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Bedeutung und Herkunft von A-Z Lexikon der Redensarten

Reden Sar Ten 101210

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Bedeutung und

Herkunft von A-Z

Lexikon der Redensarten

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Lexikon der Redensarten

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Genehmigung von PHOENIX publishing.

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Vorwort

Wann haben Sie sich das letzte Mal so geärgert, dass Sie „einen dicken

Hals“ bekommen haben? Sich über etwas „wie ein Schneekönig“

gefreut? Oder bei einem überraschenden Ereignis mit dem Ausruf „Ach

du grüne Neune!“ reagiert?

Redewendungen bereichern unsere Alltagssprache durch

absurde Vergleiche oder Anspielungen auf Literatur, Religion oder

Wissenschaft. Kaum jemand weiß aber, dass er sich auf mittelalterliche

Kochgewohnheiten bezieht, wenn er beim Autofahren „einen

Zahn zulegt“. Wer die Ohren offenhält, wird erstaunt sein, wie

häufig beinahe jeder Redensarten verwendet. Der Streifzug durch

ihre Entstehungsgeschichte, zu dem dieses Buch einlädt, ist eine

unterhaltsame Lektüre und bietet oft überraschende Einsichten.

Oder wussten Sie schon, wie oft sie jeden Tag aus der Bibel zitieren?

Andere Redensarten sind regionale Besonderheiten – auch auf sie wird

eingegangen. Einige altertümliche Raritäten finden sich ebenfalls. Um

die „großen Fragen der Menschheitsgeschichte“ zu klären, liefert dieses

Lexikon eine Bedeutungserklärung zu jedem Eintrag – damit nicht mehr

diskutiert werden muss, ob „wie die Faust aufs Auge“ nun sehr gut oder

gar nicht Zusammen passendes beschreibt.

Ein vergnüglicher Blick auf die Vielfalt und zuweilen Absurdität unserer

nur scheinbar gewöhnlichen Alltagssprache – viel Spaß damit!

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Inhalt

das A und O 80

Wer A sagt, muss auch B sagen 80

glatt wie ein Aal sein 80

sich winden wie ein Aal 80

ein altes Aas sein 81

mit etwas aasen 81

wie die Aasgeier über jemanden herfallen 81

Abbitte leisten 81

etwas abblasen 82

jemanden abblitzen lassen 82

Es ist noch nicht aller Tage Abend 82

jemandem eine Abfuhr erteilen 82

abgebrannt sein 83

abgebrüht sein 83

abgefeimt sein 83

es auf jemanden abgesehen haben 83

jemanden abhalftern 84

jemanden abkanzeln 84

jemandem etwas nicht abkaufen 84

ein billiger Abklatsch 84

jemandem etwas abknöpfen 84

etwas abkupfern 85

jemanden eiskalt abservieren 85

jemandem die Absolution erteilen 85

jemanden aufs Abstellgleis schieben 85

auf etwas abzielen 86

mit Ach und Krach 86

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die Achillesferse sein 86

jemanden über die Achsel ansehen 86

jemanden in Acht und Bann tun 86

sich vom Acker machen 87

bei Adam und Eva anfangen 87

im Adamskostüm 87

eine künstlerische Ader haben 87

jemanden zur Ader lassen 88

bei jemandem an der falschen Adresse sein 88

wie ein Affe auf dem Schleifstein 88

ein Affentheater um etwas machen 88

einen Affenzahn draufhaben 89

etwas zu den Akten legen 89

Alarm schlagen 89

blinder Alarm 89

alt wie Methusalem sein 89

sich aufs Altenteil zurückziehen 90

Ja und Amen sagen 90

so sicher wie das Amen in der Kirche 90

ein Ammenmärchen 90

den Amtsschimmel reiten 91

mit jemandem anbändeln 91

jemanden anblöken 91

jemanden anfauchen 91

angefegt kommen 91

angefressen sein 92

etwas sitzt wie angegossen 92

die Welt aus den Angeln heben 92

wie angewurzelt stehen bleiben 92

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jemandem sitzt die Angst im Nacken 92

ein Angsthase sein 93

jemandem nichts anhaben können 93

jemandem etwas anhängen 93

jemanden um etwas anhauen 94

auf Anhieb 94

jemandem etwas ankreiden 94

etwas anleiern 94

im Anmarsch sein 94

jemanden anschmachten 95

jemanden anschwärzen 95

eine Antenne für etwas haben 95

etwas anzetteln 95

sich den Schuh nicht anziehen 95

in den sauren Apfel beißen 96

die Früchte seiner Arbeit ernten 96

arbeiten wie ein Pferd 96

mit Argusaugen über etwas wachen 97

einen langen Arm haben 97

jemanden auf den Arm nehmen 97

die Beine unter den Arm nehmen 97

die Ärmel hochkrempeln 97

etwas aus dem Ärmel zaubern 98

ein Armleuchter 98

etwas ist ein Armutszeugnis für jemanden 98

am Arsch der Welt 98

ein Arsch mit Ohren 98

etwas geht jemandem am Arsch vorbei 99

jemand hat den Arsch offen 99

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jemand kann einen am Arsch lecken 99

etwas auf der linken Arschbacke absitzen 99

die Arschkarte bekommen 100

aus der Art schlagen 100

Asche zu Asche, Staub zu Staub 100

sich Asche aufs Haupt streuen 101

am Ast sägen, auf dem man sitzt 101

auf dem absteigenden Ast sein 101

sich einen Ast lachen 101

schwer asten 102

nicht ganz astrein sein 102

einen langen Atem haben 102

eine Attacke gegen jemanden reiten 102

zu neuen Ufern aufbrechen 102

jemanden aufgabeln 103

aufgedonnert sein 103

kein Aufhebens machen 103

jemanden aufmöbeln 103

es mit jemandem aufnehmen (können) 104

aufschneiden 104

komentenhafter Aufstieg 104

sich auftakeln 104

im Aufwind sein 104

etwas wie seinen Augapfel hüten 105

auf dem rechten Auge blind sein 105

auf einem Auge blind sein 105

Auge um Auge, Zahn um Zahn 105

da bleibt kein Auge trocken 106

das Auge des Gesetzes 106

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das Auge isst mit 106

ein Auge riskieren 106

ein Auge zudrücken 107

ins Auge gehen 107

ins Auge springen 107

mit einem blauen Auge davonkommen 107

sehenden Auges etwas tun 107

vor dem inneren Auge 108

die Augen schonen 108

jemandem fällt es wie Schuppen von den Augen 108

jemandem Sand in die Augen streuen 108

den Augiasstall ausmisten 108

etwas ausbaldowern 109

jemanden ausbooten 109

ein Ausbund an ... 109

jemanden auseinandernehmen 109

etwas ausfechten 110

ausgefuchst sein 110

etwas ist nicht ausgegoren 110

ausgepowert 110

etwas ausmerzen 111

etwas ausposaunen 111

jemanden ausquetschen 111

den Ausschlag geben 111

zum Auswachsen sein 112

außer sich sein 112

sich benehmen wie die Axt im Walde 112

ein wahres Babel (sein) 112

wie beim Turmbau zu Babel 113

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ein Backfisch sein 113

jemandem eine Backpfeife geben 113

ein Bad in der Menge nehmen 113

zu heiß gebadet haben 114

baff sein 114

auf die schiefe Bahn geraten 114

aus der Bahn geworfen werden 114

einen großen Bahnhof machen 114

nur Bahnhof verstehen 115

den Balken im eigenen Auge nicht sehen, aber den Splitter im fremden 115

am Ball bleiben 115

den Ball flach halten 115

etwas ist Balsam für die Seele 116

vor etwas einen Bammel haben 116

mit harten Bandagen kämpfen 116

Bände sprechen 116

durch die Bank 117

leeren Bänken predigen 117

da steppt der Bär 117

wie ein Bär schlafen 117

jemandem einen Bären aufbinden 117

jemandem einen Bärendienst erweisen 118

auf der Bärenhaut liegen 118

auf die Barrikaden gehen 118

jemandem um den Bart gehen 118

solch einen Bart haben 119

wissen, wo der Barthel den Most holt 119

ein ganzer Batzen 119

aus dem hohlen Bauch 120

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jemanden bauchpinseln 120

draufschlagen wie der Bauer auf den Wolf 120

ein Bäuerchen machen 120

auf Bauernfang gehen 121

ein Bauernopfer darbringen 121

bauernschlau sein 121

Bauklötze staunen 121

zwischen Baum und Borke stehen 122

in Bausch und Bogen 122

sich bedeckt halten 122

kein Bein auf die Erde kriegen 123

Hals- und Beinbruch! 123

etwas auf die Beine stellen 123

jemandem Beine machen 123

sich die Beine in den Bauch stehen 123

auf wackeligen Beinen stehen 124

jemanden nicht mit der Beißzange anfassen mögen 124

eine Benzinkutsche 124

der Berg kreißt und gebiert eine Maus 124

wie ein Ochse vor dem Berg stehen 125

Berge versetzen können 125

wie ein Berserker 125

sehr beschlagen sein 126

jemanden unter Beschuss nehmen 126

Ich fress einen Besen ... 126

wie bestellt und nicht abgeholt 126

ein Betbruder 126

jemanden an den Bettelstab bringen 127

nach dem Bettzipfel schielen 127

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gut betucht sein 127

ein Beutelschneider 127

bis an die Zähne bewaffnet sein 127

Himmel und Hölle in Bewegung setzen 128

jemanden beweihräuchern 128

jemanden bezirzen 128

auf Biegen und Brechen 128

etwas wie saures Bier anbieten 129

auf eine Bierreise gehen 129

im Bilde sein 129

wie aus dem Bilderbuch 129

von der Bildfläche verschwinden 129

Ach du heiliger Bimbam! 130

einen hinter die Binde kippen 130

in die Binsen gehen 130

eine Binsenweisheit 130

jemandem bleibt der Bissen im Halse stecken 131

blank sein 131

das Blatt hat sich gewendet 131

ein unbeschriebenes Blatt 132

etwas steht auf einem anderen Blatt 132

blau sein 132

blauäugig sein 132

ins Blaue hinein 133

ein Blaustrumpf sein 133

Blech reden 133

blechen müssen 133

ein Blindgänger 134

wie der Blitz 134

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rangehen wie Blücher an den Katzbach 134

etwas durch die Blume sagen 134

damit keinen Blumentopf gewinnen können 135

blaues Blut haben 135

Blut an den Händen haben 135

Blut lecken 135

Blut und Wasser schwitzen 136

die Musik im Blut haben 136

jemandem kocht das Blut in den Adern 136

seltsame Blüten treiben 136

den Bock zum Gärtner machen 137

einen Bock schießen 137

null Bock haben 137

die Schafe von den Böcken scheiden 137

sich ins Bockshorn jagen lassen 137

am Boden zerstört sein 138

an Boden gewinnen 138

auf dem Boden bleiben 138

auf fruchtbaren Boden fallen 138

etwas nicht aus dem Boden stampfen können 139

jemandem brennt der Boden unter den Füßen 139

jemandem den Boden unter den Füßen wegziehen 139

wie Pilze aus dem Boden schießen 139

ein Ritt über den Bodensee 140

den Bogen überspannen 140

für jemanden böhmische Dörfer sein 140

nicht die Bohne 140

Bohnen in den Ohren haben 141

ein Bollwerk sein 141

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die Bombe platzen lassen 141

wie eine Bombe einschlagen 141

ein Bonzenheber 142

jemanden mit ins Boot holen 142

einen Boykott verhängen 142

einen Brandbrief schreiben 142

ein Bratkartoffelverhältnis 143

über jemanden den Stab brechen 143

brechend voll sein 143

in die Bredouille kommen 144

um den heißen Brei herumreden 144

eine Breitseite auf jemanden abfeuern 144

für jemanden eine Bresche schlagen 144

für jemanden in die Bresche springen 144

ans Schwarze Brett kommen 145

ein Brett vor dem Kopf haben 145

Bretter schneiden 145

die Bretter, die die Welt bedeuten 145

dünne Bretter bohren 146

nicht gern dicke Bretter bohren 146

das geht wie das Brezelbacken 146

ein blauer Brief 146

jemandem Brief und Siegel geben 147

durch die Brille boxen 147

mit allem Brimborium 147

ein harter Brocken 147

kleine Brötchen backen 148

den Brotkorb höher hängen 148

in die Brüche gehen 148

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jemandem eine goldene Brücke bauen 148

alle Brücken hinter sich abbrechen 149

im Brustton der Überzeugung 149

ein Buch mit sieben Siegeln 149

wie ein offenes Buch sein 149

wie es im Buche steht 150

sich auf seine vier Buchstaben setzen 150

jemand kann einem den Buckel runterrutschen 150

viele Jahre auf dem Buckel haben 150

über die Bühne gehen 150

sein Bündel schnüren 151

jemandem zu bunt sein/werden 151

da werden abends die Bürgersteige hochgeklappt 151

auf den Busch klopfen 151

es ist etwas im Busch 151

mit etwas hinter dem Busch halten 151

Busenfreunde sein 152

Alles in Butter! 152

Butter auf dem Kopf haben 152

Butter bei die Fische geben 152

jemandem die Butter vom Brot nehmen 153

etwas für ein Butterbrot hergeben 153

auf die Butterseite fallen 153

zugehen wie in Buxtehude, wo die Hunde mit dem Schwanz bellen 153

den Gang nach Canossa antreten 154

kein Chorknabe sein 154

nicht alle auf dem Christbaum haben 154

seinen Claim abstecken 154

einen Clown zum Frühstück gegessen haben 155

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Ein alter Mann ist doch kein D-Zug! 155

eine aufs Dach bekommen 155

etwas unter Dach und Fach bringen 155

etwas halten wie ein Dachdecker! 155

einen Dachschaden haben 156

ein Damaskuserlebnis haben 156

nicht auf dem Damm sein 156

jemandem dämmert es 157

ein Damoklesschwert über sich hängen haben 157

ein Danaergeschenk 157

einen grünen Daumen haben 157

einen kranken Daumen haben 158

jemandem den Daumen aufs Auge drücken 158

jemandem die Daumen drücken 158

Pi mal Daumen 158

über den Daumen gepeilt 159

jemandem die Daumenschrauben anlegen 159

jemandem fällt die Decke auf den Kopf 159

sich nach der Decke strecken 159

unter einer Decke stecken 159

jemandem eins auf den Deckel geben 160

unter dem Deckmantel des ... 160

etwas deichseln 160

über den Deister gehen 160

jemandem einen Denkzettel verpassen 160

keinen Deut besser sein als ... 161

keinen Deut wert sein 161

mit jemandem deutsch reden 161

nicht ganz dicht sein 162

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mit jemandem durch dick und dünn gehen 162

sich mit etwas dicke machen 162

guter Dinge sein 162

jemanden dingfest machen 162

jemandem einen Dolchstoß versetzen 163

Donner und Doria! 163

einen Ruf wie Donnerhall haben 163

Zum Donnerwetter! 163

doppelt gemoppelt 164

ein alter Drachen 164

auf Draht sein 164

einen guten Draht zu jemandem haben 164

einen Drahtseilakt vollführen 164

Dreck am Stecken haben 165

den richtigen Dreh rauskriegen 165

Man kann es drehen und wenden, wie man will ... 165

das gibt Dresche 165

eine Drohkulisse aufbauen 166

ein Drückeberger 166

am Drücker sitzen 166

dumm wie Bohnenstroh 166

die Dummheit mit Löffeln gegessen haben 167

völlig im Dunkeln tappen 167

(wegen etwas) durchdrehen 167

durchfallen 167

etwas durchfechten 168

jemandem etwas durchgehen lassen 168

etwas durchsickern lassen 168

eine kalte Dusche 168

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Dusel haben 168

kein Echo finden 169

um drei Ecken miteinander verwandt 169

ein getreuer Eckart sein 169

ein Eckpfeiler sein 169

etwas aus dem Effeff beherrschen 169

jemandem die Ehre abschneiden 170

etwas für einen Appel und ein Ei kaufen 170

etwas ist nicht das Gelbe vom Ei 170

etwas wie ein rohes Ei behandeln 171

wie aus dem Ei gepellt sein 171

sich um ungelegte Eier kümmern 171

wie auf Eiern gehen 171

noch die Eierschalen hinter den Ohren haben 171

einen Eiertanz aufführen 172

im Eimer sein 172

weder ein noch aus wissen 172

etwas einbimsen 172

jemandem etwas einbläuen 172

sich die Suppe selbst einbrocken 173

jemanden einbuchten 173

etwas hat sich eingebürgert 173

es geht ans Eingemachte 174

jemandem tüchtig einheizen 174

jemanden einnorden 174

etwas einpauken 174

wie eine Eins dastehen 174

jemanden einseifen 175

jemanden einwickeln 175

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jemanden auf Eis legen 175

sich auf dünnes Eis begeben 175

ein heißes Eisen anfassen 176

zum alten Eisen gehören 176

Es ist höchste Eisenbahn! 176

jemand benimmt sich wie ein Elefant im Porzellanladen 176

in seinem Element sein 177

ein Häufchen Elend sein 177

im Elfenbeinturm sitzen 177

die Ellbogen gebrauchen 177

eine Ellbogengesellschaft 178

wie eine Elster stehlen 178

nicht von schlechten Eltern sein 178

bis ans Ende der Zeiten 178

Lieber ein Ende mit Schrecken ... 178

mit seinem Latein am Ende sein 179

die Engel im Himmel singen hören 179

ein gefallener Engel sein 179

wie mit Engelszungen reden 180

nicht die feine englische Art sein 180

sich wegen etwas entrüsten 180

ein Erbsenzähler 180

jemandem hat es die Ernte verhagelt 181

eine Eroberung machen 181

auf etwas erpicht sein 181

völlig erschossen sein 181

Erster von hinten sein 182

etwas ist erstunken und erlogen 182

den Sack schlagen, aber den Esel meinen 182

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eine Eselsbrücke bauen 182

wie Espenlaub zittern 183

Essig sein mit etwas 183

ein Etikettenschwindel 183

Eulen nach Athen tragen 183

eine halbe Ewigkeit 183

eine Extrawurst gebraten haben wollen 184

nicht lange fackeln 184

alle Fäden in der Hand haben 184

am seidenen Faden hängen 184

den Faden verlieren 184

der rote Faden 185

die Fäden ziehen 185

immer den gleichen Faden spinnen 185

keinen trockenen Faden am Leib haben 186

jemanden im Fadenkreuz haben 186

die Fahne hochhalten 186

die Fahne nach dem Wind drehen 186

sich etwas auf die Fahnen schreiben 186

die Fahnen strecken 187

mit wehenden Fahnen zu jemandem überlaufen 187

fahnenflüchtig werden 187

einen fahren lassen 187

in gefährliches Fahrwasser geraten 188

einen Fallstrick legen 188

Fanfare blasen 188

Farbe bekennen 188

das Fass zum Überlaufen bringen 188

dem Fass den Boden ausschlagen 189

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ein Fass aufmachen 189

ein Fass ohne Boden 189

die Faust im Sack ballen 189

wie die Faust aufs Auge passen 190

sich ins Fäustchen lachen 190

die Faxen dicke haben 190

fechten gehen 190

eine spitze Feder führen 191

ein Federfuchser 191

ohne viel Federlesens 191

Federn lassen 191

sich in die Federn legen 191

sich mit fremden Federn schmücken 192

jemandem den Fehdehandschuh hinwerfen 192

Fehlanzeige sein 192

das Feld behaupten 192

das Feld beherrschen 193

ein weites Feld 193

etwas ins Feld führen 193

jemandem das Feld streitig machen 193

jemandem das Feld überlassen 193

jemanden aus dem Feld schlagen 193

gegen jemanden zu Felde ziehen 194

das Fell versaufen 194

das Fell verteilen, bevor der Bär erlegt ist 194

ein dickes Fell haben 194

jemandem das Fell gerben 195

jemandem das Fell über die Ohren ziehen 195

jemandem das Fell versohlen 195

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21

seine Felle davonschwimmen sehen 195

wie ein Fels in der Brandung 196

sich zu weit aus dem Fenster lehnen 196

weg vom Fenster sein 196

Warum in die Ferne schweifen? 196

sich an jemandes Fersen heften 197

jemandem die Fersen zeigen 197

Fersengeld geben 197

fix und fertig sein 197

jemanden auf etwas festnageln 197

sein Fett abbekommen 198

ins Fettnäpfchen treten 198

sich fetzen 198

für jemanden die Kastanien aus dem Feuer holen 198

für jemanden durchs Feuer gehen 199

mehrere Eisen im Feuer haben 199

mit dem Feuer spielen 199

mit Feuer und Schwert 199

wie Feuer und Wasser sein 200

zwischen zwei Feuer geraten 200

eine Feuerprobe bestehen 200

die Feuertaufe bestehen 201

im falschen Film sein 201

jemand hatte einen Filmriss 201

einen Fimmel haben 201

die Finger drin haben 202

die Finger nach etwas lecken 202

durch die Finger sehen 202

jemanden um den kleinen Finger wickeln 202

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22

keinen Finger krumm machen 202

sich die Finger verbrennen 203

sich etwas an den Fingern abzählen können 203

sich etwas aus den Fingern saugen 203

mit Fingerspitzengefühl 204

ein kleiner Fisch 204

sich fühlen wie ein Fisch auf dem Trockenen 204

sich fühlen wie ein Fisch im Wasser 204

die Fische füttern 204

in trüben Gewässern fischen 204

Fisimatenten machen 205

jemanden unter seine Fittiche nehmen 206

die weiße Flagge hissen 206

Flagge zeigen 206

unter fremder Flagge segeln 206

etwas auf kleiner Flamme kochen 207

eine lahme Flasche 207

einen Flattermann haben 207

Flausen im Kopf haben 207

ein weißer Fleck auf der Landkarte 208

ein Mensch aus Fleisch und Blut 208

in Fleisch und Blut übergehen 208

ein Gemüt wie ein Fleischerhund haben 208

Flickschusterei sein 208

die Fliege machen 208

keiner Fliege etwas zuleide tun können 209

die Flinte ins Korn werfen 209

Flitterwochen machen 209

gespannt sein wie ein Flitzebogen 209

Page 23: Reden Sar Ten 101210

23

jemandem einen Floh ins Ohr setzen 210

die Flöhe husten hören 210

flöten gehen 210

jemandem (die) Flötentöne beibringen 210

die Flügel über jemandem ausbreiten 211

jemandem die Flügel stutzen 211

platt wie eine Flunder sein 211

allein auf weiter Flur stehen 211

aus der Form gehen 212

fix und foxi sein 212

jemanden aus dem Frack hauen 212

Fracksausen kriegen 212

mit jemandem Fraktur reden 212

sich Fransen an den Mund reden 213

frech wie Oskar 213

frank und frei 213

auf Freiersfüßen wandeln 213

ein gefundenes Fressen sein 214

jemanden zum Fressen gern haben 214

sich freuen wie ein Schneekönig 214

sich wie ein Schnitzel freuen 214

sich wie ein Stint freuen 214

Mein lieber Freund und Kupferstecher! 215

von Freund Hain abgeholt werden 215

die Friedenspfeife mit jemandem rauchen 215

frieren wie ein Schneider 216

Stein und Bein frieren 216

etwas frisieren 216

gegen etwas Front machen 216

Page 24: Reden Sar Ten 101210

24

an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen 216

die Fronten wechseln 217

klare Fronten schaffen 217

zwischen die Fronten geraten 217

einen Frosch im Hals haben 217

wie ein Frosch auf der Gießkanne dasitzen 218

ein freches Früchtchen 218

dem Fuchs den Hühnerstall anvertrauen 218

ein schlauer Fuchs sein 218

wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen 219

etwas fuchst einen 219

fuchsteufelswild werden 219

jemanden unter die Fuchtel nehmen 219

unter jemandes Fuchtel stehen 220

ein falscher Fuffziger 220

mit Fug und Recht sagen können 220

die Fühler ausstrecken 220

in Hülle und Fülle 221

es ist fünf vor zwölf 221

nicht bis fünf zählen können 221

fünfe gerade sein lassen 221

für einen Kuss und ein Fünferle tun 221

..., dass die Funken sprühen 222

Furore machen 222

aus einem Furz einen Donnerschlag machen 222

wie ein Furz im Wind 222

futsch sein 222

auf großem Fuß leben 223

jemanden auf dem falschen Fuß erwischen 223

Page 25: Reden Sar Ten 101210

25

jemanden auf freien Fuß setzen 223

Fußangeln auslegen 223

immer wieder auf die Füße fallen 224

jemandem die Füße küssen 224

kalte Füße bekommen 224

auf eigenen Füßen stehen 224

auf tönernen Füßen stehen 225

etwas stehenden Fußes tun 225

zum Fußvolk gehören 225

eine Gabe Gottes 226

vom Galgen aufs Rad kommen 226

eine Galgenfrist bekommen 226

eine Galgenfrist gewähren 226

Galgenhumor haben 226

ein Galgenvogel 227

Gift und Galle speien 227

jemandem kommt die Galle hoch 227

etwas im Galopp erledigen 227

Gamaschen vor etwas haben 227

jemanden am Gängelband führen 228

eine Gänsehaut bekommen 228

im Gänsemarsch laufen 228

Gänsewein trinken 228

einer Sache den Garaus machen 229

von der alten Garde sein 229

Gardemaße haben 229

jemandem eine Gardinenpredigt halten 229

jemandem ins Garn gehen 230

ein Gassenhauer 230

Page 26: Reden Sar Ten 101210

26

Gassi gehen 230

etwas nicht gebacken kriegen 230

jemand muss erst noch gebacken werden 231

es knistert im Gebälk 231

ein furchtbares Gedöns machen 231

jemandem reißt der Geduldsfaden 231

mit einem Fuß im Gefängnis stehen 231

zum letzten Gefecht antreten 232

im Eifer des Gefechts 232

jemanden gefressen haben 232

der Käse ist gegessen 232

geharnischt 232

jemandem ins Gehege kommen 233

Geheimratsecken haben 233

Weiß der Geier! 233

die erste Geige spielen 233

nach jemandes Geige tanzen (müssen) 233

den Geist aufgeben 234

ein homerisches Gelächter 234

gelackmeiert sein 234

geladen sein 234

am Geld kleben 234

das Geld durch die Gurgel jagen 235

das Geld unter die Leute bringen 235

das Geld zum Fenster hinausschmeißen 235

Geld wie Heu haben 235

die Gelegenheit beim Schopfe packen 236

etwas in vollen Zügen genießen 236

ein Genosse 236

Page 27: Reden Sar Ten 101210

27

etwas für sich gepachtet haben 236

sich wie gerädert fühlen 236

gerüstet sein 237

das falsche Gesangbuch haben 237

gezäumt und gesattelt dastehen 237

krumme Geschäfte machen 237

geschniegelt und gestriegelt 238

sich geschnitten haben 238

schweres Geschütz auffahren 238

das Gesicht verlieren 238

ein Gesicht ziehen wie sieben Tage Regenwetter 239

jemandem wie aus dem Gesicht geschnitten sein 239

sein wahres Gesicht zeigen 239

ein gutes Gespann 239

gestiefelt und gespornt dastehen 239

etwas ist gehupft wie gesprungen 240

ein Gesundheitsapostel 240

sich gesundstoßen 240

mit Spreewasser getauft sein 240

jemand gehört geteert und gefedert 240

Gewehr bei Fuß stehen 241

ins Gewicht fallen 241

gewitzt sein 241

jemandem gewogen sein 241

bei jemandem hat es gezündet 241

Darauf kannst du Gift nehmen! 242

jemanden mit Glacéhandschuhen anfassen 242

mit Glanz und Gloria 242

zu tief ins Glas schauen 242

Page 28: Reden Sar Ten 101210

28

sich aufs Glatteis begeben 243

etwas an die große Glocke hängen 243

ein Hans im Glück 243

sein Glück machen 243

seines Glückes Schmied sein 244

Gnade vor Recht ergehen lassen 244

den Gnadenstoß geben 244

Gold in der Kehle haben 244

jemanden nicht mit Gold aufwiegen können 245

jemandem goldene Berge versprechen 245

ein Goldesel 245

jedes Wort auf die Goldwaage legen 245

jemandem das Schwarze unter den Nägeln nicht gönnen 245

Gott sei’s getrommelt und gepfiffen! 246

leben wie Gott in Frankreich 246

sich sein eigenes Grab schaufeln 246

etwas zu Grabe tragen 246

jemand würde sich im Grabe umdrehen 247

mit einem Bein im Grabe stehen 247

das Gras wachsen hören 247

ins Gras beißen 247

alles grau in grau malen 248

nur graue Theorie 248

die Gretchenfrage stellen 248

einen glücklichen Griff tun 248

die Grillen vertreiben 248

bei jemandem ist der Groschen gefallen 249

der Groschen fällt pfennigweise 249

in die Grube fahren 249

Page 29: Reden Sar Ten 101210

29

das Gleiche in Grün 249

grün vor Neid werden 250

jemandem nicht grün sein 250

noch sehr grün sein 250

jemandem geht der Arsch auf Grundeis 250

der Grundstein für etwas sein 251

Ach du grüne Neune! 251

Komm an meine grüne Seite! 251

alles liegt im grünen Bereich 251

ein Grünschnabel 252

Grütze im Kopf haben 252

eine gscherte Person 252

ein Gummiparagraf 252

Saure-Gurken-Zeit 252

den Gürtel enger schnallen 253

wie aus einem Guss 253

etwas ist jenseits von Gut und Böse 253

an einem Haar hängen 254

das Haar in der Suppe finden 254

kein gutes Haar an jemandem lassen 254

niemandem ein Haar krümmen 254

Haare auf den Zähnen haben 254

Haare lassen müssen 255

jemandem stehen die Haare zu Berge 255

jemandem wächst der Kopf durch die Haare 255

sich die Haare raufen 255

sich in die Haare kriegen 256

sich keine grauen Haare wachsen lassen 256

etwas an den Haaren herbeiziehen 256

Page 30: Reden Sar Ten 101210

30

sich in den Haaren liegen 256

um Haaresbreite 257

haargenau dasselbe 257

haarige Angelegenheit 257

etwas haarklein erzählen 257

Haarspaltereien betreiben 257

bis in die Haarspitzen 258

von Hacke bis Nacke 258

die Hacken zusammenschlagen 258

in den Hafen der Ehe einlaufen 258

jemanden sticht der Hafer 258

ein rechter Hagestolz 259

der Hahn im Korb sein 259

es kräht kein Hahn mehr danach 259

jemandem den roten Hahn aufs Dach setzen 259

Nun mach mal halblang! 260

den Hals aus der Schlinge ziehen 260

einen dicken Hals kriegen 260

etwas hängt einem zum Hals heraus 260

etwas in den falschen Hals kriegen 261

Hals über Kopf 261

sich jemandem an den Hals schmeißen 261

sich um den Hals reden 261

jemandem die Hammelbeine lang ziehen 261

das Heft in der Hand haben 262

die Hand auf der Tasche halten 262

die Hand im Spiel haben 262

die Hand über jemanden halten 262

eine hohle Hand machen 262

Page 31: Reden Sar Ten 101210

31

etwas gegen jemanden in der Hand haben 263

etwas geht Hand in Hand 263

für jemanden die Hand ins Feuer legen 263

Hand aufs Herz! 263

Hand und Fuß haben 264

Hand von der Butter lassen 264

in die Hand beißen, die einen füttert 264

jemandem aus der Hand fressen 264

jemanden in der Hand haben 265

sich für jemanden die Hand abschlagen lassen 265

von langer Hand geplant 265

ordentlich in die Hände spucken 265

das Handtuch werfen 266

etwas im Handumdrehen machen 266

jemandem das Handwerk legen 266

etwas ist hanebüchen 266

es ist Hängen im Schacht 267

etwas mit Hängen und Würgen schaffen 267

ein Hans-guck-in-die-Luft 267

Hansdampf in allen Gassen 267

jemanden hänseln 268

ein Hanswurst 268

niemandem ein Härchen krümmen können 268

jemandem zeigen, was eine Harke ist 268

jemanden in Harnisch bringen 269

es kommt hart auf hart 269

hart im Nehmen sein 269

hartnäckig 269

da liegt der Hase im Pfeffer 270

Page 32: Reden Sar Ten 101210

32

ein alter Hase 270

wissen, wie der Hase läuft 270

ein Hasenfuß sein 270

das Hasenpanier ergreifen 270

nicht ganz hasenrein sein 270

unter die Haube kommen 271

ein Hauen und Stechen 271

feurige Kohlen auf jemandes Haupt sammeln 271

völlig aus dem Häuschen sein 272

auf der faulen Haut liegen 272

aus der Haut fahren 272

eine ehrliche Haut sein 272

in jemandes Haut schlüpfen 272

mit Haut und Haaren 273

seine Haut teuer verkaufen 273

sich seiner Haut zu wehren wissen 273

am längeren Hebel sitzen 273

der Hecht im Karpfenteich sein 273

ein toller Hecht 274

ziehen wie Hechtsuppe 274

So ein Heckmeck! 274

aufgehen wie ein Hefekuchen 274

jemandem das Heft aus der Hand nehmen 275

eine Heidenangst haben 275

ein Heidengeld kosten 275

etwas hoch und heilig versprechen 275

ein komischer Heiliger 275

ein Heimchen am Herd 276

etwas auf Heller und Pfennig zurückzahlen 276

Page 33: Reden Sar Ten 101210

33

keinen roten Heller wert sein 276

jemandem ist das Hemd näher als der Rock 277

wie bei Hempels unterm Sofa 277

bei jemandem hereinschneien 277

Wie der Herr, so`s Gscherr 277

zwei Herren dienen 277

Ach herrje! 278

auf jemandem herumhacken 278

um jemanden herumscharwenzeln 278

auf jemanden heruntersehen 279

aus seinem Herzen keine Mördergrube machen 279

ein Herz aus Gold haben 279

ein Herz und eine Seele (sein) 279

ein Herz wie Butter haben 280

jemandem sein Herz zu Füßen legen 280

jemandem wird es ganz warm ums Herz 280

mit Herz und Hand 280

sein Herz auf der Zunge tragen 281

heulen wie ein Schlosshund 281

kein heuriger Hase mehr sein 281

einfallen wie ein Heuschreckenschwarm 281

Ach du lieber Himmel! 282

das Blaue vom Himmel herunterlügen 282

im siebten Himmel schweben 282

zum Himmel schreien 282

ein Himmelfahrtskommando 283

Himmelkruzitürken noch mal! 283

vor sich hindümpeln 283

etwas in sich hineinfressen 283

Page 34: Reden Sar Ten 101210

34

sich auf die Hinterbeine stellen 284

etwas in der Hinterhand haben 284

ins Hintertreffen geraten 284

eine Hintertür offen lassen 284

Hinz und Kunz 285

eine Hiobsbotschaft erhalten 285

sich das Hirn zermartern 285

ein Hitzkopf sein 285

hoch im Kurs stehen 286

jemandem etwas hoch anrechnen 286

etwas hochgehen lassen 286

Hochwasser haben 286

jemanden vom Hocker reißen 286

jemandem den Hof machen 287

sich in die Höhle des Löwen wagen 287

nur etwas für den hohlen Zahn sein 287

Hokuspokus machen 287

da ist Holland in Not 288

jemandem die Hölle heiß machen 288

dreimal auf Holz klopfen 289

Holz auf sich hacken lassen 289

Holz in den Wald tragen 289

Holz sägen 289

nicht aus Holz sein 289

viel Holz vor der Hütte haben 290

Wenn das am grünen Holz geschieht ... 290

vom Hölzchen aufs Stöckchen geraten 290

etwas mit dem Holzhammer tun 290

auf dem Holzweg sein 290

Page 35: Reden Sar Ten 101210

35

jemandem Honig um den Bart schmieren 291

strahlen wie ein Honigkuchenpferd 291

da ist Hopfen und Malz verloren 291

ein Silberstreifen am Horizont 291

einen engen Horizont haben 292

seinen Horizont erweitern 292

etwas ist wie einem Ochsen ins Horn gepetzt 292

kräftig ins Horn stoßen 292

jemandem Hörner aufsetzen 292

jemanden auf seine Hörner nehmen 293

sich die Hörner abstoßen 293

die Hosen anhaben 293

die Hosen voll haben 294

jemandem flattern die Hosen 294

wie bei den Hottentotten 294

mal hü, mal hott sagen 294

die Hucke voll kriegen 295

jemandem die Hucke voll lügen 295

in die Hufe kommen 295

mit den Hufen scharren 295

das Huhn, das goldene Eier legt, schlachten 295

Da lachen ja die Hühner! 296

mit den Hühnern aufstehen 296

ein Hühnerhaufen 296

mit den Hühnern ins Bett gehen 296

oben hui, unten pfui 296

Hummeln im Hintern haben 297

auf den Hund kommen 297

da liegt der Knüppel beim Hund 297

Page 36: Reden Sar Ten 101210

36

Da wird der Hund in der Pfanne verrückt! 298

dort liegt der Hund begraben 298

ein scharfer Hund 298

wie Hund und Katze sein 298

es regnet junge Hunde 299

Hunde, die bellen, beißen nicht 299

schlafende Hunde wecken 299

vor die Hunde gehen 299

wenn die Hunde mit dem Schwanz bellen 300

ein Hundeleben 300

hundemüde sein 300

mit allen Hunden gehetzt sein 300

vom Hundertsten ins Tausendste kommen 300

Hunger ist der beste Koch 301

am Hungertuch nagen 301

hungrig wie ein Bär sein 301

ein Husarenritt 302

alles unter einen Hut bekommen 302

auf der Hut sein 302

Das kannst du dir an den Hut stecken! 302

ein alter Hut 303

etwas aus dem Hut zaubern 303

vor jemandem den Hut ziehen 303

über die Hutkrempe gehen 303

es geht einem etwas über die Hutschnur 303

Raum ist in der kleinsten Hütte 304

einen Igel in der Tasche haben 304

zu viel intus haben 304

jwd 304

Page 37: Reden Sar Ten 101210

37

Jacke wie Hose 304

seit Jahr und Tag 305

die fünfte Jahreszeit 305

zu einem weißen Jahrgang gehören 305

ein Jammerlappen 305

über den Jordan gehen 306

eine Josephsehe 306

nicht um ein Jota 306

alle Jubeljahre 306

ein schwerer Junge 307

ein eingefleischter Junggeselle 307

ein Jungspund sein 307

aus Jux und Dollerei 307

ein Kadavergehorsam 308

jemanden vor den Kadi zerren 308

kalter Kaffee sein 308

in einem goldenen Käfig sitzen 308

ein Kainsmal tragen 308

wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht 309

jemanden durch den Kakao ziehen 309

in Kalamitäten kommen 309

von besonderem Kaliber sein 309

jemanden kaltmachen 310

eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ... 310

olle Kamellen 310

alles über einen Kamm scheren 311

jemandem schwillt der Kamm 311

einen Krieg bis aufs Messer führen 311

mit offenem Visier kämpfen 311

Page 38: Reden Sar Ten 101210

38

jemanden an die Kandare nehmen 311

wie ein Kaninchen vor der Schlange stehen 312

eine große Kanone sein 312

unter aller Kanone 312

Kanonenfutter sein 312

etwas auf die hohe Kante legen 313

ein Kantersieg 313

ein unsicherer Kantonist 313

ein Kapitel für sich sein 314

etwas auf die eigene Kappe nehmen 314

mit Karacho 314

im Karree springen 314

jemandem an den Karren fahren 314

jemanden vor seinen Karren spannen 314

die letzte Karte ausspielen 315

die Karten auf den Tisch legen 315

die Karten neu mischen 315

mit offenen Karten spielen 315

sich nicht in die Karten schauen lassen 315

jemanden wie eine heiße Kartoffel fallen lassen 316

Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln! 316

mit jemandem Karussell fahren 316

ein Kassandraruf 316

ab nach Kassel 317

etwas auf dem Kasten haben 317

einen Kater haben 317

die schnelle Katharina haben 317

jemandem Kattun geben 317

etwas ist für die Katz 318

Page 39: Reden Sar Ten 101210

39

mit jemandem Katz und Maus spielen 318

vor jemandem katzbuckeln 318

der Katze die Schelle umhängen 318

die Katze im Sack kaufen 318

wie die Katze um den heißen Brei schleichen 319

nur Katzengold sein 319

ein Katzensprung 319

am Katzentisch sitzen 320

eine Katzenwäsche machen 320

ein komischer Kauz 320

ein Kaventsmann 320

die Kehle ölen 321

etwas im Keim ersticken 321

einen weichen Keks haben 321

der Kelch ist an jemandem vorbeigegangen 321

in die gleiche Kerbe schlagen 322

etwas auf dem Kerbholz haben 322

ein Kerl wie ein Baum 322

des Pudels Kern 322

jemand hat einen weichen Kern in einer rauen/harten Schale 323

wie eine Kerze sein, die an beiden Enden brennt 323

jemanden an die Kette legen 323

mit den Ketten rasseln 323

jemanden auf dem Kieker haben 324

etwas auf Kiel legen 324

in jemandes Kielwasser fahren 324

... wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist 324

das Kind mit dem Bade ausschütten 324

das Kind schon schaukeln 325

Page 40: Reden Sar Ten 101210

40

mit Kind und Kegel 325

sich bei jemandem lieb Kind machen 325

zu etwas kommen wie die Jungfrau zum Kind 325

seine gute Kinderstube vergessen 325

jemandem klappt die Kinnlade herunter 326

die Kirche im Dorf lassen 326

die Kirche ums Dorf tragen 326

jemanden kirre machen 326

mit jemandem ist nicht gut Kirschen essen 327

Klarschiff machen 327

Klartext mit jemandem reden 327

klebrige Finger haben 327

nicht kleckern, sondern klotzen 328

klein beigeben müssen 328

aus etwas Kleinholz machen 328

in der Klemme stecken/sitzen 328

wie eine Klette an jemandem hängen 328

jemanden über die Klinge springen lassen 329

mit jemandem die Klingen kreuzen 329

sich die Klinke in die Hand geben 329

klipp und klar 329

ein ungehobelter Klotz 329

sich einen Klotz ans Bein binden 330

etwas ist klar wie Kloßbrühe 330

einen Knall haben 330

Knall auf Fall 330

etwas über das Knie brechen 330

jemanden in die Knie zwingen 331

weiche Knie haben 331

Page 41: Reden Sar Ten 101210

41

ein Knöllchen bekommen 331

den Gordischen Knoten durchhauen 331

sich einen Knoten ins Taschentuch machen 332

jemandem Knüppel zwischen die Beine werfen 332

wie ein Knüppel am Bein 332

knüppeldick 332

etwas macht den Kohl auch nicht fett 332

Kohldampf schieben 333

(wie) auf glühenden Kohlen sitzen 333

jemandem die Kohlen aus dem Feuer holen 333

Das ist doch Kokolores! 334

einen Koller haben 334

das Ei des Kolumbus 334

den Kopf in den Sand stecken 335

den Kopf voll haben 335

der Erfolg ist jemandem zu Kopf gestiegen 335

die Hände über dem Kopf zusammenschlagen 335

einen eigenen Kopf haben 336

jemandem den Kopf waschen 336

jemandem steht nicht der Kopf nach etwas 336

Kopf und Kragen riskieren 336

mit dem Kopf durch die Wand gehen/wollen 337

nicht wissen, wo einem der Kopf steht 337

sein Geld auf den Kopf hauen 337

sich den Kopf zerbrechen 337

sich etwas aus dem Kopf schlagen 337

sich um Kopf und Kragen reden 338

ein helles Köpfchen 338

es rollen Köpfe 338

Page 42: Reden Sar Ten 101210

42

eine Kopfnuss 338

einen Korb bekommen 338

ein Korinthenkacker 339

jemanden aufs Korn nehmen 339

auf seine Kosten kommen 339

Man hat schon Pferde kotzen sehen! 340

es platzt einem der Kragen 340

jemanden Kopf und Kragen kosten 340

jemandes Kragenweite sein 340

nicht in den Kram passen 340

ins Kraut schießen 341

wie Kraut und Rüben 341

ein alter Krauter 341

ein kleiner Krauter 341

bei jemandem in der Kreide stehen 341

Kreide fressen 342

mit schwarzer Kreide in den Schornstein schreiben 342

Krethi und Plethi 342

(vor jemandem) zu Kreuze kriechen 342

die Kirche ums Kreuz tragen 343

ein breites Kreuz haben 343

jemanden aufs Kreuz legen 343

sein Kreuz auf sich nehmen 343

ins Kreuzfeuer geraten 344

jemand kann einen mal kreuzweise 344

das Kriegsbeil begraben 344

in voller Kriegsbemalung 344

mit einer Sache auf Kriegsfuß stehen 345

Krimskrams 345

Page 43: Reden Sar Ten 101210

43

an der Krippe sitzen 345

Krokodilstränen vergießen 345

reich wie Krösus sein 345

Wer eine Kröte fressen will, muss sie nicht lange besehen 346

krumme Sachen machen 346

die Krux sein 346

es gießt wie aus Kübeln 347

in Teufels Küche kommen 347

dort ist Schmalhans Küchenmeister 347

Das mag der Kuckuck wissen! 347

Hol`s der Kuckuck! 347

ein Kuckuckskind 348

die Kuh vom Eis holen 348

eine blöde Kuh 348

eine heilige Kuh schlachten 348

einen Kuhhandel machen 349

ein Kurpfuscher 349

einen Kurschatten haben 349

den Kürzeren ziehen 349

ein langer Laban sein 350

sardonisches Lachen 350

sich zu Tode lachen 350

der Lack ist ab 351

Fertig ist der Lack! 351

der Lackierte sein 351

etwas auf Lager haben 351

ein blutiger Laie 352

viel Lametta auf der Brust haben 352

lammfromm sein 352

Page 44: Reden Sar Ten 101210

44

das Land, wo die Zitronen blühn 352

es ist Land in Sicht 352

etwas an Land ziehen 353

eine Landpomeranze sein 353

jemanden zu Tode langweilen 353

für jemanden eine Lanze brechen 353

mit jemandem eine Lanze brechen 354

durch die Lappen gehen 354

jemandem etwas zur Last legen 354

ein Latrinengerücht 355

jemandem etwas vor den Latz knallen 355

Fertig ist die Laube! 355

auf der Lauer liegen 355

sich wie ein Lauffeuer verbreiten 356

jemandem den Laufpass geben 356

sich eine Laus in den Pelz setzen 356

Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen? 356

ein Lausbub 356

etwas läuten hören 357

sein Leben in die Schanze schlagen 357

es von den Lebendigen nehmen 357

jemandem den Lebensfaden abschneiden 357

eine spartanische Lebensweise 358

frei von der Leber weg sprechen 358

die beleidigte Leberwurst spielen 358

jemandem ans Leder wollen 358

vom Leder ziehen 359

es herrscht gähnende Leere 359

Lehrgeld zahlen müssen 359

Page 45: Reden Sar Ten 101210

45

jemandem zu Leibe rücken 360

Leichen im Keller haben 360

die alte Leier 360

aus dem Leim gehen 360

jemandem auf den Leim gehen 360

sich leimen lassen 361

jemanden an der kurzen Leine führen 361

Leine ziehen 361

alles über einen Leisten schlagen 361

sich einen schönen Lenz machen 361

jemandem die Leviten lesen 362

grünes Licht haben/kriegen 362

jemandem das Licht ausknipsen 362

jemandem geht ein Licht auf 362

jemandem Licht ans Fahrrad machen 363

jemanden hinters Licht führen 363

Licht am Horizont sehen 363

sein Licht unter den Scheffel stellen 363

Das ist verlorene Liebesmüh 363

jemanden linken 364

etwas mit links machen 364

jemanden links liegen lassen 364

eine dicke Lippe riskieren 364

ein Lippenbekenntnis 364

ein Loblied auf jemanden singen 365

aus dem letzten Loch pfeifen 365

ein Loch in die Kasse reißen 365

in ein schwarzes Loch fallen 365

jemandem zeigen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat 365

Page 46: Reden Sar Ten 101210

46

jemanden ein Loch in den Bauch fragen 366

jemanden ins Loch stecken 366

sich ein Loch in den Bauch ärgern 366

jemanden löchern 366

nicht lockerlassen 366

den Löffel abgeben 367

die Löffel aufsperren 367

jemanden über den Löffel balbieren 367

mit einem goldenen Löffel geboren worden sein 367

silberne Löffel stehlen 368

in Lohn und Brot stehen 368

ein Lokalmatador 368

sich auf seinen Lorbeeren ausruhen 368

im Lot sein 368

den Löwenanteil bekommen 369

Augen wie ein Luchs haben 369

ein Luder sein 369

dicke Luft herrschen 369

Die Luft ist rein! 370

Die Luft wird dünn 370

Es brennt die Luft 370

gesiebte Luft atmen 370

jemanden an die Luft setzen 370

Luftschlösser bauen 371

Lug und Trug 371

lügen, dass sich die Balken biegen 371

wie gedruckt lügen 371

ein langer Lulatsch sein 372

sich nicht lumpen lassen 372

Page 47: Reden Sar Ten 101210

47

sich die Lunge aus dem Hals husten 372

die Lunte ans Pulverfass legen 372

die Lunte riechen 372

ein leichtes Mädchen 373

wie die Made im Speck leben 373

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst! 373

jemanden in die Mangel nehmen 373

sich fühlen, wie durch die Mangel gedreht 373

Ein Mann, ein Wort! 374

mit Mann und Maus 374

vor etwas Manschetten haben 374

etwas mit dem Mantel der Nächstenliebe zudecken 374

etwas ein Mäntelchen umhängen 374

jemandem das Mark aus den Knochen saugen 375

jemandem den Marsch blasen 375

den Marschallstab im Tornister tragen 375

die Masche raushaben 375

reden wie ein Maschinengewehr 376

die Maske fallen lassen 376

jemandem die Maske vom Gesicht reißen 376

Massel haben 376

an der Matratze horchen 377

Matratzenhorchdienst haben 377

jemanden mattsetzen 377

jemanden auf die Matte legen 377

mit jemandem ist Matthäi am Letzten 377

Mätzchen machen 378

ein Mauerblümchen sein 378

ein ungewaschenes Maul haben 378

Page 48: Reden Sar Ten 101210

48

jemandem ums Maul gehen 378

sich das Maul verbrennen 379

sich das Maul zerreißen über jemanden 379

ein Maulheld 379

jemandem einen Maulkorb verpassen/anlegen 379

Da beißt die Maus keinen Faden ab! 380

eine graue Maus 380

die Mäuse husten hören 380

weiße Mäuse sehen 380

am liebsten in ein Mauseloch kriechen 380

sich mausern 380

sich mausig machen 381

das Maß voll machen 381

mit zweierlei Maß messen 381

einen Mecklenburger zu Hilfe rufen 381

die Kehrseite der Medaille 382

am Meer wohnen und Wasser suchen 382

auf dem Meer nach Wasser gucken 382

das Meer ausschöpfen wollen 382

ein Meer von ... 382

kein Mehl im Mund behalten 383

pfeifen wollen und dabei das Mehl im Mund behalten 383

eine Meise haben 383

in jemandem seinen Meister finden 383

die Melkkuh von jemandem sein 383

eine Memme sein 384

in rauen Mengen 384

ein quecksilbriger Mensch 384

Mensch Meier! 384

Page 49: Reden Sar Ten 101210

49

wie der erste Mensch 384

wie der letzte Mensch 385

meschugge sein 385

auf Messers Schneide stehen 385

ein Messer ohne Klinge, an dem der Stiel fehlt 385

es geht einem das Messer in der Tasche auf 385

ins offene Messer laufen 386

jemandem das Messer auf die Brust setzen 386

jemandem das Messer in der Wunde umdrehen 386

jemandem sitzt das Messer an der Kehle 386

jemanden ans Messer liefern 386

messerscharf schließen 387

einen Metzgersgang machen 387

gute Miene zum bösen Spiel machen 387

ohne eine Miene zu verziehen 387

schon die halbe Miete sein 388

das Land, wo Milch und Honig fließen 388

die Milch der frommen Denkart 388

ein Milchgesicht 388

eine Milchmädchenrechnung 389

eine grüne Minna 389

jemanden zur Minna machen 389

auf jemandes Mist gewachsen sein 389

Mist bauen 390

mitgegangen – mitgehangen 390

etwas mitgehen lassen 390

ab durch die Mitte 390

die goldene Mitte 391

einen Mohren weiß waschen wollen 391

Page 50: Reden Sar Ten 101210

50

ein Mollenfriedhof 391

bei jemandem geht der Mond auf 391

den Mond anbellen 392

hinter dem Mond leben 392

in den Mond gucken 392

jemanden auf den Mond schießen wollen 392

blauen Montag machen 392

Montezumas Rache 393

Moos haben 393

wie der Mops im Paletot 393

etwas mopsen 393

morgen läuft eine andere Sau durchs Dorf 394

Morgenluft wittern 394

in Morpheus` Armen ruhen 394

Motten im Kopf haben 394

aus einer Mücke einen Elefanten machen 395

mucksmäuschenstill sein 395

jemandem geht die Muffe 395

Muffensausen haben 395

Lieschen Müller 396

jemandem wird es mulmig 396

keinen Mumm in den Knochen haben 396

ein Mummelgreis 396

etwas ist Mumpitz 396

jemandem den Mund wässrig machen 397

kein Blatt vor den Mund nehmen 397

sich den Mund fusselig reden 397

von Mund zu Mund gehen 397

jemanden mundtot machen 397

Page 51: Reden Sar Ten 101210

51

etwas für bare Münze nehmen 398

etwas mit gleicher Münze heimzahlen 398

von der Muse geküsst 398

etwas mit der Muttermilch aufgesogen haben 399

jemandem springt der Draht aus der Mütze 399

sich für den Nabel der Welt halten 399

Nachtigall, ick hör dir trapsen! 399

jemandem den Fuß in den Nacken setzen 400

jemandem im Nacken haben 400

jemandem sträuben sich die Nackenhaare 400

die Nadel im Heuhaufen suchen 400

mit heißer Nadel gestrickt worden sein 401

wie auf Nadeln sitzen 401

den Nagel auf den Kopf treffen 401

ein Nagel zu jemandes Sarg sein 401

etwas an den Nagel hängen 401

Nägel mit Köpfen machen 402

sich etwas unter den Nagel reißen 402

etwas brennt jemandem unter den Nägeln 402

eine Nagelprobe machen 402

aus dem Nähkästchen plaudern 403

keinen sittlichen Nährwert haben 403

nichts auf der Naht haben 403

Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts! 403

sich einen Namen machen 404

einen Narren an jemandem gefressen haben 404

eine feine Nase für etwas haben 404

jemandem eine Nase drehen 405

jemandem etwas unter die Nase reiben 405

Page 52: Reden Sar Ten 101210

52

jemandem nach der Nase gehen 405

jemanden an der Nase herumführen 405

jemanden mit der Nase auf etwas stoßen 406

seine Nase in alle Töpfe stecken 406

sich an die eigene Nase fassen 406

sich eine goldene Nase verdienen 406

alle naselang 406

jemandem etwas an der Nasenspitze ansehen 407

naseweis sein 407

nassforsch auftreten 407

im Nebel stochern 407

der blanke Neid 408

vor Neid platzen 408

ein Neidhammel sein 408

alles auf einen gemeinsamen Nenner bringen 408

Nerven wie Drahtseile haben 409

sich in die Nesseln setzen 409

Nestbeschmutzer sein 409

das Nesthäkchen sein 409

ein Nestor sein 409

ein Neunmalklug 410

viel Lärm um nichts machen 410

ein Nickerchen machen 410

etwas geht jemandem an die Nieren 410

ein Nimmersatt sein 410

Otto Normalverbraucher 411

die Notbremse ziehen 411

eine eigene Note haben 411

etwas bitter nötig haben 411

Page 53: Reden Sar Ten 101210

53

ein Notnagel sein 412

jemanden auf die Nudel schieben 412

nullachtfünfzehn 412

eine harte Nuss 412

eine taube Nuss 412

Ober sticht Unter 413

die Oberhand gewinnen 413

im Oberstübchen nicht ganz richtig sein 413

Oberwasser haben 414

seinen Obolus entrichten 414

dastehen wie der Ochse vor dem Scheunentor 414

eine Odyssee hinter sich haben 414

Jetzt ist der Ofen aus! 415

mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen 415

ein offenes Ohr haben 415

ganz Ohr sein 415

jemandem das Ohr abkauen 415

jemanden übers Ohr hauen 415

die Ohren auf Durchzug stellen 416

es faustdick hinter den Ohren haben 416

feucht hinter den Ohren sein 416

Halt die Ohren steif! 416

mit den Ohren schlackern 416

sich etwas hinter die Ohren schreiben 417

tauben Ohren predigen 417

ein Ohrenschmaus 417

ein Ohrwurm 417

etwas geht runter wie Öl 418

Öl auf die Wogen gießen 418

Page 54: Reden Sar Ten 101210

54

Öl ins Feuer gießen 418

dastehen wie ein Ölgötze 418

wie die Ölsardinen 419

der große Onkel 419

jemanden in den Orkus schicken 419

wenn Ostern und Pfingsten auf einen Tag fallen 419

den flotten Otto haben 420

ein P davorsetzen 420

ein paar verpasst kriegen 420

zwei Paar Stiefel sein 420

jemanden auf die Palme bringen 420

die Büchse der Pandora öffnen 421

etwas auf sein Panier schreiben 421

panische Angst haben 421

unter jemandes Pantoffel stehen 421

ein Pantoffelheld 422

ein Papiertiger 422

nicht von Pappe 422

Ich kenn doch meine Pappenheimer 422

kein Pappenstiel 423

jemandem in die Parade fahren 423

ein Paragrafenreiter 423

einen Angriff parieren 423

sich auf glattes Parkett wagen 424

jemandem Paroli bieten 424

für jemanden Partei ergreifen 424

mit von der Partie sein 424

ein blinder Passagier 424

passen müssen 425

Page 55: Reden Sar Ten 101210

55

ein Patentrezept 425

in der Patsche sitzen 425

jemandem aus der Patsche helfen 425

mit Pauken und Trompeten 426

vom Saulus zum Paulus werden 426

wie Pech und Schwefel zusammenhalten 426

eine Pechsträhne haben 426

ein Pechvogel sein 426

den Pegasus besteigen 427

Zuckerbrot und Peitsche 427

jemandem auf der Pelle liegen 427

jemandem auf die Pelle rücken 428

Perlen vor die Säue werfen 428

jemandem einen Persilschein ausstellen 428

jemandem hat`s die Petersilie verhagelt 428

petzen 429

etwas auf der Pfanne haben 429

jemanden in die Pfanne hauen 429

jemandem Pfeffer in den Arsch blasen 430

jemanden dorthin schicken, wo der Pfeffer wächst 430

Pfeffer im Hintern haben 430

jemanden ins Pfefferland wünschen 431

jemandem eine pfeffern 431

auf etwas pfeifen 431

den Pfennig dreimal umdrehen 431

das Pferd beim Schwanz aufzäumen 432

jemandem etwas vom Pferd erzählen 432

vom Pferd auf den Esel kommen 432

Dahin bringen mich keine zehn Pferde! 432

Page 56: Reden Sar Ten 101210

56

die Pferde scheu machen 433

jemand, mit dem man Pferde stehlen kann 433

mit jemandem gehen die Pferde durch 433

einen Pferdefuß haben 434

etwas hat Pfiff 434

jemanden einen Pfifferling kümmern 434

keinen Pfifferling wert sein 434

geschmückt sein wie ein Pfingstochse 435

ein teures Pflaster 435

ein Pflaumenaugust sein 435

auf dem Pfropfen sitzen 435

ein Pfundskerl 435

eine Philippika halten 436

sich wie Phönix aus der Asche erheben 436

leere Phrasen dreschen 436

jemanden piesacken 436

etwas von der Pike auf gelernt haben 437

eine bittere Pille für jemanden sein 437

die Pimpernellen kriegen 437

ein feiner Pinkel 437

wie aus der Pistole geschossen antworten 437

jemanden auf den Plan rufen 438

eine platonische Liebe 438

ein Pleitegeier 438

plemplem sein 438

Noch ist Polen nicht verloren 439

von Pontius zu Pilatus laufen 439

Porzellan zerschlagen 439

wie ein Posaunenengel aussehen 439

Page 57: Reden Sar Ten 101210

57

Da geht die Post ab! 440

auf verlorenem Posten stehen 440

nicht ganz auf dem Posten sein 440

seinen Posten verlieren 440

Potemkinsche Dörfer 440

zu Potte kommen 441

jemanden an den Pranger stellen 441

wie auf dem Präsentierteller sitzen 441

der Prellbock für jemanden sein 441

So schnell schießen die Preußen nicht! 442

eingehen wie eine Primel 442

wie eine Prinzessin auf der Erbse 442

ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande 442

beim Barte des Propheten (schwören) 443

kurzen Prozess machen 443

der Prügelknabe sein 443

Pudding in den Beinen haben 444

dastehen wie ein begossener Pudel 444

pudelnass sein 444

sich pudelwohl fühlen 444

jemandem auf den Puls fühlen 445

auf einem Pulverfass sitzen 445

etwas auf Pump kaufen 445

sich etwas pumpen 445

am toten Punkt angelangt sein 445

der springende Punkt 446

etwas auf den Punkt bringen 446

pünktlich wie die Maurer 446

bis in die Puppen 447

Page 58: Reden Sar Ten 101210

58

die Puppen tanzen lassen 447

einen Pyrrhussieg erringen 447

ein Quacksalber 447

die Quadratur des Kreises versuchen 447

ein Quantensprung 448

jemanden einen Quark angehen 448

sich über jeden Quark aufregen 448

Quecksilber im Leib haben 448

jemandem in die Quere kommen 449

die Quintessenz von etwas sein 449

Rabeneltern 449

das fünfte Rad am Wagen sein 449

ein Rad greift ins andere 450

die Radieschen von unten anschauen 450

den Rahm abschöpfen 450

rammdösig sein 450

außer Rand und Band sein 451

Ränke schmieden 451

bei jemandem rappelt`s im Karton 451

auf Schusters Rappen 451

eine eiserne Ration 452

einen Rattenschwanz nach sich ziehen 452

unter die Räuber fallen 452

in Räuberzivil erscheinen 452

viel Rauch und wenig Braten 452

einer Sache Raum geben 453

mit spitzer Feder rechnen 453

jemandem einen Strich durch die Rechnung machen 453

nicht wissen, wo rechts und links ist 453

Page 59: Reden Sar Ten 101210

59

große Reden schwingen 454

nach allen Regeln der Kunst 454

ein warmer Regen 454

ein strenges Regiment führen 454

jemandem nicht das Wasser reichen können 454

ein innerer Reichsparteitag 455

in Reih und Glied 455

aus der Reihe tanzen 455

etwas auf die Reihe kriegen 456

reihern 456

sich keinen Reim auf etwas machen können 456

reinbuttern 456

Reinschiff machen 456

ein apokalyptischer Reiter 457

Reißaus nehmen 457

ein totes Rennen 457

jemanden aus der Reserve locken 457

eine Retourkutsche 458

ein Revolverblatt 458

etwas Revue passieren lassen 458

mit etwas richtig liegen 458

einer Sache einen Riegel vorschieben 458

sich am Riemen reißen 458

nach Adam Riese 459

ein Riesenross 459

ein Rindvieh 459

sich etwas nicht aus den Rippen schneiden können 459

ein Ritter ohne Furcht und Tadel 459

ein Ritter von der traurigen Gestalt 460

Page 60: Reden Sar Ten 101210

60

einen Rochus auf jemanden haben 460

hinter jedem Rock her sein 460

an Mutters Rockzipfel hängen 460

in die Röhre schauen 461

ein Rohrkrepierer sein 461

aus der Rolle fallen 461

völlig von der Rolle sein 461

auf Rosen gebettet sein 461

ein Rosenkrieg 462

sich die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken 462

auf dem hohen Ross sitzen 462

mit Ross und Wagen untergehen 462

Ross und Reiter nennen 463

vom hohen Ross steigen 463

eine Rossnatur haben 463

rotsehen 463

ein Rotzlappen 464

etwas ruck, zuck erledigen 464

jemandem in den Rücken fallen 464

mit dem Rücken zur Wand stehen 464

den Rückzug antreten müssen 464

zum Rückzug blasen 465

aus dem Ruder laufen 465

das Ruder herumreißen 465

stoische Ruhe 465

jemandem einen guten Rutsch wünschen 466

mit dem Säbel rasseln 466

eine runde Sache 466

die Katze aus dem Sack lassen 466

Page 61: Reden Sar Ten 101210

61

in Sack und Asche gehen 467

wie ein nasser Sack 467

wie einen Sack Flöhe hüten 467

auf dem Meer säen 467

jemanden im eigenen Saft schmoren lassen 468

ein Saftladen 468

andere Saiten aufziehen 468

Da haben wir den Salat! 468

ein Salonlöwe sein 469

das Salz der Erde sein 469

das Salz in der Suppe sein 469

jemandem Salz in die Wunde streuen 469

zur Salzsäule erstarren 469

ein Sammelsurium 470

samt und sonders 470

etwas ist auf Sand gebaut 470

Sand im Getriebe sein 471

wie Sand am Meer 471

etwas verläuft im Sande 471

ohne Sang und Klang 471

das Sankt-Florians-Prinzip 472

bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag 472

Immer ran an den Sarg und mitgeweint 472

fest im Sattel sitzen 472

jemandem in den Sattel helfen 473

jemanden aus dem Sattel heben 473

sattelfest sein 473

in allen Sätteln gerecht sein 473

die Sau durchs Dorf treiben 474

Page 62: Reden Sar Ten 101210

62

jemanden zur Sau machen 474

wie eine gesengte Sau 474

jemandem etwas sauer machen 474

saufen wie ein Bürstenbinder 475

sich vom Saulus zum Paulus wandeln 475

in Saus und Braus leben 475

einen Schabernack mit jemandem treiben 475

jemanden in Schach halten 476

schachmatt sein 476

ein geschickter Schachzug 476

das schwarze Schaf der Familie 476

seine Schäfchen ins Trockene bringen 477

ein Schäferstündchen verbringen 477

sich in Schale werfen 477

den Schalk im Nacken sitzen haben 477

Schall und Rauch sein 478

Schamade blasen 478

ein Schandmaul haben 478

auf jemanden scharf sein 478

die Scharte auswetzen 478

über seinen eigenen Schatten springen 479

ein Schattenparker 479

ein Schaumschläger 479

sich von jemandem eine Scheibe abschneiden 479

Scheibenhonig! 479

am Scheideweg stehen 480

jemanden über den Schellenkönig loben 480

ein Schelm, wer Böses denkt 480

nach Schema F 480

Page 63: Reden Sar Ten 101210

63

scherbeln gehen 481

ein Scherbengericht abhalten 481

sich nicht um etwas scheren 481

sein Scherflein zu etwas beitragen 481

essen wie ein Scheunendrescher 482

offen wie ein Scheunentor 482

es ist Schicht im Schacht 482

dem Schicksal in die Speichen greifen 482

schiefgewickelt sein 482

schiefliegen 483

jemandem den Schierlingsbecher reichen 483

aus der Hüfte schießen 483

etwas geht aus wie das Hornberger Schießen 483

querschießen 484

zum Schießen sein 484

aufpassen wie ein Schießhund 484

das Schießpulver nicht erfunden haben 484

Schiffbruch erleiden 485

mit allen Schikanen 485

jemanden auf den Schild heben 485

etwas im Schilde führen 486

keinen Schimmer einer Ahnung haben 486

mit Schimpf und Schande davonjagen 486

schimpfen wie ein Rohrspatz 486

eine Schimpfkanonade loslassen 487

ein alter Schinken 487

mit einem Schisslaweng 487

den Schlaf der Gerechten schlafen 487

schlafen wie ein Murmeltier 487

Page 64: Reden Sar Ten 101210

64

jemanden am Schlafittchen packen 488

ein Schlag ins Gesicht sein 488

sich wacker schlagen 488

Schlagseite haben 488

Schlamassel 489

eine falsche Schlange 489

eine Schlappe einstecken 489

das reinste Schlaraffenland 489

auf dem Schlauch stehen 489

jemanden schleifen 490

jemanden ins Schlepptau nehmen 490

ins Schleudern kommen 490

alle Schliche kennen 490

jemandem auf die Schliche kommen 490

einer Sache den letzten Schliff geben 491

jemandem auf den Schlips treten 491

sich auf den Schlips getreten fühlen 491

mit jemandem Schlitten fahren 491

ein Schlitzohr sein 492

ein armer Schlucker 492

das Schlusslicht sein 492

einen Schlussstrich unter etwas ziehen 493

vor die rechte Schmiede kommen 493

Schmiere stehen 493

sich nicht die Finger schmutzig machen 493

sich den Schneid abkaufen lassen 494

aus dem Schneider sein 494

Herein, wenn`s kein Schneider ist! 494

schnell bei der Hand sein 494

Page 65: Reden Sar Ten 101210

65

jemandem ein Schnippchen schlagen 494

einen Schnitzer machen 495

etwas ist jemandem schnuppe 495

etwas klappt wie am Schnürchen 495

sich von seiner Schokoladenseite zeigen 495

Mein lieber Scholli! 496

sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen 496

etwas beim Schopfe packen 496

die Schotten dicht machen 496

jemandem fällt etwas wie eine reife Frucht in den Schoß 497

sicher wie in Abrahams Schoß 497

jemanden in seine Schranken weisen 497

bei jemandem ist eine Schraube locker 498

eine Schraube ohne Ende 498

etwas ist der letzte Schrei 498

sage und schreibe 498

schreien wie am Spieß 498

den zweiten Schritt vor dem ersten tun 499

von altem Schrot und Korn 499

Wo drückt der Schuh? 499

jemandem die Schuld in die Schuhe schieben 499

zäh wie eine Schuhsohle 500

etwas auf die leichte Schulter nehmen 500

jemandem die kalte Schulter zeigen 500

jemanden schurigeln 500

ein Schürzenjäger 501

ein Schuss geht nach hinten los 501

einen Schuss haben 501

einen Schuss in den Himmel tun 501

Page 66: Reden Sar Ten 101210

66

gut in Schuss sein 501

jemandem einen Schuss vor den Bug verpassen 502

keinen Schuss Pulver wert sein 502

zum Schuss kommen 502

in die Schusslinie geraten 502

die Schussstiefel anhaben 503

Schütze Arsch im letzten Glied 503

einen Schutzengel gehabt haben 503

jemandem Schützenhilfe leisten 503

das Schwabenalter erreichen 504

schwach auf der Brust sein 504

sich keine Schwachheiten einbilden 504

aussehen wie eine Schwalbe, wenn`s blitzt 504

Schwamm drüber! 504

Mein lieber Schwan! 505

ein Schwanengesang 505

mit etwas schwanger gehen 505

jemandem schwant etwas 505

den Schwanz einziehen 505

sich in den Schwanz beißen 506

aus Schwarz Weiß machen 506

den schwarzen Peter haben 506

etwas schwarz auf weiß haben 507

ins Schwarze treffen 507

jemandem den schwarzen Peter zuschieben 507

Schwarzmalerei betreiben 507

Alter Schwede! 507

hinter schwedischen Gardinen 508

schweigen wie ein Grab 508

Page 67: Reden Sar Ten 101210

67

Ich glaub, mein Schwein pfeift! 508

Schwein haben 509

im Schweinsgalopp 509

im Schweiße seines/ihres Angesichts 509

ein Schwerenöter 509

ein zweischneidiges Schwert 510

mit zwei Schwertern fechten 510

schwofen gehen 511

Stein und Bein schwören 511

in See stechen 511

die Seele baumeln lassen 511

eine Seele von Mensch sein 512

ein Seelenverkäufer 512

(vor jemandem) die Segel streichen 512

jemandem den Wind aus den Segeln nehmen 512

in den Seilen hängen 512

ein älteres Semester sein 513

weggehen wie warme Semmeln 513

seinen Senf dazugeben 513

Senge kriegen 513

etwas geht einem auf den Senkel 513

seinen Sermon herunterbeten 514

auf Nummer sicher gehen 514

jemandem brennt die Sicherung durch 514

ein Hirn wie ein Sieb haben 514

mit Siebenmeilenstiefeln gehen 515

seine Siebensachen packen 515

einen siebten Sinn haben 515

nicht alle (fünf) Sinne beisammen haben 515

Page 68: Reden Sar Ten 101210

68

eine Sisyphusarbeit 515

viel Sitzfleisch haben 516

zwischen Skylla und Charybdis sein 516

von den Socken sein 516

wie in Sodom und Gomorrha 516

jemandem scheint die Sonne aus dem Arsch 517

ein Sonntagskind 517

etwas kommt einem spanisch vor 517

auf Sparflamme schalten 517

Spargel quer essen können 518

mit Kanonen auf Spatzen schießen 518

Spatzen unter dem Hut haben 518

ein Spatzenhirn haben 518

jemandem den Speck durch den Mund ziehen 518

ein Speichellecker 519

die Spendierhosen anhaben 519

ins Sperrfeuer der Kritik geraten 519

nach Speyer appellieren 519

ein abgekartetes Spiel 520

etwas aus dem Spiel lassen 520

viel aufs Spiel setzen 520

den Spieß umdrehen 520

Spießruten laufen müssen 520

sich spinnefeind sein 521

Seemannsgarn spinnen 521

Spitz auf Knopf stehen 521

die Spitze des Eisbergs 522

der Spitzenreiter sein 522

splitternackt 522

Page 69: Reden Sar Ten 101210

69

jemandem die Sporen geben 522

sich die Sporen verdienen 522

ein babylonisches Sprachengewirr 523

die Spreu vom Weizen trennen 523

etwas springen lassen 523

einen Sprung in der Schüssel haben 524

jemandem auf die Sprünge helfen 524

jemandem bleibt die Spucke weg 524

sich sputen 524

über jemanden den Stab brechen 525

ein Stachel im Fleisch von jemandem sein 525

wider den Stachel löcken 525

die Stadt unsicher machen 526

jemandem etwas ins Stammbuch schreiben 526

jemandem eine Standpauke halten 526

bei der Stange bleiben 526

jemandem die Stange halten 527

etwas vom Stapel (laufen) lassen 527

jemandem den Star stechen 527

in den Startlöchern sitzen 527

..., bis sich der Staub gelegt hat 528

in den Staub beißen 528

sich aus dem Staub machen 528

vor jemandem im Staub kriechen 528

aus dem Stegreif 529

ein Stehaufmännchen sein 529

auf jemanden stehen 529

stehlen wie ein Rabe 529

jemandem den Steigbügel halten 530

Page 70: Reden Sar Ten 101210

70

bei jemandem einen Stein im Brett haben 530

den Stein der Weisen suchen 530

den Stein ins Rollen bringen 531

der Stein des Anstoßes 531

Dir wird schon kein Stein aus der Krone fallen! 531

jemandem einen Stein in den Garten werfen 531

jemandem fällt ein Stein vom Herzen 532

auf der Stelle treten 532

die Stellung halten 532

Stellung nehmen 532

in den Sternen stehen 533

nach den Sternen greifen 533

sternhagelvoll sein 533

etwas stibitzen 533

jemanden im Stich lassen 533

hieb- und stichfest sein 534

den Stiefel durchziehen 534

Stielaugen bekommen 534

den Stier bei den Hörnern packen 535

stiften gehen 535

stinken wie ein Wiedehopf 535

jemandem die Stirn bieten 535

jemandem steht etwas auf der Stirn geschrieben 535

mit eiserner Stirn 536

einen Stock verschluckt haben 536

stocksteif sein 536

vom Storch gebissen worden sein 536

wie ein Storch im Salat 537

eine drakonische Strafe 537

Page 71: Reden Sar Ten 101210

71

blau wie eine Strandhaubitze 537

über die Stränge schlagen 537

einen Strauß mit jemandem ausfechten 538

ein Straßenfeger 538

jemanden zur Strecke bringen 538

jemandem einen Streich spielen 538

sieben auf einen Streich 539

Streit um des Kaisers Bart 539

etwas geht jemandem gegen den Strich 539

nach Strich und Faden 539

unterm Strich 540

jemandem einen Strick aus einer Sache drehen 540

wenn alle Stricke reißen 540

jemanden an der Strippe haben 540

leeres Stroh dreschen 540

Stroh im Kopf haben 541

ein Strohfeuer 541

der rettende Strohhalm 541

sich an jeden Strohhalm klammern 541

Ach du heiliger Strohsack! 541

eine Strohwitwe 542

gegen den Strom schwimmen 542

Das ist ein starkes Stück! 542

große Stücke auf jemanden halten 542

an jemandes Stuhl sägen 542

jemandem den Stuhl vor die Tür stellen 543

zwischen zwei Stühlen sitzen 543

wissen, was die Stunde geschlagen hat 543

Stunk machen 543

Page 72: Reden Sar Ten 101210

72

stur wie ein Esel sein 544

ein Sturm im Wasserglas 544

etwas im Sturm erobern 544

gegen etwas Sturm laufen 544

Sturm läuten 545

jemanden zum Sündenbock machen 545

sein eigenes Süppchen kochen 545

jemandem die Suppe versalzen 545

Süßholz raspeln 546

etwas aufs Tablett bringen 546

jemandem etwas auf dem silbernen Tablett servieren 546

die Tafel aufheben 546

das Tafelsilber verscherbeln 546

ein rabenschwarzer Tag 547

etwas an den Tag legen 547

vor Tau und Tag 547

etwas zu Tage fördern 547

nach jemandes Pfeife tanzen 548

wie von der Tarantel gestochen 548

jemanden in die Tasche stecken 548

eine trübe Tasse 548

jemanden auf frischer Tat ertappen 549

die weiße Taube 549

zugehen wie in einem Taubenschlag 549

ein Techtelmechtel haben 549

einen im Tee haben 550

auf dem Teppich bleiben 550

den roten Teppich ausrollen 550

auf Teufel komm raus 550

Page 73: Reden Sar Ten 101210

73

den Teufel mit dem Beelzebub austreiben 551

In der Not frisst der Teufel Fliegen 551

jemanden reitet der Teufel 551

jemanden vom Thron stoßen 551

ein hohes Tier 552

in der Tinte sitzen 552

sich aus der Tinte ziehen 552

jemanden über den Tisch ziehen 552

reinen Tisch machen 552

einen Toast ausbringen 553

ein Tohuwabohu 553

toi, toi, toi 553

zugehen wie im Tollhaus 554

ein Tollpatsch sein 554

Tomaten auf den Augen haben 554

große Töne spucken 554

jemanden in den höchsten Tönen loben 554

wie Topf und Deckel zusammenpassen 555

etwas torpedieren 555

Torschlusspanik haben 555

jemanden auf Trab halten 555

mit einer Träne im Knopfloch 556

ein Treppenwitz 556

Trick siebzehn 556

Trübsal blasen 556

auf die Tube drücken 557

auf Tuchfühlung gehen 557

mit der Tücke des Objekts kämpfen 557

in Tüdel kommen 557

Page 74: Reden Sar Ten 101210

74

aus der Not eine Tugend machen 558

einer Sache Tür und Tor öffnen 558

zwischen Tür und Angel 558

von Tuten und Blasen keine Ahnung haben 558

ein notwendiges Übel 559

vom anderen Ufer sein 559

den heiligen Ulrich anrufen 559

die Hände in Unschuld waschen 559

etwas unterminieren 560

ein Uriasbrief 560

fröhliche Urständ feiern 560

ein salomonisches Urteil 560

jemanden veräppeln 561

etwas verballhornen 561

sich verfranzen 561

sich verhaspeln 562

jemanden am ausgestreckten Arm verhungern lassen 562

etwas verhunzen 562

etwas nicht verknusen können 562

etwas vermasseln 562

vernagelt sein 563

verraten und verkauft sein 563

in jemanden verschossen sein 563

das Blaue vom Himmel versprechen 563

etwas verzapfen 563

sich verzetteln 564

einen Vogel haben 564

jemandem einen Vogel zeigen 564

etwas auf Vordermann bringen 564

Page 75: Reden Sar Ten 101210

75

von vorne bis hinten nicht reichen 565

Vorschusslorbeeren ernten 565

ein Tanz auf dem Vulkan 565

in die Waagschale fallen 565

die Waffen strecken 565

die Wahl haben zwischen Pest und Cholera 566

gegen jemanden ein Waisenkind sein 566

den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen 566

auf die Walz gehen 566

gegen eine Wand anrennen 566

sich gegen etwas wappnen 567

Warten auf Godot 567

schmutzige Wäsche waschen 567

auch nur mit Wasser kochen 567

das Wasser bis zum Hals stehen haben 568

jemandem das Wasser abgraben 568

jemandem das Wasser reichen können 568

jemandem eine Handbreit Wasser unter dem Kiel wünschen 568

jemanden ins kalte Wasser werfen 569

Rotz und Wasser heulen 569

sich über Wasser halten 569

Wasser auf die Mühlen von jemandem gießen 569

Wasser in den Wein gießen 569

Wasser ins Meer tragen 570

Wasser mit einem Sieb schöpfen 570

Wasser predigen und Wein trinken 570

aussehen, als ob man kein Wässerchen trüben könnte 570

ein wasserdichtes Alibi 570

mit allen Wassern gewaschen sein 571

Page 76: Reden Sar Ten 101210

76

jemandem auf den Wecker gehen 571

jemandem Rosen auf den Weg streuen 571

jemandem Steine in den Weg legen 571

jemanden weich klopfen 572

ein Gefühl wie Weihnachten und Ostern zusammen 572

jemanden ausnehmen wie eine Weihnachtsgans 572

alter Wein in neuen Schläuchen 572

jemandem reinen Wein einschenken 573

die Weisheit nicht mit Löffeln gegessen haben 573

jemanden zur Weißglut bringen 573

hohe Wellen schlagen 573

auf gleicher Wellenlänge sein 573

dort ist die Welt mit Brettern vernagelt 574

ein Wendehals sein 574

die Werbetrommel für etwas rühren 574

in ein Wespennest stechen 574

eine weiße Weste haben 575

jemandem etwas unter die Weste jubeln 575

etwas aus der Westentasche bezahlen können 575

etwas kennen wie seine Westentasche 576

jemanden am Wickel haben 576

es ist ihm nicht an der Wiege gesungen worden 576

vom ständigen Wiegen wird die Sau auch nicht fetter 576

jemandem eine wienern 576

seinen Wilhelm unter etwas setzen 577

ohne mit der Wimper zu zucken 577

drei Meilen gegen den Wind stinken 577

etwas in den Wind schlagen 577

etwas in den Wind schreiben 578

Page 77: Reden Sar Ten 101210

77

hart am Wind segeln 578

sein Mäntelchen nach dem Wind hängen 578

sich nach dem Wind drehen 578

von etwas Wind bekommen 579

Wind machen 579

Wind säen und Sturm ernten 579

gegen Windmühlen kämpfen 579

ein Winkeladvokat 579

einen großen Wirbel veranstalten 580

eine grüne Witwe 580

ein Wolf im Schafspelz 580

auf Wolke sieben schweben 580

sich in die Wolle kriegen 581

jemandem das Wort im Munde herumdrehen 581

mit seinem Pfund wuchern 581

den Finger in die offene Wunde legen 581

ein blaues Wunder erleben 581

es geschehen noch Zeichen und Wunder 582

über die Wupper gehen 582

die Würfel sind gefallen 582

da ist der Wurm drin 583

jemandem die Würmer aus der Nase ziehen 583

mit der Wurst nach der Speckseite werfen 583

Wurst wider Wurst 584

etwas mit der Wurzel ausrotten 584

ein Rufer in der Wüste 584

jemanden in die Wüste schicken 584

jemandem ein X für ein U vormachen 585

eine Xanthippe 585

Page 78: Reden Sar Ten 101210

78

etwas auf Zack bringen 585

Zahlemann und Söhne spielen 586

Diesen Zahn werde ich ihm ziehen! 586

einen Zahn zulegen 586

jemandem/etwas auf den Zahn fühlen 586

die Zähne zusammenbeißen 587

unter Zähneklappern 587

auf dem Zahnfleisch gehen 587

der Zankapfel sein 587

zum Zapfenstreich blasen 588

jemanden im Zaum halten 588

einen Streit vom Zaun brechen 588

ein Wink mit dem Zaunpfahl 588

der Zahn der Zeit 589

eine tickende Zeitbombe 589

alle heiligen Zeiten 589

ein enges Zeitkorsett 589

das Zeitliche segnen 590

eine Zeitungsente 590

das Zepter schwingen 591

mit eisernem Zepter regieren 591

Zeter und Mordio schreien 591

jemandem am Zeug flicken 591

sich ins Zeug legen 591

kein Zielwasser getrunken haben 592

jemandem eine Zigarre verpassen 592

jemanden auspressen wie eine Zitrone 592

mit Zitronen handeln 592

mit Zittern und Zagen 593

Page 79: Reden Sar Ten 101210

79

ein alter Zopf sein 593

alte Zöpfe abschneiden 593

zu etwas zubuttern 593

nicht aus Zucker sein 594

seinem Affen Zucker geben 594

kein Zuckerschlecken sein 594

auf den fahrenden Zug aufspringen 594

einen guten Zug haben 594

die Zügel fest in der Hand halten 594

die Zügel schießen lassen 595

die Zügel schleifen lassen 595

jemandem Zunder geben 595

wie Zunder brennen 595

das Zünglein an der Waage sein 596

jemandem etwas zuschanzen 596

jemandem etwas zuschustern 596

auf keinen grünen Zweig kommen 596

in einer Zwickmühle stecken 597

Page 80: Reden Sar Ten 101210

80

das A und O

auch: das A und das O (sein)

das Zentrale, Wichtige an einer Sache;

aus der Bibel: In Kapitel 1, Vers 8 der Offenbarung des Johannes spricht

Gott: „Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende.“ A und O stehen

für den ersten – Alpha – und den letzten Buchstaben – Omega – des

griechischen Alphabets. Die Redewendung versinnbildlicht also den

umfassenden, lückenlosen Aspekt einer Sache.

