selbst ent-deckt hat. Gute Geschichtenlassen klare Botschaft erken-nen – ohne dass sie ausge-sprochen sind.

Und was ist daran neu?

Schon der berühmte Psycho-therapeut Bruno Bettelheimforderte 1971: „Kinder brau-chen Märchen!“ Oder: Den-ken Sie nur daran, wie langedas Sprachbild von den „sau-ren Wiesen, die trocken gelegtwerden müssen“, die politi-sche Diskussion beherrschte.Oder daran, wie kraftvolleMetaphern uns in einer Weisepacken, wie es trockene Wor-te nie könnten: „Das ist dochan den Haaren herbeigezo-gen!“ „Du steckst bis zum Halsin der Sch…!“ „Schreib dirdas doch hinter die Ohren!“„Jetzt bist du aber wieder ein-mal ordentlich ins Fettnäpf-chen getreten…!“ Oder ganzpositiv: „Ich sehe da schon ei-nen Silberstreifen am Hori-

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zont!“ Metaphern, Bilder unddie „rechtshemisphärische Spra-che“ gehören zu unserem All-tag und wurden schon langevon therapeutischen Schulenbewusst genützt. So gesehenist Storytelling vielen Kom-munikatoren nicht neu!In der systemischen Familien-therapie und im NLP werdenMetaphern, anschauliche Bil-der und kleine Storys gerne alsMittel zur therapeutischen Ver-änderung eines Klienten be-nützt. Eine Botschaft, die in ei-ner Erzählung verpackt prä-sentiert wird, überwindet leich-ter die „Ja-aber“-Schwelle alsein direkter Rat. Aus dem, wasanderen Menschen passiert ist,was andere Menschen erlebthaben und wie andere Men-schen entschieden haben kannsich jeder seine Parallele fürsein Leben herausholen – aufeine sanfte, unaufdringlicheWeise „Ratschläge“, die imKleid einer Geschichte ange-boten werden, lösen mehrpositive Wirkung aus als dasAussprechen einer Empfehlungohne Umschweife.Dazu Yvonne van Dycke,id’institut Salzburg: „Die ei-gentliche Kraft von Geschich-ten liegt darin, Zustände beimZuhörer hervorzurufen undauch gezielt zu verändern,wobei gute Geschichten einZuhören mit allen Sinnen för-dern. So hört das Publikumdie Geschichte und übersetztsie in die eigene Welt, das,Kino im Kopf’ beginnt zu lau-fen, die dazugehörigen Ge-fühle stellen sich ein... eineWelt wird geschaffen! Umsomehr, je mehr der Erzähler,Trainer, Coach selbst in dieGeschichte einsteigt und siemit allen Sinnen kongruentvorlebt. So kann ein Erzählersich z. B. fragen, welche Zu-stände er im Training, Coa-ching ... hervorrufen möchte,z. B. vom Ärger zum Lachenund dann gezielt dazu Ge-schichten im eigenen Erfah-

rungsbereich, in Büchern su-chen. Dabei kann der Stim-mungswechsel vom Ärgerzum Lachen innerhalb einerGeschichte liegen. Sie kennensicher Filme, die sie so sehrfesseln, weil Handlungen par-allel laufen und immer zwi-schen den Handlungen ge-wechselt wird. Auf diese Artund Weise vorgetragene Ge-schichten erzeugen einen Span-nungsbogen, bei dem es demZuhörer schwer fällt sich ihmzu entziehen – und sozusagennebenbei werden womöglichRessourcen, neue Erkenntnisseund Einstellungen zugänglichgemacht. Diese Methode desTrainierens ist sehr angenehmfür den Zuhörer (außer fürsehr stark strukturierte Men-schen, die ein 1., 2., 3. bevor-zugen) und sehr anspruchsvollfür den Trainer. Der Aufwandjedoch lohnt sich, denn nurwenn die Stimmung gut ist, istLernen leicht“, bringt Yvonnevan Dyck die Vorteile des Er-zählens auf den Punkt.Nossrat Peseschkian hat mitseiner „Positiven Psychothera-pie“ schon in den 70er-Jahrendie Kraft von Märchen, Fabelnund Geschichten für die Hei-lung psychischer Probleme er-kannt und nützt diese in seinertherapeutischen Arbeit mitKindern und auch Erwachse-nen. In orientalischen Weis-heiten, in alten Sufi-Traditio-nen stecken – wie in vielenÜberlieferungen – viel Weis-heit und viele Schätze der Er-kenntnis. Vieles deckt sich da-bei auch mit der christlichenWeisheitsliteratur und ist nuranders eingekleidet – der Bau-plan des Menschen ist schließ-lich überall der Gleiche! DasStorytelling greift viele Gedan-ken aus antiker Weisheit undchristlicher Tradition in neuerWeise wieder auf – und machtes nützlich für das bewussteVerändern von Stimmungen,Meinungen und Images. GuteRhetorik-Lehrbücher aller Zei-

