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2. 2001. Syst. Evo1ut.-forsch. 27 (1989) 81-83 0 1989 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0044-3808 Professor Dr. Dr. h.c. Wolf Herre zum 80. Geburtstag Die Erforschung der Wirbeltiere, irn besonderen der Amphibien, Vogel und Sauger und innerhalb dieser der Haustiere, ist seit 1945im deutschsprachigen Raurn, in Europa und in der Welt durch WOLF HERRE, der am 3. Mai 1989 seinen 80. Geburtstag feiert, gepragt. Aus Halle an der Saale komrnend, geboren als Sohn eines gelernten Maurers, der durch ein Technikstudiurn Baumeister wurde, und einer Mutter, die gelernte Schneiderin war, lernte er friih fur sich selbst als Werkstudent (Hilfsarbeiter, Schlosser) zu sorgen. Mit dern ver- dienten Geld ging der junge Student nach Graz - weil diese Stadt weit weg war und man dort vie1 lernen konnte - und studierte dort Zoologie, Botanik und Bakteriologie. Das Studiurn in Halle fortsetzend, widmete er sich der Mathematik, Botanik, Zoologie, Mineralogie, Physik und Chemie. Sein friihes akademisches Leben war gepragt durch Anregungen aus den Vorlesungen bei VALENTIN HAECKER (Pluripotenzproblern), bei LUDWIG BOEHMIG (Zoologisches GroBpraktikurn in Graz), bei BERTHOLD KLATT (Adap- tationsforschung), WILLI WOLTERSTORFF (Molchforschung), ADOLF REMANE (ver- gleichende Anatornie und phylogenetische Systematik) und GUSTAV FROLICH, der ihn zur Tierzucht und Haustierkunde fuhrte. Seine ersten 10 Publikationen aus den Jahren 1932 bis 1937 behandeln Amphibien, wobei besonders jene Arbeiten hervorzuheben sind, die die Arnphibien aus dern Eozan des Geiseltales betreffen: hier zeigt sich die historisch- phylogenetische Betrachtungsweise, zu der er vor allern durch die Vorlesungen von JOHANNES WEIGELT, dern Hallenser Palaontologen und Geologen, angeregt worden war. Die Fragen der Dornestikation, die Frage der Adaptationsbreite der Arten, sie werden nun immer rnehr zurn tragenden Therna seiner Forschungstatigkeit. Irn Krieg karn er 1941/ 42 nach Finnisch-Lappland, urn dort die Dornestikationstendenzen bei den Rentieren zu verfolgen: die Ergebnisse fanden im bekannten Buch HERRES ihren Niederschlag. Im Krieg wurde HEME zweirnal verwundet, und er kam als einer der letzten aus Kurland nach Schleswig-Holstein. Irn zerstorten Kiel wurde er schon Mitte des Jahres 1945 rnit der provisorischen Leitung des Zoologischen Instituts und Museums beauftragt: Beide Einrichtungen rettete er uber diese kritische und schwere Zeit. Er gestaltete die U. S. Copyright Clearance Center Code Statement: 0044-3808/89/2702-0081/$02.50/0

Professor Dr. Dr. h.c. Wolf Herre zum 80. Geburtstag

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2. 2001. Syst. Evo1ut.-forsch. 27 (1989) 81-83 0 1989 Verlag Paul Parey, Hamburg und Berlin ISSN 0044-3808