Wer A sagt, muss auch B sagen

Angefangenes muss zu Ende geführt werden; wer etwas beginnt,

muss die Konsequenzen tragen;

die Redewendung nimmt Bezug auf Schulkinder, die das Alphabet

aufsagen müssen, bzw. auf das Alphabet als untrennbare Einheit.

glatt wie ein Aal sein

auch: aalglatt sein

nicht zu fassen sein, sich auf nichts festlegen lassen; durchtrieben,

schlüpfrig sein;

aus dem Tierreich: Der Speisefisch ist aufgrund seiner länglichen

Körperform und der nassen Schuppen mit der Hand praktisch nicht zu

ergreifen.

sich winden wie ein Aalauch: sich winden wie eine Schlange

aus einer unangenehmen, peinlichen Lage zu entkommen versuchen;

der Aal besitzt mit seinen bis zu 260 Wirbelsäulensegmenten einen

außergewöhnlich biegsamen Körper, der dem der Schlange gleicht

und der es ihm ermöglicht, selbst durch enge Felsspalten unter Wasser

zu gelangen.

Page 81: Reden Sar Ten 101210

81

ein altes Aas sein

auch: ein dummes Aas sein

ein unsympathischer Mensch sein;

aus dem 16. Jahrhundert: Schon bei Hans Sachs findet sich die

Bezeichnung „altes Aas“, die sich auf den unangenehmen Geruch

bezieht, den ein verfaulender Kadaver verströmt.

mit etwas aasenauch: mit etwas rumaasen

etwas vergeuden, verschwenden;

die Redensart wurde in dem Irrglauben geprägt, Aas fressende Vögel

würden Teile ihrer „Beute“ fortschleudern, nachdem sie sie aus dem

Kadaver herausgerissen haben. Tatsächlich versuchen die Vögel

mittels Herumschleudern des Fleisches nur, die Fetzen weiter zu

zerkleinern.

wie die Aasgeier über jemanden herfallen

sich rücksichtslos auf jemanden stürzen, gierig sein;

aus dem Tierreich: Die „Aas-“ bzw. Schmutzgeier, eine heute

gefährdete Art, stürzen sich in Schwärmen auf verendete Tiere, um

möglichst rasch davon zu fressen, bevor ein anderer Vogel oder ein

sich von Aas ernährendes Säugetier das Fleisch auffressen kann.

Abbitte leisten

auch: Abbitte tun

um Verzeihung bitten;

aus dem Rechtswesen: Die „Abbitte“ war eine Demut beweisende Bitte

(auf den Knien u. Ä.) um Vergebung, die z. B. bei Verletzung der Ehre

einer Person diese zufriedenstellen sollte.

Page 82: Reden Sar Ten 101210

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etwas abblasenetwas absagen, aufkündigen;

aus der Jägersprache: Mit einem speziel len Jagdhornsignal wurde das

Ende einer Treibjagd geblasen.

jemanden abblitzen lassen

jemandem einen Korb geben, diesen barsch abweisen;

aus der Waffenkunde: Bei alten Gewehren kam es immer wieder vor,

dass die Lunte zwar abbrannte, das Pulver aber nicht zündete – das

so genannte „Abblitzen“. Wenn man eine Person abblitzen lässt, so

zündet deren Kontaktversuch also nicht. Nach einer anderen, wenn

auch unwahrscheinlichen Erklärung kommt die Wendung vom

Blitzableiter, der verhindert, dass der Blitz sein ursprüngliches Ziel

erreicht.

Es ist noch nicht aller Tage Abenddie endgültige Entscheidung ist noch nicht getroffen, es kann sich

noch einiges – zum Guten wie zum Schlechten – ändern;

geht möglicherweise auf ein Zitat des römischen Schriftstellers Livius

zurück: „Nondum omnium dierum solem occidisse“ (Noch ist die

Sonne aller Tage nicht untergegangen, Livius XXXIX, 26, 9).

In Schillers Wallenstein heißt es: „Und wer weiß, was er noch erreicht

und ermisst, denn noch nicht aller Tage Abend ist.“

jemandem eine Abfuhr erteilen

jemanden scharf zurückweisen, tadeln;

aus der Studentensprache: Eine „Abfuhr“ ist eine vorzeitige

Beendigung des Mensur kampfes schlagender Verbindungen. Der

Ausdruck verweist auf die Tatsache, dass ein schwer verletzter

Teilnehmer durch seinen Sekundanten abgeführt wird – er erhält also

durch den Sieger eine Abfuhr.

Page 83: Reden Sar Ten 101210

83

abgebrannt sein

pleite sein, kein Geld mehr haben;

bezeichnete im 16. Jahrhundert noch ganz wörtlich jemanden, der

durch einen Brand Haus und Hof verloren hatte und damit mittellos

war. Ab dem 17. Jahrhundert wird die Wendung auch redensartlich

gebraucht.

abgebrüht sein

hartgesotten, unerschrocken, kalt sein;

aus dem Mittelalter: Das mittelhochdeutsche Wort „briuten“ hatte

nichts mit dem heutigen „Brühen“ gemein, sondern bezeichnete die

Defloration einer Frau. Jemand, der „abgebrüht“ ist, ist also aufgrund

einer (eventuell schmerzhaften) Erfahrung unempfindlich und lässt

sich so leicht von nichts mehr beeindrucken.

abgefeimt sein

gewissenlos sein;

aus dem Althochdeutschen: „Feim“ bedeutete Schaum; wenn etwas

abgefeimt war, dann war es von Schmutz und Schaum befreit. Im

Neuhochdeutschen vollzog sich ein Bedeutungswandel hin zu

„Abschaum“.

es auf jemanden abgesehen haben

seine Aufmerksamkeit auf jemanden richten, und zwar in zweierlei

Bedeutung: 1.) jemanden ständig schikanieren, ihn treffen, angreifen

oder verletzen wollen, 2.) mit jemandem gern eine engere Beziehung

haben wollen;

„Absehen“ bzw. „Absicht“ meinte ursprünglich das Visier bzw.

die Kimme am Gewehr. Hatte man es auf jemanden oder ein Tier

abgesehen, zielte man mit dem Gewehr darauf. In der Wendung „sein

Absehen auf etwas richten“ hat sich dies noch deutlicher erhalten.

Page 84: Reden Sar Ten 101210

84

Aus dem „Absehen“ im Sinne von Visier wurde ganz allgemein

„Aufmerksamkeit“.

jemanden abhalfternjemanden entlassen;

aus der Landwirtschaft: Wurde das Pferd abgehalftert – der Begriff ist

heute kaum noch in Verwendung –, so hatte es seine Arbeit für diesen

Tag getan; ein altes Pferd wurde für immer abgehalftert, wenn es zum

Metzger ging.

jemanden abkanzelnjemanden in seine Schranken weisen;

bei der sonntäglichen Predigt wurden früher oft auch Verfehlungen

der Gemeinde oder sogar einzelner Personen scharf kritisiert. Und

da diese Kritik von der Kanzel der Kirche aus ertönte, wurden die

Missetäter im Volksmund bald „abgekanzelt“.

jemandem etwas nicht abkaufenjemandem etwas nicht glauben;

aus dem Handel: Der Kunde nimmt dem Kaufmann im Normalfall nur

fehlerfreie, tadellose Ware ab. Wenn etwas nicht einwandfrei ist, dann

wird es ihm nicht abgekauft. Redensartlich ist die Wendung seit den

1930er-Jahren belegt.

ein billiger Abklatscheine billige Nachahmung;

der „Abklatsch“ ist ein kostengünstiges Reproduktionsverfahren aus

dem Druckwesen.

jemandem etwas abknöpfenjemandem etwas (v. a. Geld) mit List oder Tricks abnehmen;

früher wurden Reiche nicht nur ihres Geldes beraubt, sondern auch

Page 85: Reden Sar Ten 101210

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der wertvollen, oft aus Gold oder Silber gefertigten Schmuckknöpfe

ihrer Jacken.

etwas abkupfernetwas fälschen, eine Idee stehlen, plagiieren;

ursprünglich bedeutete „abkupfern“ lediglich reproduzieren. In

der Anfangszeit des Kupferdrucks wurden die weniger haltbaren

Holzdruckstöcke auf Kupferplatten übertragen – es wurden sozusagen

Raubkopien erstellt. Eine andere Erklärung weist darauf hin, dass die

Kupferstecher ihre legal erworbenen Kopierfähigkeiten später, mit

Aufkommen des Papiergeldes, zur Geldfälschung einsetzten.

jemanden eiskalt abservierenjemanden entlassen/vollkommen ignorieren;

aus der Gastronomie: Der Kellner serviert ab, wenn das Gereichte

gegessen wurde – oder kalt geworden ist. Muss er Kaltes vom Tisch

räumen, so zeigt das, dass die Gäste mit der Qualität der Küche nicht

zufrieden waren.

jemandem die Absolution erteilen

jemandem verzeihen;

aus dem Lateinischen: Vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, als

Latein noch die Kirchensprache war, beendete der Pfarrer die Beichte

mit den Worten „ego te absolvo a peccatis tuis“ (ich spreche dich los

von deinen Sünden). Aus dieser Formel entwickelte sich der Begriff

Absolution für „Sündenvergebung“.

jemanden aufs Abstellgleis schieben

jemanden behindern, seinen Einfluss hemmen;

ein „totes“ oder „Abstellgleis“ ist ein Gleis, das nirgendwohin führt oder

stillgelegt wurde und nun lediglich dem „Parken“ von Zügen dient.

Page 86: Reden Sar Ten 101210

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auf etwas abzielenetwas bezwecken, beabsichtigen;

aus dem Militär: bedeutete ursprünglich, etwas ins Visier zu nehmen,

um es zu treffen.

mit Ach und Krach

gerade noch;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: bezog sich ursprünglich auf etwas,

das „mit Ächzen und Krächzen“, also unter Anstrengung durchgeführt

wurde; die Bedeutung wandelte sich erst im Laufe der Zeit zu „mit

knapper Not“.

die Achillesferse sein

eine empfindliche Stelle sein;

aus der griechischen Mythologie: Der Held Achill wurde als

Kleinkind von seiner Mutter in den Fluss Styx getaucht, wodurch er

unverwundbar wurde. Lediglich die eine Ferse, an der er festgehalten

wurde, blieb verletzlich. So konnte Apollo (oder Paris) ihn durch einen

wohlplatzierten Pfeil in die Ferse töten. Eine Achillesferse ist also die

Schwachstelle einer scheinbar unverletzbaren Person oder Sache.

jemanden über die Achsel ansehen

jemanden abschätzig ansehen;

seit dem 15. Jahrhundert belegt: Wen man verachtet oder für wertlos

hält, bei dem macht man sich nicht einmal die Mühe, sich ihm ganz

zuzuwenden – er wird nur über die Schulter oder, bei noch größerer

Verachtung, über die Achsel angesehen.

jemanden in Acht und Bann tun

jemanden strengstens verurteilen, verdammen, etwas nicht zulassen,

verbieten;

Page 87: Reden Sar Ten 101210

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aus dem Mittelalter: Bei besonders schweren Vergehen wurde die

Bestrafung eines Delinquenten durch die weltliche Reichsacht und

den Kirchenbann gleichzeitig abgesichert.

sich vom Acker machen

verschwinden, weglaufen;

der „Acker“ steht in dieser umgangssprachlichen Redewendung

beispielhaft für jeden beliebigen Ort, von dem jemand verschwindet

oder verschwinden soll.

bei Adam und Eva anfangen

ganz am Anfang beginnen;

aus der Bibel (Genesis) abgeleitet: Wer bei Adam und Eva, also den

ersten Menschen und am Anfang der menschlichen Entwicklung

zu erzählen beginnt, breitet anschließend die gesamte Geschichte

in meist ermüdender Ausführlichkeit aus. So wird diese Redensart

beinahe ausschließlich als Kritik verwendet.

im Adamskostümnackt;

abgeleitet aus der Bibel: In der Schöpfungs geschichte sind Adam

und Eva, bevor sie den Apfel vom Baum der Erkenntnis essen, nackt,

ohne sich dessen zu schämen. „Adamskostüm“ ist eine scherzhafte

Bezugnahme, da Nacktheit der Ausnahme zustand ist, in dem der

Mensch keine Kleidung, also auch kein Kostüm trägt.

eine künstlerische Ader haben

auch: eine musikalische Ader haben

ein entsprechendes Talent;

bezieht sich auf die Vorstellung, dass künstlerische Begabung

vererbbar sei.

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jemanden zur Ader lassen

jemanden schröpfen, jemandem Geld abnehmen;

aus der Medizin: Der Aderlass ist eine bereits im Mittelalter praktizierte

Therapie methode, bei der Blutgefäße angeritzt oder Blutegel

aufgesetzt werden. Im übertragenen Sinne saugt man einer Person

nicht das Blut aus dem Körper, sondern das Geld aus der Tasche.

bei jemandem an der falschen Adresse sein

bei jemandem unerwünscht sein;

wer jemanden aufsucht, will im Normalfall etwas mit demjenigen

besprechen. Gerät man allerdings an eine falsche Adresse, trifft man

auf eine Person, die für das Anliegen nicht empfänglich ist, und ist

daher im Normalfall auch nicht erwünscht.

wie ein Affe auf dem Schleifstein

unbequem, fehl am Platze; lächerlich aussehend;

aus dem Mittelalter: Die reisenden Scherenschleifer besaßen zu

ihrer Gesellschaft und zur Unterhaltung ihrer Kunden manchmal

ein zahmes Äffchen, das auf dem sich drehenden Schleifstein

herumhüpfte. Die Erweiterung „er sitzt da wie ein Affe auf dem

Schleifstein“ ist allerdings schlicht falsch – denn zum Sitzen kam das

Äffchen nie.

ein Affentheater um etwas machen

auch: einen Affenzirkus veranstalten

große, überflüssige Aufregung um etwas;

aus dem Tierreich: Affen imitieren jeweils das Verhalten ihres

Nachbarn; wenn ein Affe grundlos schreit, schreit sofort die ganze

Gruppe mit.

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einen Affenzahn draufhaben

mit überhöhter Geschwindigkeit fahren;

Kombination aus der Redewendung „ einen Zahn zulegen“ und

dem Ausdruck „Affentempo“, welcher auf ein sehr hohe, fast

unkontrollierbare Geschwindigkeit anspielt.

etwas zu den Akten legen

auch: etwas ad acta legen

eine Sache abschließen, nicht weiter berücksichtigen;

„ad acta“ (zu den Akten) wird auf Schriftstücken vermerkt, die bereits

ausreichend bearbeitet wurden oder nicht beachtet werden müssen;

sie wandern ins Archiv.

Alarm schlagen

auch: eine Warnung ausgeben, die Öffentlichkeit informieren

vom italienischen Begriff „all’ arme“ bzw. dem französischen „aux

armes“ (zu den Waffen) entlehnt. Alarm wurde im Mittelalter mit einer

Glocke „geschlagen“.

blinder Alarmunnötige Aufregung oder Warnung;

aus dem italienischen Begriff „all’ arme“, französisch „aux armes“. „Blind“

wird schon im 14. Jahrhundert auch in der Bedeutung „funktionslos“

verwendet.

alt wie Methusalem sein

unbeschreiblich alt sein;

aus der Bibel: Ein wahrlich „biblisches Alter“ besaß Methusalem, einer

der Urväter im Alten Testament (Genesis 5,21–27): Er wurde 969 Jahre

alt. Heute geht man davon aus, dass dieser Altersangabe ein anderer

Kalender oder eine andere Zählweise als die heutige zugrunde liegt.

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sich aufs Altenteil zurückziehen

in Altersrente gehen;

aus dem Mittelalter: Waren die Eltern zu alt, um weiter in

der Landwirtschaft mitzuarbeiten, zogen sie sich in ein

„Austragshäuschen“, auch „Altenteil“ genannt, zurück und wurden dort

von den Kindern, denen sie das große Bauernhaus übergeben hatten,

weiterhin versorgt.

Ja und Amen sagen

auch: zu allem Ja und Amen sagen

einverstanden sein, (resigniert) zustimmen;

abgeleitet aus der Bibel: „Amen“ (hebräisch, arabisch) bedeutet etwa:

„So sei es.“ Im Deuteronomium, dem 5. Buch Mose, heißt es: „Und

die Leviten sollen anheben und zu allen Männern Israels mit lauter

Stimme sagen: Verflucht sei, wer einen Götzen oder ein gegossenes

Bild macht. [...] Und alles Volk soll antworten und sagen: Amen. –

Verflucht sei, wer seinen Vater oder seine Mutter verunehrt! Und alles

Volk soll sagen: Amen. [...]“ (Deuteronomium 27,15–26).

so sicher wie das Amen in der Kirche

ganz gewiss;

abgeleitet aus der Liturgie: „Amen“ drückt die Zustimmung der

christlichen Gemeinde zu Rede, Gebet und Segen aus und wird auch

als Schlussformel von Gebeten gebraucht. Auf den Ruf des Priesters

oder am Ende eines Gebets folgt also sicher ein Amen.

ein Ammenmärcheneine unglaubwürdige Geschichte, Lüge;

die Geschichten und Märchen, die eine Amme (Kinderfrau) den

Kindern erzählte, waren so offensichtlich unwahr, dass wirklich nur

Kinder sie glauben konnten.

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den Amtsschimmel reiten

übertrieben bürokratisch vorgehen, stets nur nach den Vorschriften

handeln;

aus dem 19. Jahrhundert: Der „Amtsschimmel“ war ursprünglich ein

„Simile“, eine Verfahrensregel, um der überbordenden Bürokratie der

österreichisch-ungarischen Monarchie Herr zu werden. Nach diesem

Grundsatz sollten ähnliche Sachverhalte ähnlich – ohne erneutes

Abwägen – behandelt werden. Nachdem das Simile im Volksmund

zum Schimmel geworden war, konnte man ihn schließlich, wie jedes

andere Pferd auch, sogar reiten.

mit jemandem anbändelneine Beziehung beginnen;

umgangssprachliche Form von „Bande knüpfen“, wobei die Bande

bzw. Bänder die freundschaftliche oder liebevolle Verbindung

zwischen zwei Menschen symbolisieren.

jemanden anblökenjemanden beschimpfen, tadeln;

aus dem Tierreich: bezieht sich auf die Lautäußerung von Schafen, die

z. B. beim Scheren durchaus vorwurfsvoll klingen kann.

jemanden anfauchenjemanden beschimpfen;

aus dem Tierreich: Das Fauchen ist die typische Lautäußerung von

Katzen, wenn sie Angst haben oder verärgert sind – beispielsweise,

wenn sie einen Hund sehen.

angefegt kommen

auch: dahergefegt kommen

wütend oder in rasantem Tempo erscheinen;

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bezieht sich auf den im Mittelalter weit verbreiteten Glauben, Hexen

würden auf dem Besen dahergeritten kommen.

angefressen sein

verärgert, wütend, beleidigt sein;

aus dem 20. Jahrhundert: verbreitet im süddeutschen Raum und in

Österreich; im Schweizer Sprachraum hat die Wendung hingegen die

Bedeutung „von etwas völlig begeistert sein“.

etwas sitzt wie angegossenetwas passt sehr gut;

diese Redensart vergleicht ein gut passen des Kleidungsstück mit

einem Metall, das in bzw. an eine Form gegossen wird und diese

perfekt umschließt.

die Welt aus den Angeln heben

die Welt grundlegend verändern, umgestalten, etwas noch nie

Dagewesenes vollbringen wollen;

aus dem Griechischen: Archimedes (285–212 v. Chr.), der griechische

Mathematiker, Physiker und Entdecker der Hebelgesetze, soll gesagt

haben: „Gib mir einen Punkt, wo ich hintreten kann, und ich bewege

die Erde!“

wie angewurzelt stehen bleiben

abrupt stehen bleiben;

die Redewendung vergleicht eine „zur Salzsäule erstarrte“ Person

mit einem Baum, der durch seine Wurzeln unbeweglich in der Erde

festgehalten wird.

jemandem sitzt die Angst im Nacken

jemand wird von Angst beherrscht;

aus dem Volksglauben: Der Nacken wurde ob seiner Nähe zum Kopf

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als Aufenthaltsort von Dämonen und bösen Geistern gedeutet, die

den Menschen beeinflussen wollten. Wenn jemand von seiner Angst

beherrscht wird und kaum noch eine rationale Entscheidung treffen

kann, dann sitzt ihm die Angst wie ein Dämon im Nacken.

ein Angsthase sein

feige, ängstlich, mutlos sein;

die abwertende Bezeichnung „Angsthase“ für einen wenig mutigen

Menschen resultiert aus der Annahme, Hasen würden häufig

vollkommen grundlos flüchten. Tatsächlich ist der Hase aufgrund

seiner geringen Körpergröße ein leichtes Opfer für Raubtiere – er muss

also stets ausgesprochen aufmerksam sein und auf alle möglichen

Bedrohungen mit Flucht reagieren.

jemandem nichts anhaben können

jemandem nicht schaden können, ihn nicht verantwortlich machen

können;

aus dem Mittelalter: „Einem etwas anhaben“ bedeutete ursprünglich

„Hand an jemanden legen“, wenn man also jemandem nichts anhaben

konnte, so gab er sich keine Blöße und war nicht angreifbar. Die

Wendung wurde schon im Frühneuhochdeutschen redensartlich

verwendet.

jemandem etwas anhängenungerechtfertigterweise jemanden einer Sache beschuldigen;

aus dem Mittelalter: Teil der Strafe eines Delinquenten war es, einen

anschaulichen Gegenstand um den Hals zu tragen, der sein Vergehen

symbolisierte. So konnte jeder sofort erkennen, wer für welche

Straftat verurteilt worden war. Heute wird mit der Redensart eher eine

ungerechtfertigte Anschuldigung verbunden.

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jemanden um etwas anhauenjemanden um etwas bitten, etwas von jemandem haben wollen;

umgangssprachlich: „Anhauen“ stammt vermutlich von dem vor

allem unter Männern üblichen kameradschaftlichen Schlag auf die

Schulter oder den Oberarm. Solche Gesten, die dem anderen die enge

freundschaftliche Beziehung verdeutlichen sollen, werden oft zugleich

mit der Bitte um etwas gezeigt.

auf Anhiebohne Verzögerung, ohne Schwierigkeit;

der Anhieb ist der erste Schlag mit der Axt gegen einen zu fällenden

Baum. Wer den Baum „auf Anhieb“ fällt, ist entweder sehr stark und

erfahren – oder der Baum ist noch sehr jung.

jemandem etwas ankreidenjemanden einer Sache beschuldigen;

aus dem 15. Jahrhundert: Der Wirt schrieb früher oft mit Kreide die

Zeche seiner Kunden auf eine Schiefertafel, damit sie nicht vergessen

wurde. Wenn er also jemandem etwas ankreidete, schrieb er eine

Zechschuld auf.

etwas anleiernetwas initiieren, etwas in Gang setzen;

„Leier“ ist ein Synonym für eine Kurbel, mit der ein Mechanismus in

Gang gebracht wird. Insbesondere die ersten Personen kraftwagen

mussten mittels einer Kurbel angelassen werden.

im Anmarsch sein

unterwegs sein, anrücken;

aus der Soldatensprache: Das französische Wort „marche“ steht für

eine militärische Wanderung und setzt sich hier mit einem deutschen

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Präfix zusammen. Ursprünglich bezeichnete der Ausdruck das

Herannahen eines Soldatentrupps.

jemanden anschmachtenjemanden anhimmeln, Sehnsucht nach jemandem haben;

„schmachten“ bedeutete ursprünglich sehr großen Hunger oder Durst

haben und soll eine lautmalerische Wiedergabe des Lautes sein, den

ein Verdurstender oder Verhungernder von sich gibt.

jemanden anschwärzenjemanden verleumden, schlechtmachen;

wer jemandem „den schwarzen Peter zuschiebt“, der rückt ihn in

schlechtes Licht. Schwarz galt schon immer als Farbe des Unglücks,

aber auch des Teufels.

eine Antenne für etwas haben

ein gutes Gespür für eine Sache/Entwicklung haben;

aus der Funktechnik abgeleitet: Diese bildhafte Redensart setzt

dem Angesprochenen eine Empfangsantenne auf, mit der er die

Schwingungen aufnehmen kann, die eine künftige Entwicklung

„voraussendet“.

etwas anzettelnetwas initiieren, etwas in Gang setzen, in die Wege leiten;

aus der Webersprache: Der Beginn bzw. das Anheften eines Gewebes

wird als „Anzetteln“ bezeichnet. Die Wendung hat also nichts mit dem

Notizzettel zu tun (dieser kommt vom lateinischen Wort „cedula“).

sich den Schuh nicht anziehenmit einer Sache nichts zu tun haben wollen, sich für etwas nicht

verantwortlich fühlen;

ähnlich der Redewendung „in jemandes Schuhen stecken“ steht hier

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der Schuh, in dem man geht und steht, für eine Aufgabe oder eben

auch für die Verantwortung, die jemand anderes übernehmen soll.

in den sauren Apfel beißen

etwas Unliebsames tun müssen;

erklärt sich im Grunde von selbst: Saure Äpfel genießt niemand,

deshalb werden sie metaphorisch einem notwendigen Übel

gleichgesetzt. Auch betrübt aussehenden Personen wird nachgesagt,

sie sähen aus, als hätten sie in einen sauren Apfel gebissen. Es wird

vermutet, dass sich der Ausdruck schon lange vor Luther eingebürgert

hat, in schriftlicher Form taucht er allerdings erstmalig in einem Brief

Luthers auf.

die Früchte seiner Arbeit ernten

auch: die Früchte ihrer Arbeit ernten

den verdienten Lohn erhalten;

aus der Landwirtschaft: Erst im Herbst kann der Bauer die Früchte

ernten, vorher muss er lange arbeiten, ohne einen unmittelbaren Lohn

zu erhalten.

arbeiten wie ein Pferd

auch: schuften/ackern wie ein Pferd

sehr hart arbeiten;

aus der Landwirtschaft: Die Redewendung stammt aus der Zeit, als

Kaltblutpferde als Zug- und Tragtiere in der Landwirtschaft noch

unverzichtbare Dienste leisteten. Das Pferd steht seither für große

körperliche Kraft auf der einen, aber auch eine große Bereitschaft zur

Arbeit auf der anderen Seite.

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mit Argusaugen über etwas wachen

etwas sehr genau bewachen;

aus der griechischen Mythologie: Der Riese Argus besaß angeblich

Hunderte von Augen am ganzen Körper, sodass er alles sehen

konnte. Zeus beauftragte das Ungeheuer, über seine Geliebte Io „mit

Argusaugen“ zu wachen, nachdem diese in eine Kuh verwandelt

worden war. Hermes schläferte den Riesen mit seinem Flötenspiel ein,

sodass dieser die Augen schloss und Hermes ihn mit einem Felsen

erschlagen konnte.

einen langen Arm haben

großen Einfluss haben;

die Reichweite des Menschen wird durch die Länge seiner Arme

begrenzt; wer also lange Arme hat, dessen Einflussbereich reicht

weiter als der anderer.

jemanden auf den Arm nehmen

jemanden veralbern, foppen, verkohlen;

belegt seit etwa 1850: Die Redensart bezieht sich darauf, dass man

kleine Kinder auf den Arm nimmt. Wenn man jemanden redensartlich

auf den Arm nimmt, behandelt man ihn wie ein kleines, naives Kind.

die Beine unter den Arm nehmen

sich beeilen, schnell laufen, fliehen;

wer schnell und überstürzt davonläuft, der reißt die Beine manchmal

so weit in die Höhe, dass es aussieht, als nähme er sie unter die Arme.

die Ärmel hochkrempeln

auch: die Ärmel aufkrempeln

mit anpacken, eine Arbeit in Angriff nehmen;

stammt aus der Zeit, als noch Handmanschetten getragen wurden,

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die bei den meisten Arbeiten hinderlich waren. Aber auch heute

noch krempelt man die Ärmel eines guten Hemdes hoch, um es vor

Schmutz zu schützen.

etwas aus dem Ärmel zaubern

etwas aus dem Nichts erscheinen lassen; etwas mühelos entstehen

lassen oder hervorbringen;

aus dem Mittelalter: Früher besaß die Oberbekleidung oft sehr weit

geschnittene Ärmel, in denen man auch kleinere Bedarfs gegenstände

mit sich tragen konnte. Die so aufbewahrten Gegenstände wurden

durch ein kurzes Schütteln ans Tageslicht „gezaubert“.

ein ArmleuchterDummkopf, Trottel, Idiot;

der Ursprung dieser Wendung ist unklar, aber vermutlich handelt es

sich um eine Verschleierung des ähnlich beginnenden, aber obszönen

„Arschlochs“.

etwas ist ein Armutszeugnis für jemanden

jemand stellt seine geistige Unfähigkeit unter Beweis;

früher erhielten Arme eine amtliche Bescheinigung über ihre

materielle Bedürftigkeit, mit der sie dann bei bestimmten Stellen

Vergünstigungen erhielten.

am Arsch der Welt

sehr abgelegen;

aus der Soldatensprache im Zweiten Weltkrieg: leitet sich von der

etwas feineren Wendung „am Ende der Welt“ her.

ein Arsch mit Ohren

ein dummer oder widerlicher Mensch;

aus dem Mittelalter: In vielen Volkserzählungen wird das Gesäß mit

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dem Gesicht gleichgesetzt und der Mensch damit der Lächerlichkeit

preisgegeben.

etwas geht jemandem am Arsch vorbei

etwas interessiert jemanden gar nicht;

das so bezeichnete Ereignis interessiert jemanden so wenig, dass er

sich nicht einmal an seinem „wertlosesten“ Körperteil davon berührt

fühlt.

jemand hat den Arsch offen

jemand ist verrückt, sehr dumm;

diese sehr derbe Redewendung bezieht sich darauf, dass die

Worte oder Taten eines Menschen kaum einem denkenden Gehirn

entspringen können, sondern an „intellektuelle Ausscheidungen“

erinnern.

jemand kann einen am Arsch lecken

mit jemandem nichts zu tun haben wollen;

aus dem Volksglauben: Der heute als derbe Beleidigung

gebräuchliche Ausdruck war ursprünglich ein Mittel zur „Gefahren-

abwehr“; dem nackten Arsch schrieb man die Fähigkeit zu, bösen

Zauber abzuwehren. Damit man sein Hinterteil nicht jedes Mal, wenn

man sich einer vermeintlichen Hexe gegenübersah, entblößen musste,

reichte es schon aus, den Spruch dreimal aufzusagen.

„Sag deinem Hauptmann: Vor Ihro Kaiserliche Majestät hab ich, wie

immer, schuldigen Respekt. Er aber, sag’s ihm, er kann mich im Arsch

lecken!“ So Goethes Götz von Berlichingen zu einem Boten (im 3. Akt).

etwas auf der linken Arschbacke absitzen

etwas mühelos durchstehen, etwas ohne viel Aufwand zu Ende

bringen;

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umgangssprachliche Redensart, die auf eine so kurze Zeitspanne

anspielt, dass selbst das Sitzen auf einer Kante, auf der nicht das

gesamte Gesäß Platz findet, nicht unbequem wird.

die Arschkarte bekommen

auch: die Arschkarte haben

in eine unangenehme Position versetzt werden, eine unangenehme

Aufgabe erhalten;

aus dem Fußball: Vor Einführung des Farbfernsehens war es bei

Fußballübertragungen nicht einfach, eine rote von einer gelben Karte

zu unterscheiden. Damit die Fußballfans vor dem Fernseher dennoch

wussten, wie der Schiedsrichter entschieden hat, wurde beschlossen:

Die gelbe Karte steckt in der Brusttasche, die rote Karte in der hinteren

Hosentasche. Wurde nun ein Spieler wegen Fouls vom Platz gestellt,

bekam er vorher die Karte aus der „Arschtasche“ des Schiedsrichters

gezeigt.

aus der Art schlagen

anders sein;

seit dem 15. Jahrhundert belegt: Bereits im Frühneuhochdeutschen

gab es diese Redewendung, parallel dazu „aus dem Geschlecht

schlagen“. Dies zeigt, dass mit „Art“ hier sicher nicht eine Kategorie

der biologischen Systematik gemeint war, sondern lediglich die

Familie und der Ahnenstamm. „Schlagen“ ist ein altes Wort für ähneln,

gleichen, nachkommen. Auch die Bezeichnung „Menschenschlag“ hat

sich aus derselben etymologischen Wurzel entwickelt.

Asche zu Asche, Staub zu Staub

auch: Erde zu Erde, Asche zu Asche, Staub zu Staub

aus der Liturgie: Die Formel ist Teil der Beerdigungszeremonie. Mit

den Worten „Asche zu Asche, Staub zu Staub“ wirft der Pfarrer ein

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Schäufelchen Erde ins frische Grab. Damit drückt er aus, dass die

leibliche Hülle des Verstorbenen aus dem Staube geformt sei und nun

dahin zurückkehren werde.

sich Asche aufs Haupt streuen

etwas bereuen;

aus der Bibel: Asche auf das Haupt zu streuen ist im Altertum

ein Zeichen der Trauer. Belege dafür finden sich bereits im Alten

Testament; im Aschenkreuz, das der Priester am Aschermittwoch auf

das Haupt der Gläubigen streut, hat der Brauch bis heute überlebt.

am Ast sägen, auf dem man sitzt

auch: den Ast absägen, auf dem man sitzt

sich unabsichtlich selbst schaden, obwohl die Folgen absehbar

gewesen wären;

aus dem 13. Jahrhundert kennt man eine Schwankerzählung, in der

die Hauptfigur der Geschichte auf demselben Ast sitzt, den sie gerade

absägt. In dem Schwank erkennt die Person nicht die Folge ihres Tuns,

den eigenen Sturz. So bürgerte sich die Redensart für all diejenigen

ein, die ihr Handeln nicht sorgfältig überdenken und sich mehr

Schaden als Nutzen zufügen.

auf dem absteigenden Ast sein

auf dem Weg bergab sein, den Höhepunkt überschritten haben;

aus der Genealogie: Bei der Darstellung der Ahnen auf einem

Stammbaum werden Eheschließungen zwischen Blutsverwandten auf

einem absteigenden Ast dargestellt.

sich einen Ast lachen

heftig lachen (müssen) – oft ironisch gebraucht;

als „Ast“ bezeichnete man früher den Buckel eines Menschen. Wer sich

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also einen Ast lachte, der krümmte sich so vor lauter Lachen, dass es

aussah, als habe er einen Buckel.

schwer astenauch: sich einen abasten

hart arbeiten;

der Ast symbolisiert in Redensarten meist den Buckel, also die

Rückenwölbung, die auch bei harter Arbeit entwickelt werden kann.

nicht ganz astrein sein

nicht in Ordnung, nicht im Sinne des Gesetzes sein;

aus dem Schreinerhandwerk: Ein nicht astreines Brett ist ein Brett mit

Astlöchern, das der Schreiner nicht gebrauchen kann.

einen langen Atem haben

hinsichtlich einer Aufgabe, eines Problems Ausdauer beweisen;

aus dem Sport: Wer einen „langen Atem“ hat, also auch nach

sportlicher Betätigung in langen, ruhigen Zügen atmet, war nicht

besonders angestrengt und hat vermutlich eine sehr gute Kondition.

eine Attacke gegen jemanden reiten

auch: eine Attacke gegen etwas reiten

sich scharf gegen jemanden/etwas wenden;

vom französischen Wort „attaque“ (Angriff): wurde während des

Dreißigjährigen Krieges ins Deutsche übernommen. Als Attacke wurde

ursprünglich ein überraschen der Angriff der Kavallerie bezeichnet,

daher die Wendung „eine Attacke reiten“.

zu neuen Ufern aufbrechenauch: nach neuen Meeren aufbrechen

neue Ziele anstreben;

aus der Seefahrt: Vor der vollständigen Kartierung der Welt konnte

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jedes aufbrechende Schiff neue Meere oder Ufer finden; heute kann

dies nur noch jeder für sich persönlich hoffen.

jemanden aufgabelnjemanden zufällig treffen und irgendwohin mitnehmen;

beim Essen mit einer Gabel steckt hinter dem Aufspießen und

„Mitnehmen“ eines Bissens durchaus die Intention des Essen den;

wenn man hingegen eine Person aufgabelt, so hat man sie ohne

Planung und Verabredung getroffen.

aufgedonnert sein

stark geschminkt und schick angezogen sein (bei Frauen);

bei diesem Sprichwort trügt wieder einmal der erste Eindruck.

So stand nicht der Donner Pate für den Ausdruck, sondern der

Wortursprung, auf den u. a. das italieni sche Wort „Donna“ (Frau)

zurückgeht. Wer sich „aufdonnert“, unterstreicht also in erster Linie

seine weiblichen Reize. Erst im Laufe der Zeit erhielt die Redewendung

einen eher negativen Beigeschmack.

kein Aufhebens machen

etwas nicht besonders beachten, keine großen Umstände machen;

aus dem Fechtsport: Die Redensart hat ihren Ursprung wohl im

Schaufechten. Vor dem eigentlichen Kampf wurden die Waffen in einer

umständlichen Zeremonie zunächst auf den Boden gelegt, dann ihre

Länge verglichen u. Ä., schließlich wurden sie aufgehoben, und das

Fechten begann.

jemanden aufmöbelnjemanden aufmuntern, jemandem Mut zusprechen;

bezog sich ursprünglich tatsächlich auf alte Möbel, die restauriert

wurden.

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es mit jemandem aufnehmen (können)

jemandem gewachsen sein;

meint mit dem „es“, das aufgenommen wird, Waffen; die

Redewendung bedeutet also eigentlich: sich einem Duell, Zweikampf

mit jemandem gewachsen fühlen.

aufschneidenprahlen, angeben;

aus dem 17. Jahrhundert: geht darauf zurück, dass man bei Tisch

den Braten tranchiert und dabei so große Stücke abschneidet, dass

die Gäste sie kaum essen können. Wer so großspurig von seinen

Heldentaten erzählt, dass schnell erkennbar wird, dass er nur angibt,

dessen Lügengeschichten sind ebenso „schwer zu schlucken“.

komentenhafter Aufstiegeine steile Karriere;

aus der Astronomie abgeleitet: Eigentlich ist diese Redewendung

unsinnig, da Kome ten, in die Erdatmosphäre eindringende

Gesteinsbrocken, nicht aufsteigen, sondern – wenn auch mit extrem

hoher Geschwindigkeit – fallen.

sich auftakelnsich herrichten, hübsch machen;

aus der Schifffahrt: Die Redensart geht auf Matrosenjargon aus dem

18. Jahrhundert zurück. Die Takelage ist die Segelausstattung samt

Masten – Schiffe wurden aufgetakelt, also zum Auslaufen vorbereitet.

Ist das Schiff aufgetakelt, können die Matrosen die Segel setzen.

im Aufwind sein

zunehmenden Erfolg haben;

aus der Aerodynamik: Ein Aufwind ist eine aufsteigende Luftbewegung,

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auf der Vögel, aber auch Segelflugzeuge ohne Kraft- bzw. Motoreinsatz

höher steigen können.

etwas wie seinen Augapfel hüten

etwas wertschätzen und deshalb gut beschützen;

aus der Bibel: Das Auge und der damit verbundene Sehsinn ist für den

Menschen ausgesprochen wichtig. Es gibt tatsächlich kaum einen

Körperteil, der so empfindlich ist und so gut behütet wird. Aus dieser

Erkenntnis entsprang die Bitte an Gott in Psalm 17,8: „Behüte mich wie

einen Augapfel im Auge, beschirme mich unter dem Schatten deiner

Flügel.“

auf dem rechten Auge blind sein

die Gefahr linksextremer/rechtsextremer Aktivitäten ignorieren oder

verharmlosen;

eine Abwandlung der Wendung „auf einem Auge blind sein“.

auf einem Auge blind sein

einen bestimmten Aspekt einer Sache nicht wahrnehmen (wollen);

wer seine Sehkraft auf einem Auge eingebüßt hat, dessen räumliches

Sehen ist verloren. Wer hingegen im übertragenen Sinne „auf einem

Auge blind ist“, der übersieht – bewusst oder unbewusst – wichtige

Aspekte einer Angelegenheit und sieht nur die eine Seite.

Auge um Auge, Zahn um Zahn

Gleiches mit Gleichem vergelten;

aus der Bibel: Dieser alttestamentarische Rechtssatz kommt in der

Bibel mehrfach vor, so heißt es u. a. bei Levitikus (2. Mose 24,19–20):

„Und wer seinen Nächsten verletzt, dem soll man tun, wie er getan

hat, Schaden um Schaden, Auge um Auge, Zahn um Zahn; wie er

einen Menschen verletzt hat, so soll man ihm auch tun.“

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da bleibt kein Auge trocken

alle sind gerührt;

aus dem 19. Jahrhundert: Wenn von einer Geschichte die Zuhörer

so gerührt sind, dass ihnen die Tränen in den Augen stehen, dann

bleibt „kein Auge trocken“. Heute wird die Redensart auch für andere

aufregende oder lustige Vorkommnisse verwendet.

das Auge des Gesetzes

auch: der Arm des Gesetzes

die Polizei, die Exekutive;

schon in der Antike finden sich ähnliche Redensarten, so spricht

Sophokles (ca. 496–406 v. Chr.) vom „Auge der strafen den

Gerechtigkeit“.

das Auge isst mit

eine Mahlzeit muss auch gut aussehen;

da der Mensch die Eindrücke seiner Sinne kombiniert und daraus die

Beurteilung einer Sache formt, stimmt es tatsächlich, dass das Auge

„mitisst“. Wenn eine Speise zwar wohlschmeckend und -riechend ist,

aber unansehnlich, wird sie kaum munden, da als Erstes das Urteil

„nicht essbar“ gefällt wurde.

ein Auge riskieren

auch: einen Blick riskieren

einen kurzen Blick wagen;

aus dem Mittelalter: Wer „ein Auge riskierte“, dem drohte ursprünglich

der Verlust dieses Auges, wenn er nicht wachsam war. Die

Redewendung stammt aus dem Umfeld der Ritterkämpfe – ein Ritter

musste das schützende Visier anheben, um sein Gesichtsfeld etwas zu

erweitern.

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ein Auge zudrücken

etwas nicht so genau nehmen, etwas durchgehen lassen;

da nur zwei nebeneinanderliegende Augen räumliches Sehen

ermöglichen, bedeutet das Schließen eines Auges, dass die optische

Wahrnehmung verflacht und weniger präzise wird. Wer in einer Sache

„ein Auge zudrückt“, der erklärt sich also bewusst bereit, einige Details

zu übersehen.

ins Auge gehen

schiefgehen, misslingen;

belegt seit etwa 1900: Wenn etwas das Auge trifft oder gar den

Augapfel verletzt, kann dies schlimmstenfalls zur Erblindung führen,

während der Kopf bzw. das Gehirn weitgehend durch Schädelknochen

vor Verletzungen geschützt ist.

ins Auge springen

sofort auffallen;

etwas, das einem auf den ersten Blick auffällt, „springt“ einen in seiner

Offensichtlichkeit schier an – oder einem „ins Auge“.

mit einem blauen Auge davonkommen

einer Gefahr/schlimmen Lage mit nur kleinen Schäden entkommen;

zwar ist ein „blaues Auge“ keine schöne Verletzung, aber wer z. B. von

einem Bären angegriffen wird, der dürfte froh sein, wenn er mit einem

Bluterguss entkommt.

sehenden Auges etwas tun

das Risiko bei dem, was man tut, kennen;

diese Redewendung betrachtet das Risiko einer Unternehmung als

etwas Materielles, also Sichtbares, das man entweder „vor Augen“ hat

oder nicht sehen will.

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vor dem inneren Augein der Vorstellung;

diese Redensart schafft das Bild einer mit ebensolchen Sinnesorganen

wie der Körper ausgestatteten Seele oder Fantasie, die also etwas vor

dem „inneren Auge“ sehen kann.

die Augen schonen

schlafen;

aus der Soldatensprache: Die scherzhafte Wendung entstand wohl

im Ersten Weltkrieg; wer sich schlafen legen konnte, der musste nicht

mehr auf den Feind zielen

jemandem fällt es wie Schuppen von den Augenjemand versteht plötzlich etwas;

aus der Bibel: In der Apostelgeschichte (9,18) wird über die Wandlung

des Saulus zum Paulus berichtet. Gott erschien Saul, blendete ihn und

schickte drei Tage später Hananias zu ihm, um ihm sein Augenlicht

wiederzugeben. Heute wird die Redewendung nicht mehr auf die

Aufhebung einer physischen, sondern der geistigen „Blindheit“

bezogen.

jemandem Sand in die Augen streuen

jemanden blenden, täuschen;

im Fechtduell half ein unfairer Kämpfer seinem Sieg auf die Sprünge,

indem er Erde oder Sand aufnahm und sie dem Gegenüber in das

Gesicht warf, sodass dieser nicht mehr klar sehen konnte und verlor.

den Augiasstall ausmisten

eine große Unordnung, ein lange vernachlässigtes Chaos beseitigen;

aus der griechischen Mythologie: Augias war König von Elis und

hatte einen Stall mit einer riesigen Rinderherde, der seit Jahren nicht

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gereinigt worden war. Herakles (Herkules) erhielt u. a. die Aufgabe,

diesen Stall auszumisten. Es gelang ihm an einem einzigen Tag, indem

er die Flüsse Alpheus und Peneus hindurchleitete, die den Stall durch-

und den Mist mit sich fortspülten.

etwas ausbaldowernetwas auskundschaften;

aus dem Rotwelsch: Das jiddische Wort „baldower“ für jemanden,

der eine Nachricht überbringt, wurde in der Gaunersprache vom

„Kundschafter“ zum „Auskundschafter“ und im 19. Jahrhundert in

dieser Bedeutung in die Alltagssprache übernommen.

jemanden ausbootenjemanden ausschließen;

aus der Seefahrt: „Ausbooten“ bezeichnet eigentlich den Transport der

Besatzung bzw. der Gäste eines großen Schiffes mittels kleiner Boote

an Land.

ein Ausbund an ...

aus der Kaufmannssprache: bezieht sich auf den alten

Kaufmannsbrauch, von einer Ware das schönste Stück oben auf das

Bündel oder außen an das Paket zu binden, um die gute Qualität der

Ware hervor zuheben.

jemanden auseinandernehmenjemanden scharf tadeln; jemanden verprügeln;

vergleicht die kritisierte bzw. verprügelte Person mit einem

Gegenstand, der in mehrere Teile zerlegt werden kann – für einen

Menschen allerdings ein seelisch oder körperlich schmerzhafter

Vorgang.

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etwas ausfechteneinen Streit, eine Auseinandersetzung klären, zur Entscheidung

bringen;

aus der Militärsprache: bedeutete ursprünglich, einen Konflikt durch ein

Gefecht zu klären – und so lange zu kämpfen, bis der Sieger feststand.

Daraus entwickelte sich die übertragene Bedeutung, etwas durch

Argumente abschließend zu klären, etwa vor Gericht.

ausgefuchst sein

gerissen, clever, listig, schlau sein;

„schlau wie ein Fuchs“ bedeutet dieser Ausdruck. Bereits in den Fabeln

Äsops, später dann in denen Lafontaines war „Reineke Fuchs“ der

Gerissene. Die Charakter züge dieser Figur stammen vermutlich aus

orientalischen Sagen.

etwas ist nicht ausgegorenetwas ist noch nicht ausreichend durchdacht;

bezog sich ursprünglich auf die alkoholische Gärung bei der

Bierherstellung; ist diese noch nicht vollständig abgelaufen, ist das

Produkt ungenießbar.

ausgepowertvöllig erschöpft sein;

aus dem Französischen: Vor der Französi schen Revolution war der Adel

gegenüber der armen Bevölkerung erbarmungslos. Die Verarmten,

französisch „les pauvres“, sollten von den adeligen Handlangern völlig

entkräftet werden, also „ausgepovert“. Durch das immer gängigere

Englisch wurde das Wort erst im Lauf der Zeit zu „ausgepowert“.

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etwas ausmerzenetwas aussondern, ausschalten;

aus der Landwirtschaft: Der Ausdruck „merzen“ ist bereits im

Mittelhochdeutschen zu finden. Lange Zeit wurde er lediglich für

das Aussondern von kranken Schafen aus der Herde verwendet

und erst im 18. Jahrhundert generalisiert. Das Wort bildete sich, da

die Aussonderung „unbrauchbarer“ Schafe meist im März vor der

Bedeckung durch den Schafbock geschah („ausmärzen“).

etwas ausposaunenetwas (Geheimes) weitererzählen, publik machen;

aus der Bibel: Ursprünglich meint diese Redewendung, „etwas durch

die Meldeposaunen (oder -trompeten) verbreiten“, also mit großer

Lautstärke und Wirkung bekannt machen. In Matthäus 6,1–13

wird davon abgeraten, seine Wohltaten an anderen Menschen

weiterzuerzählen, um das eigene Ansehen zu steigern: „Habt acht auf

eure Frömmigkeit [...]. Wenn du nun Almosen gibst, sollst du es nicht

vor dir ausposaunen lassen, wie es die Heuchler tun in den Synagogen

und auf den Gassen, damit sie von den Leuten gepriesen werden.“

jemanden ausquetschenjemanden intensiv befragen;

wer einem anderen Menschen „die Würmer aus der Nase zieht“, der

presst eine Antwort auf jede Frage aus ihm heraus – manchmal auch

mit Gewalt.

den Ausschlag geben

etwas entscheiden;

aus dem 15. Jahrhundert, abgeleitet von der Redensart des „Züngleins

an der Waage“, das in die eine oder andere Richtung „ausschlug“ und

damit die Entscheidung traf.

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So schreibt Luther: „Es ist kündig gnug, wenn man dich nach deyner

Zungen wiegen solt, wo der außschlag hynn fallen wurdt.“

zum Auswachsen sein

unerträglich, zum Verzweifeln sein;

seit Mitte des 19. Jahrhunderts belegt: bezieht sich analog zur

Wendung „zum Aus-der-Haut-Fahren sein“ darauf, dass man sich bei

etwas so unwohl fühlt, dass man noch lieber ohne den eigenen Körper

weg läuft, als mit diesem an Ort und Stelle zu bleiben.

außer sich sein

auch: außer sich geraten

erregt, – je nach Zusammenhang – wütend, zornig, aber auch

begeistert, freudig sein/werden;

bezieht sich wohl auf die ähnliche Wendung „aus der Haut fahren“, kann

aber auch in positivem Sinne verwendet werden.

sich benehmen wie die Axt im Walde

sich sehr rücksichtslos verhalten;

in dieser Redensart wird die Axt des Holzfällers personifiziert; ihre

Aufgabe, das Umschlagen der Bäume, wird auf das Verhalten eines

Menschen übertragen, der sich um die (seelischen) Wunden seiner

Mitmenschen nicht sorgt.

ein wahres Babel (sein)

auch: ein wahres Sündenbabel

ein Ort voll Sünden und Verderbtheit;

aus der Bibel abgeleitet: Diese Redensart entstammt der Geschichte

über den Turmbau zu Babel in 1. Buch Mose 11. Die Stadt wird als ein

Ort der Gewalt, Sünde und Gotteslästerung beschrieben, Vergehen,

die in dem Turmbau ihre letzte Steigerung finden.

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wie beim Turmbau zu Babelohne Verständigungsmöglichkeit;

aus der Bibel: Der Turmbau in Babylon wird im Alten Testament,

Genesis 11,1–9, beschrieben. Die Erbauer wollten mit dem Turm den

Himmel erreichen und so mit Gott konkurrieren; dieser schickte als

Strafe die „babylonische Sprachverwirrung“.

ein Backfisch sein

unerfahren, naiv sein; Bezeichnung für junge Mädchen;

aus der Fischersprache: Besonders kleine, weil junge Fische wurden

aus der Fangmasse aussortiert, da sie für den Verkauf unbrauchbar

waren. Dabei wurden sie backbords – also über die Back – in das

Meer zurückgeworfen. Das Wort „Backfisch“ als Bezeichnung für

einen unerfahrenen Menschen wurde zuerst in der Sprache der

studentischen Verbindungen verwendet; in den 1950er-Jahren

wurden schließlich junge, naive Mädchen so genannt.

jemandem eine Backpfeife geben

jemanden ohrfeigen;

die „Backpfeife“ besteht aus einer Kurzform des Wortes „Backe“, dem

Körperbereich, auf den geschlagen wird, und aus „Pfeife“. Eine Pfeife

ist ein kleines, durch Atemluft zum Tönen gebrachtes Instru ment. Es

ist wahrscheinlich, dass hier auf die rasch austretende Luft aus dem

Mund raum bei einem Schlag auf die Wange Bezug genommen wird.

ein Bad in der Menge nehmen

sich in eine Menschenmenge begeben;

aus den 1960er-Jahren: Wer sich als bekannte Persönlichkeit unter die

Leute mischt, um in Form von Händeschütteln, Schulterklopfen etc.

unmittelbaren Kontakt zum „Mann aus dem Volke“ herzustellen, der

badet in der Menge wie andere nur in warmem Wasser.

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zu heiß gebadet haben

nicht ganz bei Verstand sein;

diese sehr junge, umgangssprachliche Redewendung nimmt Bezug

auf Textilien, die durch zu heißes Waschen eingehen, und stellt die

geistige Kapazität einer Person als ebenfalls „geschrumpft“ dar.

baff sein

sprachlos, perplex, überrascht sein;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: Der Ausdruck ist eine lautmalerische

Beschreibung eines Schussgeräuschs, bei dem die meisten Menschen

in der Bewegung verharren und sprachlos nach der Ursache horchen.

auf die schiefe Bahn geraten

auch: auf die schiefe Ebene geraten

kriminell werden;

aus der Bergmannssprache: Als schiefe Bahn oder Ebene bezeichnete

man im Bergbau einen schräg nach unten verlaufenden Stollen, durch

den Loren mit dem abgebauten Material nach oben befördert werden

konnten. Wer redensartlich auf die schiefe Bahn gerät, mit dem geht es

bergab.

aus der Bahn geworfen werden

scheitern;

aus dem Mittelalter: „Bahn“ meint hier den Kampfplatz; wer beim

ritterlichen Turnier aus der Bahn geworfen wurde, der hatte den

Kampf verloren.

einen großen Bahnhof machen

viel Aufhebens um etwas oder jemanden veranstalten;

aus der Frühzeit der Eisenbahn: Zu der Eröffnung der ersten Bahnlinien

wurden meist auch gekrönte Häupter eingeladen. Der offizielle

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115

Empfang der Hoheiten am Bahnhof hatte den Charakter eines

Staatsaktes, man machte „einen großen Bahnhof“.

nur Bahnhof verstehen

etwas nicht verstehen, nicht begreifen; etwas nicht hören wollen;

im Ersten Weltkrieg die übliche Erwiderung kriegsmüder Soldaten

auf jede Art von Frage. Der „Bahnhof“ symbolisierte für sie die lang

ersehnte Fahrt in die Heimat. Mit der Antwort „Ich verstehe nur

Bahnhof“ machten sie dem Fragenden deutlich, dass sie an keinem

anderen Gesprächsthema als dem Heimreisetermin interessiert waren.

den Balken im eigenen Auge nicht sehen, aber den Splitter im

fremden

nicht selbstkritisch sein; eine Doppel moral haben;

aus der Bibel: In Matthäus 7,3–5 heißt es: „Was aber siehst du den

Splitter, der in deines Bruders Auge ist, den Balken aber in deinem

Auge nimmst du nicht wahr? Oder wie wirst du zu deinem Bruder

sagen: Erlaube, ich will den Splitter aus deinem Auge ziehen; und

siehe, der Balken ist in deinem Auge? Heuchler, zieh zuerst den Balken

aus deinem Auge, und dann wirst du klar sehen, um den Splitter aus

deines Bruders Auge zu ziehen.“

am Ball bleiben

auch: am Ball sein

eine Sache konsequent weiterverfolgen;

aus dem Sport: Fußballer müssen nahe „am Ball bleiben“, wenn sie

nicht riskieren wollen, dass er ihnen von einem gegnerischen Spieler

abgejagt wird.

den Ball flach halten

kein Risiko eingehen, mit Bedacht agieren, Vorsicht walten lassen;

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aus dem Fußball: Ein Fußballspieler hält den Ball flach, d. h. nur wenig

über Boden niveau, um den Pass besser kontrollieren zu können und

dem Gegner weniger Möglichkeit zur Störung zu bieten.

etwas ist Balsam für die Seele

etwas (ein Lob, Kompliment u. Ä.) tut einem sehr gut;

das Harz des Balsambaumes oder der Myrrhe duftet nicht nur, sondern

wurde auch als Heilmittel, zur Schmerzlinderung und zur Salbung

verwendet.

vor etwas einen Bammel haben

sich vor etwas (ein bisschen) fürchten;

„bammeln“ bedeutete ursprünglich das selbe wie „baumeln“, also

das Hin- und Herschwingen eines hängenden Gegenstands bzw. in

diesem Fall eines Gehenkten am Galgen. Aus der großen Angst vor der

Todesstrafe wurde die wesentlich geringe Furcht oder Sorge z. B. eines

Kindes vor der elterlichen Strafe.

mit harten Bandagen kämpfen

auch: mit harten Bandagen streiten

erbittert, rücksichtslos streiten, den Gegner nicht schonen;

aus dem Boxsport: Heute tragen Boxer Handschuhe, früher

umwickelten sie die Hände mit Stoffstreifen. Wenn sie mit „har ten“,

d. h. entweder rauen oder speziell präparierten Bandagen kämpften,

stieg die Verletzungsgefahr für den Gegner.

Bände sprechen

(unbeabsichtigt) sehr viel aussagen, aufschlussreich sein;

wenn eine kurze Äußerung so viel erklärt wie der Inhalt mehrerer

Bücher, dann spricht sie Bände!

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durch die Bankohne Ausnahme, ohne Unterschied;

von mittelalterlichen Tischsitten: Bei den Mahlzeiten wurden alle

nacheinander bedient und bekamen ihr Essen in der Reihen folge, in

der sie auf der Bank saßen – ohne irgendeine Bevorzugung; Rang oder

Namen spielten im Gegensatz zum sonstigen Leben keine Rolle.

leeren Bänken predigen

auf Desinteresse stoßen, keine Zuhörer haben;

bezog sich ursprünglich auf die Kirchenbänke, wird heute meist auf

die „Bänke“ im Parlament angewendet.

da steppt der Bärbezieht sich wohl auf die früher auf Jahrmärkten und im Zirkus

vorgeführten Tanzbären, die zum Gaudium des Publikums

Kunststücke vollbrachten.

wie ein Bär schlafen

sehr gut und tief schlafen;

aus dem Tierreich: Um einen guten, l angen und erholsamen Schlaf zu

beschreiben, existieren mehrere Redewendungen, die Winterschlaf

haltende Tiere erwähnen; neben dem Bären vor allem noch beliebt:

das Murmeltier.

jemandem einen Bären aufbinden

jemandem Lügenmärchen erzählen;

aus dem Mittelhochdeutschen: Der „Bär“, der aufgebunden wird, ist

kein Waldtier, sondern nur eine Variante des Wortes „Bar“, das so viel

wie Last, Gewicht bedeutete. Mit einer fiktiven Geschichte, die der

andere glaubt, bindet man ihm also eine Bürde auf, denn er wird sich

mit dem neuen „Wissen“ vor anderen unter Umständen blamieren.

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jemandem einen Bärendienst erweisen

jemandem in guter Absicht einen Dienst erweisen, der für den

Empfänger ungewollt negative Folgen hat;

geht vermutlich auf die Fabel „Der Bär und der Gartenfreund“ des

französischen Dichters Jean de La Fontaine zurück. In ihr freunden

sich ein einsamer Bär und ein alter Gartenfreund an. Eines Tages setzt

sich eine Fliege auf das Gesicht des schlafenden Gärtners. Der Bär, der

seinem Freund zu Diensten sein will, nimmt einen großen Stein und

schleudert ihn nach der Fliege, um sie zu verscheuchen. Weder Fliege

noch Gartenfreund überleben.

auf der Bärenhaut liegen

faulenzen;

aus der Renaissance: Damals wurde die „Germania“ des Tacitus neu

entdeckt. Tacitus schildert die Lebensgewohnheiten der Germanen

(Kapitel 15), die vor allem „auf der faulen Haut“ lagen, bei der es sich

zumeist wohl um ein Bärenfell handelte.

auf die Barrikaden gehen

energisch protestieren, Widerstand leisten;

eine Barrikade, abgeleitet vom französi schen Wort „barriques“ (Fässer),

ist ein (meist improvisierter) Schutzwall in Stra ßenkämpfen. Die

Wendung verbreitete sich in Deutschland während der Revolutions-

wirren 1848, schon in der zweiten Hälfte desselben Jahrhunderts wurde

sie auch redensartlich gebraucht.

jemandem um den Bart gehen

jemandem schmeicheln;

die Geste, die ursprünglich mit dieser Redensart umschrieben wurde,

ist das Streicheln des – früher beim Mann stets von Bart bedeckten –

Kinns.

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solch einen Bart haben

altbekannt und entsprechend langweilig sein;

vergleicht eine Erzählung oder einen Witz mit einem alten Mann, der

sich schon einen langen Bart hat wachsen lassen.

wissen, wo der Barthel den Most holt

auch: zeigen, wo der Barthel (Bartl/Bartel) den Most holt

sich als der Stärkere, Gewitztere erweisen, sich durchsetzen; zeigen,

dass man in einer Sache Erfahrung besitzt;

unter den zahlreichen Erklärungen dieser Redewendung sind zwei

besonders einleuchtend. Zum einen könnte das Jiddi sche der

Ursprung gewesen sein. Das he brä ische Wort für Münze, maoth,

wurde im Volksmund zum bekannteren „Most“. Barsel, aus dem

schließlich „Barthel“ wurde, bedeutete zunächst lediglich Eisen.

Im Rotwelsch wurde es jedoch für Waffen, Werkzeuge und – wie

in diesem Fall – für das Brecheisen verwendet. Die Redewendung

bedeutet also „wissen, wo man mit dem Brecheisen Geld holen

kann“ – also wissen, wie man seinen eigenen Vorteil erzielt.

Ebenso ist es aber möglich, dass sich die Redewendung aus dem

plattdeutschen Satz „... wo Bartheld de Mus herhalt“ entwickelt

hat. „Mus“ bedeutet Mäuse, kann aber auch als Bezeichnung für

Kinder verwendet werden. Bartheld ist der volkstümliche Name des

Storchs. Wenn man weiß, wo der Storch die Babys wirklich herhat,

kennt man sich aus in der Welt und glaubt keine Kindermärchen

mehr.

ein ganzer Batzeneine große Menge von etwas (Wertvollem);

aus dem 15. Jahrhundert: Als Batzen bezeichnete man, wegen des

darauf abgebildeten Bären (Petz), die Vierkreuzerstücke. Ursprünglich

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eine Schweizer Münze, verbreiteten sich die Geldstücke im

15. Jahrhundert in ganz Deutschland und mit ihnen die Bezeichnung.

aus dem hohlen Bauchohne Vorbereitung;

während ein gefüllter Bauch Energie gibt, muss der hohle Bauch

Hunger leiden und steht damit für Kraftlosigkeit. Üblicherweise

müsste, bevor eine Aufgabe angefangen wird, erst etwas gegessen

(gelernt), der hohle Bauch (Kopf) also gefüllt werden.

jemanden bauchpinselnjemandem schmeicheln;

aus der Studentensprache: vielleicht eine scherzhafte Nachbildung zu

„Gaumen kitzel“. Der Bauch gilt redensartlich als Sitz des Gefühls – daher

das „Bauchgefühl“ oder das „flaue Gefühl in der Magengrube“. Wer es

versteht, sich erfolgreich bei jemandem einzuschmeicheln, der schaltet

gleichsam den Verstand seines „Opfers“ aus.

draufschlagen wie der Bauer auf den Wolf

fest zuschlagen;

Bauern wurden früher zwar für dumm, aber zumindest für sehr robust

und aufgrund der Feldarbeit kräftig gehalten; sie konnten ihre Gegner

also ebenso leicht niederschlagen wie einen Wolf, den sie in ihrem

Stall erwischten.

ein Bäuerchen machen

erwartetes Aufstoßen (bei Babys);

benannt nach der als bäuerlich geltenden Sitte, zum Zeichen der

Sättigung nach dem Essen laut zu rülpsen.

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auf Bauernfang gehen

jemanden auf sehr ungeschickte, plumpe Weise übervorteilen

(wollen);

diese Redewendung wurde auf der Basis des früher weit verbreiteten

Vorurteils, alle Bauern seien ungebildet und entsprechend leicht zu

betrügen, gebildet.

ein Bauernopfer darbringen

eine weniger wichtige Sache opfern, um einer wichtigen Sache zu

nützen;

aus dem Schachspiel: bezieht sich auf die empfehlenswerte Taktik,

lieber einen Bauern durch den Gegner nehmen zu lassen, als eine der

wichtigen Figuren (v. a. den König) zu gefährden.

bauernschlau sein

gewitzt sein;

die Redewendung bezieht sich auf einen heute mit Sicherheit nicht

mehr allgemein-gültigen Umstand früherer Jahrhunderte. Damals

genossen praktisch ausschließlich die Kinder reicher Eltern und von

Städtern eine bessere Schulausbildung; die Bildung der Bauern auf

dem Land war sehr gering. Dennoch konnten sie teilweise durch

Gewitztheit, Planungsfähigkeit und Schlauheit überraschen –

zumindest die Städter, die sie dafür stets für zu unintelligent gehalten

hatten.

Bauklötze staunen

verblüfft sein, sprachlos staunen;

aus den 1920er-Jahren: Diese Berliner Redensart entwickelte sich

vermutlich über mehrere Stufen von einem „da machste Jlotzoogen“

(Glotzaugen machen; später: „Jlotzen machen“) über „da staunste

Jlotzen“ hin zu „da staunste Klozzer“, also Klötze. Hier wirkte die

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Ausspracheähnlich keit semantisch unterschiedlicher Wörter in

verschiedenen Dialekten treibend („ Kloz zer“ stammt aus dem

Fränkischen).

zwischen Baum und Borke stehen

Entscheidungsschwierigkeiten haben;

diese Redewendung ist inhaltlich identisch mit dem Ausdruck „nicht

ein noch aus wissen“. Zwischen Baum und Borke befindet sich das so

genannte Splintholz, eine noch nicht verkernte, junge Holzschicht.

Diese steht also bezüglich Festigkeit und Material zwischen der Borke,

der Schutzrinde des Baumes, und dem nutzbaren Kernholz.

in Bausch und Bogen

komplett, total, ohne Ausnahme;

„Bausch“, liest man in Grimms Wörterbuch der deutschen Sprache, ist

die nach außen, „Bogen“ die nach innen gewölbte Grenze oder Fläche.

