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Protobranching Konzept und Kritik Moritz Förster 11.09.2012

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Protobranching Konzept und Kritik

Moritz Förster 11.09.2012

Protobranching Konzept und Kritik

Moritz Förster 11.09.2012

1. Das Konzept des Protobranchings

2. Die Kritik am Protobranching-Ansatz

3. Die Stabilitäten der Alkan-Isomere mit DFT

Das Konzept des Protobranchings

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Befundlage: verzweigte Alkane sind stabiler als die entsprechenden linearen Isomere

Bsp.: Isobutan ca. 2 kcal/mol stabiler als n-Butan

Neopentan ca. 5 kcal/mol stabiler als n-Pentan

Protobranching-Ansatz: Existenz von attraktiven 1,3-Dialkyl-Wechselwirkungen[1]

Stabilisierung der verzweigten Isomere durch größere Anzahl von 1,3-WW (Protobranching)

Hauptaugenmerk liegt nicht auf der Analyse der verantwortlichen WW (später mehr)

[1] P. v. R. Schleyer, K. N. Houk, Y. Mo, M. D. Wodrich et al., Chem. Eur J. 2007, 13, 7731-7744

Beispiel: Darstellung der Protobranching-WW aus [1]

Das Konzept des Protobranchings

ein wichtiger Bestandteil: Wahl von Referenzverbindungen (basierend auf 1930er Jahren)

Auswirkungen von Protobranching auf Ringspannungen, Stabilisierung durch Hyperkonjugation, …

isodesmische Reaktionen wurden verwendet:

Anzahl und Art der Bindungen auf beiden Seiten des Reaktionspfeiles gleich.

expl. Beispiel: Neopentan

pro „Protobranch“ erhöht sich die Stabilisierung um 2.8 kcal/mol (allgemein)

2 [1] P. v. R. Schleyer, K. N. Houk, Y. Mo, M. D. Wodrich et al., Chem. Eur J. 2007, 13, 7731-7744

C(CH3)4 + 3CH4 4 C2H6

Reaktionsenergie: 13.65 kcal/mol

Pro Protobranch: 2.28 kcal/mol

(NIST 298 K thermochem. Daten)

Stabilisierung durch Protobranching wirkt sich auf Ringspannungen aus

Spannungen werden relativ zu spannungsfreien Referenzsubstanzen bewertet

Beispiel: Cyclopropan

Propan wird als spannungsfrei angenommen

konventionelle Ringspannung durch isodesmische Reaktion ist 27.7 kcal/mol

C3H6 + 3 C2H6 3 C3H8

jedes Propan ist durch Protobranching stabilisiert („negative strain“)

Ringspannung wird überschätzt (ca. 8.5 kcal/mol)

Schleyer et al. korrigieren die Ringspannung von Cyclopropan auf 19.2 kcal/mol

C3H6 + 3 CH4 3 C2H6

analog für weitere Ringsysteme

3 [1] P. v. R. Schleyer, K. N. Houk, Y. Mo, M. D. Wodrich et al., Chem. Eur J. 2007, 13, 7731-7744

Das Konzept des Protobranchings

Protobranching wirkt sich auf die Stabilisierung von Benzol aus

Resonanzenergie von Kistiakowsky (1936): 36.0 kcal/mol[2]

Schleyer et al. korrigieren den Wert auf 69.0 kcal/mol (Cyclohexen durch Hyperkonjugation stabilisiert)

Hintergrund: Bewertung von Hyperkonjugation beruht u. A. auf Propan als Referenzsubstanz

nicht-beschriebene Effekte: Protobranching, Konjugation, Hyperkonjugation

die korrigierten Resonanzenergien liegen für sechs getestete isodesmische Reaktionen alle in einem

Bereich von 64.9 bis 69.0 kcal/mol

diese geringe Bandbreite von ca. 4 kcal/mol wird als Robustheit des Protobranching-Ansatzes gewertet

