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Praktikum Materialwissenschaft III Metropolis Monte-Carlo Simulation einer binären Mischung im Ising-Modell Manuel Diehm ([email protected]), L1|08 (CSI), R212 Péter Ágoston ([email protected]), L1|08 (CSI), R212 Wintersemester 2011 Version vom 21. Okt. 2011 Treffpunkt: L1|02, Computerpool Materialwissenschaft 1 Einleitung Der einzig stabile Zustand eines Systems ist der Zustand des thermody- namischen Gleichgewichts. Jeder Nichtgleichgewichtszustand ist bestrebt ins thermodynamische Gleichgewicht zu gelangen. Der Gleichgewichtszu- stand wird durch das Minimum eines der thermodynamischen Potentiale 1 bestimmt: Potential Definition Randbedingungen Ensemble (Innere) Energie U S ,V ,N = const. mikrokanonisch Enthalpie H = U + pV S ,p,N = const. Freie Energie F = U - TS T ,V ,N = const. kanonisch Freie Enthalpie G = U - TS + pV T ,p,N = const. isotherm-isobar Großkanonisches Potential Φ= U - TS - μN T ,V ,μ = const. großkanonisch 1 Im Englischen bezeichnet man nach IUPAC Empfehlung die Freie Energie als “Helm- holtz Energy” und die Freie Enthalpie als “Gibbs Energy”. 1

Praktikum Materialwissenschaft III Metropolis Monte-Carlo ... · Der Metropolis Monte-Carlo Algorithmus ermöglicht es, ein System, wel- ches sich in Kontakt zu einem Wärmereservoir

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Praktikum Materialwissenschaft III

Metropolis Monte-Carlo Simulation einer binärenMischung im Ising-Modell

Manuel Diehm ([email protected]), L1|08 (CSI), R212

Péter Ágoston ([email protected]), L1|08 (CSI), R212

Wintersemester 2011Version vom 21. Okt. 2011

Treffpunkt: L1|02, Computerpool Materialwissenschaft

1 Einleitung

Der einzig stabile Zustand eines Systems ist der Zustand des thermody-namischen Gleichgewichts. Jeder Nichtgleichgewichtszustand ist bestrebtins thermodynamische Gleichgewicht zu gelangen. Der Gleichgewichtszu-stand wird durch das Minimum eines der thermodynamischen Potentiale1

bestimmt:

Potential Definition Randbedingungen Ensemble

(Innere) Energie U S,V ,N = const. mikrokanonischEnthalpie H = U + pV S,p,N = const.Freie Energie F = U − TS T ,V ,N = const. kanonischFreie Enthalpie G = U − TS + pV T ,p,N = const. isotherm-isobarGroßkanonischesPotential

Φ = U − TS − µN T ,V ,µ = const. großkanonisch

1Im Englischen bezeichnet man nach IUPAC Empfehlung die Freie Energie als “Helm-holtz Energy” und die Freie Enthalpie als “Gibbs Energy”.

1

Welches Potential das Gleichgewicht bestimmt, entscheiden die Randbedin-gungen des Systems. Die meisten für die Praxis interessanten Systeme be-finden sich in Kontakt mit einem Wärmereservoir (=Entropiereservoir). Indiesen Systemen wird der Gleichgewichtszustand, abhängig von den weite-ren Randbedingungen, durch das Minimum der Freien Energie F , der Frei-en Enthalpie G oder des Großkanonischen Potentials Φ bestimmt. Kenntman das charakteristische thermodynamische Potential der Phasen einesSystems als Funktion seiner natürlichen Variablen2, so lässt sich darausdas Phasendiagramm des Systems konstruieren. Hier ist dies schematischdargestellt am Beispiel einer ordnenden binären Legierung mit der unge-ordneten Phase α und der geordneten Phase α′.

Die Bestimmung der thermodynamischen Potentiale erfordert Kenntnis derInneren Energie des Systems (U) sowie der Entropie (S) bei vorgegebenerTemperatur.

Ein einfaches analytisches Modell zur Berechnung dieser Größen ist dasder regulären Lösung. Die Entropie einer binären Legierung berechnet sichdabei kombinatorisch über die Anzahl an Möglichkeiten, die Atome aufeinem festen Gitter zu verteilen. Nach Näherung der Fakultäten durch dieStirling Formel erhält man so für die molare Mischentropie (Smixm ):

Smixm = −R [XA ln(XA) +XB ln(XB)] .

