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Die Bachelor-Arbeit von Sebastian Langer, eingereicht 2012 an der Eberhard Karls Universität Tübingen.
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Eberhard Karls Universität Tübingen
Mathematisch – Naturwissenschaftliche Fakultät
Geographisches Institut
Bachelorarbeit
Raumwahrnehmung und Raumnutzung durch
Skateboarder
Betreuer:
PD Dr. Olaf Schnur
Prof. Dr. Sebastian Kinder
Vorgelegt am 02.01.2012 von:
Sebastian Langer
Matr.Nr.: 3307658
B.Sc. Geographie
Inhaltsverzeichnis
1
Inhaltsverzeichnis
I. Erklärung ............................................................................................................ 2
II. Abbildungsverzeichnis ...................................................................................... 3
III. Begriffserklärungen ........................................................................................ 5
1 Einleitung und Einführung in Skateboardingkultur ........................................ 7
1.1. Einleitung .......................................................................................................... 7
1.2. Wer sind „die Skater“? ...................................................................................... 8
1.3. Warum Skater als Untersuchungsgruppe? ....................................................... 9
1.4. Geschichte der Skateboardingkultur ............................................................... 10
1.5. Einflüsse und Richtungen ............................................................................... 16
2. Theorie .............................................................................................................. 20
2.1. Definitionen ..................................................................................................... 20
2.2. Theoretischer Hintergrund .............................................................................. 22
2.3. Unterschiedliche Wahrnehmung; Unterschiedliche Nutzung des Raums ....... 24
3. Raumwahrnehmung ......................................................................................... 26
3.1. Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern ..................................... 26
3.2. Nutzungskonflikte ........................................................................................... 32
4. Fallbeispiel: Köln ............................................................................................. 35
4.1. Methodisches Vorgehen ................................................................................. 35
4.2. Skater auf der Domplatte ................................................................................ 40
4.3. Die aktuellen Veränderungen ......................................................................... 44
4.4. Die Skateplaza „Kap686“ ................................................................................ 47
4.5. Auswirkungen und Evaluierung ...................................................................... 51
5. Fazit ................................................................................................................... 54
IV. Literaturverzeichnis ...................................................................................... 56
V. Anlagen.......................................................................................................... 59
a. Messwerttabelle der Schallpegelmessungen ..................................................... 59
b. Transkription: Interview – Kösel ..................... Fehler! Textmarke nicht definiert.
c. Transkription: Interview – Pivot ...................... Fehler! Textmarke nicht definiert.
d. Transkription: Interview – Patrick Bös ............ Fehler! Textmarke nicht definiert.
e. Email-Antwort der Stadt Köln auf Fragen ....... Fehler! Textmarke nicht definiert.
Erklärung
2
I. Erklärung
Hiermit erkläre ich, dass ich die Arbeit selbstständig verfasst habe. Ich habe keine
anderen als die angegebenen Quellen benutzt und alle wörtlich oder sinngemäß aus
anderen Werken übernommenen Aussagen als solche gekennzeichnet. Diese Arbeit
war weder vollständig noch in wesentlichen Teilen Gegenstand eines anderen
Prüfungsverfahrens.
Datum 29.12.2011 Unterschrift
Die vorliegende Version der Arbeit wurde für die Veröffentlichung im Internet durch
das Monster Skateboard Magazine abgeändert. Namensnennungen wurden
teilweise entfernt; Die kompletten Transkriptionen einiger Interviews wurden aus dem
Anhang entfernt.
Abbildungsverzeichnis
3
II. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Humco 5-ply aus den 1950er Jahren. Quelle:
http://skateandannoy.com/features/ebay/2007/ebay050/images-big/humco2.jpg .... 10
Abbildung 2: Dave Duncan in einem privaten Pool 1988. Quelle:
http://skateboarding.transworld.net/1000083861/features/tws-10-legendary-
swimming-pools/ ....................................................................................................... 11
Abbildung 3: Skater an sog. Banks eines Kanals. Quelle:
http://discussion.socalskateparks.com/photopost//data//500/medium/Ditch_bottleslide
.jpg ............................................................................................................................ 11
Abbildung 4: Cover des Thrasher Magazins vom April 1997. Das Foto zeigt einen
Pole-Jam. Hierbei werden umgeknickte Pfeiler oder Stangen von Schildern befahren.
Quelle: http://www.thrashermagazine.com/articles/magazine/april-1997/ ................ 13
Abbildung 5: Neuauflage des 1984 erschienenen Videos von Powell Peralta. Quelle:
http://powell-peralta.com/products/fall-2011/media/bones-brigade-video-show-se/ . 13
Abbildung 8: Vert Skater Shaun White in der Halfpipe. Quelle:
http://kidwize.blogspot.com/2010/08/shaun-white.html ............................................. 16
Abbildung 9: Freestyle Skateboarder. Quelle: http://www.neverenoughsk8.com/new-
teamrider-albert-kuncz/ ............................................................................................. 16
Abbildung 10: Trinität des Raumes nach Lefèbvre. Eigene Darstellung nach Elden,
2002: 27. ................................................................................................................... 22
Abbildung 11: Skater Ryan Lay bei einem Wallride. Quelle:
http://skateboarding.transworld.net/1000095981/features/homeys-cairo-caswell-
duffel-silas-more/ ...................................................................................................... 27
Abbildung 12: "Feeble-Grind" an einem Handrail auf dem Cover des MSM Ausgabe
305/2011. .................................................................................................................. 27
Abbildung 13: Sticker verschiedener Marken, die in der Skateboardszene bekannt
sind (hier: carhartt, Volcom, DC, Rockstar) und von lokalen Skateshops (Titus, Street
Dreams, Pivot). Alles in unmittelbarer Nähe zum Kölner Dom gefunden. Quelle:
Eigene Fotos. ........................................................................................................... 29
Abbildung 14: Zwei Beispiele für Rampen, die von Skatern illegal angebracht
wurden. Quelle: http://b00h00.blogspot.com/2010/04/diy-skatepark.html ,
http://skateandannoy.com/features/diy/skateparks/ .................................................. 30
Abbildungsverzeichnis
4
Abbildung 15: Schäden an einem Pflanzbeet auf dem Roncalliplatz in Köln.
Maßnahme der Stadt: Einfräsungen an den Kanten. Quelle: Eigene Fotos. ............ 33
Abbildung 16: Kartenausschnitt Köln. Quelle: Verändert nach GoogleEarth. ......... 39
Abbildung 17: Skater an der Domplatte während der "Abschluss-Session" im Juli
2011. Quelle: http://www.redbull.de/cs/Satellite/de_DE/Article/Skaten-in-
K%C3%B6ln-Eine-neue-%C3%84ra-beginnt-021243057443948 ............................ 41
Abbildung 18: Logos des Kap686, dem Dom-Skateboarding e.V., dem
Architekturbüro "metrobox" und der Stadt Köln. Quelle: Verändert nach
http://www.northbrigade.de/news/2011/herzlich-willkommen-im-dschungel/ . .......... 47
Abbildung 19: Karte des Rheinauhafens. Quelle: http://www.rheinauhafen-
koeln.de/Uebersicht . ................................................................................................ 47
Abbildung 20: Blick in Richtung Südbrücke auf das Kap686. Zu erkennen sind die
Pflanzbeete, die unterschiedlichen Bodenbeläge und die helle Farbgebung. Quelle:
Eigenes Foto. ........................................................................................................... 49
Abbildung 21: Volle Skateplaza mit Blick auf das Kap am Südkai. Quelle: Eigenes
Foto. ......................................................................................................................... 51
Begriffserklärungen
5
III. Begriffserklärungen
Curb Quaderförmige Struktur. Ein beliebtes Element für Skateboarder
um Tricks an den Kanten oder auf der Oberfläche zu vollführen.
Deck Als D. wird lediglich das eigentliche Brett des Skateboards
bezeichnet. Ohne Achsen, Rollen etc..
Flat Bezeichnung für eine größere, zusammenhängende, ebene
Fläche. Meist mit glattem Bodenbelag.
Grinden Engl. für abreiben, abschleifen. Überbegriff für alle
Skateboardfiguren, bei denen mindestens eine Achse Kontakt
mit dem befahrenen Element hat, nicht aber die Rollen. Oftmals
werden auch Slides hierzugezählt. Hierbei berührt nur das Deck
die Oberfläche.
Obstacle Engl. für Hindernis. Allgemeiner Begriff im Skateboardjargon für
ein einzelnes Element eines Skateparks.
Locals Als L. werden einheimische Skater bezeichnet, die die
architektonischen Gegebenheiten demnach am besten kennen.
An manchen Spots haben L. auch eine Art Sonderstatus. Der
Slogan „Locals only“ tauchte schon häufig in der Surfkultur auf,
wo L. verhindern wollten, dass „ihr Spot“ zu überfüllt wird.
Pipe Engl. für Rohr. Quarterpipes, Halfpipes oder Fullpipes.
Besitzen, wie der Name verrät die gleichen charakteristischen
Eigenschaften, wie ein Rohr. Der wichtige Teil einer Pipe ist die
Transition.
Pushen Als p. wird der Effekt bezeichnet, der eintritt wenn mehrere
Skater gleichzeitig an einem Spot skaten. Das stetige Steigern
des Niveaus bringt auch die jeweils anderen dazu, waghalsigere
Tricks zu versuchen.
Rail Zum Beispiel das Geländer einer Treppe, oder Absperrungen an
Kanten. Auf ebener Fläche stehend auch als Flatrail bezeichnet.
Session Engl. für Sitzung, Versammlung. Als S. wird die Zeit bezeichnet,
in der mehrere Skateboarder an einem Spot gemeinsam skaten.
Mehrere Faktoren sind wichtig, damit eine S. auch so bezeichnet
Begriffserklärungen
6
wird. Dabei spielt vor allem eine gewisse Atmosphäre eine
wichtige Rolle, in der die Skater sich gegenseitig bei ihren
Figuren beobachten und anfeuern. Aber auch das gemeinsame
Beisammensitzen ist dabei wichtig.
Spot Engl. für Ort, Platz, Gegend. Als S. wird im Skateboardjargon ein
bestimmter Ort, welcher ‚skatebar‘ ist, oder gemacht wurde,
bezeichnet. Die Dimensionen reichen dabei von einer einzelnen
Bank oder Treppe bis hin zu einem kompletten Ensemble von
Gebäuden.
Transition Engl. für Übergang. Die Krümmung in architektonischen
Elementen, die für den Übergang aus der Horizontalen in die
Vertikale sorgt. Zum Beispiel in Halfpipes.
Einleitung und Einführung in Skateboardingkultur
7
1 Einleitung und Einführung in Skateboardingkultur
1.1. Einleitung
Die vorliegende Arbeit soll verschiedene Aspekte der Skateboardingkultur in Hinsicht
auf deren Raumwahrnehmung und Raumnutzung beleuchten. Um diese zu erklären,
wird zunächst die Skateboardingkultur als solche vorgestellt. Danach möchte ich
mich kurz einigen theoretischen Grundlagen zum Thema Raumwahrnehmung und
Raumnutzung widmen, um die beiden Themen anschließend zu vereinen. An die
Vorstellung einer Reihe von Nutzungskonflikten, die dabei im öffentlichen Raum zu
Tage treten, schließt sich ein Fallbeispiel an, welchem eben diese Nutzungskonflikte
zu Grunde liegen. Mit dem Fallbeispiel soll die Frage geklärt werden, in wie weit
Freizeitaktivitäten, die sich im öffentlichen Raum abspielen planbar sind.
Die Arbeit stützt sich dabei auf verschiedene theoretische Raumkonzepte und
Überlegungen zu Raum und Raumnutzung in der Fachliteratur. Anhand dieser sollen
bestimmte Raumstrategien von Skatern erklärt werden. Die Erläuterungen zur
Skateboardingkultur sollen dabei eine Hilfestellung geben, warum Skater diese
Strategien entwickelten. Des Weiteren sind sie für die Beantwortung der Frage der
Planbarkeit unverzichtbar. Um einen besseren Einblick in diese Kultur zu
verschaffen, bedient sich die Arbeit vieler Zitate, welche zum Teil aus Magazinen der
Skateboardingszene stammen. Zusätzlich wurden Experteninterviews geführt, die
insbesondere für das Fallbeispiel wichtige Informationen lieferten. Sowohl die Zitate
aus Skateboardmagazinen, als auch die Experteninterviews sollen einen Zugang zu
Jugendkultur ermöglichen, in der viele szeneeigene Anglizismen benutzt werden, die
sich nur schlecht übersetzen lassen. Für das Kapitel „Nutzungskonflikte“ wurden
zudem Messungen durchgeführt um den Geräuschpegel von Skateboards zu
ermitteln. Zusätzlich waren diese Quellen notwendig, da es in der Geographie noch
kaum Fachliteratur gibt, die mit der Gruppe der Skateboarder als
Forschungsgegenstand arbeitet. In der deutschen Geographie finden sich nur einige
wenige Beispiele in der „neuen Kulturgeographie“. Mehr Informationen kamen aus
den Fachbereichen der Architektur und der Stadtsoziologie. Für den Aufbau der
Arbeit war zudem eine Diplomarbeit aus dem Studienbereich Kommunikationsdesign
hilfreich. In der Arbeit finden sich, bedingt durch die Fragestellung, einige
Überschneidungen mit der Stadtplanung, und, auf Grund der kulturellen
Herangehensweise, Überschneidungen mit Ansätzen der „neuen Kulturgeographie“.
Wer sind „die Skater“?
8
1.2. Wer sind „die Skater“?
Diese Arbeit soll die Raumwahrnehmung und die Raumnutzung der
Skateboardingkultur untersuchen. Personen, die sich der Skateboardingkultur
zugehörig fühlen haben eins gemeinsam: Das Skateboarden als Hobby, als Sport,
als Lebenseinstellung. Darüber hinaus ist es schwierig einheitliche Merkmale
festzustellen. In der Regel handelt es sich jedoch um männliche Jugendliche im Alter
zwischen 12 und 25 Jahren. Für sie steht an vorderster Stelle das Skateboarden. Je
nach Alter ändert sich jedoch häufig auch die Meinung, was Skateboarden für sie
jeweils bedeutet. Während jüngere Skateboarder häufig Skaten, weil es Spaß macht,
weil es cool ist oder weil sie einfach nur dabei sein wollen, spielt für viele ältere
Skateboarder der 'rebellische' Aspekt des Skateboardens eine Rolle: Rebellion
gegen die Familie. Rebellion gegen das vermeintlich ‚schlechte‘ System. Rebellion
gegen Konformität. Einer Aktivität unter freiem Himmel nachgehen und
währenddessen einen Lebensstil nach außen tragen, der unter Umständen nicht mit
den Wertvorstellungen der Eltern vereinbar sind. Diverse Aktivitäten am Rande oder
jenseits der Legalität gewinnen an Reiz. Hierzu zählen zum Beispiel auch (bewusste)
Verstöße gegen die StVO oder die Zerstörung öffentlichen und privaten Eigentums
zum Beispiel durch grinden an Kanten von Pflanzkübeln, Randsteinen, Bänken,
Handläufen etc (vgl. Borden, 2001: 151ff, Von Krosigk, Tscharn, 2011: 33ff).
Interviewfrage an Vladik Scholz in MSM, Ausgabe 302/2011: 114.