Wenn etwas „in Bausch und Bogen“ verurteilt wird, sind also sämtliche

Aspekte und möglichen Erscheinungsformen betroffen. – Der Ausdruck

wurde zunächst im juristischen Bereich üblich und meinte dort eine

bestimmte Verkaufsvariante. Aus der alternativen Schreibweise

„Pausch und Pogen“ entstanden später das Wort „pauschal“ und

Zusammensetzungen wie Pauschbetrag oder Pauschalreise.

sich bedeckt halten

seine Meinung zu etwas nicht preisgeben;

aus dem Mittelalter: Das Visier eines Ritters schützte im Kampf

oder beim Turnier nicht nur sein Gesicht, sondern machte ihn auch

unkenntlich. Wer also sein Visier geschlossen und damit sein Gesicht

bedeckt hielt, der hielt seine Identität verborgen.

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kein Bein auf die Erde kriegen

keinen Erfolg mit etwas haben;

spielt darauf an, dass man bezüglich eines Vorhabens keinen festen

Stand gewinnt bzw. immer wieder zurückgeworfen wird.

Hals- und Beinbruch!

Viel Glück! Alles Gute!

Für diese Redensart gibt es zwei mögli che Quellen: Zum einen den

hebräischen Wunsch „hazlóche un bróche“, was schlicht „Glück und

Segen“ bedeutet und im Lauf der Zeit durch lautähnliche (aber unsinni-

ge) deutsche Begriffe ersetzt wurde. Die zweite Erklärung verweist auf

die Annahme des volkstümlichen Aberglaubens, dass böse Geister

aufgrund ihrer negativen Wirkung auch Glückwünsche ins Gegenteil

verkehren. Wünscht man jemandem also direkt Glück, so wird daraus

Unglück. Der alte Schauspielerwunsch „Hals- und Beinbruch“ bewirkt

dagegen, dass eben dies nicht eintritt.

etwas auf die Beine stellen

etwas aufbauen, zustande bringen, schaffen, entwickeln;

stellt eine Unternehmung wie ein Lebe wesen dar – wenn man es auf

die Beine stellt, impliziert der Ausspruch, so wird es künftig alleine

„laufen“.

jemandem Beine machen

jemanden antreiben;

die unteren Extremitäten werden in dieser Redewendung als Synonym

für ihre Haupt aufgabe, das (schnelle) Laufen, verwendet.

sich die Beine in den Bauch stehen

auch: sich die Beine in den Leib stehen

lange (im Stehen) warten müssen;

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diese Redewendung beruht auf dem Bild durch langes Stehen kürzer

werdender Beine und erklärt sie dadurch, dass das Gewicht des

Oberkörpers so groß ist, dass er über die Beine zu Boden gedrückt

wird.

auf wackeligen Beinen stehen

unsicher/schwach/ungewiss sein;

aus dem Tierreich: Neugeborene Säugetiere, z. B. Rehkitze, sind

darauf angewiesen, möglichst schnell auf eigenen Beinen zu stehen

und laufen zu können, da sie sonst gegen Fressfeinde keine Chance

haben. Dabei sind sie anfangs jedoch sehr unsicher, stehen eben „auf

wackeligen Beinen“.

jemanden nicht mit der Beißzange anfassen mögen

jemanden überhaupt nicht berühren wollen;

beschreibt bildhaft, dass man sich von jemandem so abgestoßen

fühlt, dass selbst die Verwendung eines Werkzeugs aus Metall nicht

genug Abstand zu ihm schafft.

eine Benzinkutscheein Kraftfahrzeug;

scherzhafter Ausdruck für das Auto, den Nachfolger der

Pferdekutschen; vermittelt den Eindruck eines ähnlichen Aussehens

und lediglich unterschiedlichen Antriebs.

der Berg kreißt und gebiert eine Maus

auch: der Berg kreißt und eine Maus wird geboren; der Berg gebiert eine Maus

große Vorbereitungen treffen oder Versprechungen machen, die kein

Ergebnis zeitigen werden;

aus der Antike: In der „Ars poetica“ des römischen Dichters Horaz

(65–8 v. Chr.) heißt es: „Parturient montes, nascetur ridiculus mus.“ (Es

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kreißen die Berge, zur Welt kommt nur ein lächerliches Mäuschen.)

Horaz kritisierte mit diesen Worten seine Kollegen, deren Werke seiner

Ansicht nach nicht ihren großen Ankündigungen entsprachen.

wie ein Ochse vor dem Berg stehen

ratlos sein;

diese Redewendung bezieht sich auf die angebliche große Dummheit

der Rinder: Ein Ochse ist sogar so dumm, dass er nicht weiß, wie er

einen Berg überwinden könnte.

Berge versetzen können

etwas leisten können, was menschliche Kräfte eigentlich übersteigt;

es gibt viele Taten, die nicht menschenmöglich sind; „Berge versetzen“

ist nur eine davon. So wird umschrieben, dass jemand etwas tut, was

man einem Menschen nicht zugetraut hätte. Meist wird die Rede-

wendung allerdings abgeschwächt verwendet als Beschreibung des

momentanen Zustands einer Person: „Ich fühle mich heute, als könnte

ich Berge versetzen!“

wie ein Berserkerwie verrückt, als ob man den Verstand verloren hätte;

aus dem Altnordischen: Die Bezeichnung „Berserker“ ist eine

Zusammensetzung aus den altnordischen Wörtern ber, „Bär“, und

serkr, „Hemd, Obergewand“. Sie steht für das Bärenhemd, den

Oberkörperschutz nordischer Krieger aus Haut und Fell eines Bären,

das ihnen die Kraft des Tieres verleihen sollte. Tatsächlich hatte

weniger die Übertragung animalischen Mutes als vielmehr der Furcht

einflößende Anblick und Gestank durchschlagende Folgen.

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sehr beschlagen sein

sehr erfahren sein;

aus dem Schmiedehandwerk: Die seit dem 17. Jahrhundert belegte

Redewendung lautete im noch nicht übertragenen Sinne eher „gut

beschlagen sein“, denn ein mit passenden Hufeisen versehenes Pferd

läuft taktklar und sicher.

jemanden unter Beschuss nehmen

jemanden scharf und anhaltend kritisieren;

vergleicht eine heftige Rüge mit der Gefechtssituation in einem Krieg.

Ich fress einen Besen ...

Ausruf des Unglaubens; Beteuerung, dass etwas nicht wahr sein kann;

seit Beginn des 20. Jahrhunderts belegt: Der Sprecher beteuert, etwas

sehr Unangenehmes über sich ergehen lassen zu wollen – ein Besen

ist erstens nicht wohlschmeckend, zweitens schmutzig und drittens

aufgrund der harten Borsten kaum herunterzubringen –, wenn eine

von ihm angezweifelte Aussage sich als wahr erwei sen sollte. Dies

zeigt, wie überzeugt er von seiner Meinung ist.

wie bestellt und nicht abgeholt

fehl am Platz, verloren wirkend;

diese jüngere Redewendung wird insbesondere für vergeblich auf

jemanden wartende Personen verwendet, die sich während des

Wartens unwohl fühlen.

ein Betbruderjemand, der scheinheilig ist; ein Frömmler;

fiktiver klerikaler Titel; jeder Ordens bruder ist zum Beten angehalten,

ein Betbruder oder eine Betschwester ist aber eben nicht

Ordensmitglied.

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jemanden an den Bettelstab bringen

jemanden sehr arm machen, ihn um sein gesamtes Geld bringen;

vermutlich war der Bettelstab der Wanderstock eines Bettlers, den

dieser brauchte, da er ohne feste Wohnung war und jeden Tag auf

der Suche nach Nahrung und Unterkunft durch die Gegend zog.

Auch könnte er sein Hab und Gut in einem an das Ende des über die

Schulter gelegten Stabes geknoteten Tuch mitgetragen haben.

nach dem Bettzipfel schielen

sehr müde sein;

beschreibt die sehnsüchtigen Gedanken einer übermüdeten Person

an sein Bett bzw. die daraufliegende Decke.

gut betucht sein

wohlhabend sein;

aus dem Mittelalter: Unter den wertvollen Dingen, die sich nur der

Adel leisten konnte, war auch feines Tuch; Bauern trugen stets grob

gewebte Baumwollstoffe. War jemand mit gutem Tuch bekleidet,

musste er also sehr reich sein.

ein Beutelschneiderein Dieb; jemand, der andere bei Geschäften übervorteilt;

bezieht sich auf den Geldbeutel, der aufgeschnitten wird, sodass das

gesamte Geld heraus und in die Hände des Diebes fällt.

bis an die Zähne bewaffnet sein

schwer bewaffnet sein;

aus dem Mittelalter: Die Wendung, die auf die Zähne als letzte Waffe

anspielt, findet sich schon in mittelhochdeutschen Quellen und ist

auch in anderen Sprachen verbreitet. So heißt es im Englischen „armed

to the teeth“.

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Himmel und Hölle in Bewegung setzen

auch: Himmel und Erde in Bewegung setzen

alles für eine Sache/für jemanden tun;

aus der Bibel abgeleitet: In der Beschreibung der Strafe Gottes für

das sündige Babel (Jesaja 13,13) heißt es: „Darum will ich den Himmel

bewegen, und die Erde soll beben und von ihrer Stätte weichen durch

den Grimm des Herrn Zebaoth, am Tage seines Zorns.“

jemanden beweihräuchernjemanden (übermäßig) loben;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: Weihrauch ist ein aus der

katholischen Liturgie nicht wegzudenkendes Element, das als Zeichen

der Gegenwart Gottes dient und gleichzeitig die Verehrung für ihn

ausdrückt. Wer jemanden beweihräuchert, der „vergöttert“ ihn also.

jemanden bezirzenjemanden umgarnen, verführen;

aus der griechischen Mythologie: Die verführerische Zauberin Circe

(Kirke) war die Tochter des Sonnengottes Helios. Sie lockte Odysseus

und seine Gefährten auf ihre Insel. Während sie die anderen in

Schweine verwandelte, beließ sie Odysseus seine menschliche Gestalt,

verführte ihn und behielt ihn lange bei sich (Homer, Odyssee, X).

auf Biegen und Brechen

bis zum Äußersten, hart auf hart;

erst im 17. Jahrhundert in dieser Form bezeugt: Die

Zusammenstellung von „biegen“ und „brechen“ ist jedoch weit älter.

So schreibt Luther: „Man beuget’s so lange, bis es bricht.“

„Was dan nicht biegen will, muss brechen.“ (Georg Rodolf Weckherlin,

Geistliche und weltliche Gedichte, 1641)

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etwas wie saures Bier anbieten

auch: etwas wie Sauerbier anbieten

etwas um jeden Preis verkaufen wollen;

seit Anfang des 16. Jahrhunderts belegt: „Saures“ Bier ist schlechtes

Bier, dessen Verkauf ein Bierhändler dem Konkurrenten vorwarf.

auf eine Bierreise gehen

eine Kneipen- oder Sauftour unternehmen;

verbreitet im 19. Jahrhundert: bezieht sich wie der heutige Begriff

„Kneipentour“ auf den Besuch mehrerer Lokale im Laufe eines

Abends, verbunden mit dem intensiven Genuss von Bier oder anderen

alkoholischen Getränken.

im Bilde sein

etwas verstanden haben, sich über etwas im Klaren sein;

aus der Soldatensprache: bezieht sich nicht auf die Fotografie, auf der

jemand zu sehen ist, sondern auf das Bild (also die Vorstellung), das

sich jemand von einem Sachverhalt machen kann.

wie aus dem Bilderbuchetwas entspricht der Idealvorstellung von dieser Sache/diesem

Vorgang;

ähnlich der Wendung „wie gemalt“ deutet diese Redensart an, dass

etwas so perfekt ist, dass es nicht real sein kann.

von der Bildfläche verschwinden

auch: auf der Bildfläche erscheinen

plötzlich vollkommen verschwinden;

aus dem 19. Jahrhundert: Mit der „Bild fläche“ war zunächst das

Foto bzw. der durch den Sucher zu sehende Ausschnitt einer Szene

gemeint. Später wurde die Redewendung auf die Filmleinwand bzw.

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den Fernsehbildschirm übertragen, auf der ein Schauspieler plötzlich

erscheint oder verschwindet.

Ach du heiliger Bimbam!Ausruf der Überraschung/des Erschreckens;

lautmalerische Redewendung, die auf das Glockenläuten der Kirche,

mit dem Sterbe fälle u. Ä. bekannt gemacht wurden, zurückgeht.

einen hinter die Binde kippen

sich betrinken;

seit Mitte des 19. Jahrhunderts belegt: Die Binde ist der früher übliche,

einer Fliege oder schmalen Krawatte ähnliche Halsschmuck eines

Mannes; sie wird bildlich für den Hals gesetzt.

in die Binsen gehen

fehlschlagen, misslingen;

aus der Jägersprache: Wird auf Federvieh in Wassernähe Jagd

gemacht, kann es geschehen, dass sich die Ente zwischen die Binsen

am Ufer flüchtet. Da sie dort nicht mehr sichtbar ist, ist sie für die Jäger

verloren – und die Jagd missglückt.

eine Binsenweisheitauch: eine Binsenwahrheit

eine bekannte, unumstrittene Wahrheit;

Binsen haben im Gegensatz zu anderen Grasarten keine Knoten;

eine Binsenwahrheit ist demnach eine „glatte Sache“ ohne jegliche

Verknotungen. In der griechischen Mythologie findet sich die

Geschichte König Midas’, dem Apollo Eselsohren angezaubert hatte;

sein Friseur entdeckte diese unter der Krone und vertraute dies –

ansonsten zum Schweigen verpflichtet – den Binsen am Flussufer an,

die die Kunde schnell in alle Winde verbreiteten.

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jemandem bleibt der Bissen im Halse stecken

sich sehr erschrecken;

aus dem Mittelalter: geht wohl auf eine bestimmte Form des

Gottesurteils zurück, das bis ins späte Mittelalter eine weit verbreitete

Form der Rechtsfindung war. Eine Möglichkeit war, den Delinquenten

ein Stück trockenen Brotes oder harten Käses ohne Flüssigkeit

hinunterschlucken zu lassen. Gelang ihm dies ohne Schwierigkeiten,

so war Gott auf seiner Seite, er also unschuldig, anderenfalls zu

verurteilen.

blank sein

kein Geld haben, pleite sein;

„blank“ bezieht sich vermutlich auf den Boden eines Geldkästchens,

der durch die früher darin lagernden Münzen glatt gerieben wurde.

Ist man blank, so sieht man diesen Boden, weil sich kein Geld mehr im

Kasten befindet.

das Blatt hat sich gewendet

die Situation ist nun eine andere, aus einem Vorteil wurde ein Nachteil

(oder umgekehrt);

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Meist bezeichnet diese Redensart

den Wandel zum Schlechteren für jemanden. Möglich ist eine

Herkunft aus dem Kartenspiel, wenn das „Blatt“ eines Spielers plötzlich

bessere oder auch keine Möglichkeiten mehr bietet. Wahrscheinlicher

aber ist der Bezug zum Blatt des Baumes. Besonders die Blätter der

Pappel „wenden“ sich um die Sommersonnenwende, um den wenigen

fallenden Regen zur Erde und den Wurzeln durchzulassen. Das zeigt

an, dass die Tage wieder kürzer werden und der harte Winter näher

kommt.

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ein unbeschriebenes Blattjemand, über dessen Vergangenheit nichts bekannt ist; jemand, der in

einer Sache noch keinerlei Erfahrungen gemacht hat;

spielt auf eine leere Seite in einem Blankobuch an, auf der noch alles

getan werden kann: schreiben, zeichnen, malen ...

etwas steht auf einem anderen Blattetwas hat nichts damit zu tun, ist eine ganz andere Sache;

nimmt Bezug zu einem Buch, das keine durchgehende Geschichte

erzählt, sondern in dem auf jeder Seite – jedem Blatt – etwas anderes

steht.

blau sein

(sehr) betrunken, stark alkoholisiert sein;

der Ursprung dieser Redewendung ist nicht eindeutig gesichert, obwohl

sie erst in jüngerer Zeit entstand. Möglich ist, dass „blau“ eine Anspielung

auf die Nase eines Säufers ist, die aufgrund der gefäßerweiternden

Wirkung des Alkohols rot und nach dem Platzen kleiner Äderchen durch

die Einblutungen blau wird. Es existiert allerdings auch die wesentlich

früher belegte Redewendung „jemandem wird blau vor Augen“. Damit

wird eine einsetzende Ohnmacht beschrieben, die nach starkem

Alkoholkonsum auch eintreten kann.

blauäugig sein

naiv sein;

die meisten Babys haben blaue Augen, wenn sie zur Welt kommen.

Das liegt daran, dass die Farbpigmente auf der Regen bogenhaut noch

nicht ausreichend entwickelt sind, erst später bildet sich die eigentliche

Augenfarbe aus. Blauäugigkeit ist also typisch für einen gerade

geborenen Menschen, der noch unerfahren ist. Die Blauäugigkeit wird

deswegen auch gern naiven Personen zugeschrieben.

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ins Blaue hinein

auch: ins Blaue fahren

ohne Vorbereitung, planlos, ohne genau festgelegtes Ziel;

in der Farbsymbolik steht das Blaue u. a. für die Weite und die

unbestimmte Ferne, das im Ungewissen liegende; genau in die se

Ungewissheit hinein handelt jemand, der ohne Planung oder weitere

Überlegung eine Unternehmung anfängt. Ähnlichen Ursprungs ist

beispielsweise auch der Ausdruck nach der „blauen Blume suchen“.

ein Blaustrumpf sein

eine Emanze sein (abwertend);

aus dem 19. Jahrhundert: bezieht sich auf die ersten

Emanzipationsbewegungen. Bei den Versammlungen einer der ersten

Gruppen der Frauenbewegung in England um 1750 war stets ein Herr

mit auffälligen blauen Strümpfen anwesend.

Blech reden

Unsinn reden;

Blech wird als Gegensatz zu Edelmetall redensartlich für

Minderwertiges, Wertloses gebraucht.

blechen müssen

(unrechtmäßig) viel bezahlen müssen;

der ursprünglich aus der Gaunersprache stammende Begriff „Blech“

für Geld, insbesondere für Münzen, war schon im 16. Jahrhundert

allgemein geläufig. Nach einer anderen Erklärung stammt die

Wendung aus dem frühen Münzwesen, als Münzen noch nicht

gestanzt, sondern aus einer Edelmetallplatte, dem so genannten Blech,

herausgeschnitten werden mussten.

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134

ein Blindgängerein Versager;

als Blindgänger bezeichnete man ursprünglich nur Munition, die

nicht zün dete.

wie der Blitzauch: wie ein geölter Blitz

rasend schnell;

die bei Gewitter zu sehende elektrische Entladung ist seit Langem

ein Symbol für extreme Schnelligkeit. Ölen dient bei Maschinen der

Verringerung des Reibungs- und Laufwiderstandes, was selbst einen

Blitz noch schneller als üblich machen soll.

rangehen wie Blücher an den Katzbach

sehr entschlossen vorgehen;

diese Redensart nimmt Bezug auf den preußischen

Generalfeldmarschall Gebhard Leberecht von Blücher (1742–1819),

der für seine wagemutige offensive Schlachtenführung berühmt

wurde. In der Schlacht am Katzbach am 26.8.1813 schlug er die

französischen Truppen vernichtend.

etwas durch die Blume sagen

etwas verhüllend, andeutend, auch schonend klarmachen;

aus dem Mittelalter: Die „Sprache der Blu men“ war schon im

Mittelalter bekannt und erlebte im 19. Jahrhundert erneut einen

großen Boom. Jeder Blume wird dabei eine bestimmte Bedeutung

zugewiesen. So musste die Angebetete den werbenden Ritter nicht

durch unfreundliche Worte zurückweisen, sondern überreichte ihm

einfach ein Sträußchen mit den entsprechenden Blumen. Auf diese

Form der Kommunikation geht auch die Wendung „Lasst Blumen

sprechen“ zurück.

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damit keinen Blumentopf gewinnen können

nichts erreichen können, keinen Erfolg mit etwas haben;

aus der Berliner Mundart: geht wohl auf Jahrmarktsbuden zurück, an

denen die Gewinnchancen bekanntermaßen gering sind und man

schwerlich auch nur einen Blumentopf gewinnen kann.

blaues Blut haben

von Adel sein;

aus dem Spanischen: „Sangre azul“ („blaues Blut“) floss in den Adern

der spanischen Adeligen, da die Fürsten zumeist aus dem Norden

kamen, so etwa die Habsburger oder die Bourbonen, und hellere

Haut hatten, sodass ihr „blaues“ Blut deutlich hindurchschimmerte. Im

Deutschen ist die Wendung seit dem frühen 19. Jahrhundert belegt.

Blut an den Händen haben

auch: an jemandes Händen klebt Blut;

ein Mörder, Verbrecher sein;

wenn das Blut noch von den Händen tropft, liegt der Verdacht nahe,

dass gerade ein Mord geschehen ist. Redensartlich wird die Wendung

allgemein für Verbrechen und Untaten verwendet.

„Also noch einmal, nichts von Haß oder dergleichen, und um eines

Glückes willen, das mir genommen wurde, mag ich nicht Blut an den

Händen haben“ (Theodor Fontane, Effi Briest, Kap. 27).

Blut lecken

auf den Geschmack kommen;

aus der Tierwelt: Raubtiere werden noch gefährlicher, wenn sie ein

Beutetier bereits verletzt haben; das Blut bringt die Tiere erst so richtig

auf den Geschmack. Sie haben schließlich Blut geleckt!

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Blut und Wasser schwitzen

große Angst haben, sehr nervös sein;

vor Angst oder Aufregung zu schwitzen ist eine normale körperliche

Reaktion; sie dient der Vorbereitung auf eine eventuell notwendige

Flucht vor der Ursache der Angst. Bei sehr großer Anspannung können

zudem feine Äderchen, die für eine optimale Blutversorgung im

Notfall geweitet werden, platzen, sodass Einblutungen unter der Haut

entstehen. Diese treten zwar nicht aus – aber man erhält den Eindruck,

als wolle der Körper zusätzlich zum Wasser auch Blut transpirieren.

die Musik im Blut haben

auch: den Rhythmus im Blut haben

musikalisch sein;

bezog sich ursprünglich darauf, dass man ein musikalisches Talent von

seinen Vorfahren geerbt, es also mit dem Blut übertragen bekommen

habe.

jemandem kocht das Blut in den Adern

sehr wütend sein;

die Redewendung bezieht sich auf die Beobachtung, dass bei

großer Wut die Adern am Hals und auf der Stirn anschwellen, sodass

man glauben könnte, das Blut sei kurz vor dem Überkochen. Einen

ähnlichen Weg geht der Ausdruck „ein hitziges Temperament haben“.

seltsame Blüten treiben

auch: wunderliche/merkwürdige Blüten treiben

da die Zahl und oft auch Ausprägung und Farbe der Blüten einer

Pflanze nie vorhersehbar ist, stehen diese „Blüten“ für etwas

Unerwartetes oder, wie in dieser Redewendung, anders Erwartetes.

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den Bock zum Gärtner machen

jemand völlig Ungeeigneten mit einer Aufgabe betrauen;

während der Gärtner die Pflanzen hegt und pflegt, frisst sie der Bock

einfach ab. Ziegen fressen aber nicht nur die Triebe, sondern reißen oft

die ganze Pflanze samt der Wurzeln aus; ein frei laufender Ziegen bock

würde einen Garten innerhalb kürzester Zeit verwüsten. Die Redensart

als solche lässt sich schon im 16. Jahrhundert belegen.

einen Bock schießen

einen (groben) Fehler machen, eine Dumm heit begehen;

aus dem 15. Jahrhundert: Damals war es auf Schützenfesten im

Schwarzwald Brauch, dem Verlierer des Preisschießens einen Bock

als Trostpreis zu überreichen – wer den Bock schoss, der hatte zwar

danebengeschossen, musste sich aber dennoch nicht allzu sehr

grämen.

null Bock haben

keine Lust verspüren auf etwas;

erst um 1980 entstandene umgangssprachliche Wendung.

die Schafe von den Böcken scheiden

aus der Schäferei: Schon in der Bibel wird die Wendung auch im

übertragenen Sinne gebraucht, für die Trennung der guten und

schlechten Menschen beim Jüngsten Gericht: „Und alle Völker werden

vor ihm versammelt werden. Und der wird sie voneinander scheiden,

wie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe

zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken.“ (Matthäus 25,32)

sich ins Bockshorn jagen lassen

unsicher werden, sich in die Enge treiben lassen;

nicht gesichert; möglicherweise bezieht sich die Wendung auf das

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Horn eines Tieres als Trinkgefäß oder Musikinstrument, das sich

zum Ende hin verjüngt; dort ist man in der Enge, hat keine weitere

Rückzugsmöglichkeit. „Bockshorn“ ist allerdings auch die früher

übliche Bezeichnung der Frucht des Johannisbrotbaumes.

am Boden zerstört sein

vollkommen am Ende, kraftlos sein;

aus dem Zweiten Weltkrieg: bezog sich ursprünglich auf die „dem

Erdboden gleichgemachten“ Städte, über die Bombenangriffe

geflogen worden waren.

an Boden gewinnen

auch: an Boden gutmachen

Fortschritte machen, Verlorenes wieder zurückgewinnen;

aus der Militärsprache: bezog sich ursprüng lich auf die im Feld

gemachten Fortschritte, d. h. auf den Zugewinn an Terrain.

auf dem Boden bleiben

auch: auf der Erde bleiben

sachlich, realistisch bleiben, sich keinen Illusionen hingeben;

der Boden steht redensartlich für das Fundament, die sichere

Grundlage. Im Gegensatz zum Träumer, der „abhebt“, bleibt der Realist

„auf dem Boden der Tatsachen“.

auf fruchtbaren Boden fallen

Zustimmung für etwas erhalten;

aus der Botanik: Wem es gelingt, bei anderen Menschen

Begeisterung für eine Idee oder einen Plan zu erzeugen, ihnen seine

Vorstellungen also „einpflanzen“ kann, dessen Worte fallen „auf

fruchtbaren Boden“.

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etwas nicht aus dem Boden stampfen können

etwas nicht schaffen können;

Das feste Aufstampfen ist ein uralter magischer Brauch; die damit

angeblich verbundene Möglichkeit, Dinge herbeizuzaubern, führte

schon in der Antike zu ähnlichen Redensarten. Plutarch (45–125

n. Chr.) berichtet, der römische Feldherr Pompeius habe geprahlt, es

würden Scharen von Fuß- und Reitervolk aus der Erde steigen, wenn

er auf Italiens Boden stampfe (Plutarch, Pompeius 57).

„Kann ich Armeen aus der Erde stampfen? Wächst mir ein Kornfeld in

der flachen Hand? [...] nicht Silber hab ich, noch Soldaten!“ (Karl, König

von Frankreich, in Friedrich Schillers „Die Jungfrau von Orleans“ I,3)

jemandem brennt der Boden unter den Füßen

auch: jemandem wird der Boden unter den Füßen zu heiß

jemand befindet sich in einer gefährlichen Situation;

beschreibt den Drang zu fliehen bzw. einen anderen Aufenthaltsort

zu wählen, aber auch das durch Nervosität und Angst hervor gerufene

ängstliche Hin- und Hergehen.

jemandem den Boden unter den Füßen wegziehen

auch: einer Sache den Boden entziehen

jemanden ruinieren, in (finanzielle) Probleme bringen; etwas

entwerten;

diese Redewendung überträgt den „Boden unter den Füßen“ als Basis

des sicheren Stands auf das finanzielle Fundament u. Ä.

wie Pilze aus dem Boden schießen

sehr plötzlich sehr rasch wachsen;

wird meist hinsichtlich des plötzlich gehäuften Auftretens von

bestimmten Laden- oder Gastronomietypen verwendet, bezieht sich

aber auch auf rasch hochgezogene Wohn- und Industriebauten.

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ein Ritt über den Bodenseeeine große Gefahr, die man erst im Nachhinein erkennt;

aus der Ballade „Der Reiter und der Boden see“ von Gustav Schwab

(1826): In dieser Erzählung wird von einem Reiter berichtet, der über

den zugefrorenen Bodensee reitet und, als man ihn danach auf diese

Gefahr aufmerksam macht, vor Schreck tot vom Pferd fällt.

den Bogen überspannen

es übertreiben;

aus der Antike: Der hölzerne Bogen, der der Jagd und als Waffe diente,

brach bei zu starker Spannung der Sehne leicht. Wer also mit zu viel Elan

an eine Sache herangeht, der zerbricht den Bogen leicht und wird dann

gar keinen Jagderfolg mehr haben.

für jemanden böhmische Dörfer sein

ganz und gar unbekannt oder unverständlich sein;

stammt aus der Zeit der österreichischen Donaumonarchie, zu der

auch Böhmen gehörte. Dessen Dörfer waren oft sehr entlegen und

hatten für Deutschsprachige unverständliche und unaussprechliche

tschechische Namen. Ähnliche Wendungen mit anderen Sprachen

oder Regionen gibt es in zahlreichen Sprachen, so sprechen die

Tschechen bei dieser Gelegenheit von einem „spanischen Dorf“, das

zwar ebenso wie ein böhmisches einst habsburgisch war, aber am

anderen Ende des Kontinents liegt.

nicht die Bohnekein bisschen, keineswegs;

aus dem Mittelalter: Obwohl Bohnen wie alle Hülsenfrüchte in

früheren Zeiten ein wichtiges Grundnahrungsmittel waren, war eine

einzelne Bohne nicht viel wert und schon im 13. Jahrhundert ein

Synonym für etwas Unwichtiges, Unbedeutendes.

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Bohnen in den Ohren haben

schlecht hören (können);

aus dem Volksglauben: Nach volkstümlicher Vorstellung schädigt der

Verzehr von Bohnen das Gehör.

ein Bollwerk sein

etwas/jemand Schützendes, Widerstehendes;

aus dem Festungsbau: Ein Bollwerk war ursprünglich ein aus Holz oder

Erde, erst später aus Stein errichteter Wehrbau zur Belagerung oder

Verteidigung. Luther verwendete den Begriff in diesem Sinne in seiner

Bibelübersetzung; so heißt es im Deuteronomium (20,20): „Die Bäume

[...] darfst du verderben und fällen und ein Bollwerk daraus bauen

gegen die Stadt, die mit dir Krieg führt, bis du sie besiegt hast“, bei

Jesaja (23,11): „Er [Gott] hat Befehl gegeben über Phönizien, dass seine

Bollwerke zerstört werden.“

„[Da] zog heran Nebukadnezar, der König von Babel, mit seiner ganzen

Macht gegen Jerusalem, und sie belagerten die Stadt und bauten

Bollwerke um sie her.“ (2. Buch der Könige 25,19)

die Bombe platzen lassen

eine unerwartete, schwerwiegende Nachricht überbringen;

aus dem Militär: Der Begriff „Bombe“ bezeichnete ursprünglich eine

mit Sprengstoff gefüllte Hohlkugel, die durch einen Zünder (italienisch

„bomba“) zum „Platzen“, also zum Explodieren gebracht wurde.

wie eine Bombe einschlagen

große Überraschung hervorrufen;

die Redensart bezeichnet einen positiven oder negativen

Überraschungseffekt, der sich auf verschiedenste Lebensbereiche

beziehen kann. So kann z. B. eine Nachricht sensationell wirken, ein

Produkt „wie eine Bombe einschlagen“, also ein Verkaufsschlager

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sein oder eine Party ein Chaos hinterlassen, als wäre „eine Bombe

eingeschlagen“. Gemeint sind nicht zu übersehende Folgen.

ein BonzenheberFahrstuhl in die Manageretage;

sehr junge, ironisch-scherzhafte Bezeichnung für einen Lift, der die gut

verdienenden leitenden Angestellten eines Unternehmens befördert.

Der Begriff „Bonze“ stammt aus dem Japanischen und bezeichnete

ursprünglich einen buddhistischen Mönch; im 19. Jahrhundert wurde

er im Deutschen zum Spottwort für hochstehende, auf den eigenen

Vorteil bedachte Funktionäre.

jemanden mit ins Boot holen

jemanden zu einem Projekt, einer Kooperation hinzuholen;

diese Redewendung stammt aus dem Bereich der Seefahrt und

bezieht sich auf einen Menschen, der anschließend „im gleichen Boot

sitzt“ – so lange, bis er „ausgebootet“ wird.

einen Boykott verhängen

die Ausführung von etwas ablehnen und zu verhindern suchen, etwas

ablehnen, meiden;

geht zurück auf den englischen Gutsverwalter Charles Cunningham

Boycott, der 1880 im County Mayo (Irland) für den Earl of Earn tätig

war. Dabei ging er mit einer derartigen Härte gegen die irischen

Pächter vor, dass die „Irische Landliga“ (ILL) mit wirkungsvollen

Maßnahmen reagierte: Niemand arbeitete für ihn, niemand kaufte

etwas von ihm, niemand verkaufte etwas an ihn. Schon nach kurzer

Zeit verließ der „boykottierte“ Mr. Boycott das Land.

einen Brandbrief schreiben

einen sehr dringlichen, mahnenden oder bittenden Brief verfassen;

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aus dem späten Mittelalter: Der so genannte Brandbrief hatte im

Nord- und im Süddeutschen unterschiedliche Bedeutung. Während

er in Norddeutschland das Abbrennen von Haus und Hof im Rahmen

einer Fehde ankündigte, war er im Süden eine Art Erlaubnisschein

zum Betteln. Mit einer solchen Bestätigung der Obrigkeit für

Personen, die „abgebrannt“ waren, also ihre Habe durch einen Brand

verloren hatten, waren außerdem gewisse Vergünstigungen, etwa

freies Bauholz, verbunden.

ein Bratkartoffelverhältniseine wilde Ehe;

aus dem Ersten Weltkrieg: Die „Bratkartoffeln“ in diesem nicht

aktenkundig gemachten Verhältnis symbolisieren die allgemein

verbesserte Versorgungslage – insbesondere für den Mann, für den

nun gekocht wird.

über jemanden den Stab brechenaus dem Gerichtswesen: Der Stab war das Zeichen der Richterwürde,

dass alle bei einer gerichtlichen Versammlung Anwesen den den

Anweisungen des Richters unterstellte. Kurz vor der Exekution eines

Verbrechers zerbrach der Richter seinen Stab über dessen Kopf mit

den Worten: „Nun helfe dir Gott – ich kann dir nicht mehr helfen.“ Wenn

man also über einer Person im übertragenen Sinne den Stab bricht,

sähe man sie am liebsten schwer bestraft.

brechend voll sein

auch: zum Brechen voll

überfüllt;

ein Raum ist so überfüllt, dass das Einbrechen des Bodens oder das

Umfallen der Wände und damit der Zusammenbruch des Hauses zu

befürchten ist.

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in die Bredouille kommen

in Verlegenheit kommen;

aus dem Französischen: Diese seit dem 18. Jahrhundert im deutschen

Sprachraum belegte Redensart bedeutet übersetzt eigent lich „in den

Matsch kommen“ und bezieht sich auf die Schwierigkeit, eine im

Matsch festsitzende Kutsche wieder freizubekommen.

um den heißen Brei herumreden

nicht zum Kern der Sache kommen;

ähnlich der Wendung „wie die Katze um den heißen Brei“ beschreibt

diese Redensart bildhaft ein Thema, das so riskant oder unangenehm

ist, dass man es nicht direkt anfassen bzw. aussprechen möchte.

eine Breitseite auf jemanden abfeuern

auch: die volle Breitseite (abgeben)

jemanden schonungslos kritisieren oder angreifen;

aus der Schifffahrt: Früher war die lange Seite eines Kriegsschiffes mit

Kanonen bestückt. Wurden diese Geschütze alle gleichzeitig auf einen

Gegner abgefeuert, hatte dieser wenig Möglichkeiten, sich noch zu

wehren – er bekam die „volle Breitseite“ ab.

für jemanden eine Bresche schlagen

für jemanden eintreten, jemandem Bahn brechen;

aus der Militärsprache: ähnlich wie „in die Bresche springen“. Der aus

dem Französischen stammende Ausdruck „brèche“ (Mauer- oder

Wallöffnung, Sturmlücke) wurde erst im 16. Jahrhundert ins Deutsche

übernommen.

für jemanden in die Bresche springen

jemandem helfen, für jemanden einspringen;

aus der Militärsprache: Wurde durch den Rammbock der Belagerer

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in die Festungsmauer ein Loch (Bresche) gestoßen, so konnten die

Verteidiger nichts tun, als sich in diese Bresche zu stellen und sie mit

allen Mitteln gegen Eindringlinge zu verteidigen. Dies war riskant, und

meist überlebte der in dem Spalt Stehende nicht lange. Fiel er, wurde

der Platz rasch von einem anderen übernommen, der für ihn „in die

Bresche sprang“.

ans Schwarze Brett kommen

öffentlich getadelt werden;

als „Schwarzes Brett“ bezeichnete man ursprünglich die Tafel in

Wirtshäusern, auf der der Wirt mit Kreide die Zeche der Gäste

verzeichnete. Schon im 17. Jahrhundert wurden auch öffentliche

Anschlagtafeln als „Schwarzes Brett“ bezeichnet, daher stammt die

heute geläufige Bedeutung des Begriffes.

ein Brett vor dem Kopf haben

sich dumm anstellen, nichts begreifen;

aus der Landwirtschaft: Als der Ackerbau noch mit Vieh bewältigt

wurde, gab es verschiedene Anspannungsarten für Rinder. Die mit

großen Hörnern und einer stabilen Schädeldecke ausgestatteten

Ochsen trugen ein hölzernes Zugjoch auf der Stirn. Wer ein „Brett vor

dem Kopf“ hat, der ist also so intelligent wie ein männliches Rind.

Bretter schneiden

schnarchen;

bezieht sich auf das Geräusch, das beim Sägen von Brettern entsteht

und ganz ähnlich klingt wie Schnarchgeräusche.

die Bretter, die die Welt bedeuten

die Bühne;

aus dem Theater: Diese Formulierung bezieht sich darauf, dass im

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Theater für den Zuschauer auf der Bühne quasi eine eigene Welt

erschaffen wird. Auch für den Schauspieler bedeuten die Bühnenbretter

die Welt, ohne die er seinen Beruf nicht hätte ausüben können.

dünne Bretter bohren

auch: ein Dünnbrettbohrer sein; das Brett bohren, wo es am dünnsten ist

es sich einfach machen; den Weg des geringsten Widerstands gehen;

aus dem Handwerk: Der Schreiner, der ein Brett an der dünnsten Stelle

bohrt, macht sich die Arbeit leicht, aber das fertige Werkstück wird so

nicht das beste sein.

„Wer reich werden will, muss zuerst dicke Bretter bohren.“ (Sprichwort)

nicht gern dicke Bretter bohren

stammt wie die Redensart „dünne Bretter bohren“ aus dem

Schreinerhandwerk.

„Grobe Arbeiten zu verrichten war mir ungelegen, weil ich nie gerne

dicke Bretter geboret.“ (Grimmelshausen, Simplicissimus)

das geht wie das Brezelbackensehr schnell gehen, nicht lange dauern;

Brezen werden durch die vorher aufgetragene Lauge im Ofen sehr

schnell braun.

Corvinus schrieb 1720 in seinen „Reifferen Früchten“: „Die Bretzeln

schiebet man geschwinde / In Ofen ein und wieder aus. / Der Teig wird

augenblicks zur Rinde, / Mit Versen sieht es anders aus.“

ein blauer Briefein Kündigungs- oder Verwarnungsschreiben;

Die Redensart bezieht sich auf die blauen Umschläge, in denen das

preußische Kabinett im 18. Jahrhundert an Offiziere die Aufforderung,

ihren Abschied zu nehmen, verschickte.

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jemandem Brief und Siegel geben

etwas beschwören;

aus der Rechtssprache: Briefe waren früher – ebenso wie die

Menschen, die sie schreiben konnten – rar und besaßen meist

einen ernsten Inhalt; oft waren sie rechtliche Urkunden. Damit

kein Unbefugter sie lesen konnte und damit der Empfänger die

Rechtmäßigkeit ihres Inhalts anerkannte, wurden Briefe mit dem

Siegel des Verfassers verschlossen.

durch die Brille boxen

verhüllende Umschreibungen für das „große Geschäft“;

„Brille“ meint in diesem Zusammenhang die Klobrille.

mit allem BrimboriumÜberflüssiges, unnötiger Zusatz, Getue;

seinen Ursprung hat das Wort im Französischen: brimborion bedeutet

„Nebensächlichkeit“. Im Mittelfranzösischen existierte auch das Wort

briborion für einen (überflüssigen) Zauberspruch. Im deutschen

Sprachraum wurde „Brimborium“ zunächst für hastig gemurmelte

Gebete, später für jedes Gemurmel verwendet – also für ein Getue, das

aufgrund seiner Unverständlichkeit keinerlei Nutzen für den Zuhörer

hat, sondern nur „magisch“ wirken soll.

Mephistopheles (in Goethes „Urfaust“): „... die Freud ist lange nicht so

groß, / Als wenn Ihr erst herauf, herum / Durch allerlei Brimborium /

Das Püppchen geknetet und zugericht’t ...“

ein harter Brockeneine schwierige Aufgabe;

bezieht sich auf einen Brocken Brot, der schon angetrocknet und

daher schwer zu kauen ist; ähnlich mühsam gestaltet sich manche

Aufgabe.

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kleine Brötchen backen

sich zurücknehmen, nach anfänglichem Großtun bescheiden werden;

nicht viel Energie in eine Sache investieren;

aus dem Bäckerhandwerk: Kleine Brötchen sind leichter herzustellen

als große Brote, da sie rascher durchgebacken sind; zudem benötigt

der Bäcker weniger Teig, sodass sie billiger sind.

den Brotkorb höher hängen

jemanden (finanziell) knapp halten;

leitet sich wohl vom Futterkorb im Pferdestall her. Um zu verhindern,

dass ein Pferd zu viel frisst, zog man die Futterraufe oder den

Hafereimer einfach ein Stück in die Höhe.

„Lassen wir uns auseinandersprengen, werden sie uns den Brotkorb

höher hängen.“ (Schiller, Wallensteins Lager, 11. Auf tritt)

in die Brüche gehen

kaputtgehen, zerstört werden;

möglicherweise aus der Mathematik, auf die Bruchrechnung bezogen:

Wenn sich Zahlen nicht glatt, also nicht ohne Rest teilen ließen,

musste man mit Brüchen rechnen. Nach einer anderen Erklärung leitet

sich die Wendung vom Wort Bruch für Sumpf her (z. B. Oderbruch).

jemandem eine goldene Brücke bauen

jemandem die Möglichkeit geben, sich zurückzuziehen, ohne sich zu

blamieren;

geht wohl auf eine alte Kriegsregel zurück, nach der man den

flüchtenden Feind nicht bekämpfte und ihm zur Not sogar Brücken

zum Rückzug baute. Dies hatte aber einen strategischen Grund: Der

geschlagene Feind durfte abziehen, damit er dem Sieger nicht noch

eine Verzweiflungsschlacht lieferte. Im modernen Sprachgebrauch

ist die goldene Brücke meistens ein Euphemismus für Bestechung

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– beispielsweise wenn im politischen oder Wirtschaftsleben einem

aktiven Querkopf ein höher dotiertes passives Amt angeboten wird.

alle Brücken hinter sich abbrechen

auch: alle Brücken hinter sich abreißen

sämtliche Bindungen lösen, sein bisheriges Leben radikal ändern;

aus dem Lateinischen: Vermutlich abgeleitet von der antiken

Redensart „Pons a tergo abruptus est“ (Die Brücke ist im Rücken

gebrochen).

im Brustton der Überzeugung

sehr überzeugt;

diese Redensart wurde um 1870 durch den Historiker und Wortführer

der Nationalisten Heinrich von Treitschke geprägt.

ein Buch mit sieben Siegeln

ein geheimnisvolles, vollkommen unverständliches Thema;

aus der Bibel: In Kapitel 5, Vers 1 der Offenbarung des Johannes findet

sich der Bericht: „Und ich sah in der rechten Hand dessen, der auf dem

Thron saß, ein Buch, beschrieben innen und außen, versiegelt mit

sieben Siegeln. [...] Und niemand, weder im Himmel noch auf Erden,

noch unter der Erde, konnte das Buch auftun und hineinsehen.“ Die

Siegel verschließen die Buchrolle fest, bis der Richtige kommt, sie zu

öffnen. Die Zahl Sieben steht gemäß der Zahlensymbolik für die Magie

und Mystik des geheimnisvollen Buches.

wie ein offenes Buch sein

von anderen hinsichtlich seiner Gedanken, Gefühle etc. leicht

einschätzbar sein;

wer „wie ein offenes Buch“ ist, bei dem können seine Mitmenschen

leicht erkennen – also „lesen“ –, was in ihm vorgeht.

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wie es im Buche steht

mustergültig, perfekt;

bezieht sich auf die Bibel, das „Buch der Bücher“. Schon König David

wird in der Bibel mit den Worten zitiert: „Siehe, ich komme, im Buch ist

von mir geschrieben.“ (Psalm 40,8)

sich auf seine vier Buchstaben setzen

sich hinsetzen;

die vier „Buchstaben“ stehen für den kindersprachlichen Ausdruck

„Popo“. Da selbst diese direkte Bezeichnung des Gesäßes noch als

unfein galt, umschrieb man den Ausdruck mit dieser Redewendung.

jemand kann einem den Buckel runterrutschen

jemand ist einem gleichgültig, soll einen in Ruhe lassen;

„Buckel“ steht hier für den gesamten Rücken, den man jemandem

zudreht, den man verachtet und mit dem man nichts zu tun haben

möchte.

viele Jahre auf dem Buckel haben

alt sein;

der „Buckel“ wird als Kennzeichen alter Menschen angesehen; heute

wird die Rede wendung auch auf Gegenstände, Fahrzeuge etc.

übertragen.

über die Bühne gehen

stattfinden;

aus der Theatersprache: Wird diese Wendung mit der

Bedeutungserklärung „ablaufen“ versehen, ist bereits der Kern der

Sache getroffen; es geht nämlich um einen Schauspieler, der über die

Theaterbühne läuft und damit innerhalb eines Stückes ein gewisses

Ereignis darstellt.

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sein Bündel schnüren

weggehen, abreisen; sterben;

die Wendung stammt von dem bei Wanderern oder auf der Walz

befindlichen Handwerksgesellen üblichen großen Tuch, dessen Ecken

zusammengeknotet und über einen Stock, der über der Schulter lag,

geschoben wurden – ein Rucksack für alle Habseligkeiten.

jemandem zu bunt sein/werden

jemandem zu viel, unerträglich werden;

„bunt“ bedeutet hier nicht farbenfroh, sondern einen unangenehmen,

weil chaotischen Farbenmix, der einem „in den Augen wehtut“.

da werden abends die Bürgersteige hochgeklappt

alles ist wie ausgestorben;

scherzhafte Wendung, bezieht sich auf ein fehlendes Nachtleben.

Wenn die Straßen abends „wie ausgestorben“ sind und die

Bürgersteige nicht mehr begangen werden, könnten sie eigentlich

hochgeklappt werden ...

auf den Busch klopfen

jemanden auszuhorchen versuchen;

aus der Jägersprache: Durch Schlagen des Unterholzes und der

Büsche soll das Wild aufgescheucht werden.

es ist etwas im Buschda wird etwas passieren, etwas steht bevor;

spielt auf die Vorahnung an, es könne sich ein Raubtier/ein Räuber im

Gebüsch neben der Straße befinden.

mit etwas hinter dem Busch halten

etwas geheim halten;

beide Varianten beziehen sich auf eine natürliche Deckung, die von

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Soldaten, aber auch von Räubern genutzt wurde, um nicht frühzeitig

gesehen zu werden (ähnlich „da ist etwas im Busch“).

Busenfreunde sein

sehr enge, intime Freunde sein;

„Busen“ bedeutete ursprünglich schlicht „Brust“ bzw. die Mitte

zwischen den Brüsten, die für das Herz stand. Ein „Busen freund“ ist

jemand, der einen Platz im Herzen hat und außerdem an die Brust

gedrückt wird.

Alles in Butter!

Alles in Ordnung! Alles bestens!

Aus dem Mittelalter: Eine übliche Verpackungsmethode zerbrechlicher

Preziosen war vor der Erfindung der Luftpolsterfolie das Einlassen in

Butter. Damit bedeutete auf einem Warentransport „alles in Butter“:

Alles ist noch heil und gut geschützt.

Butter auf dem Kopf haben

sich genieren, weil man etwas Dummes getan hat;

ein Verkürzung des alten Sprichworts „wer Butter auf dem Kopf

hat, der sollte nicht in die Sonne gehen“. In Frankreich wurden im

Mittelalter Betrüger, die die Butter durch Beimengung von billigen

Fetten streckten, mit ihrem Produkt auf dem Kopf an den Pranger

gestellt, bis ihnen die „Butter“ vom Kopf herabtropfte.

Butter bei die Fische geben

zur Sache kommen;

aus Norddeutschland: Gebratener Fisch wird gern mit einem

Stückchen Butter serviert, das erst kurz vor Beginn der Mahlzeit auf

den heißen Fisch gegeben werden darf, damit es nicht zerläuft. Sobald

„Butter bei die Fische“ ist, wird gegessen.

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jemandem die Butter vom Brot nehmen

jemandem einen Vorteil nicht zugestehen, jemanden einer (für ihn)

wichtigen Sache berauben;

Butter war wegen ihrer Nahr- und Schmackhaftigkeit stets ein

wichtiges Lebens mittel und half auch, das oft schon trockene Brot

noch essen zu können.

etwas für ein Butterbrot hergeben

auch: etwas für ein Butterbrot verkaufen

etwas sehr billig verkaufen;

Das Butterbrot ist wohl bis heute die einfachste Form einer Mahlzeit.

Wer etwas „für ein Butterbrot“ verkauft, der verlangt noch nicht einmal

eine Scheibe Wurst darauf, gibt es also sehr billig her.

auf die Butterseite fallen

Pech haben;

aus dem 19. Jahrhundert: Butter- oder Marmeladenbrote fallen

meist auf die bestrichene Seite, d. h., der Belag fällt in den Schmutz.

Wissenschaftlich wird dies manchmal mit der Fallhöhe, manchmal mit

dem Schwerpunkt des beschmierten Brotes erklärt, zuweilen sogar

mit der Wahr nehmung des Menschen – das Schlechte merkt man sich

eher.

zugehen wie in Buxtehude, wo die Hunde mit dem Schwanz bellen

die norddeutsche Stadt stand früh in süddeutschen Redensarten für

etwas Unwirkliches, da sehr weit Entferntes; dazu trug auch die in

Buxtehude spielende Fabel vom Hasen und dem Igel bei. Allerdings

bellen auch dort die Hunde mit dem Maul – die Redewendung bezieht

sich auf die „ Hunte“, die große Glocke, die mit dem Glockenseil (das an

seinem ausgefransten Ende einem Hundeschwanz ähnelt) zum Bellen,

d. h. Läuten, gebracht wird.

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den Gang nach Canossa antreten

sich demütig zeigen müssen, sich reuig unterwerfen;

bezieht sich auf den Bußgang König Heinrichs IV. zu Papst Gregor VII.

Im so genannten Investiturstreit um das Recht zur Einsetzung

von Bischöfen hatte der Papst den Kirchenbann über den Kaiser

verhängt. Als Heinrich schließlich 1077 im Büßergewand vor die

Burg Canossa zog, musste Gregor den Bann aufheben. Obwohl der

Gang nach Canossa als Demütigung gilt, erhielt der Kaiser dadurch

seine Handlungsfreiheit und Macht wieder und errang somit einen

politischen Sieg.

kein Chorknabe sein

nicht brav sein;

diese Redensart beruht auf dem Vorurteil, dass in einem Chor

singende Jungen ausgesprochen brav und wohlerzogen sein müssten.

nicht alle auf dem Christbaum haben

auch: nicht alle Lichter/Kerzen auf dem Christbaum haben

verrückt, schwachsinnig sein;

„nicht alle haben“ ist eine Verkürzung von „nicht alle seine Sinne

beisammen haben“ und steht auch in anderen Redensarten für

mangelnde Intelligenz. Licht ist dagegen von jeher Sinnbild für

Gelehrsamkeit und Intelligenz, daher kommen auch Wendungen wie

„eine Leuchte sein“.

seinen Claim abstecken

seine Ansprüche bekannt geben, sein Arbeitsgebiet festlegen;

in den USA ist ein „claim“ ein staatlicher Grundbesitz, auf dem sich

ein Siedler gegen Gebühr niederlassen darf; der Begriff bezeichnete

später die von den Goldsuchern als „Privatbesitz“ abgesteckten

Schürfgebiete.

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einen Clown zum Frühstück gegessen haben

auch: einen Clown zum Frühstück verspeist/gehabt haben

überdreht fröhlich oder witzig sein;

diese junge Redensart spielt mit der Ansicht „man ist, was man isst“ –

und wenn es ein Clown ist, wird man ebenso lustig.

Ein alter Mann ist doch kein D-Zug!

auch: Eine alte Frau ist doch kein D-Zug!

Nicht so schnell!

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts belegt: Der Ausruf ist ein Zitat aus

einem Soldatenlied des Ersten Weltkriegs.

eine aufs Dach bekommen

scharf getadelt werden; einen Schlag auf den Kopf bekommen;

beruht auf der althergebrachten Gleichsetzung des Hausdaches mit

dem Kopf – beide sind jeweils das oberste Teil. Ursprünglich auf den

Schlag auf den Kopf bezogen, wandelte sich die Redensart mit der

Zeit zum ohne Gewalt auskommenden Tadel.

etwas unter Dach und Fach bringen

etwas fertigstellen, zu Ende führen;

aus der Landwirtschaft: Die Redewendung bezieht sich auf das je nach

Wetterlage hektische Einbringen der Ernte in die trockene Scheune

(„Dach“), wo das Stroh oder Heu zwischen die tragenden Pfosten des

Gebäudes („Fächer“) geschichtet wurde.

etwas halten wie ein Dachdecker!

mach, wie du willst;

aus dem Handwerk: Dachdecker war schon immer ein gefährlicher

Beruf, vor der Erfindung von Kränen und anderen Maschinen

noch mehr als heute. So waren die Dachdecker früher die

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156

Handwerkergruppe, die kaum zu kontrollieren war, da sich der

Auftraggeber nicht auf das Dach hinaufwagte. Diese große Freiheit

hinsicht lich des Arbeitsrhythmus und Pensums ist gemeint, wenn man

heute zu jemandem sagt, er könne es mit einer Sache „halten wie ein

Dachdecker“.

einen Dachschaden haben

nicht ganz bei Verstand sein;

beruht wie viele Redensarten auf der Gleichsetzung des Hausdaches

mit dem menschlichen Kopf.

ein Damaskuserlebnis haben

auch: sein Damaskus erleben; seinen Tag von Damaskus erleben

sich von Grund auf ändern;

abgeleitet aus der Bibel: bezieht sich auf die Bekehrung des Apostels

Paulus. In der Apostelgeschichte (9,1–19) wird berichtet, wie

dem Saulus, der die Anhänger Christi verfolgt, in Damaskus Jesus

erscheint, ihn bekehrt und zu seinem Jünger macht. Fortan nennt

er sich nicht mehr Saulus, sondern Paulus. Daher kommt auch die

Redensart „vom Saulus zum Paulus werden“.

nicht auf dem Damm sein

nicht gesund, nicht im Vollbesitz der körperlichen Kräfte sein;

seit Mitte des 19. Jahrhundert belegt: Der Damm in dieser Redensart

ist nicht etwa der Wall zum Schutz vor Überschwemmun gen, sondern

der gepflasterte Fahrweg, auf dem man sicherer und besser vorankam

als auf unbefestigten Fußwegen. Daher kommt auch die Bezeichnung

Damm für Straße, z. B. Kurfürstendamm. Das Verlassen dieses Dammes

bedeutete ein Risiko für das Reittier bzw. das Fuhrwerk und das

Vorankommen wurde erheblich erschwerte.

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jemandem dämmert es

jemand beginnt etwas zu begreifen;

wie bei der Morgendämmerung die Landschaft langsam immer mehr

von der Sonne beleuchtet wird, so erhellt langsame Erkenntnis die

Gedanken desjenigen, dem es „dämmert“.

ein Damoklesschwert über sich hängen haben

auch: ein Damoklesschwert sein

von einer Gefahr bzw. dem Ende einer Glückssträhne bedroht sein;

aus der griechischen Mythologie: Damo kles, Diener am Hofe des

Herrschers von Syrakus, strebte nach Macht und wünschte sich auf

den Thron Dionysios’. Dieser gewährte ihm den Wunsch. Allerdings

hängte er zuvor über seinem Thron ein Schwert an einem Pferdehaar

auf, das jederzeit reißen und Damokles töten konnte. Damit

verdeutlichte er seinem Diener die Schattenseite der Macht – die

ständige Bedrohung durch Neider.

ein Danaergeschenkeine Gabe, die offensichtlich Vorteile verspricht, aber auch große

Risiken birgt;

aus der griechischen Mythologie: Unter den Trojanern, die sich „etwas

vom Pferd“ erzählen ließen und das Trojanische Pferd schließlich

in die Stadt holten, war Lao koon der einzige Warner vor diesem

„Danaergeschenk“. Man hörte nicht auf ihn, und das „gottgesandte“

Geschenk erwies sich als tödliche Falle.

einen grünen Daumen haben

gut in der Pflanzenpflege sein;

der Daumen ist der stärkste Finger der Hand und wird auch häufig

stellvertretend für diese genannt; die Redewendung bedeutet also

„ein Händchen“ für Pflanzen haben.

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einen kranken Daumen haben

arm, mittellos sein;

bezieht sich auf die Rolle des Daumens beim Zählen der Geldscheine.

Der Arme behauptet scherzhaft, sein Geld nicht aufgrund der Armut

nicht zu zählen, sondern nur deshalb nicht, weil sein Daumen

schmerze.

jemandem den Daumen aufs Auge drücken

jemanden (mit Gewalt) zu etwas zwingen;

aus dem Mittelalter: Die Drohung, ein Auge mit dem Daumen

auszudrücken, war eine Foltermethode, um jemandem ein Geständnis

abzuringen.

jemandem die Daumen drücken

jemandem Glück wünschen;

der Daumen als stärkster Finger steht in zahlreichen Redensarten

für die gesamte Hand. Bis heute ist die Geste üblich, die Hand von

jemandem, dem man Glück wünscht, aufmunternd zu drücken. Kann

man dies aufgrund der räumlichen Distanz nicht, so drückt man

stellvertretend sich selbst die Hand bzw. den Daumen.

Pi mal Daumenauch: Pi mal Schnauze

ungefähr;

aus der Mathematik abgeleitet: Die Kreiszahl Pi ist eine heute

auf über 1,2 Billionen Stellen nach dem Komma festgelegte

mathematische Größe, deren Exaktheit in der Redewendung in

Kontrast zu dem „Über-den-Daumen-Peilen“ gesetzt wird – sodass

das Ergebnis dieser Rechenoperation nur eine grobe Schätzung sein

kann.

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über den Daumen gepeilt

ungefähr, als grobe Schätzung;

bezieht sich auf die Geste des Anvisierens einer markanten

Geländestelle über den Daumen, wodurch Entfernungen grob

abgeschätzt werden können.

jemandem die Daumenschrauben anlegen

jemanden mittels (moralischer) Erpressung zu etwas zwingen;

aus dem Mittelalter: Kleine Schraubstöcke, in die die Daumen

eingelegt und langsam zerquetscht wurden, waren ein

mittelalterliches Folterinstrument.

jemandem fällt die Decke auf den Kopf

jemand fühlt sich eingesperrt, hält es im Zimmer nicht mehr aus;

dieses eher scherzhaft verwendete Bild zeigt eine unrealistische

Situation, um darzustellen, dass ein Raum, eine Wohnung zu eng oder

langweilig ist.

sich nach der Decke strecken

seinen finanziellen Verhältnissen entsprechend leben;

seit dem 13. Jahrhundert belegt: bezieht sich nicht etwa auf die Decke

eines Raumes, sondern auf die Bettdecke. Wer eine große, lange Decke

hat, der kann sich ungehindert ausstrecken, wer sich hingegen nur

eine kleine leisten kann und doch nicht frieren will, der muss seine

Füße anziehen.

unter einer Decke stecken

in geheimem Einverständnis mit jemandem sein/agieren;

aus dem Mittelalter: Die Decke, insbesondere jene im Ehebett, hatte

im mittelalterlichen Recht große Bedeutung. Erst wenn beide Partner

vor Zeugen den so genannten Bettsprung vorgenommen hatten, also

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gemeinsam ins Bett stiegen und unter einer Decke lagen, galt die Ehe

als rechtskräftig.

jemandem eins auf den Deckel geben

jemanden scharf tadeln, zurechtweisen;

„Deckel“ ist hier eine spöttische Bezeichnung für einen (hässlichen)

Hut; wer jemandem eines auf diesen gibt, der schlägt ihn (wenigstens

verbal) auf den Kopf.

unter dem Deckmantel des ...

bezeichnet die Tarnung eines anrüchigen Vorgangs oder die

Verhüllung der wahren Absichten;

aus dem Mittelalter: Fürsten hatten früher ein Begnadigungsrecht. Als

sichtbares Zeichen der Begnadigung und des Schutzes legten sie dem

Betroffenen ihren Mantel um – sie nahmen ihn unter ihren Deckmantel.

etwas deichselnetwas geschickt meistern;

seit dem 19. Jahrhundert belegt: Die Deichsel ist die Zugstange eines

Karrens, an dem die Pferde (heute die Zugmaschine) befestigt werden;

wer etwas „deichselt“, ist also in der Lage, die Entwicklung von etwas

zu lenken und zu regulieren.

über den Deister gehen

kaputtgehen, sterben;

diese Redewendung ist die norddeutsche Entsprechung des

gebräuchlicheren „über den Jordan gehen“ und bezieht sich

vermutlich auf die zahlreichen, auf dem Gebirgszug bei Hannover

befindlichen vorgeschichtlichen Hügelgräber.

jemandem einen Denkzettel verpassen

eine zum Nachdenken auffordernde Strafe zukommen lassen; eine

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unangenehme Erfahrung bereiten, die auf einen Fehler folgte;

für diese Redewendung gibt es mehrere mögliche Quellen: So existiert

im Mittel hochdeutschen das Wort „denkcedel“ für eine Vorladung.

Erhielt man diesen, so musste man sein Verhalten der Vergangenheit

wohl überdenken. Eventuell stammt die Redewendung auch aus dem

16. Jahrhundert, als man Schüler, die gegen die Regeln verstießen,

durch einen um den Hals gehängten Brief mit Auflistung der

Fehltritte kenntlich machte. Auch bei Luther findet sich der Ausdruck

„Denkzettel“ für die mit Bibelsprüchen beschrifteten Papierstreifen,

die sich Juden beim Morgengebet in zwei Kapseln an die Stirn binden.

keinen Deut besser sein als ...

kein bisschen besser;

heute hieße diese Redensart genauer „ keinen Cent besser sein als“,

denn Deut (Duit) war früher der Name der kleinsten nieder ländischen

Münze. Diese Benennung wiederum entwickelte sich etymologisch

aus dem altnordischen Wort für ein kleines, abgetrenntes Stück von

etwas – also etwas sehr Geringes, das vernachlässigt werden darf.

keinen Deut wert sein

nicht wert sein;

ein Deut oder Duit war eine vom 14. bis zum Ende des 18.

Jahrhunderts geprägte niederländische Münze. Sie war anfangs aus

Silber, dann reduzierte man nach und nach den Silbergehalt und

ersetzte das Edel metall durch ein billigeres Material; schon ab 1573

bestand sie nur noch aus Kupfer und hatte nur geringen Wert. Wie die

Münze kommt auch die Redensart aus dem Niederländischen.

mit jemandem deutsch reden

jemandem klar und offen die Meinung sagen;

aus dem 15. Jahrhundert: Damals verwendete man die Redensart

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noch im wörtlichen Sinne, nämlich Deutsch im Gegensatz zum im

Mittelalter und in der frühen Neuzeit als Gelehrtensprache üblichen

Latein, das für das „gemeine Volk“ unverständlich war.

nicht ganz dicht sein

(ein bisschen) verrückt sein;

diese umgangssprachliche Redensart spielt auf die intellektuell noch

nicht ausgereiften und „undichten“, d. h. in die Windel urinierenden

Babys an.

mit jemandem durch dick und dünn gehen

jemandem sehr vertrauen;

ursprünglich „durch dicht und dünn“, was bedeutete, mit jemandem

so eng verbunden zu sein und ihm so sehr zu vertrauen, dass man mit

ihm durch dichtes Gestrüpp oder gefährliche Engstellen gehen würde.

sich mit etwas dicke machen

angeben, prahlen;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: eigentlich sich dicker machen, „sich

aufblasen“, sich größer machen, als man eigentlich ist. Wer seine

eigene Bedeutung in einer Angelegenheit übertreibt, der macht sich

im übertragenen Sinne dick.

guter Dinge sein

gute Laune haben, optimistisch sein;

aus dem Mittelalter: Im Mittelhochdeutschen existierte das Wort

„gedinge“, das in etwa Hoffnung bedeutete.

jemanden dingfest machen

jemanden in Gewahrsam nehmen;

aus dem Altgermanischen: „Ding“ ist eine Aussprachevariante des

Things, des germanischen Gerichts. Wurde jemand eines Vergehens

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angeklagt, so wurde er „dingfest“ gemacht, d. h., er wurde für die

Anhörung vor dem Thing festgenommen.

jemandem einen Dolchstoß versetzen

jemanden in den Rücken fallen;

weit verbreitet durch die so genannte Dolch stoßlegende, die in

der Zwischenkriegszeit gestreut wurde. Sie besagte, dass das „im

Felde unbesiegte Heer“ durch rote Propaganda quasi „von hinten

erdolcht“ worden und die Niederlage im Ersten Weltkrieg den Linken

zuzuschreiben sei.

Donner und Doria!

Ausruf größten Erstaunens;

aus Friedrich Schillers „Die Verschwörung des Fiesco zu Genua“: Das

zweite vollendete – und heftig kritisierte – Drama Schillers (Premiere

1782) handelt von der Genueser Verschwörung des Giovanni Luigi de

Fieschi gegen Andrea Doria, den altehrwürdigen Dogen von Genua.

einen Ruf wie Donnerhall haben

bekannt/berühmt/berüchtigt sein;

aus dem Lied „Die Wacht am Rhein“ von Max Schneckenburger

(1840): In dem nationalistischen Lied heißt es: „Es braust ein Ruf wie

Donnerhall / wie Schwertgeklirr und Bogenprall, / zum Rhein, zum

Rhein, zum deutschen Rhein [...].“

Zum Donnerwetter!

Verflucht!

Diese Redensart stellt eine Kurzform des Wunsches „da möge ein

Donnerwetter dreinschlagen“ dar und bezieht sich auf die Hoffnung,

Gott werde für ausgleichende Gerechtigkeit sorgen und den Grund

des Fluches vom Blitz treffen lassen.

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doppelt gemoppelt

(unnötig) zweimal;

scherzhafte Wendung, in der die Verdopplung schon in der

Doppelgliedrigkeit des Ausdrucks zum Vorschein kommt. Das Wort

„moppeln“ bedeutet verknüpfen, verbinden.

ein alter Dracheneine herrschsüchtige Frau;

aus der Mythologie: Der Drache als Feuer spuckendes Ungeheuer mit

Giftzähnen stammt aus dem Volksglauben und findet sich in vielen

Kulturen.

auf Draht sein

informiert sein, immer eine Antwort oder Lösung parat haben;

aus der Kommunikationstechnik: In der Frühzeit der

Fernkommunikation wurde noch fast ausschließlich „gedrahtet“, d. h.,

Meldungen wurden über die Kupferkabel der Telegrafenleitungen

von Amt zu Amt versendet. Jemand, der „auf Draht“ war, hatte also als

Erster Zugang zu Neuigkeiten und wichtigen Informationen.

einen guten Draht zu jemandem haben

sich mit jemandem gut verstehen;

aus der Technik: Der „Draht“ steht für die Übermittlungsleitung von

Telegrammen, über die vor Erfindung des Telefons Neuig keiten am

schnellsten ausgetauscht wurden.

„Der Draht ist abgerissen, welcher uns mit Russland verbunden hat.“

(Bismarck, 1891)

einen Drahtseilakt vollführen

gefährliches oder schwieriges Unterfangen ausführen bzw. meistern;

aus dem Zirkus: Wenige Zirkusnummern waren früher so gefährlich

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für den Artisten wie das Balancieren auf einem gespannten Drahtseil

unter der Zirkuskuppel.

Dreck am Stecken haben

etwas auf dem Gewissen haben; etwas Verwerfliches, Kriminelles

getan haben;

aus dem 19. Jahrhundert: Wer durch den Schmutz gegangen ist, der

kann sich die Schuhe noch so sauber abgeputzt haben, der Dreck an

seinem Stecken, also dem Wanderstab, bleibt haften und wird ihn

verraten.

den richtigen Dreh rauskriegen

auch: auf den Dreh kommen

geschickt sein, Wissen über eine bestimmte Vorgehens- oder

Funktionsweise erwerben;

diese Redewendung besitzt sprachgeschichtlich denselben Ursprung

wie der Ausdruck „jemandem etwas andrehen“. Gemeint ist eine

unlautere Handelspraxis, das Täuschen beim Verkauf einer Sache. Wer

„den richtigen Dreh raus“ hat, der kennt eine zum Erfolg führende List.

Heute besitzt die Redensart keinen negativen Beigeschmack mehr.

Man kann es drehen und wenden, wie man will ...

es bleibt eine Tatsache, dass ...;

bezieht sich auf das genaue Betrachten eines Gegenstandes von allen

Seiten, das den Gegenstand an sich aber nicht verändert.

das gibt Dreschedafür wirst du geschlagen;

aus der Landwirtschaft: Diese umgangssprachliche Redewendung

bezieht sich auf den Vorgang des Getreidedreschens mittels eines

Dreschflegels. Das Bild, wie mit großer Kraft auf einen Gegenstand

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eingeschlagen wird, wurde auf den zwischenmenschlichen Bereich

übertragen.

eine Drohkulisse aufbauen

mit etwas drohen;

aus der Theatersprache abgeleitet: Während jedoch im Theater eine

Kulisse aus leeren Hülsen und Pappaufbauten besteht, sollte man

einer (meist politischen) Drohkulisse lieber Glauben schenken.

ein Drückebergerjemand, der sich vor seinen Verpflichtungen „drückt“;

aus dem 19. Jahrhundert: eine scherzhafte Parallelbildung zu

Städtenamen – auch ein Nürnberger kann ein Drückeberger sein. „Sich

drücken“ im Sinne von abhauen, davonlaufen ist schon früher belegt.

am Drücker sitzen

entscheidenden Einfluss haben;

„Drücker“ bezieht sich in dieser Redensart auf die Türklinke bzw. den

Knauf zum Öffnen des Türverschlusses. Wer an diesem Drücker saß,

der hatte ursprünglich die Macht darüber, zu entscheiden, ob jemand

vorgelassen wurde oder nicht.

dumm wie Bohnenstroh

sehr dumm;

aus dem 19. Jahrhundert: „Bohnenstroh“, also getrocknete

Bohnenranken, wurde von sehr armen Leuten in Ermangelung von

echtem Stroh als Matratzenersatz verwendet. Wer so arm war, der war

meist auch ungebildet, also eben dumm wie das Bohnenstroh, auf

dem er sich betten musste. Bei der Redensart könnte es sich allerdings

auch um eine „Verballhornung“ von „dumm wie ein Bund Stroh“

handeln.

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die Dummheit mit Löffeln gegessen haben

auch: die Dummheit mit dem Löffel gegessen/gefressen haben

sehr dumm sein;

eine scherzhafte Abwandlung der Wendung „die Weisheit nicht mit

Löffeln gegessen haben“.

völlig im Dunkeln tappen

keine Ahnung haben;

aus der Bibel: Das Tappen (Gehen auf Zehenspitzen) in völliger

Finsternis ist eine sehr unangenehme Situation; selten fühlt sich der

Mensch hilfloser und verletzlicher. Wohl aus diesem Grund droht Gott

dies als Strafe an, falls sich das Volk Israel nicht an seine Gebote hält:

„Du wirst tappen am Mittag, wie ein Blinder tappt im Dunkeln, und

wirst auf deinem Weg kein Glück haben und wirst Gewalt und Unrecht

leiden müssen dein Leben lang.“ (5. Mose 28,29)

(wegen etwas) durchdrehen(wegen etwas) verrückt werden, sich über etwas furchtbar aufregen;

aus der Technik: Bei einer Maschine dreht etwas durch, wenn

bestimmte Teile nicht richtig ineinandergreifen. Dieses Bild wurde auf

den psychischen Zustand eines Menschen übertragen.

durchfalleneine Prüfung nicht bestehen;

aus der Schüler- und Studentensprache, geht jedoch zurück auf

einen mittelalter lichen Rechtsbrauch. Damals war es üblich, einen

Übeltäter in einem Korb öffentlich aufzuhängen und so anzuprangern.

Irgendwann wurde dann der Boden des Korbs geöffnet, der Verurteilte

„fiel durch“ und zum Gaudium der Anwesenden „ins Wasser“. Er hatte

dann seine Strafe verbüßt.

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etwas durchfechtensich durchkämpfen, seine Meinung mit Nachdruck durchsetzen;

aus dem 16. Jahrhundert: bedeutete ursprünglich, sich mit dem

Degen oder dem Säbel durch die feindlichen Reihen einen Weg

zu schlagen, wird aber seit dem 19. Jahrhundert nur mehr im

übertragenen Sinne für den Kampf mit dem Wort gebraucht.

jemandem etwas durchgehen lassen

jemanden mit etwas gewähren lassen;

aus der Reiterei: Zuweilen lässt auch der beste Reiter sein Pferd

„durchgehen“, d. h. in überhöhtem Tempo galoppieren, obwohl er

dabei die gute Ausbildung des Pferdes und die Kontrolle über sein

Reittier aufs Spiel setzt – da die Geschwindigkeit einfach Spaß macht.

etwas durchsickern lassen

auch: etwas durchblicken lassen

etwas andeuten;

wenn z. B. ein wenig Fleischsaft durch das Papier sickert, in das die

Ware eingeschlagen ist, so bekommen andere eine Ahnung, was man

in diesem Papier hat.

eine kalte Duscheein unerwarteter Dämpfer;

meint wohl einen nicht vorhergesehenen, unangenehm kalten

Regenguss während des Aufenthalts im Freien.

Dusel haben

Glück haben;

aus dem Niederdeutschen: Ursprünglich bedeutete „Dusel“ eine Art

Rausch- oder Dämmerzustand; in diesem Sinn wird es auch heute

noch z. B. in „im Dusel etwas tun“ verwendet. Die Übertragung

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zur Bedeutung „Glück“ entstammt eventuell der Vorstellung des

„Glückstaumels“ bzw. eines Zustands, in dem man „trunken vor Glück“

ist.

kein Echo finden

keine Unterstützung, keinen Zuspruch finden;

das Echo, das jemand sich wünscht, ist ein Zurückschallen derselben

Begeisterung, die er für eine Sache oder eine Idee aufbringt.

um drei Ecken miteinander verwandt

entfernt verwandt;

beschreibt ein Verwandtschaftsverhältnis, dass auch im Stammbaum

sehr verwinkelt, also über Eck dargestellt würde.

ein getreuer Eckart sein

ein alter, erfahrener, treuer Begleiter und Warner;

aus dem Mittelalter: Eckart ist eine der ältesten Gestalten der

germanischen Heldensage. Er tritt als Hüter der jungen Harlunge, als

Berater Dietrichs von Bern und auch im Nibelungenlied auf, wo er

die Burgunder vor der Fortsetzung ihrer in den Untergang führenden

Fahrt warnt. Seine weit über das übliche Maß hinausgehende Treue

wird schon in den erwähnten Quellen betont.

ein Eckpfeiler sein

ein tragendes Element sein;

aus der Architektur: bezieht sich auf einen Menschen, der bei einer

Unternehmung unverzichtbar ist.

etwas aus dem Effeff beherrschen

eine Sache vorzüglich beherrschen;

mehrere mögliche Erklärungen: In der Kauf mannssprache bezeichnet

f (fino) feine Waren, ff steht für sehr fein (finissimo). Wer also etwas

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aus dem Effeff beherrscht, kann es sehr fein. Eine andere Erklärung

geht auf die Pandekten (auch Digesten, eine Sammlung altrömischer

Rechtsgrund sätze) zurück, die man im Mittelalter mit dem Zeichen

ff abkürzte. Das „ff“ entstand vermutlich aus dem griechischen Pi für

pandectae. Eine andere Herleitung führt es auf ein durchgestrichenes

D für Digesten zurück. Mittelalterliche Juristen mussten diese Texte

besonders gut kennen, also „aus dem Effeff beherrschen“. Nach einer

anderen Auffassung geht die Herkunft dieser Wendung noch weiter

zurück, nämlich auf das lateinische „ex forma, ex functione“; wer etwas

nicht nur „der Form nach“ erklären, sondern auch „der Funk tion nach“

bedienen kann, der beherrscht es aus dem Effeff.

jemandem die Ehre abschneiden

jemanden diskreditieren;

es ist heute nicht mehr genau nachvollziehbar, was jemandem als

Zeichen des Ehrverlustes abgeschnitten wurde; man denke aber z. B.

an die Praxis, Häftlingen den Kopf zu rasieren.

etwas für einen Appel und ein Ei kaufen

sehr billig einkaufen;

Äpfel und Eier stehen hier für alltägliche, massenhaft vorhandene und

damit relativ wertlose Güter. Die Redewendung stammt aus einer Zeit,

da sich die meisten Menschen noch mit kleinen landwirtschaftlichen

Betrieben selbst versorgten und nicht viel besaßen – aber Apfelbäume

und Hühner gab es immer.

etwas ist nicht das Gelbe vom Eietwas ist mangelhaft, unvollkommen;

das Eigelb gilt als wertvollster Bestandteil des Eies. Da es angeblich

eine stärkende Wirkung besitzt und besser schmeckt als das Eiweiß, ist

alles am Ei, was nicht „das Gelbe“ ist, weniger wert.

