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PTS-FORSCHUNGSBERICHT IK_MF120191 AUSRÜSTUNG VON PAPIEREN MIT PYROELEKTRISCHEN COATINGS (PYROCOAT) www.ptspaper.de » VERPACKUNGEN UND KONFORMITÄT » DRUCK UND FUNKTIONALE OBERFLÄCHEN » MATERIALPRÜFUNG UND ANALYTIK » FASERN UND COMPOSITE » PAPIER- WIRTSCHAFT 4.0

PTS-FORSCHUNGSBERICHT IK MF120191 AUSRÜSTUNG … · trioxid (Lithiumtantalat-LT, LiTaO 3), welche von der Fa. H.C. Starck bezogen worden sind. Streichfarben mit pyroelektrischen

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PTS-FORSCHUNGSBERICHT IK_MF120191AUSRÜSTUNG VON PAPIEREN MIT PYROELEKTRISCHEN COATINGS(PYROCOAT)

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J. Schulz: PyroCoat

PTS-Forschungsbericht www.ptspaper.de PTS-FB 14/15

J. Schulz: Ausrüstung von Papieren mit pyroelektrischen Coatings (PyroCoat) PTS-Forschungsbericht 14/15 Juni 2015, zweite geringfügig überarbeitete Auflage Dezember 2015

Papiertechnische Stiftung (PTS) Heßstraße 134 D - 80797 München www.ptspaper.de

Download-Information: Diese Studie steht auf der Homepage der PTS zum Download bereit: www.ptspaper.de/forschungsdatenbank

Ansprechpartner:

John Schulz Tel. 089 12146 181 [email protected]

Papiertechnische Stiftung PTS Institut für Zellstoff und Papier IZP Pirnaer Straße 37 01809 Heidenau

Die Ergebnisse wurden im Rahmen des Forschungsvorhabens MF 120191 gewonnen, das im Programm zur "Förderung von Forschung und Entwicklung bei Wachstumsträgern in benachteiligten Regionen" mit finanziellen Mitteln des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) über den Projektträger EuroNorm Gesellschaft für Qualitätssicherung und Technologie mbH aufgrund eines Beschlus-ses des Deutschen Bundestages gefördert wurde. Dafür sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Unser Dank gilt außerdem den beteiligten Firmen für die Probenbe-reitstellung und für die freundliche Unterstützung bei der Projekt-durchführung.

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Titel Ausrüstung von Papieren mit pyroelektrischen Coatings J. Schulz Inhalt 1 Zusammenfassung .................................................................................................................... 3

2 Abstract ....................................................................................................................................... 4

3 Einleitung..................................................................................................................................... 5

4 Versuchsdurchführung ............................................................................................................. 7

5 Vorbetrachtung: Stand der Technik ........................................................................................ 8

6 Charakterisierung der Pyroelektrika ....................................................................................... 9

7 Entwicklung von Rezepturen der funktionalen Coatingmassen und ihre Analyse ....... 11

8 Auswahl, Beschaffung und Analyse der Modellsubstrate ................................................. 14

9 Auftragen der Coatingmassen auf die Papiere im Labor ................................................... 15

10 Analyse der beschichteten Papiere ....................................................................................... 16

11 Definierte Alterung beschichteter Papiere ........................................................................... 20

12 Papiere Erarbeitung eines Modells zur Wertstoff-Rückgewinnung ................................. 22

13 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung .............................................................................................. 24

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1 Zusammenfassung

Zielstellung Ziel des Forschungsvorhabens war es, Papiere mit pyroelektrischen Eigenschaf-ten auszurüsten. Im Fokus stehen insbesondere Anwendungen, bei denen die antimikrobielle Wirkung der Pyroelektrika gewinnbringend eingesetzt werden kann.

Ergebnisse Im FuE-Vorhaben wurden folgende Resultate erzielt: • Es konnten Beschichtungsmassen mit Pyroelektrika entwickelt werden,

die mit herkömmlichen Applikationsverfahren aufgetragen werden kön-nen.

• Darüber hinaus wurden die funktionellen Rohstoffe ebenfalls in einem dafür neuen Verfahren, durch Beflocken, erfolgreich auf Papier aufgetra-gen.

• Die Coatingmassen wurden auf ihre pyroelektrische Aktivität untersucht. Dazu wurde ein entsprechendes Vorgehen mittels eines Fluoreszenz-farbstoffes auf diese Materialien angepasst.

• Bindemittel oder andere herkömmliche Streichfarbenbestandteile wirken sich nicht störend auf die pyroelektrische Aktivität der neuen Rohstoffe aus. Bereits geringe Temperaturänderungen (2K) sind für deren Funktio-nalität ausreichend.

• Es erfolgte der Nachweis einer antimikrobiellen Wirkung gestrichener Papiere sowie nach Anwendung der dafür neuartigen Applikations-methode – dem Beflocken.

Es konnten keine negativen Auswirkungen der oxidativen Fähigkeiten der pyroelektrischen Substanzen auf die mechanische Eigenschaften und Stabilität der Papiere und der Coatings vor sowie nach einer definierten Alterung festge-stellt werden.

Schluss-folgerung

Auf Basis der in diesem Vorhaben erzielten Ergebnisse können in weiteren Entwicklungsarbeiten diese Beschichtungen auf konkrete Produkte angepasst werden. Die Beflockung von Oberflächen mit den Pyroelektrika liefert die stärkste antimikrobielle Wirkung. Dieses Vorgehen sowie die entsprechenden Papieroberflächen sind weiter zu verbessern, um daraus optimierte Produkte z. B. für den Bereich Filtration aufzubauen. Für den Einsatz im Produktschutz wären solche Oberflächen dann gut geeignet, wenn das Hilfsmittel z. B. ein Biosensor gemeinsam mit einem Messtechnikentwickler aufgebaut werden kann. Die wirtschaftliche Bedeutung zeigt sich besonders dadurch, da solche neuen antimikrobiellen Oberflächen ohne weitere Chemikalien arbeiten, völlig ungefährlich und nicht toxisch sind und sich nicht „verbrauchen“. So lassen sich für den hart umkämpften Markt für Papiererzeuger und -verarbeiter mit Anwen-dungen im Filterbereich oder Produktschutz und auch Messtechnikhersteller (Biosensoren) Zukunftsmärkte generieren. Solche speziellen Beschichtungen sind auch auf andere bahnförmige Materialien wie Textilien oder Kunststoffe übertragbar. Für die Zulieferindustrie (Chemie) wird außerdem der Zugang zu einer neuen Branche erschlossen und zusätzliches Marktpotenzial geschaffen.

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2 Abstract

Objective The aim of this project was to equip paper with pyroelectrical properties. Espe-cially applications having antimicrobial effects of pyroelectric pigments have been in the focus of the project.

Results The main results of this project can be summarized to the following points: • Coating formulations containing pyroelectrical pigments could be devel-

oped, which can be applied using conventional coating processes. • In addition, these functional raw materials have been applied to coat pa-

per sheets by using successfully an in this context new process, the flock coating.

• The pyroelectrical activities of the coating formulations have been inves-tigated. For this purpose a suitable approach by means of a fluorescent pigment has been adapted to the pyroelectrical material.

• There are no disturbing interactions caused by binders or other conven-tional coating components concerning the pyroelectrical activity of the new material. Minor temperature alterations (2K) are already sufficient for their functionality.

• We could proof an antimicrobial impact of coated paper sheets as well as by means of the new process generated flock-coated paper sheets.

Neither mechanical properties nor the paper and coating formulation stability before and after a defined aging procedure caused negative impacts of the pyroelectric’s oxidative abilities.