3 + 2

4 [2] G. B. Kistiakowsky, J. R. Ruhoff, H. A. Smith, W. E. Waughan, J. Am. Chem. Soc. 1936, 58, 146

Das Konzept des Protobranchings

5

Das Konzept des Protobranchings

Zusammenfassung:

attraktive 1,3-Dialkyl-WW stabilisieren Alkane (pro Protobranch 2.8 kcal/mol)

einfaches Konzept; Titel „paradigm-shifting implications“

Referenzverbindungen (Ringspannungen) sollten überarbeitet werden, da „ungespannte“

Verbindungen (lineare Alkane) von Protobranching profitieren

Referenzverbindungen ohne Protobranching-WW

mit HF- und DFT-Rechnungen wird die Stabilisierung durch Protobranching unterschätzt

C3H8 + CH4 2 C2H6 2.8 kcal/mol

Protobranching Konzept und Kritik

Moritz Förster 11.09.2012

2. Die Kritik am Protobranching-Ansatz

Die Kritik am Protobranching-Ansatz

Scott Gronert: ausführliche, fundierte Kritik am Protobranching-Ansatz[3]

attraktive 1,3-Dialkyl-WW seit Jahrzenten umstritten (T. L. Allen 1959)

die zugrundeliegenden WW werden nicht analysiert

es wurden keine unterstützenden Daten angegeben

Diskussionsweise wird in Frage gestellt; Bsp. Protobranching-Grundannahme

6 [3] S. Gronert, Chem. Eur J. 2009, 15, 5372-5382

C3H8 + CH4 2 C2H6 2.8 kcal/mol

Es gibt 3 Möglichkeiten, diesen Befund zu beschreiben:

1. Ethan ist besonders instabil

2. Methan ist besonders stabil

3. Propan ist besonders stabil

Die Kritik am Protobranching-Ansatz

die Bewertung intramolekularer WW durch die Analyse von Änderungen in und schwierig

optimal: System isoliert die zu untersuchenden WW von anderen Faktoren (schwierig)

sind Variationen in Edukten oder Produkten für Änderungen der Thermochemie verantwortlich?

Thermochemie der Alkane kann durch viele Modelle korrekt widergegeben werden

1,3-Dialkyl-WW wurden ebenso als repulsiv behandelt (S. Gronert, J. Org. Chem. 2006, 71, 1209-1219)

oder: auf elektrostatischen WW basierendes Modell von Benson, bei dem keine Aussage über die Natur

der 1,3-Dialkyl-WW getroffen wurde (S. W. Benson, M. Luria, J. Am. Chem. Soc. 1975, 97)

7 [3] S. Gronert, Chem. Eur J. 2009, 15, 5372-5382

“In essence, the system (thermochemistry of the alkanes) is a data-fitter’s dream”[3]

Die Kritik am Protobranching-Ansatz

Gronert: 1,3-Dialkyl-WW ist repulsiv (Winkelaufweitung in z.B. Propan auf 112°)

Schleyer et al. testeten diesen Befund und dokumentierten einen Energieaufwand von 0,3 kcal/mol, um

den C-C-C-Bindungswinkel in Propan auf 109.5° zu ändern

Problem: die Relaxation der restlichen fünf Bindungswinkel kompensiert den obigen Energieaufwand

Protobranching kann keine strukturellen Eigenschaften phänomenologisch beschreiben

die Protobranching-WW hängt nur von der Anzahl der Bindungen und nicht von dem Abstand der

Atome ab; muss stark attraktiv sein, um die repulsiven sterischen Effekte auszugleichen

Protobranching kann mit keiner bekannten intermolekularen WW in Einklang gebracht werden; strikt

intramolekulare WW

8 [3] S. Gronert, Chem. Eur J. 2009, 15, 5372-5382

Die Kritik am Protobranching-Ansatz

Fishtik kritisiert den Protobranching-Ansatz ebenso[4]: Schleyer et al. fehlt es an Wissen, wie

Spannungs- oder Resonanzenergien berechnet werden.