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etwas wie ein rohes Ei behandeln

auch: jemanden wie ein rohes Ei behandeln

mit etwas/jemandem sehr vorsichtig umgehen;

Eier in Redewendungen stehen oft bildhaft für sehr Fragiles, das mit

äußerster Vorsicht gehandhabt werden muss.

wie aus dem Ei gepellt sein

sehr ordentlich und sauber auftreten;

aus dem Tierreich: Diese Redensart bezieht sich auf das flauschige,

saubere Gelb eines eben geschlüpften und bereits getrockneten

Kückens.

sich um ungelegte Eier kümmern

sich mit Dingen beschäftigen, die noch nicht geschehen sind oder

einen nichts angehen;

da die Zahl der Eier, die eine Henne legen wird, nie vorherzusehen

ist, ist es überflüssig, sich um diese ungelegten Eier zu sorgen. Die

Redewendung weist also darauf hin, dass unvorhersehbare Einflüsse

alle Zukunftsplanungen über den Haufen werfen können.

wie auf Eiern gehen

sehr vorsichtig gehen;

Eier kommen in zahlreichen Redewendungen vor. Sie stehen von jeher

für Zerbrechliches, mit dem man sehr vorsichtig umgehen muss, da

niemand den rohen Inhalt an den Händen oder – wie in diesem Fall –

Füßen haben möchte.

noch die Eierschalen hinter den Ohren haben

noch unreif sein;

aus dem Tierreich: Frisch geschlüpften Kücken kleben oft noch

Schalenstücke am Gefieder, bis dieses trocken ist.

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einen Eiertanz aufführen

auch: einen regelrechten Eiertanz aufführen

(über-)vorsichtig oder sehr umständlich vorgehen, um nichts zu

verderben;

ungeklärt: Eine berühmte Fundstelle des Begriffes ist Goethes

„Wilhelm Meisters Lehrjahre“, worin Mignon den hochartistischen

„Eiertanz“ vorführt, der sich als Fandango, also spanischer Tanz

afrikanischen Ursprungs, erweist. Vermutlich ist die Benennung jedoch

nicht Goethes Erfindung.

im Eimer sein

fehlerhaft, unbrauchbar sein;

bezieht sich auf den Abfalleimer, in dem etwas Unbrauchbares landet.

weder ein noch aus wissen

auch: nicht mehr ein und aus wissen

keine Lösung sehen, in höchster Not keinen Ausweg mehr finden;

aus der Bibel: Die ursprüngliche Bedeutung zielt eher in Richtung „naiv

sein, nicht viel wissen, wenig Erfahrung besitzen“. “

etwas einbimsenetwas immer wieder üben/lernen;

bezieht sich auf den Bimsstein, mit dessen Hilfe sehr schmutzige

Hände durch Reiben gereinigt wurden – eine langwierige und

zuweilen schmerzhafte Angelegenheit.

jemandem etwas einbläuenauch: jemandem etwas einbleuen

jemanden etwas durch stetiges Wiederholen, durch rabiate Methoden

lehren;

aus dem Mittelhochdeutschen: „ Einbleuen“ stammt von dem Wort

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„bliuwen“ ab, das so viel wie „schlagen“ bedeutet und sich darauf

bezieht, dass Lehrer in Zeiten der Prügelstrafe häufig noch Gewalt

anwendeten, um den Kindern etwas beizubringen. Die heute

gängigere Schreibweise „einbläuen“ kommt allerdings vom Handwerk

der Färber. Sie mussten Stoffe wieder und wieder einbläuen, um dem

Stoff eine satte blaue Farbe zu geben.

sich die Suppe selbst einbrockenauch: sich etwas einbrocken; die Suppe auslöffeln (müssen), die man sich

eingebrockt hat

selber an etwas schuld sein;

hat seinen Ursprung in früheren Essgewohnheiten. Einfache Leute

aßen häufig Suppe mit Brot. Sie wurde, wie andere Gerichte auch,

oft gemeinsam aus einer Schüssel gegessen, das Brot aber brockte –

heute würde man sagen bröckelte – sich jeder selbst in seine Suppe

und musste es dann wieder herauslöffeln.

jemanden einbuchtenjemanden in das Gefängnis bringen;

allgemein ist eine Bucht ein dreiseitig begrenzter Ort – sei es ein an

drei Seiten von Land umgebenes Stück Meer, sei es ein Koben für

Schweine. Wird jedoch jemand „eingebuchtet“, dann dürfte er eher in

allen Richtungen von dicken Mauern umgeben sein.

etwas hat sich eingebürgertetwas ist ganz üblich geworden;

aus dem nationalen Recht: vergleicht einen Brauch oder Ausdruck, der

immer üblicher und anerkannter wird, mit einem Menschen aus einem

anderen Land, der das Recht zum dauerhaften Aufenthalt erhalten hat.

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es geht ans Eingemachtees wird ernst, es geht an die Reserven;

vor der Erfindung des Gefrierschranks waren die Möglichkeiten,

Nahrungsmittel zu konservieren, begrenzt; Obst konnte nur

eingemacht, d. h. in Zucker eingekocht, haltbar gemacht werden. Das

Eingemachte wurde im Winter gegessen, wenn keinerlei frisches Obst

mehr zur Verfügung stand.

jemandem tüchtig einheizenjemanden antreiben (indem man ihm Angst einjagt);

aus dem Mittelalter: Ähnlich der Wendung „Feuer unter dem Hintern

machen“ bezieht sich diese Redensart auf das Fegefeuer, das früher als

bedrohliche Folge der Sünde jedem Gläubigen stets bewusst war. Wer

jemandem einheizte, erinnerte ihn an die Qualen des Verbrennens.

jemanden einnordenjemanden zurechtweisen, jemandem die Mei nung sagen;

dieser sehr junge umgangssprachliche Ausdruck stammt aus dem

Umgang mit Karte und Kompass. Eine Karte wird eingenordet, indem

man einen Kompass auflegt und sie mit diesem so lange dreht, bis der

„Kartennorden“ mit der realen Nordrichtung übereinstimmt.

etwas einpaukenetwas durch stete Wiederholung lernen;

die Redensart geht vermutlich auf den monotonen Klang der

Rhythmus gebenden Pauke zurück; ähnlich monoton werden beim

„Einpauken“ z. B. Vokabeln immer wieder gelesen.

wie eine Eins dastehen

aufrecht stehen/sitzen;

diese Redewendung entwickelte sich vermutlich aus dem Bild, das

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eine geschriebene Eins ergibt: ein lang gestreckter, sehr gerader

Aufstrich; der kleine schräge Abstrich könnte als Kopf gedeutet

werden. Wer „wie eine Eins dasteht“, kann aber auch (seltener) wie ein

Gewinner wirken.

jemanden einseifenjemandem schmeicheln, schöntun (um ihn zu etwas zu bringen);

spielt auf das angenehme Gefühl an, wenn man im Bad von

Seifenschaum umgeben ist.

jemanden einwickelnjemanden für etwas gewinnen, mit List/durch Schmeichelei zu etwas

bringen;

entwickelte sich aus der bereits im 15. Jahrhundert üblichen Wendung

„etwas einwickeln“ für: „eine Sache, einen Sachverhalt schönfärben“ –

und wer die Schönfärberei glaubte, ließ sich einwickeln.

jemanden auf Eis legen

jemanden vormerken für spätere Aufgaben, aber aktuell nicht

heranziehen;

geht zurück auf das „Auf-Eis-Legen“ von verderblichen Lebensmitteln,

die so länger frisch bleiben und erst später zum Verzehr wieder

aufgetaut werden.

sich auf dünnes Eis begeben

auch: sich auf dünnes Eis wagen; sich auf dünnem Eis bewegen

ein Risiko eingehen, viel wagen;

bezieht sich auf das hohe Einbruchrisiko von Eissportlern oder

Eisfischern am Anfang des Winters, wenn das Eis auf Gewässern noch

nicht sehr dick ist.

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ein heißes Eisen anfassen

eine delikate Angelegenheit anrühren, ansprechen;

aus dem Mittelalter: bezieht sich wie „die Hand ins Feuer legen“ auf

eine schon im 12. Jahrhundert belegte Form des Gottesgerichts: Der

Angeklagte musste ein glühendes Eisen anfassen; daran, wie schnell

oder langsam seine Wunden verheilten, wurde seine Unschuld bzw.

Schuld abgelesen.

zum alten Eisen gehören

auch: zum alten Eisen zählen

ausgedient haben, nicht mehr gebraucht werden (über Menschen);

aus dem Schmiedehandwerk: Da sich nur heißes Eisen bearbeiten

lässt, wird erkaltetes Material auf einen Haufen alten bzw. kalten

Eisens geworfen, das später wieder erhitzt und neu geformt wird.

Es ist höchste Eisenbahn!

diese umgangssprachliche Redewendung ist ein Zitat aus dem Stück

„Ein Heiratsantrag in der Niederwallstraße“ von Adolf Glaßbrenner

aus dem Jahr 1847 und geht auf einen Wortverdreher der Hauptfigur,

des Briefträgers Bornike, zurück, der die Post vom Leipziger Zug

hätte abholen sollen: „Herrjesses Leipzig! [...] Es ist die allerhöchste

Eisenbahn, die Zeit ist schon vor drei Stunden anjekommen!“

jemand benimmt sich wie ein Elefant im Porzellanladen

ungeschickt, tollpatschig sein;

diese Redewendung geht nicht auf das tatsächliche Verhalten des

Elefanten zurück, der sehr vorsichtig und umsichtig ist, sondern

zeichnet nur ein Bild, das sich Menschen, die nicht mit echten

Elefanten zu tun haben, als Katastrophe vorstellen.

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in seinem Element sein

seine Fähigkeiten voll entfalten können, sich wohlfühlen;

aus der Antike: Nach der Vier-Elemente-Lehre des griechischen

Philosophen Empedokles besteht alles Sein aus den vier

Grundelementen Feuer, Wasser, Luft und Erde. Aus ihnen setzt sich

auch der Mensch zusammen, dessen Charakter durch die jeweilige

Mischung der Elemente bestimmt wird. Auch wenn wir heute weit

über hundert Elemente kennen, so hat sich doch die alte Vorstellung

erhalten. Sie findet sich auch in der Wendung vom „Fisch auf dem

Trockenen“ wieder, der eben nicht in seinem Element ist.

ein Häufchen Elend sein

in einem jämmerlichen Zustand sein;

nicht genug, dass jemand aussieht wie das Elend, in dem er sich

befindet – er ist nicht einmal mehr ein Haufen, sondern aufgrund der

überwältigenden Sorgen/Probleme/Ängste etc. nur noch ein kleines

Häufchen.

im Elfenbeinturm sitzen

realitätsfern sein, sich von der Welt abgehoben fühlen;

aus der Bibel: Der „Elfenbeinturm“ ist nicht nur der Wohnsitz der

Kindlichen Kaiserin in Michael Endes Roman „Die unendliche

Geschichte“. Heute werden v. a. Wissenschaftler, die an der Realität

vorbeileben und -arbeiten, als „im Elfenbeinturm lebend“ bezeichnet.

die Ellbogen gebrauchen

auch: die Ellenbogen gebrauchen

sich mittels Gewalt bzw. grober Methoden rücksichtslos durchsetzen;

diese Redewendung verwendet das Bild einer Person, die sich mit

abgespreizten Ellbogen, die anderen wegdrängend oder zur Seite

boxend, ihren Weg bahnt.

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eine Ellbogengesellschafteine rücksichtslose, unsoziale Gesellschaft;

wenn nicht nur Einzelne, sondern die Mehrheit der Menschen „die

Ellbogen gebrauchen“, also rücksichtslos vorgehen und damit Erfolg

haben, dann spricht man von einer Ellbogengesellschaft.

wie eine Elster stehlen

alles, was glänzt und wertvoll aussieht, mitgehen lassen; einen

inneren, unkontrollier baren Trieb zum Diebstahl haben;

aus dem Tierreich: Der schwarzweiße Rabenvogel steht seit

Jahrhunderten im Ruf, eine besondere Vorliebe für glänzende

Gegenstände wie z. B. Silberlöffel zu haben und diese in seinem

Nest zu horten. Obwohl dieses Verhalten in der Realität nicht zu

beobachten ist, wurde die Redensart geprägt, die dieses Gerücht

weiter aufrechterhält.

nicht von schlechten Eltern sein

ziemlich gut sein;

aus der Genealogie: Wer gute Eltern hat – z. B. ein Rennpferd mit guter

Abstammung –, lässt die Hoffnung entstehen, selbst ein Champion zu

werden.

bis ans Ende der Zeiten

ewig, immer;

aus der Bibel: In heutigen Übersetzungen heißt es meist: „Ich bin bei

euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ (Matthäus 28,20)

Lieber ein Ende mit Schrecken ...

lieber an den Folgen einer schnellen Beendigung leiden, als eine

bestehende Situa tion weiter ertragen zu müssen;

aus der Bibel: Diese heute alltäglich verwendete Redewendung war

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ursprünglich die Antwort auf die Klage eines Psalmisten, warum

Gottlose in Reichtum und Wohlstand leben, während er selbst

tugendhaft, aber arm ist. In Psalm 73,18–19 antwortet er, dass die

Gottlosen auf unsicherem Boden stehen: „Wie werden sie plötzlich

zunichte! Sie gehen unter und nehmen ein Ende mit Schrecken.“ Um

diese Wahrheit zu unterstreichen, wurde später der zweite Halbsatz

angefügt, der aus einer Umkehrung des Bibelzitates entstand: „... als

ein Schrecken ohne Ende.“

mit seinem Latein am Ende sein

nicht mehr weiterwissen;

aus dem Mittelalter: Die verschiedenen deutschen Dialekte waren

früher die Sprache des niederen Volkes; die Gelehrten unterhielten

sich – auch, um nicht vom Volk verstanden zu werden – in lateinischer

Sprache. Damit wurde Latein rasch zum Synonym für Bildung,

Wissenschaft, Weisheit. Wenn jemand also mit seinem Latein am Ende

war, so fehlte ihm weiteres Wissen.

die Engel im Himmel singen hören

von heftigem Schmerz betäubt sein;

beruht auf der Vorstellung eines Chores oder Orchesters aus Engeln,

das die Verstorbenen im Himmel empfängt. Diese wiederum

geht neben der Bibel (Matthäus 24,31) auch auf die antike

Sphärenharmonie zurück.

ein gefallener Engel sein

Schuld auf sich geladen haben;

aus der Religion: Nicht nur im Christentum, auch im Islam gibt es

„gefallene Engel“, die nach Gottgleichheit strebten, übermäßigen Stolz

zeigten oder der Lust nachgaben und daher aus den himmlischen

Heerscharen verstoßen wurden.

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wie mit Engelszungen reden

jemanden durch Zureden von etwas überzeugen (wollen);

aus der Bibel: Diese Redewendung ist eine weitere, die als

direktes Bibelzitat in die Alltagssprache einging und dort einen

Aussagewandel erfuhr. So steht im Brief des Apostels Paulus an die

Korinther: „Wenn ich mit Menschen- und mit Engels zungen redete und

hätte die Liebe nicht, so wäre ich ein tönendes Erz oder eine klingende

Schelle.“ Damit ist mit den Engelszungen hier nur süßliches Gerede

gemeint, das wenig Fundament hat. Heute beschreibt man mit dieser

Redewendung ein durchaus sinnhaltiges, aufrichtiges und trotzdem

folgenloses Einreden auf einen Menschen.

nicht die feine englische Art sein

sich unhöflich/unfair benehmen;

den Bürgern Großbritanniens wird seit Langem eine sehr konservative,

zuweilen stocksteife, im positiven Sinne aber ausgesprochen

beherrschte und höfliche Art (Verhaltensweise) nachgesagt:

sich wegen etwas entrüstenaußer sich geraten, zornig sein;

aus dem Mittelalter: Legte der Ritter seine Rüstung ab, so „entrüstete“

er sich. Nun konnte er sich endlich frei bewegen und war nicht mehr

zu einer steifen, korrekten Haltung gezwungen. Vermutlich darauf

weist der Ausdruck „sich entrüsten“ hin: dass jemand aus Wut Haltung

und Selbstkontrolle vergisst.

ein Erbsenzählerein Pedant;

geht auf ein ähnliches Bild zurück wie der Ausdruck „Korinthenkacker“.

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jemandem hat es die Ernte verhagelt

jemand hat eine große Enttäuschung/einen Misserfolg erlebt;

aus der Landwirtschaft: Das Einbringen der Ernte war schon immer

abhängig vom Glück in Form des Wetters. Wenn ein Bauer großes Pech

hatte, hagelte es kurz vor dem Ernten – und das reife Getreide wurde

im letzten Moment zerstört.

eine Eroberung machen

die Liebe eines Menschen erobern; eine Sache erobern;

eine „Eroberung“ ist die Aneignung von Ländern, Städten oder Beute

gegen die Widerstände des Angegriffenen. Fürsten kämpften früher

häufig nicht nur um Ländereien, sondern auch um die Gunst ihres

Volkes, also um die positive Gesinnung im Herzen der Bürger.

auf etwas erpicht sein

begierig auf etwas sein;

aus dem 16. Jahrhundert: bedeutete eigentlich „wie mit Pech an

etwas festgeklebt sein“. Die Wendung bezieht sich auf die Technik des

Vogelfangs mit Leimruten, von der sich zahlreiche andere Redensarten

herleiten, z. B. „jemandem auf den Leim gehen“.

völlig erschossen sein

auch: sich ganz erschossen fühlen

völlig müde, fix und fertig, am Ende sein;

aus dem 19. Jahrhundert: Ursprünglich lautet die Redensart

„erschossen wie Robert Blum“. Robert Blum (1807–48), Abgeordneter

der Frankfurter Nationalversammlung, beteiligte sich aufseiten der

Aufständischen am Wiener Oktober aufstand 1848 und wurde von den

kaiserlichen Truppen standrechtlich erschossen. Aus der Volksweise

„Erschossen ist dein Robert, dein treuer Robert Blum“ entwickelte sich

die im Laufe der Zeit verkürzte Redensart.

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Erster von hinten sein

der Schlechteste/Letzte sein;

scherzhafte Umkehrung der Reihenfolge, um nicht sagen zu müssen,

dass man wenig erfolgreich abgeschnitten hat.

etwas ist erstunken und erlogen

etwas entspricht nicht der Wahrheit, ist eine infame Lüge;

aus dem Mittelalter: Dem Volksglauben nach stinken Lügen zum

Himmel, daraus entstand die stabreimende Formel „erstunken und

erlogen“, um die besondere Gemeinheit einer Lüge zu betonen.

den Sack schlagen, aber den Esel meinen

den Falschen für etwas verantwortlich machen, weil man den

Schuldigen nicht bestrafen kann;

aus der Antike: findet sich in ähnlicher Form schon beim römischen

Satiriker Petronius (ca. 14–66 n. Chr.): „Qui asinum non potest, stratum

caedit“ (Wer den Esel nicht schlagen kann, schlägt den Packsattel).

eine Eselsbrücke bauen

einen leicht erinnerbaren Merksatz, eine Gedächtnisstütze, einen

Lernspruch erfinden;

Esel sind bekannt für ihren eigenwilligen Charakter. Ihre Unwilligkeit,

Wasserläufe zu durchqueren, ist ein Ausdruck ihrer Vorsicht, denn sie

können die Wassertiefe nicht abschätzen. Für Händler, die ihre Waren

per Esel transportierten, war dies jedoch mehr als störend. Speziell

für die wasserscheuen Esel wurden daher an vielen Bächen kleine

„Eselsbrücken“ errichtet, um zwar mit einem Umweg, aber immerhin

sicher ans Ziel zu kommen. Die heutigen Eselsbrücken bauen auch oft

einen kleinen Umweg – aber sie sicherten Generationen von Schülern

gute Prüfungsergebnisse.

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wie Espenlaub zittern

stark zittern; große Angst haben;

aus der Botanik: Die Espe, auch Zitterpappel genannt, besitzt Blätter

von sehr geringem Gewicht. Selbst bei leichtem Wind drehen sich

diese Blätter ständig, was von Ferne wie ein Zittern des Baumes wirkt.

Essig sein mit etwas

etwas ist fehlgeschlagen;

bezieht sich vermutlich auf Wein oder andere alkoholische Getränke,

die durch Fermentation aufgrund unsachgemäßer Lagerung oder

schlechter Basisqualität zu Essig und damit ungenießbar wurden.

ein Etikettenschwindeleine Täuschung, ein Betrug;

bezog sich ursprünglich auf die Warenauszeichnung, wenn auf dem

Zettel etwas anderes stand, als tatsächlich in einer Packung, Flasche,

einem Karton, Sack etc. enthalten war.

Eulen nach Athen tragen

eine überflüssige Tätigkeit ausführen;

aus dem Altgriechischen: Der antike Dichter Aristophanes (ca.

448–385 v. Chr.) beschrieb in seiner Komödie „Die Vögel“ satirisch

seine Heimatstadt Athen und fragte: „Wer hat die Eule nach Athen

gebracht?“ Eulen, Symbol der Klugheit und der Stadtgöttin Athene,

gab es in Athen nicht nur in natura zahlreiche, sie wurden auch auf

die Münzen geprägt. Aristophanes bezeichnete es als überflüssig,

Silbermünzen (mit der Eule) ins reiche Athen zu tragen.

eine halbe Ewigkeitsehr lange;

ironische Redewendung, denn die Ewigkeit ist unbegrenzt und

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dementsprechend nicht zu halbieren.

eine Extrawurst gebraten haben wollen

besondere, bevorzugte Behandlung beanspruchen;

die „Extrawurst“ (übrigens eine österreichi sche Wurstsorte) steht als

kulinarischer Sonderweg für alle besonderen Ansprüche einer Person.

nicht lange fackelnnicht zögern, keine Umstände machen;

aus dem Mittelhochdeutschen: geht zurück auf das

mittelhochdeutsche „vacklen“, das zunächst „brennen wie eine

Fackel“ bedeutete, sich dann aber zu „hin und her schwanken wie

das Licht einer Fackel“ wandelte. Die Redensart findet sich erst im

18. Jahrhundert.

alle Fäden in der Hand haben

alles kontrollieren und überwachen;

aus dem Puppenspiel: Marionetten werden von der Spielbühne aus

mit langen Fäden gesteuert. Wer die Fäden in der Hand hält, der kann

die Marionette bewegen, wie er will.

am seidenen Faden hängen

die Lage ist kritisch, bedrohlich;

aus dem Altertum: Nach alter Vorstellung spinnen die

Schicksalsgöttinnen am Lebens faden des Menschen – von der Stärke

des Fadens hängt die Lebensdauer ab. Eine andere Erklärung verweist

auf das ebenfalls an einem Faden hängende Damoklesschwert.

den Faden verlieren

nicht mehr weiterwissen;

abgeleitet aus der griechischen Mytho logie: bezieht sich auf den

Faden, den Ariadne, die Tochter des kretischen Königs Minos, ihrem

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Geliebten gab, damit er wieder aus dem Labyrinth des Minotaurus

herausfände. Hätte er den Faden verloren, hätte er den Weg heraus

gewiss nicht gefunden.

der rote Fadenimmer wiederkehrendes Element, Verbindung zwischen

verschiedenen Einzelteilen (u. a. einer Rede);

für die Redensart vom „roten Faden“ gibt es zwei Deutungen: Die

häufiger anzutreffende ist der Verweis auf J. W. von Goethes Werk „Die

Wahlverwandschaften“, in denen er diesen Ausdruck verwendet, ihn

aber aufgrund des offenbar anzunehmen den Unverständnisses der

Leser zunächst historisch erklärt. So war damals in sämtliches Tauwerk

der britischen Marine ein nicht zu entfernender roter Faden eingenäht,

der die Taue als Eigentum der britischen Krone kennzeichnete. Eine

zweite, aber unwahrscheinlichere Deutungsvariante bezieht sich auf den

Faden, der laut der griechischen Mythologie von Ariadne an Theseus

übergeben wurde, damit dieser sicher aus dem Labyrinth des Minotaurus

zurückkehren könne. Allerdings findet sich in der Mythologie kein

eindeutiger Hinweis darauf, dass dieser Faden rot gewesen sei.

die Fäden ziehen

eine Sache (aus dem Hintergrund) lenken, bei etwas (unbemerkt) die

treibende Kraft sein;

Marionettenspieler müssen, um ein gutes Puppenspiel vorzuführen,

an den Fäden ziehen, die ihre Marionetten tanzen lassen. Zugleich

müssen sie im Hintergrund bleiben – schließlich würde der Blick auf

den Puppenspieler die Illusion der selbstständig agierenden Figuren

zerstören.

immer den gleichen Faden spinnen

dieselben Dinge ständig wiederholen; einen sehr gleichförmigen

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Tagesablauf haben;

bezieht sich auf das Spinnen von Wolle, bei dem einmaliges

Bearbeiten ausreicht. Wer denselben Faden mehrfach spinnt, gewinnt

dadurch nichts.

keinen trockenen Faden am Leib haben

völlig durchnässt sein;

Kleidung wird aus Stoff genäht, Stoff besteht aus Fäden. Wer keinen

einzigen trockenen Faden mehr an seinem Leib trägt, ist bis auf jeden

noch so kleinen Fleck seiner Kleidung durchnässt.

jemanden im Fadenkreuz haben

jemanden nicht aus den Augen lassen;

aus der Soldatensprache: Das Fadenkreuz, eine am Zielfernrohr von

Gewehren eingeätzte Markierung, ähnelt einem aus zwei Fäden

gelegten Kreuz. Es dient dem besseren und schnelleren Anvisieren des

Ziels.

die Fahne hochhalten

auch: das Fähnlein hochhalten

einer Sache treu bleiben, etwas beharrlich fortsetzen;

geht vermutlich auf die Fahne zurück, die der kämpfenden Truppe von

einem so genannten Fähnrich als Feldzeichen voran getragen wurde.

die Fahne nach dem Wind drehen

seine Meinung häufig ändern;

aus dem 16. Jahrhundert: Die bisweilen heute noch vorhandene

Wetterfahne auf dem Dach dreht sich im Wind und zeigt so stets die

Windrichtung an. Die Redensart ist möglicherweise abgeleitet von der

älteren Wendung „sein Mäntelchen nach dem Winde hängen“.

sich etwas auf die Fahnen schreiben

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sich etwas zum Ziel setzen, als Programm verkünden;

leitet sich aus dem Brauch her, Fahnen und Flaggen bspw. mit einem

Wahlspruch zu besticken.

die Fahnen strecken

aufgeben; sich ergeben;

aus dem Militär: Bis ins 20. Jahrhundert war die Fahne ein Symbol

für militärische Ehre und Loyalität unter den Soldaten. Der Verlust

der eigenen Fahne galt als große Schmach, die Eroberung der

gegnerischen Fahne galt als Ruhmestat. Streckte eine Kriegsfront die

Fahnen nieder, ergab sie sich.

mit wehenden Fahnen zu jemandem überlaufen

sich plötzlich einer anderen Meinung anschließen;

aus dem Militär: Bei Gefechten wurde früher jedem Heer die Fahne

mit dem Zeichen des Landes oder des Fürsten, für den man kämpfte,

vorangetragen. Wer mit einer fliegenden Fahne desertierte, der lief

offenbar mit solcher Begeisterung und Geschwindigkeit zum Feind

über, dass die Fahne im Wind hinter ihm herwehte.

fahnenflüchtig werden

eine Sache verraten, ihr untreu werden;

aus der Militärsprache: Soldaten mussten ursprünglich auf die Fahne

ihres Kriegsherrn schwören. Wer diesen Eid brach und „von der Fahne

ging“, der musste mit harten Strafen rechnen.

einen fahren lassen

auch: einen fliegen lassen

Blähungen haben;

euphemistische Umschreibung für „furzen“, das entscheidende

Wort wird weggelassen; im Zusammenhang mit den bei Blähungen

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entweichenden „Winden“ gibt es zahlreiche verhüllende Redensarten.

in gefährliches Fahrwasser geraten

in eine kritische, gefährliche Situation geraten;

aus der Schifffahrt: Gemeint ist die Fahrrinne eines Flusses oder

einer Hafeneinfahrt, die dem Tiefgang oder der Breite eines

hereinkommenden Schiffes nicht gerecht wird.

einen Fallstrick legen

jemanden in eine Falle locken, um ihm zu schaden;

aus dem Jagdwesen: Stricknetze, so genannte Fallstricke, wurden auf

dem Waldboden ausgelegt, damit sich Vögel und kleines Haarwild

darin verfingen. Heute ist diese Praxis nur mehr in südlichen Ländern

anzutreffen.

Fanfare blasen

zum Angriff übergehen;

aus der Militärsprache: Die Fanfare, eine Naturtontrompete, wurde

im 17. Jahrhundert eingesetzt, um mit einem bestimmten Signal

den Angriff einzuleiten. Auch Jäger verständigten sich durch

Fanfarensignale.

Farbe bekennen

klar Stellung beziehen, offen seine Meinung kundtun;

aus dem Kartenspiel: Wenn man beim Kartenspiel die geforderte

Farbe zugeben muss, legt man dem Gegner damit häufig auch offen,

ob man noch brauchbare Trümpfe in der Hand hält.

das Fass zum Überlaufen bringen

eine Situation eskalieren lassen;

gemeint ist hier der winzige Anlass, der z. B. lange zurückgehaltenen

und aufgestauten Zorn zum Hervorbrechen bringt – so, wie ein großes

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Fass letztendlich aufgrund eines kleinen Wassertropfens überfließt.

dem Fass den Boden ausschlagen

auch: dem Fass den Boden ausstoßen

etwas übertreiben, auf die Spitze treiben;

geht möglicherweise auf die Fassmacher zurück. Wenn der Böttcher,

andernorts auch Schäffler genannt, die Metallringe zu fest auf

die Dauben schlägt, kann es passieren, dass dabei der Fassboden

herausfällt. Eine andere Erklärung führt zu frühneuzeitlichen

Hygienevorschriften. Wenn ein Brauer oder Wirt schlechtes Bier

verkaufte und die Obrigkeit ihn „auf frischer Tat“ ertappte, wurde

„dem Fass der Boden ausgeschlagen“, um den weiteren Verkauf zu

unterbinden!

ein Fass aufmachen

ausgelassen feiern; etwas (Unangenehmes oder Umstrittenes) zur

Sprache bringen;

jüngere Redewendung, die sich auf das Bierfass bezieht, das bei

großen Festen angezapft wird.

ein Fass ohne Boden

ein vergebliches Unternehmen, in das man immer wieder Geld stecken

muss;

aus der griechischen Mythologie: Die Danaiden, die fünfzig Töchter

des Königs Danaos, hatten auf Befehl ihres Vaters mit einer Ausnahme

ihre Gatten noch in der Hochzeitsnacht ermordet. Zur Strafe mussten

sie in der Unterwelt Wasser in ein löchriges Fass schöpfen.

die Faust im Sack ballen

seine Wut verbergen;

wer eine Faust ballt, der möchte am liebsten zuschlagen, wer sie aber

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im Sack, also in der Hosentasche behält, der kann sich gerade noch

beherrschen und verbirgt seinen Zorn.

wie die Faust aufs Auge passen

ursprünglich: überhaupt nicht zusammenpassen; in ironischer

Verwendung: etwas passt sehr gut zusammen;

diese bildhafte Redewendung bezieht sich auf zwei gegensätzliche

Körperteile – das hochempfindliche Auge und die zur Faust geballte

Hand, die kaum Gefühl besitzt. Durch den vermehrt ironischen

Gebrauch der Redensart entwickelte sich allerdings die genau

gegenteilige Bedeutung: etwas passt hervorragend zueinander.

sich ins Fäustchen lachen

schadenfroh lachen;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Die Rede wendung bezieht sich auf

die vor den Mund gehaltene Hand, wenn das Lachen, das sich auf

einen anderen Menschen bezieht, nicht gesehen werden soll.

die Faxen dicke haben

genug von den Scherzen haben, am Ende seiner Geduld sein;

aus dem 18. Jahrhundert: geht auf das lautmalerische Verb „fickfacken“

(sich hin und her bewegen) zurück, das sich zunächst auf die

schwankende Flamme einer Kerze bezog. Daraus entwickelte sich das

Substantiv Facks, Fackes für Streich, Posse.

fechten gehen

betteln;

aus dem 16. Jahrhundert: Damals gab es viele Fechtschulen, die auch

Handwerksgesellen besuchen konnten. Anschließend zogen diese als

„Fechtbrüder“ durch die Lande, zeigten ihr Kunst und lebten von den

dafür erhaltenen Almosen.

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eine spitze Feder führen

angriffslustig, kritisch schreiben;

nur mit einer gut angespitzten Vogelfeder ließ vor der Erfindung von

Metallfedern flüssig und ohne zahlreiche Flecken auf dem Papier

schreiben. Redensartlich wurde die spitze Feder auf die Formulierungs-

künste bspw. eines Journalisten übertragen.

ein Federfuchserein Schreiberling;

„fuchsen“ kommt von „facken“, unruhig hin und her schwanken. Einer,

der die Feder, also das Schreibgerät unruhig hin und her bewegt,

anstatt flüssig zu schreiben, der quält sich und seine Leser.

„Ist mir’s doch wie Gift und Operment, wenn ich den Federfuchser zu

Gesichte krieg.“ (Schiller, Kabale und Liebe, I, 2)

ohne viel Federlesensohne große Umstände;

„Federlesen“ bedeutete, vornehmen Herrschaften angeflogene Federn

und Flusen von der Kleidung zu lesen und sich so einzuschmeicheln.

„Nicht so vieles Federlesen! Lass mich immer nur herein“ (Goethe,

West-östlicher Diwan, 12,1)

Federn lassen

Schaden erleiden;

aus dem Tierreich: vergleicht jemanden, der geschädigt wird, mit

dem nach einem Konkurrenzkampf um ein Weibchen oft arg gerupft

aussehenden Vogelmännchen.

sich in die Federn legen

auch: sich in die Federn hauen

schlafen gehen;

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„Federn“ steht für die Daunen, das früher üblichste Füllmaterial von

Bettdecken.

sich mit fremden Federn schmücken

sich mit den Leistungen anderer brüsten;

aus der Antike, geht auf eine Fabel des römischen Dichters Phaedrus

(20 v.–50 n. Chr.) zurück: Eine eitle Krähe schmückte sich mit

Pfauenfedern und mischte sich unter die bunten, glänzenden Vögel.

Als die Pfaue sie erkannten, hieben sie mit ihren Schnäbeln auf sie ein

und rissen ihr die „falschen“ Federn aus.

jemandem den Fehdehandschuh hinwerfen

jemanden zum Streit herausfordern;

aus dem 18. Jahrhundert: Der Handschuh, der zu einer Fehde, einer

privaten Auseinandersetzung, aufrief, konnte jeder Handschuh

eines Adligen sein. Tatsächlich wurde er jedoch üblicherweise nicht

hingeworfen. Man schlug ihn dem Heraus geforderten ins Gesicht –

eine offene Provokation, die niemand auf sich sitzen lassen konnte.

Fehlanzeige sein

erfolglos sein;

aus der Bürokratie: Wenn ein Bürger eine behördliche Nachfrage

bezüglich einer Abgabe oder eines Bedarfs negativ beantwortet, also

den Nichtbedarf bzw. die Nichtanwendbarkeit einer Abgaberegelung

bekannt gibt, so liefert er eine „Fehlanzeige“.

das Feld behaupten

das Erreichte behalten, nicht geschlagen werden;

aus dem Mittelalter: Im Mittellateinischen ist die Wendung „campum

obtinere“ belegt, die sich freilich noch wörtlich auf das Kampffeld

bezog.

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das Feld beherrschen

anerkannt, tonangebend, einflussreich sein;

aus der Soldatensprache: Kriege wurden früher zwischen den Fronten

auf dem offenen Feld ausgefochten. Wer das Feld beherrschte, war der

überlegenere Gegner im Kampf.

ein weites Feldein großes (umstrittenes) Gebiet;

aus der Literatur: In Adalbert Stifters Roman „Der Nachsommer“ (1857)

heißt es: „Das ist ein weites Feld, von dem ihr da redet“; der letzte Satz

von Theodor Fontanes „Effi Briest“ (1894) lautet „Ach, Luise, laß ... das

ist ein zu weites Feld.“ Günther Grass machte die Wendung zum Titel

seines 1995 erschienenen Romans.

etwas ins Feld führen

etwas anführen, als Argument benutzen;

aus der Militärsprache: gemeint war ursprünglich das Schlachtfeld.

jemandem das Feld streitig machen

gegen jemanden als Rivale oder Konkurrent antreten;

bezieht sich vermutlich auf das Schlachtfeld, das durch die eine oder

andere Seite eingenommen wird; zunächst war also mit diesem

Ausdruck nicht ein Rivale, sondern ein Gegner gemeint.

jemandem das Feld überlassen

seine Position jemandem freimachen, vor jemandem weichen;

abgeleitet von einer militärischen Kapi tulation bzw. Niederlage, nach

der das Schlachtfeld dem Feind überlassen wurde.

jemanden aus dem Feld schlagen

auch: jemanden aus dem Feld räumen

jemanden besiegen, vertreiben;

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aus der Militärsprache, bezog sich ursprünglich auf das Schlachtfeld,

das der Besiegte zu räumen hatte.

gegen jemanden zu Felde ziehen

auch: gegen etwas zu Felde ziehen

energisch gegen jemanden/etwas auftreten;

aus der Soldatensprache: Kriege wurden auf offenen Feldern

ausgefochten. Um Fronten zu bilden, mussten die Gegner zunächst

aufeinander zumarschieren. Wer also gegen jemanden zu Felde zog,

machte sich auf den Weg zu einem unmittelbar bevorstehenden

Kampf.

das Fell versaufen

auch: das Leder versaufen

einen Leichenschmaus abhalten;

aus dem Mittelalter: In dieser Wendung verbindet sich die Tradition

des Leichenschmauses zu Ehren des Verstorbenen mit der Sitte, den

Erlös aus dem Verkauf des Felles des geschlachteten Gemeindestieres

gemeinsam zu vertrinken.

das Fell verteilen, bevor der Bär erlegt ist

auch: den Pelz aufteilen, bevor der Bär erlegt ist

einen Gewinn aufteilen, der noch gar nicht erzielt wurde;

Die Anteile am Verkaufserlös des Bärenfells schon auszuhandeln,

bevor sich die Jäger auf die Jagd nach dem Tier begeben, kann dazu

führen, dass man sich, wenn der Jagd kein Erfolg beschieden ist, „zu

früh gefreut hat“.

ein dickes Fell haben

unempfindlich sein;

aus der Tierwelt: Bären bspw. haben ein so dickes Fell, dass sie beim

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Ausrauben eines Bienenstockes kaum gestochen werden, weil die

Bienen sich im Pelz verfangen. Lediglich im Gesicht ist der Bär nicht

„unempfindlich“ gegen die Angriffe der Insekten.

jemandem das Fell gerben

auch: jemandem das Leder gerben

jemanden verprügeln;

auch in dieser Redewendung steht „Fell“ bzw. „Leder“ synonym für die

menschliche Haut, die bei Schlägen ebenso grob behandelt wird wie

Leder beim Gerben.

jemandem das Fell über die Ohren ziehen

jemanden betrügen;

aus der Landwirtschaft: bezieht sich auf den Abdecker, der, nachdem

er die Ohren abgeschnitten hat, dem Tierkadaver das Fell über den

Kopf abzieht. Redensartlich ist die Wendung seit dem Ende des

17. Jahrhunderts belegt.

jemandem das Fell versohlen

jemanden körperlich strafen, schlagen;

„Fell“ steht hier – wie in vielen Redensarten – trotz der eigentlich

geringen Behaarung der menschlichen Haut für eben diese.

seine Felle davonschwimmen sehen

auch: seine Felle weg-/fortschwimmen sehen

seine Hoffnungen schwinden sehen;

aus dem Gerberhandwerk: Wenn die Felle aus der Gerberlohe

herausgeholt wurden, musste man sie als Erstes ausspülen, was im

Mittelalter meist in einem nahe gelegenen Bach gemacht wurde.

Passte der Gerber dabei nicht auf, schwammen ihm seine Felle und

damit sein späteres Produkt noch vor der Fertigstellung davon.

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wie ein Fels in der Brandung

felsenfest, unerschütterlich;

der Fels, der der schäumenden Brandung trotzt und Jahrtausende

überdauert, ist ein beliebtes und altes Symbol für den Wesenszug der

Standhaftigkeit bei einem Menschen. Vor diesem Hintergrund erhielt

auch Petrus (griechisch für Fels) seinen Namen: „Du bist Petrus, und

auf diesen Felsen will ich bauen meine Gemeinde.“ (Matthäus 16,18)

sich zu weit aus dem Fenster lehnen

sich sehr weit vorwagen;

jemand, der sich weit aus dem Fenster lehnt, läuft stets Gefahr,

hinauszufallen und sich schwer zu verletzen.

weg vom Fenster sein

seine Position verlassen müssen;

diese Redewendung wird inzwischen auf alle Berufs- und

Personengruppen angewendet, war früher aber nur bei Schauspielern

und Sängern üblich. Das „Fenster“ ist wohl nicht eines zum Hinaus-,

sondern zum Hineinschauen; auf der anderen Seite steht das

interessierte Publikum.

Warum in die Ferne schweifen?

Warum sich nicht den nahe liegenden Dingen zuwenden?

Das Wort „schweifen“ hat denselben Wort ursprung wie die

Bezeichnung „Schweif“ für den Schwanz des Pferdes und bedeutet

so viel wie „hin- und hergehen“. Die Redensart fordert den

Angesprochenen auf, sich doch einmal an seinem derzeitigen

Aufenthaltsort umzusehen oder sich mit seiner derzeitigen Position

anzufreunden. Um dies zu betonen, wird oft der Halbsatz „... wenn das

Gute liegt so nah“ angefügt.

Page 197: Reden Sar Ten 101210

197

sich an jemandes Fersen heften

jemandem dichtauf folgen;

hyperbolische Beschreibung des Hinter herlaufens (später auch

-fahrens), als „klebte“ man an jemandes Fersen.

jemandem die Fersen zeigen

vor jemandem weglaufen;

diese Redewendung spielt mit dem Bild eines Menschen, der schnell

wegläuft und von dem man aufgrund des vorgeneigten Oberkörpers

als Letztes die Fersen sieht.

Fersengeld geben

weglaufen, fliehen;

aus dem germanischen Recht: der für ein unerlaubtes Weglaufen zu

zahlende Betrag wurde früher als „Fersengeld“ bezeichnet. Er wurde

entweder für Deserteure oder auch beim Verlassen der Ehefrau fällig.

Jemand, der Fersengeld im Sinne der Rede wendung gibt, nimmt

eigentlich nur in Kauf, bestraft zu werden, denn meist wird heutzutage

kein Strafgeld mehr fällig.

fix und fertig sein

am Ende, völlig geschafft sein; alles erledigt haben;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: „fix“ heißt eigentlich: fest,

unbeweglich (vgl. „Jour fixe“ für einen festen Termin); so wurde

ein Haus vor der Übergabe „fest und fertig“ gemacht. Die heutige

Bedeutung erhielt die Redewendung erst später.

jemanden auf etwas festnagelnjemanden auf das, was er gesagt oder getan hat, (öffentlich)

festlegen;

aus dem Mittelalter: Damals nagelten Bauern tote Raubvögel an ihr

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Scheunentor, um deren Artgenossen davon abzuhalten, unter den

Tierbeständen des Bauern zu wüten.

sein Fett abbekommen

seinen Teil, auch: seine gerechte Strafe wegen einer Sache erhalten;

aus der Landwirtschaft: Da früher Hausschlachtungen üblich, die

großen Fleischteile aber schwer waren, war Hilfe stets willkommen.

Diese Helfer wurden meist in Naturalien bezahlt – insbesondere mit

dem Fett des geschlachteten Schweines, das besonders kalorienreich

und damit in kargen Zeiten wichtig war. Damals war es also durchaus

wünschenswert, am Ende eines Arbeitstages „sein Fett abzubekommen“.

ins Fettnäpfchen treten

etwas Unüberlegtes und damit Verletzendes oder Beleidigendes

sagen;

früher war der mit Lederfett gefüllte Napf in jedem Haus zu finden

und stand meist in der Nähe der Haustür. Bei nassem Wetter wurden

die Schuhe, bevor sie an den Ofen gestellt wurden, eingefettet,

um das Leder geschmeidig und wasserfest zu erhalten. Trat ein

unaufmerksamer Gast in den Fettnapf, verteilte er anschließend

den Inhalt auf dem Fußboden – und blamierte sich vor den

Hauseigentümern.

sich fetzensich streiten;

diese Redensart spielt mit dem Bild eines so erbitterten Kampfes, das

von der Kleidung beider Kontrahenten nur noch Fetzen bleiben.

für jemanden die Kastanien aus dem Feuer holen

für jemanden etwas Riskantes tun, sich selbst für jemanden in Gefahr

begeben;

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seit dem 16. Jahrhundert belegt: Die Rede wendung entspringt einer

Tierfabel, die später auch von La Fontaine aufgegriffen wurde. In

ihr benutzt ein Affe die Pfote einer Katze, um die Kastanien, die er

essen möchte, aus dem Feuer zu holen – so erleidet nur die Katze

Brandverletzungen.

für jemanden durchs Feuer gehen

alles für jemanden tun;

aus dem Mittelalter: Ein Gang über glühende Pflugscharen, also

quasi durchs Feuer, war die äußerste Form des mittelalterlichen

Gottesurteils. Wollte der Beschuldigte diese Prüfung nicht selbst auf

sich nehmen, konnte er auch einen Vertreter schicken, der für ihn

durchs Feuer ging und so dessen Unschuld „bewies“.

mehrere Eisen im Feuer haben

mehrere Möglichkeiten haben, mehrere Wege zu einem Ziel kennen;

aus dem Schmiedegewerbe: Da das Erhitzen des zu bearbeitenden

Eisens in der Esse Zeit und Brennmaterial kostete, war es sinnvoll, zur

gleichen Zeit mehrere Eisen dort hineinzulegen.

mit dem Feuer spielen

bewusst ein Risiko eingehen;

seit dem 17. Jahrhundert belegt; auch im Französischen zu finden:

Ende des 19. Jahr hunderts wurde diese Redewendung in der „Gar

traurigen Geschichte mit dem Feuer zeug“ im „Struwwelpeter“

verarbeitet, in der Paulinchen beim Spielen mit Zünd hölzern

verbrennt.

mit Feuer und Schwert

mit den radikalsten Mitteln;

aus der Bibel: Im 2. Buch der Könige (8,12) prophezeit Elisa dem Knecht

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Hasael: „Du wirst ihre festen Städte mit Feuer verbrennen und ihre

junge Mannschaft mit dem Schwert erschlagen [...]“; bei Jesaja (66,16)

heißt es: „Denn der Herr wird durch Feuer die ganze Erde richten und

durch sein Schwert alles Fleisch.“

wie Feuer und Wasser sein

auch: verschieden wie Wasser und Feuer

völlig gegensätzlich sein;

dass Wasser und Feuer nicht zusammenpassen, sondern sich im

Gegenteil gegenseitig vernichten, ist allgemein bekannt. So entstand

diese Redewendung, die sich bereits bei Luther findet: „Das dise zwen

sprüche so ehnlich sind ans wasser und fewr“ – also vollkommen

verschieden.

zwischen zwei Feuer geraten

von zwei Seiten bedrängt werden;

aus dem Militär: Ein Soldat, der im Gefecht zwischen „zwei Feuer“, also

in Beschuss von zwei Seiten geriet, hatte nur noch wenig Chance,

den Kampfplatz unverletzt zu verlassen. In der Übertragung bedeutet

diese Redensart nur noch: in einer unangenehmen Zwickmühle

stecken.

eine Feuerprobe bestehen

sich bewähren;

aus dem Münzwesen: bezieht sich auf die so genannte Goldprobe,

bei der die Reinheit des Metalls dadurch geprüft wurde, dass man es

ins Feuer hielt. Da Metalle unterschiedliche Schmelzpunkte haben,

konnte man so auch Münzfälschungen aufdecken. Manchmal wird

die Redensart auch von einer Form des mittelalterlichen Gottesurteils

hergeleitet, bei der man „durchs Feuer gehen“ musste.

Page 201: Reden Sar Ten 101210

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die Feuertaufe bestehen

eine harte Bewährungsprobe überstehen;

aus dem kirchlichen Bereich: Die Feuertaufe erhielt jemand, der als

Märtyrer im Feuer starb. Dieses Feuer ersetzte auch die reguläre

Taufe, sofern sie bis dahin nicht stattgefunden hatte. Der Märtyrer

wurde als nach seinem Tod sofort selig angesehen. Nach Einführung

der Schusswaffen wurde der Begriff auf junge Soldaten in ihrem

ersten Gefecht übertragen. Wenn sie die Zeit im feindlichen Feuer

überlebten, hatten sie die Feuertaufe bestanden.

im falschen Film sein

auch: sich wie im falschen Film fühlen

sich fremd, fehl am Platze vorkommen;

das hier verwendete Bild ist das eines Schauspielers, der in das Set

eines Filmes, in dem er gar nicht mitspielt, gerät.

jemand hatte einen Filmrissauch: bei jemandem ist der Film gerissen

jemand hat eine Erinnerungslücke;

aus dem 20. Jahrhundert: Wenn der auf die Rolle aufgespulte Film

reißt, fehlt aufgrund der überlappenden Enden nach dem Kleben ein

Stück, das eventuell für das Verständnis der Handlung essenziell war.

einen Fimmel haben

eine merkwürdige Angewohnheit haben;

nicht gesichert; vermutlich geht die Rede wendung auf die

Bezeichnung für die männliche Hanfpflanze zurück, die wiede rum

von dem Verb „fimmeln“ für das Abstreifen des Hanfsamens stammt.

Möglich ist aber auch ein Zusammenhang mit dem im Bergbau

verwendeten Ausdruck „Fimmel“ für einen kleinen Vorschlaghammer

bzw. einen eisernen Keil.

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die Finger drin haben

sich einmischen; beteiligt sein;

die Finger stehen in dieser Wendung Pars pro Toto für den ganzen

Menschen, der sich in eine Angelegenheit einmischt bzw. an einer

Unternehmung beteiligt ist.

die Finger nach etwas lecken

begierig auf etwas sein;

aus dem Mittelalter: Damals aß man mit den Fingern, und da war

es – besonders bei „leckeren“ Speisen – natürlich, danach die Finger

einfach abzulecken.

durch die Finger sehen

Nachsicht üben, milde urteilen;

abgeleitet von der Geste, sich die Hände vor die Augen zu halten und

nur zwischen den Fingern hindurchzulinsen. Schon Luther verwendet

die Redensart in seiner Bibelübersetzung: „Und wenn das Volk des

Landes bei dem Menschen durch die Finger sehen würde, der eins

seiner Kinder dem Moloch gegeben hat, dass es ihn nicht tötet [...].“

(Levitikus 20,4)

jemanden um den kleinen Finger wickeln

jemanden für sich gewinnen, jemanden gefügig machen;

diese Redensart beschreibt bildhaft, wie jemand so „weich gekocht“

wurde, dass er sich willig sogar um den kleinen Finger biegen lassen

würde.

keinen Finger krumm machen

auch: keinen Finger rühren

sehr faul sein;

manche Menschen sind so faul – oder haben ein so geringes Interesse

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an einer Sache –, dass selbst das Bewegen eines einzelnen Fingers zu

viel Mühe für sie ist.

sich die Finger verbrennen

schlechte Erfahrungen machen;

beschreibt eigentlich eine Alltagserfahrung: Wenn sich ein kleines

Kind einmal die Finger an der Herdplatte verbrannt hat, so wird es sich

dies – hoffentlich – merken und so schnell nicht wieder drauffassen. Der

Ausdruck lässt sich aber ähnlich wie „für jeman den die Hand ins Feuer

legen“ auch vom mittelalterlichen Gottesurteil herleiten.

sich etwas an den Fingern abzählen können

auch: sich etwas an fünf Fingern abzählen können

etwas leicht erkennen/begreifen können;

etwas, das sich an den Fingern einer Hand abzählen lässt, erfordert

keine große Berechnung, es liegt „auf der Hand“.

„[...] denn es lachte alles an meinem gantzen Leibe und kunte ein

ieder flugs sich an den Fingern abzehlen, dass meines gleichen

wohl schwerlich würde in der Welt zu finden seyn.“ (Christian

Reuter, Schelmuffskys Warhafftige Curiöse und sehr gefährliche

Reisebeschreibung zu Wasser und Lande von 1696)

sich etwas aus den Fingern saugen

sich etwas ausdenken, etwas erfinden;

im alten Volksglauben besaßen Finger, insbesondere der kleine, eine

Mitteilungsgabe. Nach anderer Auffassung leitet sich die Redensart

vom angeborenen Saug reflex her; wenn man Babys den Finger an den

Mund hält, so saugen sie unwillkürlich daran. Außerdem könnte sie

auf das Aussaugen von Wunden zurückgehen.

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mit Fingerspitzengefühlmit Zurückhaltung, Feingefühl, Takt;

in den Fingerspitzen ist der Tastsinn des Menschen besonders stark

ausgeprägt, so dass bspw. Blinde mit den Fingern lesen können. Wer

also mit Fingerspitzengefühl vorgeht, der ist besonders feinfühlig.

ein kleiner Fischetwas/jemand Unwichtiges;

aus dem Fischereiwesen: Kleinere Fische sind für den Verkauf nicht

geeignet und werden daher meist aus dem Netz genommen und

wieder ins Meer zurückgeworfen.

sich fühlen wie ein Fisch auf dem Trockenen

sich sehr unwohl, fehl am Platz fühlen;

aus dem Tierreich: Ein Fisch, der aus dem Wasser genommen wird,

versucht mit hektischem Bewegen wieder in sein Element zu gelangen

– und erstickt nach kurzer Zeit.

sich fühlen wie ein Fisch im Wasser

sich sehr wohlfühlen;

aus dem Tierreich: Die Redewendung bezieht sich nicht nur darauf,

dass ein Fisch nur im Wasser leben kann, sondern auch auf seine

eleganten und scheinbar mühelosen Bewegungen dort.

die Fische füttern

seekrank sein;

diese euphemistische Wendung bezieht sich darauf, dass Seekranke

oft ihren Magen inhalt ins Meer entleeren müssen.

in trüben Gewässern fischenetwas nicht ganz Einwandfreies tun, sich an dunklen Geschäften

beteiligen;

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aus der Fischerei: eine Verkürzung des weit verbreiteten Sprichworts

„In trübem Wasser ist gut fischen“. Schon im antiken Griechenland

wusste man, dass sich manche Fische leichter fangen lassen, wenn

man das Wasser trübt. Im Deutschen sind Redensart und Sprichwort

seit dem 16. Jahrhundert belegt.

„[...] Er macht / Das Bächlein tückisch trübe / Und eh’ ich es gedacht;

– / So zuckte seine Ruthe, / Das Fischlein zappelt dran.“ (Chr. F. D.

Schubart, Die Forelle)

Fisimatenten machen

Ausflüchte machen, eine Sache unnötig verzögern;

aus dem Französischen: Für diese Rede wendung gibt es mehrere

Erklärungsvarian ten. Die erste geht bis in die Zeit Napoleons zurück.

Damals forderten die in Deutsch land stationierten Soldaten deutsche

Frauen dazu auf, sie in ihrem Zelt zu besuchen: „Visite ma tente!“ Die

des Französischen meist nicht mächtigen Mütter gaben ihren Töchtern

daher in Ausspracheannäherung den Rat mit: „Mach mir keine Fisi

ma tenten!“ Diese Erklärung erscheint logisch, ist jedoch vermutlich

erst im Nachhinein erdacht worden. Ebenfalls den französischen

Soldaten wird die Ausrede „Visiter ma tante“, meine Tante besuchen, als

Antwort auf die Frage „Wohin des Wegs?“ zugeschrieben. Tatsächlich

waren sie unterwegs zu einer Prostituierten. Schließlich bedeutete

die Aufforderung „Visitez ma tente!“ (Kommen Sie in mein Zelt!)

durch einen Vorgesetzten in der französischen Armee, dass ein Soldat

sich eines Vergehens schuldig gemacht hatte und bestraft werden

sollte. Letztendlich realistischer ist die Erklärung einer Vermischung

zweier lateinischer Begriffe. Der eine ist die Bezeichnung „visae

patentes literae“ für schriftlich dokumentierte Patente. Im Mittelalter

wurde der Ausdruck verkürzt zu „visepatentes“ und bezog sich

auf einen langwierigen, umständlich bürokratischen Vorgang der

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Patenterteilung. Das zweite Wort war „Visamente“, das in der Heraldik

die Verzierungen und Ornamente auf einem Wappen bezeichnet.

Diese beiden Ausdrücke für Überflüssiges, Umständliches wurden im

täglichen Sprachgebrauch zu einem Wort, den „Fisimatenten“.

jemanden unter seine Fittiche nehmen

jemanden fördern, jemandem Schutz zusichern;

aus dem Tierreich, übernommen in einen biblischen Text: Die „Fittiche“

sind die Schwungfedern am Vogelflügel, unter dem sich die Jungvögel

bei Gefahr verstecken. Die Vogelmutter nimmt ihren Nachwuchs also

„unter die Fittiche“, um dessen Leben zu beschützen.

die weiße Flagge hissen

aufgeben;

schon seit der Antike wird eine weiße Flagge als Zeichen der

Kapitulation eingesetzt. Vermutlich liegt dieser Umstand daran, dass

man mit der Farbe Weiß keine „Farbe bekennen“ kann und sich daher

in seiner Meinung neutral präsentiert.

Flagge zeigen

seine Meinung, sein Urteil offenlegen;

aus der Schifffahrt: Ein Schiff muss beim Einlaufen in einen Hafen seine

Flagge, d. h. sein Herkunftsland anzeigen. Täte es dies nicht, könnte es

ein Piratenschiff sein und würde daher angegriffen.

unter fremder Flagge segeln

auch: unter falscher Flagge segeln

die eigentlichen Absichten verbergen;

aus der Schifffahrt: Schiffe müssen bis heute bei der Einfahrt in einen

Hafen „Flagge zeigen“, d. h. ihr Herkunftsland mittels Flagge bekannt

geben. Wenn sie jedoch Schmuggelware an Bord haben oder aus

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einem nicht befreundeten Staat stammen, hissen sie eine fremde

Flagge, um nicht angegriffen zu werden.

etwas auf kleiner Flamme kochen

sich nur mäßig für etwas einsetzen, es nur in geringem Maße

vorantreiben;

wer etwas auf einer kleinen Flamme kochte, der hatte keine Eile, dass

es fertig würde, sonst hätte er ja „einen Zahn zugelegt“.

eine lahme Flascheein langweiliger, dummer Mensch;

Schimpfwort: Es ist umstritten, ob mit dieser Redensart tatsächlich

auf das Glasbehältnis Bezug genommen wird. Vermutlich ist „Flasche“

eher eine sprachliche Abwandlung des italienischen Wortes fias co, das

so viel wie „Versagen, Reinfall“ bedeutet. Eine „Flasche“ ist damit ein

Versager. Allerdings bedeutet fiasco auch „Korbflasche“, sodass doch

eine Verbindung zu Glas besteht.

einen Flattermann haben

auch: einen Flattermann kriegen

Angst haben;

bezieht sich darauf, dass man vor Angst am ganzen Körper zittert.

Flausen im Kopf haben

närrische, unsinnige Ideen haben;

aus der Weberei: Als „Flausen“ (heute Flusen) bezeichnet man

Wollflocken oder Fadenreste, die im Gegensatz zum festen Gewebe

von jedem Windhauch durch die Luft getrieben werden. In der

Volkssprache entwickelte sich daraus das redensartliche Bild für ein

unsinniges Treiben.

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ein weißer Fleck auf der Landkarte

eine unbekannte Gegend; ein Themenbereich, über den man nichts

weiß;

aus dem Mittelalter: Vor der umfassenden Erkundung der Erde wurden

unbekannte Regionen als weiße Flecken auf den farbigen Weltkarten

dargestellt – so war das Innere Afrikas lange Zeit ein weißer Fleck.

ein Mensch aus Fleisch und Blut

ein Mensch mit Gefühlen;

diese Redensart stellt einen Menschen mit charakterlichen Stärken

(und Schwächen) in einen Gegensatz zu jemandem, der wie eine

Maschine, „aus Stahl“ und kaltherzig, ist.

in Fleisch und Blut übergehen

selbstverständlich werden;

diese Redewendung nimmt das „Verinnerlichen“ einer Tätigkeit,

Meinung u. Ä. wörtlich.

ein Gemüt wie ein Fleischerhund haben

grob, hartherzig, unsensibel sein;

diese Redewendung beruht auf der Annahme, dass der Hund eines

Fleischers, der ständig von Blut und Tod umgeben ist und Unmengen

rohes Fleisch frisst, entsprechend abgestumpft sein muss.

Flickschusterei sein

schlecht gemacht sein;

wie in „verschustern“ geht auch dieser Ausdruck auf die frühere

Verwendung des Wortes „Schuster“ als Schimpfwort zurück.

die Fliege machen

auch: eine Fliege machen

weggehen, verschwinden;

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aus der Jugendsprache: war v. a. unter den Jugendlichen der 1980er-

Jahre weit verbreitet.

keiner Fliege etwas zuleide tun können

sehr friedlich sein;

da Fliegen als sehr lästige und keineswegs zu schützende Lebewesen

gelten, muss jemand, der nicht einmal eine Fliege erschlägt, ein

extrem gutmütiger Mensch sein.

die Flinte ins Korn werfen

eine Sache aufgeben, sich entmutigen lassen, verzweifeln;

aus der Soldatensprache: Die Söldner des Dreißigjährigen Krieges

waren v. a. mit Flinten, Vorderladern mit Feuersteinzündung (englisch

„flint“), ausgerüstet. Da sie als bezahlte Kämpfer kaum gewillt

waren, ihr Leben für eine fremde Sache zu opfern, versteckten sie im

äußersten Falle ihre Waffe dort, wo sie nicht so schnell zu finden war,

also im Korn, und flohen. Redensartlich ist die Wendung erst seit dem

19. Jahrhundert belegt.

Flitterwochen machen

nach der Hochzeit einen Urlaub machen;

aus dem Mittelhochdeutschen: Das Wort vlittern bedeutete so viel wie

„kichern, zärtlich flüstern“ – was die frisch Vermählten während der

Flitterwochen hoffentlich tun.

gespannt sein wie ein Flitzebogensehr neugierig auf etwas sein;

„Flitzebogen“ oder „Flitzbogen“ ist der Ausdruck für einen als

Kinderspielzeug gedachten Bogen mit harmlosen Pfeilen. Bei diesem

wird die Sehne gespannt, um den eingelegten Pfeil abzuschießen; die

„Spannung“ geht also einem „großen“ Ereignis voraus.

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jemandem einen Floh ins Ohr setzen

jemandem eine fixe Idee einreden;

der Floh steht hier für etwas sehr Kleines, aber ungemein Lästiges,

das nicht so rasch wieder loszuwerden ist; er wird „ins Ohr gesetzt“,

da dort der Bericht über eine Idee vernommen – und direkt an das

Gehirn weitergeleitet – wird, das sich von nun an unablässig damit

beschäftigt.

die Flöhe husten hören

auch: die Flöhe an der Wand niesen hören

spitzfindig sein;

aus dem 16. Jahrhundert: In Abraham a Sancta Claras „Totenkapelle“

(28) heißt es: „Er hört [...] die schwindsüchtigen Flöh, in Seraglio zu

Constantinopel, biß auf Paris, husten.“ In der Mundart findet sich

die Redensart in noch derberer Form; so sagt man im Rheinischen,

jemand „heert de Fleh am helle Dag furzen“.

flöten gehen

verloren gehen, verschwinden; kaputtgehen;

die Ursprünge dieser umgangssprachlichen Redewendung sind nicht

eindeutig geklärt: Eine mögliche Herkunft ist das plattdeutsche Wort

fleeten (fließen). Etwas, das flöten geht, „fließt“ einem sozusagen

durch die Hände. Vielleicht entwickelte sich „flöten“ auch aus

dem hebräischen Wort pelüta, das so viel wie „Entkommen (eines

Verbrechers oder Betrügers)“ bedeutet.

jemandem (die) Flötentöne beibringen

jemandem Benehmen beibringen, jeman den für Fehlverhalten tadeln;

aus dem 19. Jahrhundert: bezog sich ursprünglich tatsächlich auf den

Unterricht im Spielen des Blasinstruments.

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die Flügel über jemandem ausbreiten

auch: die Flügel über jemanden breiten

jemanden in seine Obhut nehmen, beschützen;

aus der Bibel: Der Flügel als Bild des Schutzes begegnet schon im

Alten Testament. Die Anweisungen zur Aufstellung der Bundeslade

sprechen auch von zwei Cherubim, Engeln, die das Allerheiligste

beschirmen sollen: „Und die Cherubim sollen ihre Flügel nach oben

ausbreiten“ (Exodus 25,20), in den Psalmen heißt es: „Wie köstlich ist

deine Güte, Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner

Flügel Zuflucht haben.“ (Psalm 36,8)

jemandem die Flügel stutzen

jemanden hinsichtlich seiner Handlungsfreiheit beschränken;

seit dem Mittelalter belegt: Als Haustier gehaltenen Vögeln werden die

Flügel bzw. die Schwungfedern gestutzt, damit sie nicht davonfliegen

können. „Stutzt“ man einem Menschen „die Flügel“, so werden seine

Reichweite und Macht beschnitten.

platt wie eine Flunder sein

sehr erstaunt, verblüfft sein;

dies ist eigentlich eine kombinierte Rede wendung. Der Ausdruck

„platt“ für überrascht existiert seit dem 16. Jahrhundert und steht in

Verbindung mit dem Plätten, also dem Bügeln. Für die Steigerung

dieses Ausdrucks suchte man nach etwas, das extrem dünn und breit

ist. Eine sehr überraschte Person ist daher nicht nur platt, sondern so

platt wie der Grundfisch Flunder, der durch seine geringe Höhe und

braune Färbung optisch mit dem Untergrund verschmilzt.

allein auf weiter Flur stehen

vollkommen allein sein;

meist bezüglich einer Meinung, Ansicht oder eines Vorhabens

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verwendet; die „Flur“ ist ein heute nur noch selten verwendetes Wort

für „Gelände“.

aus der Form gehen

dick werden;

bezieht sich ähnlich wie die Redensart „aufgehen wie ein Hefekloß“

auf das Aufgehen von Teig im Ofen. Insbesondere Hefeteig vergrößert

sein Volumen so stark, dass er am Ende schon mal über die Backform

hinausragt.

fix und foxi sein

am Ende seiner Kräfte sein;

jüngere Weiterentwicklung der Redensart „fix und fertig“; bezieht sich

auf das Comic über die beiden jungen Füchse Fix und Foxi, die 1953

von Rolf Kauka erfunden wurden.

jemanden aus dem Frack hauen

jemanden verprügeln;

vermutlich bezog sich dieser Ausdruck zunächst darauf, jemandem

von höherem gesellschaftlichem Rang „ans Leder zu gehen“.

Fracksausen kriegen

Angst haben;

bezieht sich nicht auf die elegante Herren jacke; „Frack“ war früher ein

scherzhafter Ausdruck für die Hose, womit sich die Redensart analog

zu „Muffensausen“ erklärt.

mit jemandem Fraktur reden

jemandem sehr grob die Meinung sagen;

aus dem Lateinischen: Fraktur stammt von „frangere“ ab, das so viel

wie „brechen“ bedeutet. Seit dem 16. Jahrhundert hat sich Fraktur

auch als Bezeichnung für die deutsche Schrift eingebürgert, weil sie

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im Gegensatz zu anderen Schriften aus eher gebrochenen Linien

besteht. Wer daher mit jemandem „Fraktur redet“, ist dabei sehr

deutlich und könnte u. U. so grob werden, dass er auch körperlich

verletzend wird.

sich Fransen an den Mund reden

viel reden (ohne damit Erfolg zu haben);

wie die Redensart „sich den Mund fusselig reden“ zeichnet auch diese

Wendung das Bild eines durch intensives Reden abgenützten Mund.

frech wie Oskar

sehr frech, dreist;

es ist nicht mehr zu klären, ob sich diese Redensart auf eine historische

Persönlichkeit bezog oder ob das jiddische Wort ossik („frech“) der

Ursprung war.

frank und freiunverblümt, ohne Zurückhaltung;

abgeleitet vom Stammesnamen der Franken, die auch in Frankreich

als Inbegriff des freien Mannes galten. Die dort entstan dene

Redewendung „franc et libre“ wurde im 15. Jahrhundert wieder in den

deutschen Sprachraum übernommen.

auf Freiersfüßen wandeln

Heiratsabsichten haben;

wie schon die Formulierung zeigt, ist die Redensart zunächst in

der Hochsprache beheimatet und fand erst spät den Weg in die

Volkssprache.

„‚Meine Freiersfüße mussten wohl für Eure Verse das Fersengeld mit

bezahlen.‘–‚Wie! Freiersfüße? Wem setzen Sie darauf nach, wenn man

fragen darf?‘“ (Joseph von Eichendorff, Viel Lärmen um Nichts)

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ein gefundenes Fressen sein

eine günstige Gelegenheit, ein unverhoffter Genuss für jemanden sein;

aus dem 17. Jahrhundert: Die Betonung lag ursprünglich auf

„gefunden“, also darauf, dass man dafür nicht zu bezahlen brauchte.

„Ich kam ihnen grade zur rechten Zeit; bei sinkender Unterhaltung

und epidemischer Maulfäule wahrhaftig als ein gefundenes Fressen.“

(Wilhelm Raabe, Stopfkuchen)

jemanden zum Fressen gern haben

auch: etwas zum Fressen gern haben

jemanden/etwas sehr gern haben;

„zum Fressen gern“ hat man einen Menschen, von dem man findet,

dass er „zum Anbeißen“ aussieht.

sich freuen wie ein Schneekönig

sich sehr freuen;

„Schneekönig“ ist eine volkstümliche Bezeichnung für den Zaunkönig,

der ein so genannter Standvogel ist. Das heißt, dass der kleine

Singvogel auch im Winter, also bei Schnee, in Deutschland bleibt.

Die große Freude wird dem Zaunkönig aufgrund seines melodischen

Gesangs zugeschrieben.

sich wie ein Schnitzel freuensich sehr freuen;

eine sehr junge, umgangssprachliche Rede wendung, die mit der

Absurdität des Bildes eines sich freuenden panierten Stücks Fleisch

spielt.

sich wie ein Stint freuenauch: sich wie ein Stint ärgern

sich sehr freuen/ärgern;

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aus einem Gedicht von Friedrich Wilhelm August Schmidt (1795):

Dort heißt es: „O sieh! wie alles weit und breit [...] / Vom Storche bis

zum Spatz sich freut, / Vom Karpfen bis zum Stint!“ Der „Stint“ ist ein in

Europa heimischer kleiner Fisch.

Mein lieber Freund und Kupferstecher!

Hör mir mal zu, lieber Freund!

Herkunft ungeklärt: Der Kupferstecher kopierte früher berühmte

Zeichnungen und Gemälde und wurde, obwohl der Beruf vollkommen

legal war, mit großem Misstrauen betrachtet. Möglicherweise wird in

der vertraulichen Anrede darauf hingewiesen, dass man etwas besser

geheim Bleibendes über den Gegenüber weiß und dieser mit dem

Hinweis darauf zum Zuhören gezwungen wird.

von Freund Hain abgeholt werden

sterben;

Hain bzw. Hein ist eine Kurzform von Heinrich. Diese euphemistische

Bezeichnung für den Tod verdankt ihre Verbreitung dem Barockdichter

Matthias Claudius (1740–1815), der alle seine Werke „Freund Hain“

widmete.

die Friedenspfeife mit jemandem rauchen

mit jemandem Frieden schließen;

die Kalumet oder „Friedenspfeife“ diente bei verschiedenen

Indianerstämmen wie den Lakota, aber auch den südamerikanischen

Azteken zum Rauchen leicht halluzinogener Stoffe, die den Betenden

den Göttern näher bringen sollte. Daneben diente sie aber auch als

Symbol der Waffen ruhe während einer Versammlung, vor der alle

Teilnehmer an der Kalumet zogen.

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frieren wie ein Schneider

sehr kälteempfindlich sein;

da Schneider schon im Mittelalter eine sitzende, wenig

bewegungsintensive Tätig keit ausübten, besaßen sie meist wenig

Muskeln und begannen daher schnell zu frieren.

Stein und Bein frierensehr kalt sein;

„Stein und Bein (Knochen)“ stehen in Redewendungen für sehr harte

und dauer hafte Materialien; wenn sogar sie vom Frost durchdrungen

sind, muss es sehr kalt sein; die Formel wirkt hier also schlicht

verstärkend.

etwas frisierenetwas fälschen, schönfärben, den ursprünglichen Zustand stark

verändern;

eigentlich ironische Redewendung, denn wenn ein Mensch beim

Friseur war, so erkennt man ihn danach (meist) wieder – wenn

z. B. Bilanzen frisiert wurden, so sind sie anschließend nicht

wiederzuerkennen.

gegen etwas Front machen

sich gegen jemanden wenden, eine ent schieden ablehnende Haltung

gegen jemanden/etwas einnehmen;

aus der Militärsprache: Ursprünglich bedeutete die Wendung „eine

(Angriffs-)Haltung einnehmen“. Als Redensart wurde sie zuerst 1848

im Zusammenhang mit Gegnern der Revolution gebraucht.

an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen

mehrere Probleme gleichzeitig lösen (müssen);

leitet sich von der Kriegsfront her: Ein Zweifrontenkrieg, in dem

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ein Land gleichzeitig an zwei – meist einander entgegengesetzten

– Seiten seines Landes Krieg führt, ist eine erhebliche logistische

Herausforderung, der Nachschub sowohl an Truppen wie auch an

Rohstoffen muss auf beide Kriegsschauplätze verteilt werden.

die Fronten wechseln

seine Meinung radikal ändern;

aus der Militärsprache: Wer von einem Kriegslager auf die andere

Seite überwechselte, der änderte auf ganz radikale Weise seinen

Standpunkt.

klare Fronten schaffen

eine Situation bzw. das Interesse zweier Parteien an einer Sache

klären;

aus dem Militär: Wenn in einem Kampf keine klaren Fronten

herrschen, kann es passieren, dass „im Eifer des Gefechts“ sogar auf

eigene Soldaten geschossen wird.

zwischen die Fronten geraten

mit einer Meinung zwischen mehreren Lagern stehen;

wer auf einem Kriegsschauplatz zwischen den sich gegenseitig

angreifenden Fronten steht, wird von beiden Seiten angegriffen und

gehört zu keinem der beiden Lager. Nicht ganz so lebensgefährlich ist

es, mit einer Meinung zwischen zwei Lagern zu stehen, trotzdem ist

man zwischen die Fronten geraten.

einen Frosch im Hals haben

heiser sprechen, sich häufig räuspern müssen;

aus der Medizin: Der „Frosch im Hals“, der mit Heiserkeit und häufigem

Räuspern einhergeht, bezieht sich auf die ganz ähnlichen Symptome

bei Entwicklung einer Halsgeschwulst, medizinisch Ranula genannt.