Conclusion Further developments of these coatings can be adapted to specific products on the basis of our results. The flock-coated surfaces with pyroelectric pigments provided the most massive antimicrobial effect. This process as well as the paper surfaces need to be improved to establish optimized products as for instance in the field of filtration. Thus those surfaces would be appropriate for the application in brand protection, e.g. the assembling of a biosensor coopera-tively with a measurement engineer. The economic significance is justified by the fact that these new antimicrobial surfaces work without any further chemi-cals while being absolutely harmless, non-toxic and non-exhaustible. In this way emerging markets can be generated for the highly competitive market of paper producers and processers with focus on filtration or brand protection as well as producers of measurement engineering (biosensors). Such specific coatings can also be transferred to other roll-to-roll materials, e.g. textiles or synthetics. The access to a new sector can be opened for the supplier industry (chemistry) whereby additional market potential would be created.

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3 Einleitung

Pyroelektrizität Auf Grund des steigenden Umweltbewusstseins in der Papierindustrie wird durch ökonomische Erwägungen intensiv an der Senkung von Energie- und Rohstoff-bedarf in den Produktions- und Verarbeitungstechnologien gearbeitet. Der Einsatz von Pyroelektrika in Papierbeschichtungen schließt sich dieser Zielstel-lung an, da in diesem Fall Halbzeuge oder Produkte optimiert werden. Die Pyroelektrizität ist eine Eigenschaft von Ionenkristallen mit permanenter elektrischer Polarisation. Bei Temperaturänderung kommt es zu einer elektri-schen Aufladung gegenüberliegender Kristalloberflächen. Die aus der Oberflä-chenaufladung resultierende Spannungsdifferenz an den Kristalloberflächen lässt sich durch Elektroden abgreifen. Diese Möglichkeit findet breite Anwendung in der Sensorik. So basieren zahlreiche Infrarot- und Mikrowellendetektoren, Temperaturfühler und Kalorimeter auf der Nutzung dieses Effekts.[1,2] Ein ande-res Anwendungsgebiet ist die Gasanalyse, bei der das Absorptions- bzw. Transmissionsverhalten von Gasen bestimmt wird. Die Ladungserzeugung an den Kristalloberflächen ist ein katalytischer Prozess, der mit jeder Tempera-turänderung (ausreichend sind 5 K) wiederholt auftritt, wobei die Substanz selbst nicht verbraucht wird. Die Energieeinsparung ist möglich, da keine separate Wärme-/Kälte-, Strom-, Licht- oder Strahlungsquelle nötig sind. Für die erforderli-chen Temperaturänderungen können natürliche Schwankungen sowie gezielt geleitete Wärme-/Kälte-ströme anderer Prozesse ausgenutzt werden. Mittels eines pyroelektrischen Kristalls können mit einfachen Mitteln auf kleinem Raum elektrische Spannungen bis zu mehreren 100 kV erzeugt werden. Deswe-gen finden sie Verwendung in Geräten zur kalten Fusion, wo sie Atome ionisie-ren und die entstandenen Ionen im elektrischen Feld beschleunigen. Eine weitere derartige Anwendung ist die Nutzung für sehr kleine Röntgenquellen, in denen das starke elektrische Feld des pyroelektrischen Kristalls zur Beschleuni-gung der Elektronen dient.

Pyroelektrisch induzierter Ladungstransfer

Pyroelektrizität ist die Änderung der spontanen Polarisation P eines Materials infolge einer Temperaturänderung und der damit einhergehend hervorgerufe-nen Spannung durch thermische Expansion. Für LiNbO3 ist für den Betrag von dem Wert P von 0,71 in der Literatur angegeben[3,4,5] und für LiTaO3 bei 25 °C liegen die Werte für P bei 0,5.[6] Die Änderung der Polarisation an der Oberfläche resultiert in der Ausbildung einer an die Oberfläche gebundenen Polarisationsladungsdichte, welche im Gleichgewicht entweder durch Ladungsträger aus dem Kristall (intrinsische Kompensation) oder angelagerte ionische Spezies aus der Umgebung (extrinsische Kompensation) ausgeglichen wird. Der Ladungstransfermechanismus beschränkt sich wesentlich auf einen Austausch von Ladungsträgern zwischen den Oberflächenzuständen und Redox-spezies des Elektrolyten. Abb. 1 (a) zeigt beispielhaft die Oxidations-potenziale für Hydroxylradikal- und Hydroperoxidradikalbildung. In den Zuständen (b) und (d) können Redoxreaktionen mit oberflächenadsorbieren-den Molekülen stattfinden, bei denen ROS gebildet werden. In der Praxis würde diese beispielsweise zur Abtötung von Bakterien führen.

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Als möglicher Konkurrenzprozess zu einem pyroelektrisch induzierten La-dungstransfer ist die Adsorption ionischer Spezies anzuführen.[7] Dadurch würde die pyroelektrokatalytische Aktivität des Kristallpulvers prinzipiell herabgesetzt werden. Prinzipiell könnten solche Konkurrenzprozesse auch durch Bestandteile der Coatingmassen stattfinden.

Abb. 1: Schematische Darstellung eines pyroelektrokatalytischen Zyklus, d. h. thermische Anregung eines pyroelektrischen Kristalls in wässriger Umgebung und darauffolgender Oberflächenreaktion. Gleichgewichtssituationen bei verschiedenen Temperaturen in (a) und (c). Ausbildung des Oberflächenpotenzials aufgrund temporären Ungleichgewichts zwischen Polarisations- (rot) und Abschirmladungen (blau) in (b) und (d) (Abbildung aus [8])

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4 Versuchsdurchführung

Pyroelektrische Pigmente

Für die Untersuchungen kamen zwei verschiedene pyroelektrische Pigmente zum Einsatz: Lithiumniobtrioxid (Lithiumniobat-LN, LiNbO3) sowie Lithiumtantal-trioxid (Lithiumtantalat-LT, LiTaO3), welche von der Fa. H.C. Starck bezogen worden sind.

Streichfarben mit pyroelektrischen Pigmenten

Die Streichfarben mit den Pyroelektrika wurden auf einen pH-Wert von 9,5-10,5 und einem Feststoffgehalt von 50% eingestellt. In einigen Fällen war dies nicht möglich. Hier wurde der maximal einstellbare Feststoffgehalt genutzt. Das Verdickungsmittel wurde nach Bedarf zugefügt, so dass die Brookfield-Viskosität der Streichfarben bei 100 rpm auf 600 bis 1200 mPa s eingestellt werden konnte, wobei die Coatingmassen einen pH-Wert von 10,5-11,3 aufwiesen.

Temperatur-zyklen

Bei dem pyroelektrischen Effekt hat eine Temperaturerhöhung eine Abnahme der Polarisationsladungsdichte zur Folge, sodass ein Überschuss an Kompen-sationsladungen auf der Oberfläche existiert. Bei Temperaturerniedrigung ist die Situation entsprechend umgekehrt. Wie schnell sich eine neue Gleichgewichts-situation und damit erneute Ladungsneutralität an der Oberfläche einstellt, hängt wiederum von elektronischen Parametern des Materials selber als auch von den Umgebungsbedingungen ab. Um sich die pyroelektrokatalytische Aktivität zunutze zu machen, ist davon auszugehen, dass das Kristallpulver aufgrund seiner größeren Temperaturleit-fähigkeit bei Aufheizen oder Abkühlen vergleichsweise schnell die Temperatur der Umgebung annehmen sollte. Die Temperaturleitfähigkeit von LT ist mit der von LN vergleichbar.[9]

Farbstoff-basierter Nachweis des pyroelektrischen Effektes

Zur Bestimmung der pyroelektischen Aktivität kam ein Fluoreszenzfarbstoff-basierter Nachweis reaktiver Sauerstoffspezies (ROS) zur Anwendung.[Fehler!