C-C-C-Wechselwirkungen sind schon lange bekannt (T. L. Allen 1958) und in vielen Gruppenbeitrags-

Methoden zur Berechnung von thermochemischen Daten implementiert; diese Methoden sind die

einzige Möglichkeit, um Spannungsenergien zu berechnen

populärstes Beispiel: Benson-Modell

9 [4] E. Fishtik, J. Phys. Chem. A 2010, 114, 3731-3736

„… it is fundamentally wrong to employ methane as a reference

species in evaluating the strain energy of cycloalkanes.“

Protobranching Konzept und Kritik

Moritz Förster 11.09.2012

3. Die Stabilitäten der Alkan-Isomere mit DFT

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Die Stabilitäten der Alkan-Isomere mit DFT

Schreiner[6]: DFT populärste Methode zur Beschreibung von größeren Systemen (Aufwand/Qualität)

Fehler von B3LYP am G2-Satz 3 kcal/mol; Fehler verdoppelt sich am G3-Satz

DFT-Methoden liefern richtige Antworten oft nicht aus den richtigen Gründen

Energiedifferenz von Alkan-Isomeren problematisch; chemische Intuition oft nicht hilfreich

schwerwiegende Fehler mit DFT, falls sich die Bindungssituationen stark ändern

Fehler steigen mit zunehmender Systemgröße an

Dispersions-WW nicht alleiniger Grund (S. Grimme, J. Comp. Chem. 2004, 25, 1463-1473)

[6] P. R. Schreiner, Ang. Chem. Int. Ed. 2007, 46, 4217-4219

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Die Stabilitäten der Alkan-Isomere mit DFT

Alternative Dichtefunktionale:

Truhlar[7]: M05-2X leistungsfähige Alternative; Übereinstimmung mit CCSD(T)[7]

simultane Parametrisierung von X- und C-Funktional gegen akkurate Daten (inkl. nicht-

kovalente WW); mittelreichweitige Effekte besser beschreibbar

kinetische Energiedichte in X- und X-Funktional

Perdew/Grimme[8] : Veränderung zweier Parameter im PBE-Funktional; PBEsol (nicht-empirisch)

für dichtgepackte Feststoffe entwickelt

je größer das organische System wird, desto ähnlicher ist es einem Feststoff

[7] D. G. Truhlar, Y. Zhao, Org. Lett. 2006, 8, 5753-5755

[8] J. P. Perdew, S. Grimme et al., J. Chem. Theory Comput.

Die Stabilitäten der Alkan-Isomere mit DFT

Grimme: Analyse von stereoelektronischen Effekten[8]; Befundlage: DFT versagt

[8] S. Grimme, Angew. Chem. Int. Ed. 2006, 45, 4460-4464 12

Die Stabilitäten der Alkan-Isomere mit DFT

Isomerisierung von Alkanen mit DFT nicht beschreibbar

lokalisierte Molekülorbitale (LMO) für (SCS-)MP2-Rechnungen ermöglichen Unterteilung von

Korrelationsbeiträge in räumliche Bereiche (Paar-Korrelationsenergie)

Elektronenkorrelation im Bereich von 1,5 bis 3,5 Å besonders signifikant (1,3-WW)

[8] S. Grimme, Angew. Chem. Int. Ed. 2006, 45, 4460-4464 13

langreichweitige vdW-WW nicht ausschlaggebend

mittelreichweitige Korrelationseffekte wichtig; in

Isomeren ändert sich die räumliche Verteilung der

Bindungsarten drastisch

X-Funktionale in DFT zu lokal

B2PLYP liefert bessere Ergebnisse als Standard-DFT …

Protobranching Konzept und Kritik

Moritz Förster 11.09.2012

1. Das Konzept des Protobranchings

2. Die Kritik am Protobranching-Ansatz

3. Die Stabilitäten der Alkan-Isomere mit DFT