Professor Dr. Dr. h.c. Wolf Herre zum 80. Geburtstag

Die Erforschung der Wirbeltiere, irn besonderen der Amphibien, Vogel und Sauger und innerhalb dieser der Haustiere, ist seit 1945 im deutschsprachigen Raurn, in Europa und in der Welt durch WOLF HERRE, der am 3. Mai 1989 seinen 80. Geburtstag feiert, gepragt. Aus Halle an der Saale komrnend, geboren als Sohn eines gelernten Maurers, der durch ein Technikstudiurn Baumeister wurde, und einer Mutter, die gelernte Schneiderin war, lernte er friih fur sich selbst als Werkstudent (Hilfsarbeiter, Schlosser) zu sorgen. Mit dern ver- dienten Geld ging der junge Student nach Graz - weil diese Stadt weit weg war und man dort vie1 lernen konnte - und studierte dort Zoologie, Botanik und Bakteriologie. Das Studiurn in Halle fortsetzend, widmete er sich der Mathematik, Botanik, Zoologie, Mineralogie, Physik und Chemie. Sein friihes akademisches Leben war gepragt durch Anregungen aus den Vorlesungen bei VALENTIN HAECKER (Pluripotenzproblern), bei LUDWIG BOEHMIG (Zoologisches GroBpraktikurn in Graz), bei BERTHOLD KLATT (Adap- tationsforschung), WILLI WOLTERSTORFF (Molchforschung), ADOLF REMANE (ver- gleichende Anatornie und phylogenetische Systematik) und GUSTAV FROLICH, der ihn zur Tierzucht und Haustierkunde fuhrte. Seine ersten 10 Publikationen aus den Jahren 1932 bis 1937 behandeln Amphibien, wobei besonders jene Arbeiten hervorzuheben sind, die die Arnphibien aus dern Eozan des Geiseltales betreffen: hier zeigt sich die historisch- phylogenetische Betrachtungsweise, zu der er vor allern durch die Vorlesungen von JOHANNES WEIGELT, dern Hallenser Palaontologen und Geologen, angeregt worden war.

Die Fragen der Dornestikation, die Frage der Adaptationsbreite der Arten, sie werden nun immer rnehr zurn tragenden Therna seiner Forschungstatigkeit. Irn Krieg karn er 1941/ 42 nach Finnisch-Lappland, urn dort die Dornestikationstendenzen bei den Rentieren zu verfolgen: die Ergebnisse fanden im bekannten Buch HERRES ihren Niederschlag.

Im Krieg wurde HEME zweirnal verwundet, und er kam als einer der letzten aus Kurland nach Schleswig-Holstein. Irn zerstorten Kiel wurde er schon Mitte des Jahres 1945 rnit der provisorischen Leitung des Zoologischen Instituts und Museums beauftragt: Beide Einrichtungen rettete er uber diese kritische und schwere Zeit. Er gestaltete die

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Lehrveranstaltungen neu, dem Museum pragte er deutlich seine Note auf. Voraussetzun- gen fur diesen Aufbau waren seine Habilitation im Jahre 1936 und die 1942 erfolgte Ernen- nung zum auflerplanmafiigen Professor in Halle, wohin man ihn 1949 noch als Ordinarius gewinnen wollte.

Die Stadt Kiel verlieh ihm fur seine besonderen Verdienste im Jahre 1945 eine eigene Ehrenurkunde. Bei der Aufbauarbeit in Kiel halfen ihm die Studenten - unter ihnen MAN- FRED ROHRS, nunmehr Ordinarius in Hannover - und die Angestellten des Instituts in vorbildlicher Weise. Bombenschutt war wegzuraumen und auch das Vertrauen der Besat- zungsmacht, der Englander, zu gewinnen. Schon 1948 konnte HERRE dem zuriickkehren- den ADOLF REMANE ein arbeitsfahiges Institut und Museum ubergeben. Die Kieler IJni- versitat hatte ihn inzwischen als hervorragenden Forscher, als begeisternd vortragenden Lehrer und als ausgezeichneten Organisator kennen- und.zu wurdigen gelernt. Die Land- wirtschaftsstudenten schatzten seine Vorlesungen und Ubungen sehr, und es wurde in dieser Zeit die Grundlage fur den Neubau des Instituts fur Haustierkunde gelegt, der 1957 bezogen werden konnte.