Textmarke nicht definiert.,Fehler! Textmarke nicht definiert.] Bei ROS handelt es sich um radikali-sche Spezies, welche über ein ungepaartes Valenzelektron verfügen und damit hochreaktiv sind. Typischerweise sind sie an Oxidoberflächen unter Atmosphä-renbedingungen adsorbiert und bilden sich nur beim Auftreten des pyroelektri-schen Effektes – d.h. einer elektrischen Aufladung durch permanente elektri-sche Polarisation der Kristalle – aus. Zum Einsatz kam zunächst der Indikatorfarbstoff 2‘,7‘-Dichlorodihydrofluorescin-diacetat (DCFH-DA), welcher in einer Ethanol-Stammlösung vorgelegt und anschließend auf eine Konzentration von 0,24 mM mit VE-Wasser verdünnt wurde. In basischem Milieu (d.h. z. B. in wässriger Dispersionen der LiNbO3- und LiTaO3-Pulver) findet eine Deesterifizierung statt.[Fehler! Textmarke nicht defi-

niert.,Fehler! Textmarke nicht definiert.] Dabei entsteht 2‘,7‘-Dichlorodihydrofluorescin (DCFH). Aus der Zugabe von LN- oder LT- Kristall-pulver zu einer wässrigen Lösung resultiert eine Verschiebung des pH-Werts in den basischen Bereich, wodurch die vollständige Umwandlung zu DCFH angetrieben wird.[Fehler! Textmarke

nicht definiert.] Erst durch eine ROS-induzierten Reaktion wird DCFH zu dem stark fluores-zierenden Molekül 2‘,7‘-Dichlorofluorescin (DCF) oxidiert. Die Fluores-

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zenz-intensitäten korrelieren mit der Konzentration an ROS.

Um den pyroelektrischen Effekt auszulösen, wurden die Proben in einem Ther-momixer definierten Temperaturzyklen (nähere Erläuterung siehe Anhang A) unterworfen. Anschließend wurden die Proben zentrifugiert (4200 x g, 16 min). Es erfolgt eine Bestimmung der Fluoreszenzintensität der Überstände mit einem Fluoreszenzspektrometer (Fa. Shimadzu) bei Wellenlängen von 470 und 521 nm entsprechend für Anregung und Emission. Die Bestimmung der pyroelektrischen Aktivität jeder Probe wurde durch eine Kontrollprobe (d. h. ohne Temperaturvariation) begleitet und alle Proben erfuh-ren jeweils eine 3fach-Messung.

Test auf anti-mikrobielle Wirkung

Zur Bestimmung der antimikrobiellen Wirksamkeit erfolgte eine zyklische Temperaturbelastung der Proben zwischen 20 und 45 °C. Als Testkeim wurde Escherichia coli (DSMZ 498) eingesetzt. Die Bakteriensuspension wurde der Probe direkt zugesetzt (Animpfung) bzw. auf die Papierproben (gestrichene Seite) gegeben und mit einer weiteren funktionalisierten Papierprobe gleicher Größe abgedeckt. Anschließend erfolgte die Ausplattierung auf Agarplatten (Standardnähragar) und die anschließende Inkubation im Klimaschrank bei 30 °C mit einer Inkubationszeit von 24 h. Der Nachweis der antimikrobiellen Wirksamkeit erfolgte im Anschluss halbquantitativ durch Bestimmung der koloniebildenden Einheiten (KbE).

5 Vorbetrachtung: Stand der Technik

Technische Anwendungen

Wie im Rahmen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten und von der TU Dresden durchgeführten Forschungs- und Gründungsprojekts „Biomimetische Mineralisation für die Technik“ aufgezeigt werden konnte, bietet sich durch den Ladungsaustausch mit der Umgebung großes und bislang ungenutztes Potential für technische Anwendungen pyro-elektrischer Pigmente in den Bereichen Bioverfahrenstechnik, Umwelttechnolo-gie und Life Science.[10,11]

Produkte im Vergleich zum Stand der Technik

Das aus der Textiltechnik bekannte Verfahren, Oberflächen elektrostatisch zu beflocken, kann prinzipiell auf die Beschichtung von Papierbasierten Substraten mit pyroelektrischen Pigmenten angewendet werden. Es ist denkbar, diese beflockten Substrate als neue Filtermaterialien für die Luftreinigung als desinfi-zierende Komponente einzusetzen.

pH > 7 ROS DCFH-DA → DCFH → DCF

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6 Charakterisierung der Pyroelektrika

Vorgehensweise Es wurde eine Auswahl geeigneter Rohstoffen für die zu entwickelnden Wasser basierenden Rezepturen der Coatingmassen getroffen und diese anschließend beschafft. Außerdem erfolgte die Charakterisierung dieser Rohstoffe.

Rohstoffauswahl Pyroelektrika

Neben der Auswahl von Rohstoffen für die Referenzbeschichtungen ohne pyro-elektrischen Effekt wurden zwei Rohstoffvertreter für die pyroelektrischen Sub-stanzen ermittelt. Hierbei handelt es sich um Lithiumniobtrioxid (Lithiumniobat, LiNbO3) und Lithiumtantaltrioxid (Lithiumtantalat, LiTaO3). LiNbO3 ist eine von vier bekannten Verbindungen im System Li2O-Nb2O5. Nahe-zu alle physikalischen, chemischen und strukturellen Eigenschaften, wie z. B. Dielektrizitätszahl, pyroelektrischer Koeffizient oder Wärmeleitfähigkeit, hängen im Allgemeinen von der Defektchemie ab. Für das LiTaO3 stellt sich eine analoge Situation dar.

Charakteri-sierung des Kristallpulvers

Tab. 1 fasst die Eigenschaften der LN- bzw. LT-Kristallpulver zusammen. Die Partikelgrößen von LN und LT unterscheiden sich nicht wesentlich voneinander. LN besitzt aufgrund der etwas geringeren Partikelgrößen eine höhere spezifi-sche Oberfläche. Thermogravimetrische Analysen zeigten darüber hinaus, dass beide Pigmente in Luftatmosphäre bis 900 °C stabil sind. Tab. 1: Eigenschaften der pyroelektrischen Pigmente

Eigenschaften LiNbO3 (LN) LiTaO3 (LT)

spez. Oberfläche (BET) [m2/g] 4,49 3,37

Partikelgröße [µm] d10

d50

d90

0,31

0,69

1,86

0,40

0,88

1,87

REM-Aufnahmen

10.000fache Vergrößerung

chemische Zusammensetzung

via Röntgenbeugungsanalyse

Li: 4,58%

Nb: 64,7%

Ta: 2,78%

Nb: 77,0%

Die Auswahl dieser beiden Pigmente erfolgte, da diese thermisch angeregten pyroelektrische Kristalle zur pyroelektrischen Desinfektion geeignet sind. Dabei führen die veränderlichen elektrischen Dipolfelder zur irreversiblen Permeabili-sierung der Zellmembranen. Einen zusätzlichen Beitrag zur Zellschädigung leisten die pyroelektrisch erzeugten reaktiven Sauerstoffspezies.[10]

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Charakteri-sierung der wässrigen Dispersion

Referenzproben (Ref) ohne Pigmente zeigten keine DCF-Fluoreszenz. Im Unterschied dazu ließen sich mit den pyroelektrischen Pigmenten nach definier-ter, thermischer Anregung signifikante DCF- Fluoreszenzintensitäten messen. Kontrollproben ohne thermische Anregung (K) mit Pigmenten zeigten hingegen auch DCF-Fluoreszenzemissionen, was beweist, dass bereits Temperatur-schwankungen unter 5 K während der Präparationen im Labor ausreichten, dass ROS an der Oberfläche der pyroelektrischen Pigmente entstehen. Die gra-phische Darstellung der Auswertung ist in Abb. 1 dargestellt.

