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KNAKKE - Von der Idee zum Patent Glückwunsch: Prof. Mewes wird 90! Win/Win-Situation mit Kooperations-Marketing www.strategie.net Strategie Journal - Heft 02-14 Tradition als Innovation Blaumann-Jeanshosen werden in Deutschland handwerklich gefertigt

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Nachruf zum Todvon Horst-Sven Berger

Struktur und Klarheit mit Konsensieren: Energie der Vielfalt nutzen

KNAKKE - Von derIdee zum Patent

Glückwunsch:Prof. Mewes wird 90!

Win/Win-Situation mit Kooperations-Marketing

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Strategie Journal - Heft 02-14

Tradition als InnovationBlaumann-Jeanshosen werden in

Deutschland handwerklich gefertigt

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Fallstudie

„Es ist unmöglich, aber lass es uns machen ...“ In diesem Geist starteten vier Männer Anfang 2013 ihr Jean-sprojekt in Künzelsau. Seit kurzem ist sie jetzt auf dem Markt: die Blaumann Jeanshose – Gefertigt in Deutschland. Von Stefanie Jani und Thomas Rupp.

Warum sollte man in Deutschland besser nicht damit beginnen, Jeans-hosen zu produzieren und zu ver-markten? Na klar: Pro Jahr werden hierzulande weit über 100 Millionen Jeans importiert. Die Produktion ist zu teuer und der Markt völlig überlau-fen von zahllosen Anbietern, Marken und Modellen.

Die goldenen Zeiten der deutschen Textilindustrie sind längst vorbei. Be-reits in den 1990er-Jahren stellte die letzte große deutsche Jeansfabrik – die Firma Mustang im Hohenloher Künzelsau – ihren Betrieb ein und pro-duzierte nur noch in Billiglohnländern.

Immer mehr Verbraucher wollen wissen, unter welchen Bedingungen

Textilien produziert werden.

Aus Künzelsau stammen auch die Tex-til-Ingenieure Christian Hampel, Guido Wetzels und Peter Baettig. Seit mehr als 20 Jahren bereisen sie die ganze Welt, begutachten Produktionsunternehmen, Hosen und neue Trends. Irgendwie hat-ten die Jeans-Experten das Reisen satt, und außerdem kamen sie mit den oft sehr fragwürdigen Bedingungen nicht klar, unter denen die Hosen teilweise hergestellt wurden.

In Bangladesch, der Türkei und China laufen die Nähmaschinen heiß, nur in Deutschland stehen sie still: in einem

Land, in dem fast jeder die ehemalige Arbeitshose trägt.

Gerd Walz, ein Freund der drei Ex-perten ohne „textilen Hintergrund“, konn-te die Klagen über das ständige Reisen nicht mehr hören und pflanzte den Virus: „Es muss doch irgendwie möglich sein, auch in Deutschland Jeans zu produzieren!“ Man entschloss sich, die Sache gemeinsam anzupacken.

Seit dem ersten Gedanken sind einein-halb Jahre vergangen, und das Leben des Quartetts dreht sich auch nach Feierabend um Stoffe, Knöpfe und Fäden. Wer sich dafür entscheidet, quasi aus dem Nichts eine Jeans auf den Markt zu bringen, findet sich vor einem Berg ungelöster Fragen wieder: Welche Modelle, wo produzieren und wie vermarkten.

Die Stärken waren klar verteilt: Drei Männer mit langjähriger Marktkenntnis, Einkaufs- und Produktions-Erfahrung. Der Vierte im Bunde hat nichts mit der

Branche zu tun, ist Spezialist für Medien, Marketing und Vertrieb und kennt die Engpass-Konzentrierte Strategie nach Prof. Wolfgang Mewes. „Es gibt zur Zeit einen Trend zu Textilien Made in Ger-many“, erklärt Walz. „Die Verbraucher werden zunehmend sensibilisiert für die Umstände, unter denen Billigklamotten hergestellt werden.“ Christian Hampel ergänzt: „Wir wollten einfach ein ehr-liches Produkt herstellen.“

Bald war auch die Marke geboren. Es ist der deutsche Name für Arbeitsho-se: Blaumann! So entstand später das Label: Blaumann Jeanshosen – Gefer-tigt in Deutschland. Doch zunächst brauchte man das Produkt.