Am 1. Marz 1951 erfolgte die Ernennung zum ordentlichen Professor fur vergleichende Anatomie und Physiologie der Haustiere sowie fur Zoologie. Zweimal war er Dekan der Philosophisch-Naturwissenschaftlichen Fakultat (1951-1953), einmal Dekan der Land- wirtschaftlichen Fakultat (1958/1959) und schliei3lich 1967/68 Rektor der Christian- Albrechts-Universitat Kiel.

Einen ehrenden Ruf nach Frankfurt an das Senckenbergische Museum erhielt er 1960, den er jedoch ablehnte: Kiel war ihm zur zweiten Heimat geworden. 1964 verlieh ihm die Universitat Frankfurt am Main das Ehrendoktorat der Medizin: Fruchtbare Forschungs- und Lehrkontakte verbanden und verbinden WOLF HERRE mit den Professoren DIETRICH STARCK und HANS FRICK und mit anderen Wirbeltierforschern in Frankfurt am Main.

Forschungsreisen fuhrten HERRE nach Lappland und Schweden (1948 und 1950), zu- sammen mit MANFRED ROHRS in die Turkei (1953), in den Kaukasus (1956) und nach Rho- desien (1962/63). 1968 leitete er einen UNESCO-Kurs in Kathmandu in Nepal, und 1971 besuchte er zusammen mit MANFRED ROHRS die Galapagos-Inseln. Uberall stand im Mit- telpunkt der Fragestellungen die Domestikation der verschiedenen Tierarten dieser Ge- biete. Die Naturschutzgebiete Alaskas bereiste er 1972, und in diesem Jahr war er auch drei Monate lang Gastprofessor in Kyoto in Japan und in der Primatenstation in Inuyama. Mehrere Forschungsfahrten fuhrten ihn nach Siidamerika, wo ihn besonders die Cameli- den faszinierten.

Sein wissenschaftliches Werk u m f d t heute 166 Publikationen, mehr als 130 Disserta- tionen und Diplomarbeiten hat er angeleitet. Viele seiner Absolventen sind Professoren, Tiergartendirektoren oder -Assistenten, viele sind in den verschiedensten Stellungen als Lehrer, Kustoden oder Forscher tatig.

Als Herausgeber und Redakteur fungierte HERRE bei den ,;Verhandlungen der Deut- schen Zoologischen Gesellschaft", bei der ,Zeitschrift fur wissenschaftliche Zoologie", beim ,,Zoologischen Anzeiger", bei der ,,Zeitschrift fur Saugetierkunde", bei den ,,Mam- malia depicta", der ,,Zeitschrift fur Tierzuchtung und Zuchtungsbiologie" und beim ,Tier''. Gemeinsam mit CURT KOSSWIG begrundete er die ,,Zeitschrift fur zoologische Systematik und Evolutionsforschung" .

Aus der langen Liste der Ehrungen seien hervorgehoben: Ehrenmitglied der Zoolo- gisch-Botanischen Gesellschaft in Wien, des Deutschen Archaologisches Instituts und die Mitgliedschaft in der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle an der Saale.

Bei einer Zoologentagung in Frankfurt am Main lernte ich WOLF HERRE kennen. HERRE gab mir schon damals viele Anregungen fur die Erforschung ,,Niederer Vertrebra- ten". Besonders gut lernte ich HERRE in Kiel selbst kennen und schatzen: bei den gemein- samen Beobachtungen im Kieler Haustiergarten, bei Gesprachen iiber Forschungspriori-

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taten und bei vielen Aufenthalten in Kiel und in Salzburg, wo HERRE als Anreger fur viele Untersuchungen fungierte.