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218

Diese Bezeichnung stammt tatsächlich vom lateinischen Wort für

Frosch ab, da sie eine wässrig-glasige Oberfläche hat, die an den

geschwellten Kehlsack eines quakenden Frosches erinnert. Somit

ist mit dieser Redewendung eigentlich nur die Optik eines Frosches

gemeint – oft hören sich Menschen mit „Frosch im Hals“ aber

tatsächlich wie quakende Amphibien an.

wie ein Frosch auf der Gießkanne dasitzen

nachdenklich dasitzen;

die Redensart basiert auf der Vermutung, dass ein Frosch, der

irgendwo – z. B. auf einer Gießkanne – lange reglos sitzen bleibt, diese

Zeit zum Nachdenken verwendet.

ein freches Früchtchenein missratenes Kind;

diese ironische Bezeichnung für Heranwachsende, die sich über die

Regeln hinwegsetzen, ist seit dem 18. Jahrhundert geläufig.

dem Fuchs den Hühnerstall anvertrauen

etwas Dummes, Unüberlegtes tun, dessen Misslingen vorhersehbar ist;

dem Fuchs wird neben List und Gerissenheit v. a. große Gefräßigkeit

nachgesagt – wie sich auch in dem Kinderlied „Fuchs, du hast die Gans

gestohlen“ zeigt. Dem Fuchs die Aufsicht über einen Hühnerstall zu

übertragen wird mit dem Tod aller Hühner enden, da der Fuchs nicht

aus seiner „gefräßigen“ Haut kann.

ein schlauer Fuchs sein

auch: ein alter Fuchs sein

ein kluger, gewitzter, auch hinterhältiger Mensch;

die angebliche Gerissenheit und Klugheit des Fuchses taucht in

zahlreichen Fabeln und Märchen auf, so wird sie u. a. im Grimm’schen

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219

Märchen „Der Fuchs und das Pferd“ geschildert, wo der Fuchs einem

Pferd zu einem besseren Leben verhilft.

wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen

in einer sehr abgelegenen Gegend;

ursprünglich bezog sich die Redensart nur auf Tiere derselben Art,

so hieß es in Grimmelshausens Simplicissimus (1,1) „im Spessart [...],

allwo die Wölf einander gute Nacht geben“. Doch auch in der oft

auftauchenden Verbindung mit Fuchs und Hase bleibt der Sinn der

Wendung erhalten: Hase und Fuchs meiden ebenso wie der Wolf die

Nähe menschlicher Ansiedlungen.

etwas fuchst einen

etwas ärgert, quält jemanden;

aus dem Lateinischen: Das Wort „fuchsen“ entwickelte sich aus dem

lateinischen Wort „vexare“ (quälen), das im Deutschen zunächst zu

„fucken“ oder „facken“ (hin- und herbewegen) wurde. Wenn eine

Sache jemanden „fuchst“, fühlt er sich tatsächlich durch sie hin- und

hergetrieben und sogar gequält.

fuchsteufelswild werden

sehr wütend werden;

möglicherweise geht dieser Ausdruck auf das Verhalten tollwütiger

Füchse zurück, die eben „fuchswild“ waren – und sich verhielten, als

hätten sie den Teufel im Leib.

jemanden unter die Fuchtel nehmen

jemanden streng behandeln oder erziehen;

aus dem 19. Jahrhundert: Mit der Fuchtel, einem breiten Degen,

wurden während des 16. Jahrhunderts die Unteroffiziere bei Vergehen

körperlich gezüchtigt.

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220

unter jemandes Fuchtel stehen

unter der Herrschaft von jemandem stehen, durch jemanden dominiert

werden;

aus der Waffenkunde: „Fuchtel“ ist die Bezeichnung für einen Degen mit

einer breiten Klinge, dessen Stiche bzw. Schläge sehr schmerzhaft sind.

Mit einer solchen Fuchtel wurden Unteroffiziere und Fähnriche bestraft.

Der Begriff Fuchtel ist seit dem 16. Jahrhundert bezeugt, während die

Redensart erst im 18. Jahrhundert auftaucht.

ein falscher Fuffzigerein unaufrichtiger Mensch;

aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Die Wendung bezieht

sich wohl auf die Fünfzigpfennigmünze, die als kleinste Münze in

der Anfangszeit den Aufwand des Münzfälschens lohnte. Außerdem

befanden sich auch offiziell anerkannte falsche Fünfziger im Umlauf:

1950 wurde die Aufschrift auf den Münzen von „Bank deutscher

Länder“ in „Bundesrepublik Deutschland“ geändert; die Prägestätte in

Karlsruhe stellte jedoch noch einige Tausend „Fehlprägungen“ mit der

alten Aufschrift und der neuen Jahreszahl her, die bis heute begehrte

Sammlerstücke sind.

mit Fug und Recht sagen können

mit vollem Recht etwas sagen/tun;

seit dem 16. Jahrhundert verwendet: jedoch erst später in der

heutigen Bedeutung. „Fug“ (vgl. die heute üblichen Wörter Unfug,

Befugnis) steht für etwas, das recht und billig ist, also jemandem

zusteht.

die Fühler ausstrecken

vorsichtig die Lage erkunden;

aus dem Tierreich: bezieht sich auf das Verhalten von Schnecken, die,

Page 221: Reden Sar Ten 101210

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wenn sie aus ihrem Haus herauskriechen, zunächst vorsichtig die

kleinen Fühler und dann die längeren Augenfühler ausfahren.

in Hülle und Füllein großer Menge, im Überfluss;

„Hülle“ steht für die Kleidung, „Fülle“ für die Versorgung mit

Lebensmitteln; ursprünglich bezeichnete diese Wendung also

keineswegs einen luxuriösen Zustand, sondern lediglich das

Existenzminimum.

es ist fünf vor zwölf

es ist höchste Zeit, beinahe zu spät;

sich selbst erklärende Redewendung, die auf die verrinnende Zeit

anspielt; gemeint ist Mitternacht, wenn die Aufgaben des letzten

Tages beendet sein sollten.

nicht bis fünf zählen können

sehr dumm sein;

die Zahl Fünf meint eigentlich die fünf Finger an einer Hand; schon im

Lateini schen existierte nämlich die Redensart „er weiß nicht einmal,

wie viele Finger er an der Hand hat“.

fünfe gerade sein lassen

etwas nicht so genau nehmen;

Die Zahl Fünf ist keine gerade Zahl. Wer sie trotzdem „gerade sein

lässt“, der sieht – meist um des lieben Friedens willen – über eine

(kleine) Ungenauigkeit hinweg.

für einen Kuss und ein Fünferle tun

etwas aus Freundschaft tun;

diese dialektal eingefärbte Redensart bezieht sich auf eine Bezahlung

von fünf Pfennig – also beinahe nichts.

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..., dass die Funken sprühen

auch: ..., dass die Funken fliegen

eifrig, sehr schnell;

aus dem Handwerk: bezieht sich darauf, dass der Schmied das

glühende Eisen schnell bearbeiten muss, bevor es erkaltet, und dass

dabei buchstäblich die Funken fliegen.

Furore machen

Aufsehen erregen, für Begeisterung sorgen;

aus dem Italienischen: „Furore“ stammt vom lateinischen Wort

„furor“, das Wut, Raserei bedeutet; die italienische Variante hat jedoch

(zumindest in der deutschen Redewendung) eine Wandlung zum

Positiven vollzogen und meint nun die rasende Begeisterung und

Leidenschaft.

aus einem Furz einen Donnerschlag machen

etwas aufbauschen, übertreiben;

aus dem 17. Jahrhundert: In vielen Redensarten steht „Furz“ für Nichtiges,

Unbedeutendes, Kleines. Wer aus etwas Kleinem wie einem „Blähwind“

einen Donnerschlag macht, der übertreibt gewaltig.

wie ein Furz im Wind

ein Nichts, wie nichts;

der derbe Ausdruck „Furz“ wird hochsprachlich auch als Wind

bezeichnet; etwas, auf das diese Redensart angewendet wird, ist also

ebenso bemerkenswert und verschwindet ebenso schnell wie ein

Wind im Wind.

futsch sein

verschwunden, verloren sein;

aus dem Rheinischen: seit dem 19. Jahrhundert in ganz Deutschland

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belegt. „Futsch“ ist onomatopoetisch für das Entgleiten eines

Gegenstandes; „futschikato“ ist lediglich eine Weiterbildung mit einer

scheinbar einer Fremdsprache entstammenden Endung.

auf großem Fuß leben

in Überdruss leben;

im 12. Jahrhundert war Geoffrey Plantagenet, Graf von Anjou,

Maßstab für elegante Mode. Doch er litt unter einer großen

Geschwulst an einem seiner Füße und trug aus diesem Grund lange

Schnabelschuhe, um seinen Makel zu verbergen. Bald kopierten

weitere Adelige seinen Stil, bis letztendlich im 14. Jahrhundert die

Größe des Schuhwerks Auskunft über das Ansehen eines Menschen

gab. Die Skala reichte von einem Fuß – für den normalen Bürger – bis

zu 2 ½ Fuß – für den Fürsten. Erst Karl V. schaffte die Modeerscheinung

im 16. Jahrhundert wieder ab.

jemanden auf dem falschen Fuß erwischen

jemanden unvorbereitet treffen;

aus dem Sport: Diese Redewendung bezieht sich auf das in vielen

Sportarten beim Zusammentreffen mit dem Gegner wichtige stabile

Gleichgewicht; wer z. B. auf dem falschen Fuß steht und von einem

Gegenspieler angestoßen wird, stürzt.

jemanden auf freien Fuß setzen

jemanden aus der Haft entlassen;

aus dem 15. Jahrhundert: Das sprachliche Bild bezieht sich auf den

Freigelassenen, der im Gegensatz zum Gefangenen keine Fußfesseln

mehr tragen muss und gehen kann, wohin er will.

Fußangeln auslegen

Fallen stellen, jemandem Hindernisse aufbauen;

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Fußangeln sind früher übliche Fangeisen, die bei Berührung durch ein

Tier oder durch einen darauf tretenden Menschen zuschnappen.

immer wieder auf die Füße fallen

sich in jeder Situation schnell zu helfen wissen, immer ohne Schaden

bleiben;

aus dem Tierreich: bezieht sich auf die Fähigkeit von Katzen, bei einem

Sturz immer auf den Pfoten zu landen – dadurch vermeiden die Tiere

größere Verletzungen.

jemandem die Füße küssen

sich bei jemandem einschmeicheln;

aus der christlichen Tradition: Das Küssen der Füße einer

verehrungswürdigen Person stellt den Unterschied im

gesellschaftlichen Stand zwischen dem Küssenden und dem

Geküssten heraus und zeigt die absolute Unterwerfung.

„Dass alle Fürsten nur des Papstes Füße küssen“ (aus der Übersetzung

des „Dictatus Papae“ von 1075).

kalte Füße bekommen

Angst, ein mulmiges Gefühl bekommen, aus einem Vorhaben

aussteigen;

aus der Spielersprache: Wenn in (illegalen) Spielerrunden, oft in kalten

Kellern, bis in den Morgen hinein gezockt wurde, dann waren „kalte

Füße“ ein beliebter Vorwand, um sich den Gewinn zu sichern und das

Spiel abzubrechen.

auf eigenen Füßen stehen

auch: sich auf eigene Füße stellen

unabhängig, selbstständig sein/werden;

bezieht sich darauf, dass Kleinkinder erst allmählich stehen und

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gehen lernen und damit erstmals eine gewisse Unabhängigkeit

von Erwachsenen erlangen. Die Redensart überträgt dies u. a. auf

erwachsen werdende Nachkommen, die schließlich auch finanziell

von ihren Eltern unabhängig werden.

auf tönernen Füßen stehen

keine Grundlage haben, unsicher sein;

aus der Bibel: bezieht sich auf einen Traum des Königs Nebukadnezar:

„Das Haupt dieses [Stand-]Bildes war von feinem Gold, seine Brust und

seine Arme waren von Silber, sein Bauch und seine Lenden waren von

Kupfer, seine Schenkel waren von Eisen, seine Füße waren teils von

Eisen und teils von Ton.“ (Daniel 2,32f.) Der Prophet Daniel erklärt dem

König, dass das Standbild sein Reich symbolisiere, das untergehen

werde.

etwas stehenden Fußes tun

etwas umgehend, ohne Verzögerung tun;

aus dem römischen Recht, in dem bereits der Ausdruck „stante

pede“ zu finden ist, als Voraussetzung für die Gültigkeit einer

Urteilsanfechtung. Mit derselben Bedeutung wurde es in das

Mittelhochdeutsche übertragen. Das Bild bezieht sich darauf,

dass der Einspruch sofort, also ohne sich auch nur von dem Ort

wegzubewegen, an dem man das Urteil vernahm, zu erfolgen hatte.

zum Fußvolk gehören

auch: zum gemeinen Fußvolk gehören

von geringer Bedeutung sein;

aus dem Mittelhochdeutschen: Als „Fußvolk“ bezeichnete man

ursprünglich die unberittene Truppe, die sowohl auf dem Marsch

wie an der Front die größten Opfer zu bringen hatte. Von den Rittern

wurde sie dennoch von oben herab betrachtet.

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eine Gabe Gottes

aus der Bibel: bezog sich ursprünglich auf die so genannten Gaben

des Heiligen Geistes, die da sind: Einsicht, Rat, Stärke, Gottesfurcht,

Erkenntnis, Frömmigkeit und Weisheit.

vom Galgen aufs Rad kommen

von einer schlechten Lage in eine noch schlechtere kommen;

die weniger gebräuchliche Variante der Wendung „vom Regen

in die Traufe“ hat ihren Ursprung in mittelalterlichen Folter- bzw.

Hinrichtungstechniken.

eine Galgenfrist bekommen

einen Aufschub erhalten;

die „Galgenfrist“ ist der letzte Aufschub für einen zum Galgen

Verurteilten. Das Wort ist seit Anfang des 16. Jahrhunderts belegt und

wird bereits um 1550 redensartlich gebraucht.

eine Galgenfrist gewähren

jemandem für etwas mehr Zeit zugestehen;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Dieser Ausdruck bezieht sich auf

die mittelalter liche Hinrichtungsform des Henkens. Zuweilen wurde

die Frist, bis jemand an den Galgen musste, verlängert – was für den

Verurteilten jedoch nur eine längere Zeit der Angst und des Wartens

im Kerker bedeutete.

Galgenhumor haben

in einer schlimmen Situation sein, aber Witze darüber machen

können;

wer im Mittelalter für seine Vergehen am Galgen gehenkt wurde, der

musste wahrlich viel Humor haben, um noch lachen zu können – oder

er lachte aus Verzweiflung.

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ein Galgenvogelein Strolch, der gefährlich lebt;

vergleicht jemanden, der sich durch sein Verhalten an den Galgen

bringen wird, mit den Raben, die auf der Suche nach Nahrung zum

Galgen fliegen.

Gift und Galle speien

sehr zornig sein, wüten;

aus dem Mittelalter: Damals glaubte man, die Galle sei das für die

Emotionen Wut und Zorn zuständige Organ – und bei cholerischen

Anfällen „laufe“ sie „über“. Die Vorliebe des deutschen Volksmunds für

Stabreime setzte später zur Verstärkung noch das Wort „Gift“ davor.

jemandem kommt die Galle hoch

auch: jemandem läuft die Galle über

laut der antiken Humoralpathologie, die erst durch Paracelsus

revidiert wurde, war die Galle für ein Körpersekret zuständig, das bei

Überhandnehmen zu cholerischen Anfällen führte. Im Volksglauben

hielt sich lange die Annahme, Wut und Zorn hätten ihren Sitz in der

Galle. Wenn sie jemandem „hochkommt“, steht er vermutlich gerade

am Beginn eines cholerischen Anfalls.

etwas im Galopp erledigen

etwas schnell, eventuell oberflächlich/flüchtig erledigen;

der Galopp als schnellste Gangart u. a. des Pferdes steht hier bildhaft

für große Schnelligkeit, bei der Details am Weg aber nicht mehr

wahrgenommen werden können.

Gamaschen vor etwas haben

Angst vor etwas haben;

aus dem 19. Jahrhundert: Gamaschen, Über schuhe zum Schutz des

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Leders, wurden vor allem von Adeligen und vornehmen Herrschaften

getragen. Sie waren damit ein Kennzeichen der höheren Stände, die

sich im 19. Jahrhundert besonders vor revolutio nären Umtrieben

fürchteten.

jemanden am Gängelband führen

jemanden genau anleiten, ihn keinen Schritt ohne Aufsicht tun lassen;

aus dem 18. Jahrhundert: Das „Gängelband“ war ein Band, das um den

Körper des Kleinkindes geschlungen wurde und an dem die Eltern es

aufrecht hielten, solange es noch nicht richtig laufen konnte. Später

erhielt der Begriff eher die Bedeutung einer Leine oder eines Zügels,

mit dem jeder Schritt eines Menschen beeinflusst werden kann.

eine Gänsehaut bekommen

die Körperbehaarung aufrichten;

aus dem Tierreich: Das vegetative Nervensystem veranlasst bei

Kälte oder großer Angst die Kontraktion kleiner Muskeln, die

die rudimentäre Körperbehaarung des Menschen aufrichten.

Die Bezeichnung „Gänsehaut“ stammt von der Ähnlichkeit der

menschlichen Haut in diesem Zustand mit der einer eben gerupften

Gans, die am Ansatz jeder Feder eine kleine Hauterhebung aufweist.

im Gänsemarsch laufen

in einer Reihe hintereinander gehen;

aus dem Tierreich: Diese Redewendung entstand aus der

Beobachtung einer Gans mit ihren Küken, die ihr „wie Perlen auf einer

Schnur“ in einer Reihe folgen.

Gänsewein trinken

Wasser trinken;

aus dem Tierreich; seit dem 16. Jahrhundert belegt: scherzhafte

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Anspielung darauf, dass Tieren offenbar reines Wasser ebenso gut

schmeckt wie den Menschen ein guter Wein.

einer Sache den Garaus machen

auch: jemandem den Garaus machen

etwas vollständig beenden; jemanden töten;

aus dem 16. Jahrhundert: Mit dem Ruf „gar aus!“ („alles aus!“) wurde

früher in einigen Städten die Sperrstunde durch die Polizei verkündet.

von der alten Garde sein

gute Manieren haben, sich hervorragend zu benehmen wissen;

die Garde wurde als Leibwache Adliger und Herrscher „handverlesen“

und zeichnete sich dementsprechend durch unbedingte Loyalität,

Diskretion, Höflichkeit und eine strenge Ordnung aus.

Gardemaße haben

sehr groß sein;

bezog sich auf die im Volksmund „ Lange Kerls“ genannte Leibwache

des preußi schen Königs Friedrich Wilhelm I. (1688–1740). Schon

als Kronprinz hatte der spätere „Soldatenkönig“ dieses Regiment

gegründet, für das er „mit Nachdruck“ neue Mitglieder werben ließ.

Wer „Gardemaß hatte“, d. h. wer sechs Fuß rheinisches Maß, ca. 1,88 m,

erreichte, der konnte als Paradesoldat ein versorgtes Leben führen. Wer

allerdings nicht ins Regiment eintreten wollte, der musste sich in Acht

nehmen, um nicht zwangsrekrutiert zu werden – nicht selten brachten

sich hochgewachsene Preußen über die Landesgrenzen in Sicherheit.

jemandem eine Gardinenpredigt halten

jemanden schelten, scharf tadeln;

die Gardine, hinter der hervor früher „gepredigt“, d. h. auf Fehler des

Kritisierten hingewiesen wurde, trennte das Bett vom Schlafzimmer.

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„Gardinenpredigten“ hielten also vor allem Ehefrauen, wenn ihre

Männer zu spät nach Hause kamen.

jemandem ins Garn gehen

sich von jemandem betören lassen;

ebenso wie der Ausdruck „jemanden umgarnen“ geht diese Redensart

auf das geknotete Netz zurück, mit dem Fische oder auch Vögel

gefangen wurden. Das Sprichwort „Ein Lockvogel singt den anderen

ins Garn“ hat die gleiche Wurzel.

ein Gassenhauerein sehr bekanntes Volkslied;

„hauen“ hat hier nichts mit Schlägen zu tun, sondern bezeichnet ein

besonders hartes Auftreten beim Gehen; wer nächtens nach einigem

Alkoholkonsum durch die Stadt „haute“, war ein „Gassenhauer“, der

andere Menschen aufweckte. Da er wohl oft vor sich hin sang, wurde

das Wort später auf viel gehörte Lieder übertragen.

Gassi gehen

aus der Studentensprache: Ursprünglich lautete die Redensart

„grassatim gehen“ und wurde zum lateinischen Verbum „grassari“

gebildet, was so viel wie „herumziehen“ bedeutet. Das Herumziehen

durch die Gassen der Städte verwandelte den Ausdruck in „gassatim

gehen“ und wird heute in nochmals abgewandelter Form von

Hundehaltern für das Ausführen ihrer Hunde benutzt.

etwas nicht gebacken kriegen

etwas nicht fertig bringen;

auch bei dieser Redewendung wurde eine Bezeichnung aus dem

Bereich Küche und Kochen auf den Alltag übertragen.

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jemand muss erst noch gebacken werden

so ein Mensch existiert (noch) nicht;

spielt an auf die Möglichkeit, Backwerk jede beliebige Form und Farbe

zu geben.

es knistert im Gebälkein drohendes Ereignis steht unmittelbar bevor;

bezieht sich auf Holzbauten, deren Einsturz sich durch Knistern und

Knacken im Gebälk ankündigt. Womöglich kommt die Redensart aus

der Bergmannssprache, denn in einem Stollen bedeuten knisternde

Holzbalken erhöhten Gesteinsdruck und damit Lebensgefahr.

ein furchtbares Gedöns machen

großes Aufhebens um etwas veranstalten;

aus dem Mittelhochdeutschen: „Gedöns“ leitet sich vom

mittelhochdeutschen Wort „dinsen“ für hin- und herziehen ab,

bedeutet also ein großes „Gerenne“ um eine Sache.

jemandem reißt der Geduldsfadenjemand hat keine Geduld mehr;

der „Faden“ in dieser Redensart ist wohl der Spinnfaden, da Spinnen

eine sehr langwierige und gleichförmige Arbeit ist. Wird die Spinnerin

ungeduldig, so reißt der Faden leicht – und die gesamte Arbeit war

umsonst.

mit einem Fuß im Gefängnis stehen

etwas Verbotenes tun und damit die entsprechende Strafe riskieren;

beschreibt wie „mit einem Bein im Grabe stehen“ eine Situation

(die Inhaftierung), die noch nicht eingetreten ist, aber definitiv bald

eintreten wird.

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zum letzten Gefecht antreten

den endgültigen Sieg erringen oder in den Tod gehen;

aus der Militärsprache: „Völker, hört die Signale! Auf zum letzten

Gefecht! Die Internationale erkämpft das Menschenrecht.“ (deutscher

Text der „Internationale“ von Emil Luckhardt, 1910)

im Eifer des Gefechtsauch: in der Hitze des Gefechts

vor lauter Eifer, in der Eile, infolge der Aufregung;

seit Anfang des 19. Jahrhunderts belegt: Diese Redensart wird auf

leichtsinnige Fehler zurückgeführt, die vor Übermut im Fechtkampf

passieren konnten.

jemanden gefressen haben

jemanden nicht leiden können;

so vielseitig sind Redewendungen: Ein Wort kann in zwei sehr

ähnlichen Sätzen jeweils das genaue Gegenteil bedeuten. Einen

Menschen, den man gefressen hat, hat man eben nicht „zum Fressen

gern“.

der Käse ist gegessenauch: eine Sache ist gegessen

eine Sache ist erledigt, nicht mehr zu ändern;

sobald etwas gegessen wurde, kann man es nicht ungeschehen

machen. Es ist aller dings fraglich, warum sich gerade der Käse als

Redewendung eingebürgert hat und keine andere Mahlzeit.

geharnischterbost, aufgebracht, scharf (von Briefen, Zeitungsartikeln etc.);

aus dem Mittelalter: Der Harnisch ist die Rüstung des mittelalterlichen

Ritters – wer geharnischt war, der war also bereit zum Kampf.

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jemandem ins Gehege kommen

jemandem in die Quere kommen;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Ein Gehege ist, z. B. als Schonung im

Wald, ein eingezäuntes Gebiet, das durch Tiere oder Menschen nicht

betreten werden soll. Dringt man dennoch dort ein, dürfte dies zu

einem scharfen Konflikt mit dem Besitzer des Geheges führen.

Geheimratsecken haben

auch: Geheimratswinkel haben

an den Schläfen eine leichte Glatze entwickeln;

der „Geheimrat“, ein Beamtentitel des 17. Jahrhunderts, war eine

Respektsperson in nicht mehr jugendlichem Alter – bei dem mit

Sicherheit oft „Geheimratsecken“ zu sehen waren.

Weiß der Geier!

Keine Ahnung!

Der große, Aas fressende Vogel steht, vermutlich aufgrund seines

wenig ansprechenden Äußeren und der von ihm betriebenen

„Leichenfledderei“, für den Teufel, den direkt zu nennen man früher

nicht wagte (analog die Wendung: „Weiß der Kuckuck“).

die erste Geige spielen

den Ton angeben, die Führungsrolle innehaben oder übernehmen;

aus dem 17. Jahrhundert: In einem Streichquartett gibt es stets eine

„erste Geige“, die die schwierigsten Melodiepassagen spielt und so das

Spiel der übrigen Geigen bestimmt.

nach jemandes Geige tanzen (müssen)

jemandem gehorchen müssen;

bei einer öffentlichen Tanzveranstaltung müssen alle Tanzpaare

nach dem Instrument des Geigers der Kapelle tanzen; muss man im

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übertragenen Sinne nach der Geige einer Person tanzen, wird dies

weniger gern akzeptiert.

den Geist aufgeben

sterben; kaputtgehen;

aus der Bibel: In den Klageliedern 2,12 heißt es: „Zu ihren Müttern

sprechen sie: Wo ist Brot und Wein?, da sie auf den Gassen in der Stadt

verschmachten wie die tödlich Verwundeten und in den Armen ihrer

Mütter den Geist aufgeben. Ach du Tochter Jerusalem, wem soll ich

dich vergleichen, und wie soll ich dir zureden?“

ein homerisches Gelächterschallendes, nicht enden wollendes Lachen;

aus der Antike: Homer verwendet sowohl in der Odyssee (u. a. VIII, 326)

als auch in der Ilias den Ausdruck „Asbestos gelos“ (unauslöschliches

Gelächter). Daraus entwickelte sich, zuerst im Französischen, der Ausdruck

„homerisches Gelächter“, der im 18. Jahrhundert Eingang ins Deutsche fand.

gelackmeiert sein

der Hereingelegte, Geschädigte sein;

bezieht sich wie „der Lackierte sein“ auf jemanden, der für eine

wertlose Sache aufgrund der glänzenden Lackierung Geld ausgab.

geladen sein

sehr wütend sein;

hyperbolischer Vergleich einer Person, die vor Wut jeden Moment „in

die Luft gehen“ könnte, mit einer geladenen (tödlichen) Waffe.

am Geld kleben

geizig sein;

die bildliche Wendung bezieht sich darauf, dass jemand wie an seinem

Geld festgeklebt ist, es also nicht „aus den Händen“ gibt.

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das Geld durch die Gurgel jagen

auch: das Geld durch die Kehle jagen

sein Vermögen vertrinken;

„etwas durch die Gurgel jagen“ im Sinne von trinken ist eine seit dem

16. Jahrhundert geläufige Redensart. Schon im späten Mittelalter galt

die Gurgel als Sitz der Trinklust. Wer sein Vermögen beim Wirt lässt, der

lässt im übertragenen Sinne sein Geld die Gurgel hinunterlaufen.

das Geld unter die Leute bringen

nicht geizig sein, sich viel kaufen;

diese Redewendung beruht auf der Erkenntnis, dass gespartes Geld

der Volkswirtschaft und anderen Menschen nichts nützt, und bringt so

das Einkaufen in den Ruf einer guten Tat.

das Geld zum Fenster hinausschmeißen

auch: das Geld zum Fenster herauswerfen; das Geld zum Fenster

hinauswerfen

sein Geld nutzlos vergeuden, verschwenderisch sein;

aus dem Mittelalter: Damals wurde Abfall nicht entsorgt, sondern

durch das Fenster einfach auf die Straße hinabgeworfen, wo er im

schlimmsten Falle lag, bis der nächste Regen ihn fortwusch. Wer mit

seinem Geld ebenso freigebig umgeht wie mit seinem Müll, der wirft

es redensartlich zum Fenster hinaus.

Geld wie Heu haben

sehr reich sein;

analog zu „Geld wie Dreck“ vergleicht die se Redensart die vorhandene

Geldmenge mit etwas, das reichlich vorhanden und ziemlich oder

vollkommen wertlos ist.

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die Gelegenheit beim Schopfe packen

eine Chance nutzen;

aus der griechischen Mythologie: Der Gott des günstigen Augenblicks,

Kairos, besitzt der Sage nach einen lockigen Stirnschopf und einen

kahlen Nacken, sodass man ihn nur von vorn, aber nicht mehr, sobald

er vorbei ist, fassen kann.

etwas in vollen Zügen genießenetwas sehr genießen;

gemeint war hier ursprünglich der Zug beim Biertrinken.

ein Genosseein Gefährte;

aus dem Althochdeutschen: Das Wort „ginoz(o)“ bezeichnete eine

Person, die mit anderen eine Nutznießung teilte. Ganz generell

bezeichnet der Genosse jemanden, der eine gleiche Situation oder

Gesinnung mit anderen teilt (Leidensgenosse, Parteigenosse).

etwas für sich gepachtet haben

einen beständigen Anspruch auf etwas haben;

aus der Landwirtschaft: Durch die Pacht eines Feldes erhält der

Landwirt nicht nur das Nutzungsrecht, sondern auch das Recht

auf alles, was aus diesem Feld hervorgeht. Die Redewendung wird

allerdings meist in negativer Form verwendet, da niemand die

Wahrheit, die Moral u. Ä. „für sich gepachtet“ haben kann.

sich wie gerädert fühlen

völlig erschöpft sein; sich „zerschlagen“ fühlen;

aus dem Mittelalter: Rädern war eine Form der Hinrichtung, die als

äußerst ehrlos galt, weil sie am grausamsten und langwierigsten war.

Ein Mensch wurde zunächst auf eine Bank gespannt, dann wurden

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ihm sämtliche Knochen mit einem schweren Hammer zerschmettert.

Anschließend wurde der Mensch auf ein Wagenrand geflochten

und festgebunden. Das Gerüst wurde so lange aufgestellt, bis der

Todgeweihte seinen Verletzungen erlag. Wer heute also sagt, er fühle

sich „wie gerädert“, der übertreibt.

gerüstet sein

bereit, gewappnet sein;

aus dem Mittelalter: Ein Ritter, der seine Rüstung angelegt hatte – ein

zeitrauben des Unterfangen –, der war bereit für den Kampf.

das falsche Gesangbuch haben

einer anderen, benachteiligten Konfession angehören;

am Gesangbuch, das früher jeder selbst in die Kirche mitbringen

musste, ließ sich schon von außen die Konfession des Gegenübers

ablesen. Interkonfessionelle Hochzeiten waren bis ins 20. Jahrhundert

hinein verpönt; wenn eine junge Frau das falsche Gesangbuch hatte,

kam sie als Braut nicht in Frage. Außerdem verweist die Redensart

auf die – vermeintliche oder tatsächliche – gesellschaftliche

Benachteiligung der konfessionellen Minderheit.

gezäumt und gesattelt dastehen

fertig sein zum Aufbruch;

aus der Reiterei: Allerdings bezieht sich diese Redewendung nicht auf

den „gestiefelt und gespornt“ dastehenden Reiter, sondern auf das mit

aller Ausrüstung versehene Reitpferd.

krumme Geschäfte machen

krumm bedeutet „verdreht“ und entwi ckelte über mehrere Schritte

auch die Be deutung „böse, schlimm“, die es in der ge nannten

Redewendung besitzt.

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geschniegelt und gestriegelt

sauber und ordentlich zurechtgemacht;

aus der Reiterei: Das Reitpferd wird vor dem Satteln „geschniegelt und

gestriegelt“, d. h., das Fell wird mit dem Striegel aufgeraut, sodass der

Staub herausfällt, und anschließend mit der Kardätsche wieder glatt

gestrichen.

sich geschnitten haben

sich getäuscht haben;

wer glaubt, ein Messer sei stumpf, testet die Schneide eventuell

allzu unvorsichtig an seiner Fingerkuppe – und wird, wenn er blutet,

feststellen, dass er „sich geschnitten“ hat.

schweres Geschütz auffahren

etwas mit aller Macht durchsetzen;

schweres Kriegsgeschütz ist massiger und dementsprechend

wirkungsvoller, als es kleinere Waffen sind. Wer schweres Geschütz

auffährt, will mit aller Macht seine Position durchsetzen. Die Redensart

entstand vermutlich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und

ist heute eher auf schwerwiegende Argumente in einer Diskussion zu

übertragen.

das Gesicht verlieren

Bloßstellung;

die Mimik eines Menschen offenbart seine eigentlichen Gefühle.

Heute kennen wir den Ausdruck „Pokerface“, der den emotionslosen

Gesichtsausdruck beschreibt. Würde sich ein Spieler aufgrund seines

schlechten Blatts erzürnt zeigen, also das „Gesicht verlieren“, hätte er

sich vor seinen Mitspielern entblößt.

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239

ein Gesicht ziehen wie sieben Tage Regenwetter

auch: aussehen/dreinblicken wie sieben Tage Regenwetter

mürrisch, verdrossen dreinblicken;

sieben aufeinanderfolgende Tage mit Regen sind nicht nur für den

Stadtbewohner, sondern selbst für den Bauern, der sich sonst über das

Wasser für seine Felder freut, ein Grund, verdrossen dreinzublicken.

jemandem wie aus dem Gesicht geschnitten sein

jemandem sehr stark ähneln;

ähnlich wie Eva aus einer Rippe Adams entstand und „Fleisch von

seinem Fleisch“ war, so vermittelt diese Redewendung den Eindruck,

man könnte etwas aus einem Gesicht schneiden und daraus ein

zweites, beinahe identisches formen.

sein wahres Gesicht zeigen

ehrlich, unverstellt reden, agieren;

das Gesicht, die Mimik und besonders die Augen gelten als Zugang

bzw. Ausgang der Gefühle und des Seelenlebens einer Person.

ein gutes Gespannzwei oder mehr Menschen, die gut miteinander auskommen oder

arbeiten;

bezieht sich auf die Anspannung von Pferden: Ein „gutes Gespann“

vor der Kutsche besteht aus Pferden, die etwa gleich stark und gleich

schnell sind und daher gleichmäßig ziehen.

gestiefelt und gespornt dastehen

vorbereitet sein für etwas; reisefertig sein;

jeder Reiter, ob Bote, Soldat oder Reisender, muss vor Antritt des Rittes

seine Reitstiefel und die Sporen anlegen.

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240

etwas ist gehupft wie gesprungenauch: etwas ist gehüpft/gehopst wie gesprungen

etwas macht keinen Unterschied, eins wie’s andere;

bezieht sich auf die semantische Übereinstimmung der Wörter

„hüpfen“ und „springen“ und wurde möglicherweise von der falschen

Auslegung des jüdischen Gebetes Keduschah abgeleitet, in dem der

Ausdruck „kodesch“ für „springen“ aber (richtig) auch für „schweben“

stehen kann.

ein Gesundheitsaposteljemand, der eine gesunde Lebensweise predigt;

von der Bibel abgeleitet: Vergleicht einen Gesundheitsfanatiker mit

den Jüngern Jesu, die sein Wort predigten.

sich gesundstoßenan einer Sache viel Geld verdienen;

aus der Börsensprache: bezeichnete ursprünglich das Abstoßen

schlechter Aktien zum Zweck des Ankaufs gewinnträchtigerer

Wertpapiere.

mit Spreewasser getauft sein

in Berlin zur Welt gekommen sein;

bezieht sich auf die durch Berlin fließende Spree; analoge Ausdrücke,

z. B. „mit Isarwasser getauft“, exis tieren dagegen nicht.

jemand gehört geteert und gefedert

jemand sollte schwer bestraft werden;

aus dem Mittelalter: Das Eintunken in Teer und anschließende

Rollen in Vogelfedern war im Mittelalter der Aufruf an alle Bürger,

den so (irreversibel) Gekennzeichneten zu töten oder ihn zumindest

dauerhaft aus der Gesellschaft zu verstoßen.

Page 241: Reden Sar Ten 101210

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Gewehr bei Fuß stehen

parat stehen, aber noch abwarten;

aus dem Militär: „Gewehr bei Fuß“ ist die übliche Bereitschaftshaltung

der Soldaten und daher auch ein vielfach verwendeter Befehl im

Militär.

ins Gewicht fallen

beachtenswert sein;

analog zu „in die Waagschale werfen“ beschreibt diese Redewendung

etwas, das so wichtig ist, dass es beim Ausmessen und Beurteilen der

Situation beachtet werden muss.

„[...] Um Vergebung – Wie schwer möchte ungefähr sein Kopf ins

Gewicht fallen?“ (Friedrich Schiller, Die Verschwörung des Fiesco zu

Genua)

gewitzt sein

schlau/klug/gerissen sein;

„Witz“ war früher keine Bezeichnung für einen Scherz, sondern

bedeutete bis ins 19. Jahrhundert hinein so viel wie „Klugheit,

Geistesgegenwart, Sachverstand“ und hat denselben Ursprung wie

das Wort „Wissen“.

jemandem gewogen sein

jemanden mögen;

die Waage ist Sinnbild für Gerechtigkeit. Wenn sich diese Waage – im

übertragenen Sinne – auf die Seite einer Person neigt, bedeutet dies,

dass diese Person zusätzliche positive Aspekte in die Waagschale

werfen kann.

bei jemandem hat es gezündetjemand hat etwas endlich verstanden;

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aus der Waffenkunde: Wenn eine Kanone zündet, dann löst sich der

Schuss. Diesen Moment großer Durchschlagskraft nutzt man zur

Beschreibung des Momentes, in dem jemandem plötzlich, meist nach

längerem Überlegen, „ein Licht aufgeht“ und er etwas begreift.

Darauf kannst du Gift nehmen!

Garantiert! Mit Sicherheit!

Aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Vermutlich steht in

dieser Redewendung das „Gift“ für Medikamente und Heiltinkturen.

Diese kann man ohne Sorge einnehmen, wenn es auf einem Rezept

angeordnet wird.

jemanden mit Glacéhandschuhen anfassen

auch: jemanden/etwas mit Samthandschuhen anfassen

jemanden sehr vorsichtig behandeln;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: „Glacé handschuhe“, nach dem

französischen Begriff „gants glacés“, sind aus feinem, leicht

glänzendem Material hergestellte Handschuhe, die aufgrund der

weichen Oberfläche gut für den Umgang mit Edelmetallen o. Ä., aber

nicht für das grobe Zupacken geeignet sind.

mit Glanz und Gloria

mit großem Aufwand, ruhmvoll;

bezieht sich auf die Erscheinung der Mutter Maria und der Heiligen,

die in der christlichen Ikonografie lichtumflutet (Glanz) und in großer

Herrlichkeit (lateinisch „gloria“, „Ruhm“) dargestellt werden.

zu tief ins Glas schauen

auch: zu tief in den Becher gucken/ schauen

zu viel Alkohol trinken;

diese Redensart bezieht sich auf das zum Austrinken eines bereits

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weitgehend geleerten Glases notwendige Anheben auf Augenhöhe,

sodass der Trinkende nicht anders kann, als „tief ins Glas“ zu sehen.

sich aufs Glatteis begeben

auch: aufs Glatteis geraten

in eine unsichere/riskante Situation geraten;

diese Redewendung spielt darauf an, dass Glatteis vor allem für Reiter

und Gespanne lebensgefährlich sein kann, da sich Pferde auf Eis nur

schlecht ausbalancieren können.

etwas an die große Glocke hängen

etwas Vertrauliches publik machen, eine Sache aufbauschen;

die Kirchenglocke eines Dorfes rief früher nicht nur zum Gottesdienst,

sondern läutete auch, um die Bürger über Neuigkeiten oder

drohende Gefahr zu informieren. Alles, auf das eine große Anzahl von

Menschen hingewiesen werden sollte, wurde also von der großen

Kirchturmglocke verkündet – bzw. an diese „gehängt“.

ein Hans im Glückein Mensch, der viel Glück hat; ein sorglos Lebender;

aus einem Märchen der Gebrüder Grimm: Hans erhielt im Märchen

nach sieben Jahren Arbeit einen Goldklumpen, der schwer zu tragen

war, sodass er ihn gegen ein Pferd tauschte. Das Pferd tauschte er

gegen eine Kuh, diese gegen ein Schwein usw., bis er nur noch zwei

große Steine besaß, die ihm in einen Brunnen fielen – und Hans war

frei von aller Last und überglücklich.

sein Glück machen

etwas Positives erleben;

das Wort „Glück“ ist bis ins 12. Jahrhundert zurückzuverfolgen und

lässt sich über das Wort „Lücke“ auf den noch nicht festgelegten

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Ausgang einer Sache zurückführen. Der mittlerweile immer positive

Ausgang, den man mit Glück verbindet, war ursprünglich noch nicht

konnotiert und ergab sich erst im Lauf der Zeit.

seines Glückes Schmied sein

selbst für sein Schicksal verantwortlich sein;

aus dem Handwerk: In dieser Redewendung wird das Glück mit einem

Metallstück – vermutlich Gold – gleichgesetzt, das sich in erfahrenen

Händen zu einem Schmuckstück nach eigenem Geschmack

schmieden lässt, seinem Besitzer also viel Freude bereitet.

Gnade vor Recht ergehen lassen

noch einmal ein Auge zudrücken;

aus der Rechtspraxis: Trotz einer anders lautenden rechtlichen

Regelung wird ein Delinquent noch einmal begnadigt.

den Gnadenstoß geben

jemandes Leiden beenden;

der Gnadenschuss wird heute meist einem verletzten Tier

gegeben, das ohnehin sterben wird, um die Zeit seiner Schmerzen

zu begrenzen. Im übertragenen Sinne beendet man durch den

Gnadenstoß die Seelenqualen eines Menschen. Ursprünglich stammt

der Ausdruck aus einer mittelalterlichen Praxis bei der Durchführung

von Todesstrafen: Der Henker tötete den Gefolterten mit einem

schnellen, gnädigen Degenstoß.

Gold in der Kehle haben

sehr gut singen können;

das Edelmetall steht in Redewendungen stets für alle Eigenschaften

von besonderer Qualität oder besonderem Wert – so wie ein

außergewöhnlich großes Gesangstalent.

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jemanden nicht mit Gold aufwiegen können

jemand ist unbezahlbar, wundervoll, einzigartig ...;

seit dem 2. Jahrhundert in lateinischer Sprache belegt: bedeutet, dass

einem eine bestimmte Person so wertvoll ist, dass das (früher) teuerste

Edelmetall selbst in gro ßen Mengen nicht genügt, um seinen Wert zu

vermitteln.

jemandem goldene Berge versprechen

jemandem sehr viel versprechen;

in dieser Redewendung werden zwei Bilder zusammengeführt: zum

einen das Edelmetall Gold, das für alles Wertvolle steht, und zum

anderen der Berg, der „Größe“ oder „große Anzahl“ bedeutet.

ein Goldeseleine unerschöpfliche Geldquelle;

aus einem Märchen der Gebrüder Grimm: In dem Märchen „Tischlein,

deck dich, Goldesel und Knüppel, aus dem Sack“ besitzt einer der

Söhne einen Esel, der auf den Befehl „Bricklebrit“ den Schwanz hebt

und Gold ausscheidet.

jedes Wort auf die Goldwaage legen

auch: etwas auf die Goldwaage legen

jedes Wort sorgfältig überlegen;

aus dem Altertum: Schon bei Cicero wurde die für das Abwägen von

Goldmünzen gedachte „Goldwaage“ auch redensartlich gebraucht; in

seiner Schrift „De oratore“ (Über den Redner) meint er, Worte würden

wie auf der Waage des Goldarbeiters geprüft (II, 38, 159).

jemandem das Schwarze unter den Nägeln nicht gönnenjemandem nicht das Geringste gönnen;

selbst der wertlose Schmutz unter den Fingernägeln ist noch zu gut

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für einen Menschen, dem man „das Schwarze unter den Nägeln“ nicht

zugestehen will.

Gott sei’s getrommelt und gepfiffen!

Gott sei Dank!

Umgangssprachlicher Ausdruck der Erleichterung; seinen Dank

möchte der Sprecher Gott mit Trommeln und Pfeifen, also mit einer

Ehrenmusik zukommen lassen.

leben wie Gott in Frankreich

auch: leben wie der Herrgott in Frankreich

sorglos, bequem, in allem Komfort leben;

vermutlich aus der Französischen Revolution: Für diese Redensart

existieren mehrere Erklärungsvarianten. Die wahrscheinlichste

verweist auf die Forderungen nach Abschaffung der Religion durch

den radi kalen Flügel der Jakobiner (1792) bzw. die Erklärung der

Religionsfreiheit – eine dramatische Neuerung in Europa –, die Gott

beinahe seines Amtes enthoben hat, sodass er in Frankreich faul und

bequem „Ferien machen“ konnte.

sich sein eigenes Grab schaufeln

auch: sich sein eigenes Grab graben

sich selbst ruinieren;

das in dieser Redensart genannte „Grab“ steht hyperbolisch für eine

wirtschaftliche oder private Katastrophe.

etwas zu Grabe tragen

etwas endgültig beenden;

wer eine Idee oder einen Plan „zu Grabe trägt“, der hat jede Hoffnung

auf Wiederbelebung aufgegeben.

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jemand würde sich im Grabe umdrehen

auch: jemand würde sich im Grab umdrehen

der Verstorbene wäre wegen einer bestimmten Sache entsetzt;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: Diese auch im Französischen

existierende Redewendung geht auf den wesentlich älteren

Aberglauben zurück, dass Verstorbene noch eine Verbindung zur Welt

der Lebenden haben und eventuell sogar zurückkehren können.

mit einem Bein im Grabe stehen

sehr krank sein, bald sterben;

ähnlich der Redensart „er ist von uns gegangen“ stellt dieser Ausdruck

den Tod als etwas aktiv Unternommenes dar, in diesem Fall also das

„Hineintreten“ in das Grab.

das Gras wachsen hören

Gespenster sehen; etwas im Voraus ahnen; (über-)sensibel sein;

mit dem Bild des Menschen, der so feine Ohren hat, dass er das absolut

unhörbare Wachsen des Grases vernimmt, wird eine hohe Sensibilität

und ein gutes Gespür für eine Entwicklung beschrieben. Allerdings

kann sich diese Empfindlichkeit auch ins Negative verkehren, wenn

man etwas wahrnimmt, was tatsächlich gar nicht existiert.

ins Gras beißen

sterben;

aus der Soldatensprache: Ins Gras bissen Kämpfer, die verwundet

auf dem Schlachtfeld liegen blieben, um ihre Schmerzen ertragen zu

können. Schon in der Antike finden sich Belege dieser Wendung, so

heißt es in der Ilias (II, 418): „Vorwärts liegend im Staub, mit Geknirsch

in die Erde gebissen.“ Eine andere Deutung leitet das Wort „beißen“

vom mittelhochdeutschen „beizen“ ab, das absteigen bedeutet. Der

verwundete Ritter stieg also vom Pferd ab.

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alles grau in grau malen

pessimistisch sein;

wer „grau in grau“ malt, erhält nicht nur ein vollkommen farbloses,

sondern sogar ein monochromatisches und damit sehr trostloses Bild

der Welt.

nur graue Theorie

Theorie ohne Realitätsbezug;

die Farbe Grau steht hier für Langeweile und Monotonie; die

Redewendung wird also abwertend insbesondere für praxisferne

Wissenschaftsbereiche verwendet.

die Gretchenfrage stellen

die entscheidende Frage stellen;

aus Goethes „Faust“: bezieht sich auf eine Frage Margarethes in

Goethes Faust, der Tragödie erster Teil, in Marthens Garten: „Nun sag,

wie hast du’s mit der Religion? Du bist ein herzlich guter Mann, allein

ich glaub, du hältst nicht viel davon.“

einen glücklichen Griff tun

die richtige Auswahl treffen;

redensartliche Wendung, die die richtige Wahl einer Person, etwa

eines Bewerbers für eine Stelle, mit dem Griff in eine Kiste vergleicht,

aus der man „den Richtigen“ herausholt.

die Grillen vertreiben

schwermütige Gedanken vertreiben;

seit dem 17. Jahrhundert ist der Ausdruck „Grillen“ für die

melancholische Grundstimmung einer Person belegt; so verspricht

Mephistopheles Faust: „Denn dir die Grillen zu verjagen, bin ich als

edler Junker hier.“

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bei jemandem ist der Groschen gefallen

jemand hat etwas verstanden;

der „Groschen“ steht für jede beliebige Münze, die in einen

Münzautomaten geworfen wird. Tickets, Kaugummis, Zigaretten

etc. erhält man erst, nachdem die Münze durch die Automatik des

Gerätes gefallen ist. Eine kluge Antwort erhält man erst, nachdem der

Groschen bei dem Gesprächspartner gefallen ist.

der Groschen fällt pfennigweise

jemand begreift etwas sehr langsam;

diese Redewendung ist eine scherzhafte Weiterentwicklung des

üblicheren „bei jemandem ist der Groschen gefallen“. Das langsame

Verstehen einer Sache wird ver glichen mit dem zeitaufwendigen

Bezahlen an einem Automaten in kleinen Münzen.

in die Grube fahren

sterben;

abgeleitet aus der Bibel: Josefs Brüder werfen den verhassten Liebling

des Vaters in eine Grube – als sie ihn später nicht wiederfinden,

glauben sie, er wäre tot. Als Jakob, der Vater, davon erfährt, ruft er

aus: „Ich werde mit Leid hinunterfahren zu den Toten, zu meinem

Sohn.“ (Genesis 37,35)

das Gleiche in Grünauch: dasselbe in Grün

etwas ist mit einer anderen Sache bis auf minimale Unterschiede

identisch;

„grün“ war der Opel Laubfrosch, eines der ersten in Serie produzierten

Kfz in Deutschland. Aufgrund geringerer Produktionskosten wurde

dieser Wagen ausschließlich in der Farbe Grasgrün angeboten,

was ihm auch zu seinem Namen verhalf. „Dasselbe“ aber war der

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französische Citroën 5CV, ein absolut baugleiches Modell in anderen

Farben, das bereits 1921, drei Jahre vor dem Laubfrosch, auf den Markt

gekommen war. Das Opel-Modell war also dasselbe wie jenes von

Citroën – nur in Grün.

grün vor Neid werden

auch: blass/gelb vor Neid werden

sehr neidisch sein;

auch diese Redensart entstammt dem Volksglauben, Leber und Galle

seien der Sitz vieler (negativer) Gefühle. Grün oder gelb sind die von

diesen Organen produzierten Lebenssäfte – wenn die Gefühle der

Leber, Zorn oder wie hier Neid, überhand nehmen, färbt sich also der

ganze Mensch grün.

jemandem nicht grün sein

jemanden nicht mögen;

aus dem Mittelhochdeutschen: Grün ist die Farbe des Glücks, der

Hoffnung und der positiven Eigenschaften eines Menschen – darunter

auch die wohlgesinnte Haltung gegenüber einem anderen Menschen.

noch sehr grün sein

sehr jugendlich, naiv, unreif sein;

aus der Botanik: bezieht sich auf die grüne Farbe von Zitronen,

Pflaumen und anderem Obst in unreifem (und ungenießbarem)

Zustand.

jemandem geht der Arsch auf Grundeisjemand hat große Angst;

Das so genannte Grundeis bricht nach der Frostperiode los, der dabei

auftretende Lärm wird redensartlich mit den Magengeräuschen

verglichen, die als Begleiter von Angst und Feigheit auftreten. Die

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Redensart kann erst Mitte des 18. Jahrhunderts nachgewiesen

werden, ist aber wohl sehr viel älter.

der Grundstein für etwas sein

auch: der Grundstein zu etwas sein

der Anfang, der Ausgangspunkt;

aus dem Bauwesen: Der so genannte Grundstein ist der zuerst gesetzte

Stein eines Gebäudes. Oft wird eine so genannte Grundsteinlegung,

die den Baubeginn markiert, feierlich begangen und ein hohler, mit

Zeitzeugnissen, etwa einer aktuellen Tageszeitung und Münzen,

gefüllter „Stein“ verwendet.

Ach du grüne Neune!

Ausruf des Erschreckens oder Erstaunens;

die „grüne“ Neun ist die Gras-Neun im Kartenspiel. Will man aus Karten

die Zukunft vorhersagen, bedeutet die Pik-Neun (der die Gras-Neun

entspricht) üblicherweise nichts Gutes und wird daher mit einem

Ausruf des Erschreckens aufgenommen.

Komm an meine grüne Seite!

Komm an mein Herz!

Die Farbe Grün wird oft mit den Eigenschaften „frisch, jung, lebendig“

gleichgesetzt, die auch das Herz eines Menschen als Wurzel aller

Gefühle kennzeichnen. Wenn man jemanden also an die grüne Seite

bittet, zeigt dies die Zuneigung und Verbundenheit mit dieser Person.

alles liegt im grünen Bereich

alles/etwas ist in Ordnung, läuft nach Plan;

der „grüne Bereich“ ist der Toleranzbereich der Messgeräte vieler

Maschinen – im Gegensatz zum roten Bereich der Messskala, der die

Überschreitung bestimmter Grenzwerte anzeigt.

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ein Grünschnabelauch: ein grüner Junge

aus dem 17. Jahrhundert: Seither bezeichnet grün redensartlich

„Unerfahrenheit“ und „Unreife“. Auf diese Bedeutung geht auch der

amerikanische Begriff „Greenhorn“ zurück.

Grütze im Kopf haben

klug sein;

„Grütze“ steht allgemein für den Verstand (daher z. B. „Grützkasten“

für den Kopf). Wenn jemand viel „Grütze“ hat, so ist er besonders

intelligent.

eine gscherte Person

eine gemeine Person;

langes Haar wurde früher als ein Statussymbol betrachtet, denn die

Pflege und Zeit, die lange Haare erfordern, waren nur wohlhabenden

Menschen vorbehalten. Menschen, die in Kriegszeiten verdächtigt

wurden, mit dem Feind zusammengearbeitet zu haben, wurde aus

diesem Grund gewaltsam der Kopf geschoren.

ein Gummiparagrafauch: ein Gummiparagraph, Kautschukparagraph

eine gesetzliche Bestimmung, die zu allgemein oder zu unbestimmt

formuliert ist;

Gesetze, deren mangelnde Genauigkeit es erlaubt, sie so oder so

auszulegen, die also „gummiartig“ gedehnt werden können, führen

dazu, dass erst die Richter über die Auslegung entscheiden müssen.

Saure-Gurken-Zeit

Sommerloch; geschäftsarme Hochsommerzeit;

die Redensart hängt vielleicht ganz schlicht damit zusammen, dass mit

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der für Geschäftsleute eher kargen Urlaubszeit auch die Ernte und der

Verkauf eingelegter Gurken zusammenfällt. Eine andere, ebenfalls nicht

belegte, aber interessantere Erklärung verweist auf den jiddischen

Ausdruck Zores- und Jokresszeit, was so viel wie „Zeit der Not und der

Teuerung“ bedeutet. Das Volk, das kein Jiddisch konnte, folgte der

ungefähren Aussprache – und vereinfachte den Ausdruck, sodass nun

jeder etwas damit verbinden konnte: Essiggurken.

den Gürtel enger schnallen

auch: den Riemen enger schnallen

hungern; übertragen auch: sparen (müssen);

der Gürtel muss enger geschnallt werden, nachdem gefastet wurde,

da der Hungernde an Leibesumfang abgenommen hat. Während des

Fastens wurde er jedoch auch schon enger gestellt, da der konstante

Druck in der Bauchgegend das Hungergefühl weniger spürbar

machte.

wie aus einem Gusseinheitlich, makellos;

aus der Werkstofffertigung: Das Gießen ist eine Möglichkeit, Metalle

nach starkem Erhitzen in eine Form zu bringen. Was „in einem Guss“

hergestellt wird, besitzt keine Verbindungsnähte und ist somit

besonders glatt, haltbar und teuer.

etwas ist jenseits von Gut und Böse

etwas ist vollkommen indiskutabel;

von dem Titel eines Werkes Friedrich Nietzsches abgeleitet: bezeichnet

eine Sache oder Person, die so schlecht ist, dass sie nicht mehr anhand

der üblichen Maßstäbe beurteilt werden kann.

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an einem Haar hängen

eine sehr unsichere Sache sein, von einer Kleinigkeit abhängen;

geht vielleicht auf die Erzählung von Damokles’ Schwert zurück.

Allerdings ist die Wendung schon im Mittelalter geläufig, so etwa im

„Iwein“ des Hartmann von Aue aus dem 12. Jahrhundert.

das Haar in der Suppe finden

auch: das Haar in der Suppe suchen

jeden (kleinen) Makel an einer guten Sache finden, etwas

schlechtreden, pessimistisch sein;

das „Haar“ steht für etwas, das „haarfein“, also beinahe unsichtbar

ist, vor allem in einer Suppe. Wer es dennoch findet, hat wirklich

Pech – oder er hat so lange gesucht, bis er seine negative

Grundhaltung gegenüber einer Sache bestätigt findet.

kein gutes Haar an jemandem lassen

jemanden übertrieben rügen, tadeln, völlig ablehnen;

Wendungen mit „Haar“ nehmen oft Bezug auf die Klein- oder Feinheit.

Wer kein gutes Haar an jemandem lässt, der billigt ihm also nicht

einmal zu, auch nur die kleinste Kleinigkeit richtig gemacht zu haben.

niemandem ein Haar krümmen

niemandem etwas zuleide tun;

die Redewendung bezieht sich auf die Tatsache, dass man mit dem

Krümmen eines Haares niemandem Schmerzen zufügen kann, aber

aus Gutmütigkeit und um des Friedens willen dennoch nicht einmal

das tut.

Haare auf den Zähnen haben

bissig oder sehr unhöflich reden;

Haare am Körper wurden früher stets als Zeichen besonderer

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Männlichkeit gewertet. Man ging auch davon aus, dass der männliche

Haarwuchs an (bei diesem Menschen) besonders bedeutsamen Stellen

auffällig stark wäre. Diese Körperstellen würden sich dann durch

außergewöhnliche Kraft auszeichnen. Zeichnet sich ein Mensch vor

allem durch eine spitze Zunge aus, so hat er die Haare sprichwörtlich

dort, wo seine Kraft sitzt – auf den Zähnen.

Haare lassen müssen

mit gewissen Einbußen davonkommen;

aus dem Jagdwesen, bezieht sich vermutlich auf das Haarwild – Tiere

mit Fell, im Gegensatz zum Federwild –, das sich zwar manchmal

aus einer Falle befreien konnte, dabei aber meist Haare zurückließ.

Ebenso kann ein männliches Tier Haare lassen, wenn es bei einem

Konkurrenzkampf innerhalb der Herde unterliegt.

jemandem stehen die Haare zu Berge

jemand ist in höchstem Maße schockiert, entsetzt;

diese Wendung findet sich schon in der Bibel: „Und ein Hauch fuhr

an mir vor über; es standen mir die Haare zu Berge an meinem Leibe.“

(Hiob, 4,15) In der Tat hat man bei großem Grauen ein Gefühl, als ob

einem die Haare emporstiegen (daher auch „haarsträubend“).

jemandem wächst der Kopf durch die Haarejemandem fallen die Haare aus;

euphemistischer Ausdruck für eine beginnende Glatze.

sich die Haare raufen

entsetzt, verzweifelt sein;

bezieht sich auf eine alte Klagegebärde: Haarausraufen als Teil der

Totenklage in zahlreichen Kulturkreisen ist seit der Antike belegt.

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sich in die Haare kriegen

Streit miteinander anfangen;

bildliche Redensart, bezog sich ursprünglich wörtlich auf einen

Kampf, bei dem man sich an den Haaren riss, etwa eine derbe

Wirtshausrauferei. Dieses Verhalten lässt sich heute meist nur noch

bei kleinen Kindern oder in amerikanischen Nachmittags-Talkshows

beobachten.

sich keine grauen Haare wachsen lassen

sich nicht grämen, sorgen, aufregen;

der Legende nach können Haare über Nacht grau oder gar weiß

werden, wenn man sich große Sorgen macht oder ein schreckliches

Erlebnis hatte. Die Redensart ist bereits im 16. Jahrhundert belegt.

etwas an den Haaren herbeiziehen

mit einem unglaubwürdigen Argument kommen, unlogisch

argumentieren;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: Wer einen Menschen an den Haaren

herbeizieht, der tut ihm Gewalt an – wohl jeder weiß, wie weh es tut,

wenn einem auch nur ein Haar ausgerissen wird –, wer ein Argument

an den Haaren herbeizieht, der tut der Logik Gewalt an.

sich in den Haaren liegen

miteinander streiten;

schon im 15. Jahrhundert nachweisbare bildliche Redensart. Jörg

Wickram (ca. 1505–62) schrieb in seinem „Rollwagenbüchlein“: „Die

lagen einanderen für und für im har und konten nit miteinander

gestellen.“

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um Haaresbreiteauch: um ein Haar

ganz knapp, beinahe;

um auszudrücken, dass etwas denkbar knapp ausgegangen ist,

verwendet man das Bild des dünnen Haares; ähnlich bei „haarscharf“.

haargenau dasselbe

exakt dasselbe;

das Haar ist die feinste Struktur an der Oberfläche eines Körpers und

aufgrund seiner Flexibilität nicht exakt zu ordnen. Wenn etwas sogar

bis auf die Haare einer anderen Sache gleicht, dann ist es mit dieser

identisch.

haarige Angelegenheit

eine komplizierte Sache oder Situation;

diese Redensart bezieht sich wohl darauf, dass Tiere mit dichtem Fell

als Jagdbeute wenig beliebt waren, da das „Enthaaren“ schwieriger

war und mehr Zeit in Anspruch nahm.

etwas haarklein erzählen

ganz genau und mit allen Details berichten;

nimmt, wie viele „haarige“ Redensarten, auf die Feinheit des Haares

Bezug. Wer alle Details einer Geschichte erzählt und nichts auslässt,

der könnte auch die Haare auf dem Kopf seines Gegenübers zählen.

Haarspaltereien betreiben

sich mit unnötigen Details befassen (mit dem Ziel, eine Sache zu

verhindern);

Haare werden aufgrund ihrer Feinheit und geringen Dicke (manche

sind nur 0,07 mm dick) oft redensartlich im Zusammenhang mit

Kleinigkeit oder Genauigkeit verwendet. Wer so detailbesessen

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ist, dass er sogar etwas so Dünnes wie ein Haar spalten würde, der

übertreibt es allerdings mit der Genauigkeit.

bis in die Haarspitzendurch und durch;

da die Haare nicht an den Blutkreislauf und damit an das

Nährstoffsystem des Körpers angeschlossen sind, können sie

eigentlich nicht von etwas, das darin ist, durchdrungen sein – außer in

der Redewendung und z. B. von einer Ansicht oder Idee.

von Hacke bis Nacke

vollständig, umfassend;

die auf Berliner Dialekt basierende Rede wendung besagt eigentlich

„der ganze Mensch“, also von der Ferse bis zum Kopf (Nacken).

die Hacken zusammenschlagen

auch: die Hacken zusammenknallen

Haltung annehmen;

aus der Soldatensprache: Wenn der Soldat strammstehen soll, werden

die Hacken, also die Fersen zusammengeschlagen.

in den Hafen der Ehe einlaufen

heiraten;

da der Hafen für Schiffe stets ein Ort der Sicherheit vor Angriffen

oder Unwetter ist, wird mit dieser Redewendung die Ehe als eine

Gemeinschaft gesehen, die den Eheleuten Sicherheit und Ruhe bietet.

jemanden sticht der Haferjemand wird übermütig;

aus der Reiterei: Die rasche Verwertbarkeit des energiereichen Hafers

führt bei Pferden dazu, dass sie bereits eine Stunde nach dem Füttern

übermütig werden und laufen wollen.

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ein rechter Hagestolzein unverbesserlicher Junggeselle;

aus dem Mittelalter: Ein „Hag“ bzw. eine „Hagestolle“ war ein kleines

Stück Land, das nach dem alten Erbrecht einem jüngeren Sohn

zustand, während der Erstgeborene den Herrenhof mit entsprechend

mehr Land erbte. Dem Jüngeren war es kaum möglich, mit seinem

kleinen Besitz eine Familie zu ernähren, daher musste er Junggeselle

bleiben.

der Hahn im Korb sein

sich als einziger Mann unter Frauen befinden;

aus der Landwirtschaft: Hähne sind äußerst aggressive Tiere, sodass

sich zwei Hähne auf engem Raum bekämpfen würden – ein Umstand,

den man sich bei Hahnenkämpfen zunutze macht. Wurde früher

Geflügel für den Verkauf zum Markt gebracht, saß daher in jedem

Hühnerkorb nur ein Hahn.

es kräht kein Hahn mehr danach

das ist inzwischen unwichtig, das interessiert niemanden mehr;

aus der Bibel: Auch diese Redewendung wurde als Umkehrschluss aus

einer biblischen Begebenheit gebildet. Petrus, wird in Matthäus 26

berichtet, verleugnete Jesus dreimal, „ehe der Hahn kräht“. Als der

Vogel schreit, wird Petrus bewusst, dass er genau das tat, was nie zu

tun er geschworen hat. Ursprünglich macht das Krähen also auf eine

wichtige Sache aufmerksam. Wenn der Hahn nicht mehr kräht, ist

etwas also nicht mehr von Bedeutung.

jemandem den roten Hahn aufs Dach setzen

Brandstiftung verüben;

seit dem 17. Jahrhundert in Europa belegt: Der sprichwörtliche „rote

Hahn“ steht für Feuer und bezieht sich auf die Ähnlichkeit des roten

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260

Hahnenkammes mit dem Bild lodernder Flammen. Denkbar ist auch

eine Verbindung zu dem auf dem Dach angebrachten traditionellen

„Wetterhahn“.

Nun mach mal halblang!

Jetzt übertreib mal nicht! Fass dich kurz!

Bezog sich ursprünglich wohl auf die falsche Angabe einer Distanz

oder Länge (bspw. bei Textilien).

den Hals aus der Schlinge ziehen

sich gerade noch retten können;

aus dem Mittelalter: Diese Redewendung bezieht sich auf die Praxis

des Henkens. Wer den Kopf schon in der Schlinge hat, ihn aber wieder

herausziehen kann, ist gerade noch mit dem Leben davongekommen.

einen dicken Hals kriegen

auch: einen dicken Hals bekommen

wütend werden, sich ärgern;

vermutlich leitete sich diese Redewendung von der Tatsache ab, dass

bei Zorn die Adern am Hals anschwellen und hervortreten.

etwas hängt einem zum Hals heraus

auch: jemandem zum Halse heraushängen

von etwas genug haben, einer Sache/Person überdrüssig sein;

aus der Bibel: Diese Redewendung darf hinsichtlich einer Speise ganz

wörtlich verstanden werden: So viel von etwas essen, bis es einem

zum Halse heraushängt, bis man nichts mehr davon hinunterbringt.

Dieses Bild wird auch in 4. Buch Mose 11,20 verwendet. Während

des Marsches des Volkes Israel durch die Wüste ließ Gott Manna vom

Himmel fallen, damit die Menschen nicht hungern mussten. Die

Anhänger Moses’ freuten sich erst, dann begannen sie zu klagen, dass

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sie lieber Fleisch hätten. Also sagt Moses: „Darum wird euch der Herr

Fleisch zu essen geben, [...] einen Monat lang, bis ihr’s nicht mehr

riechen könnt und es euch zum Halse heraushängt.“

etwas in den falschen Hals kriegen

auch: etwas in die falsche Kehle kriegen

aufgrund eines Missverständnisses wütend/beleidigt reagieren;

bezieht sich auf die anatomische Anordnung der Luft- neben der

Speiseröhre, aufgrund derer man sich an Nahrung verschlucken kann.

Hals über Kopf

übereilt; chaotisch;

der Hals kann nur dann über dem Kopf liegen, wenn man einen

Purzelbaum macht oder stürzt – eine häufige Folge von Chaos

produzierender Hektik.

sich jemandem an den Hals schmeißen

sich bei jemandem einschmeicheln, sich jemandem aufdrängen;

diese Redewendung bezieht sich auf das vor allem von Frauen bei

Männern praktizierte Umarmen um den Hals.

sich um den Hals reden

etwas ausplaudern, ohne über die Folgen nachzudenken;

aus dem Mittelalter: Die Strafe für schwere Vergehen war im Mittelalter

u. a. das Köpfen, wobei mit einem Schwerthieb auf den Hals der Kopf

vom Körper getrennt wurde. Wer ein Geheimnis ausplauderte, das ihn

sein Leben kosten konnte, der redete sich damit „um den Hals“.

jemandem die Hammelbeine lang ziehen

jemanden streng tadeln, zurechtweisen;

der Hammel steht ähnlich der Ziege oder dem Schaf in

Redewendungen für Dummheit. Die zunächst nur beim Militär

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verwendete Redensart bezieht sich darauf, dass Schäfer mittels

eines an einer Stange befestigten Hakens einzelne Tiere an einem

Hinterbein aus der Herde ziehen, um ihren Gesundheitszustand zu

kontrollieren.

das Heft in der Hand haben

das Sagen haben, Entscheidungskompetenz besitzen;

als „Heft“ wird der Griff jeder Stichwaffe, darunter Degen, Florett und

Schwert, bezeichnet. Wer den Degengriff in der Hand hat, dem wird

man kaum widersprechen wollen, wenn er „das Ruder an sich reißt“.

die Hand auf der Tasche halten

geizen;

jemand, der „die Hand auf der Tasche hält“, greift nicht hinein,

entnimmt also selbst kein Geld und verwehrt auch jedem anderen

den Griff in diese Tasche.

die Hand im Spiel haben

mitwirken, intervenieren;

aus der Musik: Wer „die Hand im Spiel“ hat, der musiziert gemeinsam

mit anderen, wirkt also an der entstehenden Musik mit.

die Hand über jemanden halten

jemanden beschützen, protegieren;

Hände stehen in vielen Redewendungen für „Schutz, Beistand“. In

diesem Fall entstand der Ausdruck aus einer Geste, mit der eine

Person, die das Recht zur Begnadigung innehatte, genau dieses tat

und so die Verfolgung und die Verurteilung zum Tod aufhob.

eine hohle Hand machen

korrupt sein;

nimmt Bezug auf eine locker um einen Geldschein oder Münzen

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geschlossene Hand, wenn Dritte das übergebene Geld, z. B. bei einer

Bestechung, nicht sehen sollen.

etwas gegen jemanden in der Hand haben

Beweise für jemandes Fehlverhalten haben;

aus der Bibel (2. Buch Moses 4,17) abgeleitet: Das „etwas“, das man

gegen jemanden vorzubringen weiß, bezog sich zunächst auf den

Stab (Zepter) der Herrscher, der ihre Macht symbolisierte; man erhält

also die Macht, über jemandes Schicksal zu entscheiden bzw. ihm zu

befehlen.

etwas geht Hand in Handetwas hat eine bestimmte, immer eintretende Konsequenz;

bei manchen Vorgängen folgt auf den ersten Schritt so sicher eine

bestimmte Folge, dass Ursache und Konsequenz wie zwei Liebende

„Hand in Hand“ gehen.

für jemanden die Hand ins Feuer legen

für die Integrität, Zuverlässigkeit, Ehrlichkeit einer anderen Person

bürgen;

aus dem Mittelalter: Eines Vergehens angeklagte Personen

mussten ihre Hand in ein Feuer halten, um die Richtigkeit ihrer

Unschuldsbeteuerung zu beweisen. Man glaubte, dass bei einem

Unschuldigen die Finger nicht verletzt würden. Verbrennun gen hatte

somit nur jemand zu fürchten, der schuldig war, wohingegen der

wirklich Unschuldige seine Hand beruhigt „ins Feuer legen“ konnte.

Hand aufs Herz!

Versprochen! Sei ehrlich!

Die Redensart geht auf die Geste beim Ablegen eines Eides zurück,

wenn die eine Hand zum Himmel, die zweite auf die Brust gelegt

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wird. Die Hand, die für das Tun eines Menschen steht, soll dabei in

Einklang stehen mit dem Herzen, das die Gefühlswelt und die Seele

symbolisiert.

Hand und Fuß haben

eine gute Basis haben, taugen;

aus dem Mittelalter: Für den Ritter waren zwei Fähigkeiten

lebensnotwendig: das Reiten, das mit dem Besteigen seines Pferdes

(mit dem linken Fuß) begann, und das Kämpfen (wobei er das Schwert

in der rechten Hand hielt). Daher war das Abschlagen der rechten

Hand und des linken Fußes eine der schwersten Strafen. Was dagegen

noch „Hand und Fuß“ hat, ist vollständig und voll einsatzfähig.

Hand von der Butter lassen

die Finger von etwas lassen, es nicht anrühren;

aus der Winzerei: bezieht sich nicht auf den Brotbelag, sondern auf das

Fass mit den geernteten Trauben, die Weinbütte. Wer davon naschen

wollte, der erhielt die barsche Aufforderung: „Hand von der Butte!“

in die Hand beißen, die einen füttert

gegenüber einer Person, die einem nutzt, unfreundlich/undankbar

sein;

diese Redewendung verwendet das Bild eines Haustieres, das die

Hand des Menschen durch einen Biss verletzt und anschließend nicht

mehr mit Futter versorgt wird.

jemandem aus der Hand fressen

sich in Abhängigkeit von jemandem begeben, ihm gehorchen;

bezieht sich auf wilde Tiere, die am leichtesten durch Futter aus der

Hand gezähmt und mit dem Menschen vertraut gemacht werden

können.

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jemanden in der Hand haben

jemandem befehlen können, Druckmittel besitzen;

aus der Bibel: Die Redewendung geht auf das „Abkommen“ Gottes

mit dem Satan über Hiob zurück, durch das der Satan seine Zweifel

an der Festigkeit wahren Glaubens bestätigen will. Gott übergibt

ihm Hiob: „Siehe da, er sei in deiner Hand, doch schone sein Leben.“

(Hiob 2,6) Hiob schwört seinem Glauben an Gott aber trotz zahlreicher

„Hiobsbotschaften“ nicht ab – und obwohl ihn der Teufel „in der Hand“

hat.

sich für jemanden die Hand abschlagen lassen

jemandem vertrauen, für jemanden einstehen;

ähnlich der Redensart „für jemanden die Hand ins Feuer legen“

beschreibt diese Wendung eine so große Loyalität für jemanden,

dass man sich sogar verletzen lassen würde, um dem anderen zu

helfen.

von langer Hand geplant

auch: von langer Hand vorbereitet

langfristig geplant;

die Hand findet sich in vielen auf die Zeit bezogenen Redewendungen

wie „kurzer hand“ oder „im Handumdrehen“. Die „lan ge Hand“ steht

also in dieser Tradition für einen größeren Zeitraum, in dem etwas

vorbereitet wurde.

ordentlich in die Hände spucken

fleißig arbeiten;

dieser Brauch bei Handwerkern ist schon alt; der Speichel soll

die trockenen Handflächen befeuchten, sodass die Holzstiele der

Werkzeuge nicht durchrutschen.