ten haben immer wieder be-tont, wie wichtig bildhafte, an-schauliche Darstellungen sind– nur hat die PowerPoint-Ge-neration da offensichtlich im-mer einige Seiten überlesen!Neu bei den Konzepten desStorytellings und des Story-Managements ist die Sichtwei-se, dass auch Firmen ihre Ge-schichte erzählen und dassGeschichten ein interessantesElement einer Management-Strategie sein können. SowohlFührungs- als auch Change-Prozesse können durch Ge-schichten gut begleitet undemotional vertieft werden.Diese strategische Verwen-dung des Instruments „Erzäh-len“ ist eine neue Entwicklung,die noch nicht am Ende ist.

Zusammenfassung:Storytelling und Story-Mana-gement fußen auf vielen altenIdeen und machen diese inneuer Weise für die Gegen-wart des Managements frucht-

bar. Diese Konzepte schaffenes, bewährte Traditionen desGestaltens der Welt über Er-zählungen, Fabeln und Mär-chen in guter Weise neu zuverpacken – mit ungewöhnli-chen Anwendungsfeldern. Dasist ein Ansatz, der dem Gan-zen des Menschen verpflichtetist – und damit eine ange-nehme Abwechslung zu denkopf-, theorie- und zahlenlas-tigen Management-Konzeptender letzten Zeit. Hier geht esnicht um Kennziffern, Score-cards oder Statistiken, hiergeht es um die andere Seitedes Menschen: um das Fühlenund Erleben! Und deshalblohnt es sich, diese Trends zubeobachten und aus dem Ge-schichten-Erzählen und Ge-schichten-Hören etwas für sichzu lernen.

Storytelling ist nicht gleichStorytelling ...

„Auf der Suche nach der per-

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fekten Lösung für alle mögli-chen Managementproblemesind wir alle hellwach und äu-ßerst aufnahmebereit. Und im-mer wieder gibt es ein neuesLicht am Ende des Tunnels,das Heilbringung verspricht...“, meint Gerald Ziegler vonder IMPULSwerkstatt, Ziegler& Lehner OEG in Salzburg.„Storytelling ist eines solcherLichtsignale. Wie die meistennicht neu, aber mit einem neu-en, modernen, pfiffigen Na-men versehen, ist es für er-folgsorientierte Manager eineannehmbare und willkomme-ne Ergänzung zum Führungs-Werkzeugkoffer (in dem danndoch oft nicht das drinnen ist,was der Lösung eines be-stimmten Problems nützlichsein könnte). Aber es ist – wiein den meisten Fällen – auchhier so, dass es darauf an-kommt, die Methode im richti-gen Moment, in der richtigenArt und Weise einzusetzen“,bringt Ziegler die Vorteile aufden Punkt.Stroytelling ist vielseitig und fa-cettenreich. Im Marktfor-schungsbereich dient das „nar-rative“ Interview schon seitjeher dazu, mehr als nur „Ja“,„Nein“, „Weiß nicht“ aus denProbanden herauszubekom-

men. Klar muss einem dabeinur sein, dass die Auswertungim ersteren Fall einfacher unddaher kostengünstiger ist, al-lerdings sind offen formulierteAntworten/Geschichten in derRegel viel aussagekräftigerund tiefgründiger. Ziegler:„Die entscheidende Fragedaher: Was ist das Ziel/Er-gebnis, das ich erreichenmöchte? Und zahlt sich derMehr-, Zeit- und Kostenfaktordafür aus?“Storytelling als Teil eines Wis-sensmanagement-Konzeptseines Unternehmens hat eineähnliche Funktion, muss aberwiederum anders gestartetund betreut werden. Ganzklar muss auch hier vor demEinsatz definiert sein, was da-