Hierbei bedeuten N die Gesamtzahl der Atome des Systems (in mol), R dieideale Gaskonstante und XA, XB die Konzentrationen der beiden Kompo-nenten A und B. Die molare Mischenergie ergibt sich unter der Annahme,das alle Atome zufällig auf dem Gitter verteilt sind zu

Umixm = ΩXAXB = NazεXAXB,

2Die natürlichen Variablen sind jene, die über die Randbedingungen als konstant vor-gegeben werden

2

mit Na der Avogadro Konstanten, z der Zahl der Nächsten Nachbar Bindun-gen und ε = εAB − 1

2(εAA + εBB) dem Unterschied der A-B Bindungsener-

gie zur mittleren Bindungsenergie gleichartiger Atome. Modelle wie diereguläre Lösung können zwar qualitativ das Verhalten solcher Systemenbeschreiben, sind aber aufgrund der verwendeten Näherungen für quanti-tative Voraussagen zu ungenau. Das Modell der regulären Lösung ist exaktfür den Fall, dass die Mischenergie des Systems Null beträgt, wird aber mitzunehmender Mischenergie immer ungenauer. Der Grund liegt darin, dassdas Gitter nun nicht mehr zufällig besetzt ist, sondern die Atome gleich-artige oder ungleichartige Nachbarn bevorzugen. Dies führt auch zu Feh-lern in der Abschätzung der Mischentropie, da die energetisch günstigenKonfigurationen nun ein höheres Gewicht haben (sog. Wärmetönung derEntropie).

Um genauere Voraussagen über die Stabilität von Systemen treffen zukönnen, bedient man sich der Computersimulation. Die Innere Energie ei-nes Systems lässt sich dabei über ein geeignetes Modell der interatoma-ren Wechselwirkung berechnen. Die direkte Berechnung der Entropie isthingegen nicht ohne weiteres möglich. Um den Einfluss der Entropie aufdas Gleichgewicht zu berücksichtigen, bedient man sich daher statistischerSampling Methoden, welche die möglichen Zustände des Systems mit derkorrekten relativen Wahrscheinlichkeit besuchen und somit die Entropieimplizit berücksichtigen. Eine solche Methode ist der Metropolis Monte-Carlo Algorithmus, welcher in diesem Praktikum verwendet wird. Die Be-rechnung der Energie des Systems erfolgt dabei über das Ising Modell.

Ziel des Praktikums ist die Bestimmung des Gleichgewichtszustandeseiner binären Legierung in Abhängigkeit der Temperatur. Dabei sollen diePhänomene des Unordnungs-Ordnungs Phasenübergangs sowie der Spino-dalen Entmischung untersucht werden.

Lernziele

• Ising Modell

• Metropolis Monte-Carlo

• Ordnungs-Unordnungs Phasenübergang

• Spinodale Entmischung

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2 Grundlagen

2.1 Ising Modell

Um ein Material atomistisch modellieren zu können, benötigt man ein Mo-dell für die Wechselwirkung zwischen den Atomen. betrachtet auf dem dieatomaren Abstände konstant sind. Hierfür gibt es ein einfaches Modell deratomaren Wechselwirkung, das Ising Modell. Die Energie Ei eines Atoms ihängt hier nur von Art und Anzahl der nächsten Nachbaratome ab:

Ei =∑j

Jij

Hierbei ist Jij ein (empirischer) Wechselwirkungsparameter und der Indexj läuft über alle nächsten Nachbaratome. Der Wert von Jij ist nur abhängigvom Typ der Atome i und j. Die folgende Abbildung illustriert das Modellfür zwei Komponenten A und B auf einem kubisch primitiven Gitter.

Es gibt drei verschiedene Ising Parameter: JAA, JBB und JAB für die dreimöglichen Arten von Nachbarschaften. Die Energie des zentralen Atomswäre in diesem Beispiel E = 3JAA + JAB. Die Ising Parameter entsprechenden ε Parametern des Modells der Regulären Lösung.

Um die Innere Energie des gesamten Systems zu berechnen, muss überalle Atome i summiert werden. Der Faktor 1

2resultiert daraus, dass man in

der Summe jede Bindung zweimahl zählt.

U =1

2

∑i

Ei =1

2

∑i

∑j

Jij

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In einer Erweiterung des Modells kann man auch weiter entfernte Nach-barschaften in die Energieberechnung mit einbeziehen,

Ei =∑j

J(1)ij +

∑k

J(2)ik +

∑l

J(3)il + ...,

wobei sich J(2)ik , J (3)

il jeweils auf eine weitere Nachbarschaftsschale bezie-hen, also die übernächsten Nachbarn, die über-übernächsten Nachbarn,usw. .