HERRES Dynamik war und ist ansteckend im besten Sinne des Wortes. Mein Aufenthalt als Gastdozent am Kieler Institut (1962/1963) war eine wichtige Wegmarke auch fur die osterreichische Zoologie. In vielen Vortragen und bei vielen Gesprachen in Salzburg und in Kiel von 1968 bis 1988 und in Vortragen und Kolloquien uber Domestikationsfor- schung, die Kommunikation im Tierreich, uber Tiergartenbiologie und uber die Tierwelt der Galapagos-Inseln setzte HERRE irnmer Impulse besonderer Art.

Aus HERRES Werk ergeben sich fur alle Wirbeltierforscher Anregungen: vor allem sollte allgemein bekannt werden, da13 die Domestikation von Tieren - neben der Erfin- dung des Pflanzenbaues - wohl die grofiten kulturellen Veranderungen fur die Menschheit im vortechnischen Zeitalter gebracht hat. HERRES Arbeiten haben - uber die Zoologie und die Biologie des Menschen hinaus - grundlegende Bedeutung fur die Kulturgeschichte der Menschheit. Exemplarisch sind HERRES Leistungen fur die Schaffung des archaologi- schen Museums in Schleswig-Gottorp.

Sein Werk liefert Anregungen zum Nachdenken uber die Beziehungen von Mensch und Tier. Seine Artikel aus den letzten Jahren weisen alle in diese Richtung: ,,Sus scrofu - Wild- schwein und Rangifer turundus - Rentiere" im Handbuch der Saugetiere Europas (Hrsg. J. NIETHAMMER und F. KRAPP, 1986) und ,,Die sudamerikanischen Schwielensohler" (zu- sammen mit W. L. FRANKLIN) und der Artikel ,Tiere in menschlicher Obhut" (zusamrnen mit M. ROHRS) - alle enthalten im Band 5 von GRZIMEKS Enzyklopadie der Saugetiere - zeigen die Leitlinie seines Denkens, ebenso sein Beitrag ,Die Beziehungen zwischen Mensch und Haushunden im Wandel der Kulturen und Zeiten" (Deutsche Drahthaarblat- ter Band 67, 1989, 11-18).

HERRES Werke sollten Pflichtlekture fur alle Zoologen und Biologen sein, fur alle Frei- landbeobachter ebenso wie fur alle Anatomen, Feinstrukturforscher, Evolutionsbiologen und Genetiker. Es ist sehr zu hoffen, dai3 uns allen dieser bienenfleifiige, immer anre- gende, immer ,,quick"lebendige ,,Wolf" WOLF HERRE als explorierender, als rufender, als umfassend gebildeter Biologe und Mensch noch lange erhalten bleibt.

HANS ADAM, Salzburg

Anscbrzfi des Verfussevsr Zoologisches Institut der Universitat, Naturwissenschaftliche Fakultat, Universitat Salzburg, Hellbrunner StraBe 34, A-5020 Salzburg

Inhaber und Mitarbeiter der Verlagsbuchhandlung Paul Parey mochten an dieser Stelle, zugleich im Namen der weiteren Herausgeber der ,,Zeitschrift f i r zoologische Systematik und Evolutionsforschung", Prof. Dr. Dr. h. c. WOLF HERRE die besten Gluckwunsche zur Vollendung des 80. Lebensjahres ubermitteln.

Es gilt, Dank zu sagen fur eine jahrzehntelange erfreuliche Zusammenarbeit rnit zwei Verlegergenerationen. Die Zusammenarbeit ging uber die Herausgabe der Jeitschrift fur zoologische Systematik und Evolutionsforschung", die durch die Initiative von WOLF HERRE ihre Heimat bei Paul Parey gefunden hat, hinaus. Neben der Jeitschrift fur Sauge- tierkunde" betraf sie die Schriftenreihe ,,Mammalia depicta" und die ,,Zeitschrift fur Tierzuchtung und Zuchtungsbiologie". Besonders wertvoll war uns aber stets der sichere Rat bei einer Vielzahl anderer Verlagsprojekte und Manuskriptangebote im Bereich der Zoologie.

FRIEDRICH GEORGI RUDOLF GEORGI