Abb. 2: Fluoreszenzintensität von DCF nach zyklisch thermischer Anregung (6 Zyklen, K (kurz) = 1 Zyklus) einer wässrigen LN-Suspension und der Kontrollproben ohne ther-mische Anregung (K). Die Fehlerbalken repräsentieren die relative Standardabweichung einer Messreihe von 3 identischen Proben mit je 3 Messungen pro Probe. Tab. 2: Ergebnisse der antimikrobiellen Wirksamkeit der LN- und LT-Suspension nach

24 h Inkubationszeit (Bewertung der KbE: 50-100 (+), 100-200 (++), 200-500 (+++), 500-1000 (++++)

Kontrolle Abklatschtest pH=11,8

Abklatschtest pH=8

LN-Suspension ++++ 0 0

LT-Suspension ++++ 0 0

Dokumentation

Bei dem anschließenden Test auf antimikrobieller Wirkung wurde vergleichend ein Kontrollwert an reiner Bakteriensuspension des Darmbakteriums Escheri-chia coli ohne Einwirkung der Pigmente bzw. von Temperaturzyklen ermittelt. Da die Dispersionen einen sehr hohen pH-Wert aufweisen, welcher bereits außerhalb des Toleranzbereiches für Escherichia coli liegen,[12] wurde dieser zunächst mit HCl auf ca. pH8 eingestellt. Wie in Tab. 2 gezeigt, wurden antimik-robielle Wirkungen nachgewiesen.

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7 Entwicklung von Rezepturen der funktionalen Coatingmassen und ihre Analyse

Vorbetrach-tungen

Für die Schichtentwicklung ist es wichtig, eine möglichst hohe Porosität zu erzeugen. So soll eine große Oberfläche zur Bildung der ROS an „frei“ vorlie-genden Pyroelektrika und dadurch eine hohe antimikrobielle Wirksamkeit gewährleistet werden. Konträr dazu der erforderliche Bindereinsatz, welcher einerseits u. a. für eine gute Haftung der Pyroelektrika auf dem Substrat sorgen muss, aber die Wirksamkeit des Pyroelektrika nicht durch zu starke Verfilmung behindern darf. Neben wirtschaftlichen Aspekten war diese Tatsache der Grund, weshalb der Zusatz herkömmlicher Streichfarbenpigmente erfolgte.

Vorarbeiten Farbempfangsschichten von (Foto)Inkjet-Papieren weisen hohe Porositäten auf und dienten daher als Anhaltspunkt für die Rezepturentwicklung. Aus diesem Grund wurden in ersten Vorarbeiten Rezepturen aus verschiedenen speziellen Pigmentformulierungen (Kieselsäuren, SiO2, Böhmit), die in der Lage sind, eine hohe Porosität auszubilden, im alleinigen Einsatz oder in Kombination mit Standardpigmenten (GCC, Kaolin), hergestellt. Außerdem wurden auch Sol-Gele, ebenfalls hochporös, aufgetragen. Um den Einfluss des Substrates auf die Stricheigenschaften auszuschließen, erfolgte der Strichauftrag auf ein PE-Substrat. Rezepturen, die Cracking oder zu geringe Porositäten zeigten, wurden nicht weiter verfolgt. Dies betraf Schichten mit Sol-Gelen und mit hohen Anteilen an SiO2.

Abb. 3: Gegenüberstellung zweier verschiedener Rezepturen mit LN auf PE-Substrat

mit vergleichbaren Strichgewichten mit Cracking (links) und ohne Fehler (rechts) unter 200facher Vergrößerung im Lichtmikroskop

Die Rezepturen mit fehlerfreier Schichtbildung und hohen Porositäten (ca. 0,35 mL/g) wurden als Basis zur Herstellung der Beschichtungsmassen mit Pyroelektrika genutzt.

Herstellung der funktionalen Coatingmassen

Tab. 3 fasst die untersuchten Streichfarbenrezepturen zusammen, welche sowohl in ihrer Schichtbildung (Agglomerate, Lufteinschlüsse) als auch der Porosität sehr gute Resultate lieferten. Coatingmassen mit 50 Teilen Streichfar-benpigmenten, davon 25 Teile Kieselsäure und 25 Teile GCC sowie 50 Teile Funktionalpigment, ließen sich gut ausstreichen. Das Bindemittel kam dabei stets mit 10 Teilen zum Einsatz. Tab. 3: Rezepturen der Coatingmassen mit Pyroelektrika sowie Eigenschaften der

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resultierenden Schichten auf nf-RP

F-Ref F-1 F-2 F-3 F-4

Sipernat 350 50 T 25 T 25 T 25 T 25 T

Capim RG 50 T 25 T

Hydrocarb 95 ME 25 T

Capim DG 25 T

Covercarb 85 ME 25 T

LiNbO3 50 T 50 T 50 T 50 T

Styronal D 809 10 T 10 T 10 T 10 T 10 T

Strichauftrag [g/m2] 21 18 36 19 24

Porenvolumen [mL/ m2] 17,0 8,0 9,0 10,1 10,3

Analyse der Coatingmassen

Für die hergestellten Beschichtungsmassen wurden die Parameter Feststoffge-halt, pH-Wert, Brookfield-Viskositäten bestimmt. Die Viskositäten bei hoher Scherung (Scherrate 45000 1/s) der Coatingmassen mit LN bzw. LT lagen bei 45 - 53 mPa s. Es wurden keine Unverträglichkeiten der Bestandteile beobach-tet. Dies zeigte sich auch bei den manuell ausgetragenen Teststrichen. Die Coatingmassen hatten im Vergleich zu Standardstreichfarben eine geringe-re Lagerstabilität durch die hohe Dichte der Pyroelektrika, was sich in einem schnellen Absetzverhalten (bereits innerhalb weniger Stunden) zeigt. Eine Dokumentation dessen ist in Abb. 3 zu sehen.

Abb. 4: Absetzverhalten der Coatingmassen zwischen ihrer Herstellung (links) und nach 4 h (rechts) am Beispiel von F-1

Überprüfung der Pyroelektro-katalytischen Aktivität in der Coatingmassen

Der pyroelektrisch induzierte Ladungstransfer beschränkt sich wesentlich auf einen Austausch von Ladungsträgern an der Oberfläche (ROS) und Redoxspe-zies der Umgebung (Fluoreszenzfarbstoff DCFH bzw. Bakterien). Als möglicher Konkurrenzprozess zu einem pyroelektrisch induzierten Ladungstransfer ist die Adsorption ionischer Spezies anzuführen.[13] Durch sie würde die pyroelektroka-talytische Aktivität des Kristallpulvers herabgesetzt werden. Prinzipiell könnten solche Konkurrenzprozesse auch durch Bestandteile der Coatingmassen stattfinden. Aus diesem Grund wurde den kompletten Streichfarbenformulierun-gen der Fluoreszenzfarbstoff (w% analog bezogen auf LN bzw. LT) beigemischt und die Fluoreszenzintensität analog der Vorgehensweise in Kapitel 6 ermittelt. Die beispielhaft betrachteten Streichfarbenrezepturen unterschieden sich

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einerseits in den Anteilen der Streichfarbenpigmente bezogen auf die der Pyroelektrika und andererseits in den Anteilen an eingesetztem Bindemittel. Die grafisch zusammengefassten Resultate sind in Abb. 5 zu finden. Die dort beispielhaft betrachteten Streichfarbenrezepturen unterschieden sich einerseits in den Anteilen der Streichfarbenpigmente bezogen auf die der Pyroelektrika und andererseits in den Anteilen an eingesetztem Bindemittel.