2.2 Entropie

Um den Grundzustand des Systems bei nicht verschwindender Tempera-tur bestimmen zu können, muss neben der Inneren Energie zusätzlich derEntropieterm −TS bestimmt werden.

Die Entropie für ein Material setzt sich aus verschiedenen Anteilen zu-sammen:

S = SVibration + SKonfiguration + Smagnetisch + SPolarisation + SRotation + ... .

Grundsätzlich liefert jeder Freiheitsgrad des Systems einen Beitrag zur Entro-pie, wobei allerdings meist ein Beitrag dominant ist. Für Festkörper lieferndie Vibrationen den dominierenden Beitrag. Im Fall von mischbaren, mehr-komponentigen Systemen kommt der Beitrag der Konfigurationen hinzu.Da sich die Vibrationsentropien von verschiedenen Materialien (festen Pha-sen) nur schwach voneinander unterscheiden, bestimmt die Konfigurati-onsentropie massgeblich das Erscheinungsbild ihrer Phasendiagramme.

Allgemein lässt sich die Entropie (für alle Freiheitsgrade) mit Hilfe derBoltzmann-Gleichung errechnen

S(N, V,E) = kB ln (W(N, V,E)) ,

wobei man W das statistische Gewicht nennt. Die Logarithmierung führtman aus mathematischer Zweckmässigkeit durch und die Boltzmann Kon-stante kB gibt dem Ausdruck die richtige Einheit (J/K).

Die physikalische Essenz steckt in dem Statistischen Gewicht W (auchUnordnung genannt), welches für ein gegebenes System abgezählt wer-den muss. W beschreibt die Anzahl an Anordnungen (Konfigurationen),

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die das System für gegebene Energie E, Volumen V und Teilchenzahl Neinnehmen kann.

Um die Verbindung des Begriffs Unordnung mit der Entropie, also demstatistischen Gewicht, zu veranschaulichen, kann man z.B. den Aufbewah-rungsort von Gegenständen im Haushalt heranziehen. Ein bestimmtes Buchhat (idealerweise) einen einzigen zugewiesenen Platz (z.B. ganz links imRegal) und somit ein statistisches Gewicht von W = 1 und S = kB ln(1) = 0.Es herrscht Ordnung. Auf dem Boden liegend kann es eine Vielzahl von Ko-ordinaten einnehmen sowie in verschiedenen Winkeln bezüglich der Wandliegen und auf- oder zugeschlagen sein. Das statistische Gewicht ist immenshoch und die Entropie ist positiv - es herrscht Unordnung!

Ein materialwissenschaftlich relevanter Fall ist eine Legierung mit NAtomen bei der z.B. N − 1 Atome des Typs A und 1 Atom des Typs Bvertreten sind. Die Anzahl von Konfigurationen einer solchen verdünntenLegierung ist W = N da sich das B Atom auf allen N Giterplätzen befindenkönnte und sich Energie, Volumen und Teilchenzahl für die verschiede-nen Konfigurationen nicht unterscheiden. Eine konsequente Weiterführungdieser Idee führt unter Anwendung von einigen Näherungen schliesslich zuFormel der Mischungsentropie für reguläre Lösungen.

In realen Lösungen ist die Betrachtung weit schwieriger und die direk-te Berechnung der Entropie wird praktisch unmöglich. In realen Lösungenwechselwirken die verschiedenen Spezies miteinander, wie es z.B. durchdas Ising Modell beschrieben wird, und die Konfigurationen unterschei-den sich energetisch. In solchen Fällen muss für jede Konfiguration nochdie Energie bestimmt werden, um W(E, V,N) zu erhalten. Rein statistischeFormeln sind somit nicht mehr anwendbar und das direkte Abzählen istaufgrund der enormen Zahl von Konfigurationen selbst mit dem Computernicht in angemessener Zeit durchführbar.

Eine elegante Methode die Konfigurationsentropie zu berücksichtigen,ohne dass sie explizit berechnet werden muss, bietet die Metropolis Monte-Carlo Methode.

2.3 Metropolis Monte-Carlo Algorithmus

Der Metropolis Monte-Carlo Algorithmus ermöglicht es, ein System, wel-ches sich in Kontakt zu einem Wärmereservoir befindet, von einem beliebi-gen Ausgangszustand ins thermodynamische Gleichgewicht zu bringen.