„Und jetzt wird wieder in die Hände gespuckt. / Wir steigern das

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Bruttosozialprodukt!“ (Textzeile aus einem Lied der Band „Geier

Sturzflug“)

das Handtuch werfen

aufgeben, sich geschlagen geben;

aus dem Boxsport: Wenn der Boxer sich in einer bedrängten Situation

befindet, wird ihm von Trainer zum Zeichen der Beendigung des

Kampfes ein Handtuch zugeworfen. Die Geste des geworfenen

Handtuchs als Zeichen zur sportlichen Aufgabe wurde zu Beginn des

20. Jahrhunderts in den allgemeinen Sprachgebrauch übertragen.

etwas im Handumdrehen machen

etwas sehr schnell machen;

eine weitere Redensart, in der die Hand als Zeitangabe verwendet

wird – etwas, das „im Umdrehen einer Hand“ geschieht, muss eben

nicht „von langer Hand ge plant“ werden.

jemandem das Handwerk legen

die illegalen Handlungen einer Person beenden;

das Handwerk wurde zur Sicherstellung der Ausbildung und

qualitativer Standards schon früh zumindest regional organisiert.

Verstieß ein Handwerker gegen die Grundsätze der Innung – z. B.

durch illegale Machenschaften –, durfte er künftig nicht mehr tätig

sein, er wurde gezwungen, sein Handwerk (nieder-) zu legen.

etwas ist hanebüchenauch: hagebüchen

etwas ist vollkommen unsinnig, fehlerhaft, empörend,

unverantwortlich;

ursprünglich bezeichnete der Ausdruck etwas, das aus dem knorrigen,

harten Holz der Hainbuche ist. Vermutlich entstand zunächst die

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Wendung „hanebüchener Kerl“ für einen groben Menschen. Später

wurde hanebüchen in der Bedeutung „grob“ auch mit Lügen, Witzen

oder Fehlern in Verbindung gebracht.

es ist Hängen im Schacht

etwas geht nicht weiter, es ist Schluss damit;

vermutlich aus dem Bergbau: Wenn der Förderkorb im Schacht

hängen blieb, weil die Technik versagte, so hieß das für die Kumpel

„Arbeitsende“.

etwas mit Hängen und Würgen schaffen

etwas gerade noch schaffen;

aus dem 19. Jahrhundert: Die Redewendung geht auf die Todesstrafe

am Galgen zurück, bei der der dort Hängende zwar würgte, weil er

keine Luft bekam, es aber meist nicht mehr „schaffte“.

ein Hans-guck-in-die-Luft

jemand, der beim Gehen nicht auf den Weg achtet;

aus dem Kinderbuch „Der Struwwelpeter“: Das literarische Vorbild

dieser Redewendung ist ein Junge, der trotz Ermahnungen

unaufmerksam durch die Gegend läuft und schließlich in einen Fluss,

den er nicht bemerkt hat, fällt und von den Fischen ausgelacht wird.

Hansdampf in allen Gassen

ein sehr umtriebiger Mensch, ein Tausendsassa;

aus dem Mittelalter: Die Redewendung lautete ursprünglich wohl

„Hans in allen Gassen“, da der Vorname Hans (Johannes) damals so

verbreitet war, dass er tatsächlich an jeder Ecke zu finden war. „Hans

Dampf“, der ebenfalls in allen Gassen zugange war, war dann die

Hauptfigur einer Erzählung Zschokkes aus dem 19. Jahrhundert.

Dampf war der Nachname jenes fiktiven Tausendsassas.

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jemanden hänselnjemanden necken, verspotten;

aus der Seefahrt: „Hänseln“ ist eine Kurzform für „in die Hanse

aufnehmen“. Hanse wiederum bedeutete ursprünglich allgemein

Gruppe oder Leute und wurde erst später zum Ausdruck für die

Städtevereinigung der deutschen Hanse. Das eigent liche Hänseln

fand zur See statt und wurde auch als Linien- oder Äquatortaufe

bezeichnet. Es war ein rauer Initiations ritus, bei dem der Matrose bei

seiner ersten Äquatorüberfahrt u. a. durch Neptun „getauft“ wurde.

ein Hanswurstein dummer Mensch;

seit Anfang des 16. Jahrhunderts belegt: Aus dem Jahr 1519 und

dem niederdeutschen Sprachraum stammt die erste Erwähnung des

Hanswurst, zunächst für einen dicken Menschen, später für einen

Tölpel.

„Wohl meinen etliche, ihr haltet meinen gnädigen Herrn darum für

Hannsworst [...].“ (Sebastian Brant, Das Narrenschiff)

niemandem ein Härchen krümmen können

niemandem etwas zuleide tun können;

bezeichnet jemanden, der sehr gutmütig und ungefährlich ist. Eine

Person, die selbst dem Gegenüber nicht einmal ein gefühlloses kleines

Härchen krümmen – und nicht etwa ausreißen – würde, ist völlig

harmlos.

jemandem zeigen, was eine Harke ist

ihm etwas so deutlich zeigen, dass er es nicht mehr vergisst;

seit dem 16. Jahrhundert belegt, vermutlich deutlich älter: Die

Redewendung geht vermutlich auf eine Geschichte zurück, die von

zahlreichen Autoren nacherzählt wurde: Ein junger Mann kommt aus

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der Fremde nach Hause zurück und gibt vor, die Sprache dort nicht

mehr zu verstehen, weil er so viel Neues gelernt hat. Als er aber auf

dieses Gartengerät tritt und ihm der Stiel an den Kopf schlägt, flucht er

in seiner Muttersprache auf die Harke.

jemanden in Harnisch bringen

jemanden wütend, zornig machen;

aus dem Mittelalter: Der Harnisch ist die Rüstung des Ritters, die ihn

im Kampf vor Verletzungen schützt. Gerät jemand „in Harnisch“, so

kommt er in die Stimmung, diesen anzulegen, um einen harten Kampf

auszutragen mit seinem Widersacher.

es kommt hart auf hartes wird gefährlicher, die Krise verschärft sich;

wie die Wendung „mit harten Bandagen kämpfen“ bedeutet auch

diese Redensart, dass beide Gegner alle Mittel einsetzen, um zu

gewinnen.

hart im Nehmen sein

viel einstecken können;

„genommen“ werden v. a. Schläge, zunächst physische, im

übertragenen Sinne auch Schicksalsschläge.

hartnäckigstandhaft, beharrlich;

eine Verkürzung der Wendung „einen harten Nacken haben“. Der harte

Nacken ist ein Bild für die Widerstandsfähigkeit des Menschen und

findet sich schon in der Bibel: „Doch sie wollten nicht hören, sondern

versteiften ihre Nacken wie ihre Väter, die nicht auf den Herrn, ihren

Gott, vertrauten.“ (2. Buch der Könige 17,14)

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da liegt der Hase im Pfeffer

das ist der entscheidende Punkt;

aus dem 13. Jahrhundert: Ursprünglich bezog sich die Wendung wohl

auf einen Unglücklichen, dem nicht mehr zu helfen war, der wie ein

fast fertig zubereiteter Hasenbraten in der Pfeffersoße lag.

ein alter Hasein einer Sache erfahren;

aus der Jägersprache: Ein „alter Hase“ ist ein Tier, das nicht mehr so

leicht zu überraschen ist, da es sich bereits an vieles gewöhnt hat.

wissen, wie der Hase läuft

sehr gut Bescheid wissen;

aus dem Tierreich: Die Fluchtrichtung eines Hasen ist aufgrund des

berühmten „Hakenschlagens“ nur sehr schwer vorherzusehen. Wer

dennoch „weiß, wie er läuft“, der muss sich sehr gut auskennen.

ein Hasenfuß sein

ängstlich sein;

bis ins 14. Jahrhundert galt ein „Hasenfuß“ als besonders schneller

und geschickter Läufer, dann verschob sich die Bedeutung zur

Bezeichnung eines ängstlichen Menschen.

das Hasenpanier ergreifen

davonlaufen, fliehen;

aus dem 16. Jahrhundert: Hasen sind bekannt für ihre guten

Fluchtreflexe. Das Panier oder Banner eines Hasen ist seine Blume, sein

weißes Schwänzchen, das auf der Flucht besonders gut zu sehen ist.

nicht ganz hasenrein sein

nicht ganz einwandfrei, verdächtig;

aus der Jägersprache: Ein Jagdhund, der Hasen zwar aufstöbert, aber

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nur auf Befehl verfolgt, ist hasenrein. Ein nicht hasen reiner Hund ist für

bestimmte Aufgaben nicht brauchbar.

unter die Haube kommen

heiraten;

aus der Antike: Im alten Rom, aber bspw. auch bei den Germanen war

es üblich, dass verheiratete Frauen eine Kopfbedeckung trugen, damit

ihre Haare nicht mehr zu sehen waren. So wurde auch offensichtlich,

welche Frau noch „zu haben“ und welche bereits „unter der Haube“

war.

ein Hauen und Stechen

ein unfairer Konkurrenzkampf, eine Auseinandersetzung mit allen

Mitteln;

aus dem Fechten: Dieser Ausdruck beschreibt eigentlich einen so

dilettantisch geführten Fechtkampf, dass man nicht unterscheiden

kann, ob der Fechter gerade haut oder sticht.

feurige Kohlen auf jemandes Haupt sammeln

jemanden durch die eigene Freundlichkeit beschämen, versuchen,

seine Einstellung durch Freundlichkeit zu ändern;

aus der Bibel: In der Bibel wird der gute Christ angewiesen: „Wenn

deinen Feind hungert, gib ihm zu essen; dürstet ihn, gib ihm zu

trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt

sammeln.“ (Sprüche 25,21–22) Die feurigen Kohlen, die zunächst

bedrohlich klingen, sind also durchaus als etwas Positives zu

verstehen. Ihre Bedeutung entspringt einer zu biblischen Zeiten

üblichen „Nachbarschaftshilfe“. Einer zündete morgens ein Feuer an

und schickte seinen Sohn oder einen Tagelöhner mit den feurigen

Kohlen zu den anderen Häusern, damit diese Brennmaterial sparen

konnten.

Page 272: Reden Sar Ten 101210

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völlig aus dem Häuschen sein

sehr aufgeregt sein;

in dieser Redewendung dient das Haus als Bild für den Körper (ähnlich

wie z. B. bei „nicht ganz richtig im Oberstübchen sein“). In diesem Haus

sollten die Seele und der Verstand „untergebracht“ sein. Sind sie „aus

dem Häuschen“, so steht man etwas neben sich.

auf der faulen Haut liegen

faulenzen, nichts tun;

beruht auf der übertreibenden Ausschmückung der

Lebensgewohnheiten der Germanen, die Tacitus in seiner „Germania“

(Kapitel 15) schildert. Diese hätten, wenn sie nicht im Krieg oder auf

der Jagd waren, faul auf Fellen herumgelegen und das Arbeiten den

Frauen überlassen.

aus der Haut fahren

sich aufregen, vor Wut die Beherrschung verlieren;

bezieht sich ähnlich wie die Redensart „zum Auswachsen sein“ darauf,

dass man etwas als so schlimm empfindet, dass man sich in seinem

eigenen Leib nicht mehr wohlfühlt und aus der Haut herausspringen

möchte.

eine ehrliche Haut sein

sehr ehrlich/anständig sein;

das größte Organ des Menschen steht hier für die gesamte Person, die

einen überaus anständigen Charakter besitzt.

in jemandes Haut schlüpfen

in die Rolle/Situation eines anderen schlüpfen;

„Haut“ steht in Redewendung als Pars pro Toto für den ganzen

Menschen bzw. dessen Körper, den man zu seinem eigenen macht.

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mit Haut und Haaren

vollständig;

aus dem Mittelalter: Im Sachsenspiegel, einer Rechtssammlung

des 13. Jahrhunderts, wird erwähnt, dass Schwangere nicht anders

bestraft werden dürften, als an Haut und Haar, d. h., eine schwangere

Delinquentin wurde an den Pranger gestellt, mit einem Reisigbündel

geschlagen (gestäupt), und ihre Haare wurden abgeschoren. An

anderer Stelle im Sachsenspiegel wird die Wendung als Synonym für

Leben verwendet.

seine Haut teuer verkaufen

sich wehren, nicht leicht kapitulieren;

bezog sich ursprünglich auf einen Händler, der für sein Leder zu viel

verlangte, und wurde dann auf die menschliche Haut als Pars pro

Toto für den menschlichen Körper und das darin wohnende Leben

übertragen.

sich seiner Haut zu wehren wissen

sich gut verteidigen können;

ähnlich der Redensart „seine Haut teuer verkaufen“ steht hier die

Haut für den gesamten Körper, den jemand gut verteidigt und der

wiederum für das Leben steht.

am längeren Hebel sitzen

eine bessere Position als der Gegner haben;

aus der Mechanik: Wer am längeren Hebel bzw. an der längeren Seite

eines Hebelarmes sitzt, dem ist es ein Leichtes, auch schwere Lasten zu

heben.

der Hecht im Karpfenteich sein

ein Unruhestifter sein; eine führende Rolle spielen;

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Hechte sind Raubfische; wenn ein solcher in einen Teich voller Karpfen

gelangt, scheucht er die potenzielle Beute durch das Wasser, sodass sie

nicht fett werden kann.

ein toller Hechtein beeindruckend cleverer Mensch;

der Hecht ist ein Raubfisch und wurde ursprünglich als Bezeichnung

für einen linken, hinterlistigen oder räuberischen Menschen

verwendet, bevor der Ausdruck zum Synonym von Mensch, Kerl

verflachte.

ziehen wie Hechtsuppestarke Zugluft;

aus dem Jiddischen, eine Eindeutschung der Wendung „hech

soppa“ (wie ein Sturm). Nach einer anderen Erklärung bezieht

sich die Redensart darauf, dass Hechtsuppe mit Pfeffer und

Meerrettich gewürzt wird und daher recht scharf, ja ein regelrechter

„Rachenputzer“ ist.

So ein Heckmeck!

So eine Aufregung um nichts!

Aus Westfalen: abgeleitet von dem Ausdruck „Hackemack“, der

verschiedene Mischgerichte, insbesondere mit Hackfleisch, bezeichnet

und später allgemein für Durcheinander verwendet wurde.

aufgehen wie ein Hefekuchenauch: aufgehen wie ein Hefekloß

dick werden;

aus der Küche: beruht auf der Beobachtung, dass Hefeteig während

des „Gehens“ und auch im Backofen stark sein Volumen vergrößert.

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jemandem das Heft aus der Hand nehmen

jemanden seines Einflusses berauben, ihn ausschalten;

das Heft ist der Griff eines Werkzeuges oder einer Waffe. Wer das Heft

also fest in der Hand hatte, der war demjenigen ohne Waffe überlegen,

wenn er es jedoch verlor, war er wehrlos. Die redensartliche

Formulierung ist seit dem 19. Jahrhundert bezeugt.

eine Heidenangst haben

große Angst haben;

bezieht sich nicht auf die (zu Zeiten der Inquisition wohl begründete)

Angst der Heiden, sondern auf die der Christen vor den Ungläubigen,

denen Schreckliches nachgesagt wurde.

ein Heidengeld kosten

sehr teuer sein;

Heide bedeutete ursprünglich „wild“, erst später entstand die

Bedeutung „Nichtchrist“. In Zusammensetzungen wie Heidenspaß,

Heidenarbeit, Heidengeld dient der Zusatz zur Verstärkung der

eigentlichen Bedeutung und verweist noch auf die germanische

Wurzel.

etwas hoch und heilig versprechen

etwas fest versprechen;

bezieht sich auf die Geste zum Schwur – zwei Finger werden

hochgehalten, dann wird „bei Gott“ geschworen.

ein komischer Heiligerauch: ein seltsamer/wunderlicher Heiliger

ein Sonderling;

aus der Bibel abgeleitet, seit dem 17. Jahrhundert belegt: Die

Entwicklung dieser Redewendung geht von „wunderbarer“ über

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„wundertätiger“ zu „wunderlicher“ Heiliger; sie bezeichnete also zu

Beginn eine durchaus Respekt verdienende Persönlichkeit.

„Und wie Paulus wider seine tollen Heiligen sich rühmet (2. Kor.

11,22f.), so will ich mich auch wider diese meine Esel rühmen.“ (aus

einem Brief Martin Luthers)

ein Heimchen am Herd

eine Hausfrau (scherzhaft; heute auch spöttisch);

aus Charles Dickens’ Geschichte „Cricket on the hearth“ (1845): In

dieser Geschichte gibt es einen guten Hausgeist in Form einer Grille –

ein Insekt, das im Volks glauben schon lange als Glücksbringer galt.

etwas auf Heller und Pfennig zurückzahlen

etwas vollständig zurückzahlen;

seit dem 15. Jahrhundert belegt: Beide relativ geringwertigen

Münzen waren bereits im 12. Jahrhundert im deutschen Sprachraum

verbreitet. Die Redensart kann heute neben der eigentlichen

Bedeutung aber auch einen ironischen Unterton haben: sich an

jemandem rächen, alles Getane zurückgeben.

keinen roten Heller wert sein

auch: keinen lumpigen Heller wert sein

von geringem Wert sein;

aus dem Mittelalter: Die auch „Haller“ oder „Häller“ genannte silberne

Kleinmünze besaß oft einen geringeren Nennwert als das enthaltene

Silber kostete. Um bei der Prägung keinen Verlust, sondern im

Gegenteil Gewinn zu machen, wurde Kupfer beigemengt; später

bestand die Münze nur noch aus Kupfer, war also „rot“ – und praktisch

nichts wert.

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jemandem ist das Hemd näher als der Rock

die eigenen Interessen vor die anderer oder das Gemeinwohl stellen;

aus der Antike: Rock meint in diesem Zusammenhang nicht das

weibliche Beinkleid, sondern das Obergewand. Schon Plautus ist die

Tunika (das Untergewand) näher als das Pallium (der Übermantel)

(Trinummus V, 2, 30).

wie bei Hempels unterm Sofa

chaotisch, unordentlich, schmutzig;

schon bei Luther findet sich die Wendung „grober Hampel/Hempel“

für einen dummen, ungeschlachten Menschen. Die Redensart als

solche ist jedoch erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts belegt

und ihre Herkunft nicht eindeutig zu klären.

bei jemandem hereinschneienauch: bei jemandem rein-/vorbeischneien

jemanden zufällig oder kurzfristig besuchen;

Schneeflockenfall ist etwas sehr Unvorhersehbares, da die Flocken

aufgrund ihres geringen Gewichtes durch die Luft trudeln und ständig

ihre Flugrichtung ändern. Ähnlich verhält sich ein Mensch (oder

auch das Glück), der bei einem anderen ohne Vorwarnung zu Besuch

eintrifft.

Wie der Herr, so`s Gscherr

wie der Halter, so sein Tier; wie der Chef, so die Untergebenen;

die genaue Bedeutung des Wortes „G’scherr“ ist unbekannt;

möglicherweise ist es eine Zusammenziehung von „Geschirr“ und

bezeichnet das Zaumzeug und Kutschgeschirr von Pferden und Vieh.

zwei Herren dienen

sich nicht zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden können;

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entlehnt aus der Bibel: In der Bergpredigt bezieht sich die Wendung

von den „zwei Herren“ auf die Bedeutung der Abwendung vom

Materialismus für den wahren Christen: „Niemand kann zwei Herren

dienen: Entweder er wird den einen hassen und den anderen lieben,

oder er wird an dem einen hängen und den anderen verachten. Ihr

könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.“

Ach herrje!

Ausruf der Bestürzung oder des Erschreckens;

dieser Ausdruck stammt, wenn es auch kaum mehr zu erkennen

ist, aus dem christlichen Umfeld. Tatsächlich ist „Herrje!“ die

Zusammenziehung und Abkürzung des Anrufs „Herr Jesus!“. Wer er-

schrickt, ruft Jesus zu Hilfe.

auf jemandem herumhackenständig etwas an jemandem auszusetzen haben;

aus dem Tierreich: Hennen fechten ihren Hierarchieanspruch aus,

indem sie sich gegenseitig auf die Köpfe hacken. Wer sich unter

den Hühnern durchgesetzt hat, wird als Alphatier anerkannt, die

Schwächsten müssen sich ihrem Schicksal fügen. So entstand auch

der Begriff der Hackordnung: Die Starken dürfen zuerst Körner picken,

die Unterlegenen müssen sich mit dem Rest begnügen.

um jemanden herumscharwenzelnunterwürfig zu jemandem sein, ihm schmeicheln;

aus dem 18. Jahrhundert: Für den Ausdruck „schwarwenzeln“ gibt

es mehrere mögliche Ursprünge. Zum einen wird auf das lateinische

Wort „servente“ (der Dienende) verwiesen. Möglich ist aber auch

eine Entlehnung von dem früheren Wort für Lohnarbeit, „Schar“ (vgl.

auch Pflugschar), und dem weit verbreiteten Vornamen Wenzel.

Darüber hinaus wird die Spielkarte Unter (Bube) in einigen Regionen

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bzw. bei bestimmten Spielen als „Schwarwenzel“ bezeichnet. Neben

der heute gebräuchlichen Form existierte früher auch die Variante

„scherwenzen“.

„Ein leeres Gespreize, ganz wie sonst, ein abgeschmacktes

Scherwenzen – possierlich sind und schauderhaft die kopflosen

Reverenzen.“ (Heinrich Heine, Marie Antoinette)

auf jemanden heruntersehenauch: auf jemanden herabsehen

aus der Reiterei: leitet sich von der Wendung „auf einem hohen Ross

sitzen“ her.

aus seinem Herzen keine Mördergrube machen

freiheraus seine Meinung sagen, offenherzig sein;

aus der ersten Bibelübersetzung Luthers: „Mein Haus soll ein Bethaus

heißen; ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht.“ (Matthäus

21,13) In heutigen Übersetzungen ist die Rede von einer Räuberhöhle,

aber im Volksmund lebt das Wort von der Mördergrube weiter.

„[...] das Reich ist, trotz ein vierzig Landfrieden, noch immer eine

Mördergrube.“ (Goethe, Götz von Berlichingen I, Bischofsszene)

ein Herz aus Gold haben

gutmütig, großmütig sein;

das Herz als Sitz der Gefühle, das aus einem Edelmetall geformt ist,

wird dadurch nicht hart, sondern im Gegenteil besonders warm und

wertvoll.

ein Herz und eine Seele (sein)

die besten Freunde, sehr vertraut (sein);

aus der Bibel: In der Apostelgeschichte 4,32 wird über die ersten

Christen berichtet: „Die Menge der Gläubigen aber war ein Herz und

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eine Seele; auch nicht einer sagte von seinen Gütern, dass sie sein

wären, sondern es war ihnen alles gemeinsam.“ Das „Herz“ als Symbol

für Gefühl und die Seele meint denselben geistig-emotionalen Bereich

einer Person; die Nennung beider zeigt also die Einheit, beinahe

Identität der ersten Christen.

ein Herz wie Butter haben

mitfühlend, gutmütig sein;

das „weiche“ Herz steht bildhaft für einen Menschen, der sich

emotional leicht anrühren lässt – und Butter ist in warmem Zustand

ein sehr formbarer und weicher Stoff.

jemandem sein Herz zu Füßen legen

sich jemandem (in Liebe) ergeben, jemandem seine Liebe zeigen;

diese Redewendung verbindet zwei Symbole: das des Herzens als Sitz

aller Gefühle, insbesondere der Liebe, und das der Füße, die auf eine

Sache gestellt werden können (man denke an den mit dem erlegten

Wild posierenden Jäger), um dessen Unterwerfung zu verdeutlichen.

jemandem wird es ganz warm ums Herzjemand ist von etwas angenehm berührt;

„Wärme“ steht stets für das Wohlige, Angenehme und im

Zusammenhang mit dem Herzen für die Emotionalität; wem „warm

ums Herz“ wird, der hat also sehr angenehme Gefühle.

mit Herz und Hand

ganz und gar, mit vollem Einsatz;

„Herz“ steht in Redewendungen stets für den Geist, die Emotionen,

die Gesinnung eines Menschen; die Hand ist das Symbol für die

anpackende Tatkraft.

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sein Herz auf der Zunge tragen

auch: sein Herz auf den Lippen tragen

seine Gefühle und Gedanken bereitwillig offenbaren;

das eigentlich im Körperinneren unsichtbar verwahrte Herz als Sitz

von Seele und Gefühl wird mittels der Zunge, also des Sprechens,

bloßgelegt.

heulen wie ein Schlosshund

sehr weinen;

das „Schloss“ ist hier nicht der Adelssitz, sondern steht für die Kette, an

der ein Hund liegt und heult, weil er sich nicht befreien kann.

kein heuriger Hase mehr sein

erfahren sein;

der Hase, der nicht mehr „heurig“ ist, ist ein „alter Hase“ – also

einer, der bereits Tricks und Listen entwickelte, um dem Jäger zu

entkommen.

einfallen wie ein Heuschreckenschwarmauch: wie die Heuschrecken

in furchterregender Menge und Geschwindigkeit;

schon in der Bibel taucht der Vergleich mit Heuschrecken immer

wieder auf. Der Einfall von Heuschrecken ist eine der sieben Plagen,

die Ägypten während der Gefangen schaft Israels treffen (Deuterono-

mium 28,38). Auch ein Einfall der Midia ner ins Land der Israeliten wird

beschrieben mit den Worten: „Denn sie kamen herauf mit ihrem Vieh

und ihren Zelten wie eine große Menge Heuschrecken, sodass weder

sie noch ihre Kamele zu zählen waren, und fielen ins Land, um es zu

verderben.“ (Richter 6,5)

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Ach du lieber Himmel!auch: Ach du heiliger Himmel!

Ausruf des Erstaunens/der Bestürzung;

Himmel steht redensartlich oft für „Gott“ – weil man sich

sicherheitshalber lieber nicht bei Gott über etwas beschweren wollte,

setzte man an die Stelle Gottes seinen „Wohnort“, den Himmel.

das Blaue vom Himmel herunterlügen

auch: die Sterne vom Himmel lügen

Lügenmärchen erzählen, lügen, dass sich die Balken biegen;

in der Farbensymbolik war Blau früher die Farbe der Täuschung; so

wurde dem betrogenen Ehemann „ein blauer Mantel umgehängt“,

wer Lügengeschichten auftischte, erzählte „blaue Enten“. Bei der

modernen Redewendung wurde diese Konnotation der blauen Farbe

mit einem Ort verbunden, der (oft) blau ist – und so lügt man nun „das

Blaue vom Himmel“.

im siebten Himmel schweben

überglücklich sein;

aus der Bibel: Die christliche Vorstellung des Himmels ist stark von

morgenländi schen Vorstellungen geprägt, darauf geht auch die

Abstufung in mehrere Ebenen zurück. Der siebte Himmel ist die

höchste Ebene, in der auch Gott mit seinen Engeln wohnt. Im zweiten

Korintherbrief (12,2) schreibt Paulus: „Ich kenne einen Menschen in

Christus; vor vierzehn Jahren – ist er im Leib gewesen? [...] da wurde

derselbe entrückt bis in den dritten Himmel.“

zum Himmel schreien

unerhört sein;

aus der Bibel: Im 1. Buch Mose 4,1–16 wird die Geschichte Kains, der

zum Bruder mörder geworden war, dargestellt. Er versucht, sich vor

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Gott mit Ausflüchten zu retten. Jener aber kennt Kains Verbrechen

und antwortet ihm: „Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines

Bruders schreit zu mir von der Erde.“ Etwas ist also himmelschreiend,

wenn es so verwerflich ist, dass Gott es bis zu sich „hinauf“ hören kann.

ein Himmelfahrtskommandoeine riskante/aussichtslose Unternehmung;

aus dem Militär: Bezeichnung für einen Auftrag, der voraussichtlich

den Tod des Ausführenden zur Folge haben wird (z. B. die japanischen

Kamikazeflüge). Dieser wird mit Annahme des Befehls also „gen

Himmel fahren“.

Himmelkruzitürken noch mal!

Verflucht!

Aus der Zeit der christlich-muslimischen Kriege: Gefangene wurden

auf den beiden Seiten unterschiedlich behandelt: Moslems wurden

gezwungen, zum Christentum zu konvertieren und auf christlicher

Seite zu kämpfen. Christen durften ihren Glauben behalten und

kämpften daher auf Seite der Moslems, aber weiterhin mit dem Kreuz

als Symbol. Sie waren daher die „Kreuz-Türken“, die „Kruzitürken“.

vor sich hindümpelnträge schwimmen; sich nur zäh weiterentwickeln;

aus der Seemannssprache: „Dümpeln“ ist die Bezeichnung der

Seeleute für ein leichtes Schaukeln, wie es z. B. auf Schiffen zu spüren

ist, die im Hafen vertäut sind.

etwas in sich hineinfressenKummer oder Ärger wegen etwas nicht kommunizieren, sondern

verschweigen;

aus der Bibel: Der Ausdruck stammt von einem Psalmisten, der seinen

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Tod kommen sieht und sich an Gott als einzigen Zuhörer wendet,

denn: „Ich bin verstummt und still und schweige fern der Freude und

muss mein Leid in mich fressen.“ (Psalm 39,3) Er geht mit seinem

Kummer also um wie mit einer Speise, schluckt ihn hinunter und lässt

ihn so verschwinden, ohne dass jemand etwas davon merkt.

sich auf die Hinterbeine stellen

sich wehren, sich einer Sache widersetzen;

die Redewendung nimmt das Verhalten von Pferden (und anderen

Tieren) auf, die sich auf die Hinterbeine erheben, um mit den

Vorderbeinen gegen einen Angreifer zu schlagen.

etwas in der Hinterhand haben

noch eine Alternative haben, noch einen Trick wissen;

aus dem Kartenspiel: Der Spieler, der als letzter seine Karten ausspielt,

ist bzw. hat die „Hinterhand“. Er kann also die Situation durch sein Spiel

noch einmal gründlich verändern.

ins Hintertreffen geraten

benachteiligt werden;

aus der Militärsprache: Das Hintertreffen war der hintere Haufe eines

in Schlachtordnung gestellten Kriegsheeres, die Nachhut, und hatte

im Falle eines Sieges keinen oder einen geringeren Anteil an der

Beute. Im übertragenen Sinne ist die Wendung seit der zweiten Hälfte

des 18. Jahrhunderts belegt.

eine Hintertür offen lassen

auch: sich eine Tür offen halten

sich einen Ausweg sichern;

aus dem Französischen, eine Übersetzung von „se réserver une porte

de sortie“ (sich einen Ausgang freihalten).

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Hinz und Kunz

jedermann, alle Welt, jeder Beliebige;

aus dem Mittelalter: Schon immer gab es „Modenamen“, und zwischen

dem 13. und 15. Jahrhundert waren dies die Namen Heinrich (auch für

viele Königskinder) und Konrad; die Kurzformen waren damals „Hinz“

und „Kunz“. Und da jeder zweite Bürger einen dieser beiden Vornamen

zu haben schien, bedeutete die Wendung „Hinz und Kunz“ bald: jeder

x-Beliebige, alle Leute.

eine Hiobsbotschaft erhalten

eine schreckliche und überraschende Botschaft erhalten;

aus der Bibel: Hiob, ein gottesfürchtiger reicher Mann, wurde von

Gott auf eine harte Probe gestellt, da dieser mit dem Teufel um die

Stärke von Hiobs Glauben „gewettet“ hatte. Der Teufel nahm Hiob

seinen Besitz, seine Gesundheit und ließ seine Kinder sterben. Die

schrecklichen Nachrichten wurden ihm von Bekannten übermittelt,

weswegen heute unter einer Hiobsbotschaft eine katastrophale

Nachricht verstanden wird.

sich das Hirn zermartern

angestrengt über etwas nachdenken;

„Marter“ ist eine alte Bezeichnung der früher üblichen Folter; jemand,

der verzweifelt nach einer Lösung sucht, quält also damit sein Gehirn.

ein Hitzkopf sein

cholerisch, leicht zu erregen sein;

geht wie die Wendung „ihm kocht das Blut in den Adern“ davon aus,

dass Wut die Körpertemperatur erhöht – und daher zu schwellenden

Adern auf der Stirn und einer roten Gesichtsfarbe führt.

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hoch im Kurs stehen

Wertschätzung/Anerkennung erhalten, angesehen/wertvoll sein;

aus der Börsensprache: Der hohe Kurs eines Wertpapiers zeigt das

Interesse und die Wertschätzung dieser Aktie durch die Anleger.

jemandem etwas hoch anrechnen

etwas anerkennen, große Dankbarkeit für jemanden empfinden;

bezieht sich auf den immateriellen Wert von etwas, das jemand für

einen geleistet hat und das, in Geld umgerechnet, als sehr teuer zu

bewerten wäre.

etwas hochgehen lassen

etwas verhindern, stören;

aus der Gaunersprache: bezieht sich eventuell darauf, dass etwas, das

geheim bleiben soll, nicht hochgehalten wird, sondern hinter dem

Rücken oder unter dem Tisch weitergegeben wird.

Hochwasser haben

zu kurze Hosen tragen;

seit dem 19. Jahrhundert belegt: Diese scherzhaft verwendete

Redensart bezieht sich auf das Hochrollen der Hosenbeine, wenn man

durch Wasser waten muss.

jemanden vom Hocker reißen

auch: jemanden vom Stuhl reißen

jemanden begeistern;

wird meist in der Verneinung gebraucht. „Das reißt mich nicht vom

Hocker“ sagt jemand, der von etwas wenig begeistert ist, sich also

nicht aus Neugierde oder für den Applaus von seinem Sitzplatz

erheben würde.

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jemandem den Hof machen

jemanden umwerben, um eine Frau freien;

aus dem Mittelalter: Der „Hof“, der jeman dem gemacht wird, war

ursprünglich der Sitz eines Fürsten oder anderen Adligen. Seine

Untergebenen „machten“, d. h. ver sorgten seine Landwirtschaft,

seinen Haus halt und alles Dazugehörige. Die unter tänige Art der

Diener bei Hofe wurde später auf die demütige Form übertragen, in

der um die Hand einer Dame angehalten wird.

sich in die Höhle des Löwen wagen

ein großes Risiko eingehen, indem man einer weit überlegenen Person

gegenübertritt;

das Bild des Löwenbaus – der für das Savannentier eher untypisch ist –

als Ort großer Gefahr ist schon in den Fabeln des griechischen Dichters

Äsop zu finden. Dort verweist ein Fuchs als Grund für seine Weigerung,

die Höhle des kranken Löwen zu betreten und diesem zu helfen, auf

die zahlreichen hineinführenden Fußspuren – und das völlige Fehlen

herausführender Spuren.

nur etwas für den hohlen Zahn sein

nicht satt machen;

stellt bildhaft dar, dass die vorhandene oder angebotene Menge eines

Nahrungsmittels viel zu klein ist.

Hokuspokus machen

falschen Zauber betreiben;

aus dem Märchen: Für diesen umgangssprachlichen Ausdruck gibt

es drei Erklärungen. Die eine bezieht sich auf die von fahrenden

Studenten im 16. Jahrhundert verwendete Zauberformel „hax pax

max, deus adimax“, die im Lauf der Zeit sprachlich abgewandelt wurde.

Vermutet wird auch die Existenz eines mächtigen germanischen

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Zauberers, dessen Name, Ochus Bochus, bei schneller Aussprache

„Hokuspokus“ sehr ähnelt. Eine dritte Erklärungsvariante verweist auf

die in katholischen Messen verwendete Formel „hoc est (enim) corpus

meus“ („dies ist mein Leib“) bei der Transsubstantation. Da das Volk

selten Latein sprach, aber – im alten Aberglauben verhaftet – gern

von einer „Verzauberung“ der Hostien zum Leib Christi ausging, hörte

es etwas, das wie „Hokuspokus“ klang und offenbar magische Kräfte

besaß. Die negative Bedeutung des falschen Zaubers erhielt der

Ausdruck erst in neuerer Zeit.

da ist Holland in Not

da ist die Not groß, da gibt es Probleme;

diese veraltende Redensart, die heute meist ironisch verwendet wird,

existiert sogar auf Holländisch. Der Ursprung der Wendung ist nicht

geklärt. Unter Umständen bezieht sie sich schlicht auf die Tatsache,

dass Holland aufgrund seiner geringen Höhe über dem Meeresspiegel,

der vielen Köge und der zahlreichen Deiche bei Unwetter sehr

überschwemmungsgefährdet war.

jemandem die Hölle heiß machen

jemanden nachdrücklich oder durch Drohungen antreiben, zur Arbeit

anhalten;

abgeleitet aus der Bibel: Die bildliche Darstellung der Hölle als heißer

Ort geht auf die Offenbarung des Johannes zurück. Beim Jüngsten

Gericht werden „der Tod und sein Reich [...] geworfen in den feurigen

Pfuhl. Das ist der zweite Tod: der feurige Pfuhl“ (Offenbarung 20,14).

Bereits im vorherigen Kapitel ist vom feurigen Pfuhl die Rede, „der

mit Schwefel brannte“ (19,20). Bei Luther hat die da raus entstandene

Wendung „die Hölle heiß machen“ noch einen starken theologischen

Bezug, erst im 18. Jahrhundert wird sie auch redensartlich verwendet.

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dreimal auf Holz klopfen

jemandem Glück wünschen;

aus dem Bergbau: In früheren Zeiten wurden die Stollen im Berg

mit Holzplanken abgestützt. Das Klopfen auf Holz vor Betreten des

Schachtes diente der Überprüfung der Stabilität und damit der

Sicherheit der Bergleute. Genau dreimal wurde erst später geklopft,

um das Glück zu potenzieren – schließlich ist die Drei von jeher eine

heilige Zahl, mit der man sich Gott empfiehlt.

Holz auf sich hacken lassen

gutmütig sein, alles erdulden;

schon in den Schriften Martin Luthers belegt: vergleicht eine stoisch

alles ertra gende Person mit einem gefühllosen Hauklotz, auf dem

Holzscheite gespalten werden.

Holz in den Wald tragen

etwas vollkommen Überflüssiges tun;

ähnlich den Wendungen „Eulen nach Athen“ oder „Sand in die Wüste

tragen“ entstand diese Redensart aus dem Versuch, etwas sehr

Sinnloses mit kurzen Worten darzustellen.

Holz sägen

schnarchen;

diese Redensart spielt mit dem ähnlichen Klang des Schnarchens mit

dem der Verarbeitung von Holz mittels einer Säge.

nicht aus Holz sein

nicht gefühllos sein;

der Werkstoff Holz wird mit Messern, Sägen und anderem Werkzeug

be- und verarbeitet, er wächst nach, ist relativ unempfindlich, und

aus ihm lässt sich allerlei machen. Wer hingegen von sich sagt, dass

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er „auch nicht aus Holz“ sei, der weist darauf hin, dass er auch Gefühl

habe.

viel Holz vor der Hütte haben

auch: Holz vor der Herberge haben

vollbusig sein;

diese Redewendung nimmt das Bild der an den Außenwänden von

Bauernhäusern aufgestapelten Holzscheite auf.

Wenn das am grünen Holz geschieht ...

wenn das mit den Guten/bei einer unproblematischen Sachlage etc.

passiert ...;

aus der Bibel: Verkürzung von „Denn wenn das mit dem grünen Holz

geschieht, was wird dann erst mit dem dürren werden?“ (Lukas 23,31)

vom Hölzchen aufs Stöckchen geraten

sich in Details verlieren;

die Redewendung entspricht dem „vom Hundertsten ins Tausendste

kommen“, also (in seiner Erzählung) von etwas Kleinem zu etwas noch

Kleinerem (und Unwichtigerem) geraten.

etwas mit dem Holzhammer tun

auch: die Holzhammermethode anwenden

rücksichtslos vorgehen; zum äußersten Hilfsmittel greifen;

schon Luther verwendet den Vergleich mit dem Holzhammer für

plumpes, rücksichtsloses Vorgehen.

auf dem Holzweg sein

sich täuschen, einen Irrweg eingeschlagen haben, einer

Fehleinschätzung unterliegen;

aus dem Holzgewerbe: Der „Holzweg“ war ein Stichweg, den das Pferd

hinterließ, wenn es den frisch gefällten Stamm aus dem Wald zog. Da

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dieser vermeintliche Pfad keine Verbindung zu einem anderen Weg

besaß, sondern lediglich zur Stelle der Baumfällung führte, war er für

Wanderer ein Irrweg.

jemandem Honig um den Bart schmieren

auch: jemandem Honig ums Maul/um den Mund schmieren

jemandem schmeicheln;

im Mittelhochdeutschen als „honic in den munt“ belegt: Honig war im

Mittelalter eine rare und beliebte Süßigkeit, sodass derjenige einem

gewogen war, dem man Honig „in den Mund“ strich. Später wurde

diese Redewendung ein wenig abgeschwächt, sodass der Honig nur

noch um den Mund bzw. Bart geschmiert wurde.

strahlen wie ein Honigkuchenpferdsehr fröhlich sein, sich sehr freuen;

die Redewendung beschreibt zwar einen sehr glücklichen Zustand –

der so „süß“ sein kann wie das aus Lebkuchen hergestellte Pferdchen

–, es schwingt aber immer mit, dass der so Bezeichnete etwas naiv und

dümmlich oder auch energielos ist.

da ist Hopfen und Malz verloren

eine Person ist unverbesserlich, alle Mühe ist vergeblich;

Hopfen und Malz sind – wie im bayerischen Reinheitsgebot seit

1516 festgeschrieben – unverzichtbare Bestandteile des Bieres und

erscheinen schon im 9. Jahrhundert in fester Verbindung. Wenn der

Brauer einen Fehler machte und das Bier nicht gelang, waren Hopfen

und Malz verloren.

ein Silberstreifen am Horizontauch: ein Silberstreif am Horizont; ein Streifen am Horizont

ein Zeichen der Besserung;

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aus der Politik: wird auf eine Äußerung Gustav Stresemanns aus dem

Jahr 1924 zurückgeführt, er sehe zum ersten Mal einen Silberstreifen

an dem sonst düsteren Horizont. Da täuschte er sich allerdings ...

einen engen Horizont haben

dumm/ungebildet/intolerant sein;

der Horizont, die Grenze zwischen (sichtbarem) Erdboden und

Himmel, steht redensartlich für die geistige Freiheit bzw. Begrenzung

eines Menschen; ist er eng, so weiß und sieht diese Person nicht viel.

seinen Horizont erweitern

sich weiterbilden, sein Wissen erweitern;

der Horizont, eigentlich die Grenze zwischen der sichtbaren

Erdoberfläche und dem Himmel, wird im übertragenen Sinne auch als

Bezeichnung für die Wissens- oder Bildungsgrenze eines Menschen

verwendet.

etwas ist wie einem Ochsen ins Horn gepetzt

etwas ist nutzlos;

spielt auf die vollkommene Unempfindlichkeit des Horns, eines

Knochenzapfens, der Horntiere an.

kräftig ins Horn stoßen

angeben, großtun;

bezieht sich möglicherweise auf Jäger, die ihren Jagderfolg mit lauten

Hornklängen anderen Jägern bekannt geben.

jemandem Hörner aufsetzen

auch: jemandem Hörner aufpflanzen, ansetzen, machen, geben; jemanden

mit Hörnchen krönen, hörnen

jemanden betrügen;

seit der Antike belegt: Diese ausschließlich auf die betrügende

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Ehefrau bezogene Redewendung – der Mann ist der „Hahnrei“ und

„Hörnerträger“ – findet sich in zahlreichen europäischen Sprachen.

Der Ursprung ist nicht vollständig geklärt; wahrscheinlich ist aber,

dass sich die Wendung auf die sprichwörtliche Dummheit der meisten

Horntiere (Ochse, Schaf- und Ziegenbock) bezieht und dem Mann,

der sich betrügen lässt, so seine Naivität und sein geringer Intellekt

vorgeworfen wird.

jemanden auf seine Hörner nehmen

jemanden angreifen;

aus dem Tierreich: bezieht sich auf die verschiedenen Hörner

tragenden Tiere, vermutlich insbesondere Hammel und Ziegen böcke,

aber auch das Bild eines Stieres, der einen Menschen mit den Hörnern

erwischt und in die Luft wirft, ist denkbar.

sich die Hörner abstoßen

seinen jugendlichen Ungestüm (insbesondere sexuell) ausleben, sich

austoben;

aus der Studentensprache des 16. Jahrhunderts: In den Verbindungen

wurden neuen Mitgliedern Hörner aufgesetzt und ein Ziegenbart

angeklebt, die in feierlicher Prozession entfernt werden, um den

Übergang vom Tier zum zivilisierten und gebildeten Menschen

zu symbolisieren. Der Widder oder Bock hat stets auch Bezug zum

„bocksbeinigen“ Teufel. Außerdem beruht die Redewendung auf der

Annahme, nur junge Böcke würden mit ihren Hörnern kämpfen.

die Hosen anhaben

(im häuslichen Umfeld) das Sagen haben;

während Hosen heute auch für Frauen ein übliches Kleidungsstück sind,

wurden sie in früheren Zeiten nur von Männern getragen, während

die Frauen mit Röcken bekleidet waren. Eine Hose für eine Frau galt als

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unschicklich. Wenn eine Frau es dennoch wagte, „die Hosen anzuhaben“,

so beanspruchte sie damit die dem Mann zustehende Führungsrolle

innerhalb der Familie.

die Hosen voll haben

viel Angst haben;

diese umgangssprachliche Redewendung nimmt Bezug auf die

Beschleunigung der Verdauungsvorgänge als natürliche Reaktion des

Körpers auf große Angst.

jemandem flattern die Hosenjemand hat Angst;

ebenso wie die das Gegenteil beschreibende Redewendung „die

Hosen werden jemandem zu eng“ beschreibt diese Redensart starkes

Erschrecken. Die Hosen beginnen zu „flattern“, da die darin steckenden

Beine vor Angst zu zittern beginnen.

wie bei den Hottentottenunordentlich, chaotisch;

„Hottentotten“ war die heute nicht mehr verwendete Bezeichnung

der Buren für die südafrikanischen Khoi. Deren Sprache wurde von

den Einwanderern als Gestotter empfunden, sodass das afrikaanse

Wort für „Stotterer“, hottentots, Pate stand für die Namensgebung.

Da die Eingeborenen von den Buren für extrem rückständig und

unordentlich gehalten wurden, entstand diese (heute umstrittene)

Redewendung.

mal hü, mal hott sagen

sich nicht entscheiden können;

das Kommando „hü“ vom Kutschbock signalisiert den Pferden:

losgehen, ziehen, „hott“ dagegen: anhalten.

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die Hucke voll kriegen

verprügelt werden;

die Hucke ist eigentlich die auf dem Rücken getragene Last;

redensartlich wird der Begriff auch für den Rücken selbst verwendet.

jemandem die Hucke voll lügen

jemanden dreist anlügen;

während „Hucke“ heute als Synonym für den Rücken verstanden wird,

bezeichnete das Wort ursprünglich den Tragekorb auf dem Rücken,

mittels dessen größere Lasten getragen werden konnten und der

dementsprechend ein großes Fassungs vermögen besaß.

in die Hufe kommen

sich beeilen;

scherzhaftes Bild eines Pferdes, das sich seine Hufe für einen raschen

Galopp anzieht.

mit den Hufen scharren

ungeduldig auf den Beginn von etwas warten;

aus dem Tierreich: Pferde, die angebunden sind, aber wissen, dass

sie gleich laufen dürfen, beginnen als Übersprungshandlung mit den

Hufen am Boden zu scharren.

das Huhn, das goldene Eier legt, schlachten

die Quelle seines Lebensunterhaltes zerstören, sich selbst schädigen;

von einem Märchen abgeleitet: Das Bild des Reichtümer

ausscheidenden Nutztieres (wie zum Beispiel bei „Goldesel“) findet

sich in verschiedenen Märchen und beschreibt letztendlich die

Hoffnung der armen Bauern, auch einmal zu Geld kommen zu

können. Das in dieser Redensart genannte Huhn wurde durch Jean

de La Fontaines Märchen von der „Henne mit den goldenen Eiern“

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bekannt. Die Geschichte selbst soll jedoch bereits seit etruskischer Zeit

kursieren.

Da lachen ja die Hühner!

etwas ist lächerlich, absurd, unzumutbar;

moderne Wendung, wohl erst im 20. Jahrhundert entstanden. In

früherer Zeit waren aber ähnliche Redensarten geläufig, so schreibt

etwa Abraham a Sancta Clara 1707: „Da müsste wohl eine Kuh lachen.“

(Narrennest I,97)

mit den Hühnern aufstehen

sehr früh den Tag beginnen;

bezieht sich auf das Krähen des Hahnes bei Sonnenaufgang, mit dem

er „seine Hühner“ aufweckt; im Sommer steht man mit den Hühnern

also bereits um etwa fünf Uhr auf.

ein Hühnerhaufeneine unorganisierte Gruppe;

vergleicht eine Menschengruppe mit den Bewohnern

eines Hühnerstalls, die auch scheinbar vollkommen planlos

durcheinanderlaufen.

mit den Hühnern ins Bett gehen

auch: mit den Hühnern schlafen gehen

früh zu Bett gehen;

das redensartliche Gegenstück zu „mit den Hühnern aufstehen“; wer

sehr früh aufsteht, muss auch früh, d. h. bei Dunkel heitsanbruch, zu

Bett – im Winter also schon vor 17 Uhr.

oben hui, unten pfui

auf den ersten Blick gut, auf den zweiten nichts wert;

„hui“ ist ein Laut der Anerkennung, die man dem Erscheinungsbild,

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dem Auftreten etc. einer Person zunächst zollt, bis man sie näher

kennenlernt.

Hummeln im Hintern haben

unruhig sein;

vergleicht die „aufgedrehte“ Stimmung eines Menschen mit dem

scheinbar orien tierungslosen Hin- und Herfliegen der harmlosen

Insekten.

auf den Hund kommen

in schlimme (finanzielle oder gesundheitliche) Situation geraten;

mehrere mögliche Erklärungen: Eine besagt, die Redewendung

beziehe sich auf die früher im Kriege mitgeführte Kriegskasse, in deren

unterem Teil sich ein kleines Holzkästchen, der so genannte „Hund“, für

die eiserne Reserve befand. Nach einer anderen Version war am Boden

der Kiste ein Hund aufgemalt. In beiden Fällen kam man, war die Kasse

schon fast leer, „auf den Hund“. Eine ähnliche Erklärung gibt es im

Oberdeutschen, wo die Braut bei der Heirat früher eine so genannte

Aussteuertruhe mit Wäsche bekam – leerte sich die Truhe im Laufe der

Ehe, kam man schließlich auf den Hund, also „hunden“ (d. h. unten)

an. Nach einer dritten Erklärung schließlich kommt die Wendung

aus der Bergmannssprache. Der Förderwagen zum Abtransport von

Material wird bergmännisch „Hund“ genannt. Wer nicht als Hauer

arbeiten durfte, sondern zum Förder wagenschieben abkommandiert

wurde, der war „auf den Hund gekommen“, was auch einen deutlich

geringeren Verdienst bedeutete. Heute wird die Redewendung

scherzhaft auch im positiven Sinne für Hundefreunde benutzt.

da liegt der Knüppel beim Hundetwas hindert, hemmt eine Unternehmung; das ist das Hauptproblem,

der Haken;

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der neben dem Hofhund liegende Knüppel soll diesen an die Strafe

erinnern, die ihm droht, wenn er Hühner jagt – er hindert den

Hund also daran, das zu tun, was er möchte. Unter Umständen ist

er auch bereits an den Hund angebunden. Dies wurde praktiziert,

damit der Hund durch das schwere Stück Holz, das ihm immer

wieder schmerzhaft an die Beine schlug, am Weiter- oder Weglaufen

gehindert wurde.

Da wird der Hund in der Pfanne verrückt!

Ausruf der Verwunderung;

geht wahrscheinlich auf eine Narretei Till Eulenspiegels zurück:

Als Bierbrauer geselle sollte Eulenspiegel den Hopfen sieden.

Bedauerlicherweise hatte der Brauer aber einen Hund, der Hopf hieß;

den warf Eulenspiegel in die Braupfanne. An solche Tierquälerei denkt

bei der Verwendung der Redensart wohl heute niemand mehr.

dort liegt der Hund begraben

auch: dort ist der Hund begraben

da ist das Wesentliche, Zentrale zu finden;

aus dem Mittelhochdeutschen: Diese Rede wendung dreht sich nicht

um ein totes Haustier, sondern um das mittelhochdeutsche Wort

für „Beute“ (hunde). Dort, wo die Hunde begraben wurde, liegt das

Wichtigste unter der Erde.

ein scharfer Hundein strenger, autoritärer Mensch;

aus der Jägersprache: Ein scharfer Hund ist ein gut abgerichteter

Jagdhund, der das Wild stellt.

wie Hund und Katze sein

sich nicht ausstehen können, sich hassen;

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aus dem Tierreich: Aufgrund der teilweise gegensätzlichen

Verhaltensweisen von Hunden und Katzen kommt es zwischen

diesen häufig zu Missverständnissen. Dies führt entweder zu einer

zerkratzten Hundenase oder einer flüchtenden Katze. Aufgrund dieser

offensichtlichen Antipathie sagt man heute auch über Menschen, die

sich nicht mögen, sie seien „wie Hund und Katze“.

es regnet junge Hundees regnet in Strömen;

vermutlich lediglich eine Anlehnung an die englische Redewendung

„It is raining cats and dogs“ (es regnet Katzen und Hunde).

Hunde, die bellen, beißen nicht

jemand, der Drohungen ausspricht, wird diese doch nicht

verwirklichen;

bezieht sich eventuell auf Stöberhunde, die bei der Jagd der

Verfolgung des Wildes dienen und eine gefundene Spur durch Bellen

anzeigen; diese Hunde sind jedoch nicht zum Erlegen des Tieres

abgerichtet.

schlafende Hunde wecken

ungewollte Aufmerksamkeit erwecken, andere auf etwas Geheimes

aufmerksam machen;

der Hofhund, der das heimliche Eindringen eines Fremden verhindern

würde, ist nur dann ungefährlich, wenn er schläft; wer ihn bewusst

weckt, bevor er den Hof betritt, darf sich über zerfetzte Hosenbeine

nicht wundern.

vor die Hunde gehen

verkommen, zugrunde gehen;

eine nicht bewiesene Erklärung sieht den Ursprung dieser Redensart

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im Jagdwesen. Dort fallen die alten, schwachen oder verletzten Tiere

den Jagdhunden zum Opfer, „gehen“ also „vor die Hunde“.

wenn die Hunde mit dem Schwanz bellen

niemals, unter keinen Umständen;

aus Schlesien: Dies ist eine direkt verständliche Redensart, da kein

Hund jemals „mit dem falschen Ende“, also dem Schwanz, zu bellen

beginnen wird.

ein Hundelebenein armseliges, schlechtes Leben;

„Hund“ ist allgemein ein Schimpfwort, das schon lange keinen Bezug

mehr zum „besten Freund des Menschen“ hat; gemeint war mit dieser

Wendung also zunächst ein verachtenswertes Leben.

hundemüde sein

sehr übermüdet sein;

der Hund als „bester Freund des Menschen“ fand Eingang in zahlreiche

Redewendungen. Diese haben jedoch wenig mit den Eigenschaften

oder dem Aussehen des Hundes zu tun. „Hunds-“ oder „hunde-“ steht

schlicht als Verstärkung vor dem eigentlichen Ausdruck – neben

„hundemüde“ z. B. in „hundeelend“ und „hundekalt“.

mit allen Hunden gehetzt sein

erfahren sein, Tricks kennen;

bezeichnete ursprünglich ein Wild, das von der Meute zwar mehrfach

gehetzt, aber nie gefasst wurde und nun alle Listen des Entkommens

kennt.

vom Hundertsten ins Tausendste kommen

ausschweifend und vom Thema abkommend reden;

aus der Mathematik: Ab dem 15. Jahrhundert wurde zum Rechnen

Page 301: Reden Sar Ten 101210

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die (bereits in der Antike entwickelte) Rechenbank verwendet, auf der

zur Anzeige der Zahlen Rechenpfennige auf entsprechender Höhe auf

oder zwischen Linien gelegt werden. Diese Linien stehen jeweils für

einfache Zahlen, Zehner, Hunderter, Tausender etc. Wenn nun jemand

vom „Hundertsten ins Tausendste“ kam, so verwechselte er die Linien

und verrechnete sich in der Folge, kam also weit von der richtigen

Lösung ab.

Hunger ist der beste Koch

wenn man hungrig ist, schmeckt alles;

seit Ende des 19. Jahrhunderts belegt: Gemeint ist damit die

Tatsache, dass ein hungriger Mensch selbst Nahrungsmittel isst, die er

normalerweise nicht mag – und diese sogar als wohlschmeckend, wie

von einem sehr guten Koch zubereitet, em pfindet.

am Hungertuch nagen

hungern, darben, arm sein;

leitet sich vom in der Fastenzeit den Altar verhüllenden „Hungertuch“

ab. Schon im 11. Jahrhundert ist der Brauch nachweisbar, das Altarbild

zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag mit einem, oft mit

Passionsbildern verzierten Tuch zu verhängen und so die Zeit des

Fastens und der Buße anzuzeigen.

hungrig wie ein Bär sein

sehr hungrig sein;

aus dem Tierreich: Der Winterschlaf haltende Bär muss im Frühjahr

alles fressen, was er findet, von jungen Pflanzen bis zu Mäusen und

anderen Kleintieren, um seine Energiespeicher nach einem langen

Winter wieder aufzufüllen – er hat also immensen Hunger.

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ein Husarenrittauch: ein Husarenstreich/Husarenstück

ein tollkühnes Unternehmen;

die Husaren waren leicht berittene Truppen im südosteuropäischen

Raum, die aufgrund ihrer rasanten Reitweise, ihrer Kunststücke zu

Pferd und ihrer Verwegenheit berüchtigt waren.

alles unter einen Hut bekommen

auch: alles unter einen Hut bringen;

alles vereinigen, alle Meinungen zu vereinigen suchen, miteinander

vereinbaren können;

Hut ist hier ein Bild für die Zusammenfassung vieler Köpfe bzw.

Meinungen.

auf der Hut sein

Unheil ahnen und daher eine sichere Lage nicht verlassen;

aus dem Mittelalter: Die so genannten „Huten“ waren Grundstellungen

beim mittelalterlichen Fechten. Diese Grundstellungen waren

einerseits Verteidigungshaltungen, boten andererseits auch

Möglichkeiten zum Angriff. Wurde eine Hut vom Angreifer gebrochen,

war der Gegner genötigt, seine Hut, seine sichere Position, zu

verlassen.

Das kannst du dir an den Hut stecken!

Das kannst du vergessen! Das ist mir egal!

Die Herkunft dieser Redewendung ist unklar. Vielleicht stammt sie

von dem Brauch, dass sich junge Männer als Zeichen dafür, dass sie

ausgemustert wurden, Papierblumen an den Hut steckten – ihnen war

der Militärdienst also egal.

Page 303: Reden Sar Ten 101210

303

ein alter Hutetwas Altbekanntes;

vergleicht z. B. einen Witz, den man schon oft gehört hat, mit der

wenig ansehnlichen, zerknautschten und ausgeblichenen alten

Kopfbedeckung.

etwas aus dem Hut zaubern

auch: etwas aus dem Hut ziehen

etwas plötzlich parat haben;

diese der Trickkiste des Magiers entnommene Redewendung wird

meist in negativer Form verwendet: „Ich kann das doch nicht einfach

aus dem Hut zaubern!“

vor jemandem den Hut ziehen

große Achtung vor jemandem haben;

aus dem Mittelalter: Schon im 13. Jahrhundert hatte der Lehnsmann

zum Zeichen der Ehrerbietung und Unterwerfung vor seinem Herrn

den Helm abzulegen. In der frühen Neuzeit wurde diese ursprünglich

adelige Sitte auch auf den bürgerlichen Filzhut übertragen.

Heutzutage ist es eine reine Grußformalität, die (meist) nicht mehr auf

die Rangunterschiede verweist.

über die Hutkrempe gehen

auch: über den Hutrand

das geht zu weit;

ähnlich wie „über die Hutschnur gehen“; bezeichnet etwas, das die

Geduld eines Menschen bei Weitem übersteigt.

es geht einem etwas über die Hutschnuretwas geht einem zu weit;

analog zu der Redensart „bis über beide Ohren“ bezieht sich diese

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Wendung auf eine (gefährliche, nervenaufreibende etc.) Situation,

die einen aufgrund ihrer außergewöhnlichen Größe überragt, d. h.

überfordert.

Raum ist in der kleinsten HütteLuxus ist nicht alles; Komfort ist relativ;

aus Friedrich Schillers Gedicht „Der Jüngling am Bache“: Das Ende des

Gedichtes lautet: „... Horch, der Hain erschallt von Liedern, / Und die

Quelle rieselt klar! / Raum ist in der kleinsten Hütte / Für ein glücklich

liebend Paar.“

einen Igel in der Tasche haben

geizig sein;

unterstellt dem Geizigen, der eine Rechnung nicht bezahlen möchte,

er wolle nicht in die (Geld-)Tasche greifen, um sich nicht an etwas

darin zu verletzen.

zu viel intus haben

zu viel Alkohol getrunken haben;

aus dem Lateinischen: Intus ist das lateinische Wort für „innen,

drinnen“; es ist also in einem Menschen zu viel Alkohol.

jwdweit weg, am Ende der Welt;

aus Berlin: Diese inzwischen deutschlandweit zu hörende Abkürzung

steht für den Ausspruch „janz weit draußen“.

Jacke wie Hose

völlig egal;

belegt seit dem 17. Jahrhundert: Damals begann man, Jacke wie Hose

aus demselben Stoff zu schneidern; zwischen den Kleidungsstücken

gab es, was den Stoff betrifft, keine Unterschiede mehr.

Page 305: Reden Sar Ten 101210

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seit Jahr und Tag

seit sehr langer Zeit;

aus dem Mittelalter: Die Formel bezieht sich auf die Einspruchsfristen

zur Zeit Karls des Großen, die ein Jahr, sechs Wochen und drei Tage

betrug, weil das Gericht alle sechs Wochen für drei Tage tagte. Wer also

etwas „seit Jahr und Tag“ für sich beanspruchte, der konnte „mit Fug

und Recht“ behaupten, dass es ihm gehöre.

die fünfte JahreszeitKarneval, Oktoberfest u. Ä.;

ein Zeitraum von mehreren Wochen, in dem ein Ereignis von großer

(regionaler) Bedeutung stattfindet, das den Lebensrhythmus ähnlich

stark beeinflusst, wie es der Wechsel der Jahreszeiten tut. Je nach

Region wird etwa in München das im September stattfindende

Oktoberfest, in den Hochburgen des närrischen Treibens der Karneval

als fünfte Jahreszeit bezeichnet.

zu einem weißen Jahrgang gehören

in den Jahren 1929 bis 37 geboren worden sein;

dieser umgangssprachliche Ausdruck bezeichnet die

Geburtenjahrgänge 1929–37, die zu jung waren, um in der Wehrmacht

Dienst zu leisten, aber bei Einführung der Bundeswehr zu alt, um

für diese eingezogen zu werden. Die Herkunft der Redewendung ist

nicht ganz geklärt; „weiß“ könnte sich sowohl auf die „weiß bleibende

Weste“ beziehen wie auf die Tatsache, dass diese Jahrgänge militärisch

„unbeschriebene Blätter“ blieben.

ein Jammerlappenein jammernder Mensch;

aus dem Mittelalter: Ein Jammerlappen ist ursprünglich mit einem

Taschentuch zu vergleichen, das zum Abtupfen von Tränen verwendet

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wurde. Über die Jahre hat sich der Jammerlappen auch auf Menschen

mit einem weinerlichen Gemüt übertragen.

über den Jordan gehen

sterben, kaputtgehen oder sein;

aus der Bibel: Im Alten Testament stellte der Jordan die Grenze zu

Kanaan dar. Mit seiner Überschreitung käme das Volk Is rael endlich im

„Gelobten Land“ an. Außer Kanaan gibt es aber ein weiteres Land, das

diesen Titel verdient: das Himmelreich, in das der Gläubige mit seinem

Tod überwechselt. So wurde der Jordan zur realen Grenze zwischen

dem Land der Heiden und dem Geloben Land und zur fiktiven Grenze

zwischen dem Leben und dem Tod.

eine Josephseheeine keusche Ehe (ohne Sex);

basiert auf der Vorstellung, dass Maria und Josef, die Mutter und der

Ziehvater Jesu, in Keuschheit lebten – Marias Mutterschaft geht nach

katholischer Lehrauffassung auf eine unbefleckte Empfängnis zurück.

nicht um ein Jotanicht um ein kleines bisschen, überhaupt nicht;

der griechische Buchstabe „i“ ist bereits in der Bibel ein Symbol

für etwas unbedeutend Winziges; Luther allerdings übersetzte die

entsprechende Stelle (Matthäus 5,18) als „... bis Himmel und Erde

vergehen, wird nicht vergehen der kleinste Buchstabe noch ein

Tüpfelchen vom Gesetz“.

alle Jubeljahreextrem selten;

aus dem Mittelalter: Das Jubeljahr der katholischen Kirche, initiiert

schon im 13. Jahrhundert, wurde erst alle 100, später alle 50 und

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schließlich alle 25 Jahre begangen. Die Menschen konnten dann in Rom

einen besonderen Sündenablass erlangen. Ursprünglich hießen die

Jahre nicht Jubel-, sondern Jobeljahre, nach dem hebräischen „Jobel“,

einer Art Horn oder Posaune.

ein schwerer Jungeein Krimineller, ein Verbrecher;

schon im Mittelalter wurde zwischen straf baren Handlungen

verschiedener Schwere differenziert. Ein schwerer Junge war ein

Schwerverbrecher, d. h., sein Vergehen war besonders schlimm und

verwerflich.

ein eingefleischter Junggeselleein felsenfest überzeugter Junggeselle;

aus dem Lateinischen: „Eingefleischt“ ist eine eigenwillige Übersetzung

von „incarna tus“, was so viel wie „Fleisch geworden“ bedeutet. Ein

eingefleischter Junggeselle ist also eigentlich das lebendig gewordene

Ideal bild eines unverheirateten Mannes.

ein Jungspund sein

noch unreif, ein junger Mensch sein;

Erwachsene halten junge Menschen oft für unreif. Mit einem

„Spund“ wird ursprünglich ein Zapfen zum Verschließen von Fässern

bezeichnet. Ein junger Mensch könnte demnach sinnbildlich ein noch

verschlossenes Fass sein, dessen Inhalt erst die nötige Reife erlangen

muss.

aus Jux und Dollerei

zum Spaß, aus Albernheit;

„Jux“, heute auch für einen Scherz oder Streich verwendet, stammt vom

lateini schen Wort „jocus“, das sich in der Mainzer Fasnacht noch in Form

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der „Jocus-Garde“ erhalten hat. Der Ausdruck „Dollerei“ entstammt

derselben Wurzel wie das Wort toll, das ursprünglich „verrückt“

bedeutete.

ein Kadavergehorsamselbstloser Gehorsam bis in den Tod;

aus einer Ordensregel: Der Gründer des Jesuitenordens, Ignatius von

Loyola (1491–1556), verlangte in den Ordensregeln völligen Gehorsam,

„[...] als wäre er ein Leichnam, der sich auf jede Weise drehen und

wenden lässt [...]“, von den Mitbrüdern gegenüber den Oberen.

jemanden vor den Kadi zerren

jemanden vor Gericht bringen;

„Kadi“ ist die arabische Bezeichnung für einen Richter, der als höchster

Vertreter der Scharia, der muslimischen Rechtsordnung, anerkannt

wird. Der Begriff wird hier abwertend oder scherzhaft für einen

deutschen Richter angewendet.

kalter Kaffee sein

uralt, längst bekannt sein;

Geschichten, die zum wiederholten Male aufgewärmt werden, sind

genauso ungenießbar wie kalt gewordener Kaffee.

in einem goldenen Käfig sitzen

reich, aber nicht frei sein;

das ursprüngliche Bild ist das eines Singvogels bei reichen Leuten, der

zwar allen Luxus genießt, aber das Wichtigste im Leben eines Vogels,

die Freiheit zu fliegen, eingebüßt hat.

ein Kainsmal tragen

ein Zeichen der Schuld tragen, als Schuldiger kenntlich gemacht sein;

aus der Bibel abgeleitet: In der Genesis (4,14f.) fürchtet sich der

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Brudermörder Kain: „So wird mir’s gehen, dass mich totschlägt, wer

mich findet. Aber der Herr sprach zu ihm: Nein, sondern wer Kain

totschlägt, das soll siebenfältig gerächt werden. Und der Herr machte

ein Zeichen an Kain, dass ihn niemand erschlüge, der ihn fände.“

wo selbst der Kaiser zu Fuß hingeht

Bezeichnung für die Toilette;

verhüllende Umschreibung für die Toilette, die ebenso wie die dort zu

verrichtende Tätigkeit als unfein empfunden wird.

jemanden durch den Kakao ziehen

jemanden verspotten, nicht ernst nehmen, lächerlich machen;

der Kakao, das zuckerhaltige Kinder getränk, steht in dieser Redensart

aufgrund seiner Farbähnlichkeit anstelle eines derben Fäkalausdrucks.

„Was auch immer geschieht: Nie dürft Ihr so tief sinken, von dem

Kakao, durch den man Euch zieht, auch noch zu trinken!“ (Erich

Kästner)

in Kalamitäten kommen

in Schwierigkeiten geraten;

abgeleitet vom lateinischen Wort „calamus“ (Hahn). Zunächst

bezeichnete das Wort „calamitas“ einen Getreidemisswuchs, also

eine ungünstige Situation für den Landwirt; später wurde der Begriff

auch in anderen Situationen als Synonym für „Übel“ verwendet. Im

deutschen Sprachraum ist diese Redensart seit dem Dreißigjährigen

Krieg verbürgt. Bis heute ist „Kalamität“ zudem in der Forstwirtschaft

als Begriff für eine Schädlingsplage zu finden.

von besonderem Kaliber sein

ein besonderer Mensch sein;

aus der Militärsprache: Das Kaliber ist ein Maß für den Durchmesser

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von Geschützrohren und Projektilen. Seit dem 18. Jahrhundert wird

der Begriff auch zur Kennzeichnung der äußeren und inneren Form

eines Menschen verwendet.

jemanden kaltmachenjemanden umbringen;

verhüllender Ausdruck, der sich auf das Kaltwerden einer Leiche

bezieht.

eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als ...

es ist völlig unmöglich, dass ...;

aus der Bibel: Bei Matthäus (19,24) heißt es: „Eher geht ein Kamel

durch das Nadelöhr, als ein Reicher in das Himmelreich.“ „Nadelöhr“

war vermutlich schon in biblischer Zeit eine Redensart, die eine im

Volksmund so genannte enge Gasse in Jerusalem mit einem Tor

am Ende, also eine bestimmte Engstelle meinte. Ein Kamel kam

dort nur hindurch, wenn es nicht mit zahlreichen Gütern bepackt

war. Nach einer anderen Erklärung beruht die Wendung auf einem

Übersetzungsfehler, da sich „Seil“ und „Kamel“ im Griechischen nur

durch einen Buchstaben unterschieden.

olle Kamellendas sind doch veraltete Geschichten, das ist doch kalter Kaffee;

„Kamellen“ erinnert zunächst an die an Karneval großzügig

verteilten Süßigkeiten, hat aber mit Karamell tatsächlich nichts zu

tun. Der Ausdruck ist eine Aussprachemodifikation des Pflanzen-

namens Kamille. Diese seit Jahrhunderten geschätzte Heilpflanze

muss möglichst frisch genutzt werden. Lagert sie zu lange, gehen

die Wirkstoffe, darunter ätherische Öle und Flavone, verloren. „Olle

Kamellen“ sind somit unbrauchbare, weil zu alte Geschichten.

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alles über einen Kamm scheren

alle(s) nach ein und demselben Schema behandeln, nicht

differenzieren;

aus dem Mittelalter: geht wohl auf die früheren Baderstuben zurück,

wo der Bader für alle Kunden denselben Kamm benutzte und man

keinen individuellen Haarschnitt erwarten konnte.

jemandem schwillt der Kammjemand ärgert sich sehr, wird sehr wütend;

aus dem Tierreich: Der genannte „Kamm“ ist der Kopfschmuck des

Hahns, der tatsächlich beim Anblick eines Rivalen „vor Wut“ stärker

durchblutet wird, sich rötet und scheinbar anschwillt.

einen Krieg bis aufs Messer führen

auch: einen Kampf bis aufs Messer führen

sich keinesfalls ergeben, mit allen Mitteln weiterkämpfen;

geht auf den spanischen General und Herzog von Saragossa, José de

Palafox y Melzi (1775–1847), zurück, der 1808 bei der Belagerung seiner

Heimatstadt durch die Franzosen die Kapitulation verweigerte.

mit offenem Visier kämpfenauch: nicht mit offenem Visier kämpfen

offen, anständig kämpfen;

aus dem Mittelalter: Die Wendung geht auf die mittelalterlichen

Turnierkämpfe zurück, bei denen die Ritter sich durch das

heruntergeklappte Visier ihres Helmes schützten und damit auch ihr

Gesicht verbargen. In der übertragenen Bedeutung seit dem Ende des

18. Jahrhunderts verwendet.

jemanden an die Kandare nehmen

jemanden kurz halten, jemanden streng maßregeln;

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aus der Reiterei: Die Kandare ist ein besonders scharfes Pferdegebiss,

mit dem der brutale Reiter dem Pferd große Schmerzen zufügen

kann. Eigentlich ist sie für eine besonders feinfühlige Reiterei bei weit

ausgebildeten Pferden (Dressur) gedacht; zuweilen werden aber auch

besonders widerspenstige Pferde „an die Kandare“ genommen.

wie ein Kaninchen vor der Schlange stehen

paralysiert, starr vor Angst sein;

aus dem Tierreich: Die Redewendung bezieht sich auf die

Schreckstarre, die kleine Tiere vor der sich vor ihnen aufrichtenden

und hin- und herpendelnden Schlange einnehmen.

eine große Kanone sein

einer der Besten sein, z. B. eine Sports-, Stimmungskanone;

leitet sich vom schweren Geschütz her, das dem kleineren überlegen

ist; mit einer größeren Kanone lässt sich weiter schießen. Die

Redensart entstand allerdings erst im frühen 20. Jahrhundert.

unter aller Kanoneindiskutabel schlecht;

„Kanone“ hat in diesem Fall nichts mit einer Waffe zu tun, sondern

stellt eine laien hafte Übersetzung des Ausdrucks „sub omni canone“

dar. Besagter Kanon (canone) war zum einen die offizielle kirchliche

Richtschnur für korrektes Verhalten, zum anderen der Notenkanon zur

Bewertung an Schulen. In beiden Fällen bedeutete „unter dem Kanon“,

dass das Verhalten oder die erbrachte Leistung ausgesprochen, ja

beinahe unmessbar schlecht war.

Kanonenfutter sein

sinnlos geopfert werden, insbesondere von Soldaten an der Front;

aus der Soldatensprache: Der Begriff geht möglicherweise auf

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Shakespeares „König Heinrich IV.“ zurück: Falstaff sagt über seine

Soldaten, sie seien „good enough to tosse: foode for Powder, [...]

mortall men“. Aus der Übersetzung „Futter für Pulver“ dürfte Mitte

des 19. Jahrhunderts das Wort Kanonenfutter als Bezeichnung für

Soldaten, die an der Front sinnlos und skrupellos geopfert werden,

entstanden sein.

etwas auf die hohe Kante legen

Geld sparen;

aus dem Mittelalter: Die „hohe Kante“ meint wohl ein erhöhtes

Wandbrett, einen Sims oder Schrank, vielleicht auch den Baldachin

eines herrschaftlichen Bettes, die als Ablage für Wertsachen genutzt

wurden. Nach einer anderen Erklärung bezieht sich die Wendung auf

Münzrollen; die einzelnen Geldstücke einer solchen – liegenden –

Rolle stehen „hochkant“.

ein Kantersiegein müheloser, sehr leicht errungener Sieg;

aus der Reiterei: Der englische Begriff „canter“ bezeichnet einen

kurzen, leichten Galopp – der allerdings in einem Galopprennen selten

zum Sieg führt.

ein unsicherer Kantonistein wenig vertrauenswürdiger Mensch;

aus dem 18. Jahrhundert: In den 1733 in Preußen eingerichteten

Kantonen wurden die „Kantonisten“ zwischen 18 und 20 Jahren vom

Heer eingezogen. Wer sich dem Wehrdienst in einer Weise entzog,

in der er nicht der Fahnenflucht angeklagt werden konnte, war ein

„unsicherer Kantonist“.