Abb. 5: Fluoreszenzintensität von DCF nach zyklisch thermischer Anregung (6 Zyklen, K (kurz) = 1 Zyklus) verschiedener Streichfarbenrezepturen (V) mit LN und der Kontrollproben ohne thermische Anregung (K). Die Fehlerbalken repräsen-tieren die relative Standardabweichung einer Messreihe von 3 identischen Proben mit je 3 Messungen pro Probe Wie bereits bei den wässrigen Dispersionen von LN und LT ließen sich erneut nach definierter, thermischer Anregung der Coatingmassen signifikante DCF-Fluoreszenzintensitäten messen. Abermals zeigten die Kontrollproben ohne thermische Anregung Fluoreszenz. Die Coatingmassen mit hohen Anteilen an LN zeigten erwartungsgemäß höhere Fluoreszenzintensitäten durch die höhere aktive Oberfläche, wobei die Erhöhung des Binderanteils keinen negativen Einfluss hatte. Die Ergebnisse lassen den Schluss zu, dass die pyroelektrokata-lytische Aktivität nicht durch die Anwesenheit und Wechselwirkung von LN bzw. LT mit anderen Streichfarbenbestandteilen in wässrigen Formulierungen beeinträchtigt wird.

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8 Auswahl, Beschaffung und Analyse der Modellsubstrate

Vorgehensweise Papiere mit speziellen Funktionsbeschichtungen zu versehen bzw. das Ziel, selbige z. B. in der Luftfiltration einzusetzen, erfordert die Berücksichtigung von Parametern wie möglichst geringes Penetrieren von Streichfarbenbestandteilen in das Substrat. Im Wesentlichen kamen zwei Substrate zum Einsatz:

• PE-Substrat – als Modellsubstrat, da hier die Streichfarbe komplett auf der Oberfläche verbleibt; Eigenschaften besser zu untersuchen sind.

• nf-RP – da nassfeste Papiere durch ihre Imprägnierung mit Nassfestmit-tel sowohl gute Voraussetzungen für einen guten hold out (Rückhalte-vermögen) der Streichfarbe bieten, als auch für Filtrationsaufgaben Ein-satz finden könnten.

Charakteri-sierung der Modellsubstrate

Das nf-RP wurde bezüglich seiner relevanten Eigenschaften zur Gewährleis-tung der Applikation sowie der Funktionalität hin untersucht. Tab. 4 fasst seine anwendungsorientierten Eigenschaften zusammen und Abb. 6 zeigt die REM-Aufnahmen der Substratquerschnitte. Tab. 4: Anwendungsorientierte Eigenschaften des Modellsubstrates nf-RP

Eigenschaften nf-RP

Flächengewicht [g/m2] 68,0

Wasseraufnahme (Cobb30) [g/m2] 12,8

Rauheit [mL/min] 120

Nassbruchkraft längs [N] 14,4

Nassbruchkraft quer [N] 12,1

Porenvolumen [mL/m2] 16,4

Abb. 6: REM-Aufnahmen der Substratquerschnitte: nf-RP (links) und PE-Papier (rechts)

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9 Auftragen der Coatingmassen auf die Papiere im Labor

Vorgehensweise Ausgewählte Rezepturen aus AP3 wurden mittels herkömmlichen Aggregaten aus der Papierveredelung zur Schichtbildung aufgetragen. Es erfolgte eine Schichtbewertung, Rezepturoptimierung und Festlegung der Auftragsaggregate.

Auftrags-aggregate und Auftrags-bedingungen

Die Coatingmassen waren im Vergleich zu üblichen Streichfarben nicht stabil. Ursächlich dafür das Absetzverhalten und die teilweise kleinen Agglomerate der Pyroelektrika. Dadurch waren einige Applikationsverfahren ausgeschlossen. Beispielsweise kann es durch Agglomerate beim Curtain Coating zu Abrissen des Streichfarbenfilmes kommen. Auch zeigten sich Filmpressen- und Walzen-auftrag als ungeeignet zum Streichfarbenauftrag. Hingegen schien das Applizie-ren unter Verwendung von Rollrakel und Blade problemlos möglich. Es wurden Spaltweiten, Auftragsgeschwindigkeit sowie Temperatur und Dauer der Strich-trocknung variiert und angepasst. Die Qualität der Schichten wurde jeweils durch visuelle Bewertung und ergänzende Analyse mit einem Digitalmikroskop bewertet. So konnten homogene Beschichtungen fehlerfrei hergestellt werden. Tab. 3 stellt die besten Rezepturen zusammen.

Auftragsmenge mit Standardverfahren

Der pyroelektrische Effekt tritt – theoretischen Überlegungen nach – nur an frei-liegendem Material, dies hieße besonders in den Strichporen auf. Im Unter-schied zur Streichfarbe, in welcher der Fluoreszenzfarbstoff eine große Oberflä-che zur Verfügung hatte, war die Gesamtmenge der Pyroelektrika im Verhältnis zum gesamten Strichauftrag von 19 – 24 g/m2 eher gering. Durch ihre hohe spezifische Dichte im Vergleich herkömmlichen Pigmenten sind die entstehen-den Schichtdicken mit 14 - 17 µm bei vergleichbaren Auftragsmengen von 21 g/m2) entsprechend klein.

Alternative Auftrags-methoden

Dem pyroelektrischen Effekt entgegenwirkende, extrinsische Kompensations-prozesse können von der Adsorption geladener Spezies oder einem Ladungs-transfer zu Molekülen eines umgebenden Mediums (Luft, wässriger Elektrolyt) herrühren. Bei den untersuchten Materialien kann ein solcher Abschirmmecha-nismus eine inhibierende Rolle durch Kompensation der pyroelektrisch erzeug-ten Ladung spielen. Ihr Erhalt und der der Wechselwirkung mit Bakterienzell-wänden ist Voraussetzung für die antimikrobielle Wirksamkeit der Coatings. Um dem Risiko der extrinsischen Kompensation oder auch dem Reduzieren pyro-elektrischer Effekte z. B. durch Binderverfilmung weitere Lösungsansätze entgegenzusetzen, wurden zwei zusätzliche Auftragsmethoden mit einbezogen. Hierbei handelte es sich um die Einarbeitung der pyroelektrischen Pigmente als Füllstoff direkt in das Fasergefüge bei der Blattbildung sowie um eine Technik aus der Textilveredelung, der Beflockung. Die Ergebnisse beider Vorgehen sind im Folgenden beschrieben.

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Blattbildung Bei der Blattbildung wurden die pyroelektrischen Pigmente in der Faserstoff-suspension als Füllstoff zugefügt. Ziel war es, die funktionalen Partikel (hoher Dichte) auf der Siebseite des gebildeten Blattes anzureichern und zudem eine poröse Oberfläche zu generieren. Aus der Veraschung der Laborblätter konnte abgeleitet werden, dass die Partikel bei der Blattbildung gut (mit bis zu 39% Aschegehalt) retendiert wurden.

Abb. 7: REM-Aufnahmen (Rückstreuelektronenmodus) der Querschnitte von Labor-

blättern mit den pyroelektrischen Pigmenten LN (links) und LT (rechts). Die Anreicherung der Pigmente ist an der Siebseite (oben) zu erkennen.