mit erreicht werden soll. Jenach Zielsetzung ist ein ande-res Setting, eine andere Start-fragestellung und eine andereForm der Zusammenführungder Ergebnisse bzw. der Ge-schichten notwendig. Das pas-siert nicht von alleine!Diskussionswürdig ist auch dieFrage: „Müssen Storys immerwahr sein bzw. ihnen wahreBegebenheiten zugrunde lie-gen?“ Und dazu gibt es ein-deutig zwei Antworten: Nein!Und Ja!Ziegler: „Nein gilt in den Fäl-len, in denen man etwas sa-gen/lehren möchte, das an-ders formuliert vielleicht weh-tun oder nicht akzeptiert wer-den könnte. Wir denken dabeian die Fabeln oder Märchen,die wir ja schon als Kinder er-zählt bekommen haben unddie uns lehrten, gewisse Dingenicht zu tun oder darauf spe-ziell Acht zu geben usw. Daslässt sich auch in den Ge-schäftsalltag transferieren. Jagilt, wenn es um Erlebnisse,Erfahrungen und Ereignisse imUnternehmen geht, die auf Be-hagen oder Unbehagen, aufKommunikationsprobleme,Entwicklung neuer Ideen fürProdukte und Leistungen hin-weisen sollen. Wenn hier je-

der nur ,G‘schichtln drückt’,kann kein wirkungsvoller An-satz zur nachhaltigen Verän-derung gefunden werden.“Achtung: Storytelling soll auchnicht die Stunde der großenEntertainer sein, frei nach demMotto: Jeder, der gute, pa-ckende, unterhaltsame Ge-schichten erzählen kann istautomatisch erfolgreich. Dasendet dann so, wie nach vie-len großen Symposien: Wennman die Veranstaltung verlässtist man fasziniert von denAussagen und der Form derDarstellung. Wenn man dannam nächsten Tag ins Bürokommt fragt man sich: „Wasvon dem kann ich bei mir, inmeinem Unternehmen ein-und umsetzen?“ Ziegler ergänzend: „Im Grun-de kann man aber sagen, dassStorytelling eine sehr gute,wieder aufgefrischte Methodeist, die – bei richtigem Einsatz– sehr tiefgründig Infor-mationen, Wisssen und Be-findlichkeiten ans Tageslichtbefördert, die sonst verborgenblieben bzw. im ,Reverse’-Fallzur Verbreitung bringt. Dieentscheidenden Anschlussfra-gen sind: ,Wollte ich das – undwas mache ich mit den ge-wonnenen Erkenntnissen?‘“ T

Gerald Ziegler

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Eine „Alltagsgeschichte“

Ein Logistikunternehmen wolltevon einem IT-Dienstleister eineentsprechende Software. DemKunden war es wichtig, dassdie Software auf die realenund alltäglichen Erfordernissein der Logistik abgestimmt seinsollte. Daraufhin machte derLeiter des Programmierer-teams den Vorschlag, dass ei-ne Gruppe seiner Program-mierer zunächst eine Wochelang als „Hilfsarbeiter“ beidem Logistikunternehmen mit-arbeiten sollte. Kunde undProgrammierer machten beidem Projekt mit. Die Software-leute lernten vor Ort und auseigener Erfahrung die Abläufeund speziellen Anforderungenbeim Kunden kennen. Pro-grammierung, Abstimmungmit dem Kunden und Imple-mentierung der Software gin-gen danach wesentlich schnel-ler vonstatten als bei vergleich-baren Projekten. Der Kundewar hochzufrieden.(Aus Frenzel et al: Storytelling)

Über die Vorteile vonMisserfolgen

Ein gelehriger junger Mann,den es nach Wissen und Weis-heit dürstete, hatte unter vielenEntbehrungen fern seiner Hei-mat, in Ägypten, die Physio-gnomie, die Wissenschaft derAusdruckskunde, studiert. SechsJahre hatten seine Studien ge-dauert. Schließlich legte er diePrüfung mit bestem Erfolg ab.Voll Freude und Stolz ritt er inseine Heimat zurück. Jeden,den er unterwegs traf, sah ermit den Augen seiner Wissen-