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Algorithmus. Der Algorithmus umfasst folgende Schritte:

1. Beginne bei einer zufälligen Konfiguration α. (Hier: Verteile die Kom-ponenten A und B entsprechend ihrer Konzentration zufällig auf demGitter.)

2. Berechne die Energie Uα der Konfiguration α. (Hier: Werte den Aus-druck für die Energie nach dem Ising Modell aus.)

3. Wähle zufällig eine neue Konfiguration β. (Hier: Vertausche auf zweizufällig ausgewählten Gitterplätzen die Komponenten A und B.)

4. Berechne die Energie der neuen Konfiguration Uβ.

5. Akzeptiere die Konfiguration β mit Wahrscheinlichkeit P als neueKonfiguration α, wobei

P =

1 , falls ∆U ≤ 0

exp(−∆UkBT

), falls ∆U > 0

(1)

∆U = Uβ − Uα. (2)

Andernfalls behalte die alte Konfiguration α.

6. Weiter bei 3.

Einen Durchlauf dieser Schleife bezeichnet man als Versuchsschritt. Hatman soviele Versuchsschritte durchlaufen, wie Atome im System sind, sprichtman von einem Monte-Carlo (MC) Schritt.

Begründung. Warum führt der Algorithmus das System ins thermodyna-mische Gleichgewicht? Die Antwort liefert die statistische Thermodynamik:Im Gleichgewicht ist die Wahrscheinlichkeit Pα, dass sich ein kanonischesSystem im Zustand α mit der Energie Uα befindet, gegeben durch die Boltz-mann Verteilung:

Pα =1

Zkexp

(− UαkBT

). (3)

Hierbei ist

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Zk die kanonische Zustandssumme, welche für ein System bei konstantemVolumen, Teilchenzahl und Temperatur eine Konstante ist,

kB die Boltzmann-Konstante und

T die Temperatur des Systems.

Die relative Wahrscheinlichkeit zweier Zustände α und β ergibt sich ausGleichung (3) zu

PαPβ

= exp

(− ∆U

kBT

),

wobei ∆U die Differenz in den Energien der beiden Zustände α und βist. Vergleicht man diese relative Wahrscheinlichkeit der Zustände mit derAkzeptanzwahrscheinlichkeit aus dem Metropolis Algorithmus (Gleichung1), so erkennt man, dass der Metropolis Algorithmus eine Kette von Zu-ständen generiert, deren relative Wahrscheinlichkeiten der Boltzmann Ver-teilung entsprechen. Der Algorithmus besucht also alle Zustände mit der-selben Wahrscheinlichkeit, wie sie im thermodynamischen Gleichgewichtauftreten. Mittelt man nun über diese Zustände, so erhält man Erwartungs-werte für die thermodynamischen Variablen (z.B. U) im Gleichgewicht. Dieersten gesampelten Zustände werden dabei verworfen, da es sich bei demzufällig gewählten Ausgangszustand um eine sehr unwahrscheinliche Kon-figuration handeln kann, der bei der Mittelung eine unangemessen hoheBedeutung zukommen würde.

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3 Das Programm

Das für die Simulation verwendete Programm heißt DLMC. Das Programmliest die Parameter für die Rechnung aus einer Eingabedatei, welche beimProgrammaufruf als Argument übergeben wird. Ein typischer Programm-aufruf sieht also folgendermaßen aus ($ symbolisiert den Eingabepromptdes Terminals. input.in ist der Name der Eingabedatei. Beachten Sie, dassin Unix-artigen Systemen zwischen Groß- und Kleinbuchstaben unterschie-den wird.):

$ .\DLMC input.in

Aus der Eingabedatei ließt DLMC alle Informationen, die für die Durchfüh-rung der Rechnung benötigt werden. Bei Zeilen beginnend mit # handelt essich um Kommentare, die vom Programm ignoriert werden. Die wichtigstenOptionen sind:

COORD Hier wird das Format und der Name der Datei, welche die Struktu-rinformationen des Gitters enthält, angegeben. Die Strukturinforma-tionen liegen in der Datei pos_sc.dat vor.

SUPER Definiert die Größe der Simulationsbox als Vielfaches der bei COORDspezifizierten Einheitszelle.

TEMP Gibt das Temperaturprogramm vor. Einheiten sind in Kelvin. Beispiel:

#------------------------------------------------------# Temperature program# number of T sequences | T_initial# delta_T | T_final | initial MC steps | aver. MC steps#------------------------------------------------------

TEMP1 2000-50 300 10 10

Hier haben wir eine Temperatursequenz, die bei 2000 K startet und inSchritten von 50 K bis 300 K abkühlt. Bei jeder Temperatur werden10 MC Schritte zur Initialisierung und weitere 10 MC Schritte zurMittelung durchgeführt.