Hochwertiger Denim-Stoff aus Japan. Alles andere samt Fertigung aus Deutschland.

Konzentration auf das Wesentliche Die Blaumann-Jeans hat das Zeug zum Kultobjekt

Die Blaumänner - gezeichnet vom Starzeichner Timo Würz.

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Von Anfang an stellte sich die Frage nach dem Sortiment. Die Experten wussten aus ihrer Berufspraxis, dass es unzählige Jeans für unzählige Ziel-gruppen gab. Man hatte schließlich das Know-how und wollte möglichst vielen Menschen ihren individuellen Jeanswunsch erfüllen. Die berühmte Verzettelung drohte: Um aber mit ge-ringen Mitteln einen Nachfrage-Sog zu erzeugen, muss man sich auf ein kleines Marktsegment konzentrieren.

So war es die Aufgabe von Gerd Walz, immer wieder die Konzentration an-zumahnen: Ganz wenige Schnitte plus Alleinstellungsmerkmal sollten das neue Produkt außerhalb des Massen-marktes positionieren. Walz wusste, dass jegliches Kräftemessen mit ir-gend einem beliebigen Jeansherstel-ler unbedingt zu vermeiden war. Mit viel Überredungskunst konnte er seine Partner davon überzeugen, nur zwei Modelle anzubieten.

Das Alleinstellungsmerkmal war zu-dem, die Hose mit den Merkmalen der „Ur-Jeans“ auszustatten und sie „un-gewaschen“ anzubieten, was es heu-te auf dem Markt kaum noch gibt. All dies wurde im Bewusstsein gemacht, dass man 99% des bestehenden Marktes nicht bedienen könnte. Aber genau diese Beschränkung auf ein kleines Marktsegment ist der Schlüs-sel zum Erfolg.

Die Zielgruppe definiert Walz als Jeansliebhaber von 35 bis 60 Jahren, die sich in Sachen Jeans etwas Beson-deres mit kompromissloser Qualität wünschen. Dementsprechend liegt der Preis bei 249 Euro. „Wir wollen nicht so viel verkaufen, weil unser Ziel eben keine Massenproduktion ist“, sagt Peter Baettig. „Und wenn unsere Zielgruppe sich die Blaumann-Jeans wünscht, dann ist der Preis sicherlich nicht der limitierende Faktor“, ergänzt Gerd Walz.

Stichwort Produktion: Was die Verar-beitung der Hose angeht, strebten die Fachleute nach Perfektion – und bis zu ihr war es ein weiter Weg. Es war gar nicht so einfach überhaupt eine Nä-herei zu finden, die für die Produkti-on in Frage kam. Der Wunschstandort in Hohenlohe konnte nicht gefunden werden. Nach langer Suche fand die „Blaumann-Truppe“ eine kleine Nähe-rei in Nittenau bei Regensburg.

„Das Problem ist auch, dass es keine geeigneten Nähmaschinen mehr gibt und zudem die Leute in Deutschland gar nicht mehr so ausgebildet wer-den“, sagt Christian Hampel. In der urigen Werkstatt in Nittenau scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Die Näherei bei Regensburg ist bei wei-tem keine Industrienäherei, sondern eher eine Manufaktur. „Hier wird mit der Zunge zwischen der Ober- und Unterlippe genäht“, ergänzt Guido Wetzels. Sorgfalt und Muße bei der Arbeit seien dort wichtig.

Die Beschränkung auf ein kleines Marktsegment ist der

Schlüssel zum Erfolg.