Nächste Straftat? - Streetskaten
Bei vielen Skatern, die über mehrere Jahre Skateboard gefahren sind, spielt diese
‚anti-Haltung‘ irgendwann keine Rolle mehr. Sie haben selbst gemerkt, dass sie Teil
des großen Ganzen sind und durch ihren markenbewussten Konsum diesem nur
wenig entkommen können. Viele wollen auch bewusst Vorbild sein. Den ‚Kids‘
zeigen, dass man Etwas erreichen kann und es sich lohnt, dafür zu arbeiten (vgl.
Interview – Patrick Bös). Doch manche Skater erhalten sich ihre rebellische
Gesinnung und fahren nach wie vor am liebsten illegal durch den Stadtverkehr,
beschädigen dabei Privateigentum oder verhalten sich bewusst unangepasst. Eines
hat für alle Skater jedoch dabei nicht nachgelassen: Ihre Leidenschaft für
Skateboarding.
Warum Skater als Untersuchungsgruppe?
9
1.3. Warum Skater als Untersuchungsgruppe?
„The opposite of skateboarding is golf“ (Rocco, 1988, zit. n. Borden, 2001: 137)
Skateboarding wird von denen, die es ausüben, nicht als Sport sondern als
Lebenseinstellung gesehen. Die meisten Skater sehen sich nicht als Sportler, die
den Sport Skateboarding ausüben, sondern als Teil einer Jugendkultur, die als
gemeinsamen Nenner Skateboarding besitzt. Bei vielen anderen sogenannten
„Extrem- oder Funsportarten“ ist das nicht anders: Snowboarding, Aggressive Inline
Skating, Wakeboarding, Parkour, BMX (um nur die bekanntesten zu nennen). All
diese Sportarten organisieren sich in den wenigsten Fällen zu Vereinen. Trotzdem
übt kaum einer diese Sportarten alleine aus. Sie finden meist in kleinen Gruppen
statt. Durch die große Identifikation mit dem Sport, finden sich schnell Gleichgesinnte
und man pusht sich gegenseitig. Funsportarten sind oft nur der Ausdruck einer
Einstellung. Besonders bei den Sportarten, welche im urbanen Raum entstanden
sind und dort nach wie vor im öffentlichen Raum ihre „Sportstätten“ sehen, treten
häufig Nutzungskonflikte auf, die früher oder später zu einem Eingreifen der
Behörden führen. Um Alternativen zu den urbanen Räumen zu bieten, werden
oftmals mit hohem Kapitaleinsatz Plätze gebaut, die anschließend nicht
angenommen werden. Warum dies oftmals nicht gelingt, ob und wie diese Sportarten
überhaupt planbar sind, soll in dieser Arbeit speziell am Beispiel der Kölner
Skateboardingkultur erörtert werden.
Unter den zuvor genannten Sportarten ist Skateboarden wohl die älteste, die urbane
Architektur für sich nutzt und sich darüber auch definiert. Skateboarden nutzt
gleichzeitig wohl die meisten Flächen innerhalb einer Stadt. Dabei nutzen Skater den
urbanen Raum nicht nur durch das bloße Vorführen ihrer Figuren. Sie verbringen
oftmals lange Zeit miteinander an Orten einer Stadt, die sonst weniger belebt wären.
An vielen Stellen prägen Skater längst das Stadtbild mit und „gehören halt dazu“.
Einen Beleg dafür liefert zum Beispiel das Fernsehen, das bei Szenen in
Innenstädten häufig Skater als Medium dafür einsetzt, um Plätze modern, belebt und
angesagt wirken zu lassen.
Ein weiterer Grund ist die szeneeigene Kultur, die oftmals zwischen Unangepasstheit
und einem blinden Befolgen von Konsumtrends steht. Gerade diese Doppelmoral
äußert sich auch häufig räumlich.
Letzten Endes war nicht zuletzt persönliches Interesse an der Skateboardingkultur,
die mich schließlich auch auf dieses etwas ungewöhnliche Thema gebracht hat.
Geschichte der Skateboardingkultur
10
1.4. Geschichte der Skateboardingkultur
Die Geschichte des Skateboarding hat zwei Anfänge. Der eine beginnt mit der
Entwicklung des Skateboards als Spielzeug, die quasi eine Grundvoraussetzung für
den Sport darstellt. Der andere setzt zeitlich gesehen später ein und stellt die Basis
der Nutzung dieses Spielzeugs als 'Sportgerät' und zugleich den kulturellen
Nährboden des Skateboarding, welches sich aus dem Surfen entwickelte, dar. Die
Herkunft des Skateboarding lässt sich jedoch in jedem Fall dem Kalifornien der
1950er zuschreiben (vgl. Borden 2001: 15).
Neben einigen Vorgängern, die dem Skateboard ähnlich waren, war das Humco 5-
ply Deck wohl das erste kommerzielle Skateboard, welches Mitte der 1950er auf den
Markt kam (ebd.: 13ff). Das erste Serien-Skateboard folgte 1959 (vgl. slack 07. 2007:
41). In Form und Technik unterschieden sie sich noch sehr stark von den heute
üblichen Skateboards. Vor allem die Rollen aus Stahl und anderen ähnlich harten
Materialien schränkte die Wendigkeit und Kontrolle bei höheren Geschwindigkeiten
deutlich ein. Auch die selbstgebauten Skateboards, die zu dieser Zeit eine viel
bedeutendere Rolle spielten nutzten Rollen aus diesen Materialien, da es sich meist
um Rollschuh-Rollen unter einfachen Holzleisten handelte.
Abbildung 1: Humco 5-ply aus den 1950er Jahren. Quelle: http://skateandannoy.com/features/ebay/2007/ebay050/images-big/humco2.jpg
Schon zu dieser Zeit waren es häufig Surfer die Skateboards als Alternative nutzten
um zum Beispiel bei niedrigen Wellengang das Gefühl des Surfens auf den Asphalt
zu tragen (vgl. Borden 2001: 13ff). Die Hauptentwicklung spielte sich bis zu diesem
Zeitpunkt und auch noch einige Jahre länger an der US-amerikanischen Westküste
Geschichte der Skateboardingkultur
11
ab, wo sich zu dieser Zeit die ersten Skateboard Teams gründen (vgl. slack 07. 2007:
41). 1970 werden die ersten Skateboards mit Kicktail produziert (ebd.: 41). Hierbei
handelt es sich um den Teil des Skateboards, welcher kurz hinter den Hinterachsen
leicht nach oben gebogen ist und somit Figuren erlaubt, die zum Beispiel einen
geringeren Kurvenradius ermöglichen.
Während verschiedene Skateboardteams vor allem 'Freestyle' Tricks auf ihren
Skateboards machten, die mehr an einchoreographierte Tänze erinnerten, stand vor
allem das 'Zephyr Skateboard Team' aus Venice Beach für einen vom Surfen
beeinflussten Stil. Dieser suchte immer neues Terrain um Skateboardfiguren noch
mehr denen, des Surfens anzugleichen. So wurden neben ebenen Straßen vermehrt
Figuren an geneigten Asphaltflächen, sogenannten 'Banks' ausgeführt. Solche Banks
fanden sich vor allem an Schulhöfen und an den Seiten offener Abflusskanäle (ebd.:
29ff). Schließlich entdeckten Skater trockene Swimmingpools und deren konkave
Formen, die bis in die vertikale reichten (vgl. slack 07. 2007: 41). Dies war die
Geburtsstunde des 'Vert-Skatens'.
Abbildung 2 (rechts): Dave Duncan in einem privaten Pool 1988. Quelle: http://skateboarding.transworld.net/1000083861/features/tws-10-legendary-swimming-pools/
Abbildung 3 (links): Skater an sog. Banks eines Kanals. Quelle: http://discussion.socalskateparks.com/photopost//data//500/medium/Ditch_bottleslide.jpg
Die neuen Räume, die Skateboarder zur Ausübung ihres Hobbies fanden, hatten
entscheidende Auswirkungen auf die technische und kulturelle Entwicklung des
Skateboardings. Zum einen brachten sie Figuren und Manöver hervor, die so niemals
auf der flachen Straße entwickelt hätten werden können. Zum anderen verstärkte
sich die Beziehung der Skater zu den Boards und der beanspruchten Fläche. Mit
immer komplexer werdenden Bewegungsabläufen bei hohen Geschwindigkeiten
wuchs neben dem Verletzungsrisiko auch die Wahrnehmung des Untergrundes.
Geschichte der Skateboardingkultur
12
1978/1979 wird schließlich der 'Ollie' von Alan Gelfand erfunden. Ein Trick bei dem
der Skateboarder über die obere, vertikale Kante des Pools hinausspringt und
anschließend wieder in der vertikalen landet ohne dabei das Board mit den Händen
zu greifen. Dieser Trick wird später die Basis für beinahe alle heutigen Tricks, die das
moderne 'Streetskaten' (um das es in dieser Arbeit vorwiegend gehen soll) erst
möglich machten (ebd.:41; Borden 2001: 90f).
Zu Beginn der 80er Jahre beschränkte sich die Entwicklung des Skateboardens als
Sport hauptsächlich auf das Vert-Skaten. Jedoch fanden viele Neuerungen statt, die
die Kultur des Skateboardens stark beeinflussten. So wurden immer mehr
Skateparks gebaut. Diese Parks waren ausschließlich aus Beton und die einzelnen
Elemente waren meist 'Halfpipes', 'Fullpipes' und 'Pools'. Zu dieser Zeit wurden
Skateparks noch komplett von Privatpersonen erbaut und geführt. Trotzdem kosteten
sie selten Eintritt. Ein Grund hierfür war die Mentalität der Skater. Diese sahen es
nicht ein, Geld für Skateboarden zu zahlen, zumal ja ein Reiz darin bestand, dass
man überall skaten kann. Zudem sträubten sich viele gegen die vermeintliche
Kommerzialisierung des Skateboardings. Eine weitere Entwicklung zur Verbreitung
des Skateboardens waren die ersten Medien, die die Skateboardkultur vermarkteten
und nach außen trugen. In erster Linie geschah dies durch die ersten
Skateboardmagazine. Allen voran "Thrasher", welches, abgesehen von einigen
lokalen, einfach produzierten Zeitschriften, das erste Skateboardmagazin seiner Art
war. Die visuelle Information in Form von Fotos und Abbildungen in
Skateboardmagazinen spielt bis heute eine enorme Rolle für die Entwicklung der
Kultur. Durch sie werden neue Tricks und Trends an das internationale Publikum des
Skateboardings getragen. Dies ist ein Grund für eine Skateboardkultur, die in sich auf
der gesamten Welt relativ homogen ist. Ein weiteres wichtiges Medium für
Skateboarding sind Videos. Diese Videos werden fast ausschließlich von großen
Marken rund um Skateboarding produziert. Hierzu zählen neben den Herstellern von
Boards, Achsen und Rollen auch Bekleidungshersteller und Schuhhersteller. Das
erste Skatevideo erschien 1984 und wurde von 'Powell & Peralta' unter dem Namen
'Bones Brigade Video Show' produziert (vgl. slack 07. 2007: 41). Die Bilder, die durch
die Magazine und Videos transportiert wurden, waren wesentlich mehr als reine
Momentaufnahmen einer Sportart. Durch die Tricks, die die Skateboarder auf den
Fotos und in den Videos zeigen, werden nicht nur der Skateboarder und sein
Skateboard abgebildet, sondern ebenso der Ort, wo er diesen Trick vollführt. Der
kreative Umgang mit verschiedenen architektonischen Formen war und ist ebenso
ein wichtiger Bestandteil der Bilder, wie der rein sportliche Aspekt. Dadurch wurden
immer neue Orte gesucht, an denen die Tricks möglichst spektakulär und in allen
erdenklichen Varianten ausgeführt werden konnten.
Geschichte der Skateboardingkultur
13
Abbildung 4 (rechts): Cover des Thrasher Magazins vom April 1997. Das Foto zeigt einen Pole-Jam. Hierbei werden umgeknickte Pfeiler oder Stangen von Schildern befahren. Quelle: http://www.thrashermagazine.com/articles/magazine/april-1997/
Abbildung 5 (links): Neuauflage des 1984 erschienenen Videos von Powell Peralta. Quelle: http://powell-peralta.com/products/fall-2011/media/bones-brigade-video-show-se/
Ebenso wie Bilder in Magazinen und Videos die Kultur des Skateboardings visuell
darstellten, wurde in den 80er verstärkt Wert auf die Grafiken auf den Skateboards
selbst gelegt. Auch sie wurden benutzt um verschiedene Einstellungen zum
Ausdruck zu bringen, die der Kultur des Skateboardings entsprechen. Ganz im Sinne
einer Jugendkultur, die sich gerne rebellisch, unangepasst und ein wenig verrückt
sieht, verwundert es daher nicht, dass Totenköpfe in allen möglichen Varianten ein
sehr häufiges Symbol auf Produkten der Skateboarding-Industrie ist. Diese Grafiken
und Symbole haben zum einen häufig einen Wiedererkennungswert unter Skatern.
Zum anderen tragen sie eine gewisse Attitüde nach außen. Ein Symbol muss dabei
nicht auch immer eine bestimmte Bedeutung haben, sondern dient eher dazu
überhaupt als Subkultur wahrgenommen zu werden (vgl. Borden 2001 S.152).
Eventuelle Falschinterpretationen mancher Symbole sind dabei unter Umständen
sogar gewollt. So ging zum Beispiel der Name und das Symbol der Kleidungsmarke
'Red Dragon' aus einer Gruppe Skateboarder aus Vancouver hervor, die Ende der
80er regelmäßig Probleme mit privaten Sicherheitskräften hatte, wenn sie versuchten
in der Stadt zu skaten.
Geschichte der Skateboardingkultur
14
Da zur selben Zeit eine asiatische Gang in Vancouver für ihre brutalen Verbrechen in
den Zeitungen war, wählten sie einen Namen, der der Name solch einer Gang sein
könnte und als Logo ein chinesisches Schriftzeichen, welches sie zunächst in dem
Buch 'Roter Drache' von Thomas Harris entdeckten. Der gewollte Effekt blieb nicht
aus und weniger Sicherheitsbeamte trauten sich die Skateboarder zu vertreiben (vgl.
www.reddragonapparel.com/aboutus.php).
Ende der 80er Jahre wurden schließlich die Skateboardtricks aus den Pools und
Halfpipes auf die Straße getragen. Der Streetstyle wurde entwickelt (vgl. slack 07.
2007: 41). Nach einigen Jahren, in denen Skateboarden sich hauptsächlich auf
Anlagen weiterentwickelte, kehrte das Skateboarden nun wieder in den urbanen
Raum zurück.
„But skating a purpose-built park defeated the purpose; skaters revel in
discovering the rideable nooks and crannies of a city, and in the 1980's they took
back to the streets” (www.arkinet.com).