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INTERACTION Gibt die Parameter für das Isingmodell vor. Einheiten sind ineV. Beispiel:

#------------------------------------------------------# Interaction# model | number of shells | distance tolerance# type I | type II | shell | J#------------------------------------------------------

INTERACTIONpair 2 0.00011 2 1 -0.051 2 2 0.00

Hier wird der Ising Parameter J zwischen Atomtyp 1 und 2 für die ers-te und zweite Nachbarschaftsschale definiert. Die Parameter für nichtangegeben Kombinationen (hier also z.B. zwischen Atomen gleichenTyps) sind standardmäßig gleich Null.

OCCUPANCY Hier wird die Konzentration der Komponenten vorgegeben.

DLMC schreibt zwei Ausgabedateien mit den Ergebnissen der Simulati-on:

movie.xyz Hier wird in regelmäßigen Abständen die Konfiguration desSystems im xyz Format gespeichert.

ETOT_av.dat Hier wird zu jedem MC Schritt die gemittelte Energie raus-geschrieben.

4 Aufgaben

In diesem Praktikum simulieren Sie ein binäres System aus zwei Kompo-nenten A und B auf einem festen, kubisch primitiven Gitter. Schauen Siesich vor jeder Aufgabe die entsprechende Eingabedatei an und machen Siesich klar, was simuliert wird (Temperaturprogramm, Ising-Parameter, Zu-sammensetzung). Im Anhang finden Sie die im Praktikum verwendeten

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Eingabedateien abgedruckt. Erstellen Sie für jede Teilaufgabe ein eigenesVerzeichnis und sichern Sie ihre Ergebnisse!

Die Aufgaben 1-5 dienen dem Verständnis des Ablaufs der Monte-CarloSimulation sowie des Ising Modells. Die Fragen hierzu sollen während desPraktikums beantwortet werden. Die Fragen zu Aufgaben 6-9 geben einenLeitfaden für das Praktikumsprotokoll und sollen in diesem beantwortetwerden.

4.1 Beobachtung der Monte-Carlo Schritte

Eingabedatei: input1.in

1. Starten Sie DLMC mit der Eingabedatei. DLMC durchläuft nun einenMC Schritt und schreibt die Konfiguration nach jedem Versuchsschrittin die Datei movie.xyz. Visualisieren Sie die Datei movie.xyz mitOVITO und beobachten Sie, wie sich die Konfiguration des Systemsmit jedem Versuchsschritt ändert.FRAGEN:Was passiert in einem Versuchsschritt? Warum ändert sich in manchenVersuchsschritten die Konfiguration nicht?

2. Senken Sie nun die Temperatur in der Eingabedatei auf 0.1 K undstarten Sie die Simulation erneut.FRAGEN:Was beobachten Sie? Erklärung?

4.2 Bedeutung der Ising Parameter

Eingabedatei: input2.in

3. Führen Sie DLMC aus und betrachten Sie die bei 0 K resultierendeGleichgewichtskonfiguration.FRAGEN:Wie lässt sich die Gleichgewichtskonfiguration anhand der verwendetenIsing Parameter erklären?

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4. Ändern Sie das Vorzeichen des Ising Parameters für die erste Nach-barschaftsschale und starten Sie die Simulation erneut.FRAGEN:Was erwarten Sie nun in Bezug auf die Gleichgewichtskonfiguration?

5. Probieren Sie verschiedene Kombinationen des Ising Parameters fürdie erste und zweite Nachbarschaftsschale aus und betrachten Sie dieresultierenden Konfigurationen bei 0 K.FRAGEN:Welche Gleichgewichtsstrukturen erhalten Sie? Wie können Sie diese er-klären?

4.3 Unordnungs - Ordnungs Phasenübergang

Eingabedatei: input3.in

6. In der Datei ETOT_av.dat wird zu jeder Temperatur T die innereEnergie U des Systems (sowie die Akzeptanzrate) gespeichert. Be-trachten Sie die Simulation mit einem Ising Parameter von -0.05 fürdie erste Nachbarschaft.FRAGEN:Bei welcher Temperatur findet die Umwandlung von der ungeordnetenin die geordnete Phase statt? Berechnen Sie dazu numerisch die Ablei-tung (∂U/∂T )V = cV (z.B. nach der Methode der finiten Differenzen)und tragen Sie die Wärmekapazität cV über T auf. Welcher Ordnung istder Phasenübergang?