„Der Chef der Näherei hat sich un-seren Vorschlag erst angehört, und dachte wohl, die Jungs spinnen“, er-innert sich Walz. Nicht zuletzt auf-grund der fundierten Fachkenntnisse der Textil-Ingenieure konnte er für die Umsetzung der Blaumann-Jeans ge-wonnen werden.

Jetzt ging es darum, das Produkt zu perfektionieren. Nächtelang feilten die Designer an den Details: Von der perfekten Naht bis zum QR-Code in der Innenseite. Die Blaumann-Jeans fühlen sich dicker an und sind tiefblau.

Die Blaumann-Jeans gibt es nur „ungewaschen“ und in zwei Modellvarianten.

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Sie bleiben in ihrem ursprünglichen Zustand, d.h. sie werden nicht gewa-schen. Historische Webkante, Kapp-nähte und extra verstärkte Gesäßta-schen mit verdeckten Nieten machen die Hose einzigartig, genauso wie ein nummeriertes Lederetikett. Bei der Blaumann-Jeans ist alles Made in Germany. Nur der Stoff wird extra in Japan bestellt, denn es gibt in Deutsch-land auch keine Denimwebereien mehr. Die Stoffe stammen von handverle-senen Produzenten. Japanischer Denim gilt als bester Jeansstoff, der sich durch besondere Spinnverfahren, hochwer-tigste Baumwollfasern und Färbever-fahren auszeichnet.

Die Blaumann-Jeans hat alle Zutaten, um zum gefragten

Kultobjekt zu werden.

Nach einem bewährten Größenschlüs-sel wurden jeweils 50 bis 100 Hosen produziert. Als Lager dient ein älteres, leerstehendes Haus. Nach Produktent-wicklung und Produktion geht es nun an den Vertrieb. Dabei wird ein Mix

aus Online-Shop und Vertriebspart-nern verfolgt. Die zwei Jeans-Modelle können direkt online bestellt werden. Auf der sehr ansprechend gestalteten Website wird mit vielen grafischen Ele-menten und wenig Text Lust auf die Blaumann-Jeans gemacht.

Das Ganze ist ein wenig so angelegt, dass sie zum Kultobjekt avancieren könnte. Dass dies recht realistisch ist, beweist die Tatsache, dass sich bereits eine neue Teilzielgruppe abzeichnet: Motorradfahrer, die z.B. zur klas-sischen Harley die passende und stil-echte Hose suchen.

Weiterhin setzen die Blaumänner auf den Vertrieb über den Fachhandel. Zwei Geschäfte in der Schweiz haben die Hose bereits in ihr Sortiment auf-genommen. Gespräche laufen derzeit auch mit ausgewählten Fachgeschäf-ten in Deutschland. „Wir haben uns das Ziel gesetzt, zwischen fünf und sieben Läden in Deutschland zu fin-den,“ erläutert Gerd Walz. Im Heimat-ort Künzelsau wird ab September ein Modehaus als „Blaumann-Basis“ defi-

niert. Hier sollen die Hohenloher alle Blaumannprodukte exklusiv einkaufen können.

Je länger sich Gerd Walz mit der The-matik beschäftigt, desto mehr Chancen tun sich auf: „Neben dem normalen Textilfachhandel gibt es auch spezielle Jeansfachgeschäfte für Liebhaber. Für solche Läden ist die Blaumann-Jeans ein Muss“, erläutert Walz. „Außerdem interessieren sich bereits einige In-ternetshops dafür, unsere Blaumann-Jeans in ihr Sortiment aufzunehmen.“

Im Nachhinein betrachtet, war es viel-leicht gar keine schlechte Idee, eine Jeansproduktion in Deutschland zu beginnen - vorausgesetzt, man packt es strategisch geschickt an! Und eines kommt auch ganz klar rüber: Den sym-pathischen Blaumann-Jungs macht das ganze Projekt richtig viel Spaß.

Kontakt:Gerd Walz Tel (0152) 56 61 50 [email protected]

Transparente und nachhaltige Fertigung in Nittenau bei Regensburg. Es war schwierig, überhaupt eine passende Näherei zu finden.

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