schaft an und um seine Kennt-nisse zu erweitern, las er imGesichtsausdruck aller, die ihmbegegneten. Eines Tages traf ereinen Mann, in dessen Gesichter folgende sechs Eigenschaf-ten ausgeprägt fand: Neid,Eifersucht, Gier, Habsucht,Geiz und Rücksichtslosigkeit.„Bei Gott, was für ein ungeheu-rer Gesichtsausdruck, so etwashabe ich noch nie gesehen undgehört! Ich könnte hier meineTheorie prüfen.“ Während erdies dachte, kam der Fremdemit einer freundlichen, gütigenund demütigen Haltung auf ihnzu: „O Scheich! Es ist schonspät am Tage und das nächsteDorf ist weit weg. Meine Hütteist klein und dunkel, aber ichwerde dich auf meinen Hän-den tragen. Welche Ehre wärees für mich, wenn ich dich die-se Nacht meinen Gast nennendürfte und wie glücklich würdemich deine Anwesenheit ma-chen!“ Verwundert dachte un-ser Reisender: „Wie erstaun-lich! Welch ein Unterschiedbesteht zwischen den Redendieses Fremden und seinemabscheulichen Gesichtsaus-druck!“ Diese Erkenntnis er-schreckte ihn zutiefst und er be-gann an dem, was er sechsJahre gelernt hatte, zu zwei-feln. Um sich Gewissheit zuverschaffen nahm er die Einla-dung des Fremden an. Dieserverwöhnte den Gelehrten mitTee, Kaffee, Säften, Gebäckund einer Wasserpfeife. Erüberhäufte seinen Gast mit Lie-benswürdigkeiten, mit Auf-merksamkeit, Güte und Höf-lichkeit. Drei Tage und Nächtegelang es dem Gastgeber, un-seren Reisenden bei sich zu

halten. Endlich war es dem Ge-lehrten möglich, sich der gast-freundlichen Höflichkeit zuerwehren und den festen Ent-schluss zur Weiterreise zu fas-sen.Als der Abschied gekommenwar, reichte sein Gastgeberihm einen Briefumschlag mitden Worten: „O Herr, das isteure Rechnung!“ „Welche Rech-nung?“, fragteder Gelehrte ver-wundert. Wie man ein Schwertaus der Scheide zieht, zeigteder Gastgeber plötzlich seinwahres Gesicht. Er zog seineStirn in strenge Falten undschrie mit böser Stimme: „Soeine Unverschämtheit! Washast du dir denn gedacht, alsdu hier alles gegessen hast?Hast du denn gedacht, dassdas alles umsonst war?“ Beidiesen Worten kam der Ge-lehrte mit einem Schlag zu sichund schweigend öffnete er denBrief. Er sah, dass das, was ergegessen und nicht gegessenhatte hundertfach in Rechnunggestellt worden war. Nicht dieHälfte des Geldes trug er beisich, das von ihm gefordertwurde. Notgedrungen stieg ervom Pferd und gab es seinemWirt, dazu den Sattel mit allemGepäck, und als dies nochnicht reichte, zog er auch nochsein Reisekleid aus. Zu Fußmachte er sich auf den Weg.Wie verzückt beugte er seinenOberkörper bei jedem Schrittund Tritt. Man hörte noch übereine lange Strecke seine Stim-me: „Gott sei Dank, dass meinesechs Jahre Studium nicht ver-geblich waren!“(Aus: Nossrat Peseschkian: Der nackte Kaiser, Pattloch Verlag)

Training lohnt sich!

Ein Zauberkünstler führte amHofe des Sultans seine Kunstvor und begeisterte seine Zu-schauer. Der Sultan selber waraußer sich vor Bewunderung:„Gott stehe mir bei, welch einWunder, welch ein Genie!“Sein Wesir gab zu bedenken:„Hoheit, kein Meister fällt vomHimmel! Die Kunst des Zaube-rers ist die Folge seines Fleißesund seiner Übungen.“Der Sultan runzelte die Stirn.Der Widerspruch seines We-sirs hatte ihm die Freude anden Zauberkunststücken ver-dorben. „Du undankbarerMensch! Wie kannst du be-haupten, dass solche Fähig-keiten durch Übung kommen?Es ist wie ich sage, entwederman hat das oder nicht. Du je-denfalls hast es nicht, ab mitdir in den Kerker, dort kannstdu über meine Worte nach-denken! Und damit du nicht soeinsam bist und du deinesglei-chen um dich hast, bekommstdu ein Kalb als Kerkergenos-sen.“ Vom ersten Tag seinerKerkerzeit an übte der Wesirdas Kalb hochzuheben undtrug es jeden Tag über dieTreppen seines Kerkerturmes. Die Monate vergingen. Ausdem Kalb wurde ein mächti-ger Stier, und mit jedem Tagder Übung wuchsen die Kräftedes Wesirs. Eines Tages erin-nerte sich der Sultan an seinenGefangenen. Er ließ ihn ho-len. Bei seinem Anblick aberüberwältigte ihn das Staunen:„Gott stehe mir bei, welch einWunder, welch ein Genie!“Der Wesir, der mit ausge-streckten Armen den Stier