Beflockung Analog der Herstellung von Flockfolien für den Textildruck (Flockdruck) wurde das Modellsubstrat mit dem pyroelektrischen Pigment LN beflockt. Die Grundla-ge dieser Textilveredelungstechnik bildet eine elektrostatische Beflockung von Oberflächen mit vergleichsweise dicken Klebeschichten, in die elektrisch geladene Polyamidflocken eingeschossen werden. Damit diese Polyamidflo-cken gerichtet und mit der Faser stehend in das Klebebett gelangen, werden die leitfähig präparierten Flocken unter Hochspannung aufgetragen. Ziel dieser Vorgehensweise war es, gerichtete Ladungen der Kristallpulver-partikel auf der Papieroberfläche und zudem eine Beschichtung mit hoher Porosität zu erzeugen. Damit sollte der pyroelektrisch induzierte Ladungstrans-fer durch die spontane Polarisation P eines Materials im Hochspannungsfeld ermöglicht werden.

10 Analyse der beschichteten Papiere

Vorgehensweise Die als Optimum hergestellten Papierbeschichtungen mit Pyroelektrika wurden in ihren Eigenschaften untersucht.

Gestrichene Papiere

Aus Variationen von Pigmentart und -anteilen sowie Bindemittelart und -anteilen und verschiedenen Auftragsmengen und technologischen Parametern wurden folgende Punkte als Optimum gefunden:

• Einsatz von Kieselsäure und Kaolin zu je 25 Teilen • Einsatz von LN mit 50 Teilen bzw. 100 Teilen bei der Beflockung • Strichauftragsmenge bei ca. 20 g/m² • Trocknung bei 80 °C

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In Tab. 3 sind lediglich die optimierten Rezepturen aufgeführt, die in die weiteren Untersuchungen einbezogen wurden und folgend diskutiert werden. LN wurde folgend ausschließlich genutzt, da die Partikelgrößenverteilung enger und somit günstiger und der Temperaturkoeffizient vergleichbar mit LT ist. Abb. 8 gibt die REM-Aufnahmen zweier gestrichener Substrate (nf-RP) wieder. Unterschiede in der Zusammensetzung sind in diesen beiden Beispielen gut zu erkennen (F-1 mit Kaolin sowie gleichen Anteilen an Pyroelektrika und F-2).

Abb. 8: REM-Aufnahmen der Oberflächen gestrichener Papiere (nf-RP) verschie-denen Anteilen an Streichfarbenpigmenten in den Rezepturen: mit Kiesel-säure : Calciumcarbonat : LN mit 25:25:50 (links) und mit Kieselsäure : Kaolin : LN mit 25:25:50 (rechts)

Anwendungsorientierte Eigenschaften

Tab. 5: Anwendungsorientierte Eigenschaften der Beschichtungen auf nf-RP

F-Ref F-1 F-3 F-4 F-5 F-6

Wasserauf-nahme [g/m2] 36,9 29,4 35,0 40,5 21,3 14,0

Rauheit [mL/min] 33 103 63 281 65 122

Nassbruch-kraft längs [N] 15,4 14,4 18,7 19,6 14,2 16,6

Nassbruch-kraft quer [N] 12,3 11,8 13,0 13,6 12,4 12,3

Weißgrad (D65-Licht) 92,8 93,7 93,0 93,6 92,5 92,0

Opazität (C-Licht) 94,8 95,4 95,3 94,1 94,5 93,2

Antimikrobielle Prüfung gestri-chener Papiere

Die pyroelektrokatalytische Desinfektionswirkung ist mit hoher Wahrscheinlich-keit auf die oxidative Wirkung von an der Pyroelektrika-Oberfläche erzeugten radikalischen Spezies (ROS) zurückzuführen.[Fehler! Textmarke nicht definiert.] Eine irreversible Permeabi-lisierung der Zellmembran und damit einhergehende Abtötung von lebenden Zellen durch die lokal sehr hohen elektrischen Feldstär-ken an der Oberfläche angeregter Pyroelektrika ist jedoch prinzipiell nicht auszuschließen.[14,15]

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Es ist zu vermuten, dass es aufgrund der guten Verfügbarkeit abschirmender, ionischer Spezies in einem wässrigen Medium (Streichfarbe) eher unwahr-scheinlich ist, dass sich langreichweitige elektrostatische Felder ausbilden. Hingegen konnte mit Hilfe des farbstoffbasierenden Nachweises gezeigt werden, dass auch in den Streichfarben ROS gebildet wurden.

Im AP6 war zu zeigen, ob der pyroelektrische Effekt auch an den Oberflächen der getrockneten Coatingmassen wirksam ist. Dies wurde direkt durch standar-disierte mikrobiologische Tests ermittelt, wobei der antimikrobiell wirkende Mechanismus der pyroelektrischen Coatings insbesondere dann zum Tragen kommt, wenn die Mikroorganismen an der Oberfläche der pyroelektrischen Partikel adsorbiert sind. Bei den mikrobiologischen Tests wird die Fähigkeit von Materialoberflächen ermittelt, die Vermehrung von Mikroorganismen und Keimen an der Oberfläche zu verhindern. Durch den Vergleich der Anzahl, Größe und Gestalt der Bakteri-enkolonien (Auszählung der kolonienbildenden Einheiten, KbE) zwischen der Kontrolle (ohne Kontakt des Nähragars mit den funktionalisierten Proben) und den gestrichenen Oberflächen wird die antimikrobielle Wirkung nachgewiesen. Tab. 6: Ergebnisse der antimikrobiellen Wirksamkeit der mit Pyroelektrika

gestrichenen Papiere nach 24 h Inkubationszeit (Bewertung der KbE: 50-100 (+), 100-200 (++), 200-500 (+++), 500-1000 (++++)

Kontrolle F-Ref F-1 F-5

Abklatschtest ++++ ++++ 10 ++++

Plattierung ++++ ++++ 20 ++++

Abb. 9: Keimbildung nach 24 h Inkubationszeit nach Abklatschtest (links) und der

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Spüllösung (rechts) nach Kontakt mit der Probe F-1 (oben), sowie mit der Kontrolle (unten)

Analyse der beflockten Papiere

Werden die Kompensationsladungen bei einer Änderung der spontanen Polarisation des Kristalls nicht schnell genug abgebaut bzw. nachgeliefert, kommt es an der Oberfläche zur Ausbildung eines elektrischen Potentials. Im Vakuum kann dies zu Feldstärken in der Größenordnung 10 kV/cm und höher führen.[16] Durch Feldionisation erzeugte Ladungen werden im elektrischen Feld um den pyroelektrischen Kristall beschleunigt und lassen sich bei entsprechen-der Feldgeometrie zudem fokussieren. Anwendung findet dieser Effekt bei der Erzeugung von Elektronen-, Ionen-, und Röntgenstrahlen.[16,17,18,19] Diese durch Feldionisation erzeugten Ladungen zeigten einen außergewöhnlichen Effekt bei der Topographie- und Querschnittsanalyse mittels REM der beflockten Proben. Objekte, die im REM untersucht werden, dürfen sich bei Anlegen des elektri-schen Feldes nicht aufladen, da sonst keine einwandfreie Abbildung der Probenoberfläche möglich ist. Daher muss erst bei nichtleitenden Materialien eine Oberflächenleitfähigkeit erzeugt werden. Wegen der Haftung und der diffusen Kondensation der Metallatome wird häufig die Kathodenzerstäubung (Sputtering) angewendet. Dabei handelt es sich um eine Gleichspannungsent-ladung (ca. 1 kV bei 10-50 mA) bei einem Gasdruck (meist Ar) von 0,2-0,8 hPa zwischen parallelen Platten im Abstand von einigen Zentimetern. Die bei der Gas-entladung durch Elektronenstoß entstehenden positiven Gasionen werden durch das elektrische Feld auf die Kathode beschleunigt. Die entstehenden Atome lagern sich dann als Neutralatome auf dem Präparat ab und bilden einen Metallüberzug mit gleichmäßiger Dicke (~10 nm).