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ein Kapitel für sich sein

darüber lässt sich vieles sagen;

geht von der Einteilung der Bücher der Bibel in Kapitel aus. Jedes

Kapitel ist eine abgeschlossene Einheit, die alle Aspekte der

Geschichte umfasst.

etwas auf die eigene Kappe nehmen

die Verantwortung für etwas übernehmen;

die Kappe, also die Kopfbedeckung, steht hier symbolisch für den

darunter befindlichen Kopf, den jemand für eine Sache hinzuhalten

bereit ist.

mit Karachomit hohem Tempo, sehr schnell;

entlehnt und inhaltlich abgewandelt vom spanischen Wort „carajo“,

das das männliche Glied bezeichnet.

im Karree springen

wütend sein;

wie „im Viereck/Dreieck springen“; Karree stammt vom französischen

Wort „carré“, Quadrat.

jemandem an den Karren fahren

jemanden stören, behindern, kritisieren; jemandem schaden;

vermutlich von dem schädigenden bzw. behindernden Ereignis eines

Unfalles abgeleitet, an dem zwei Fuhrwerke beteiligt sind.

jemanden vor seinen Karren spannen

jemanden für die eigene Sache benutzen;

wenn man die eigenen Pläne als „ Karre“ versteht, so braucht man

jemanden, der diese zieht – der also, ähnlich einem Pferd oder Ochsen,

davorgespannt werden kann.

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die letzte Karte ausspielen

seine letzte Chance, die letzte Möglichkeit nutzen;

aus dem Kartenspiel: Wer nur noch eine Karte besitzt, der kann keine

List mehr anwenden – ihm bleibt nur, diese letzte Karte auszuspielen

und auf sein Glück (oder das Pech seiner Mitspieler) zu hoffen.

die Karten auf den Tisch legen

seine Absichten, geheimen Pläne u. Ä. offenlegen;

aus dem Kartenspiel: Einige Spiele fordern das offene Ablegen

der Karten, sobald man ein gewinnträchtiges Blatt hat, damit die

Mitspieler es sehen, so z. B. Doppelkopf.

die Karten neu mischen

die Umstände einer Situation verändern oder neu definieren, den

Ereignisablauf beeinflussen;

mit jeder neuen Runde eines Kartenspiels, vor der die Karten

durchgemischt werden, wird jedem Mitspieler eine neue

Ausgangssituation zugeteilt; theoretisch besitzt beim Mischen jeder

die gleichen Gewinnchancen.

mit offenen Karten spielen

vollkommen offen und ehrlich sein;

aus dem Kartenspiel: Wer mit offenen statt verdeckten Karten

spielt, der macht zwar seinen Mitspielern nichts vor – aber er dürfte

zumindest beim Kartenspiel auch nicht gewinnen.

sich nicht in die Karten schauen lassen

Geheimnisse haben, sein geplantes Vorgehen nicht offenbaren;

aus dem Kartenspiel: Wer sich nicht in die Karten schauen lässt, hält

seine Gewinnchancen geheim und kann so seine Mitspieler leicht

täuschen.

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jemanden wie eine heiße Kartoffel fallen lassen

eine Freundschaft plötzlich, ohne Vorwarnung abbrechen;

Kartoffeln sind eines der Lebensmittel, die Hitze sehr lange speichern,

sodass man sich an ihnen leicht die Finger verbrennt. Das Bild, das

diese Redensart zeichnet, ist das eines Hungrigen, der begeistert eine

Kartoffel nimmt – und sie ebenso schnell wieder fallen lässt, da sie

noch zu heiß ist.

Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln!

kritische Anmerkung, wenn Pläne häufi gem Wechsel unterliegen;

aus dem Militär: Beim Vorrücken mit militärischen Truppen diente

„Rein in die Kartoffeln“ als Befehl, über einen Kartoffelacker (oder auch

ein anderes Feld) zu marschieren. Offenbar bekamen die Befehlenden

regelmäßig Skrupel wegen der dadurch verursachten Beschädigung

der Ernte – und gaben umgehend den Rückzugbefehl: „Raus aus

den Kartoffeln.“ Später wurde die Redensart allgemein für (störend)

unentschlossenes Handeln verwendet.

mit jemandem Karussell fahren

jemanden scharf tadeln;

aus der Soldatensprache: Im Heer musste ein Soldat, der sich eines

leichten Vergehens schuldig gemacht hatte, um den Exer zierplatz laufen

– eine Strecke, die an das Im-Kreis-Fahren des Karussells erinnert.

ein Kassandrarufeine vergebliche Warnung;

aus der griechischen Mythologie: Kassandra war die Tochter des

trojanischen Königs Priamos. Der Gott Apollo verliebt sich in sie und

verlieh ihr die Gabe der Vorsehung. Kassandra jedoch verschmähte

ihn, weshalb er sie verfluchte, sie möge nur noch Schlechtes

vorhersehen und niemand ihren Warnungen glauben. So sah sie die

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Eroberung ihrer Heimat durch die Griechen vorher, doch niemand

glaubte ihren Warnungen vor dem Trojanischen Pferd.

ab nach KasselSchnell weg! Bloß weg hier!

Die genaue Herkunft dieser Redewendung ist nicht klar. Vielleicht

existierte sie bereits, als die Menge sich in Aachen um den

Zug scharte, in dem Napoleon III. nach seiner Gefangennahme

abtransportiert wurde. Vielleicht aber entstand sie auch erst dort – der

Zielbahnhof der Reise war nämlich Kassel.

etwas auf dem Kasten haben

klug sein;

bezieht sich auf den „Hirnkasten“, in dem der Intellekt gelagert wird.

einen Kater haben

einen schweren Kopf nach übermäßigem Alkoholgenuss haben;

nicht die männliche Katze, lediglich die undeutliche Aussprache war für

die missverständliche Aussage „Herrje, habe ich einen Kater“ ursächlich.

Sie entstand aus dem Wort Katarrh (von griechisch „ka tarrhein“,

herunterfließen), das eine Entzün dung der Schleimhäute bezeichnet.

Diese Erkrankung ist sehr unangenehm – ähnlich den Folgen einer

durchzechten Nacht.

die schnelle Katharina haben

Durchfall haben;

scherzhafte Ableitung vom griechischen Wort „katharma“ (Reinigung).

jemandem Kattun geben

jemanden verprügeln; den Feind unter starken Beschuss nehmen;

aus der Soldatensprache: Wie der Baumwollstoff Kattun zum Synonym

für Prügel wurde, lässt sich leider nicht nachvollziehen.

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etwas ist für die Katzvergeblich, nutzlos, zwecklos sein;

bedeutet eigentlich, dass etwas wertlos, so schlecht ist wie Fischreste,

Wurstpellen, Käserinden oder andere Essensreste, die man früher der

Katze zum Fressen vorwarf.

mit jemandem Katz und Maus spielen

jemanden im Unklaren lassen;

beruht auf der tatsächlichen Beobachtung von Katzen. Bevor eine

Katze eine gefangene Maus frisst, spielt sie zumeist noch eine Weile

mit ihr, lässt sie scheinbar entkommen, um sie im nächsten Augenblick

doch aufzufressen. Die Redensart lässt sich zuerst in Frankreich

belegen, im 13. Jahrhundert auch im Deutschen.

vor jemandem katzbuckelnschmeicheln, schöntun, unterwürfig sein;

der bei einer sich streckenden oder einer erschreckten Katze zu

sehende Buckel wurde auf die unterwürfige Haltung der Lakaien

übertragen, die mit gesenktem Kopf und gerundetem Rücken vor

ihren Herren „katzubuckelten“.

der Katze die Schelle umhängen

eine (heikle) Sache offen ansprechen;

aus der Literatur: bedeutete ursprünglich „ein gefährliches

Unternehmen nicht durch führen wollen“; geht zurück auf die Fabel

von den Mäusen, die der Katze eine Schelle umhängen wollen, damit

sie vor ihrem Auftauchen gewarnt werden. Als es aber daran geht, das

Vorhaben auszuführen, findet sich keine Maus, die dazu bereit wäre.

die Katze im Sack kaufen

etwas ohne vorherige Prüfung erwerben;

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aus dem Mittelalter: Die Redewendung geht auf eine Betrugspraxis

auf mittelalterlichen Märkten zurück. Dort wurden Tiere für den

Transport in Säcke „verpackt“ – und an einen gutgläubigen Kunden

auch bereits im Sack verkauft. Der stellte erst zu Hause fest, dass ihm

statt des Hasen oder Huhns lediglich eine Katze übergeben worden

war.

wie die Katze um den heißen Brei schleichen

sich nicht entscheiden können, sich nicht klar äußern;

aus dem Tierreich: Katzen sind für ihre elegante, lautlose Fortbewegung

bekannt. Wer sich nicht entscheiden kann, der schleicht also wie eine

Katze um etwas herum, das sie gern fressen würde, aber wegen der zu

großen Hitze nicht kann.

nur Katzengold sein

nur scheinbar wertvoll oder bedeutungsvoll sein;

„Katzengold“ ist der volkstümliche Ausdruck für das Mineral Pyrit,

auch Schwefel kies genannt. Es hat einen leichten Goldglanz und kann

daher auf den ersten Blick mit dem Edelmetall verwechselt werden.

Allerdings besitzt es eine Kristallstruktur, die nicht formbar ist und es

damit für die Weiterverarbeitung vollkommen wertlos macht. „Katze“

bezieht sich hier nicht auf das Tier, sondern kommt vom Wort „Ketzer“.

Pyrit ist also das Gold der Irrgläubigen. Rechtgläubige Christen

erkennen und schätzen nur das echte Gold.

ein Katzensprungnicht weit, nur eine kurze Strecke;

die Redewendung griff vermutlich willkürlich aus den kleineren

Tierarten die Katze heraus, da sich unter ihrer Sprungweite jeder etwas

vorstellen kann.

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am Katzentisch sitzen

an einem separaten Platz sitzen, der nicht zur eigentlichen

Tischordnung gehört; einen separaten, wenig vorteilhaften Platz in

einer Gemeinschaft innehaben;

ein Katzentisch ist ein kleiner Tisch, an dem Haustiere, meist Katzen,

gefüttert werden. Solche Tische sind bereits in der Antike bezeugt und

haben sich in den oberen Gesellschaftsschichten bis heute erhalten.

eine Katzenwäsche machen

sich nur oberflächlich waschen;

aus dem Tierreich: Katzen sind als ausgesprochen wasserscheu

bekannt und können daher nicht gewaschen werden.

ein komischer Kauzauch: ein komischer Vogel

ein Außenseiter, ein harmloser Sonderling;

aus der Tierwelt: Der Name dieses lichtscheuen und bei Tage

unsicheren Vogels wurde im 16. Jahrhundert zum Sinnbild für den

menschenscheuen Sonderling und diente gleichzeitig der treffenden

Kennzeichnung seines ungewöhnlichen Verhaltens.

ein Kaventsmannein sehr großes Exemplar; ein Prachtstück;

aus dem Lateinischen: „cavere“ bedeutet so viel wie Gewähr für

jemanden zu leisten. „Kavenz“ leitet sich von der Partizipform

des Wortes ab. Ein Kaventsmann ist also nichts anderes als ein

Gewährsmann. Gewähr leisten können aber nur sehr einflussreiche,

wohlbegüterte Personen. Gerade in früheren Zeiten war es ein

Statussymbol für Reichtum, von eher stämmiger Gestalt zu sein.

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die Kehle ölen

auch: die Kehle anfeuchten

(Alkohol) trinken;

wenn man etwas trinkt, muss es unweigerlich die Kehle passieren.

Daher kommt die scherzhafte Wendung vom Ölen der Kehle, die im

späten Mittelalter als Sitz der Trinklust galt.

etwas im Keim ersticken

etwas im Entstehen, im Ansatz unterdrücken;

der „Keim“ als Ausdruck sowohl für den Embryo als auch den

Samenkern, der zu einer Pflanze heranwachsen kann, steht hier für die

früheste Entwicklungsstufe eines Prozesses oder einer Sache.

einen weichen Keks haben

nicht ganz bei Verstand sein;

die harten, süßen Gebäckstücke stehen in verschiedenen

Redewendungen für das menschliche Gehirn bzw. den Verstand

(„etwas geht einem auf den Keks“). Wenn dieser Keks mürbe, also

weich ist, wird er rasch ungenießbar.

der Kelch ist an jemandem vorbeigegangen

auch: der Kelch ist an jemandem vorübergegangen

jemandem blieb etwas Unangenehmes gerade noch erspart;

aus der Bibel: Im biblischen Text geht der Kelch, der Unglück und Tod

bedeutet, nicht an Jesus vorbei. Im Garten Gethsemane bittet er den

Herrn: „Mein Vater, ist’s möglich, so gehe dieser Kelch an mir vorüber;

doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ (Matthäus 26,39) Später

wurde die Redewendung in ihrer angenehmeren Variante verwendet,

nämlich dann, wenn eine Gefahr oder Unannehmlichkeit tatsächlich

vermieden werden konnte.

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in die gleiche Kerbe schlagen

dieselbe Meinung wie jemand anderes vertreten;

aus dem Holzgewerbe: Wenn jemand mit seiner Axt in die gleiche

Kerbe schlägt wie der erste Holzfäller, so stimmt er mit der Wahl des

Baumes und der Art der Fällung überein und will diese beschleunigen.

etwas auf dem Kerbholz haben

etwas Unrechtes begangen haben;

aus dem Mittelalter: Das so genannte Kerbholz war das über

Jahrhunderte vorherrschende System der Buchführung für

Warenlieferungen, Schulden, Abgaben, etc. Es handelte sich dabei um

zwei kurze, gleichförmige Holzstäbe, die man neben einanderlegte

und mit einem Schnitt gleichzeitig einkerbte. Anschließend blieb

eines der Hölzer beim Schuldner, das andere beim Gläubiger;

am Zahltag wurden die Hölzer verglichen und abgerechnet –

stimmten sie nicht überein, hatte einer der beiden betrogen. Auch

in Wirtshäusern erhielten die Gäste Kerbhölzer, auf denen ihre

Zeche verzeichnet wurde, allerdings ohne Gegenstück für den

Wirt. Diese Abrechnungspraxis hat sich in abgewandelter Form bis

heute erhalten, wenn die konsumierten Getränke durch Striche auf

Bierdeckeln vermerkt werden.

ein Kerl wie ein Baum

ein großer, starker Mann;

Kerl wird gern in volkstümlichen Verbindungen und Vergleichen

gebraucht, so gibt es auch den „Pfundskerl“ und den „Saukerl“, beides

anerkennend gemeinte Ausdrücke.

des Pudels Kernder wahre Ursprung, der eigentliche Hinter grund oder Inhalt einer

Sache oder eines Ereignisses;

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323

in Goethes Drama „Faust“ verwandelt sich Mephisto, der Teufel, in

einen Pudel, um Faust zu täuschen. Bei seiner Rückverwandlung

erkennt der Gelehrte „des Pudels Kern“. Der Pudel wurde vermutlich

deshalb gewählt, da er aufgrund seiner geringen Größe und des

lockigen, oft getrimmten Fells harmlos und freundlich aussieht.

jemand hat einen weichen Kern in einer rauen/harten Schale

grob, gefühllos wirken, aber tatsächlich sehr sensibel und feinfühlig

sein;

die Redewendung erweckt das Bild einer Nuss, die in einer nur schwer

zu beschädigenden Schale einen wohlschmeckenden und feinen Kern

verbirgt.

wie eine Kerze sein, die an beiden Enden brennt

seine Kräfte verausgaben;

Setzt das Bild einer doppelt so rasch, da von beiden Seiten

abbrennenden Kerze mit einem Menschen gleich, der durch

ungeordnetes Vorgehen seine Kräfte viel zu rasch verbraucht.

jemanden an die Kette legen

jemanden unterwerfen, seine Bewegungsfreiheit einschränken;

bezieht sich nicht wie „jemanden an die Leine legen“ auf das

Festhalten eines Hundes, sondern auf das Anketten eines Verbrechers.

mit den Ketten rasseln

jemandem Angst machen, drohen;

diese Redewendung kann (wie „mit dem Säbel rasseln“) auf das an

manchen Säbeln und Schwertern befindliche „Gehänge“ aus kleinen

Ketten zurückzuführen sein. Eher unwahrscheinlich ist der Bezug zum

Volksglauben an Gespenster in alten Burgen, die mit Ketten rasseln,

um den Besuchern einen Schrecken einzujagen.

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jemanden auf dem Kieker haben

jemanden ganz genau beobachten;

aus der Seemannssprache: Der „Kieker“ ist ein Fernrohr auf Schiffen,

vom plattdeutschen Wort „kieken“ (gucken). Seeleute stammten

früher meist aus Norddeutschland, sodass Platt die übliche Sprache

auf deutschen Schiffen war.

etwas auf Kiel legen

etwas (zu tun) anfangen;

aus dem Schiffsbau: Bei der Kiellegung im Trockendock werden die

Maße des geplanten Schiffes durch das Auslegen der Rahmenteile des

unteren Schiffskörpers sichtbar. Dies ist der erste Arbeitsgang beim

Bau eines Schiffes. Im übertragenen Sinne bezeichnet „Kiellegung“

bzw. „etwas auf Kiel legen“, mit den ersten Schritten eines neuen

Projektes zu beginnen.

in jemandes Kielwasser fahren

jemandem folgen;

aus der Seefahrt: Das Kielwasser ist die durch die Vorwärtsbewegung

des Schiffskörpers im Wasser erzeugte Bugwelle. Bewegt man sich im

Kielwasser eines Schiffes, so folgt man diesem dichtauf.

... wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist

wenn es zu spät ist;

meint die zu späte Vorsorge (das Abdecken des Brunnens), die erst

dann getroffen wird, wenn das Unglück schon passiert ist.

das Kind mit dem Bade ausschütten

übertreiben, zu viel tun, über das Ziel hinausschießen;

wer gebeten wird, den Waschbottich zu leeren und zu säubern, der

sollte zunächst nachsehen, ob sich nicht noch jemand darin befindet.

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325

Tut er dies im Übereifer nicht, so wird er vielleicht „das Kind mit dem

Bade ausschütten“.

das Kind schon schaukeln

etwas hinkriegen, etwas zum Gelingen bringen;

aus dem 20. Jahrhundert: Diese genuin Berliner Wendung ist als

Aufforderung an eine Mutter gemeint, ihr Baby auch dem Vater oder

dem Babysitter zu überlassen, die „das Kind schon richtig schaukeln“

werden.

mit Kind und Kegel

mit allem, was dazu gehört, mit der gesamten Familie;

aus dem Mittelalter: Im Mittelhochdeutschen bezeichnet das Wort

„Kegel“ Kinder, die außerhalb einer ehelichen Verbindung gezeugt

wurden. Wenn jemand also bspw. „mit Kind und Kegel“ flieht, so

nimmt er nicht nur seine anerkannten Kinder mit, sondern auch die

seiner Affären.

sich bei jemandem lieb Kind machen

sich bei jemandem einschmeicheln;

diese Redewendung bezeichnet ein so unterwürfiges,

einschmeichelndes Verhalten, wie es Kinder verwenden, um bei den

Eltern etwas zu erreichen.

zu etwas kommen wie die Jungfrau zum Kindvollkommen überraschend zu etwas kommen;

aus der Bibel abgeleitet: Die meist spöttisch oder scherzhaft

verwendete Redens art bezieht sich auf die unbefleckte Empfängnis

der Maria, wie sie in Matt häus 1,18–23 beschrieben wird.

seine gute Kinderstube vergessen

schlechte Manieren an den Tag legen;

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aus dem 19. Jahrhundert: Damals wurde verlangt, dass sich Kinder

selbst in ihrem eigenen Zimmer – der „Kinderstube“ – anständig, ruhig

und gehorsam benehmen.

jemandem klappt die Kinnlade herunter

jemand ist sehr erstaunt;

bezieht sich darauf, dass jemand, der sehr über etwas staunt, oft

vergisst, den Mund wieder zu schließen.

die Kirche im Dorf lassen

an den überkommenen Bräuchen nichts ändern, sich an das

Gegebene halten;

weist auf die Ordnungsfunktion der Kirche hin. So wie die Kirche

im Leben der Menschen und das Kirchengebäude in gewachsenen

Dörfern einen zentralen Platz einnahm, so sollte man auch mit seinen

Ansichten und Forderungen einen gewissen Rahmen nicht verlassen.

die Kirche ums Dorf tragen

auch: ums Dorf in die Kirche gehen, mit der Kirche ums Dorf fahren

unnötig kompliziert handeln, etwas sehr umständlich tun;

Mit der „Kirche“ ist in dieser Redewendung nicht das Gebäude

gemeint, sondern die gesamte Kirchengemeinde eines Ortes. Bei

ihren traditionellen Prozessionen, wie beispielsweise an Fronleichnam,

beschreitet die versammelte Gemeinde einen langen Weg im oder um

das Dorf, um danach wieder zum Kirchengebäude zurückzukehren.

Aus diesen unnötigen Umwegen entwickelte sich die redensartliche

Bedeutung.

jemanden kirre machen

jemanden verrückt machen; jemanden verwirren;

aus der Jägersprache: Die Kirrung ist eine Futterstelle für Wild, an der

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dieses an den Menschen gewöhnt wird; ursprünglich bedeutete „kirre

machen“ also zähmen. Die Entwicklung der heutigen Bedeutung, die

genau das Gegenteil meint, ist allerdings nicht nachzuvollziehen.

mit jemandem ist nicht gut Kirschen essen

jemand ist ein unverträglicher, hochmütiger Mensch, mit dem schwer

auszukommen ist;

ursprünglich lautete die Redensart: „Mit hohen Herren ist nicht

gut Kirschen essen, sie spucken/werfen einem die Steine/Stiele ins

Gesicht.“ Der Anbau von Kirschen war damals noch auf Klostergärten

und vornehme Häuser beschränkt, und deren „höhere Herren“

verhielten sich dem niederen Volke gegenüber oft sehr hochmütig.

Klarschiff machen

saubermachen, putzen;

aus der Seefahrt: Diese in den Alltag übernommene Redewendung

entspricht wortgenau dem auf Schiffen üblichen Ausdruck für das

Putzen auf und unter Deck, meist vor Einlaufen in einen Hafen.

Klartext mit jemandem reden

deutlich und eindeutig etwas aussprechen;

aus dem 20. Jahrhundert: Mit Einführung der Fernkommunikation wurden

auch Methoden entwickelt, diese abzuhören, um im Krieg die Pläne des

Feindes zu kennen. Zur Vorbeugung wurden Codes und Geheimsprachen

entwickelt. Wer keine davon verwendet, der redet „Klartext“.

klebrige Finger haben

stehlen;

beschreibt einen, der gerne etwas mitgehen lässt, als praktisch

unschuldig an seinem Hang zum Stehlen: Die Dinge bleiben ja einfach

an seinen Fingern kleben.

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nicht kleckern, sondern klotzen

etwas mit großem Engagement bzw. Aufwand betreiben;

„kleckern“ bezeichnet nicht nur beim Essen den Vorgang des „Kleine-

Flecken-Machens“, wohingegen „klotzen“ auf den Klotz, ein großes,

unförmiges und schweres Werkstück, zurückgeht.

klein beigeben müssen

nachgeben müssen;

aus dem Kartenspiel: Wer schlechte Karten hat, der kann nicht

„auftrumpfen“, sondern muss seine kleinen, also im Wert niedrigen

Karten beigeben.

aus etwas Kleinholz machen

auch: aus jemandem Kleinholz machen

etwas zertrümmern; jemanden schlagen/verprügeln;

vom Holzhacken: Wenn man sich für seinen Kachelofen nur Meterholz,

also einen Meter langes Spaltholz liefern lässt, dann muss man daraus

selbst das in den Ofen passende Kleinholz herstellen.

in der Klemme stecken/sitzen

in einer Notlage sein;

unklar: Möglich ist ein Bezug auf einen bestimmten Fallentyp der

Vogelfänger; auch eine Herleitung aus derselben Quelle wie das Wort

„Klamm“ für eine enge, ausweglose Gebirgsschlucht ist möglich.

wie eine Klette an jemandem hängen

sehr anhänglich sein;

aus der Botanik: Die Korbblütlerpflanzen zeichnen sich durch

ihre mit dornigen Blättern umhüllten Blüten aus, die sich im Fell

vorbeilaufender Tiere einhaken und so die Verbreitung der Samen

sichern. Die Blätter selbst verbleiben oft lange Zeit im Fell und sind

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ebenso schwer zu entfernen wie eine Person, die an einer anderen

„wie eine Klette“ hängt.

jemanden über die Klinge springen lassen

jemanden töten;

beschreibt das Töten eines Menschen durch Abschlagen des

Kopfes. Während der Körper sich nicht bewegt, fällt – „springt“ – der

abgetrennte Kopf über die Schwertklinge.

mit jemandem die Klingen kreuzen

mit jemandem streiten;

beim Duell mit dem Degen war es früher üblich, zum Zeichen des

gegenseitigen Respekts vor dem ersten Hieb die Klingen zu kreuzen.

sich die Klinke in die Hand geben

einer von vielen Menschen sein, die einen bestimmten Ort besuchen;

beschreibt einen unablässigen Besucherstrom, bei dem, sobald der

eine die Türklinke der Eingangstür loslässt, der nächste nach ihr greift.

klipp und klar

ganz eindeutig, unzweifelhaft;

seit Ende des 19. Jahrhunderts belegt: eines der vielen Beispiele der

Vorliebe des Volksmunds für den Stabreim; „klipp“ ist ebenso wie

„klapp“ die lautmalerische Wiedergabe des Aneinanderklatschens

zweier Handinnenflächen; „klipp und klar“ kommt aus dem Viehhandel

und bezeichnete den Handelsabschluss mit Handschlag.

ein ungehobelter Klotzein roher, grober, schlecht erzogener Mensch;

aus dem Handwerk: wohl eine Gleichsetzung des Handwerkers

mit seinem Material. In der Zeit des Zunftwesens war es Brauch,

Anwärter bei der Aufnahme in Zünfte einer besonderen Zeremonie zu

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unterziehen – der ungehobelte Klotz war folglich der Anwärter auf die

Aufnahme in die Tischlerzunft.

sich einen Klotz ans Bein binden

sich selbst eine lästige Pflicht aufbürden;

in verschiedenen Redewendungen steht der „Klotz am Bein“ für eine

große Last, die einem das Leben schwer macht und das Fortkommen

hemmt.

etwas ist klar wie Kloßbrüheetwas ist eindeutig, leicht verständlich;

diese Redensart wurde zunächst ironisch verwendet, da Kloßbrühe

aufgrund ihrer Einlage eben nicht „klar“ ist, und erhielt erst später

ihren bestätigenden Charakter.

einen Knall haben

verrückt sein;

aus dem Mittelalter: Knall bezieht sich hier wohl auf das Geräusch,

das bei einem kurzen, kräftigen Schlag auf den Kopf entsteht, und

verweist auf den dadurch bewirkten Gehirnschaden – davon leitet

sich auch das Schimpfwort Knallkopf für einen dummen, verrückten

Menschen ab.

Knall auf Fall

plötzlich und unerwartet;

bedeutungsgleich mit „Schlag auf Schlag“; die Wendung hieß

ursprünglich „Knall und Fall“ und bezieht sich auf die Jagd, wo auf das

Knallen (des Gewehrs) umgehend das Fallen (des Wildes) folgt.

etwas über das Knie brechen

etwas übereilt, gewaltsam erledigen;

bezieht sich auf das Zerbrechen kleinerer Äste mithilfe des Knies (bzw.

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Oberschenkels) statt mit der Säge und schafft auch die Assoziation

eines schmerzhaften Ausgangs, wenn ein Ast doch stabiler ist als

ursprünglich geglaubt.

jemanden in die Knie zwingen

jemanden zum Aufgeben zwingen;

bezieht sich entweder darauf, dass jemand so lange angegriffen wird,

bis er vor Schwä che zusammensackt, oder auf das um Gnade Flehen,

das üblicherweise auf Knien stattfindet.

weiche Knie haben

Angst vor etwas haben;

nimmt Bezug auf das Gefühl der Hilflosig keit oder beginnenden

Ohnmacht, das bei starker Angst Schwindelgefühle hervorruft.

ein Knöllchen bekommen

einen Strafzettel bekommen;

aus dem Kölner Raum: Im Rheinland werden nicht nur Niederschriften

eines Tatbestandes Protokolle genannt, sondern auch die

Strafverfügung selbst. So heißen auch Strafzettel „Protokolle“. Die

Verniedlichung des Begriffs und Lautverschiebun gen machten aus

dem „Protoköllchen“ das „Knöllchen“.

den Gordischen Knoten durchhauen

eine Schwierigkeit oder ein Hindernis durch eine energische Handlung

beseitigen, ein Problem „auf einen Schlag“ lösen;

aus der griechischen Mythologie: Der Gordische Knoten war der

Legende nach ein besonders kunstvoll verschlungener und für

unentwirrbar gehaltener Knoten im Jupitertempel der Stadt Gordion.

Wer ihn lösen könnte, der würde einer Weissagung zufolge Herrscher

über Asien werden. Alexander der Große soll den Knoten 333 v. Chr.

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mit einem Schwert zerhauen und daraufhin seinen Siegeszug über

Asien angetreten haben.

sich einen Knoten ins Taschentuch machen

sich etwas ins Gedächtnis schreiben;

die Beschreibung der Praxis, sich durch einen Knoten dort, wo er nicht

hingehört, an etwas zu erinnern, wird heute auch als Ausdruck für

andere mnemotechnische Methoden verwendet.

jemandem Knüppel zwischen die Beine werfen

jemanden behindern;

wirft man jemandem, der bereits läuft, um einen Plan zu realisieren,

einen Stock (Knüppel) zwischen die Beine, so stürzt er. Dieses Bild wird

auch im Französischen verwendet.

wie ein Knüppel am Bein

stark hemmend, hinderlich;

der „Knüppel“ ersetzt in dieser Redensart den „Klotz“, der schwer am

Bein hängt und das Vorwärtskommen behindert.

knüppeldickauch: knüppelhart

sehr dick/hart (im übertragenen Sinne);

der Zusatz „knüppel-“ wirkt verstärkend, um die besondere Größe

etwa einer Lüge oder die Schwierigkeit einer Lage zu verdeutlichen.

etwas macht den Kohl auch nicht fett

das nutzt jetzt auch nicht mehr viel; etwas ändert jetzt auch nichts

mehr;

der Kohl, eines der einheimischen Gemüse, die früher den

Bauern während des Winters ernährten, ist wie andere Gemüse

ausgesprochen fettarm. So meint die Rede wendung vermutlich

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eher „davon wird der Kohl auch nicht größer“. Unter Umständen ist

aber auch die Tatsache bezeichnet, dass die schwer arbeitenden

Bauern in der kalten Jahreszeit einen erhöhten Fettbedarf aus der

Nahrung hatten – und diesen durch die üblichen Gerichte wie Kohl

oder Kartoffeln nicht decken konnten. Ein „fetter“, also z. B. mit Butter

gedünsteter Kohl wäre also wünschenswert gewesen.

Kohldampf schieben

großen Hunger haben;

aus der Gaunersprache: Der „Kohldampf“ ist eine Zusammenziehung

aus den zwei rotwelschen Wörtern koller und dampf, die beide

dasselbe, nämlich „Hunger“, bedeuten. Dass er doppelt genannt wird,

weist darauf hin, dass der Hunger sehr groß ist. „Schieben“ entstammt

ebenfalls dem Rotwelschen und hat wenig mit dem Bewegen eines

Gegenstandes zu tun. Scheffen bedeutet so viel wie „machen“ bzw. in

diesem Zusammenhang schlicht „haben“.

(wie) auf glühenden Kohlen sitzen

auch: (wie) auf heißen Kohlen sitzen

etwas kaum aushalten, erwarten können; sehr unruhig, nervös sein;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: Vermutlich geht diese Redewendung,

die eine nicht sehr angenehme Situation beschreibt, auf eine

mittelalterliche Folterpraxis zurück, bei der der Beschuldigte sich auf

heiße Kohlen setzen oder stellen musste.

jemandem die Kohlen aus dem Feuer holen

eine gefährliche Aufgabe für jemanden ausführen;

analog zu der Redensart „für jemanden die Kastanien aus dem Feuer

holen“ bezieht sich diese Wendung auf das Bild „sich die Finger für

jemanden verbrennen“.

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Das ist doch Kokolores!

Das ist doch Unsinn!

Seit dem 17. Jahrhundert belegt: Der Ausdruck „Kokolores“ hat

mehrere mögliche Quellen. Zum einen kann er eine sprachliche

Weiterentwicklung aus den mittelhochdeutschen Wörtern gugl

(Gaukler), gogel (lustig, verspielt, ausgelassen) und gouc (Narr)

sein und damit einfach jede mögliche Variante von Unsinn und

Albernheit bezeichnen. Eine andere Herkunftserklärung bezieht sich

auf das englische Wort „cockalorum“ für arrogantes Getue. Dieses

Wort entstand aus dem Anfügen einer lateinischen Endung an das

englische Wort für „Gockel“, cock. Die pseudolateinische Form sollte

den Eindruck großer Bildung des Sprechers erwecken.

einen Koller haben

auch: einen Koller kriegen

Angst haben; einen Panikanfall bekommen;

aus der Tiermedizin: Der Dummkoller (auch Gehirnwassersucht) ist

eine Gehirn erkrankung, die bei Pferden auftreten kann. Hierbei kann

die Flüssigkeit im Hohlraumsystem des Gehirns nicht mehr ablaufen

und führt zu immer länger andauernder Regungslosigkeit des Pferdes.

Panikattacken gehören allerdings nicht zu den Symptomen, insofern

ist es fraglich, ob die se Redensart wirklich auf die Tierkrankheit

zurückzuführen ist.

das Ei des Kolumbuseine verblüffend einfache Lösung eines schwierigen Problems;

beruht auf einer älteren, erst im 16. Jahrhundert auf Kolumbus

übertragene Anekdote. Bei einem Festbankett zu Ehren des

Entdeckers wurde ihm vorgehalten, die „Neue Welt“ hätte auch jeder

andere finden können. Daraufhin nahm Kolumbus ein Ei und bat die

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Anwesenden, es auf die Spitze zu stellen. Als die Aufgabe allgemein

für unlösbar erklärt wurde, nahm Kolumbus das Ei, schlug es mit der

Spitze auf den Tisch, sodass es stehen blieb, und erklärte, das sei der

Unterschied: Jeder hätte es tun können, aber nur er habe es getan.

den Kopf in den Sand stecken

auch: eine Vogel-Strauß-Politik betreiben; eine Vogel-Strauß-Strategie

anwenden

aus der Tierwelt: Dem Strauß wird nachgesagt, dass er bei Gefahr

seinen Kopf in den Sand steckt, um seinen Feind nicht zu sehen; dies

ist jedoch ein Irrtum. Die Tiere schlafen sogar im Stehen und mit

aufrechten Hälsen, nur für kurzzeitige Tiefschlafphasen werden Hals

und Kopf auf das Rückengefieder oder auf den Boden gebettet.

den Kopf voll haben

an viel denken müssen, sich große Sorgen machen;

hinter dieser bildlichen Redewendung steht der Vergleich des Kopfes

mit einem Gefäß, das randvoll mit Gedanken oder Sorgen ist.

der Erfolg ist jemandem zu Kopf gestiegen

jemand ist aufgrund seines Erfolges überheblich/übermütig

geworden;

Alkohol steigt redensartlich in den Kopf, d. h., sein Genuss schränkt

das Denkvermögen ein. Manche Menschen sind aber auch von ihrem

Erfolg „wie trunken“ und benehmen sich dann im übertragenen Sinne

ähnlich unvernünftig wie Betrunkene.

die Hände über dem Kopf zusammenschlagen

entsetzt sein;

verweist auf die heute unübliche Gebärde, zum Zeichen der Trauer

oder des Entsetzens die Hände zum Himmel zu erheben und damit

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von Gott Gnade zu erflehen. Außerdem schützte man durch die Geste

den Kopf vor dem von oben herabkommenden Unheil. Die Gebärde

findet sich auf zahlreichen Gemälden, so auf Dürers „Apokalypse“ und

Hans Memlings „Das Jüngste Gericht“.

einen eigenen Kopf haben

eigenwillig, trotzig sein;

„Kopf“ steht häufig für den Inhalt desselben, in diesem Fall also für die

Gedanken und den Willen einer Person, die eigene Wege geht.

jemandem den Kopf waschen

jemanden zurechtweisen, scharf tadeln;

diese auch im Französischen („laver la tête ...“) zu findende

Redewendung ist bereits seit dem 17. Jahrhundert literarisch belegt,

wobei die ursprüngliche Form nicht das Waschen mit Seife, sondern

mit scharfer (ätzender) Lauge bezeichnet. Das Bild beruht auf der

Annahme, eine äußerliche Reinigung bewirke auch eine „Reinigung“

der Gedanken und des Verstandes.

jemandem steht nicht der Kopf nach etwas

jemand hat zu etwas keine Lust, möchte etwas nicht;

„Kopf“ wird hier synonym zu den Gedanken einer Person verwendet,

die sich nicht mit einem bestimmten Thema befassen will.

Kopf und Kragen riskieren

sehr viel/sein Leben riskieren;

„Kragen“ steht hier für Hals; aufgrund der Vorliebe des Volksmundes

für Stabreime bürgerte sich aber die Wendung „Kopf und Kragen“ ein

für die Sicherheit und Gesundheit einer Person (ähnlich: „Es geht um

Kopf und Kragen!“).

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mit dem Kopf durch die Wand gehen/wollen

auch: mit dem Kopf gegen die Wand laufen/rennen

etwas trotz aller Widerstände durchsetzen oder zu Ende führen wollen,

sehr stur sein;

beschreibt einen „Dickschädel“, dessen Wille so fest ist, dass der Kopf

sogar eine Wand einreißen könnte.

nicht wissen, wo einem der Kopf steht

mit Arbeit oder Sorgen überlastet sein;

beschreibt das Gefühl, aufgrund zu großen Stresses „neben sich“

zu stehen, also unkonzentriert und fehlerhaft zu arbeiten oder

unüberlegter als üblich vorzugehen.

sein Geld auf den Kopf hauen

sein Geld verschwenden, restlos ausgeben;

aus dem Spätmittelalter: Diese Redewendung wird auf die Problematik

der von Region zu Region verschiedenen Münzprägungen

zurückgeführt. Da Händler die Münzen einer fremden Gegend nicht

auf Anhieb erkannten, ließen sie sich die Münze mit dem Nennwert,

der Zahl, nach oben vorlegen. Das Herrscherbildnis auf der anderen

Münzseite lag zum Tisch gewendet, wurde also beim Geldausgeben

„auf den Kopf gehauen“.

sich den Kopf zerbrechen

angestrengt über etwas nachdenken;

stellt bildhaft eine dermaßen intensive Nutzung des Kopfes (hier

synonym für Gehirn) dar, dass dieser darüber so abgenutzt wird, dass

er letztendlich zerbricht.

sich etwas aus dem Kopf schlagen

eine Idee, einen Plan fallen lassen;

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bezieht sich auf die Geste des leichten Schlagens gegen den eigenen

Kopf, die das Herausstoßen einer unliebsamen oder nicht mehr

brauchbaren Idee symbolisiert.

sich um Kopf und Kragen reden

sich durch unüberlegtes Reden schaden;

aus dem Mittelalter: Der „Kragen“ steht für den darin befindlichen

Hals; wer sich um diesen samt des Kopfes redet, der riskierte eine

Enthauptung durch das Schwert.

ein helles Köpfchenauch: ein heller Kopf

ein kluger Mensch;

das Licht ist von jeher Sinnbild für Intelli genz und Schläue, der Kopf

wird als Pars pro Toto für den ganzen Menschen gebraucht.

es rollen Köpfees werden Leute wegen ihrer Fehler/Vergehen entlassen;

die Redewendung spielt auf die mittelalterliche Hinrichtungspraxis des

Köpfens an.

eine Kopfnussein Rätsel;

vergleicht ein schwieriges Rätsel oder eine zu lösende Aufgabe mit

einer hartschaligen Nuss, die der Kopf zu knacken hat; daher auch die

Wendung „ein Rätsel knacken“.

einen Korb bekommen

abgewiesen werden, mit einem Antrag keinen Erfolg haben;

aus dem Mittelalter: Ein übliches Ritual der Brautwerbung war das

Anrufen der betreffenden Dame vom Fuße des Wehrturmes aus, in

dem sich ihre Kammer befand. Meist ließ die Angebetete einen großen

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Korb an einem Seil herab, in den sich der Freier setzte, um von ihr (bzw.

eher ihren Dienern) nach oben gezogen zu werden. War der Freier

jedoch unliebsam, so erhielt auch er einen Korb – jedoch mit einem so

präparierten Boden, dass sich dieser während des Hochziehens löste

und der Ritter zu Boden stürzte. Eine andere Variante der Abweisung

bestand darin, den Korb mit dem Freier auf halber Höhe „ hängen zu

lassen“.

ein Korinthenkackerein extrem kleinlicher Mensch;

die Korinthe als Variante der Rosine steht für etwas Kleines, recht

Wertloses, das üblicherweise in großen Mengen vorhanden ist, sodass

nicht jedes einzelne Stück gezählt wird – außer von einem extremen

Pedanten.

jemanden aufs Korn nehmen

auch: etwas aufs Korn nehmen

jemanden/etwas aufmerksam beobachten oder mit Spott bedenken;

aus der Jägersprache: Auf dem Gewehrlauf sind Kimme (Visier) und

Korn befestigt. Wenn der Jäger zielt und feststellt, dass Kimme und

Korn genau eine auf das Ziel ausgerichtete Linie bilden, so hat er

etwas aufs Korn genommen. Dann kann er sicher sein, dass er das Ziel

trifft.

auf seine Kosten kommen

auch: auf seine Rechnung kommen

zufriedengestellt werden;

bezog sich ursprünglich ganz wörtlich auf die Rechnung, die der Wirt

oder Kaufmann bezahlt haben wollte.

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Man hat schon Pferde kotzen sehen!

Es sind schon unglaubliche Dinge passiert!

Pferde besitzen zwischen Speiseröhre und Magen einen starken

Schließmuskel, der verhindert, dass einmal Verschlucktes wieder

erbrochen werden kann. Aus diesem Grund sterben Pferde auch leicht

an einer Kolik, wenn sie verdorbenes oder falsches Futter erhalten.

Mit dem Ausspruch „Man hat schon Pferde kotzen sehen“ wird also

auf etwas faktisch Unmögliches verwiesen – das entgegen aller

Wahrscheinlichkeit doch schon passiert ist.

es platzt einem der Kragenman kann sehr wütend, zornig werden;

ähnlich der Redensart „einen dicken Hals bekommen“ spielt diese

Wendung auf die bei Zorn anschwellenden Halsadern an.

jemanden Kopf und Kragen kosten

seine (finanzielle) Existenzgrundlage in Gefahr bringen;

bedeutete ursprünglich „das Leben kosten“. Im sehr alten Stabreim

„Kopf und Kragen“ steht der Kragen als Synonym für den Hals.

jemandes Kragenweite sein

zu jemandem passen, jemandes Geschmack sein;

die passende Kragenweite ist schwer zu finden, damit der Kragen

weder die Atmung behindert noch zu weit ist; die Redewendung ist

dementsprechend noch nicht sehr alt, da Kragen früher nicht so eng

anliegend getragen wurden wie heute. Das früheste entsprechende

Modell ist der „Vatermörder“ aus dem späten 19. Jahrhundert.

nicht in den Kram passen

unpassend sein;

aus dem Althochdeutschen: Kram bzw. „cram“ meinte die Waren eines

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Händlers. Wenn also etwas nicht in den Kram passte, dann passte es im

ursprünglichen Sinne nicht in das Warensortiment eines Kaufmanns.

Daher kommen auch die Wörter Krämer und Krämerladen.

ins Kraut schießen

rasch zunehmen, besonders an Schlechtem;

aus der Botanik: Eine Pflanze, die ins Kraut schießt, vergeudet ihre

ganze Kraft bei der Produktion von Blättern und bildet nur wenige

Blüten, die später Früchte tragen können.

wie Kraut und Rüben

durcheinander, chaotisch;

Herkunft ungeklärt. Da (Sauer-)Kraut und Rüben weder zusammen

gegessen noch zusammen angebaut wurden, dürfte im Alltag

ein chaotisches Durcheinander von Kraut und Rüben selten

vorgekommen sein. Möglicherweise bezieht sich „Kraut“ auch auf die

Blätter der Karotte.

ein alter Krauterein alter Mann; jemand, der mit seiner Arbeit nicht vorwärtskommt;

früher übliche Bezeichnung der Gesellen für ihren Meister, der ihnen

Kost („Kraut“) gab.

ein kleiner Krauterkleiner Gewerbetreibender;

„Krauter“ nannten die Gesellen früher ihren Meister, weil er ihnen

„Kraut“, d. h. einfache Kost gab. Davon leitet sich die Bezeichnung

kleiner Krauter für einen Kleinunternehmer her.

bei jemandem in der Kreide stehen

jemandem etwas schulden, jemandem (wegen einer vorhergehenden

Leistung) verpflichtet sein;

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aus der Gastronomie: Früher wurde in Gasthäusern mit Kreide auf

einer großen Tafel vermerkt, welcher der Stammkunden anschreiben

ließ. Wer „in der Kreide“ stand, hatte also Schulden beim Wirt.

Kreide fressen

mit einer Maske der Sanftmut und Milde auftreten, die die eigentliche

Gefährlichkeit verdeckt;

aus dem Märchen: In „Der Wolf und die sieben Geißlein“ von den

Gebrüdern Grimm frisst der Wolf Kreide, um seine raue Stimme sanfter

klingen zu lassen.

mit schwarzer Kreide in den Schornstein schreiben

auch: mit (schwarzer) Kreide in den Rauchfang schreiben

etwas vergessen, verloren geben;

beschreibt eine Tätigkeit, die keinerlei Effekt erzielt, da schwarze Kreide

im verruß ten Rauchfang nicht sichtbar ist und auch etwas mit weißer

Kreide Geschriebenes schnell wieder zugerußt würde.

Krethi und Plethi

Gesindel, jeder Dahergelaufene;

aus der Bibel: Im 2. Buch Samuel (8,18) wird die Fremdenlegion König

Davids als „Krethi und Plethi“ benannt, ein Ausdruck, der eventuell

für die Kreter und die Philister steht. Möglich ist auch, dass es die

Lautschrift zweier hebräischer Wörter ist, die zusammengenommen

„Meuchelmörder“ bedeuten.

(vor jemandem) zu Kreuze kriechen

unterwürfig jemandem nachgeben;

aus dem Mittelalter: Von den Gläubigen verlangte die Kirche als

Zeichen der Buße am Gründonnerstag und am Karfreitag, auf den

Knien auf das Kreuz zuzukriechen.

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die Kirche ums Kreuz tragen

auch: mit der Kirche ums Kreuz gehen

etwas unnötig kompliziert durchführen;

bezieht sich, ähnlich wie „die Kirche ums Dorf tragen“, auf die in der

katholischen Kirche üblichen Prozessionen.

ein breites Kreuz haben

belastbar, nicht leicht unterzukriegen sein, einiges aushalten;

„Kreuz“ bezieht sich auf die kreuzförmige Anordnung von Wirbelsäule

und Schulter blättern im menschlichen Rücken. Wer „ein breites Kreuz“

hat, besitzt entweder einen stabilen Knochenbau oder eine gute

Muskulatur, sodass er sich auch schwere Lasten auf den Rücken laden

kann.

jemanden aufs Kreuz legen

jemanden hereinlegen, täuschen, belügen;

ursprünglich bezeichnete dieser Ausdruck das Hinwerfen des Gegners

im Ringkampf, wobei dieser mit dem Rücken („Kreuz“) auf dem Boden

aufschlug. Längere Zeit wurde die Redewendung auch im Sinne von

„jemanden niederwerfen, bezwingen“ verwendet, bevor sich die

Bedeutung zur heute üblichen wandelte.

sein Kreuz auf sich nehmen

auch: sein Kreuz tragen

bereitwillig sein Unglück annehmen;

aus der Bibel: Jesus musste das Kreuz, an das er geschlagen werden

sollte, erst zum Hinrichtungsort tragen und tat dies bereitwillig, da er

den Willen Gottes anerkannte. Später stand das „Kreuz“ allgemein für

jeden Kummer oder jede Last.

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ins Kreuzfeuer geraten

auch: im Kreuzfeuer (der Kritik) stehen

heftiger Kritik von mehreren Seiten ausgesetzt sein;

aus der Militärsprache: Kreuzfeuer ist eine militärische Taktik, nach

der Geschütze so aufgestellt werden, dass sich ihre Wirkungsbereiche

überlappen. Wer also im Kreuzfeuer steht, der fühlt sich so bedrängt

und unter Umständen sogar bedroht wie ein sich im Kreuzfeuer

befindlicher Soldat auf dem Schlachtfeld.

jemand kann einen mal kreuzweise„... am Arsch lecken“ endet die Redensart eigentlich; dies wird der

Höflichkeit halber meist weggelassen.

das Kriegsbeil begraben

Frieden schließen, einen Streit beenden;

bezieht sich auf den Brauch der nordamerikanischen Indianer,

zum Zeichen des Friedensschlusses symbolisch ein Kriegsbeil, ein

so genanntes Tomahawk, zu vergraben. Die auch im Englischen

bekannte Redensart („to bury the tomahawk“) findet sich ebenso

wie die umgekehrte Wendung „das Kriegsbeil ausgraben“ seit dem

19. Jahrhundert im Deutschen.

in voller Kriegsbemalungsich stark geschminkt präsentieren;

an der so genannten Kriegsbemalung erkannten Indianer

untereinander die Stammeszugehörigkeit sowie die Taten, die sie

vollbrachten. War jemand sorgfältig und in aller Ausführlichkeit mit

der Kriegsbemalung geschminkt, legte er besonders viel Wert auf die

Darstellung seiner Heldentaten. Das wirkte insbesondere in Kriegen

einschüchternd auf die Gegner. Heute werden mit dem Ausdruck eher

zu stark geschminkte Frauen lächerlich gemacht.

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mit einer Sache auf Kriegsfuß stehen

auch: mit jemandem auf Kriegsfuß stehen

einer Sache oder Person nicht gewachsen sein, mit jemandem

verfeindet sein;

„das Heer auf Kriegsfuß setzen“ bedeutete, es in Kriegsbereitschaft zu

versetzen. Das Wort entstand vermutlich während der napoleonischen

Kriege als Gegensatz zu „Friedensfuß“.

KrimskramsTrödel, Allerlei;

als Kram bezeichnete man früher die Waren eines Händlers. Der

lautmalerische Begriff Krimskrams entspricht also heute etwa den

Waren von einem „Grabbeltisch“.

an der Krippe sitzen

faul sein; eine Situation ausnutzen;

eine Krippe ist ein Futtertrog für Nutztiere. Die Tiere, die sich dauerhaft

direkt neben dem Trog niederlassen, sind derart faul und verfressen,

dass sie sich nicht einmal von ihrer Futterstelle fortbewegen wollen.

Darüber hinaus erschweren sie den Zugang für andere Tiere.

Krokodilstränen vergießen

große, aber nicht ernsthafte Tränen weinen; Trauer/Mitleid heucheln;

aus dem Tierreich: Kein Tier weint aus Trauer; auch die bei Krokodilen

zu sehenden Tränen entstehen nur durch großen Druck auf die

Tränendrüsen bei weit geöffnetem Maul. Bereits in der Antike ging

man aber davon aus, die Tiere würden den in ihrem Rachen steckenden

Beutetieren geheuchelte Mitleidstränen hinterherweinen.

reich wie Krösus sein

über unermesslichen Reichtum verfügen;

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aus der Antike: Krösus (ca. 595–546 v. Chr.) war der letzte König des

kleinasiatischen Lydien. Er war ein erfolgreicher Feldherr und konnte

von den eroberten griechischen Städten hohe Tributzahlungen

fordern – bald war sein Reichtum sagenhaft. Allerdings unterschlägt

die Redensart den schmählichen Verlust der Reichtümer Krösus’. Der

Überlieferung zufolgte weissagte ihm das Orakel von Delphi, wenn er

den Fluss Halys, die Grenze zum Perserreich, überschreite, werde er

ein großes Reich zerstören. Krösus deutete die Vorhersage in seinem

Sinne, doch als er die Perser angriff, erlitt er eine schwere Niederlage –

er hatte tatsächlich ein großes Reich zerstört, aber es war sein eigenes.

Wer eine Kröte fressen will, muss sie nicht lange besehen

man sollte unangenehme Aufgaben rasch hinter sich bringen;

die Kröte gilt als eines der abstoßendsten Tiere; jugendliche

Mutproben aber beinhal ten oft das Schlucken eines Frosches oder

einer kleinen Kröte, sodass man seinen Ekel nicht durch langes

Betrachten des Tieres noch steigern sollte.

krumme Sachen machen

Illegales tun, kleinere Verbrechen begehen;

ähnlich wie die „Schiefe“ wird auch die Krummheit einer Sache im

Volksglauben mit dem Teufel in Verbindung gebracht; schließlich ist

das Gesetz Gottes gerade und ordentlich.

die Krux sein

Das ist ja das Problem!

Eine verbreitete Redewendung lautet „es ist schon ein Kreuz mit ...“

und soll aussagen, dass es wirklich schwierig ist, mit einer bestimmten

Situation oder Person zurechtzukommen. Genau dasselbe beschreibt

auch diese Redewendung – jedoch wurde hier die lateinische Form

des Wortes „Kreuz“, nämlich Crux, gewählt.

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es gießt wie aus Kübelnes regnet stark;

vergleicht den steten Wassersturz mit den großen Wassermengen, die

sich aus einem umgekippten Kübel ergießen.

in Teufels Küche kommen

in Schwierigkeiten geraten;

aus dem Mittelalter: Die „Küche“ des Teufels ist die Hölle; der Begriff

wurde gewählt, da die Küche meist der wärmste Raum eines Hauses

war.

dort ist Schmalhans Küchenmeisteres gibt wenig zu essen, schlechte, knapp bemessene Kost;

aus dem 17. Jahrhundert: Früher glaubte man, vom Aussehen des

Kochs auf die Qualität der Speisen schließen zu können. Bei einem

wohlgenährten Küchenmeister erwartete man üppige Mahlzeiten,

bei einem schmalen Hans umgekehrt karge Kost. Der „Schmalhans“

ist jedoch nicht nur Personifizierung des Mangels, sondern bedeutete

auch Mäßigkeit.

Das mag der Kuckuck wissen!

Das weiß keiner! Ich weiß nicht!

Der Kuckuck wurde, vielleicht aufgrund seines dem Menschen brutal

erscheinenden Brutparasitismus, früher als ein Synonym für den Teufel

verwendet. Man scheute sich, den Namen des Leibhaftigen direkt

auszusprechen aus Furcht, ihn dadurch herbeizurufen. Die Wendung

heißt eigentlich also: „Weiß der Teufel!“

Hol`s der Kuckuck!

Verflucht!

Aus dem Mittelalter: Der Singvogel, eigent lich ein „Glücksbringer“, ist

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zugleich ein Synonym für den Teufel, den man in Flüchen lieber nicht

direkt anrufen will.

ein Kuckuckskindauch: Kuckucksei

das Kind eines Mannes, der nicht der leibliche Vater ist, dies aber nicht

weiß;

aus dem Tierreich: Die Redensart bezieht sich auf die Eigenart des

Kuckucks, seine Eier in fremde Nester zu legen und sie von anderen

Vögeln ausbrüten zu lassen.

die Kuh vom Eis holen

auch: die Kuh vom Eis kriegen; die Kuh vom Eis ziehen

jemanden aus einer schwierigen Situation retten, eine Lage

entschärfen;

aus der Landwirtschaft: Kühe rutschen mit ihren Klauen auf glatten

Flächen leicht aus. Wer daher eine Kuh vom Eis ziehen will, der hat

jede Menge Schwierigkeiten und ein gehöriges Stück Arbeit vor sich.

eine blöde Kuhauch: eine dumme Kuh

eine dumme oder unsympathische weibliche Person;

die Mär von der angeblichen Dummheit von „Rindviechern“ ist

wissenschaftlich nicht nachweisbar. Sie ist wohl u. a. auf ihre großen

„Glubschaugen“ zurückzuführen, die die gutmütigen Tiere naiv wirken

lassen.

eine heilige Kuh schlachten

Tabus brechen, Privilegien antasten;

das Rind als Lieferant von Nahrung und Kleidung, als Zugtier und

Energiespender genoss in der Vorzeit große Verehrung und wurde

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oft kultisch verehrt. Im Hinduismus gelten Kühe bis heute als heilige

Tiere, deren Tötung undenkbar ist. Wer redensartlich eine heilige Kuh

schlachtet, der tut etwas bis dahin Undenkbares.

einen Kuhhandel machen

einen für einen der Partner nachteiligen Tausch machen;

wurde entweder aus dem Grimmschen Märchen „Hans im Glück“

abgeleitet, in dem Hans sein Pferd gegen eine wertlosere Kuh

eintauscht, oder bezieht sich allgemein auf den Handel mit Kühen, bei

dem stets versucht wird, den Handelspartner zu übervorteilen.

ein Kurpfuscher(kein ausgebildeter Arzt sein und) unsachgemäße Heilbehandlungen

durchführen;

eine von zahlreichen abwertenden Bezeichnungen für den Arzt; geht

auf das Mittelalter zurück, als die Ausübung ärztlicher Tätigkeiten noch

nicht geregelt war.

einen Kurschatten haben

während eines Kuraufenthaltes eine Affäre mit einem anderen Kurgast

haben;

bezieht sich darauf, dass der Liebhaber einem während der Zeit der

Kur „wie ein Schatten“ folgt.

den Kürzeren ziehen

Pech haben, ins Hintertreffen geraten, im Nachteil sein;

die Redewendung stammt von einer Variante des Auslosens, die früher

sehr verbreitet war. Dabei werden unterschiedlich lange Holzstücke

so in der Hand gehalten, dass der sichtbare Teil bei allen gleich lang

ist. Nun muss jeder Mitspieler eines der Stücke auswählen. Wer das

kürzeste ausgesucht hat, hat verloren.

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ein langer Laban sein

ein besonders großer, meist hagerer und träger Mann (abwertend

oder scherzhaft);

aus der Bibel: Laban wird in der Bibel (1. Mose 29) als Schwiegervater

Jakobs vorgestellt; allerdings wird ihm hier keine besondere

Körpergröße zugeschrieben. Seit dem 16. Jahrhundert ist diese

Bezeichnung für einen besonders großen Kerl belegt. Da der Ausdruck

zu dieser Zeit nur im schlesischen Raum zu finden war, ist auch ein

Bezug zur schlesischen Stadt Laband möglich. Außerdem könnte der

Ausdruck aus dem früher zu findenden „Langer Labommel“ (über

Labammel, Labander) entstanden sein.

sardonisches Lachenhöhnisches Lachen/Grinsen;

seit Ende des 12. Jahrhunderts im deutschen Sprachraum belegt:

Dieser bereits im Lateinischen und Altgriechischen belegte Ausdruck

bezeichnete nicht die Insel Sardinien (in der Antike „Sardo“), sondern

stammt vom altgriechischen Wort „sairein“ (grinsen). Später entstand

aller dings das Gerücht einer auf Sardinien wachsenden Giftpflanze,

deren Genuss zu Krämpfen der Gesichtsmuskulatur führe – die

zuweilen einem teuflischen Grinsen glichen. Dementsprechend wird

mit „sardoni schem Lachen“ heute in der Medizin eine Gesichtsstarre

bezeichnet. Auf der anderen Seite entstand im Volksmund auch der

Ausdruck „sardonischer Spott“ für die Verhöhnung von jemandem, die

dem Spottenden Grund für ein sardonisches Lachen bietet.

sich zu Tode lachenetwas urkomisch finden;

aus dem Mittelalter: Angeblich war Lachen eine Foltermethode, bei

deren Anwendung immer wieder Delinquenten zu Tode gebracht

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wurden. Dazu wurden die Füße des mutmaßlichen Straftäters mit

Salz eingerieben und Ziegen leckten gierig daran. Diese Erklärung ist

jedoch auch aufgrund des hohen Preises für das „weiße Gold“ eher

unwahrscheinlich.

der Lack ist ab

etwas ist nicht mehr neu;

bezieht sich auf abblätternde Farbe bzw. durch Verschleiß

aufgetretene Schäden in der Lackierung; die Redewendung wird

scherzhaft auch auf ältere Menschen angewendet.

Fertig ist der Lack!

Ausruf bei Fertigstellung einer minderwertigen, nachlässig gefertigten

Sache;

das Lackieren hinterlässt eine glänzende Schicht auf einem Werkstück

und überdeckt so Fertigungsmängel.

der Lackierte sein

der Betrogene sein;

gemeint ist hier nicht, dass ein Mensch mit Lack angestrichen wurde,

sondern dass er auf den glänzenden und neuwertigen Lack einer alten

oder wertlosen Sache hereinfiel und für diese Geld ausgab.

etwas auf Lager haben

etwas parat haben; intelligent sein;

aus der Kaufmannssprache: Die Wendung ist bis heute auch in der

ursprünglichen Bedeutung „etwas vorrätig haben“ gebräuchlich. Sie

wurde von Waren auf Personen übertragen, so erkärt etwa Bismarck,

man habe „einen Finanzminister nicht fertig auf Lager“. Erst im 20.

Jahrhundert wird die Wendung ähnlich wie „etwas auf der Pfanne

haben“ für Intelligenz gebraucht.

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ein blutiger Laieein absoluter Neuling;

leitet sich von der Redensart „Blut lecken“ her. Der blutige Anfänger ist

eben dabei, sich für eine Sache begeistern zu lassen.

viel Lametta auf der Brust haben

sich viel Ruhm erworben haben, viele Orden tragen;

aus dem Ersten Weltkrieg: „Lametta“ ist eine Variante des scherzhaften

Ausspruchs „Christbaumschmuck tragen“ für das öffentliche

Zurschaustellen der erhaltenen Orden. Die Verbindung zum

Christbaumschmuck bzw. Lametta ist das Glänzen und der Ziereffekt

von Orden.

lammfromm sein

vollkommen harmlos sein;

aus der Bibel abgeleitet: Diese Redewendung vom „frommen Lamm“

bezieht sich auf Johannes 1,29: „Am nächsten Tag sieht Johannes, daß

Jesus zu ihm kommt, und spricht: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der

Welt Sünde trägt!“

das Land, wo die Zitronen blühn

Bezeichnung für Italien;

aus der Literatur: Mignon, eine Kindfrau in Goethes Roman „Wilhelm

Meisters Lehrjahre“, fragt: „Kennst du das Land, wo die Zitronen

blühn?“, und möchte in Wilhelm so die Sehnsucht nach Italien wecken.

es ist Land in Sicht

es gibt Hoffnung;

aus der Seefahrt: Zur Zeit der großen Segel schifffahrten bedeutete

„Land in Sicht“ nach Wochen und Monaten auf See – oft mit

unzureichender Verpflegung – den „Himmel auf Erden“.

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etwas an Land ziehen

einen Auftrag erhalten, einen Vorteil bei einem Handel erlangen;

aus dem Rechtswesen: Gemäß dem so genannten Strandrecht

gehörte angespültes Strandgut von gekenterten Schiffen dem

Finder, also meist den Küstenanwohnern. Da diese zusätzliche

Einnahmequelle von großer Bedeutung war, kam es schon vor, dass

man dem Zufall nachhalf und im Meer treibende Güter „an Land zog“.

Die Redensart könnte aber auch aus der Fischerei stammen und eine

Verkürzung von „einen dicken Fisch an Land ziehen“ sein.

eine Landpomeranze sein

ein naives Mädchen vom Land;

aus einem Märchen: Eine Pomeranze ist eine Zitruspflanze, die einer

kleinen Orange ähnlich sieht; ihre bittere Schale wird zu Zitronat

verarbeitet. Einem Tiroler Märchen zufolge weigerte sich der Sohn

eines reichen Grafen, eine Frau zu ehelichen, die von einer Frau zur Welt

gebracht wurde. Schließlich fand er eine anmutige Jungfrau, die nicht

von einer Mutter geboren, sondern einer Pomeranze entstiegen war.

Leider war sie ebenso naiv, wie sie schön war. Dennoch verliebte sich

der Grafensohn, und die beiden konnten – nach einigen Wirrungen –

gemeinsam glücklich werden.

jemanden zu Tode langweilenjemanden extrem langweilen;

hyperbolische Redewendung; bezeichnet eine Sache oder Person,

die so langweilig ist, dass man lieber sterben würde, als sie weiter zu

ertragen.

für jemanden eine Lanze brechen

sich für jemanden einsetzen, jemanden mit allen Möglichkeiten

unterstützen;

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aus dem Mittelalter: Die Lanze war die Waffe der Wahl auf

mittelalterlichen Ritter turnieren; mit ihr musste der Gegner in vollem

Galopp aus dem Sattel gestoßen werden. Geschah dies mit großer

Kraft, was auf Können und Erfahrung hinwies, so zersplitterte die

Lanze zuweilen sogar. Wenn man „für jemanden eine Lanze brach“, so

setzte man für ihn (oder meistens sie) all seine Kraft im Wettkampf ein.

mit jemandem eine Lanze brechen

sich mit jemandem streiten, einen Kampf austragen;

aus dem Mittelalter, leitet sich wie „für jemanden eine Lanze brechen“ vom

mittelalterlichen Ritterturnier her. Nach einer anderen Erklärung geht die

Redensart auf einen Terminus der antiken Rhetorik zurück. „Primas iactare

hastas“ (die ersten Lanzen werfen) bedeutete, nach einer gemäßigten

Einleitung die ersten schlagkräftigen Argumente vorzubringen.

durch die Lappen gehen

entgehen, etwas verpassen;

aus der Jägersprache: Bei der so genannten Lappjagd wird das

Wild zusammengetrie ben, indem die Fluchtwege durch mit Stoff-

tüchern behängten Seilen versperrt werden. Die Tiere halten diese

für massive Begrenzungen. Zuweilen versucht aber ein Wildtier in

seiner Panik, durch diese scheinbaren Mauern zu brechen, und hat

damit selbstverständlich Erfolg. Dieses eine Tier ist den Jägern damit

zwischen den Tüchern, d. h. den Lappen, entkommen.

jemandem etwas zur Last legen

jemanden einer Sache beschuldigen;

bezieht sich vermutlich auf die Belastung eines Kontos, also die

Schulden einer Person. Jemand, der sich etwas „zur Last legen“ lassen

muss, befindet sich im Minus, in der Schuldigkeit gegenüber dem

Recht oder der Gesellschaft.

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ein Latrinengerüchtauch: eine Latrinenparole

Gerüchte, die auf Gesprächen auf dem „stillen Örtchen“ beruhen;

aus der Soldatensprache: In Kasernen oder anderen Unterkünften war

die Sickergrube oder auch Latrine der einzige Ort, an dem sich alle

Mannschaftsgrade trafen.

jemandem etwas vor den Latz knallen

auch: jemandem etwas vor den Latz hauen

jemandem etwas sehr deutlich, verletzend, belehrend sagen;

seit Anfang des 20. Jahrhunderts belegt: Ein Latz ist nicht nur ein Tuch,

das die herunterfallenden Stücke des noch nicht ordentlich essenden

Babys auffängt, sondern generell der Brustteil einer Kleidung,

insbesondere des Herrenhemdes.

Fertig ist die Laube!

Ausruf bei Fertigstellung einer minderwertigen, provisorisch oder

nachlässig gefertigten Sache;

aus Berlin: Diese Redewendung ist in ihrer Bedeutung identisch mit

dem Ausdruck „Fertig ist der Lack!“; gemeint ist eine Gartenlaube,

die nicht besonders schön sein muss, sondern nur rasch aus einigen

Bretterresten gezimmert wird.

auf der Lauer liegen

auch: sich auf die Lauer legen

versteckt auf jemanden/etwas warten;

aus der Jägersprache: Die Substantivierung des Verbs „lauern“, das „in

einem Hinterhalt warten“ bedeutet, ist heute so gut wie ausgestorben,

nur in dieser Wendung, die sich ursprünglich auf den in seinem

Versteck lauernden Jäger bezog, ist sie noch geläufig.

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sich wie ein Lauffeuer verbreiten

sich rasch verbreiten, schnell allgemein bekannt werden;

ein „Lauffeuer“ ist ein Bodenbrand, der sich auf sehr trockenem Gras,

Laub und Ähnlichem rasch vorwärtsbewegt und in kurzer Zeit große

Flächen vernichtet.

jemandem den Laufpass geben

jemanden wegschicken, eine (Liebes-)Beziehung beenden;

im Militärwesen des 18. Jahrhunderts war der Lauf pass die amtliche

Bescheinigung, die dem Soldaten seine Entlassung bestätigte und mit

der er nach weisen konnte, dass er nicht dersertiert war.

sich eine Laus in den Pelz setzen

jemanden bei sich aufnehmen, der einem später schadet;

aus dem Tierreich: Die blutsaugende Laus ist ein äußerst

unangenehmer und sich rasch vermehrender Schmarotzer; nur wer sie

nicht kennt, wird sie sich freiwillig „in den Pelz“ setzen.

Was ist dir denn für eine Laus über die Leber gelaufen?

warum denn so schlecht gelaunt?

Aus dem Mittelalter: Von jeher gilt die Leber als das wichtigste „Wut-

Organ“; der Sitz und Ursprung dieser Emotion wurde in der Leber

vermutet. Wenn jemand also schlechte Laune hat, muss dies an

seiner Leber liegen. Die „Laus“, die über das Organ läuft, ist erst später

hinzugekommen als Symbol für etwas eigentlich viel zu Win ziges, als

dass man gleich mit schlechter Stimmung reagieren müsste.

ein Lausbubein freches Kind;

aus der Liturgie: Lausbube war ursprünglich die Bezeichnung für

Ministranten. Als die katholische Messe noch auf Lateinisch gelesen

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wurde, lautete der Liturgieteil für die Ministranten „Laus tibi Christe“

(Lob dir, Christus).

etwas läuten hören

er hat davon gehört, aus den Gesprächen anderer vernommen;

diese Redewendung geht vermutlich wie „etwas an die große Glocke

hängen“ auf die Verwendung der Kirchenglocken als Alarm- oder

Rufton für die Gemeinde zurück. Das früher meist hinzugesetzte „[...]

aber nicht wissen, wo die Glocken sind“ verweist auf die ungefähre

Kenntnis von einem Ereignis, das man aber noch nicht genau

zuordnen kann.

sein Leben in die Schanze schlagen

sein Leben auf Spiel setzen;

bezieht sich auf den aus dem Französi schen übernommenen,

früher nur bei Kartenspielen üblichen Ausdruck Chance für „gute

Möglichkeit“. Da bei einem Kartenspiel eine Möglichkeit nicht

zwangsläufig zum Sieg führen muss, stellte sie immer auch ein großes

Risiko dar.

es von den Lebendigen nehmen

auch: es von den Lebenden nehmen

von jedem/für alles rücksichtslos Geld verlangen;

auch mit dem Zusatz „weil die Toten nichts mehr geben“; zeigt aber

auch die Unterschiedslosigkeit, mit der jemand andere um ihr Geld

bringt, denn lebendig ist jeder Mensch, der Geld besitzt.

jemandem den Lebensfaden abschneiden

jemanden töten bzw. zugrunde richten

aus dem Altertum: In der germanischen und der griechischen

Mythologie gibt es Schicksalsgöttinnen, die am Lebensfaden des

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Menschen spinnen. In der griechischen Mythologie ist es Atropos

(die Unabwendbare), die den Lebensfaden abschneidet, den ihre

Schwestern Klotho und Lachesis gesponnen bzw. abgemessen haben.

eine spartanische Lebensweiseeine genügsame, einfache, anspruchslose Lebensweise;

aus dem Griechischen, abgeleitet von der ungewöhnlich harten

Erziehung der Bewohner Spartas. Junge Spartaner kamen mit

sieben Jahren in staatliche Obhut und wurden zu Gehorsam und in

der Kriegskunst erzogen. Die Redensart ist im Deutschen ab dem

17. Jahrhundert belegt.

frei von der Leber weg sprechen

ohne Zurückhaltung das aussprechen, was man denkt;

aus dem Mittelalter: Die Leber galt von jeher als der Sitz der Lebenskraft

und bestimmter Gefühlsregungen, v. a. des Zorns (ähnlich die Galle).

Wenn jemand kein Blatt vor den Mund nimmt, so redet er sich den

in Form schädlicher Säfte mani festierten Zorn von der Leber und ist

danach befreit.

die beleidigte Leberwurst spielen

gekränkt sein, schmollen;

aus dem Altertum: Damals galt die Leber als Ort aller

Gemütsregungen; war man ärgerlich, dann hatte man eine beleidigte

Leber. Eine andere lustige Geschichte berichtet, wie einmal eine

Leberwurst vor Wut platzte, weil der Metzger die Blutwürste vor ihr

aus dem Wasser nahm – sie war eine sehr beleidigte Leberwurst!

jemandem ans Leder wollen

jemandem etwas antun wollen;

das „Leder“ steht in dieser Redewendung für die Haut des Menschen,

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die einmal „gegerbt“ (verprügelt) werden müsste.

„Wenn ich ihm nicht Leib und Seele breiweich zusammen dresche, alle

zehn Gebote und alle sieben Bitten im Vater unser, und alle Bücher

Mosis und der Propheten aufs Leder schreibe, dass man die blauen

Flecken bei der Auferstehung der Toten noch sehen soll.“ (Friedrich

Schiller, Kabale und Liebe)

vom Leder ziehen

sich negativ über jemanden äußern, ihn scharf kritisieren; prahlen,

angeben;

aus dem 16. Jahrhundert: Ursprünglich wurde nichts „vom“, sondern

„aus dem Leder“ gezogen, nämlich der Degen aus der ledernen

Scheide. In vielen Situationen reichte es dem Träger, wenn er für

den anderen sichtbar zum Degenheft griff oder die Waffe einige

Handbreit aus der Scheide zog. War es tatsächlich nötig, den Degen

blankzuziehen, so lag meist ein trifti ger Grund vor. Wenn jemand

heute über eine andere Person „vom Leder zieht“, so meint er

zumindest stets, einen wirklich bedeutenden Grund dafür zu haben.

es herrscht gähnende Leerees ist niemand da;

die so bezeichnete Leere (Unbelebtheit) eines Ortes ist so langweilig,

dass man zu gähnen beginnt.

Lehrgeld zahlen müssen

aus Schaden lernen;

seit dem 16. Jahrhundert: Früher war kein Lehrlingsgehalt üblich,

sondern der Meister wurde umgekehrt von den Eltern für die

Ausbildung des Lehrlings bezahlt – eine Investition, die sich später

auszahlte.

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jemandem zu Leibe rücken

sich jemandem bedrohlich nähern;

stammt wohl aus dem Zweikampf oder dem Fechtsport.

Leichen im Keller haben

etwas zu verbergen haben;

die „Leiche“ steht für jede unangenehme Wahrheit oder jedes

Vergehen, das man früher einmal begangen hat und im Verborgenen

– also im Keller, den kein Fremder normalerweise betritt – verwahrt

wissen möchte.

die alte Leierimmer wieder dasselbe, eine ewige Wieder holung;

mit „Leier“ wird ein altes Kurbelinstrument bezeichnet, das auf das

Drehen der Kurbel hin eine vorher festgelegte und nicht abänderbare

Melodie abspielt – wieder und wieder.

aus dem Leim gehen

kaputtgehen oder sein; dick werden;

„aus dem Leim“ gehen v. a. Bücher, deren Rücken früher geleimt

wurde. Inzwischen wird diese Redewendung nicht nur für jeglichen

anderen Gegenstand, der kaputtgeht verwendet, sondern auch für

Menschen, die stark zugenommen haben.

jemandem auf den Leim gehen

sich täuschen lassen;

aus der Vogeljagd: Eine früher weit verbreitete Art der Vogeljagd war

das Auslegen von Leimruten. Die Tiere ließen sich auf den an den

bevorzugten Rastplätzen ausgelegten und mit Leim bestrichenen

Stäbchen nieder und klebten fest. Diese schon im Mittelalter bekannte

Jagdmethode wird in südlichen Ländern z. T. bis heute angewendet.