König, Teufel & WesirEin paar Geschichten zum Weitererzählen

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trug, antwortete mit den glei-chen Worten wie damals:„Hoheit, kein Meister fällt vomHimmel! Dieses Tier hattest dumir in deiner Gnade mitgege-ben. Meine Kraft ist die Folgemeines Fleißes und meinerÜbung.“(Aus: Nossrat Peseschkian: Dernackte Kaiser, Pattloch Verlag)

Über die echten Hindernissezum Erfolg

In einer alten Legende wirdvon drei Teufelslehrlingen er-zählt, die eines Tages auf dieErde kamen, um hier ihre Aus-bildung abzuschließen. Sieunterhielten sich mit Satan,dem Obersten der Teufel, überihre Pläne, die Menschen inVersuchung zu führen und zuverderben. Der erste Lehrlingsagte: „Ich werde den Men-schen beibringen, dass es kei-nen Gott gibt!“ Satan entgeg-nete: „Damit wirst du nicht vie-le für uns gewinnen. Denn diemeisten Menschen ahnen,dass Gott existiert. Sie habeneine Neigung in ihrem Her-zen, an Gottes Dasein zuglauben. Diese Neigung wirstdu nicht leicht aus ihren Her-zen reißen können!“ Derzweite Lehrling sprach: „Ichwerde den Menschen sagen,dass es keine Hölle gibt unddass sie für ihre Sünden keine

Strafe zu fürchten brauchen.“Satan erwiderte: „Auf dieseWeise wirst du kaum jemandin die Irre führen. Kluge Men-schen wissen längst, dass eseine Hölle gibt und dass jedeböse Tat die ihr gemäße Strafenach sich zieht!“ Der dritteLehrling erklärte: „Ich werdeden Menschen einreden, dassman alles verschieben kann;dass es nichts gibt, was hierund jetzt getan werden muss!“„Geh ans Werk!“, sprach derSatan, „du wirst Erfolg haben.Tausende wirst du betrügenund uns in die Arme treiben!“(Aus: Nossrat Peseschkian: Dernackte Kaiser, Pattloch Verlag)

Stress kann blind machen

Ein Hufschmied, der sich eineskleinen Vergehens schuldiggemacht hatte, fand einenweisen Richter: „Sieben Tagelang sollst du Hufeisen schmie-den!“, urteilte dieser. „Das Er-gebnis deiner Arbeit soll denArmen dieser Stadt zugutekommen. Danach wollen wirüber deine Strafe reden.“Am nächsten Tag machte derHufschmied sich ans Werk. Erschmiedete und schmiedeteohne Pause. Sein Gesichtglühte vom Feuer der Esse undder Schweiß rann ihm von derStirn. Aber er fuhr fort ohneUnterlass. Da trat ein wan-