Abb. 10: REM-Aufnahmen der Oberfläche mit 5000fachen Vergrößerung (oben),

besputtert (links), unbesputtert (rechts)

Abb. 11: REM-Aufnahme: Rückstreuelektronenmodus eines unbesputterten Quer-

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schnitts einer LN-beflockten Probe mit 3000facher (links) und 1000facher Vergrößerung (rechts)

Antimikrobielle Prüfung nach Beflockung

Die Messbedingungen wurden dahingehend geändert, dass die Zyklenanzahl der Temperaturänderungen (bei Beibehaltung der Amplitude) vermindert und außerdem die Temperaturwechselamplitude auf 15 °C reduziert wurde, wobei eine Beibehaltung der ursprünglichen Zyklenanzahl von zehn erfolgte.

Abb. 12: Keimbildung nach 10 Temperaturzyklen und 24 h Inkubationszeit nach

Ausplattierung auf dem Nährmedium der beflockten Probe (links) und der Kontrolle (rechts)

11 Definierte Alterung beschichteter Papiere

Vorgehensweise Die Eigenschaften der funktionalen Striche wurden nach definierter Alterung erneut untersucht und der Funktionstest hinsichtlich der antimikrobiellen Wirk-samkeit wiederholt.

Eigenschaften der gestrichenen Papiere nach Alterung

Nach definierter, temperaturbedingter Alterung (72 h bei 105 °C), wurden die gestrichenen Proben erneut bezüglich ihrer Wasseraufnahme und Nassfestig-keit untersucht. Die Abb. 13 und Abb. 14 zeigen die Ergebnisse der Material-prüfungen.

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Abb. 13: Wasseraufnahme des Substrates nf-RP sowie der mit Pyroelektrika beschichteten Proben nach definierter Alterung

Abb. 14: Nassbruchkraft des Substrates nf-RP sowie der mit Pyroelektrika beschichte-ten Proben nach definierter Alterung Die Abnahme der Wasseraufnahmefähigkeit sowie die deutliche Zunahme der Nassreißkraft lassen sich hauptsächlich auf das zum Einsatz gekommene Strichbindemittel mit einem Tg von 20 °C erklären. Während des schnellen Alterungsprozesses bei 105 °C befindet sich der hydrophobe Butadien-Styrol-Latex in einem Zustand der Schmelze und verteilt sich auf diese Weise gleich-mäßiger in der Beschichtung bzw. dringt tiefer in das Substrat ein. Die Wasser-penetration durch den Strich wird auf diese Weise reduziert. Es ist jedoch zu erwarten, dass dieser temperaturbedingte Alterungseffekt in der Praxis derart nicht auftreten wird.

Antimikrobielle Prüfung nach Alterung

Tab. 7 im gibt die Ergebnisse der antimikrobiellen Tests nach der temperaturbe-dingten Alterung wieder. Die künstliche Alterung resultiert in dem Abbau des pyroelektrisch induzierten Oberflächenpotentials und setzt die antimikrobielle Wirkung stark herab. Tab. 7: Ergebnisse der antimikrobiellen Wirksamkeit der mit Pyroelektrika gestrichenen,

künstlich gealterte Papiere nach 24 h Inkubationszeit (Bewertung der KbE: 50-100 (+), 100-200 (++), 200-500 (+++), 500-1000 (++++)

Kontrolle F-Ref F-1 F-5

Abklatschtest ++++ ++++ ++++ +++

Plattierung ++++ ++++ ++++ +++

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12 Papiere Erarbeitung eines Modells zur Wertstoff-Rückgewinnung

Versorgungs-kritische Rohstoffe

Niob und auch Lithium werden als versorgungskritisch bewertet.[20,21] D. h. diese Stoffe werden in Deutschland als wichtig für Zukunftstechnologien eingestuft, die zur Verfügung stehenden Mengen oder die Zugänglichkeit ist jedoch mittelfristig nicht gesichert. Jeglicher geplante Einsatz dieser Stoffe muss daher Recyclingverfahren vorsehen, um den Importbedarf zu minimieren und natürlich auch um Kosten zu minimieren.

Randbeding-ungen und Annahmen für ein Recycling

Die pyroelektrischen Pigmente LiNbO3 und LiTaO3 lagen in den Ziel-Coating-massen in Massenanteilen von 30% (F-1) vor. Sie ließen sich sowohl als alleinige Mineralkomponente wie auch in Mischung mit Standardstreichfarben-pigmenten, wie CaCO3 und Kaolin, einsetzen. Als typische Papieranwendung wurde ein technischer Filter angenommen. Tab. 8: Für die Rezyklierbarkeit relevante Eigenschaften der Pyroelektrika im Vergleich

zu denen gängiger Streichfarbenpigmente

LiNbO3 LiTaO3 CaCO3 Al-Silikat

CAS 12031-63-9 12031-66-2 471-34-1

Partikelgröße d50 [µm]

0,7 0,9 0,8 - 1,5 (typisch in Papier-anwendungen)

Wasserlöslich-keit

unlöslich unlöslich schwer löslich

unlöslich

Dichte [g/cm³] 4,64 7,46 2,73 2,63

Schmelzpunkt [°C]

1275 1650 825 - 899

(Zersetzung)

1450

spez. Eigen-schaften

ferroelektrisch, piezoelektrisch und pyroelektrisch

säurelöslich

Tab. 8 gibt einige Charakteristika der Stoffe wieder und stellt den Vergleich zu Calciumcarbonat und Kaolin/Kaolinit dar. Sollte das Material nicht recycelt werden sondern in übliche Entsorgungspfade gelangen, stellt dies einen Verlust der hochwertigen und versorgungskritischen Materialien dar. Eine Gefährdung von Mensch oder Umwelt liegt nach den Angaben der Sicher-heitsdatenblätter dabei nicht vor. Für das Recycling ist anzunehmen, dass der Wert der im Papierprodukt enthaltenen organischen Bestandteile, insbesondere der Fasern, gegenüber dem Wert der pyroelektrischen Salze zu vernachlässigen ist. Das Recycling sollte sich daher ausschließlich auf letztere konzentrieren.