7. Halbieren Sie nun den Wert des Ising Parameters auf -0.025 und füh-ren Sie die Simulation erneut durch.FRAGEN:Was erwarten Sie in Bezug auf die Temperatur der Phasenumwandlung?Wie verändert sie sich? Erklären Sie die Veränderung anhand des Mo-dells der Regulären Lösung! Berechnen Sie dazu die Temperatur der Pha-senumwandlung nach dem Modell der Regulären Lösung. (Nehmen Siean, dass Smix der geordneten Phase Null ist und das dass z in der un-geordneten Phase effektiv nur halb so groß ist. Begründen Sie diese An-nahmen!).

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4.4 Spinodale Entmischung und Keimbildung

Eingabedatei: input4.in

8. Betrachten Sie die zeitliche Entwicklung der unterkühlten Phase beieiner konstanten Temperatur von 820 K. Sichern Sie das Ergebnis!Senken Sie anschließend die Temperatur auf 600 K und starten Siedie Simulation erneut.FRAGEN:Um welchen Mechanismus der Entmischung handelt es sich jeweils? Wel-ches Kriterium bestimmt die Art des Mechanismus?

9. Überlegen Sie, wie man die kritische Temperatur für die spinodaleEntmischung bestimmen kann und führen Sie eine entsprechende Si-mulation durch!FRAGEN:Wie vergleicht sich die mittels Simulation ermittelte kritische Tempera-tur mit der kritischen Temperatur aus dem Model der regulären Lösung?Geben Sie einen Grund für evtl. Unterschiede an! Skizzieren Sie grobein Temperatur-Zusammensetzungs Phasendiagramm des Systems wiees sich aus der Simulation ergibt (nutzen Sie auch ihre Erkenntnisseaus der vorherigen Aufgabe!). Tragen Sie die Punkte ein, an denen diebeiden Simulationen aus der vorherigen Aufgabe durchgeführt wurden!Berechnen und plotten Sie das Phasendiagramm für dieses System nachdem Model der regulären Lösung und vergleichen Sie es mit dem aus derSimulation! Erklären Sie die Unterschiede!

5 Voraussetzungen (Theorie)

Folgende Fragen müssen Sie zu Begin des Praktikums beantworten können.Das nötige Wissen dazu finden Sie entweder in dieser Anleitung oder in denGrundlagenvorlesungen. Konsultieren Sie bei offenen Fragen entsprechen-de Literatur (Vorschläge finden Sie am Ende dieser Anleitung) oder wendenSie sich rechtzeitig vor dem Praktikum an den Praktikumsbetreuer.

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Thermodynamik

1. Viele häufig verwendete Materialien sind unter Normalbedingungenthermodynamisch nicht stabil. Allerdings ist die Umwandlung in denGleichgewichtszustand so langsam, dass über die typische Verwen-dungsdauer des Materials der Zustand erhalten bleibt (dies nenntman metastabil). Nennen Sie mindestens zwei Beispiele für solche Ma-terialien und geben Sie jeweils den Zustand des thermodynamischenGleichgewichts an.

2. Das Minimum der Freien Energie bestimmt das Gleichgewicht vonSystemen, welche konstantes Volumen und konstante Teilchenzahlhaben und sich in Kontakt mit einem Wärmereservoir befinden. GebenSie mindestens ein Beispiel aus dem (Labor) Alltag für ein solches Systeman.

3. Wann verwendet man die Freie Enthalpie statt der Freien Energie um dieStabilität eines Systems zu beurteilen? Geben Sie ein Beispiel aus dem(Labor) Alltag an!

4. Phasenübergänge werden üblicherweise nach ihrer Ordnung klassi-fiziert. Wie definieren sich Phasenübergänge 1. und 2. Ordnung nachEhrenfest? Tragen Sie für Phasenübergänge 1. Ordnung schematisch Fund U über T auf und kennzeichnen Sie die latente Wärme. Tragen Siefür Phasenübergänge 2. Ordnung schematisch U und CV über T auf.

Kristallographie

1. Betrachten Sie ein kubisch primitives Gitter mit Gitterkonstante a.Wieviele nächste Nachbarn hat ein Gitterpunkt? Wieviele übernächsteNachbarn hat ein Gitterpunkt? In welchem Abstand befinden sich nächs-te und übernächste Nachbarn?

2. Wie muss man die Teilchen zweier Komponenten A und B auf einemeinfach kubischen Gitter verteilen um die Kochsalzstruktur zu erhalten?