dernder Geselle bei ihm einund bat um Arbeit, Unterkunftund Brot. „Ich habe keine Zeit,dich zu beschäftigen“, erwi-derte der Hufschmied. „Gehins nächste Dorf. Dort wirst dufinden, was du brauchst.“ Under fuhr fort in seiner Arbeit dieganze Nacht hindurch, ohnezu ruhen. Am zweiten Tagkam ein Freund in die Schmie-de, um nach ihm zu sehenund ein paar Worte mit ihmzu wechseln. „Ich habe keineZeit“, sagte der Hufschmied.„Geh ins Wirtshaus, dort wirstdu Unterhaltung finden.“ Undohne aufzuschauen fuhr erfort in seiner Arbeit bis in dendritten Tag. An dem schien dieSonne hell vom Himmel, undein Nachbarmädchen mit blo-ßen Füßen, lachenden Augenund einem blonden Locken-kopf lugte neugierig durch dasTor. Es brachte einen Blu-menstrauß, um den Schmiedzu erfreuen. „Tut mir leid,mein Kind, ich habe keineZeit. Bring die Blumen zur Bä-ckerin, die gibt dir eine Sem-mel. Ich muss schmieden!“ Und er fuhr fort, die Glut zuschüren und das Eisen zuschmieden, solange es glühte.Und am vierten Tag trat einDiener bei ihm ein, der hatteam Arm eine tiefe Wunde, ausder er blutete.„Verbinde mich!“, bat er. „Ichhabe keine Zeit!“, antworteteder Hufschmied. Geh dortdrüben an den Kasten. Darinist sauberes Leinen.“ Und errief eine Magd, dem Dienerdie Wunde zu schließen. Eraber schmiedete und schmie-dete ohne Unterlass. Am nächs-ten Tag trat ein fliegenderHändler zu ihm und bot ihmerbauliche Bilder und Schriftenzum Kauf. „Du störst mich beimeiner Arbeit!“, fuhr derSchmied ihn unfreundlich an.„Pack dich oder ich mache dieHunde los!“ Und er fuhr fort inseiner Arbeit, ohne nachzulas-sen. Am sechsten Tag kamen

Nachbarn, die waren besorgtum sein Wohlergehen. Siebrachten Brot, Fleisch undWein, damit er sich stärkte.„Ich kann nicht mit euch essen,ich habe keine Zeit. Kommtübermorgen wieder!“ Und erschürte das Feuer, schwangden Hammer und schmiedete.Am siebten Tag trat das Mäd-chen zu ihm, das ihm verspro-chen war, einen Blick nur zutauschen oder einen Kuss,denn es hatte schon gehört,dass er von seiner Arbeit nichtabließ. Er aber sprach: „Ichhabe keine Zeit!“, sah nichteinmal auf und bemerkte auchdie traurigen Augen nicht, mitdenen es sich abwendete undvon ihm ging.Am Ende dieses Tages ließ erden Hammer fallen und dieGlut der Esse erlöschen. Erzählte die Eisen, die er ge-schmiedet hatte und sankdann in einen tiefen Schlaf.Am anderen Morgen erschiener vor seinem Richter, um dieEisen zu bringen, deren Erlösfür die Armen bestimmt war.„Du hast gut gearbeitet“, sag-te der Richter. „Doch es hättemehr sein können.“ „Euer Eh-ren“, antwortete der Huf-schmied. „Mehr zu tun standnicht in meinen Kräften. Ichhabe sieben Tage und Nächtenicht geruht. Ich habe keineNahrung zu mir genommenund alle Gäste abgewiesen.“„Das ist es ja, was ich mei-ne!“, erwiderte der Richter.„Ich habe dir sieben Gäste mitden guten Dingen des Lebensgeschickt und du hast sie alleabgewiesen.“ „Ich wollte keineZeit verlieren und so viele Ei-sen wie möglich schmieden.Deshalb wies ich sie ab“, ver-teidigte sich der Hufschmied.„Das war nicht klug von dir“,wandte der Richter ein. „Hät-test du sie willkommen gehei-ßen, wären sie und ihre Ga-ben für dich und deine Arbeitvon großem Nutzen gewe-sen.“ „War denn all mein Tun

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vergeblich?“, fragte daraufhinder Hufschmied. „Nein!“, er-widerte der Richter. „Der Erlösdeiner Arbeit wird den Armenzugute kommen!“ „Und wel-che Strafe muss ich nun ver-büßen?“ fragte der Huf-schmied. „Du musst mich miss-verstanden haben“, sprachdaraufhin der Richter. „Fürdein Vergehen habe ich dirauferlegt, sieben Tage zuschmieden zum Wohle der Ar-men. Es war an dir, ob diesesieben Tage zu einer Strafeoder zu einem Geschenk wur-den. Du hast die Strafe ge-wählt!“(Aus: Alexa Mohl: Das Meta-phern-Lernbuch)