Dabei büßte Skateboarding jedoch nichts von der Einstellung gegenüber seiner
unmittelbar beanspruchten Umgebung ein. Im Gegenteil förderte der Umgang mit
urbanen Formen eher noch die Kreativität. Eine schier endlose Zahl an
kombinierbaren Nutzungsformen aller möglichen Objekte eröffnete sich den
Skateboardern. Dabei wurden hauptsächlich der öffentliche Raum genutzt. Nach wie
vor machen Skateboarder aber auch vor privaten Flächen nur selten Halt. Die Sicht
der Skateboarder auf die Stadt unterscheidet sich häufig von der Anderer. Ein
Skateboarder nutzt den ihm erreichbaren Raum und lässt sich von diesem
inspirieren. Das Street-Skateboarding ist seit dieser Zeit wohl die bedeutendste
Richtung des Skateboardens. Bei solch einer Nutzung der Stadt, Konflikte mit
Anwohnern, privaten Sicherheitsdiensten oder der Polizei vorprogrammiert. Neben
den direkten Konfrontationen, die die Skateboarder als unausweichlich sahen und so
ihre Einstellung zu einer „Skate and Destroy“-Attitüde verhärteten, gab es jedoch
auch Anpassungen. Die Skater entwickelten einen eigenen Rhythmus. Sie nutzten
die Flächen dann, wenn die Eigentümer es nicht störte. Nutzten die Flächen
außerhalb der Geschäftszeiten um Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften aus
dem Weg zu gehen. Gingen bewusst zu ungewöhnlichen, besucherarmen Zeiten in
die Städte um sich möglichst schnell und frei bewegen zu können. Sie schlossen so
oftmals eine zeitliche Lücke in der Nutzung von Räumen.
Geschichte der Skateboardingkultur
15
„Nighttime skateboarders represent a rare example of people using the
downtown at night“ (Spiegler, zit. n. Borden, 2001: 198).
1995 wurden erstmals die X-Games ausgetragen. Dabei handelt es sich um eine Art
Alternativveranstaltung zu den olympischen Spielen speziell für ausgewählte
Extremsportarten. Auch Skateboarden gehörte von Anfang an zu den vertretenen
Sportarten. Heute gibt es bei den X-Games verschiedene Disziplinen innerhalb des
Skateboardens wie zum Beispiel: 'Vert', 'Park', 'Street', 'Big Air', 'Real Street' und
'Game of S-K-A-T-E' (vgl. http://espn.go.com/action/blog?sport=xgames).
Durch Großveranstaltungen wie diese, das Erscheinen von Videospielen wie 'Tony
Hawks Pro Skater' der Marke Activision, die Präsenz von Skateboarding in einer
Vielzahl von Filmen und TV-Serien, vor allem aber durch die Präsenz von
Skateboardern in den Innenstädten wurde Skateboarden immer populärer. Große
Teile der Jugendkultur der 2000er waren stark von der Skateboardingkultur
beeinflusst. Durch das verstärkte Interesse verschiedenster Personen wurde
Skateboarding nach außen hin immer massentauglicher, während es innerhalb der
Skateboardkultur viele Gegner dieser Kommerzialisierung und der Einordnung in die
Gesellschaft gab. Eines der Resultate des öffentlichen Interesses an Skateboarden
war unter anderem, dass vielerorts der Ruf der Bürger an die Gemeinden lauter
wurde öffentliche Skateparks zu errichten. Gewünscht wurde dies vor allem von
Eltern, die ihre Kinder lieber in einem Umfeld ihrem Hobby nachkommen sehen,
welches für dieses auch konzipiert wurde und das ihnen sicher erscheint. Zusätzlich
halten sich die Kinder an einem, den Eltern bekannten Ort und nicht irgendwo in der
Stadt auf. Somit wurden nach und nach Skateparks von Gemeinden gebaut, die nun
auch immer mehr Elemente hatten die an reale Objekte aus dem städtischen Umfeld
angelehnt waren. Heute setzen sich die meisten "Standart-Skateparks" aus 'Banks',
'Curbs', 'Ramps', ‚Transitions‘ und 'Rails' in allen möglichen Größen und Formen
zusammen.
Einflüsse und Richtungen
16
1.5. Einflüsse und Richtungen
Für viele Skateboarder zählt in erster Linie das Skateboarden an sich. Die meisten
anderen Dinge sind zweitrangig. Ebenso lassen sich Skateboarder schwer noch
einmal voneinander unterscheiden, da im Prinzip alle Skateboarder durch die
gemeinsame Begeisterung für die Lebenseinstellung, welche Skateboarding
ausdrückt, vereint werden. Dennoch lassen sich Unterschiede erkennen, die jedoch
den vereinigenden Charakter des Skateboardens nicht ausstechen können.
Zunächst lassen sich unterschiedliche Disziplinen des Skateboardens als Sport
erkennen.
Vert
Freestyle
Park
Street
Die Reihenfolge, in der die einzelnen Disziplinen hier
genannt wurden sind mit der geschichtlichen Entwicklung
des Skateboardens zu erklären.
Im Vert (kurz von „vertical“) vollführt der Skateboarder
seine Tricks in der Vertikalen. Hierzu benötigt er bestimmte
Anlagen, wie eine Quarter-, Half- oder Fullpipe. Wie aus
der englischen Übersetzung hervorgeht handelt es sich
dabei um ein Viertel, eine Hälfte oder um den gesamten
Teil eines Rohres. Während die frühen Halfpipes
tatsächlich eine durchgehende Krümmung haben, so weisen
moderne Halfpipes zwischen den gekrümmten Partien einen
flachen Bereich auf. Entwickelt hat sich diese Disziplin in
trockenen Swimmingpools. So werden auch heute sogenannte
Pools als Elemente von Skateanlagen gebaut.
Der Freestyle benötigt im Prinzip keinerlei Rampen oder
architektonische Besonderheiten. Auf flacher Oberfläche (im
‚Flat‘) werden Figuren vollführt, die teilweise an ein „Tanzen mit
dem Skateboard“ erinnern. Der Skateboarder dreht sich hier bei
vielen Tricks auf und mit dem Board. Dabei verlässt das Board
den Boden jedoch selten. Auch Handstände werden in viele
Abbildung 7: Freestyle Skateboarder. Quelle: http://www.neverenoughsk8.com/new-teamrider-albert-
Abbildung 6: Vert Skater Shaun White in der Halfpipe. Quelle: http://kidwize.blogspot.com/2010/08/shaun-white.html
Einflüsse und Richtungen
17
Tricks mit eingearbeitet. Während einige dieser Tricks heute in leicht veränderter
Form noch immer gebräuchlich sind, gehört der Freestyle als Wettkampf-Disziplin der
Vergangenheit an.
Street-Skateboarding entwickelte sich, wie der Name vermuten lässt, auf der Straße.
Vielmehr noch im urbanen Raum. Indem der Skateboarder versuchten alle möglichen
Hindernisse im urbanen Raum für sich und seine Tricks zu nutzen, entwickelte sich
ein eigener Stil, der heutzutage zugleich den bedeutendsten Einfluss auf den Sport,
als auch auf die Kultur hat. Zu Beginn des Skatevideos „Future Primitive“ von Powell
Peralta (1985) findet sich etwa folgender Text eingeblendet:
„200 years of American technology has unwittingly created a massive cement
playground. It took the minds of 12-year-olds to realize its potential.”
Der signifikanteste Unterschied des Street-Skateboardens gegenüber den anderen
Disziplinen ist der, dass sich das Street-Skateboarden architektonischer Elemente
bedient, die eigentlich nicht für diese Nutzung vorgesehen waren. Besonders
während der Anfänge des Street-Skateboardings suchten die Skateboarder immer
neue Wege, Tricks zu entwickeln, mit denen sie weitere Objekte „skatebar“ machten.
Einer dieser Meilensteine waren zum Beispiel die ersten Grinds und Slides an
Handrails (Tricks, bei dem lediglich die Achsen - respektive das Board - die
Handläufe von Treppen oder Rampen berühren). Dies ging bisweilen sogar soweit,
dass Skateboarder mit Ihrem Skateboard von Autodächern sprangen (siehe zum
Beispiel:
http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=p0UrDOXbfuM#!). Das
manche der in dem Video gezeigten Tricks illegal sind, wird nicht nur hingenommen,
sondern macht es dadurch häufig sogar interessanter.
Beim Park-Skateboarden bewegt sich der Skateboarder in einem Skatepark, welcher
aus einer Reihe verschiedener Elemente wie unter Anderem Quarterpipes, einfacher
Rampen, Banks (schräge Flächen), Rails (Handläufen an Treppen nachempfunden),
Flatrails (Rails ohne Höhendifferenz zwischen den Enden), Curbs (Quader, deren
Oberfläche oder Kanten, die Ledges genannt werden, genutzt werden) und Treppen.
Die Größe und Form der einzelnen Obstacles ist variabel.
Hauptsächlich aus Eigenheiten der Skateboarding-Kultur heraus gibt es einige
weitere Disziplinen, die (ähnlich wie ‚Freestyle‘) heutzutage keinen Anklang mehr
finden. Hierbei handelt es sich zum Beispiel um Hochsprung, Weitsprung, Slalom,
und andere. Besonders der Wettkampfcharakter des „höher, schneller, weiter“ haben
dazu geführt, dass viele Skateboarder sagten, dass solche Disziplinen schlecht mit
der allgemeinen Einstellung von Skateboardern zu vereinen seien. Eine
Einflüsse und Richtungen
18
Besonderheit stellt bei Wettkämpfen das Street-Skateboarden dar. Häufig sind hier
die Übergänge zum Park-Skateboarden fließend, da die Street-Wettkämpfe ebenfalls
in einem Skatepark ausgetragen werden. Zwar wird bei der Konzeption dieser Parks
Wert darauf gelegt, dass die Parks möglichst natürlich urbanen Räumen
nachempfunden werden, trotzdem finden die Wettkämpfe unter anderen
Bedingungen statt, als das eigentliche Street-Skateboarden. Aus diesem Grund
wurde zum Beispiel bei den X-Games zusätzlich die Disziplin „Real Street“
eingeführt.
Innerhalb der Skateboardkultur werden unterschiedliche Richtungen oftmals auch
über den jeweiligen Musikgeschmack einzelner Gruppen von Skatern definiert. In der
Anfangsphase lieferte vor allem Hardrock den Sound für Skateboarder. Die
Entwicklung des Punk-Rock wurde in den 1980er Jahren an vielen Orten stark vom
Skateboarding beeinflusst und beeinflusste umgekehrt das Skateboarding.
"Wir waren Punkrock und Punkrock war unsere Musik" (Grabke in: slack 07.
2007: 40).
Heutzutage finden sich neben Anhängern dieser Musikrichtungen ebenso viele
Jugendliche, die andere Musikarten wie Alternative, Hip-Hop, Hardcore, Metal oder
elektronische Musik hören. Anhänger von Musikrichtungen, die heutzutage
andernorts Basis für die Bildung eigener Subkulturen sind, finden sich jedoch im
Skateboarden zusammen.
Besonders in Bezug auf das Streetskaten ist noch eine Differenzierung interessant,
die den Umgang mit der Skatekultur als solcher betrifft. Viele Skater sehen sich
selbst nach wie vor als eine jugendliche Gegenkultur zum allgemeinen
Establishment. Für sie sind Skateboarding und Konsumgesellschaft nicht zu
vereinen. Das Nicht-akzeptieren von Straßenverkehrsregeln gehört für sie genauso
mit zum Ausdruck ihrer rebellischen Haltung gegenüber dem kapitalistischen System,
wie die Aneignung von urbanen Räumen im übertragenen Sinne, durch Kleben von
Stickern und Sprühen mit Spraydosen an den von ihnen beanspruchten Flächen. Für
sie ist Skateboarden in jedem Fall auch eine politische Äußerung. Auf der anderen
Seite gibt es die Fraktion der Skater, welche die Kommerzialisierung des
Skateboardings zwar nicht begrüßen, sie aber akzeptieren. Sie sehen den Nutzen
der Kommerzialisierung für den Sport. Sponsoring von Fahrern und Parks,
Weiterverbreitung der Kultur durch verschiedene Medien, Organisation von
Veranstaltungen rund um Skateboarding etc. Diese Gruppe geht auch mit den Spots
anders um.
Einflüsse und Richtungen
19
„Also Streetspots werden generell auch nicht bestickert. Also wenn Du
irgendwo ein Foto siehst, an einem Streetspot und da hat einer einen Aufkleber
draufgemacht - ekelhaft! […]Wir wollen das gar nicht anpassen. Sondern das
ist halt so, wie es ist. Das wird genutzt durch Skater. Und dann wird es aber
auch so wieder gelassen. […]Also ich möchte echt nichts kaputt machen“
(Interview mit Patrick Bös).
Während die eine Richtung versucht, den Ruf des Skateboardings zu verbessern
und als eine ‚normale‘ Freizeitbeschäftigung darzustellen, drängt die Andere lieber
an den Rand der Gesellschaft, sieht sich als Randgruppe und stellt sich so dar. Diese
beiden Sichtweisen auf Skateboarding nehmen jedoch nur selten extreme Formen in
die eine oder die andere Richtung an. Die meisten Skater wollen weder urbane
Guerillakämpfer in einer Gegenbewegung wider den Kapitalismus, noch
rechtspositivistische Ja-Sager sein.
Theorie
20
2. Theorie
2.1. Definitionen
Um Skateboarding in dem gewünschten geographischen Kontext zu betrachten,
sollen im Folgenden nun einige dafür relevante Begriffe geklärt werden.
Der Begriff ‚Raum‘ ist zunächst ein abstraktes Konstrukt. Je nach Fragestellung sollte
zunächst beschrieben werden, welcher Raum betrachtet wird. Da es sich bei der
vorliegenden Arbeit um eine kulturelle Herangehensweise handelt, soll der Raum
betrachtet werden, der von den jeweiligen sozialen Gruppen berührt, genutzt,
wahrgenommen wird und, umgekehrt, diese beeinflusst. Dabei handelt es sich in
erster Linie um die spezifische Anordnung von Objekten an einem gegebenen Ort -
Raum4. Und den sozial konstituierten und konstruierten Raum, welcher dort durch die
Skateboarder genutzt wird - Raum6S (vgl. Weichhart, 2008: 326ff). Diese Arbeit
widmet sich vor allem dem ‚Wahrnehmungsraum‘ der Skater.
„Wahrnehmungsraum perception space: derjenige Teil der Umwelt, den der
Einzelne bzw. soziale Gruppen wahrnehmen, insbesondere durch eigene
Aktivitäten in diesem Raum, durch Verkehrsteilnahme, Informationen durch
Massenmedien usw. Im W. werden Bewertungen von Raumsituationen
vorgenommen, aus denen sich mental maps entwickeln“ (Leser, 2008: 1084).
In dieser Arbeit möchte ich mich größtenteils auf den innerstädtischen, öffentlichen
Raum beschränken. Auch hier ergibt sich bald die Frage, was unter ‚öffentlichen
Raum‘ fällt. Der Begriff wird im Zusammenhang mit urbanem Raum und urbanen
Leben ständig verwendet. Eine klare Definition findet man jedoch oft vergebens.
Oftmals wird öffentlicher Raum erklärt, indem beschrieben wird, was er nicht ist.
Privater Raum, Raum, der der Öffentlichkeit nicht zugänglich ist und so weiter.