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Ising Modell

1. Im Praktikum sind die Ising Parameter für die Wechselwirkung zwi-schen gleichartigen Atomen, JAA und JBB, gleich Null. Welche InnereEnergie hat ein System der reinen Komponente A (bzw. der reinen Kom-ponente B) in diesem Fall?

2. Welche Bedeutung hat das Vorzeichen des Ising Parameters JAB in Be-zug auf die Wechselwirkung zwischen den beiden Komponenten A undB? Wann erwarten Sie ein mischendes und wann ein entmischendes Ver-halten?

3. Beim Ising Modell hängt die Energie der atomaren Wechselwirkungnicht vom Abstand der Atome ab. Zeigen Sie, dass in diesem Modell derDruck p immer Null ist und somit gilt: U = H und F = G. (Hinweis:p = (∂U/∂V )S,N).

Reguläre Lösungen / Spinodale Entmischung

1. Geben Sie die Formeln für die Misch-Energie Umix und die Misch-EntropieSmix einer regulären Lösung aus zwei Komponenten A und B in Abhän-gigkeit von deren Konzentrationen XA und XB an!

2. Skizzieren Sie ein einfaches Phasendiagramm jeweils für ein System mitMischungslücke und ein ordnendes System.

3. Skizzieren Sie den Verlauf von Fmix für eine Temperatur T < Tcrit fürdie oben skizzierten Phasendiagramme und konstruieren Sie (wo zu-treffend) graphisch die Orte von geordneter Phase, Zweiphasengebiet,Spinodale und Binodale.

4. Berechnen und plotten Sie den Verlauf der Spinodalen und der Binoda-len eines binären, entmischenden Systems auf einem kubisch primitivenGitter nach dem Model der regulären Lösung. Nehmen Sie für die Ener-gie der Atombindung AB einen Wert von 0.05 eV an und setzen Sie dieEnergie der Bindung gleichartiger Atome Null.

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6 Voraussetzungen (Praxis)

Die Kenntnis der hier aufgeführten Dinge ist Voraussetzung für die Teilnah-me am Praktikum. Für die Einarbeitung können z.B. die PCs des Compu-terpools Materialwissenschaft genutzt werden.

6.1 Linux (Unix) Terminal

Die Klammerung “<>” bezeichnet ein notwendiges Programmargument.Beachten Sie, dass in Unix-artigen Systemen zwischen Groß- und Klein-schreibung unterschieden wird.

• Kopieren von Dateien: cp <quelle(n)> <ziel>

• Kopieren von Verzeichnissen: cp -r <quelle(n)> <ziel>

• Erstellen von Verzeichnissen: mkdir <verzeichnisname>

• Wechsel in ein Verzeichnis: cd <verzeichnisname>In das übergeordnete Verzeichnis wechseln: cd ..

• Inhalt des aktuellen Verzeichnis anzeigen: ls

• Datei mit einem Editor öffnen (am Beispiel von gedit): gedit <datei>

6.2 Visualisierungssoftware OVITO

Zur Anzeigen der Simulationsergebnisse wird die VisualisierungssoftwareOVITO verwendet. OVITO verfügt über eine graphische Benutzeroberflächeund ist auch für MicrosoftTMWindows als binär Version frei verfügbar.

Download-Link: http://www.ovito.org/index.php?option=com_content&view=article&id=5&Itemid=7

Machen Sie sich mit der Benutzung von OVITO vertraut. Unter folgen-dem Link finden Sie eine Datei, die mit OVITO angezeigt werden kann.

Download-Link: http://www.mm.mw.tu-darmstadt.de/~mdiehm/praktikum/nanotube_movie.xyz

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Dargestellt ist der Beschuss einer Kohlenstoff-Nanoröhre mit einem ArgonAtom. Das Format ist xyz. Die Spaltenzuordnung ist AtomType, PosX, Po-sY, PosZ. Stellen Sie sicher, dass beim Importieren die Option “Load filecontaining a sequence of snapshots” ausgewählt ist.

7 Leitfaden für das Protokoll

Orientieren Sie sich für das Protokoll am Standard für wissenschaftflicheVeröffentlichungen (engl. Paper). Eine solche Veröffentlichung ist typischer-weise folgendermaßen gegliedert:

Einleitung (Introduction). Was ist das Thema der Veröffentlichung? Wasist die Motivation für die Untersuchung des Themas? Warum ist es re-levant? Was ist der Kontext zu bereits erschienenen Veröffentlichun-gen?