Präsent sein lohnt sich

Die Begebenheit trug sichEnde der 20er-Jahre in NewYork zu. Damals herrschtegroße Arbeitslosigkeit. EineFirma hatte einen Job für ei-nen Morse-Operator ausge-schrieben (damals wurden dieSignale mit einem Finger aufeiner Spezial-Taste gemorst).Es meldeten sich ca. 300 Leu-te. Die Firma hatte auf einerSeite in der Riesenhalle einigekleine Interview-Räume ein-gerichtet und verteilte Num-mern in der Reihenfolge desAnkommens.Natürlich gab es nicht genü-gend Stühle, so dass viele sichgottergeben auf den Bodensetzten, um zu warten. Es warheiß, im Hintergrund wurdegehämmert, und immer nochkamen Bewerber. Da erschienein junger Mann, der dieNummer 254 erhielt (er waralso erst relativ spät aufge-taucht), und auch er setztesich zunächst auf den Boden.Aber nach ungefähr zwei Mi-nuten stand er plötzlich auf,ging zielstrebig zu einemRaum auf der anderen Seiteder Halle, klopfte an, warteteüberhaupt nicht, ob jemand„Herein!“ sagte, betrat den

Raum und verschwand darin.Nach ungefähr drei Minutenkam er wieder aus dem Raum,begleitet von einem älterenHerrn. Dieser teilte den War-tenden mit, sie könnten jetztalle nach Hause gehen, dennder Job sei gerade vergebenworden, und zwar an diesenjungen Mann.Der ältere Herr erklärte denWartenden, warum der jungeMann den Job bekam: „Siesaßen da, Sie hörten dasHämmern, Sie dachten viel-leicht, wir würden renovieren,aber wir renovieren nicht! Siesind Morse-Operatoren, undda hat jemand mit dem Ham-mer Morsezeichen geklopft:Wenn du das verstehst, gehezu Raum Nr. 1220, klopfe an,warte nicht auf ein ,Herein!’und du hast den Job!“(Aus: Vera Birkenbihl: Story-Power)

Das fehlertoleranteUnternehmen

(Verzeihen ist die größte Hei-lung) ...wenn ein Stammesmit-glied der Babemba aus Süd-afrika ungerecht gewesen istoder unverantwortlich gehan-delt hat, wird er in die Dorf-mitte gebracht, aber nicht da-ran gehindert, wegzulaufen.Alle im Dorf hören auf zu ar-beiten und versammeln sichum den „Angeklagten“. Dannerinnert jedes Stammesmit-glied, ganz gleich welchen Al-ters, die Person in der Mittedaran, was sie in ihrem LebenGutes getan hat.Alles, an das man sich in Be-zug auf diesen Menschen er-innern kann, wird in allen Ein-zelheiten dargelegt. Alle seinepositiven Eigenschaften, seineguten Taten, seine Stärken undseine Güte werden dem „An-geklagten“ in Erinnerung ge-rufen. Alle, die den Kreis umihn herum bilden, schilderndies sehr ausführlich. Die ein-zelnen Geschichten über diese

Person werden mit absoluterEhrlichkeit und großer Liebeerzählt. Es ist niemandem er-laubt, das Geschehene zuübertreiben und alle wissen,dass sie nichts erfinden dür-fen. Niemand ist bei dem, waser sagt, unehrlich und sarkas-tisch. Die Zeremonie wird solange fortgeführt, bis jeder imDorf mitgeteilt hat, wie sehr erdiese Person als Mitglied derGemeinde schätzt und respek-tiert. Der ganze Vorgang kannmehrere Tage dauern. Am En-de wird der Kreis geöffnet,und nachdem der Betreffendewieder in den Stamm aufge-nommen worden ist, findet ei-ne fröhliche Feier statt.Wenn wir durch die Augender Liebe sehen, wie es in derZeremonie so schön sichtbarwird, entdecken wir nur Ver-gebung und den Wunschnach Integration. Alle Mitglie-der des Kreises und die Per-son, die in der Mitte steht,werden daran erinnert, dass

durch Verzeihen die Möglich-keit gegeben wird, die Ver-gangenheit und die Angst vorder Zukunft loszulassen. DerMensch in der Mitte wird nichtlänger als schlecht bewertetoder aus der Gemeinschaftausgeschlossen. Stattdessenwird er daran erinnert, wieviel Liebe in ihm steckt unddann wieder in die Gemein-schaft integriert!(Aus: Vera Birkenbihl: Story-Power)

Veränderung, Wettbewerb,Strategie…

Zwei Männer treffen im Waldauf einen angriffslustigenGrizzlybären. Einer von bei-den zieht sich rasch Turn-schuhe an, worauf der anderemeint: „Das hilft nichts, demBären läufst du so oder sonicht davon!“ Antwort desTurnschuhträgers: „Mag schonsein, aber Hauptsache, ichlaufe schneller als du!“ T

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