Jedoch scheinen mit zunehmender Privatisierung des öffentlichen Raums die
Grenzen oftmals zu verwischen. Längst spricht man vielerorts von halb-öffentlichem
bzw. halb-privatem Raum. Doch selbst nach diesem Ausschlussverfahren bleiben
viele Orte, die nicht eindeutig zuzuordnen sind. Bernadette Fülscher nennt 2004
beispielsweise vier verschiedene Möglichkeiten, welche einen Raum öffentlich
machen können:
- Öffentlicher Raum als Raum, der Eigentum der öffentlichen Hand ist
- Öffentlicher Raum als Raum, der von der Öffentlichkeit genutzt wird oder
dessen Nutzung der Öffentlichkeit dient
Definitionen
21
- Öffentlicher Raum als Raum, welcher der Öffentlichkeit zugänglich ist
- Öffentlicher Raum als Raum, der einen öffentlichen Charakter hat
Zusätzlich vermerkt sie: „Die jeweiligen Eigenschaften dieser öffentlichen Räume
können bei einem bestimmten öffentlichen Raum einzeln oder in Kombination
auftauchen und gelten ebenso für Aufenthalts- und Verkehrsräume im Äussern wie
für Bauten oder Innenräume. Grundsätzlich können auch virtuelle Räume als
öffentliche verstanden werden“ (vgl. Fülscher, 2004).
Zu bemerken bleibt jedoch auch bei diesen Definitionen, dass ‚Öffentlichkeit‘ nicht
immer gleich ‚Öffentlichkeit‘ ist. Besonders Personen, die am Rande der Gesellschaft
stehen (z.B. Obdachlose), haben oftmals erschwerte Zugangsbedingungen; selbst
bei manchen Plätzen, die allen vier oben genannten Kriterien entsprechen. In der
vorliegenden Arbeit soll es vor allem um die innerstädtischen, öffentlichen Räume im
Außenbereich gehen, die einem der vier Kriterien genügen. Das Diercke Wörterbuch
Allgemeine Geographie definiert öffentlichen Raum folgendermaßen:
„Öffentlicher Raum public space: ein klar definierter, oft administrativ
eingegrenzter Bereich im staatlichen oder kommunalen Eigentum der für jeden
zugänglich ist, z.B. alle dem Straßenverkehr gewidmeten Flächen(Straßen,
Wege) aber auch Parkanlagen oder Plätze. Ö.R. ist die Vorraussetzung für die
Begegnung, Auseinandersetzung und Kommunikation mit dem Fremden und
erfüllt damit eine wichtige gesellschaftliche und politische Funktion“ (vgl. Leser,
2011: 634f).
Ein weiteres Definitionsproblem ergibt sich bei dem Begriff der ‚Raumnutzung‘. Ein
Raum kann auf die unterschiedlichsten Arten genutzt werden. Manche Räume
entstehen gar erst durch ihre Nutzung / Verschwinden ohne diese Nutzung. In dieser
Arbeit möchte ich mich hauptsächlich der Raumnutzung öffentlicher Räume widmen.
Welche Nutzungsformen erfahren bestimmte Orte, durch wen und wann? Mit
Nutzungsformen sind dabei vorrangig Aktivitäten gemeint. Dazu zählen zum Beispiel
Flanieren, sich ausruhen, Dinge betrachten, Einkaufen, etc. oder eben Skaten.
Theoretischer Hintergrund
22
2.2. Theoretischer Hintergrund
Der Anspruch bei den ersten Gedanken zu dem Thema der vorliegenden Arbeit war
herauszuarbeiten, wie unterschiedliche Raumwahrnehmungen unterschiedliche
Raumnutzungen bedingen und zu welchen Konflikten dieser Umstand im öffentlichen
Raum führen kann. Theoretische Grundlagen hierzu lieferten vor allem die
Überlegungen von David Harvey, Georg Simmel, vor allem aber die Henri Lefèbvres.
Die Annäherungen über die Sozialgeographie und die neue Kulturgeographie führten
jeweils zunächst zu Raummodellen und Raumkonzeptionen. Zentrale Rolle spielt
dabei immer das Verhältnis von Raum zur Gesellschaft oder sozialen Gruppen bzw.
Individuen und umgekehrt. So zum Beispiel beschrieben durch Lefèbvre in ‚La
production de l’espace‘ (1974, im Folgenden zitiert nach der englischen Ausgabe von
1991).
„(Social) space is a (social) product“ (Lefèbvre, 1991: 30).
Somit ist Raum auch immer ein Spiegelbild der Gesellschaft und des Systems, in
welchem sich die Gesellschaft befindet. In einem kapitalistischen System finden sich
so auch kapitalistische Merkmale im Raum.
„Wesentliches Kennzeichen ist eine Kolonialisierung von Raum und Zeit.
Raumvermessung und –kontrolle werden bei Lefèbvre als spezifischer
Ausdruck der kapitalistischen Produktionsweise begriffen. Produktion und
Kontrolle über Raum versteht er als das Bemächtigungsmittel des Kapitalismus“
(vgl.Löw, Steets, Stoetzer, 2008: 52).
Ein weiteres wichtiges Merkmal Lefèbvres ist die Trinität des Raums bestehend aus:
Abbildung 8: Trinität des Raumes nach Lefèbvre. Eigene Darstellung nach Elden, 2002: 27.
l'espace perçu - erfahren - physisch
l'espace vecu - gelebt
- gesellschaftlich
l'espace conçu - erdacht
- gedanklich
Theoretischer Hintergrund
23
- L’espace perçu: dem realen, physischen Raum, dessen Entitäten erzeugt und
genutzt werden können.
- L’espace conçu: dem erdachten, imaginären Raum, wie er beispielsweise von
Behörden konzipiert und geplant wird.
- L’espace vecu: dem gelebten Raum, der existiert und durch seine Geschichte und
die Erinnerungen und Erfahrungen des Betrachters individuelle Bedeutung für
diesen hat.
„The user’s space is lived – not represented (or conceived)“ (Lefèbvre, 1991: 362).
Diese drei Konzepte existieren immer gleichzeitig und durchdringen, bedingen und
beeinflussen sich gegenseitig (vgl. Löw, Steets, Stoetzer, 2008: 53).
Lefèbvre betrachtete ebenfalls den Einfluss von Zeit und das Zusammenspiel von
Zeit und Raum. Diese Komponente griff David Harvey auf, welcher an Lefèbvres
Überlegungen anknüpft, und fügte zusätzlich noch die des Geldes hinzu. Harvey
geht davon aus, dass Zeit, Raum und Geld untereinander konvertierbar sind (vgl.
Harvey, 1989: 226). Diese Relationen werden in Zeiten der Globalisierung schnell
erkennbar durch die schneller werdende Überwindung von Distanzen (Räumen) im
Zusammenhang mit dem Sprichwort „Zeit ist Geld“. Harvey beschreibt zudem die
Auswirkungen dieser „time-space-compression“ auf die kulturelle Ebene (vgl. Löw,
Steets, Stoetzer, 2008: 57). Zusätzlich geht Harvey verstärkt auf die Kontrolle von
Raum (und Zeit) durch kapitalistische Mechanismen und insbesondere durch den
Staat ein. Dabei verweist er auf historische Entwicklungen (vgl. Harvey, 1991: 155)
ebenso wie auf aktuelle.
“We live in a world where people talk about the so called public space. But most
of the time the public is not allowed to be in that public space” (David Harvey at
Occupy London, November 12, 2011. http://vimeo.com/32069224 ).
In der „Philosophie des Geldes“ beschreibt Simmel bereits 1900 welche Rolle Geld in
der Gesellschaft hat. Er betrachtet die persönliche Individualität einer Person, welche
in einer Gesellschaft mit Geldwirtschaft lebt, als wesentlich ausgeprägter als die einer
Person, die in einer Gesellschaft gegenseitiger Abhängigkeiten ohne Währung lebt.
Diese Gedanken über das Geld äußert Simmel im Rahmen eines Relativismus,
welcher auf erkenntnistheoretischen Prinzipien beruht. Der besagt, dass Dinge sich
immer nur in Relation zu anderen Dingen konstituieren. Dabei schließt er den
Betrachter eines Objektes, das Subjekt, nicht aus: „kein Subjekt ohne Objekt, kein
Objekt ohne Subjekt“ (Simmel, 1989: 119). Da Raum nur aus der Beziehung zweier
oder mehrerer Objekte zueinander besteht, bringt es eine ähnliche allgemeine
Relativität der Dinge zum Ausdruck wie es laut Simmel das Geld tut.
Unterschiedliche Wahrnehmung; Unterschiedliche Nutzung des Raums
24
2.3. Unterschiedliche Wahrnehmung; Unterschiedliche Nutzung des
Raums
Henri Lefèbvre beschreibt in ‚La production de l’espace (1974)‘ den Unterschied
zwischen „natürlichem“, absolutem Raum, welcher ein durch physische Grenzen
abgetrennter ist, und sozial konstruiertem Raum. Dieser wird lediglich durch
Ansichten, Wahrnehmungen oder Symbole konstruiert und durch diese abgegrenzt,
wobei die Grenzen wandelbar sein können. Weiter schreibt er, dass es sich bei
Raum um ein komplexes soziales Konstrukt handelt, welches sich selbst im Raum
bedingt.
„Raum wird gesellschaftlich produziert, gleichzeitig ist er aber das Medium, das
gesellschaftliche Verhältnisse strukturiert, konkret werden lässt und dadurch
letztlich reproduziert. Raum beinhaltet somit die Möglichkeit, auf den Prozess
seiner Herstellung und auf die damit einhergehenden gesellschaftlichen
Verhältnisse verändernd einzuwirken“ (An Architektur 01, Material zu Henri
Lefèbvre, Die Produktion des Raums, 2002, S.7).
Raum wird also gemäß der von Lefèbvre konzeptualisierten Trinität von den
gesellschaftlichen Umständen und den individuellen Ansichten Einzelner oder
verschiedener sozialen Gruppen stets unterschiedlich konstruiert. Demnach haben
die einzelnen sozialen Individuen oder Gruppen auch unterschiedliche
Wahrnehmungen des Raums. Bedingt dies jedoch auch immer automatisch eine
unterschiedliche Nutzung des gleichen physisch-realen Raumes?
In der theoretischen Konzeption Lefèbvres besteht ein Unterschied zwischen dem
„Space of consumptiom“, welcher etwa dem physischen Raum der Produktion, des
Arbeitsplatzes entspricht, und dem Raum außerhalb dieses „space of consumption“.
In diesen Raum tritt der Mensch ein, wenn er seine Freizeit genießen möchte (vgl.
Lefèbvre, 1991: 352f). Weil ich mich in meiner Arbeit auf den öffentlichen Raum und
die Nutzungen außerhalb des Arbeitsplatzes widme, vernachlässige ich an dieser
Stelle den „space of consumption“ um zusätzliche Komplikationen zu vermeiden.
Nach Lefèbvre wäre die Antwort auf die oben gestellte Frage, ob eine
unterschiedliche Wahrnehmung auch eine unterschiedliche Nutzung eines Raums
bedingt, streng genommen wohl zu bejahen. Denn laut ihm ist Raum außerhalb des
“space of consumption” ebenfalls ein Konsumobjekt.
„When we go to the mountains or the beach, we consume a space. When the
inhabitants of industrialized Europe descend to the Mediterranean, which has
Unterschiedliche Wahrnehmung; Unterschiedliche Nutzung des Raums
25
become theirs space for leisure, they pass from the space of production to the
consumption of space” (Lefèbvre, 2009: 188).
Da diese Art von Konsumption immer davon abhängig ist, wie der Raum
wahrgenommen wird, ist die jeweilige Nutzung aus dieser Sicht ebenfalls
unterschiedlich.
Da ich mich in dieser Arbeit jedoch auf körperliche Aktivitäten als Nutzungsformen
beschränken möchte, würde ich die These verneinen. Zwei Personen mit
unterschiedlichen gesellschaftlichen Hintergründen und unterschiedlichen
Raumwahrnehmungen können durchaus den Raum gleich nutzen. So könnten ein
Historiker und ein Straßenkehrer als Touristen durch eine mittelalterliche Stadt
spazieren. Während der Historiker währenddessen verschiedene Indizien für das
Alter der Stadt sammelt, überlegt sich der Straßenkehrer eventuell welche Arbeit die
hiesigen Straßenkehrer beim Fegen des groben Kopfsteinpflasters haben. Die
Nutzung der Straße durch den Spaziergang beeinflussen die individuellen
Wahrnehmungen jedoch in diesem Falle nicht. Fügt man dieser Überlegung jedoch
noch die zeitliche Komponente hinzu, so ist es nur schwer vorstellbar, dass zwei
Individuen einen gegebenen Raum zu jedem gegebenen Zeitpunkt immer gleich
nutzen.
Unterschiedliche Raumnutzungen sind jedoch immer auch verantwortlich für
unterschiedliche Raumwahrnehmungen. Denn wie bereits erwähnt wird Raum
gesellschaftlich produziert und ist gleichzeitig Medium zur Produktion und
Strukturierung gesellschaftlicher Verhältnisse. Sobald sich also die Raumnutzung
ändert, wird der Raum neu definiert. Dementsprechend ändert sich auch die
Wahrnehmung.
Raumwahrnehmung
26
3. Raumwahrnehmung
3.1. Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern
„Die Funktionen der Architektur werden neu ausgelegt. […] Alle Teile der Stadt
existieren nur noch in Beziehung zum Board und seinen Möglichkeiten“ (Von
Krosigk, Tscharn, 2001: 26).
Wie im vorigen Kapitel beschrieben wird die Raumwahrnehmung einer Person unter
anderem dadurch bedingt wie diese den Raum nutzt. Die vielen Facetten der
Skateboardingkultur haben zuvor gezeigt, wie wichtig die verschiedenen visuellen
Eindrücke dieser Kultur für die einzelnen Personen der Szene sind. Dieser Einfluss
geht soweit, dass man von einer Art gemeinsamen Bewusstseins davon, was im
Skateboarden alles möglich ist, sprechen kann. Für den Einzelnen bedeutet dies
jedes Mal das Ausloten seiner eigenen Fähigkeiten und den kreativen Umgang
damit. Umgekehrt, kann eine kreative Betrachtung der Umwelt eine Erweiterung der
Möglichkeiten bedeuten und somit die eigenen Fähigkeiten ein kleines bisschen
erweitern. Dadurch verändert sich auch stetig der Nutzwert, den Skateboarder in
ihrer Umgebung sehen. Die Raumwahrnehmung des einzelnen Skateboarders wird
somit durch szeneeigene Medien zumindest indirekt verändert.
„Ob du es magst oder nicht, wir sind alle davon konditioniert, was andere uns
vormachen und wo. Automatisch neigen wir dazu, das als Skate-Spots
anzusehen, was andere uns als skatebar aufgezeigt haben. Skateboarder
pushen sich gegenseitig, einer beeinflusst den nächsten. Unsere eigenen
Erfahrungen sind eng mit dem kollektiven Bewusstsein aller Skater verknüpft.
[…] Das Lustige dabei ist, dass unsere Definition eines Spots sich jedes Mal
verändert“ (Kingpin, Ausgabe 93, 2011: 16).
Die Geschichte des Skateboarding beschreibt somit auch einen Wandel in der
Raumwahrnehmung der Skater. Während der Ära des Pool-Skatens im Kalifornien
der 1970er waren die Sinne der Skater darauf geeicht, Hinweise auf private
Swimmingpools in den Gärten zu erkennen: Pumpen, Reinigungsutensilien für Pools,
aufblasbare Spielsachen, Chlorgeruch, weiße Chlorrückstände an den
Abwasserzuläufen der Straßen oder das Geräusch von Pumpen verrieten Skatern
die möglichen Standorte von Pools (vgl. Borden, 2001: 47). Dinge, die heute keinem
Skater mehr besonders auffallen würden. Mit der ständigen Weiterentwicklung des
Streetskatens rückten andere Objekte des urbanen Alltags in den Fokus der Skater.
Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern
27
Abbildung 9 (rechts): Skater Ryan Lay bei einem Wallride. Quelle: http://skateboarding.transworld.net/1000095981/features/homeys-cairo-caswell-duffel-silas-more/
Abbildung 10 (links): "Feeble-Grind" an einem Handrail auf dem Cover des MSM Ausgabe 305/2011.
„Wobei: selbst Rails waren einmal keine Spots, bis ein gewisser Mark Gonzales
Tür und Tor eintrat und etwa 1986 Skateboarding um diese Facette bereicherte“
(Kingpin, Ausgabe 93, 2011: 16).
„Wände waren […] nicht einmal annähernd Teil des Skate-Trick-Universums.
Einen Ort zum Anlehnen und Chillen zu bieten, war ihr einziger Nutzen. Bis
Natas Kaupas 1984 beschloss: Wände sind Spots! – Und sagt selbst: Wie
spaßig sind bitte Wallrides?!“ (ebd).
Neben den Indikatoren für Skatespots hat sich auch deren Lage in der Stadt
verändert. Die oben beschriebenen „Backyard-Pools“ waren fast ausschließlich in
den suburbanen Wohngegenden zu finden. Modernes Streetskaten hingegen findet
vorrangig in den Innenstädten statt.
„Es ist immer viel, viel spannender einen Spot zu fahren, der nicht zum Skaten
extra gebaut wurde. Sondern der einfach durch die Stadtplanung, durch die
Stadtarchitektur so entstanden ist. [...] Solche Spot sind immer um einiges
interessanter zum Skaten. Irgendwie ist das anders, wenn es nicht zum Skaten
gebaut ist“ (Interview – Wasted Box).
Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern
28
Die Attitüde, die in dem obenstehenden Zitat zum Ausdruck gebracht wird, erscheint
den meisten Skatern heute als normaler Gedanke. Architekten, Soziologen und
Geographen erkennen darin jedoch mehr. Durch die symbolische Kritik an Stadt und
Architektur, die Skater durch diese neue Nutzung bewirken, stehen Skater
sinnbildlich für eine politische Ideologie des urbanen Widerstandes gegen den
Kapitalismus, für eine Missachtung der Norm, zu konsumieren, wenn nicht
gearbeitet wird, und für eine „Aneignung von Machträumen als zeitweilige Räume
des freien Ausdrucks“ (vgl. www.arkinet.com). Zieht man Lefèbvres Trinität des
Raumes heran, lässt sich festhalten, dass Skater einen gegebenen espace perçu
durch ihre Tätigkeiten als Skateboarder mit einem speziellen Nutzen für sie sehen –
espace vecu. Unter anderem bevorzugen sie, wie die Kultur des Streetskateboarding
zeigt, dabei bewusst espaces conçus, für die eigentlich ein anderer Nutzen
vorgesehen war.
Dieser Tatsache sind sich manche Skater allerdings durchaus bewusst. Nur der
Umgang mit diesen Erkenntnissen ist bei Skatern ein anderer, wie folgende Zitate
zeigen sollen.
„Skaters create their own fun on the periphery of mass culture. Sewers, streets,
malls, curbs and a million other concrete constructions have been put to new
uses” (Lowboy, zit. n. Borden, 2001: 191).
“The corporate types see their structures as powerful and strong. I see them as
something I can enjoy, something I can manipulate to my advantage” (Neuhaus,
zit. n. Borden, 2001: 187).
Diese Raumaneignung findet nämlich zumeist dort statt, wo größere Freiflächen
gemeinsam mit Objekten auftreten, die man meist nur an großen Firmengebäuden,
öffentlichen Einrichtungen oder auf öffentlichen Freiflächen findet. Hierzu zählen
insbesondere: Großzügig angelegte Pflanzbeete, Treppen (mit Handläufen),
geneigte Flächen, platzgestaltende Kunstobjekte, Brunnen usw. Wichtig ist für
Skateboarder dabei neben der Form und Beschaffenheit der Objekte auch immer die
Oberfläche des Bodens.
„Wenn man irgendwo Marmor sieht als Skater, dann werden direkt die
Antennen ausgerichtet“ (Interview – Christian Schakat).
Oder:
„Oh, schade: Schöner Spot - leider mit Kopfsteinpflaster. Kann man nicht
fahren“ (Interview – Wasted Box).
Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern
29
Diese Wahrnehmung, die sofort mit der möglichen Nutzung durch Skateboarding
verbunden wird, unterscheidet den Blick des Skaters von dem des Nicht-Skaters.
Dabei sieht ein Skateboarder meist nicht das architektonische Ensemble, welches
geplant und aufeinander abgestimmt wurde. Für einen Skateboarder bietet gerade
die Dekonstruktion weitere Kombinationsmöglichkeiten.
“By focusing only on certain elements (ledges, walls, banks, rails) of the
building, skateboarders deny architecture’s existence as a discrete three-
dimensional indivisible thing, knowable only as a totality, and treat it instead as
a set of floating, detached, physical elements isolated from each other
[…]”(Borden, 1998, http://www.nottingham.ac.uk/3cities/borden.htm) .
Wenn man einen Kölner
beispielsweise den Roncalliplatz,
der im Volksmund ‚Domplatte‘
genannt wird, beschreiben lassen
sollte, so würde dieser
höchstwahrscheinlich zunächst den
Dom als charakteristischstes
Merkmal des gesamten
Erscheinungsbildes nennen.
Anschließend wahrscheinlich das
traditionsreiche Domhotel, das
Römisch-Germanische Museum und
das Brauhaus Früh direkt um die
Ecke. Nach kurzer Bedenkzeit
würde er eventuell noch auf die
große Fläche der Domplatte an sich,
die Buchhandlung Kösel und den
Brunnen direkt vor dem Dom
kommen. Ein Kölner Skater sieht
natürlich auch all diese Dinge, er
sieht jedoch auch die Pflanzbeete
mit ihren langen Natursteincurbs,
die Oberflächenstruktur der
Domplatte und die potenziellen
Nutzungsmöglichkeiten. Er sieht
nicht nur die Treppen, sondern zählt
Abbildung 11: Sticker verschiedener Marken, die in der Skateboardszene bekannt sind (hier: carhartt, Volcom, DC, Rockstar) und von lokalen Skateshops (Titus, Street Dreams, Pivot). Alles in unmittelbarer Nähe zum Kölner Dom gefunden. Quelle: Eigene Fotos.
Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern
30
sofort die Stufen um in etwa den Schwierigkeitsgrad für Tricks abschätzen zu
können. Er sieht die Gebrauchsspuren an den Curbs durch Grinds. Er sieht die
Sticker verschiedener Skateshops, Bekleidungsmarken und Skateboardhersteller.
„Wenn ich irgendwo die Stufen hochgehe, dann zähle ich die Stufen. Und dann
stelle ich mich oben manchmal noch hin, obwohl ich da eh nie runterspringen
würde. [..] Ah, 14 Stufen. Krass. Hier würde der und der irgendwie so
runterspringen“ (Interview – Christian Schakat).
Ein aktueller Trend, dessen Idee jedoch kein Novum für Skater ist, sind die
Initiativen, Räume, die durch kleine Unebenheiten oder Lücken nicht skatebar sind,
selbst so zu verändern, dass sie von Skatern genutzt werden können. So ändern
Skater durch ihre Nutzung nicht mehr nur den gedachten Raum, sondern durch
aktive Umgestaltung auch den physischen Raum. Dies geht bisweilen soweit, dass
komplett neue Objekte erschaffen werden. Skatepark-Elemente im öffentlichen
Raum.
Abbildung 12: Zwei Beispiele für Rampen, die von Skatern illegal angebracht wurden. Quelle: http://b00h00.blogspot.com/2010/04/diy-skatepark.html , http://skateandannoy.com/features/diy/skateparks/
Raumwahrnehmung und Raumnutzung von Skatern
31
„Und das zeigt auch, dass die Skater aktiv ihren Raum gestalten wollen. Und
meistens [..] da besonders, wo die Stadt [.] nicht so sehr förderlich [.] ist“
(Interview – Wasted Box).
Durch diese neuen Objekte schaffen Skater automatisch auch neue Räume. Der
Unterschied zu der ursprünglichen Struktur ist, dass die Skater alle drei Aspekte des
von Lefèbvres vorgestellten Raumes selbst erschaffen haben (espace conçu, vecu &
perçu). Diese Räume können als Raum der Widerständigkeit gegen die räumliche
Praxis der „räumlichen Ökonomie“ verstanden werden (vgl. An Architektur 01, 2002:
17).
Nutzungskonflikte
32
3.2. Nutzungskonflikte
Die im vorigen Kapitel beschriebene Raumnutzung von Skateboardern führt dabei in
vielen Fällen zu Berührungspunkten mit den Nutzungsvorstellungen Anderer
innerhalb desselben physischen Raumes.
Das Hauptproblem, welches viele Menschen mit Skatern haben ist der hohe
Lärmpegel, den die Skateboards verursachen. Um diese Lärmbelastung genauer zu
bestimmen, wurden Messungen vorgenommen. Diese erfolgten mit einem
Schallpegelmeßgerät welches den Anforderungen nach EN 61 672-1 entspricht und
in die Klasse 2 für allgemeine Felduntersuchungen eingeteilt wird. Gemessen wurde
der dbA-Schallpegel, den ein Skateboard auf einer Straße erzeugt. Die Messung
erfolgte auf einer Straße in einer Wohnsiedlung, wo der Schall von den
Häuserfassaden reflektiert wird. Da die Aufschläge des Skateboards nicht immer
gleich laut sind, wurden jeweils die Mittelwerte aus drei Messwerten ermittelt. Um
verschiedene Situationen im urbanen Umfeld miteinzubeziehen, wurden die
Skateboardsprünge in zwei Messungen auf einer Linie mit dem Messgerät und einer
Hauswand (im Abstand von 5m und 10m zur Hauswand), und in einer Messung auf
einer Linie mit dem Messgerät, ohne dahinterliegender Hauswand durchgeführt. Alle
Werte wurden jeweils in 2m, 10m und 20m Abstand zu der Emissionsquelle
gemessen. Die höchsten Werte traten dabei, wie erwartet, in 5m Abstand zu der
Hauswand und 2m Abstand zur Emissionsquelle auf. Hier lag der Durchschnittswert
bei 79,6dbA, was deutlich über den Richtwerten für alle möglichen Flächennutzunge
liegt. So wären in einem Gewerbegebiet tagsüber nur 65dbA erlaubt, in einem reinen
Wohngebiet nur 50dbA. Nachts sinkt dieser Wert sogar auf nur 35dbA (vgl.
www.lubw.de). Doch auch die niedrigsten Werte in 20m Entfernung und ohne
Hauswand lagen durchschnittlich immer noch bei 63,9dbA. Die einzelnen Aufschläge
des Skateboards können zwar als störender empfunden werden. Sie waren dabei
jedoch nur geringfügig lauter als die vorbeifahrenden Autos, die eine konstante
Lärmkulisse von ca. 56dbA erzeugten und somit immer noch die Werte für ein reines
Wohngebiet überstiegen.
Neben dem Lärm verursachen Skater teilweise bleibende Schäden an privatem oder
öffentlichem Eigentum. Besonders häufig sind hierbei die Spuren der Skateboards,
die sie beim Grinden und Sliden an Bänken, Ledges, Rails und Curbs hinterlassen.
Diese reichen von farbigen Rückständen der Boardoberfläche an dem
beanspruchten Objekt bis hin zu tiefen Furchen und herausgeschlagenen Ecken aus
Steinoberflächen bei intensiver Nutzung durch die Skater. Die hier verursachten
Kosten können sich schnell auf mehrere tausend Euro belaufen. Um die Nutzung
durch Skater zu unterbinden werden häufig bauliche Veränderungen am Untergrund
Nutzungskonflikte
33
oder den Objekten selbst vorgenommen, so dass das Befahren mit Skateboards
unmöglich wird. Hierzu kann beispielsweise der Belag des Bodens eingefurcht
werden oder sogenannte ‚Skatestopper‘ angebracht werden (vgl.
http://vimeo.com/31136828).
Auch Fensterscheiben können durch herumrollende Skateboards beschädigt
werden. Dabei wird oft vergessen, dass diverse andere Kinderspielzeuge ebenfalls
solche Schäden anrichten können. Der große Unterschied zwischen spielenden
Kindern und Skateboardern, die oftmals im selben Alter sind, liegt dabei jedoch auch
an der Art und Weise, wie Skater den Raum nutzen. Während spielende Kinder
häufig nur freie Flächen zum Spielen benötigen und dabei häufig den Ort wechseln,
wählen Skater bewusst einige Elemente aus, die sie befahren möchten. Aus diesem
Grund sehen beispielsweise Anwohner eines Wohngebiets bei Skatern eher einen
direkten Angriff auf ihr Eigentum, während die Schädigung durch Kinder oftmals als
eine Art Kollateralschaden hingenommen werden. Schließlich sehen viele Menschen
Skateboarden weder als Sport, noch als Spiel. Nach der Logik Vieler fehlt dem
Skateboarden somit der Sinn. Diese Menschen sehen meist „rumlungernde
Jugendliche, bei denen nichts passiert. Die fahren ja nur“ (Aussage eines
Touristenguides der KölnTourismus GmbH). Anstatt dessen verbringen sie einen
großen Teil ihrer freien Zeit in den Straßen und auf den Plätzen der Innenstädte.
Abbildung 13: Schäden an einem Pflanzbeet auf dem Roncalliplatz in Köln. Maßnahme der Stadt: Einfräsungen an den Kanten. Quelle: Eigenes Foto.
Nutzungskonflikte
34
Was sie jedoch dort tun, bleibt Vielen ein Rätsel. Dieses Bild wird häufig dadurch
verstärkt, dass viele Punks Skateboard fahren und deren äußere Erscheinung
oftmals mit „asozial“ gleichgestellt wird. Durch Vorurteile wie diese bestärkt, festigt
sich bei Vielen die Meinung, dass Skateboarder das ordentliche Stadtbild
beschmutzen.
Die Summe der hier angesprochenen Probleme, die viele Leute mit Skateboardern
haben, führt häufig dazu, dass sich Anwohner und Passanten von der bloßen
Anwesenheit der Skater in unmittelbarer Nähe gestört fühlen. Ein weiterer
Nutzungskonflikt ist der Platzbedarf, den Skater bei der Ausübung ihrer Tricks haben.
Zwar können die Skater selbst ihre Fähigkeiten meist doch recht gut einschätzen.
Der durchschnittliche Passant wird jedoch durch die hohe Geschwindigkeit und den
dabei verursachten Lärm der Skateboards eingeschüchtert.
„Walking demands space; it is necessary to be able to walk reasonably freely
without being disturbed, without being pushed, and without having to maneuver
too much. The Problem here is to define the human level of tolerance for
interferences encountered during walking […]” (Gehl 2010: 133).
Das in dem Zitat angesprochene “level of tolerance for interferences” ist bei den
meisten Menschen jedoch unterhalb dessen, was ein Skateboarder bewirkt, der in
wenigen Metern Abstand zu ihnen fährt.
Fallbeispiel: Köln
35
4. Fallbeispiel: Köln
Im Fokus des Fallbeispiels sollen die Kölner Skater stehen, die bis Juli 2011 auf der
Domplatte skateten und, ebenfalls seit Juli 2011, eine Alternative hierzu in der
Skateplaza „Kap 686“ am Rheinauhafen gefunden haben.