Theorie und Methodik (Theory and Methods). Wie wurde das Thema un-tersucht? Welche Methoden fanden Verwendung? Welche theoreti-schen Modelle liegen zugrunde?

Ergebnisse und Diskussion (Results and Discussion). Zu welchen Ergeb-nisse führte die Untersuchung (Rechnungen und/oder Messungen)?Wie lassen sich die Ergebnisse erklären und mit etablierten oder neuentwickelten Modellen vergleichen? Wie vergleichen sich die eigenenErgebnisse mit den Ergenissen Anderer? Wie können evtl. Unterschie-de erklärt werden?

Schlussfolgerung (Conclusion). Welche Erkenntnisse folgen aus den Er-gebnissen? Was bedeutet dies für die weitere Forschung zu dem The-ma? Welche Fragen konnten geklärt werden und welche neuen Fra-gen haben sich aufgetan?

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8 Literatur

Kristallographie: De Graef, M., McHenry, M. E., Structure of Materials,Cambridge University Press, 2007

Thermodynamik: Callen, H. B., Thermodynamics and an Introduction toThermostatistics, John Wiley & Sons, 1985

Reguläre Lösung/Phasendiagramme: Porter, D. A. and Easterling, K. E.,Phase Transformations in Metals and Alloys (2nd Ed.), Taylor & Francis,1992

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Anhang

A input1.in

#-------------------------------------------------------------# expansion of the cell given in the coordinate file#-------------------------------------------------------------SUPER4 4 4

#-------------------------------------------------------------# Temperature program# number of T sequences | T_initial# delta_T | T_final | annealing MC steps | averaging MC steps#-------------------------------------------------------------TEMP1 2000-50 2000 0 1

#-------------------------------------------------------------# Interaction# model | number of shells | distance tolerance# type I | type II | shell | J#-------------------------------------------------------------INTERACTIONpair 2 0.00011 2 1 -0.051 2 2 0.00

#-------------------------------------------------------------# occupancy of the lattice# number of types | concentration unit | type of distribution# concentration | occupying sublattice#-------------------------------------------------------------OCCUPANCY2 rel rnd0.5 10.5 1

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B input2.in

#-------------------------------------------------------------# expansion of the cell given in the coordinate file#-------------------------------------------------------------SUPER12 12 12

#-------------------------------------------------------------# Temperature program# number of T sequences | T_initial# delta_T | T_final | annealing MC steps | averaging MC steps#-------------------------------------------------------------TEMP1 2000-50 0 50 50

#-------------------------------------------------------------# Interaction# model | number of shells | distance tolerance# type I | type II | shell | J#-------------------------------------------------------------INTERACTIONpair 2 0.00011 2 1 -0.051 2 2 0.025

#-------------------------------------------------------------# occupancy of the lattice# number of types | concentration unit | type of distribution# concentration | occupying sublattice#-------------------------------------------------------------OCCUPANCY2 rel rnd0.50 10.50 1

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C input3.in

#-------------------------------------------------------------# expansion of the cell given in the coordinate file#-------------------------------------------------------------SUPER24 24 24

#-------------------------------------------------------------# Temperature program# number of T sequences | T_initial# delta_T | T_final | annealing MC steps | averaging MC steps#-------------------------------------------------------------TEMP1 2000-50 0 50 200

#-------------------------------------------------------------# Interaction# model | number of shells | distance tolerance# type I | type II | shell | J#-------------------------------------------------------------INTERACTIONpair 2 0.00011 2 1 -0.051 2 2 0.00

#-------------------------------------------------------------# occupancy of the lattice# number of types | concentration unit | type of distribution# concentration | occupying sublattice#-------------------------------------------------------------OCCUPANCY2 rel rnd0.50 10.50 1

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D input4.in

#-------------------------------------------------------------# expansion of the cell given in the coordinate file#-------------------------------------------------------------SUPER40 40 40

#-------------------------------------------------------------# Temperature program# number of T sequences | T_initial# delta_T | T_final | annealing MC steps | averaging MC steps#-------------------------------------------------------------TEMP1 820-0.05 819 1 1

#-------------------------------------------------------------# Interaction# model | number of shells | distance tolerance# type I | type II | shell | J#-------------------------------------------------------------INTERACTIONpair 2 0.00011 2 1 0.051 2 2 0.00

#-------------------------------------------------------------# occupancy of the lattice# number of types | concentration unit | type of distribution# concentration | occupying sublattice#-------------------------------------------------------------OCCUPANCY2 rel rnd0.05 10.95 1

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