Recycling-konzept

Das Recyclingkonzept geht davon aus, dass der Produkthersteller ein Rück-nahmesystem solcher mit Pyroelektrika ausgestatteten Produkte anbietet, um diese Materialien gezielt wiederzugewinnen und anschließend wieder einsetzen zu können. Ein solches Vorgehen gewährleistet die höchste Effektivität. Das

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Material wird dabei verascht. Prinzipiell könnte die frei werdende thermische Energie z. B. zur Dampferzeugung genutzt werden. Eine Abtrennung von Mineralkomponenten ohne Veraschung durch Sedimentationsverfahren wie etwa die Aufstromklassierung erscheint grundsätzlich möglich [22]. Der appara-tive Aufwand und die begrenzte Trennschärfe lassen diese Variante jedoch als technisch / wirtschaftlich nachrangig erscheinen. Die verbleibende Mineralfraktion kann wieder in der Papierherstellung als Füllstoff oder Streichpigment eingesetzt werden. Hierfür ist keine weitere Auftrennung nötig. In technischen Filterpapieren spielt die optische Weiße keine Rolle, färbende Verunreinigungen wie z. B. Eisensalze sind unerheblich. Sollen die Pyroelektrika als Salze rückgewonnen werden, stellen sich zwei Trennaufgaben: a) die Abtrennung von üblichen Papierfüllstoffen und Pigmen-ten und b) die Trennung von LN oder LT voneinander, sofern eine Mischung eingesetzt wurde. Die hervortretende Eigenschaft für beide Trennaufgaben ist die Dichte. Eine Verfahrensvariante beruht auf Windsichtung. Für Partikel um 1 µm Durchmesser sind Feinstsichter oder Hochleistungsfeinstsichter einzuset-zen. Mit Blick auf den überlagernden Einfluss der Partikelgrößen und das Risiko von Partikelagglomerationen in der Sichtluft sind Vorversuche notwendig. Eine Alternative stellen Stromklassierverfahren dar, die in Suspension arbeiten. Dabei ist eine Sedimentation ist nicht ausreichend, da bei Partikelgrößen unter 2 µm die Brown‘sche Molekularbewegung und Konvektionsströme die Sedi-mentation unterbinden.[23] Technische Zentrifugen können dagegen bis zu einer Partikelgröße von etwa 1 μm und ein Mindestdichteunterschied von Faktor 2 eingesetzt werden. Die höchsten Beschleunigungsziffern erreichen dabei diskontinuierliche Röhrenzentrifugen.[24]

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13 Wirtschaftlichkeitsbetrachtung

Ausrüstung von Papieren mit pyroelektrischen Eigenschaften

Inhalt des Forschungsprojektes war es, Papiere mit pyroelektrischen Eigen-schaften auszurüsten, so dass aus einer daraus resultierenden antimikrobiellen Wirkung in den Papierbeschichtungen u. a. ein Einsatz als Luft- oder Nassfilter möglich wäre. Vorteile einer antimikrobiellen Wirkung im Filterbereich liegen insbesondere in

• der Vermeidung von Fouling-Prozessen, • der Verbesserung von Filterstandzeiten durch Hemmung der Biofilm-

bildung und damit Zusetzen der Aggregate. Durch das Forschungsprojekt wurden in diesem Zusammenhang folgende wichtige Ergebnisse erzielt:

• erfolgreicher Einsatz anorganischer pyroelektrischer Substanzen als Kris-tallpulver in wasserbasierenden Coatingmassen bzw. als streufähiger Rohstoff auf Binderschichten,

• Erweitern des Know-How zu Auftragstechniken für funktionelle Rohstoffe wie z. B. durch Beflocken auf Papiersubstraten und damit Erschließen wei-terer Einsatzbereiche in technischen Anwendungen,

• Nutzung von funktionellen Rohstoffen, deren Wirkung auch durch Alterung nicht reduziert wird, deren Wirkung allein durch Temperaturänderung her-vorgerufen wird, sich nicht verbraucht und daher unerschöpflich ist. Es werden für die antimikrobielle Wirkung keine weiteren Chemikalien einge-setzt.

Zielgruppe Wie im oberen Abschnitt angeführt, können antimikrobiell wirkende Oberflächen auf Basis von Pyroelektrika – zudem die Wirkung sich nicht reduziert oder abbaut und ohne Zusatzchemikalien auskommen – gut in der Filtertechnik Einsatz finden. Solche Lösungen sind für die Papierbranche interessant, aber durchaus auch im Textilbereich nutzbar. Bei diesen Zielgruppen spielen solche eleganten Wirkmechanismen eine Rolle. Prinzipiell könnten neben dieser Wirkung auch die Bildung der ROS bzw. die Potenzialänderungen an solchen Oberflächen mit entsprechender Messtechnik erfasst werden. In diesem Zu-sammenhang ist an Produktschutz oder Biosensorik zu denken.

Anwendungs-bereiche

Zielgruppen sind die Papierhersteller/-verarbeiter mit Anwendungen im Filter-bereich oder Produktschutz und auch Messtechnikhersteller (Biosensoren). Durch den Einsatz solcher neuen, pyroelektrischen Papiere als z. B. Nassfilter wird ein Beitrag zum Umwelt- und Gesundheitsschutz geleistet. Beteiligte Firmen können daraus einen Imagegewinn erwarten, der auch den Marktzu-gang mit neuen Produkten erleichtert. Folgend werden nur die Anwendungen für die Papierbranche diskutiert.

Vertriebs-strategie

Das Forschungsergebnis kann durch PTS nicht unmittelbar als Produkt vertrie-ben werden. PTS wird jedoch weiterführende Entwicklungen auf Produktebene mit der erworbenen Fachexpertise begleiten. Die Vermarktung der FuE-Ergebnisse und dadurch die Akquise daraus resultie-

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render Dienst- und FuE-Leistungen kann durch aktive Strategien des PTS-Vertriebs erfolgen und sich auf Deutschland und Europa erstrecken. Die PTS verfügt für diesen Zweck über kompetente Vertriebsmitarbeiter und Berater, die die Möglichkeiten und Vorteile der Entwicklungen gegenüber der Industrie fachkundig vertreten können. Die Mitarbeit in Verbänden und Fachausschüssen sowie das Direktmailing sind als weitere aktive Vermarktungsinstrumente zu nennen.

Markteintritts-chancen

Wie die vom Umweltbundesamt (UBA) und Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) beauftragte Studie[Fehler! Textmarke nicht

definiert.] belegt, wird die verstärkte Ausweitung dezentraler Wasserversorgungs-technologien innerhalb der Industrieländer als wichtiger Faktor gesehen. Dadurch sind bis 2020 jährliche Umsätze in Milliardenhöhe sowohl für Europa wie auch für Nordamerika prognostiziert. Auch in mit bisherigen Technologien nicht bedienbaren Regionen (mit dezentralen Systemen aufgrund der Infrastruk-tur) und Anwendungszielen bietet sich der Einsatz der im Projekt entwickelten Papierprodukte dadurch an, dass sie an die lokalen Gegebenheiten individuell angepasst werden können. Da die dezentral einsetzbaren und individuell optimierten Materialien eine zunehmend wichtige Rolle spielen werden, werden den entwickelten Schichten mit pyroelektrischen Eigenschaften auf Filtern sehr gute Markteintrittschancen zugesprochen. Das Marktvolumen für neue Produktschutzlösungen verspricht sehr gute Markteintrittschancen. In diesem Zusammenhang wird eine Weiterentwicklung mit Herstellern von Biosensoren angestrebt, um durch eine solche Kombination den Fälschungsschutz zu erhöhen. So können den entwickelten Papieren mit pyroelektrischen Eigenschaften im Bereich des Produktschutzes sehr gute Markteintrittschancen zugesprochen werden.

Wertschöp-fungskette Produktschutz

Die Potentialabschätzung für die Wertschöpfungskette Produktschutz ergibt sich aus den folgenden Fakten: Der Weltmarkt für die Sicherheitstechnologie im Produktschutz wurde im Jahr 2006 von der Branche mit etwa 4,5 Mrd. € bewer-tet.[25] Davon entfiel auf den europäische Markt ein Anteil von rund etwa 2 Mrd. €. Die prognostizierten Marktwerte im Bereich Produktschutz entsprechen Marktan-teilen zwischen 0,013 und 0,09%.

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Ansprechpartner für weitere Informationen: Dr. Sabine Genest Tel. 03529 / 551-645 [email protected]

Papiertechnische Stiftung PTS Pirnaer Straße 37 01809 Heidenau Tel. 03529 / 551-60 Fax 03529 / 551-899 e-Mail: [email protected] www.ptspaper.de

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