Ich habe dieses Beispiel aus mehreren Gründen gewählt. Zunächst handelt es sich
bei den betroffenen Skatern um Street-Skater, die bis zum Zeitpunkt des Umbruchs,
an das Skaten im Zentrum einer Großstadt gewöhnt waren. Ist es gelungen, diesen
Personen eine adäquate Alternative aufzuzeigen, die weder direkt im Zentrum liegt,
noch als ein Street-Spot von Ihnen angesehen wird? Weiterhin hat der Platz über die
lokale Dominanz nationale und zum Teil sogar internationale Bedeutung. Ist es
gelungen den Skatern einen Ersatz zu bieten, der sie über den Verlust „ihrer
Domplatte“ hinwegsehen lässt, und wie konnte das gelingen? Hat die Stadt ihre Ziele
erfüllen können und inwiefern profitiert die Stadt von diesem Umbruch?
Des Weiteren war mir der Platz zuvor von einigen Besuchen bekannt. Somit kannte
ich in etwa die von den Skatern genutzten Flächen, welche Nutzungsformen sonst
noch an dem Platz vorzufinden sind und in welchem Kontext der Platz steht.
Schlussendlich handelt es sich hier um ein sehr aktuelles Beispiel, und in dieser
Form um eine neue Herangehensweise der Stadt an einen Nutzungskonflikt
zwischen Skatern und Anderen.
4.1. Methodisches Vorgehen
Die für das Thema relevanten Informationen kommen zum größten Teil aus dem
Internet und Zeitschriften rund um das Thema Skateboarden wie zum Beispiel dem
Monster Skateboard Magazine, welches seinen Redaktionssitz in Köln unweit der
Domplatte hat. Zudem wurden mehrere Experteninterviews geführt. Ursprünglich
geplant waren Experteninterviews mit je einem Vertreter der Stadt, der Skateboarder
und der Domanlieger. Da einer der Hauptakteure des Konflikts seitens der
Domanlieger wohl das Domhotel war, war auch dieses meine erste Wahl. Jedoch
wurde mir nach dreimaligem Weitervermitteln an andere Mitarbeiter ein Interview
schlussendlich doch verwehrt. Auch beim Traditionsgasthof „Früh“ unweit des
Roncalliplatzes, war die Geschäftsführung „zu keinen Äußerungen zu diesem Thema
bereit“. Auch zu allgemeinen, subjektiven Eindrücken welche den Roncalliplatz
betreffen, war bei beiden Unternehmen niemand zu Äußerungen bereit. Der einzige
Methodisches Vorgehen
36
Domanlieger, der einverstanden war mir ein Interview zur Domplatte zu geben war
ein Mitarbeiter der Buchhandlung Kösel, welche sich direkt neben der hauptsächlich
von den Skatern beanspruchten Fläche befindet. Jedoch wurden hierbei die Fragen
nach den vorherigen Erfahrungen bewusst nicht direkt auf die Skateboarder
bezogen. Die Fragen behandelten im Wesentlichen den Roncalliplatz im
Allgemeinen. Das Skateboardthema, wurde dabei von dem Interviewpartner recht
schnell von alleine angesprochen. Seitens der Skateboarder hatte ich schnell mehr
Erfolg. Als Interviewpartner standen mir Mitarbeiter von zwei verschiedenen
Skateboardshops, ein Chefredakteur des Monster Skateboard Magazines und zwei
Skateboarder, welche beide aktiv bei der Planung der neuen Skateplaza mitwirkten
und sich im Dom-Skateboarding e.V. engagierten. Seitens der Stadt wurde mir ein
Interview mit der Haupt-Sachbearbeiterin beim „Amt für Kinder, Jugend und Familie“
zugesagt. Dieses musste jedoch leider krankheitsbedingt ausfallen. Ein weiterer
Mitarbeiter des Amtes, der sich ebenfalls mit dem Thema beschäftigte, konnte mir
aus zeitlichen Gründen leider nur auf Fragen via Email antworten.
Die einzelnen Interviews waren (Reihenfolge, wie Befragung):
Interview – Kösel: Als Interviewpartner stand mir ein Mitarbeiter der „Buchhandlung
Kösel“ bereit. Das Interview fand in der Buchhandlung, während
der Geschäftszeit statt. Um wenigstens einige Informationen
über die brisante Thematik der Skater auf der Domplatte zu
erhalten entschloss ich mich die Fragen auf generelle Eindrücke
an der Domplatte zu beschränken. Die Skater wurden dabei
recht schnell von allein zum Thema. Transkription des Interviews
siehe Anhang.
Interview – Pivot: In dem bekannten Kölner Skateshop „Pivot“ ließ sich einer der
Mitarbeiter von mir zu dem Thema interviewen. Auch hier fand
das Interview in dem Laden zur Geschäftszeit statt.
Interview – Patrick Bös: Der in Deutschland nicht unbekannte Skater aus Köln, der
früher selbst viel an der Domplatte skatete und sich stark im
„Dom-Skateboarding e.V.“ engagierte wurde vor Ort am Kap686
befragt. Der Lehramtsstudent hatte kurz zuvor seine
Zulassungsarbeit im Fach Geographie über den Rheinauhafen
fertiggestellt und konnte mir außerhalb des Interviews zudem
einige Informationen aus geographischer Sicht hierzu geben.
Transkription des Interviews siehe Anhang.
Methodisches Vorgehen
37
Interview – Wasted Box: Nach einem kurzen Gespräch über das Thema der Arbeit
erklärten sich zwei Mitarbeiter des Kölner Skateshops „Wasted
Box“ bereit das Interview gegen Ende der Öffnungszeiten in dem
Laden zu führen.
Interview – MSM: Das Interview mit dem Chefredakteur des ältesten, noch
existierenden Skateboardmagazins „Monster Skateboard
Magazine“ (kurz: MSM) mit Redaktionssitz in Köln erfolgte
telefonisch. Das MSM berichtete unter anderem über die
Ereignisse an der Domplatte.
Interview – Christian Schakat: Wie Patrick Bös zählt auch Christian Schakat zu der
Gruppe der Skater, die schon lange auf der Domplatte fuhren.
Auch er engagierte sich im „Dom-Skateboarding e.V.“, wo er als
erster Vorsitzender oftmals der Ansprechpartner für die Stadt
war. Das Interview mit ihm erfolgte per Skype-Videogespräch via
Internet.
Interview – Stadt Köln: Leider konnte ein Interview mit den Ansprechpartnern beim
Amt für Kinder, Jugend und Familie aus zeitlichen Gründen
seitens der Stadt nicht erfolgen. Herr Widmann aus der Abteilung
für Kinderinteressen, die auch mit der Planung der neuen
Skateplaza betreut war, erklärte sich jedoch dazu bereit mir
einige Frage via Email zu beantworten. Fragen und Antwort
Email siehe Anhang.
Interessant hierbei ist die Tatsache, dass die Skater, deren Handeln im öffentlichen
Raum häufig an den Rand der Legalität stößt, weitaus offener über den Konflikt und
die Resultate sprachen, als die Domanlieger, die den Konflikt aus ihrer Sicht klar für
sich gewannen. Die doch recht strikten Absagen zeigten auch, dass der Konflikt
anscheinend kein unbedeutendes Problem darstellt. Ebenfalls scheinen die
Geschäftsführungen der einzelnen Unternehmen sehr großen Wert darauf zu legen,
nichts zu diesem Konflikt zu kommunizieren, was sie eventuell ein einem schlechten
Licht darstellen könnte.
Schließlich bekam ich immer wieder Eindrücke von Tourguides des Kölner
Tourismusbüros, Passanten, Bekannten und Verwandten geschildert, denen ich von
meiner Arbeit erzählte und welche daraufhin eigene Erfahrungen zu schildern. Diese
Gespräche wurden nicht aufgezeichnet und nur ein zwei Fällen ein
Gedächtnisprotokoll niedergeschrieben. Jedoch halfen auch diese Gespräche von
„Außenstehenden“ das Bild zu vervollständigen.
Methodisches Vorgehen
38
Die Domplatte befindet sich im linksrheinischen Teil der Innenstadt ist das
Wahrzeichen Kölns. Als „Domplatte“ wird meist der Roncalliplatz im Süden des Doms
bezeichnet. Angrenzend an den Platz finden sich neben dem Dom im Norden Hotels,
Museen und Einzelhandelsunternehmen, sowie gastronomische Betriebe.
Jahrzehntelang prägten auch die zahlreichen Skater das Bild des weitläufigen
Roncalliplatzes. Dies erzeugte jedoch eine Vielzahl an Problemen, welche
verschiedene Gegenmaßnahmen der Stadt hervorriefen und schließlich mit einem
Skateverbot auf der Domplatte endete. Als Ausgleich dafür wurde in Kooperation mit
den Skatern eine neue Skateplaza im Rheinauhafen geplant und umgesetzt, welche
zeitgleich mit Inkrafttreten des Skateverbots am Roncalliplatz eingeweiht wurde. Die
neue Skateplaza besitzt heute viele Elemente, welche sich früher auch in ähnlicher
Form auf der Domplatte fanden. Zudem fügt sie sich baulich recht gut in das neue
Bild des Rheinauhafens ein, welches innerhalb Kölns eine Sonderposition einnimmt
und sonst eher durch Exklusivität hervorsticht.
Methodisches Vorgehen
39
Abbildung 14: Kartenausschnitt Köln. Quelle: Verändert nach GoogleEarth.
Skater auf der Domplatte
40
4.2. Skater auf der Domplatte
Mangels konkreter Daten und Informationen, wie sie in anderen Sportarten eventuell
durch Vereinsarchive zugänglich wären, stützen sich die Informationen dieses
Kapitels fast ausschließlich auf Aussagen aus Skateboardmagazinen und den
geführten Experteninterviews. Dieser Umstand ist nicht zuletzt der Skateboardkultur
an sich geschuldet, die im Allgemeinen wenig von geschichtlichen Fakten hält.
„Wir wollen hier auch nicht den altklugen, Hornbrillen tragenden
Geschichtslehrer raushängen lassen, der euch ohne Punkt und Komma mit
Fakten und Jahreszahlen vollmüllt. slack injiziert euch lediglich eine sanfte
historische Auffrischungsspritze“ (slack 07. 2007: 38).
Unter dem Titel: „Drei Dekaden Dom – Eine Retrospektive“ schreibt das Monster
Skateboard Magazine:
„„Das deutsche EMB“ wurde die Kölner Domplatte oft genannt. Als einer der
besten Spots der gesamten Republik hat „der Dom“ seiner Heimatstadt nicht
nur jahrelang das Prädikat „Deutsche Skate-Hauptstadt“ beschert, nein: Er war
auch ein Zuhause für Skater und andere Sonderlinge, ein Spielplatz aus
feinstem Marmor, ein Wohnzimmer für ein notorisches Ensemble, ein ständiger
Motor für Streetskaten und ein Schauplatz jener Geschichten, aus denen später
urbane Legenden werden. Fast vierzig Jahre, nachdem die erste Rolle den
wahrscheinlich besten Boden des Landes berührt hat, wandern die Jünger aus
dem Schatten der zwei Türme in den Skateplaza am Rheinufer ab“ (Monster
Skateboard Magazine. Ausgabe 302/2011: 42).
Dieser kurze Text zeigt neben einer gewissen Nostalgie einige wichtige Merkmale
der Skateboardszene, die neben einer sehr internationalisierten Kultur auch einen
starken Hang zum Lokalen hat. Dies wird gleich zu Anfang des Zitates deutlich: Als
„EMB“ kennen Skateboarder weltweit einen bekannten Skatespot in San Francisco.
Wie auch bei „der Domplatte“ wird die Zusatzinformation, in welcher Stadt sich dieser
Ort befindet, unter Skatern in den meisten Fällen nicht benötigt. Sie sind beide
international bekannt und beschränken sich auf einen kleinen Raum innerhalb einer
Großstadt, welcher durch eine lokale Skateszene – den „Locals“ - einen bestimmten
Charakter bekommt. Im Falle des Doms handelte es sich bei diesen Locals um eine
Gruppe von Kölner Skatern, die als „Domposse“, oder kurz „Posse“, bezeichnet
wurden. Die Bezeichnungen „Spielplatz“, „Zuhause“ und „Wohnzimmer“ drücken die
besondere Beziehung der Skateboarder zu dem Spot aus.
Skater auf der Domplatte
41
„Es war einfach so der Treffpunkt des sozialen Lebens. […] Man konnte halt
ohne Probleme einen Tag dort verbringen – Von morgens bis abends“
(Interview MSM).
Obwohl es sich nur um eine kurze Einleitung für einen kompletten Artikel handelt,
werden jedoch sofort die architektonischen Besonderheiten hervorgehoben.
Allerdings sind diese für die Skateboarder nicht die Kulisse vor dem Wahrzeichen
und Touristenmagneten Kölns – dem Dom, welcher hier nur auf die
schattenwerfenden „zwei Türme“ reduziert wird - das charakteristischste Element
sondern der „wahrscheinlich beste Boden des Landes“ aus Marmor.
Abbildung 15: Skater an der Domplatte während der "Abschluss-Session" im Juli 2011. Quelle: http://www.redbull.de/cs/Satellite/de_DE/Article/Skaten-in-K%C3%B6ln-Eine-neue-%C3%84ra-beginnt-021243057443948
Als Domplatte wird generell der Fußgängern vorbehaltene Bereich um den Kölner
Dom bezeichnet. Der für dieses Fallbeispiel relevante Teil beschränkt sich jedoch
zum größten Teil auf den Roncalliplatz im Süden des Doms, sowie die direkt daran
angrenzenden Treppen. In seiner heutigen Form existiert der 5875m² große
Roncalliplatz, welcher nach Papst Johannes XXIII benannt wurde, seit 1968. Zuvor
war auf dieser Fläche ein Grünstreifen, eine Straße und ein Parkplatz, welcher sich
auch noch über das Gelände des heutigen Römisch-Germanischen Museums
erstreckte (vgl. http://www.bilderbuch-koeln.de/Fotos/113820).
Bereits Mitte der der siebziger Jahre fuhren die ersten Skateboarder auf der
Domplatte. Dank der großen Fläche, des guten Untergrundes und der zentralen Lage
stieg die Zahl der Skater, die regelmäßig auf der Domplatte skateten, bis Mitte der
80er laut Monster Skateboard Magazine auf „bis zu 100 Skater“ pro Tag. Anfang der
Skater auf der Domplatte
42
90er kam Skateboarden eine Zeit lang aus der Mode und es fanden sich erheblich
weniger Skater auf der Domplatte (vgl. Monster Skateboard Magazine, Ausgabe
302/2011: 45f).Aus Interviews mit Kölner Skatern ging hervor, dass in den Jahren vor
2008, je nach Wetterlage, zwischen 10 und 200 Skater über den Tag hinweg an der
Domplatte skateten.
Nicht nur die Anzahl der Skater war stark von den nationalen und internationalen
Trends beeinflusst. Auch die verschiedenen Skaterichtungen veränderten sich mit
der Zeit und wurden durch die, für Skateboarding relevanten Medien wie Zeitschriften
oder Skatevideos, beeinflusst. So befuhren die ersten Skater auf der Domplatte noch
hauptsächlich die Fläche des Roncalliplatzes, auf der sie zur „Grab-Zeit“ Jumpramps
aufstellten, und einige niedrige Treppen. Als Ende der 80er modernes Streetskaten
populärer wurde und durch einzelne Videos, wie das ‚Hokus Pokus‘ Video von H-
Street 1989, machte dieser Trend auch vor den Kölner Skatern nicht halt. Trotzdem
werden die Kölner Skater im nationalen Maßstab noch als Vorreiter angesehen: „Am
Dom wurde schon Street gefahren, da ist der Rest der Republik noch Jumpramps
geskatet“(vgl. Monster Skateboard Magazine, Ausgabe 302/2011: 45).
„So funktioniert das hier am Dom und so funktioniert das überall. Überall, wo
eine Skateszene vorherrscht, die nicht nur auf sich guckt, sondern über den
Tellerrand hinaus […] Da wir uns alle an internationalen Skateszenen
orientieren“ (Interview mit Patrick Bös).
Um dieses progressive Skaten für Deutschland weiter zu verbreiten, spielten auch
hier die oben angesprochenen Medien eine große Rolle. Zum einen verhalfen hierzu
das in Köln ansässige Monster Skateboard Magazine und der bekannte deutsche
Skateboardphotograph Helge Tscharn. Zum anderen verstärkten der berühmte Dom
und die Kombination von gutem Bodenbelag und den markanten Curbs den
Wiedererkennungswert der Domplatte als Skatespot.
„Jeder kannte auf der Welt die Domplatte. Also wenn Du Amis gesagt hast:
Domplatte – Okay, kannten sie nicht. Dann sagst Du: Hier, große Kathedrale,
Marmorboden oder Natursteinboden mit Natursteincurbs […]. Dann: Aaah! Ja!
Klar! Super Platz! Kannte jeder natürlich. Also war schon international bekannt.
Grad wegen dem Dom“ (Interview mit Patrick Bös).
Neben den baulichen Eigenschaften der Domplatte und der, aus Sicht der wichtigen
Skateboard-Medien, günstigen Lage spielte der Standort eine entscheidende Rolle.
Die Domplatte befindet sich nicht am Standrand, in einem beliebigen Industriegebiet,
wo nichts los ist, sondern mitten im Herzen Kölns. Dadurch wurde der Platz aus
mehreren Gesichtspunkten attraktiv. Die Skater konnten den Platz den gesamten
Skater auf der Domplatte
43
Tag schnell und einfach erreichen und die umliegenden Einkaufsmöglichkeiten,
Imbisse und Schnellrestaurants nutzen, welche sich in fünf Minuten Fußweg nach
Südwesten in Gestalt der Fußgängerzone und nach Nordosten in Form des
Hauptbahnhofes und der dazugehörigen, typischen Bahnhofsumgebung ergaben.
Die zentrale Lage bedeutete zusätzlich die große Diversität an anderen Personen
und Aktionen in unmittelbarer Umgebung.
„Es sind hier […] auch [.] Straßenmusikaten oder hier gibt's auch immer mal […]
Flashmobs. Manchmal dann auch so Straßenmaler und so“ (Interview mit
Buchhandlung Kösel).
Zudem zieht der Dom Tag für Tag eine große Zahl von Touristen an, die zum Teil
sehr unterschiedlich auf die Skateboarder reagierten. Während sich einige gestört
fühlten, schenken einige den Jugendlichen kaum Beachtung. Eine große Zahl jedoch
blieb während der Stadtbesichtigung gerne ein paar Minuten stehen und beobachtet
die Skateboarder und deren „Kunststücke“ (Gedächtnisprotokoll aus einem Gespräch
mit einem Tourguide des Kölner Tourismusbüros).
„Das Geklappere der Skateboards zieht Zuschauer an, nervt aber die Anlieger
etwas“ (Haffner, 2005: 156).
„Something happens because something happens“ (Gehl, 2010, S.75).
Dieser Logik folgend fanden sich auch meist viele Skater auf der Domplatte ein,
welche, umgekehrt, ebenfalls tagtäglich die verschiedensten Leute und
Persönlichkeiten zu Gesicht bekamen. Je mehr Skater dort waren, desto sicherer
konnte man auch sein dort jemanden vorzufinden, mit dem man fahren konnte. Als
Folge daraus mussten Skater sich nicht zwangsläufig zu einer Session verabreden,
sondern kamen einfach an den Dom und trafen dort andere Skater.
All diese Umstände sorgten dafür, dass die Skater sich auf der Domplatte wohl
fühlten und mit ihr „einen Spielplatz aus feinstem Marmor, ein Wohnzimmer“ hatten.
Die aktuellen Veränderungen
44
4.3. Die aktuellen Veränderungen
Das allgemeine Wohlbefinden der Skater auf der Domplatte sorgte für eine große
Zahl an Skatern die jeden dort jeden Tag skateten und dafür, dass diese sich auch
jeweils über einen längeren Zeitraum an der Domplatte aufhielten. Die Art und Weise
wie die Skater dabei auffielen unterschied sich dabei häufig. Für viele Personen, die
nicht einmal unbedingt aus Köln selbst kamen „gehörten die Skater einfach zur
Domplatte“. Sie belebten den Platz, lieferten zusätzlich zum Dom etwas, was den
Platz ausmachte. Viele Leute blieben stehen und sahen sich die Skater und die zum
Teil spektakulären Figuren an.
„Ich glaube, dass die Mehrheit uns als positiv empfindet - und empfunden hat -
auf der Domplatte“ (Interview – Christian Schakat).
Jedoch gab es auch immer wieder Situationen in denen sich Passanten von der
Präsenz der Skater eingeschüchtert fühlten. Jugendliche, die mit dem Skateboard
springend und bei hohen Geschwindigkeiten an älteren Menschen vorbeifahren,
fielen nicht wenigen Leuten unangenehm auf. Bei ca. 100 Skatern auf der Domplatte
verwundert es deshalb nicht, dass Teilweise von einer „Dominierung einer
Minderheit“ auf der Domplatte gesprochen wurde (vgl. Interview – Kösel). Dabei
bediente sich die besagte Person zufällig sogar dem Vokabular Lefèbvres der
"dominanten Räume“, welche im Gegensatz zu „angemessenen Räumen“ eher als
„schlechte Räume“ zu bezeichnen sind (vgl. Lefèbvre, 1991: 164f). Dass die
Skateboarder dabei meist jedoch ihr Können nicht überschätzen und in solchen
Situationen in den allermeisten Fällen niemand physischen Schaden davon trägt,
brachte am Dom eine hohe Diversität an Äußerungen hervor. Ein Tourguide der
KölnTourismus GmbH äußerte sich zunächst empört, dass es ohne die Skater auf
jeden Fall besser sei, und dass es „schon gefährlich“ war. Auf die Frage nach
beobachteten Unfällen entgegnete er jedoch: „Weiß nicht, ob tatsächlich mal was
passiert ist“.
„Da wurden halt zum Teil die Fußgänger angefahren“ (Interview - Kösel).
„Ich meine klar ist ab und zu mal ein Board weggerollt und vielleicht in die
Füße... aber so oft ist das nicht passiert. Weil wir sind halt eben immer in Ecke -
Also die Posse, sag ich mal so, geskatet. Wir sind halt auch da geskatet, weil
da halt weniger Leute waren“ (Interview - Pivot).
„Es gab auch mal eine Frau, die hat der Zeitung erzählt, dass ein Skater über
sie gesprungen wäre. Ja, und dann haben die Skater natürlich auch gelacht. Ist
Die aktuellen Veränderungen
45
ja unmöglich. Und da sieht man ja, ob das jetzt wahr ist, oder nicht“ (Interview
Pivot).
Neben diesen zum Teil schon sehr unterschiedlichen Aussagen, war es jedoch vor
allem der konstante Lärm, welcher von den Skateboards ausging, hervorgerufen
durch die verschiedenen Figuren. Der Umgang mit dem Geräuschpegel allerdings
unterschied sich stark. Während alle Domanlieger gleichermaßen über
Lärmbelästigung durch die Skateboarder klagten, war für die Skateboarder das
Geräusch der Skateboards einfach Teil einer lebendigen Stadt. Dass es für die
meisten Domanlieger als störend empfunden wurde, war den Skatern zwar bewusst,
jedoch nicht immer verständlich.
Zusätzlich zu den Schäden die unmittelbar durch die Figuren entstehen, gab der
Hoteldirektor des Domhotels der Kölnischen Rundschau an, dass jährlich
Sachschäden in Höhe von ca. 5000€ an den Fensterscheiben durch die Skater
entstünden (vgl. http://www.rundschau-online.de/servlet/OriginalContentServer?
pagename=ksta/ksArtikel/Druckfassung&aid=1273839806780).
Auf Grund der Summe der Beeinträchtigungen durch die Skater wurde jedoch
zunehmend der Ruf nach einem Skateverbot auf der Domplatte lauter. Im Zuge des
Konflikts versuchten Anlieger immer wieder auf eigene Faust, das Skaten zum
Beispiel durch das Ausstreuen von Streusalz zu unterbinden.
„Die Skater gehören zur Domplatte wie das unsägliche Domhotel und die kalte
unpersönliche Fläche, die die Domplatte darstellt. Nicht wenige Touristen
kommen auch wegen der Lebhaftigkeit, die der Roncalliplatz ausstrahlt.
Architektur und Aussehen der Domplatte sind von einem Größenwahn gezeugt,
der ohne den Kontrapunkt, den Skater und die damit verbundene Subkultur
aufweichen und menschlicher machen, kalt und steril wäre. Wer ins Zentrum
der Stadt zieht, kann hier keine Dorfruhe erwarten, jede andere Forderung ist
albern und unrealistisch“ (Leserkommentar zu einem Artikel auf der Homepage
der Kölnischen Rundschau http://ocs.zgk.de/mdsocs/mod_extcomm_comm/
extcomm_id/1273839806780/ocs_ausgabe/kr/index.html).
Um die Interessen der Dom-Skater besser vertreten zu können „machten [diese] also
etwas für ihre Szene völlig untypisches: sie gründeten einen Verein, der innerhalb
kurzer Zeit über 500 Mitglieder hatte“ (www.metrobox.org/projekt-skatepark.html).
Der im Oktober 2007 gegründete Dom-Skateboarding e.V. versteht sich als
„Organisation aller Skateboard-Begeisterten in Köln und Umland / vertritt die
Interessen der hiesigen Skater“ (vgl. http://www.dom-skateboarding-ev.de/).
Die aktuellen Veränderungen
46
Das Hauptanliegen war dabei schon 2007 die Schaffung einer Alternative zur
Domplatte, da die Skater den sich verstärkenden Konflikt wahrnahmen und von sich
aus die Initiative ergreifen wollten, eine Lösung des Problems herbeizuführen. Mit
ihrem Anliegen wandten sich die Skater, die nun organisiert auftreten konnten,
zunächst an die Politik. Nachdem diese Kontakte wenig Erfolg versprachen, fanden
die Skater schließlich Gehör beim „Amt für Kinder, Jugend und Familie“, mit denen
die gesamte Planung begann. Die Abteilung für Kinderinteressen dieses Amtes
befasst sich unter anderem mit der Planung von „Spielflächen im weitesten Sinn“
(vgl. Interview – Stadt Köln).
„politische Parteien versuchen so etwas dann gerne gegeneinander
auszuspielen. Also, das bringt wenig. Der richtige Anlaufpunkt war dann im
Endeffekt das Amt für Kinderinteressen […] da war einfach immer ein offenes
Ohr und sehr viel Vertrauen“ (Interview - Patrick Bös).
Im Juni 2008 veranlasste die Stadt das Einfräsen der Curbs, welche dadurch
‚unskatebar‘ wurden (vgl. Abbildung 15).
„Das war ein ziemlicher Schock für uns. Die Domplatte wurde vom Topspot zum
Flopspot, von heute auf morgen“ (Monster Skateboard Magazine Ausgabe
302/2011: 51).
Schließlich gab die Roncalli-Gesellschaft ein Rechtsgutachten bei der Kölner Kanzlei
Lenz und Johlen in Auftrag, welches im Juni 2010 vorgelegt wurde. Dieses
Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass Gehwege und Fußgängerbereiche nach
aktueller Rechtslage zwar von Skateboards in angemessener Geschwindigkeit
befahren werden dürfen, die Nutzung dieser Bereiche „zur Vorführung von Sprüngen,
„Tricks“ und sonstigen Übungen“ sei aber nicht zulässig. Es handele sich dabei auch
um eine „Sondernutzung im Sinne des Straßenrechtes“, welche durch
Zusatzschildern, die auf die Unzulässigkeit hinweisen, von der Gemeinde
unterbunden werden können (vgl. Johlen, 2011: 173).
Unterdessen liefen die Planung und der Bau der neuen Skateplaza mit dem Namen
„Kap686“ bei der Abteilung Kinderinteressen des Amtes für Kinder, Jugend und
Familie, unter Zusammenarbeit mit der lokalen Skateszene, weiter. Diese wurde am
23. Juni 2011 feierlich eröffnet.
„Doch es wird schon mehr als ein neues Skate-Gehege brauchen, um die
Domliebe der Kölner zum Erlöschen zu bringen. In den nächsten zwei Jahren
stehen einige bauliche Veränderungen am Dom an. Und wer weiß, vielleicht tun
sich dort nach drei Jahrzehnten sogar noch neue Skate-Möglichkeiten auf“
(Monster Skateboard Magazine, 302/2011: 51).
Die Skateplaza „Kap686“
47
4.4. Die Skateplaza „Kap686“
Das Kap686 ist nach seiner Lage am Rheinkilometer 686 benannt (http://www.stadt-
koeln.de/2/kind-jugend/08671/). Es befindet sich am südlichsten Ende des neuen
Rheinauhafenviertels und liegt dabei auch im Überflutungsgebiet des Rheins, was
zusätzliche Überlegungen bei der Planung bedingte. Der Rheinauhafen erstreckt sich
über eine Länge von ca. 2km entlang des linken Rheinufers. Das ca. 15,4ha große
Areal wird dabei im Süden von der Südbrücke begrenzt und bietet Platz für eine
Reihe von exklusiven Dienstleistern und Einzelhändlern (vgl.
http://www.rheinauhafen-koeln.de/Uebersicht). Auch Wohnungen finden sich im
Rheinauhafen. Besonders die Wohnungen in einem der drei Kranhäuser spiegeln die
Exklusivität des Viertels mit bis zu 8000€/qm Kaufpreis wider (vgl. exporeal.iz.de).
Abbildung 16: Logos des Kap686, dem Dom-Skateboarding e.V., dem Architekturbüro "metrobox" und der Stadt Köln. Quelle: Verändert nach http://www.northbrigade.de/news/2011/herzlich-willkommen-im-dschungel/ .
Abbildung 17: Karte des Rheinauhafens. Quelle: http://www.rheinauhafen-koeln.de/Uebersicht .
Die Skateplaza „Kap686“
48
Wie passt in solch ein Viertel nun eine Anlage für Jugendliche, die andernorts nicht
länger erwünscht sind weil sie zu laut sind, zum Teil bedrohlich auf Passanten wirken
und so Manchem selbst in der bunt durchmischten Innenstadt Kölns als
Personenkreis ein Dorn im Auge sind? Neben der Randlage und dem
Schienengüterverkehr, der regelmäßig über die Südbrücke rollt und dabei die
Skateboarder bei weitem übertönt, ist mit Sicherheit die Konzeption des Platzes als
„Skateplaza“ ein entscheidender Faktor.
Skateplazas haben sich aus der selben Problematik heraus entwickelt, wie sie die
Skater an der Domplatte und dem Rest der Welt schon am eigenen Leib erfahren
hatten. Streetskaten gehört seit etlichen Jahrzehnten zur Skateboardingkultur und ist
aus dieser nicht wegzudenken. Jedoch verkleinert sich die Zahl der Spots, an denen
sich Sessions, die so wichtig für das Streetskaten sind, entwickeln können von Jahr
zu Jahr. Grund hierfür sind die Konflikte um diese Plätze. Diese Konflikte bestehen
dabei zwar seit jeher, doch in jüngster Zeit wird mit zunehmender Härte auch gegen
die Skater vorgegangen. Solche Prozesse haben ihren Ursprung vorwiegend im
Kapitalismus, der im weitesten Sinne der nicht-kommerziellen Nutzungen des
öffentlichen Raums gegenübersteht. Auf der Suche nach Alternativen, die in einem
kapitalistischen System eine Zukunft haben, kam die Idee der Skateplazas auf.
“Recreational skateparks, which include street courses, mini-ramps, and bowls,
will always be a part of skateboarding, but they will never play a part in keeping
skaters off the streets of their communities. Not to mention that most of these
recreational parks are built by people who don’t know anything about any type
of skateboarding. If 80% of skateboarding is real street, then 80% of the places
built for skateboarders should duplicate real street. Like it or not, the standards
for modern skateboarding have been developed in urban architecture”
(http://robdyrdekfoundation.org/about/).
Neben den Vorteilen, die Skateplazas den Skatern bieten, bringen sie auch für die
Stadtplanung gewisse Annehmlichkeiten. Durch den Street-Charakter, welchen die
Plazas haben, ist es möglich, diese in das bestehende Stadtbild einzugliedern. Das
wird von den Skatern sogar gewünscht. Hierdurch verstärkt sich das „Real-Street-
Gefühl“ für die Skater.
Auch Pflanzbeete oder Wasserläufe erhöhen eher den Wert der Plazas. In
konventionellen Skateparks würden solche Elemente keine Verwendung finden, da
hier der Platz oftmals knapp bemessen ist und deswegen meist die komplette Fläche
versiegelt wird. Am Kap686 hingegen wurde darauf jedoch bewusst Wert gelegt. Auf
der 2000qm großen Fläche befinden sich drei Pflanzbeete. Der Bodenbelag wurde in
Die Skateplaza „Kap686“
49
hellen Farbtönen den modernen Belägen der Fußgängerflächen des Rheinauhafens
angepasst.
„Die Grundkörper sind Skate-Objekte aus Beton und stehen, wie vom Wasser
umspülte Steine, in einem Fluss aus Steinplatten. Die Bodenfläche tritt über ein
Muster in Dialog mit den Skate-Objekten“ (vgl. http://www.metrobox.org/projekt-
skatepark.html).
Einer der wichtigsten Planungspunkte einer Skateplaza ist jedoch in jedem Fall die
Einbindung der lokalen Skateszene. In Köln zum Beispiel ging es den Skatern
vorrangig um einen adäquaten Ersatz für die Domplatte. Da die Dom-Skater vor
allem Curbs und Flat befuhren, waren diese die wichtigsten Elemente für die neue
Skateplaza.
Auf den meisten Skateplazas finden sich keine Transitions, die auch in den
architektonischen Formen einer Stadt meist nicht anzutreffen sind. So auch am
Kap686.
„Für mich hätte hier ne Rampe das ganze Bild extrem zerstört muss ich ehrlich
sagen“ (Interview - Patrick Bös).
Abbildung 18: Blick in Richtung Südbrücke auf das Kap686. Zu erkennen sind die Pflanzbeete, die unterschiedlichen Bodenbeläge und die helle Farbgebung. Quelle: Eigenes Foto.
Die Skateplaza „Kap686“
50
Hierdurch entstanden jedoch während der Planungsphase immer wieder kleinere
Konflikte unter den Skatern. Viele (insbesondere jüngere) Skateboarder kennen das
‚richtige Streetskaten‘ in Innenstädten heute nicht mehr. Dies liegt zum Großteil
daran, dass sie mit Skateparks aufgewachsen sind und aus oben genannten
Gründen beispielsweise von ihren Eltern auch immer zu diesen gefahren wurden. Für
sie bedeutet Skaten unter Umständen nicht viel mehr als der Sport an sich. Da
hierfür gut gebaute Skateparks einen exzellenten Raum darstellen, ziehen sie diese
den öffentlichen Räumen der Innenstädte vor. Da fast keine Skateparks ohne
Transitions existieren, war es für Viele schwer verständlich, warum ausgerechnet ‚ihr
Park‘ keine Transitions bekommen sollte. Auch viele Skater, die bereits in anderen
Skateparks ‚zu Hause‘ waren bemängelten das Fehlen von Transitions. Fakt ist
jedoch, dass das Kap686 eine Alternative für die Domplatte darstellt und
hauptsächlich für die Skater, die auf der Domplatte fuhren und sich bei der Planung
aktiv beteiligten, gedacht ist. Und obwohl es für die meisten Skater mehr Park als
Street ist, schätzen diese die neue Plaza und sind stolz auf ‚ihr Kap‘.
Auswirkungen und Evaluierung
51
4.5. Auswirkungen und Evaluierung
Die Skateboarder Kölns, welche zuvor am Dom skateten, haben mit dem Kap686
einen adäquaten Ersatz von der Stadt erhalten, der ihren Ansprüchen an Raum auf
den ersten Blick gerecht wird. In Bezug auf die Nutzung dieser neuen Skateplaza
durch Skateboarder konnte die Sportart sogar einiges hinzugewinnen. Mehr
Obstacles bieten mehr Möglichkeiten. Mehr Möglichkeiten der Nutzung bieten mehr
Möglichkeiten der kreativen Entfaltung der Skateboarder und eine steilere Lernkurve
beim Zugewinn an Fähigkeiten auf dem Skateboard. Dies zeigt der enorme Erfolg
des Kap686, welcher sich vor allem in der Zahl der Skateboarder ausdrückt, die Tag
für Tag dort skaten. Eigene Zählungen vor Ort ergaben beispielsweise an einem
Schönwettertag Ende September zwischen 50 und 60 Skater, welche sich
gleichzeitig am Kap686 befanden. An einem kalten, windigen Tag Ende November
immerhin noch 30 Skateboardbegeisterte.
Doch ging dieser Zugewinn für den Sport einher mit einem Verlust für die
Skateboardkultur? Der Nutzung des Urbanen? Dem Widerstand gegen
kapitalistische Mechanismen, welche sich in der Privatisierung innerstädtischer
Flächen äußern?
Abbildung 19: Volle Skateplaza mit Blick auf das Kap am Südkai. Quelle: Eigenes Foto.
Auswirkungen und Evaluierung
52
„Was einer Gesellschaft, die auf Tauschwert basiert, zuwiderläuft, ist eine
Vorrangstellung des Gebrauchs“ (An Architektur 01, Material zu Henri Lefèbvre,
Die Produktion des Raums, 2002: 19).
„Natürlich passiert es auch, dass ein Gegen-Raum oder ein Gegen-Projekt
bereits existierenden Raum simulieren, diesen parodieren und seine Grenzen
aufzeigen, ohne trotz alledem seinen Klauen zu entkommen“ (ebd.: 21).
Im Falle des Kap686 scheint genau dieser Fall eingetreten zu sein. Das scheinbare
„Gegen-Projekt“ – ein Raum zur Freizeitgestaltung innerhalb des neuen
Rheinauhafenviertels, welches geradezu einen Gegenpol darstellt. Eine Sportart, die
den Gebrauchswert von urbanem Raum über den Tauschwert des Bodens oder der
Gebäude stellt, findet sich auf dem teuersten Baugrund Kölns neben exklusiven
Einzelhändlern und Dienstleistern. Doch der Hintergrund dieses Projekts – die
Vertreibung und Umsiedlung der Skateboarder von der Domplatte – deutet eigentlich
auf eine eher negative Tendenz im Hinblick auf die kulturelle Vielfalt im Stadtzentrum
hin. Im Fall der Domplatte an sich stimmt diese Annahme auch. Ebenfalls die
Tatsache, dass die Domplatte heute leerer wirkt, wird sogar von den direkten
Domanliegern wahrgenommen. Auch wenn diese den Skatern sonst nichts Positives
abgewinnen konnten.
„Ja, die haben den Platz zwar belebt. Das ist schon richtig. Aber […] da wurden zum
Teil Fußgänger angefahren, es ist ein unglaublicher Lärmpegel […]“ (Interview –
Kösel).
Jedoch sehen auch die Skater in jeder Skateplaza, wie perfekt sie auch immer
urbane Flächen kopieren zu versucht, eine Skateplaza und nicht den eigentlichen
urbanen Raum. Dieser wird auch bei allen Anstrengungen der Stadt nicht aus dem
Skateboarding wegzudenken sein. Alle Interviewpartner, die selbst Skateboard
fuhren bestätigten, dass das Kap686 eine hervorragende Möglichkeit sei, sein
Können weiter zu verbessern. Und das in einer Umgebung, die dabei so gut wie
möglich dem realen Vorbild entspricht und dieses dabei noch übertrifft. Dies war nur
realisierbar, indem die Skateboarder und ihre Bedürfnisse in der Planung
berücksichtigt wurden. Dabei gehen die Bedürfnisse der Skater weit über das reine
Platzangebot hinaus. Die Auswahl und Anordnung der Obstacles müssen den jeweils
lokalen Bedürfnissen angepasst werden. Trotzdem betonten alle Befragten, dass sie
weiterhin „Real Street“ in der Kölner Innenstadt fahren würden. Vor allem das Filmen,
welches im Skateboarding heutzutage selbst für die Jüngsten schon dazu gehört,
findet nach wie vor abseits der Parks und Plazas statt.
Auswirkungen und Evaluierung
53
Das Projekt der Stadt ist somit gelungen, ohne dabei die Skateboardkultur der Kölner
Szene zu zerstören. Die Skateplaza wird sehr gut angenommen und von den
meisten besser als die Domplatte empfunden. Die Domplatte als Spot ging den
Skatern zwar verloren, jedoch wird das Skateverbot weitestgehend akzeptiert. Nicht
zuletzt, weil der Dialog zwischen der Stadt und den Skatern stattfand und erfolgreich
war. Auch die Abteilung für Kinderinteressen der Stadt Köln wertet das Kap686 als
vollen Erfolg und hebt besonders hervor, dass sich nach dem Projekt alle Beteiligten
sich „weiterhin in die Augen sehen“ können. Gemeinden mit Ähnlichen Problemen
gibt sie die Empfehlung, es wie Köln zu machen um eine Lösung zu finden, mit der
alle im Endeffekt zufrieden sein können (vgl. Interview – Stadt Köln).
Fazit
54
5. Fazit
Unsere Städte befinden sich in Zeiten fortschreitender Privatisierung des öffentlichen
Raums und einer damit einhergehenden Nutzungsentmischung zugunsten einer
Kommerzialisierung der öffentlichen Räume. Zusätzlich nimmt die Kontrolle und
Überwachung des öffentlichen Raums immer weiter zu. Und wie bereits durch
Lefèbvre und Harvey beschrieben werden urbane Räume immer homogener und
fragmentierter produziert, wie es sich in unzähligen Beispielen (darunter auch Köln)
belegen lässt. Einzelne Nutzungsformen werden untersagt. Für sie werden
andernorts extra Flächen ausgewiesen. Und das in einer Zeit in der sich immer mehr
verschiedene und individuellere Freizeitgestaltungen entwickeln und die
Flächenversiegelung eigentlich minimiert werden sollte.
Wie an der Skateboardingkultur gezeigt wurde, widersetzen sich einige
(Jugend)Kulturen diesen Prozessen und nutzen die Stadt nach wie vor auf eine
eigene, hedonistisch anmutende Weise. Sie machen die homogenisierten urbanen
Räume zu ‚ihren Spielplätzen‘ und beleben dabei selbst die ‚schwarzen Löcher‘, die
von den meisten Stadtbewohnern sonst nicht beachtet und somit ungenutzt bleiben.
Zusätzlich stehen Skater im krassen Kontrast zur Kommerzialisierung der Räume
indem für sie einzig Gebrauchswert der Räume, nicht aber ihr Tauschwert zählt.
Jedoch verursachen Skater fast überall Nutzungskonflikte. Vor allem die Zerstörung
von Objekten durch das Grinden oder Sliden und die starke Lärmbelästigung durch
die knallenden Bretter beim Vorführen von Sprüngen bergen ein hohes
Konfliktpotenzial. Hierdurch sehen Städte sich oft gezwungen, zu handeln und den
Skatern Ausweichflächen bereitzustellen. Die Anlage von Skateparks, die von den
Gemeinden mit den Herstellern der Rampen ausgehandelt werden, nicht aber mit
den Skatern selbst haben oft zur Folge, dass diese Anlagen nicht angenommen
werden, da sie nicht den Ansprüchen der Skater gerecht werden. Trotz hoher Kosten
für solche Anlagen, die in den meisten Fällen fünfstellige Beträge verschlingen,
können die Ziele der Städte nicht erreicht werden. Wichtig für ein gutes Gelingen ist
in jedem Fall der Dialog mit den Skatern und die Auseinandersetzung der Stadt mit
der Kultur der lokalen Skateszene. Dass solche Projekte Erfolge für alle Beteiligten
sein können, zeigt das Beispiel Kölns, wo heute kaum mehr Skater auf der Domplatte
fahren, die neue Skateplaza überragend gut von den lokalen Skatern angenommen
wird und schon nach wenigen Monaten bei Skatern in ganz Deutschland als
Vorzeigeprojekt und großartiger Spot bekannt war.
Ebenfalls zeigte das Beispiel Kölns, dass die Planbarkeit von Freizeitaktivitäten, die
sich im öffentlichen Raum abspielen, nur bedingt planbar sind, da sie von der
Fazit
55
urbanen Umgebung leben und sich über diese identifizieren und entwickeln. Wird
dennoch eine räumliche Verlagerung dieser Aktivitäten gewünscht, ist eine kulturelle
Annäherung und der Dialog mit den Betroffenen eine Notwendigkeit.
Das besondere an der Skateboardkultur ist jedoch, dass sie die geänderten
Bedingungen, wo geskatet werden darf und wo nicht, zwar weitestgehend akzeptiert,
aber trotz eines gewissen Verdrusses gegenüber der Geschichte der eigenen
Szenekultur sich dessen bewusst ist, woher Skateboarding kommt und was es
bedeutet. Streetskateboarding wird nichts von seiner Bedeutung verlieren und Skater
werden nach wie vor öffentliche Räume nach ihren Bedürfnissen nutzen. Dadurch,
dass Skateboarding mehr ist als der Sport und für Skater eine Lebenseinstellung
darstellt, werden sie weiterhin die Freiheit genießen, die Stadt so zu nutzen, wie sie
wollen, und sich dabei auch über rechtliche Restriktionen hinwegsetzen. Damit
werden sie, und Anhänger anderer urbaner Funsportarten, auch weiterhin zu einer
Durchmischung und Belebung dieser Räume beitragen.
Literaturverzeichnis
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