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sich leimen lassen

sich betrügen/täuschen lassen;

aus der Jägersprache: Ursprünglich geht dieses Sprichwort auf den

Vogelfang mit Leimruten zurück. Hierbei werden kleine Ruten mit

Leim beschmiert und in Büschen platziert. Wenn der Vogel wegfliegen

will, bleibt er an dem Leim kleben. Heute ist diese Fangmethode in

Deutschland verboten.

jemanden an der kurzen Leine führen

jemandem keine Freiheiten zugestehen;

diese Redewendung stellt eine Steigerung von „jemanden an

die Leine legen“ dar: Die besagte Person wird nicht nur unter

Kontrolle gebracht, ihr werden jegliche Freiheiten und alle eigenen

Entscheidungen untersagt.

Leine ziehen

verschwinden, weglaufen;

aus der Schifffahrt: Diese Redewendung bezieht sich auf die Zugleine,

mit der Schiffe flussaufwärts getreidelt wurden; wenn jemand „Leine

zog“, war dies also durchaus von Vorteil, weil man so vorwärtskam.

alles über einen Leisten schlagen

alles gleichmachen, nach dem gleichen Maßstab beurteilen;

der Leisten des Schusters bestimmt die Form der hergestellten

Schuhe. Wenn alle Schuhe mit demselben Leisten produziert werden,

sind also alle vollkommen einheitlich – und unbrauchbar.

sich einen schönen Lenz machen

sich das Leben bequem machen;

aus dem 16. Jahrhundert: Die Redensart hat nicht mit dem Frühling

zu tun, sondern geht wohl auf die Abkürzung des Vornamens Lorenz

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zurück, der im 16. Jahrhundert weit verbreitet war. Der „faule Lenz“

wurde zum Synonym für den Faulenzer oder Nichtstuer.

jemandem die Leviten lesen

jemanden scharf tadeln oder rügen;

aus der Bibel: Die Leviten, benannt nach ihrem Stammvater Levi,

waren einer der zwölf Stämme Israels und für die Einhaltung der

Gesetze zuständig. Das 3. Buch Mose, Leviticus, ist nach ihnen

benannt. Es enthält hauptsächlich Gesetze und Vorschriften, und Teile

davon, insbesondere das 26. Kapitel, wurden im Mittelalter häufig im

Rahmen von Strafpredigten zitiert, d. h. gelesen.

grünes Licht haben/kriegen

die Erlaubnis für etwas erhalten;

aus dem 20. Jahrhundert: bezieht sich auf die seit der Verbreitung

von Zügen und später Autos übliche Ampelfarbe Grün als Signal

„Weiterfahren erlaubt“.

jemandem das Licht ausknipsen

jemanden umbringen;

moderne Weiterentwicklung der Redensart „jemandem das (Lebens-)

Licht ausblasen“, die das Leben eines Menschen wegen seiner

Vergänglichkeit mit einer Kerzenflamme vergleicht.

jemandem geht ein Licht auf

er hat etwas verstanden;

aus der Bibel: Schon im Alten Testament wird die Wendung im

übertragenen Sinne verwendet, so in den Psalmen (97,11): „Dem

Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen und Freude den

frommen Herzen.“

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jemandem Licht ans Fahrrad machen

jemanden zurechtweisen; jemandem den richtigen Weg zeigen;

letztendlich beschreibt diese Redensart dasselbe wie die wesentlich

ältere Wendung „jemandem ein Licht aufstecken“. Durch die

Beleuchtung, die man jemandem verschafft, sieht dieser den Weg

oder eine Sache deutlicher.

jemanden hinters Licht führen

jemanden täuschen, in die Irre führen;

bringt man jemanden „hinter“ eine Lichtquelle, so befindet sich diese

zwischen ihm und dem Gegenstand, den er in ihrem Lichte betrachten

wollte. Er kann sich also kein realistisches Bild von der jeweiligen

Sache machen, da er zudem durch das Licht geblendet wird.

Licht am Horizont sehen

auch: Licht am Ende des Tunnels sehen

erste Zeichen einer Verbesserung feststellen, wieder Hoffnung

schöpfen;

Licht am Horizont kündigt den Tagesanbruch an, was nach einer

finsteren, kalten Nacht durchaus ein Anlass zur Hoffnung ist.

sein Licht unter den Scheffel stellen

sich selbst als geringer darstellen, als man ist; überbescheiden sein;

„Licht“ steht in Redewendungen häufig für die geistigen Kapazitäten

eines Menschen; wenn man es unter den Scheffel, einen Bottich, stellt,

so wird es gedimmt und wirkt weniger hell.

Das ist verlorene Liebesmühdas ist ein vergeblicher Versuch, da ist nichts zu machen;

nach dem Titel eines Dramas von William Shakespeare, erstmals

veröffentlicht 1598, das im Englischen den Titel „Love’s Labour’s Lost“

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trägt und in der deutschen Übersetzung „Liebes Lust und Leid“ oder

eben „Verlorene Liebesmüh“ heißt.

jemanden linkenjemanden täuschen, betrügen;

die linke Seite ist von jeher und in vielen Kulturen die schlechte oder

gar unreine Seite. Wenn man jemanden „linkt“, schickt man ihn an die

linke Seite, was die Über legenheit des rechts Stehenden anzeigt.

etwas mit links machen

etwas ganz leicht können;

die linke Seite gilt allgemein als die „schlechte“, weniger geschickte;

wenn man etwas sogar mit links vollbringen kann, muss es also

wirklich einfach sein.

jemanden links liegen lassen

jemanden nicht beachten;

im Rang Gleichgestellte durften sich früher an der rechten Seite einer

Person aufhalten; Untergebene gingen links von ihm. Diese verdienten

kaum Beachtung.

eine dicke Lippe riskieren

vorlaut, frech sein; angeben;

Diese sehr junge Redensart bezieht sich auf die „dicke“, d. h.

angeschwollene Lippe, wenn jemand das „Großmaul“ für seine

Frechheit geschlagen hat.

ein Lippenbekenntniseine Äußerung/ein Versprechen ohne innere Überzeugung;

geheucheltes Bekenntnis;

spielt darauf an, dass ein Bekenntnis tatsächlich nur von den Lippen,

die es formulieren, und nicht aus dem Herzen des Sprechers kommt.

Page 365: Reden Sar Ten 101210

365

ein Loblied auf jemanden singen

auch: ein Loblied auf jemanden anstimmen

jemanden sehr loben;

aus der Liturgie: Das Lob Gottes in der katholischen Messfeier wird oft

in Form eines Liedes angestimmt.

aus dem letzten Loch pfeifen

in sehr schlechter (v. a. gesundheitlicher) Verfassung sein (bei

Personen);

aus der Musik: Diese Redewendung bezieht sich auf die Tonlöcher von

Blasinstru menten, insbesondere vermutlich der Block flöte. Bei ihr wird

durch Schließen aller Grifflöcher der Grundton erzeugt; das Offenlassen

aller Löcher erzeugt einen eher unangenehm hohen, fast schrillen Ton –

den derjenige erzeugt, der keine Kraft mehr hat, die Finger richtig zu

platzieren.

ein Loch in die Kasse reißen

auch: ein Loch in das Portemonnaie reißen

aus dem Mittelalter: Diebe rissen in frü he ren Zeiten, als der Geldbeutel

wirklich noch ein solcher war, ein Loch hinein und brauchten dann nur

noch die heraus fallenden Münzen einzusammeln.

in ein schwarzes Loch fallen

depressiv werden, ein schlimmes Ereignis nicht verkraften;

aus der Astronomie: Als „schwarzes Loch“ bezeichnet man ein

astronomisches Objekt, das Licht und Materie seiner Umgebung

regelrecht verschluckt.

jemandem zeigen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat

jemanden des Raumes verweisen;

aus dem Mittelalter: euphemistische Beschreibung für den Hinauswurf

Page 366: Reden Sar Ten 101210

366

einer unliebsamen Person aus den eigenen vier Wänden. Bezieht sich

auf Fachwerkbauten, in denen der Zimmermann, nicht wie heute der

Maurer, das Loch für die Tür ließ.

jemanden ein Loch in den Bauch fragen

jemanden pausenlos fragen;

scherzhafte Wendung, die sich auf „nervtötende“ Fragerei bezieht, die

für den Betroffenen so schmerzhaft ist wie ein Loch im Bauch.

jemanden ins Loch stecken

auch: jemanden einlochen

jemanden ins Gefängnis bringen;

aus dem Mittelalter: bezieht sich auf das so genannte „Hundeloch“,

den Zwinger für eingefangene Hunde, das gelegentlich auch als

Gefängnis für Menschen diente.

sich ein Loch in den Bauch ärgern

sich sehr ärgern;

diese Redewendung beruht auf der sehr alten Beobachtung, dass

starker Ärger Magenschmerzen – im schlimmsten Fall sogar ein

Magengeschwür – verursachen kann.

jemanden löchernjemanden ausfragen;

bezieht sich wie die Wendung „jemanden ein Loch in den Bauch

fragen“ auf anhaltende, „nervtötende“ Fragerei.

nicht lockerlassennicht aufgeben, hartnäckig bleiben;

aus dem 19. Jahrhundert: geht zurück auf das Nach- bzw. Lockerlassen

der Zügel beim Reiten oder bei einem Pferdegespann.

Page 367: Reden Sar Ten 101210

367

den Löffel abgeben

sterben;

aus dem Mittelalter: Früher war es in ärme ren Familien üblich, dass

aufgrund des Man gels an Geschirr ein Topf (meist mit Brei gefüllt) in

der Mitte des Tisches stand, aus dem sich jeder von seinem Platz aus

bediente. Dafür benötigte man einen Löffel – und da dies das einzige

„eigene“ Geschirr war, wurde dieser gehütet, denn ohne ihn hätte man

an den Mahlzeiten gar nicht mehr teilnehmen können. Gab man diesen

Löffel ab, so war die Zeit der Nahrungsaufnahme – und damit das Leben

– zu Ende.

die Löffel aufsperren

gut, aufmerksam zuhören;

aus der Jägersprache: Der Jäger bezeichnet die Ohren des Hasen

aufgrund ihrer länglichen Form als Löffel.

jemanden über den Löffel balbieren

jemanden betrügen;

aus dem 17. Jahrhundert: Bei älteren oder sehr mageren Männern

behalf sich der Barbier früher, indem er sie einen Löffel in den

Mund nehmen ließ, der die Wange nach außen wölbte. Damit

war ein Rasieren leicht und schnell möglich. Die ursprüngliche

Bedeutung „nicht viel Umstände betreiben; jemandem leichte

Unannehmlichkeiten bereiten, um schneller zum Ziel zu kommen“

wandelte sich erst später zum heutigen „jemanden betrügen“.

mit einem goldenen Löffel geboren worden sein

alles ohne Anstrengung erhalten haben, aus reicher Familie stammen;

„goldene Löffel“ sind wie alles aus diesem Edelmetall von jeher ein

Zeichen für Reichtum, zumal das Gold hier für einen so alltäglichen

Gebrauchsgegenstand wie Besteck verwendet wird. Wer bereits

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in der Wiege mit goldenen Löffeln gefüttert wird und diese in den

Mund nimmt, der hat wirklich Glück – dessen Eltern sind nämlich

offensichtlich sehr reich.

silberne Löffel stehlen

sich einer Sache schuldig machen;

diese Redewendung mit heute sehr allgemeiner Bedeutung bezog

sich ursprünglich auf das „Standardvergehen“ von Haus angestellten,

das Stehlen wertvollen Bestecks.

in Lohn und Brot stehen

mit der Arbeit für jemanden seinen Lebens unterhalt verdienen;

diese Redewendung beschreibt eine Situation mit zwei Worten: Brot

ist eines der wichtigsten Lebensmittel und steht daher symbolisch für

die finanziellen Kapazitäten, sich mit allen wichtigen Nahrungsmitteln

zu versorgen.

ein Lokalmatadorjemand, der nur in seiner Gegend, dort aber sehr berühmt ist;

spielt auf die Bekanntheit einzelner spanischer Stierkämpfer

(Matadore) an, die in ihrem Dorf wie Helden gefeiert werden.

sich auf seinen Lorbeeren ausruhen

nach einem Erfolg die Motivation verlieren;

aus dem Altertum: In der Antike wurde Siegern ein Lorbeerkranz

aufgesetzt – keineswegs als Aufforderung, in Zukunft nicht mehr nach

Höherem, nach Verbesserung zu streben.

im Lot sein

in Ordnung sein;

aus dem Handwerk: Gemeint ist das Senklot (oder -blei) des Maurers, mit

dem die exakte senkrechte Ausrichtung einer Wand überprüft wird.

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den Löwenanteil bekommen

auch: den Löwenanteil einheimsen

den Hauptteil, den größten Anteil bekommen;

aus dem Altertum: Die Redensart geht auf eine Fabel des

griechischen Dichters Aesop aus dem 6. Jahrhundert v. Chr. zurück:

Ein Löwe, ein Fuchs und ein Esel gehen gemeinsam auf die Jagd.

Als es ans Verteilen der Beute geht, macht der Esel drei gleich

große Haufen. Da zerreißt ihn der Löwe, fügt ihn der Beute hinzu

und fordert den Fuchs auf, erneut zu teilen. Der aber hat aus dem

Schicksal des Esels gelernt und fordert nur einen ganz kleinen Anteil.

Augen wie ein Luchs haben

auch: Ohren wie ein Luchs haben

sehr scharfsichtig sein, sehr gute Augen/Ohren haben;

dem katzenartigen Raubtier, das einen auffälligen Backenbart trägt

und auch in Eurasien beheimatet ist, wurden bereits in der Antike

außergewöhnlich gute Augen (und zuweilen Ohren) nachgesagt.

ein Luder sein

eine verrufene, verruchte Frau;

aus der Jägersprache: So nannte man stinkendes, halb verwestes

Fleisch, das der Jäger früher am Luderplatz ausgelegt hat, um Bären

und Wölfe anzulocken – daher auch die Redensart „Schindluder mit

jemandem treiben“.

dicke Luft herrschen

auch: dicke Luft sein

Streit herrscht/droht;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Vermutlich geht diese Redewendung

auf die eigen tümliche Stimmung vor einem Gewitter zurück, bei der

die windstille, feuchtwarme Luft oft „dicker“ wirkt als sonst.

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Die Luft ist rein!

auch: Die Luft ist sauber!

es ist nichts zu befürchten;

aus der Gaunersprache: Wenn die Luft rein ist, ist niemand anwesend,

der die Ausführung eines (kriminellen) Vorhabens behindern könnte.

„Als der Hase merkte, dass die Luft rein war, sprang er zum Schloß

hinein und gerade zur Königstochter, setzte sich unter ihren Stuhl und

kratzte sie am Fuß.“ (aus dem Märchen „Die zwei Brüder“ der Gebrüder

Grimm)

Die Luft wird dünn

eine Situation wird schwierig;

„dünn“ wird die Luft in großer Höhe, also beim Besteigen eines Berges.

Diese anstrengende und riskante Tätigkeit wird dank des geringeren

Sauerstoffgehaltes der Luft noch schwieriger.

Es brennt die Luftes herrscht große Spannung; es gibt Ärger;

da die Luft alle Personen, die an einem Ort versammelt sind, umgibt

und damit „verbindet“, steht sie symbolisch für die Stimmung, die

zwischen diesen Menschen herrscht.

gesiebte Luft atmen

im Gefängnis sitzen;

in dieser neuen, umgangssprachlichen Redewendung werden die

vertikal verlaufenden Gitterstäbe der Gefängniszelle mit einem Filter

gleichgesetzt.

jemanden an die Luft setzen

jemanden hinauswerfen;

euphemistische Umschreibung des Vorgangs, jemandem den

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weiteren Aufenthalt in einem Raum oder Haus zu verbieten und dieses

Verbot wenn nötig mit Gewalt durchzusetzen.

Luftschlösser bauen

tagträumen, unrealistische Pläne haben;

wer „den Kopf in den Wolken“ hat – die Wolken bzw. der Himmel dient

immer als Symbol für Träume, aber auch Realitätsferne –, der kann dort

auch Schlösser bauen, aber mit Sicherheit nie in ihnen wohnen.

Lug und Trug

nichts als Lüge;

aus der Bibel: Da Reime größere Eingängigkeit besitzen, wurde „Lüge“

an das heute veraltete Wort „Trug“ (Täuschung) angeglichen; die

Verbindung findet sich in der Bibel u. a. in den Psalmen 118 und 119:

„Du verwirfst alle, die von deinen Geboten abirren; denn ihr Tun ist Lug

und Trug.“

lügen, dass sich die Balken biegen

unverschämt lügen;

leitet sich von der Vorstellung her, dass Lügen eine auf dem Gewissen

liegende Last sind. Diese Redensart bringt das Ausmaß einer

ausgesprochenen Unwahrheit plastisch zum Ausdruck. Noch deutlicher

sind die Wendungen „lügen, dass die Balken krachen“ und „lügen, dass

sich die Bäume biegen“.

wie gedruckt lügensehr viele Lügen erzählen;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: Selbst die größte Lüge wird leichter

als wahr geglaubt, wenn sie in einem Printmedium veröffentlicht wird

– zuweilen geht die Deutung aber auch dahin, dass gerade Zeitungen

viele Lügen verbreiten.

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ein langer Lulatsch sein

ein besonders großer, schlaksiger Mann;

nicht geklärt: möglich ist ein Zusammenhang mit dem

umgangssprachlichen Ausdruck „Latsche“ für einen ausgetretenen,

unansehnlichen, aber bequemen Schuh.

sich nicht lumpen lassen

großzügig sein;

bezieht sich auf die Lumpen des Bettlers, dem man durch eine

großzügige, jeden Geiz verneinende Haltung nicht ähneln will.

sich die Lunge aus dem Hals husten

sehr viel husten;

diese hyperbolische Redewendung beschreibt einen Husten, der so

stark ist, dass nicht nur Sputum, sondern die gesamten Atemorgane

ausgeworfen werden.

die Lunte ans Pulverfass legen

vorhandene Unstimmigkeiten zum offenen Streit werden lassen;

ein Fass gefüllt mit Schießpulver ist ohnehin schon eine leicht

entzündbare Gefahr. Wer jedoch auch noch die Lunte, eine langsam

glimmende Zündschnur, an ein Pulverfass legt, der bringt es garantiert

zum Explodieren.

die Lunte riechen

eine Gefahr, Bedrohung/einen Trend ahnen, vorhersehen und sich

daher rechtzeitig darauf vorbereiten;

aus dem 18. Jahrhundert: Bei den früher im Kampf zum Einsatz

kommenden Kanonen wurde das Pulver mittels einer Lunte gezündet.

Wenn man diese „Lunte riechen“ konnte, brannte sie bereits, und man

wusste, dass die Explosion unmittelbar bevorstand. Heute hat jemand,

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der die „Lunte riecht“, eine gute Vorahnung von dem, was auf ihn

zukommt.

ein leichtes Mädcheneine Frau, die einfach zu verführen ist;

Kurzform von „ein leichtlebiges/leichtsinniges Mädchen“, auch: eine

Frau, die „leicht zu haben“ ist. Wird heute v. a. als Umschreibung für

Prostituierte verwendet.

wie die Made im Speck leben

sehr bequem leben;

jemand, der ein sehr faules und angenehmes Leben führt, lebt so

bequem wie die im Speck sitzende Fliegenlarve.

Wer zuerst kommt, mahlt zuerst!

der Erste in der Reihe wird zuerst bedient;

aus der Landwirtschaft: Die an einer Mühle anstehenden Bauern

durften früher ihr Getreide nur nacheinander mahlen – in der

Reihenfolge ihres Eintreffens.

jemanden in die Mangel nehmen

jemandem zusetzen;

mithilfe der Mangel wird Stoff seit Jahrhunderten geplättet und

gestreckt, indem er durch zwei eng aneinanderliegende Walzen

gedreht wird. Wer „in die Mangel“ genommen wird, dürfte dies als

ausgesprochen unangenehm empfinden.

sich fühlen, wie durch die Mangel gedreht

sehr erschöpft sein;

von der Wäschemangel, mit deren Hilfe Wäsche geplättet wurde,

leiten sich entsprechend dieser Redensart auch Ausdrücke wie „ich bin

geplättet“ oder „ich bin völlig platt“ für große Erschöpfung ab.

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Ein Mann, ein Wort!

Ehrenwort darauf!

Kurze, aber heute wesentlich bekanntere Form der Redewendung „Ein

Mann, ein Wort – ein Wort, ein Mann ist besser, als ein Schwur getan“,

das sich auf das „natürliche“ Ehrempfinden eines Mannes bezüglich

seiner Versprechen bezieht.

mit Mann und Maus

vollständig;

aus der Seefahrt: Die Wendung „mit Mann und Maus untergehen“

bezieht sich darauf, dass auf einem Schiff früher außer den Matrosen

und den im Frachtraum stets anzutreffenden Mäusen keine

Lebewesen an Bord waren.

vor etwas Manschetten haben

Angst vor etwas haben;

aus der Studentensprache: Im 18. Jahrhundert konnten Studenten mit

den damals modischen langen Manschetten aufgrund dieser nicht an

Degenkämpfen teilnehmen; eine willkommene Ausrede für Feiglinge.

etwas mit dem Mantel der Nächstenliebe zudecken

etwas nicht tadeln;

der Mantel steht in Redensarten stets für das Umhüllen, aber auch

Verstecken einer Sache. Wer viel Nächstenliebe besitzt, der kann auch

dort Nachsicht üben und etwas unerwähnt lassen, wo andere Kritik

üben.

etwas ein Mäntelchen umhängen

auch: etwas bemänteln

etwas verharmlosen;

aus dem Mittelalter: Der Mantel als Symbol des Verhüllens hat

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sich in Bräuchen des Mittelalters niedergeschlagen. Nach den

Rechtsvorschriften des Sachsenspiegels, einer Rechtssammlung des

13. Jahrhunderts, konnten uneheliche Kinder dadurch legitimiert

werden, dass sie während der Trauung unter dem Mantel der Braut

getragen wurden.

jemandem das Mark aus den Knochen saugen

jemanden finanziell ausbluten lassen;

das Knochenmark ist durch die harte Hülle des Knochens, eigentlich

bestens geschützt. Wenn sogar das Mark, das „Innerste“ des Knochens

ausgesaugt wird, dann werden einem Menschen keinerlei Kraft- oder

finanzielle Reserven gelassen.

jemandem den Marsch blasen

jemanden scharf tadeln, jemandem die Meinung sagen;

aus dem Militär: Die unterschiedlichen Trompetensignale dienten im

Heer dazu, allen Soldaten ein bestimmtes Vorgehen zu befehlen. Eines

der Kommandos war jenes zum Sammeln (Abmarsch). Später entstand

die Redewendung, mit der verdeutlich wird, dass jemand in Gang

gebracht oder angetrieben wird.

den Marschallstab im Tornister tragen

die notwendigen Fähigkeiten für eine Führungsfunktion haben, gute

Karrierechancen haben;

aus der Militärsprache: Als Zeichen seiner militärischen Obergewalt

erhielt der Feldherr früher einen so genannten Marschallstab; wer den

im Tornister, also in der soldatischen Rückentasche trug, der konnte

auch weiterhin auf eine glänzende Karriere hoffen.

die Masche raushaben

die Lösung, einen speziellen Trick kennen;

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die „Masche“ in dieser Redensart besitzt denselben sprachlichen

Ursprung wie das aus dem Jiddischen stammende Wort „Massel“ und

bedeutet wie dieses Glück, Erfolg.

reden wie ein Maschinengewehrununterbrochen reden;

aus dem Ersten Weltkrieg: Die Redensart bezieht sich auf das beim

Maschinengewehr mögliche Dauerfeuer. In den 1950er-Jahren nannte

man Massenprediger wie den Jesuiten Johannes Leppich oder den

Baptistenpastor Billy Graham „Maschinengewehr Gottes“.

die Maske fallen lassen

auch: die Maske ablegen

sich zu erkennen geben, sein wahres Gesicht zeigen;

bei Maskenbällen des Barock war es üblich, um Mitternacht die Maske

abzulegen. Der jeweilige Tanzpartner wartete deshalb gespannt auf

die Demaskierung, um endlich zu wissen, mit wem er den Abend über

getanzt hatte.

jemandem die Maske vom Gesicht reißen

jemanden entlarven;

diese Redewendung bezieht sich auf die Möglichkeit, hinter einer

Maske ohne Preisgabe der eigenen Identität ohne Risiko Verbrechen

begehen zu können – man denke an mit einem Strumpf maskierte

Einbrecher.

Massel haben

Glück haben;

aus dem Jiddischen: Im Neuhebräischen heißt des Wort für Glück

„mazol“; davon wurde wiederum das Wort „Massel“ entlehnt.

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an der Matratze horchen

schlafen;

aus der Soldatensprache: Eine weitere Wendung ist „auf den

Matratzenball“, d. h. ins Bett gehen.

Matratzenhorchdienst haben

schlafen;

aus der Soldatensprache: scherzhafte Umschreibung des Schlafens,

die darauf verweist, dass auch diese „Tätigkeit“ ehrenwerte Arbeit für

die Truppe ist.

jemanden mattsetzenauch: jemanden schachmattsetzen

jemanden entkräften, unschädlich machen;

aus dem Schachspiel, geht auf den persi schen Ausspruch „schah mate“

(der König ist tot) zurück. Zusammen mit dem Spiel wurde auch der

Ausdruck im 12. Jahrhundert in die romanischen Sprachen und ins

Deutsche übernommen. Schon im 13. Jahrhundert erfuhr „matt“ eine

Bedeutungserweiterung und wurde auch auf eine Erschöpfung des

Geistes oder des Körpers bezogen.

jemanden auf die Matte legen

jemanden unterwerfen, besiegen, übertrumpfen;

aus dem Kampfsport: Bei asiatischen Kampfsportarten, aber auch

beim Ringen ist der Boden durch Matten abgepolstert, damit der

niedergeworfene Verlierer weicher fällt.

mit jemandem ist Matthäi am Letzten

auch: bei jemandem ist Matthäi am Letzten

jemandes Leben geht zu Ende, er geht von uns;

abgeleitet von den letzten Worten des Matthäusevangeliums

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(28,20): „Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt.“ In Luthers

Großem Katechismus heißt es: „Da unser Herr Jesus Christus spricht

Matthäi am Letzten: Gehet hin [...].“ Die ursprünglich auf das Leben

bezogene Wendung wurde Ende des 19. Jahrhunderts dann auch auf

Geldsorgen „umgemünzt“, so ist derjenige pleite, bei dem Matthäi am

Letzten ist.

Mätzchen machen

Ausreden haben, Unfug machen;

„Mätzchen“ ist der Diminutiv von Matz, was wiederum auf den

Namen Matthias und dessen Varianten zurückgeht und bis heute in

Ausdrücken wie „Hosenmatz“ erhalten ist. Wer sich wie ein „Mätzchen“

aufführt, verhält sich also wie ein ganz kleines Kind, das nur leicht

durchschaubare Ausflüchte findet und Unsinn anstellt.

ein Mauerblümchen sein

eine für das andere Geschlecht uninteressante Person;

in den kleinen Spalten und Rissen in Mauern findet meist nur eine

kümmerliche einzelne Blume Platz und Nahrung. Diese kleine

Mauerblume wird als Bild auf einen Menschen übertragen, der

einsam, ohne Gesellschaft sein Leben fristet.

ein ungewaschenes Maul haben

eine unflätige Ausdrucksweise haben;

der derbe Ausdruck „Maul“ steht hier für die Sprache, also das den

Mund Verlassende.

jemandem ums Maul gehen

jemandem schmeicheln, ihm nach dem Mund reden;

diese Redensart klingt ähnlich wie die bekannte Wendung „Honig um

den Bart schmieren“, könnte aber auch ihren Ursprung im Tierreich

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haben. Rangniedere Hunde schlecken regelmäßig den älteren oder

ranghöheren Tieren die Lefzen, um damit ihre Unterwürfigkeit zu

demonstrieren.

sich das Maul verbrennen

auch: sich die Zunge verbrennen; sich den Mund verbrennen

etwas Unbedachtes sagen, das negative Folgen für einen selbst hat;

bereits bei Luther zu finden: Das unüberlegte Reden kann ebenso

schmerzhafte Folgen haben wie das unüberlegte Zugreifen bei einer

noch heißen Speise.

sich das Maul zerreißen über jemanden

über jemanden herziehen;

diese Redewendung ist die Steigerung des ebenfalls gebräuchlichen

„sich den Mund fusselig reden“; beide Redensarten spielen mit

dem Bild, dass der Mund durch die intensive Nutzung, ähnlich

abgetragenen Textilien, irgendwann reißt und zerfasert.

ein Maulheldein Angeber, Aufschneider;

eigentlich eine Zusammenziehung des Satzes „jemand ist mit dem

Mund (Maul) ein Held“, der weiter ein „aber nicht mit Taten“ impliziert.

jemandem einen Maulkorb verpassen/anlegen

jemandem den Mund verbieten in einer Angelegenheit, ihn mundtot

machen;

der Maulkorb erhielt in den letzten Jahren große Bedeutung als Schutz

der Bevölke rung vor aggressiven Hunden. Ebenso kann man andere

vor unangenehmen – oder peinlichen – Äußerungen einer Person

schützen, wenn man dieser den sprichwörtlichen „Maulkorb“ verpasst.

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Da beißt die Maus keinen Faden ab!

Daran ist nichts mehr zu ändern!

Aus dem 14. Jahrhundert: Die Redensart bezieht sich wohl auf die

Heilige Gertrud, die Schutzheilige vor Mäuse- und Rattenplagen.

Eine andere Erklärung verweist auf Aesops Fabel von der Maus, die

den Löwen befreit, indem sie die Fäden, in die er sich verstrickt hat,

zerbeißt.

eine graue Mauseine sehr unauffällige, langweilige Frau;

vergleicht eine nichtssagend aussehende Frau mit einem Nager, der

sich aufgrund seiner Fellfärbung in der Stadt hervorragend verstecken

kann.

die Mäuse husten hören

kleinlich, spitzfindig, übervorsichtig sein;

ähnlich wie bei Flöhen ist es auch unmöglich, Mäuse husten zu hören.

weiße Mäuse sehen

(aufgrund übermäßigen Alkoholkonsums) Wahnvorstellungen haben;

diese Redewendung soll aussagen: im Rausch etwas sehen, das gar

nicht existiert. Sie entstammte der Vorstellung der meisten Menschen,

dass Mäuse ausschließlich graubraun, nie jedoch weiß seien.

am liebsten in ein Mauseloch kriechen

sich schämen;

wer sich schämt, der würde sich, wenn er es denn könnte, auch in ein

Mauseloch verkriechen, um sein Schamgefühl zu verbergen.

sich mausernschöner, besser werden (bei Menschen);

aus dem Tierreich: Jungvögel besitzen ein unauffälliges,

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graubraunes Gefieder, das sich erst nach der ersten Mauser, also dem

Gefiederwechsel, in ein oft farbenprächtiges Federkleid verwandelt.

sich mausig machen

sich vordrängen, frech sein;

aus der Tierzucht: Diese Redensart wurde von der ersten Mauser des

Jagdfalken abgeleitet, die den Übergang zum eigentlichen Gefieder

darstellt und damit den Eintritt in die „übermütige“ Jugendphase des

Vogels. Erst nach dieser Mauser konnte der Vogel trainiert werden.

Der Versuch der künstlichen Einleitung durch den Falkner wurde als

„mausig machen“ bezeichnet.

das Maß voll machen

die Grenze (des Erlaubten, Erträglichen) überschreiten;

aus Friedrich Schillers Drama „Die Jungfrau von Orleans“: Das volle Maß,

das eigentlich ein wünschenswerter Zustand ist, wird bei Schiller als

Bild dafür gebraucht, dass jemand seine beste Zeit hinter sich hat: „Das

Maß ist voll, er ist zur Ernte reif.“

mit zweierlei Maß messen

zwei Dinge anhand differierender Kriterien beurteilen;

vor der Einführung des metrischen Systems besaß jede Region eigene

Maße, die selbst bei gleichem Namen unterschiedlich lang, schwer

oder groß waren, sodass bei einem Handel häufig „mit zweierlei Maß“

berechnet wurde.

einen Mecklenburger zu Hilfe rufen

nach dem Prügel greifen, jemanden schlagen wollen;

bezieht sich auf das Mecklenburger Prügelgesetz, das Prügelstrafen

für bestimmte Vergehen vorschrieb

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die Kehrseite der Medailleder Nachteil einer Sache oder eines Sachverhaltes;

diese Wendung gibt es bereits seit dem Altertum. Sie weist darauf hin,

dass die „Rückseite“ einer Münze oder Medaille untrennbar mit ihrer

glänzenden Haupt seite verbunden und die eine nicht ohne die andere

zu haben ist.

am Meer wohnen und Wasser suchen

etwas Unsinniges tun;

hat ihren Ursprung wie die ähnliche Wendung „auf dem Meer nach

Wasser gucken“ wohl in der Seemannssprache. Die Unsinnigkeit

solcher Vorhaben offenbart sich auf den ersten Blick.

auf dem Meer nach Wasser gucken

etwas Unsinniges tun;

an Bord eines Schiffes auf hoher See sucht der Betrachter den Horizont

nach Land, etwa einer Küstenlinie, ab. Wer aber nach Wasser sucht, der

muss blind sein, denn dieses ist auf den ersten Blick zu erkennen.

das Meer ausschöpfen wollen

auch: das Meer austrinken/austrocknen wollen

Unmögliches versuchen, eine schier nicht zu bewältigende Aufgabe

übernehmen;

Herkunft unklar: Der hl. Augustinus hielt das Meer auszuschöpfen für

ähnlich unmöglich, wie das Geheimnis der göttlichen Dreieinigkeit zu

ergründen.

ein Meer von ...

eine Unzahl, Unmenge von ..., massenhaft ... (z. B. Blumen, Tränen);

Christoph Martin Wieland bedauert den Titelhelden seines „Oberon“

(1,4) mit den Worten: „In welches Meer von Jammer stürzt sie euch?“

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kein Mehl im Mund behalten

seine Meinung frei äußern;

bereits in Luthers Tischreden zu finden; oft in der Form „blasen und

Mehl im Munde behalten geht nicht zusammen“. Bezieht sich darauf,

dass jemand, der redet, nicht gleichzeitig seine eigene Meinung

verstecken kann.

pfeifen wollen und dabei das Mehl im Mund behalten

viel versprechen, dabei aber keine Leistung erbringen wollen, oder viel

erwarten, ohne selbst etwas dafür tun wollen;

diese Wendung taucht häufig im Hessi schen und im Westerwald auf.

Die älteste Belegstelle findet sich jedoch in Notker Labeos „De partibus

logicae“ vom Ende des 10. Jahrhunderts.

eine Meise haben

nicht bei Verstand, leicht verrückt sein;

im alten Volksglauben dachte man, Geistes gestörtheit werde durch

Nisten von Tieren im Kopf verursacht.

in jemandem seinen Meister finden

jemandem begegnen, der einem in einer bestimmten Fähigkeit

überlegen ist;

die Bezeichnung Meister für einen Handwerkstitel leitet sich vom

lateinischen Wort „Magister“ her, das wiederum von „magnus“ (groß)

kommt.

die Melkkuh von jemandem sein

über einen längeren Zeitraum finanziell ausgebeutet werden;

aus der Landwirtschaft: Eine Melkkuh ist dem Wortsinne nach eine

Kuh, die täglich gemolken werden kann und daher finanziellen

Gewinn abwirft.

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eine Memme sein

ein Feigling sein;

die ältere Schreibweise, „Mämme“, weist auf denselben Ursprung wie

das Wort „Mama“ hin. Eine Memme ist ein Mensch, der sich entweder

nach Schutz durch seine Mutter sehnt – oder sich selbst wie eine alte

Frau verhält.

in rauen Mengenin großer Anzahl;

aus dem Jiddischen: bezieht sich nicht auf eine raue Oberfläche der

Menge, sondern wurde von dem neuhebräischen Wort „raw“, „viel“,

entlehnt.

ein quecksilbriger Menschein überaus lebhafter Mensch;

Quecksilber bildet bei Kontakt mit der Luft kleine Kügelchen, die

ständig in Bewegung und nur schwer zu fassen sind. Es wurde daher

schon im Mittelalter „queckes“, d. h. lebendiges Silber genannt.

Mensch Meier!

auch: Mensch Meyer! Mensch Maier!

(Ausruf des Erstaunens/Ärgers);

aus dem 20. Jahrhundert: bezieht sich vermutlich nicht auf eine reale

Person, sondern lediglich auf das häufige Auftreten des Namens Meier

– so ist die Wahrscheinlichkeit, dass jemand namens Meier an etwas

schuld ist, recht groß.

wie der erste Menschauch: wie die ersten Menschen

naiv, unbeholfen; primitiv;

aus der Soldatensprache: Seit dem Ersten Weltkrieg wird diese

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geläufige Redewendung, die einen Zustand vollkommener

Ahnungslosigkeit von der Realität der modernen Welt beschreibt,

auch im Alltag verwendet.

wie der letzte Menschungepflegt, heruntergekommen aussehend; ordinär;

„der letzte Mensch“ auf Erden muss sich nicht mehr um

gesellschaftliche Konventionen, Hygienegrundsätze oder Takt und

Anstand sorgen – jemand, der als solcher bezeichnet wird, benimmt

sich heute schon so.

meschugge sein

verrückt sein;

aus dem Hebräischen: Im 19. Jahrhundert wurde der Ausdruck aus

dem Jiddischen (meschuggo) übernommen, das es seinerseits aus

dem Hebräischen (meschugga) abgeleitet hat.

auf Messers Schneide stehen

eine kurz bevorstehende Entscheidung kann so oder so ausfallen;

findet sich schon in Homers Odyssee (8. Jahrhundert v. Chr.) und

meint, dass etwas gegenwärtig im Gleichgewicht Befindliches jeden

Augenblick nach der einen oder anderen Seite kippen kann

ein Messer ohne Klinge, an dem der Stiel fehlt

etwas, an dem jeder mögliche Teil fehlt, also: nichts;

diese scherzhafte Wendung geht auf den Aphoristiker

G. Chr. Lichtenberg (1742–1799) zurück.

es geht einem das Messer in der Tasche auf

man wird zornig, wütend, sehr erregt;

dieser Ausdruck war bereits um 1900 im Badischen geläufig, er

verbreitete sich besonders durch die Soldaten im Zweiten Weltkrieg

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und beschreibt humorvoll, wie sich das Messer in der Tasche aus lauter

Empörung selbstständig macht, um loszustechen.

ins offene Messer laufen

sich aufgrund eigener Dummheit ins Unglück/in eine Falle begeben;

das „offene“, also aus der Schneide gezogene Messer muss sich sein

Opfer nicht selbst „suchen“, wenn dieses so wenig aufmerksam ist,

dass es selbst in die Schneide läuft.

jemandem das Messer auf die Brust setzen

jemanden unter Druck setzen, zu etwas zwingen;

wer das Messer auf der Brust spürt, der hat keine andere Wahl als

nachzugeben oder sich töten zu lassen. Häufig bezieht sich die

Redensart auf eine finanzielle Bedrohung.

jemandem das Messer in der Wunde umdrehen

jemandem seine Fehler schmerzlich bewusst machen, jemandes

unangenehme Situation noch verschlimmern;

ähnlich der Redensart „Salz in eine Wunde streuen“ bezieht sich auch

diese bildhafte Wendung darauf, dass jemandes Schmerz oder Scham

noch absichtlich verstärkt wird, um ihn leiden zu lassen.

jemandem sitzt das Messer an der Kehle

jemand befindet sich in höchster, auch finanzieller Not;

diese bildliche Redensart erinnert an einen Menschen, dem sein

Gegner im Kampf bereits das Messer an den Hals gelegt hat, um ihn zu

töten.

jemanden ans Messer liefern

jemanden erbarmungslos seinen Feinden ausliefern oder ins Unglück

stürzen;

ähnlich wie „jemandem das Messer an die Kehle setzen“ erinnert die

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Redensart an einen Kampf auf Leben und Tod bzw. an ein Schlachttier,

das von seinem Besitzer, dem Metzger, direkt „ans Messer geliefert“

wird.

messerscharf schließen

auch: messerscharf folgern/urteilen

einen schnellen logischen Schluss aus etwas ziehen;

stammt wohl von dem Dichter Christian Morgenstern (1871–1914); in

dessen Gedicht „Die unmögliche Tatsache“ heißt es: „Weil, so schließt

er messerscharf, nicht sein kann, was nicht sein darf.“

einen Metzgersgang machen

auch: einen Fleischergang machen

umsonst irgendwohin gegangen sein, sich umsonst um etwas bemüht

haben;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: Nicht nachgewiesen ist die

Vermutung, dass diese Redensart von der Praxis der Fleischer stammt,

in regelmäßigen Abständen die Bauern der Umgebung zu besuchen,

um Schlachtvieh aufzukaufen – oder vergeblich danach zu fragen.

gute Miene zum bösen Spiel machen

scheinbar gut gelaunt oder gleichgültig negative Ereignisse oder eine

unangenehme Situation hinnehmen;

aus dem Kartenspiel: bezieht sich auf das „Bluffen“ des Spielers,

der das für ihn ungünstige Spiel der Mitspieler oder sein eigenes

unbrauchbares Blatt mit (gespielter) Gleichgültigkeit betrachtet.

ohne eine Miene zu verziehen

reglos, ohne eine Gefühlsäußerung zu zeigen;

die „Miene“ sind die Gesichtszüge, die sich bei einem guten Lügner

oder bei tatsächlicher Unberührtheit von einer Sache nicht verändern.

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schon die halbe Miete sein

schon ein großes Stück geschafft, einen großen Teil (einer Sache)

erledigt;

aus der Landwirtschaft: Mit „Miete“ ist hier nicht die monatliche

Bezahlung für das Wohnrecht in einem Haus gemeint, sondern das

bäuerliche Erntelager. Insbesondere Zuckerrüben werden bis heute in

länglichen Haufen direkt am Feldrand gelagert und gegen Frost mit

einer Plane oder früher mit Stroh geschützt. Hatte der Bauer bereits

die halbe Miete, so waren immerhin 50 Prozent der Erntearbeit auf

einem Feld erledigt – ein Grund zum Aufatmen.

das Land, wo Milch und Honig fließen

das Paradies;

aus der Bibel: In der Bibel ist das Land, in dem Milch und Honig fließen,

das den Israeliten verheißene Land: „Und ich bin herniedergefahren,

dass ich sie errette aus der Ägypter Hand und sie herausführe aus

diesem Lande in ein gutes und weites Land, in ein Land, darin Milch

und Honig fließt.“ (Genesis 3,8)

die Milch der frommen Denkart

unverdorbene, reine und tugendhafte Denkweise;

aus der Literatur: in Schillers Drama versucht Wilhelm Tell sein Tun zu

rechtfertigen, während er in einer „hohlen Gasse“ auf der Lauer liegt:

„[...] in gärend Drachengift hast du / die Milch der frommen Denkart

mir verwandelt [...].“

ein Milchgesichtjemand, der sehr jung aussieht;

der Ausdruck bezeichnet einen Menschen mit sehr jugendlichen

Gesichtszügen eigent lich als Baby, nämlich als jemanden, der aussieht,

als bräuchte er noch Muttermilch.

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eine Milchmädchenrechnungeine Berechnung oder Schlussfolgerung anstellen, die nur scheinbar

sinnvoll, bei genauerem Hinsehen aber fehlerhaft ist oder sich als

unrealistisch erweist;

das Milchmädchen in La Fontaines Fabel stellt bereits vor Verkauf

ihrer Milch Berechnungen darüber an, was sie sich von dem zu

erwartenden Gewinn alles kaufen kann – und verschüttet dabei die

Milch.

eine grüne MinnaBezeichnung für ein Polizeiauto;

„Minna“ ist der Standardname, mit dem bequeme Herrschaften ihre

Hausmädchen ansprachen; die Bezeichnung wurde auf das grüne

Polizeiauto übertragen.

jemanden zur Minna machen

jemanden äußerst streng behandeln;

Minna, die Kurzform von Wilhelmine, war zu Beginn des

20. Jahrhunderts in Preußen ein weit verbreiteter Vorname. Der

Einfachheit halber machte man aus den meisten Dienstmädchen

eine Minna; so musste man sich den jeweiligen Vornamen nicht

merken. Weil Dienstmädchen ein hartes Leben hatten und von ihren

Arbeitgebern oft auch grundlos „zusammengestaucht“ wurden,

entwickelte sich daraus die Redensart „jemanden zur Minna machen“.

auf jemandes Mist gewachsen sein

seine eigene (geistige) Leistung, sein geistiges Eigentum sein;

aus der Landwirtschaft: Diese bildliche Redensart bezieht sich auf den

Bauern, der zur Düngung seines Gartens niemals fremden Mist zu

kaufen braucht, sondern alles auf eigenem Mist wachsen lässt.

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Mist bauen

auch: Bockmist bauen

(große) Fehler machen;

seit etwa 1930 verbreitet: Diese Redewendung stammt aus der

Soldatensprache; da Mist, also Tierkot, stinkt und unerwünscht ist,

wurde er mit den ebenso unerwünschten Fehlern und schlechten

Leistungen gleichgesetzt.

mitgegangen – mitgehangen

wer sich an etwas beteiligt, muss auch für die Folgen mit

geradestehen;

diese Redewendung stammt aus einer Zeit, als das Hängen noch eine

übliche Strafe auf Raub oder Mord war. Da jemand, der auf einen

Raubzug mitgegangen ist, auch mitgefangen wird, gibt es eine zweite

Version dieser Wendung: „mitgefangen, mitgehangen“.

etwas mitgehen lassen

etwas stehlen;

verharmlosender Ausdruck für „stehlen“; vermittelt das Bild eines

Gegenstands, der beinahe freiwillig mit dem Dieb „mitgeht“.

ab durch die Mitteaus den Augen, voran, weg;

aus dem Militärwesen: Befehl beim Spießrutenlaufen. Bei dieser bis ins

19. Jahrhundert üblichen Form der Bestrafung musste der Delinquent

mit nacktem Oberkörper durch eine Gasse aus Soldaten laufen, die

mit Spießen auf ihn einstachen. Der Befehl zum Anfangen lautete:

„Ab durch die Mitte!“ Eine andere Herleitung verweist auf das Theater.

„Ab durch die Mitte“ ist eine Bühnenanweisung, die angibt, in welcher

Richtung ein Schauspieler die Bühne zu verlassen hat.

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die goldene Mitteein Kompromiss;

aus dem Lateinischen: Übersetzung eines Zitats von Horaz (65–8

v. Chr): „Aurea mediocritas“, das den besonderen Wert nicht des

Mittelmaßes, sondern des rechten Maßes und der Mäßigkeit

bezeichnete.

einen Mohren weiß waschen wollen

etwas vollkommen Unmögliches versuchen; einen offensichtlich

Schuldigen als unschuldig darstellen;

aus der Bibel: Im Alten Testament heißt es im Buch des Jeremia (13,23):

„Kann auch ein Mohr seine Haut wandeln oder ein Parder seine

Flecken?“ Jeremia prophezeit in diesem Fall, dass Gott das sündige

Volk hart bestrafen wird, weil es sich nicht ändern kann. Die gleiche

Bedeutung hat der Ausdruck „Mohrenwäsche“, der den unnützen

Versuch beschreibt, einen offen sichtlich Schuldigen durch erfundene

Scheinwahrheiten unschuldig darzustellen. Genauso wenig kann man

einen dunkelhäutigen Mohren weiß waschen.

ein Mollenfriedhofein Bierbauch;

aus Berlin: „Molle“ ist ein Regionalausdruck für Bier, das im Bauch „zu

Grabe getragen“ wird.

bei jemandem geht der Mond auf

jemand bekommt eine Glatze;

diese scherzhaft gemeinte Redensart bezieht sich auf die Ähnlichkeit

einer leuchtenden Glatze, die zwischen den Haaren sichtbar wird, mit

dem ebenso leuchtenden runden Mond, der sich über einem Wald

erhebt.

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den Mond anbellen

etwas tun, dass keine Wirkung zeigt; über jemanden schimpfen, ohne

damit Einfluss auf sein Verhalten zu haben;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Das Bild des Hundes, der (so nahm

man fälschlich an) den Mond anbellt, um ihm die Schuld für ein Unglück

zu geben, findet sich auch bei Goethe (Faust II): „Wer seid ihr denn,

dass ihr / des Hauses Schaffnerin entgegenheulet, / Wie dem Mond der

Hunde Schar.“

hinter dem Mond leben

auch: auf dem Mond leben

über aktuelle Geschehnisse nicht unterrichtet sein;

bezieht sich auf den von allen Geschehnissen der Erde am weitesten

entfernten Ort, den man sich früher vorstellen konnte.

in den Mond gucken

leer ausgehen;

analog zur Redensart „in den Eimer gucken“ bezieht sich auch diese

Wendung darauf, dass man seine Aufmerksamkeit auf etwas richtet,

das definitiv keinen Nutzen verspricht.

jemanden auf den Mond schießen wollen

jemanden loswerden wollen;

die Redewendung beschreibt das Gefühl einer Person, dass ein

anderer selbst am anderen Ende der Welt noch zu nah sei, um es

ertragen zu können.

blauen Montag machen

auch: blaumachen

einen arbeitsfreien Tag (Montag) haben;

aus der Färbersprache: Die blau zu färben den Stoffe wurden früher

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üblicherweise sonntags in die gelbe Lauge eingelegt und montags

zum Trocknen aufgehängt. Erst bei dem Kontakt mit der Luft verfärbte

sich das Indigo zu einem leuchtenden Blau. Während des Trocknens

aber konnten die Färber nicht weiterarbeiten – sie hatten am Montag

also frei.

Montezumas Rache

(eine Durchfallerkrankung auf Reisen);

der Aztekenherrscher Montezuma hieß die Spanier in seinem Land

willkommen – wenig später wurde sein Volk durch die Eroberer

vernichtet. Wer heute im Ausland (früher: in Südamerika) an Diarrhoe

erkrankt, der erlebt also die scherzhaft so bezeichnete „Rache

Montezumas“.

Moos haben

Geld haben;

aus dem Hebräischen: Das hebräische Wort für Münze, „moath“,

wurde in der deutschen Umgangssprache im Laufe der Zeit zu Moos.

Ursprünglich wurde es nur im Rotwelsch verwendet, später in die

Studentensprache übernommen.

wie der Mops im Paletot

glücklich und zufrieden;

trotz seines eher besorgt-mürrischen Gesichtsausdrucks gilt der Mops

als zufriedener Hund, vermutlich, da er ein reiner Schoßhund ist und

weder Wach- noch Jagdhund. So entstand auch das Wort „mopsfidel“.

etwas mopsenetwas klauen;

diese Schoßhunderasse ist in zahlreichen Redensarten zu finden und

steht stets für ein etwas dümmliches, fröhliches Verhal ten – oder, wie

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in diesem Fall, für die Ungezogenheit der Möpse, die nie arbeiten

mussten, sondern nur zur Gesellschaft gehalten wurden.

morgen läuft eine andere Sau durchs Dorf

bald ist alles vergessen;

aus dem Mittelalter: Die Redensart baut auf das kurze Gedächtnis

der Menschen. Wenn im Rahmen einer Schandstrafe jemand als

Sau verkleidet durchs Dorf getrieben wurde, konnte er sich der

Belustigung und des Spotts der Nachbarn sicher sein – aber er konnte

auch hoffen, dass schon am nächsten Tag ein anderer die Rolle

übernehmen und Thema des Dorfgesprächs sein würde.

Morgenluft wittern

eine Chance, eine günstige Entwicklung voraussehen;

aus der Tragödie „Hamlet“ von William Shakespeare: Der Geist von

Hamlets Vater muss bei Morgengrauen verschwinden und sagt daher:

„Still [...], ich wittre Morgenluft.“

in Morpheus` Armen ruhen

gut schlafen;

aus der griechischen Mythologie: Morpheus, der Gott des Traumes,

hat die Macht über die Träume der Menschen; er kann sich in jede

beliebige Gestalt verwandeln und dem Träumer erscheinen. Nach ihm

wurde auch das Morphium benannt.

Motten im Kopf haben

seltsame Ideen haben;

die Nachtfalter stehen für Verwesung, da sie sich lediglich an

lang bewahrten, staubigen Textilien vergehen; ein ähnlicher

Zersetzungsvorgang wird eventuell bei jemandem angenommen, der

absurde Ideen und Vorstellungen hat.

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aus einer Mücke einen Elefanten machen

auch: aus jeder Mücke einen Elefanten machen; aus einem Floh einen

Elefanten machen

etwas stark übertreiben, aufbauschen;

aus der Antike: Die Wendung, die ihre Komik aus dem

Größenunterschied bezieht, findet sich schon im „Lob der Fliege“ des

griechischen Satirikers Lukian von Samosata aus dem 1. Jahrhundert

n. Chr. Noch in lateinischer Form („Elephantum ex musca facere“)

zitiert sie Erasmus von Rotterdam (1466–1536).

mucksmäuschenstill sein

sehr still, leise sein;

seit dem Mittelalter belegt: Das oft für das menschliche Gehör nicht

mehr wahrnehmbare hohe Pfeifen der Nager führte zu der Annahme,

Mäuse seien sehr still. Der Zusatz „mucks“ verstärkt den Eindruck von

absoluter Stille; es wird nicht einmal ein Mucks, ein leises Mucken von

sich gegeben.

jemandem geht die Muffejemand hat Angst;

analog zu dem Ausdruck „Muffensausen“ steht auch hier das

Rohrstück für den After.

Muffensausen haben

nervös sein, Angst haben;

eine Muffe ist eigentlich das End- oder Verbindungsstück von Rohren;

in dieser jüngeren umgangssprachlichen Redewendung steht der

Ausdruck jedoch für den After und die bei Angst beschleunigte

Darmtätigkeit.

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Lieschen Müllerdie weibliche Variante von Otto Normalverbraucher – also eine ganz

beliebige, vollkommen durchschnittliche Frau;

die Redewendung wurde aus im deutschen Sprachraum häufig

vorkommenden Vor- und Nachnamen geprägt.

jemandem wird es mulmigjemand bekommt Angst, beginnt, sich Sorgen zu machen;

„Mulm“ bezeichnet heute ein Bodensediment, das sich aus zersetzten

Pflanzen gebildet hat; früher stand der Ausdruck allgemein für „Boden,

Staub, Erde“ (von „zermahlen“). Damit bedeutet diese Redensart

dasselbe wie „hier ist etwas faul“; etwas beginnt, sich nachteilig zu

entwickeln.

keinen Mumm in den Knochen haben

keinen Mut haben, ein Feigling sein;

eigentlich bedeutet diese Redewendung „keine Energie, Tatkraft

besitzen“, denn „Mumm“ ist vom lateinischen Wort animus (auch:

Seele, Geist) entlehnt.

ein Mummelgreisein sehr alter Mensch;

dieser abwertend verwendete Ausdruck leitet sich vom heute nicht

mehr üblichen Verb „mummeln“ für brummen, undefinierbare Laute

von sich geben ab; ein Geräusch, das u. a. zu hören ist, wenn jemand

ohne Zähne kaut.

etwas ist Mumpitzetwas ist Unsinn;

aus dem Elsässischen: Seit dem 17. Jahrhundert ist dort das Wort

„Mummelputz“ für eine Vogelscheuche (eigentlich: „verhülltes

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Schreckgespenst“) belegt, das sich zum hessischen „Mombotz“

entwickelte. Die Bedeutung wandelte sich von „Schreckgestalt“ zu

„erschreckende, aber gehaltlose Rede“.

jemandem den Mund wässrig machen

jemandem Lust auf etwas machen;

spielt auf den Reflex des vermehrten Speichelflusses beim Anblick

einer leckeren Speise an.

kein Blatt vor den Mund nehmen

die ungeschönte Wahrheit sagen, sehr direkt sein;

aus der Theatersprache: Schon früh dienten Masken den

Schauspielern dazu, ihre Identität zu verheimlichen, um so ungestraft

die Mächtigen kritisieren zu dürfen. Bevor die ersten Masken

entstanden, behalf man sich mit Blättern, die an das Gesicht geheftet

wurden. Kein Blatt vor den Mund nehmen konnte also nur, wer Blätter

vor dem Rest seines Gesichtes hatte.

sich den Mund fusselig reden

ohne Erfolg viel reden;

beschreibt ein so ausdauerndes Sprechen, dass der Mund abgenutzt

wird und ausfranst.

von Mund zu Mund gehen

etwas (ein Gerücht, ein Geheimnis) wird verbreitet;

beschreibt die Geschwindigkeit der mündlichen Weitergabe; das

Gerücht geht nicht mehr „von Mund zu Ohr“, sondern wird direkt im

Anschluss weitererzählt.

jemanden mundtot machen

jemanden zum Schweigen bringen;

aus dem Mittelalter: Die heutige Bedeutung und Schreibweise lassen

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darauf schließen, dass in dieser Redewendung die dem Spre chen

dienende Körperöffnung im Gesicht gemeint ist. Tatsächlich entwickelte

sich der Begriff ursprünglich aus dem mittelhoch deutschen Wort „munt“,

das Schutz, Aufsicht bedeutet. „Munt-tot“ hieß also, dass man nicht mehr

die Aufsicht über eine Sache hatte. Man wurde – auch hier ist der sprach-

liche Ursprung derselbe – entmündigt.

etwas für bare Münze nehmen

etwas als die Wahrheit annehmen;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: Es ist nicht überliefert, was man

früher jemandem unterjubelte, das dieser als „bare Münze“, also echtes

Geld, anerkennen sollte; heute wird diese Redensart auf jemanden

bezogen, der einen Scherz nicht als solchen erkennt.

etwas mit gleicher Münze heimzahlen

Gleiches mit Gleichem vergelten, sich mit gleichen Mitteln rächen;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: Diese Redewendung vermittelt

dasselbe wie der bib lische Spruch „Auge um Auge, Zahn um Zahn“

(Exodus 21,24).

von der Muse geküsst

auch: warten, dass einen die Muse küsst, auf den Musenkuss warten

künstlerisch inspiriert;

aus der griechischen Mythologie: Die Musen, Töchter des Zeus, galten

als Göttinnen der schönen Künste. Hesiod zählt derer neun: Klio (Muse

der Geschichtsschreibung), Melpomene (Tragödie), Terpsichore (Tanz),

Thalia (Komödie, Schauspielkunst), Euterpe (Tonkunst, Gesang), Erato

(Liebeslyrik), Urania (Astronomie), Polyhymnia (hymnische Dichtung),

Kalliope (epische Dichtung).

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etwas mit der Muttermilch aufgesogen haben

eine bestimmte Eigenschaft seit frühester Kindheit besitzen;

diese in zahlreichen europäischen Sprachen zu hörende Redensart

beruht auf der wissenschaftlich nicht zu begründenden Annahme,

Talente und Charaktereigenschaften könnten mit der Nahrung

aufgenommen werden.

jemandem springt der Draht aus der Mützejemand regt sich sehr auf, verliert die Kontrolle über sich;

bezeichnet eine so große Wut, dass selbst das Unmögliche möglich

wird – eine Mütze besitzt zwar keinerlei Metallteile, aber die

schwellenden Zornesadern auf der Stirn sprengen dennoch den nicht

vorhandenen Draht.

sich für den Nabel der Welt halten

sich für den Mittelpunkt, das Wichtigste der Welt halten;

der Nabel, beim Fetus Ansatzpunkt der Nabelschnur als

„Nährstoffleitung“, liegt in der Mitte des Bauches und ist damit

sozusagen der Mittelpunkt des Menschen; manche Menschen halten

sich selbst dementsprechend für den „Nabel der Welt“.

Nachtigall, ick hör dir trapsen!

Ich ahne etwas! Ich weiß, was los ist!

„Trapsen“ ist ein Dialektwort für lautes Gehen. Diese Redewendung

ist vermutlich eine Verballhornung der ersten Zeile des Liedes

„Nachtigall, ich hör dich singen“ aus „Des Knaben Wunderhorn“.

In einem Fliegenden Blatt lautet der Text der sechsten Strophe:

„Nachtigall, ich hör dich laufen, / von dem Bächlein tust du saufen.“

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jemandem den Fuß in den Nacken setzen

auch: jemandem den Fuß ins Genick setzen

jemanden demütigen, unterwerfen;

aus der Bibel: In dieser Wendung hat sich der Kriegsbrauch erhalten,

dem Besiegten als Zeichen der Überlegenheit den Fuß in den Nacken

zu setzen. Schon bei Josua (10,24) ist diese Geste bezeugt: Da „rief

Josua alle Männer Israels zu sich und sprach zu den Obersten des

Kriegsvolks, die mit ihm zogen: Kommt her und setzt eure Füße auf

den Nacken dieser Könige.“

jemandem im Nacken haben

von jemandem bedrängt werden;

aus dem Mittelalter: Im Gegensatz zu den anderen Varianten („den

Teufel/Schalk/die Angst im Nacken“) meint diese Form ausnahmsweise

nur im übertragenen Sinne, dass jemanden eine Person so bedrängt,

als würde sie auf ihm sitzen.

jemandem sträuben sich die Nackenhaareauch: jemandem stellen sich die Nackenhaare auf

etwas entsetzlich, schauerlich finden;

tatsächlich können sich Haare, insbesondere die feinen Nackenhaare,

bei Angst, Entsetzen oder Erschrecken aufstellen. Belegt ist diese

Redewendung bereits im Alten Testament sowie in der Literatur der

Antike.

die Nadel im Heuhaufen suchen

auch: eine Stecknadel im Heuhaufen suchen

eine unlösbare Aufgabe übernehmen;

bildliche Redensart, die ein schier aussichtsloses Unterfangen darstellt.

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mit heißer Nadel gestrickt worden sein

eilig und daher schlecht und flüchtig ausgeführt worden sein;

bezieht sich auf eine eigentlich unrealistische Situation, da

Stricknadeln nie erhitzt oder von selbst heiß werden.

wie auf Nadeln sitzen

unruhig oder unbequem sitzen;

die Redewendung geht vermutlich auf eine mittelalterliche

Foltertechnik zurück, ähnlich der Redensart „auf glühenden Kohlen

sitzen“.

den Nagel auf den Kopf treffen

genau das Richtige treffen bzw. sagen;

aus dem Mittelalter: Die Zielscheiben für Bogenschützen waren im

Zentrum der Schei be mit einem Nagel gekennzeichnet bzw. befestigt.

Traf ein Schütze diesen Nagel, so hatte er einen Volltreffer gelandet

und den Nagel auf den Kopf getroffen.

„Ich sollte [...] des Gebrauchs der Sprichwörter entbehren, die doch,

statt vieles Hin- und Herfackelns, den Nagel gleich auf den Kopf

treffen.“ (Goethe, Dichtung und Wahrheit II, 6)

ein Nagel zu jemandes Sarg sein

jemandem viele Sorgen machen;

wird vor allem auf Kinder angewendet, die ihren Eltern Sorgen

bereiten; die Redewendung nimmt Bezug darauf, dass die Eltern

aufgrund dieser Sorgen früher altern und sterben.

etwas an den Nagel hängen

etwas aufgeben;

diese Redewendung könnte in verschiede nen Arbeitsumfeldern

entstanden sein; so hängt der vom Dienst befreite Soldat seinen Rock

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und sein Gewehr, der Fuhrmann das Pferdegeschirr, der Koch seine

Schürze nach beendeter Arbeit an einem Haken oder Nagel auf.

Nägel mit Köpfen machen

eine Sache energisch bis zum Ziel bringen;

diese Redensart stammt schlicht von der Feststellung, dass Nägel

ohne Köpfe – also einfach Metallstifte – praktisch nicht mit einem

Hammer in ein Werkstück oder eine Wand einzuschlagen sind. Da

die Aufschlagfläche so klein ist, verbiegen sie sich sehr leicht. Ein

funktioneller Nagel besitzt also einen Kopf – und jemand, der eine

Sache effizient bis zum Ende durchführt, macht eben solche Nägel.

sich etwas unter den Nagel reißen

sich (nicht ganz rechtmäßig) etwas aneignen;

jemand, der sich schnell, damit ihm niemand zuvorkommt oder

Einspruch gegen diese Aneignung vorbringt, etwas zulegt, „reißt“ es

an sich bzw. „unter die Fingernägel“.

etwas brennt jemandem unter den Nägelnetwas Wichtiges schnellstmöglich erledigen wollen;

aus dem Mittelalter: bezieht sich nicht auf den Eisen-, sondern auf

den Fingernagel. Um die Kirchengesänge in der oft dunklen Kirche

mitlesen zu können befestigten die Mönche Kerzenstumpen auf ihren

Daumen nägeln. Wenn die Messe etwas länger dauerte, dann brannten

diese oft fast bis zum Ende herunter und den Kloster brüdern „auf den

Nägeln“.

eine Nagelprobe machen

etwas genau überprüfen;

aus der Studentensprache: Neben den Fechtmensuren gab es früher

in studentischen Verbindungen andere Erprobungen von Mut und

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Männlichkeit der Bewerber. Eine davon war die Biermensur, auch

Bierduell genannt – ein schlichtes Wetttrinken. Um sicherzugehen,

dass der Sieger sein Glas wirklich bis zum bitteren Ende geleert hatte,

wurde es umgedreht und die noch herausfließende Biermenge

gemessen. Passte sie auf einen Daumen nagel, war alles in Ordnung.

War mehr übrig geblieben, verlor der Teilnehmer den Wettkampf –

und sein Gesicht.

aus dem Nähkästchen plaudern

etwas sehr Persönliches verraten;

aus dem 19. Jahrhundert: Da Nähen von jeher Aufgabe der Frauen war,

kümmerten Männer sich nicht um den Inhalt der Schatullen, in denen

Garne, Nadeln und Knöpfe aufbewahrt wurden. Damit wurde das

Nähkästchen zu einem beliebten Versteck für Gegenstände, die der

Ehemann nicht sehen sollte. Wird „aus dem Nähkästchen“ geplaudert,

so wird also sehr Intimes, normalerweise Geheimgehaltenes verraten.

keinen sittlichen Nährwert haben

keinen Sinn haben, nutzlos sein;

seit Ende des Zweiten Weltkriegs verbreitet: Der „Nährwert“ eines

Lebensmittels ist sein Nutzen für den Energiehaushalt des Körpers;

was keinen „sittlichen Nährwert“ besitzt, ist also für die Moral und das

Zusammenleben nutzlos.

nichts auf der Naht haben

kein Geld haben;

mit „Naht“ ist vermutlich die Nahtlinie der Hosentasche bzw. des

Geldbeutels gemeint.

Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts!

damit habe ich nichts zu tun, davon weiß ich nichts;

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aus dem 19. Jahrhundert: Der Heidelberger Jurastudent Victor von

Hase wurde der Fluchthilfe für einen Kommilitonen, der in einem

Duell seinen Gegner getötet hatte, angeklagt. In dem folgenden

Prozess stellte er zu Beginn klar: „Mein Name ist Hase; ich verneine die

Gegenfragen; ich weiß von nichts.“

sich einen Namen machen

bekannt, berühmt werden;

aus der Bibel: Heute wird jemand, der sich „einen Namen

gemacht“ hat, mit Respekt genannt und diese Leistung als etwas

Anerkennenswertes behandelt. In der Bibel wurde diese Wendung

eher negativ verstanden. Im 1. Mose 11,4 heißt es über die Turmbauer

zu Babel: „Und sie sprachen: Wohlauf, lasst uns eine Stadt und einen

Turm bauen, dessen Spitze an den Himmel reiche, damit wir uns

einen Namen machen.“ Damit fordern sie Gott heraus, sie wollen mit

ihrem Turm in sein Reich, den Himmel, vordringen. Die Strafe war die

babylonische Sprachverwirrung.

einen Narren an jemandem gefressen haben

auch: einen Narren an etwas gefressen haben

unkritisch sehr für jemanden/etwas eingenommen sein;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Der mittel alterliche Volksglaube

schob seltsames Verhalten oft auf Dämonen und Kräfte, die sich in den

Körper des Betreffenden begeben hatten und durch diesen wirkten.

Das „Fressen“ eines närrischen Geistes ist allerdings nur scherzhaft

gemeint.

eine feine Nase für etwas haben

etwas richtig vorausahnen;

geht auf den feinen Geruchssinn des Menschen oder wahrscheinlicher

des Jagdhundes zurück, der besonders „naseweis“ ist.

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jemandem eine Nase drehen

jemanden auf den Arm nehmen, verspotten;

aus dem 16. Jahrhundert: Diese Redewendung wurde von einer

verhöhnenden Gebärde abgeleitet, mit der man jemandem mittels

ausgestreckter Finger eine lange Nase zeigt. Da Narren früher eine aus

Wachs geformte lange Nase trugen, „dreht“ man heute jemandem, den

man für einen Narren hält, symbolisch eine solche Wachsmaske um.

jemandem etwas unter die Nase reiben

jemandem etwas unmissverständlich zu verstehen geben;

ein Geruchsstoff, der unter die Nase gerieben wird, begleitet

jemanden über lange Zeit und erinnert ihn bei jedem Atemzug an den

Ursprung des Geruchs. Im übertragenen Sinne wird jemandem durch

das „unter die Nase Reiben“ etwas so deutlich gemacht, dass er es

nicht mehr vergessen kann.

jemandem nach der Nase gehen

jemandem überallhin folgen;

die Nase ist das hervortretendste Organ unseres Gesichts. Unser

Gesicht ist normalerweise in die Richtung gewandt, in die wir gehen,

dabei zeigt unsere Nase sozusagen den Weg an. Wenn also jemand

will, dass alles nach seiner Nase geht, dann will er, dass es die anderen

ihm gleichtun.

jemanden an der Nase herumführen

auch: jemanden nasführen

jemanden ärgern, einen Scherz mit ihm treiben;

aus der Tierhaltung: Widerspenstige Tiere wie etwa Stiere bekommen

auch heute noch einen Ring durch die Nase gezogen, um sie besser

bändigen zu können. Nur an ihrer empfindlichen Stelle, an der Nase,

lassen sie sich so herumführen.

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jemanden mit der Nase auf etwas stoßen

jemanden eindringlich auf etwas hinweisen;

ähnlich wie in der Redensart „jemandem etwas unter die Nase reiben“

wird jemandem eine Sache so nahe gebracht, dass er sie sehen muss

und nicht leicht wieder vergisst.

seine Nase in alle Töpfe stecken

neugierig sein, sich in alles einmischen;

die Redewendung entstammt dem Umfeld der Küche, in der ein

neugieriger Besucher alle Deckel anhebt und riecht, um zu erfahren,

was darunter zubereitet wird.

sich an die eigene Nase fassen

sich die eigene Schuld eingestehen;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Diese Redensart geht wohl auf

eine alte normannische Rechtsregelung zurück, nach der sich der

Angeklagte, wenn er den Vorwürfen widerspricht, sich an die eigene

Nase zu fassen hat. Möglich ist, dass damit auf die Tatsache Bezug

genommen wird, dass der Mensch die eigene Nase, die sich ja ständig

im Blickfeld befindet, nicht mehr bewusst wahrnimmt – ebenso wenig

wie die eigenen Fehler.

sich eine goldene Nase verdienen

reich werden, viel Geld verdienen;

die Nase eines Menschen kann als Körperteil, der jederzeit für die

Umwelt sichtbar ist, den gesundheitlichen – und eben auch den

finanziellen – Stand einer Person anzeigen.

alle naselanghäufig, ständig;

bezieht sich auf die Länge der Nase, die selbst bei Menschen mit

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besonders „gro ßem Zinken“ im Vergleich zum Körper kurz ist. Passiert

etwas also alle naselang, dann ist der Abstand dazwischen nicht sehr

groß.

jemandem etwas an der Nasenspitze ansehen

etwas über jemanden genau wissen (scherzhaft);

es gibt zwei Erklärungsvarianten: So kann die Nase Auskunft über

den Gesundheitszustand eines Menschen geben; bei Fieber ist

sie heiß und rot, und die „blaue“ Nase eines Alkoholikers ist auch

bekannt. Möglich ist aber auch, dass die Wendung zunächst im

Zusammenhang mit bestimmten Familien geprägt wurde, bei denen

die Verwandtschaft tatsächlich aus der besonderen Nasenform oder

-größe ersichtlich wurde.

naseweis sein

vorlaut, besserwisserisch sein;

aus der Jägersprache: Der Begriff „Naseweis“ kommt von „mit der Nase

weisen“ und bezog sich ursprünglich auf den feinen Geruchssinn von

Spürhunden. Auf den Menschen übertragen, wurde aus dem Lob ein

Tadel für vorlautes Verhalten.

nassforsch auftreten

frech, unverschämt auftreten;

bezieht sich auf die veraltete Bedeutung „liederlich“ für das Wort

„nass“; damit meint der Ausdruck wörtlich „wenig vertrauenswürdig,

aber gewagt auftreten“.

im Nebel stochern

willkürlich, ohne Kenntnis der Fakten etwas entscheiden oder

unternehmen;

bei sehr dichtem Nebel ist es vonnöten, mittels einer Stange – wie

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408

mit einem Blindenstock – den Weg zu suchen und auf Tragfähigkeit

zu testen. Ähnlich geht jemand vor, der auf der Suche nach etwas

„im Nebel stochert“: Er sieht nicht, wohin er geht, und kann mit dem

nächsten Schritt gegen eine Mauer laufen oder in ein Loch fallen.

der blanke Neidbesonders großer Neid;

aus dem Mittelalter: Neid ist eine der sieben Todsünden. Ein neidischer

Mensch muss sich schämen, wenn er in den Spiegel sieht, ist er blank,

also blass.

vor Neid platzen

außerordentlich neidisch sein;

aus der Antike: Die Redensart geht zurück auf eine Fabel des

römischen Dichters Phaedrus (ca. 20 v.–50 n. Chr.) zurück, in der sich

ein eitler Frosch mit dem Ochsen messen will. Dazu bläst er sich auf,

bis er platzt.

ein Neidhammel sein

sehr neidisch auf etwas/jemanden sein;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: wurde aus dem Begriff

„Streithammel“ abgeleitet; ein direkter Bezug zwischen einem

männlichen Schaf und dem Gefühl der Missgunst ist allerdings nicht

herzustellen.

alles auf einen gemeinsamen Nenner bringen

unterschiedliche Dinge, Meinungen, Menschen zu einer harmonischen

Einheit zusammenfassen;

aus der Mathematik: Um Brüche mit unter schiedlichen Nennern

addieren bzw. subtrahieren zu können, müssen sämtliche Brüche

zunächst auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden.

Page 409: Reden Sar Ten 101210

409

Nerven wie Drahtseile haben

sich nicht aus der Ruhe bringen lassen;

vergleicht die nervliche Belastbarkeit einer Person mit der Haltbarkeit

von Metall bzw. Metallkabeln.

sich in die Nesseln setzen

auch: sich in die Brennnesseln setzen

sich selbst in eine unangenehme Situation bringen;

diese Redensart bezieht sich auf das sehr unangenehme Brennen

bestimmter Nessel arten auf der Haut, das dem Gefühl in einer sehr

unerfreulichen Lage entspricht.

Nestbeschmutzer sein

das System oder die soziale Gruppe, in der man lebt, kritisieren und

schädigen;

ursprünglich ein Ausdruck für Jungvögel, die ihren Kot nicht über den

Rand des Nestes, sondern in demselben absetzen.

das Nesthäkchen sein

der/die Jüngste unter den Geschwistern sein;

aus der Tierwelt: Das „Nest“ als Brut- und Aufzuchtort junger

Vögel steht in diesem Ausdruck für das Heim der Familie. Und das

„Nesthäkchen“ hat sich quasi in dieses Heim „eingehakt“, denn es wird

es als das letzte Kind verlassen. Der Begriff fand in die Literatur v. a.

durch Else Urys Romanreihe „Das Nesthäkchen“ Eingang.

ein Nestor sein

der Älteste und Weiseste, der Altmeister eines Faches sein;

aus der griechischen Mythologie: Nestor ist eine der Figuren in

Homers Ilias. Er ist u. a. Ratgeber der Griechen und wurde zum

Inbegriff des älteren, weisen Mannes im Hintergrund.

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410

ein Neunmalklugein Besserwisser;

diese ironische Benennung verbindet das positive Attribut „klug“ mit

der in der Zahlensymbolik als Zahl des Göttlichen und der Perfektion

geltenden Neun.

viel Lärm um nichts machen

sich ohne Grund aufregen;

nach Shakespeares gleichnamiger Komödie: Die Geschichte handelt

von mehreren Paaren, die nach unterhaltsamen Verwicklungen

zusammenkommen, sich kurzzeitig trennen und wieder zueinander

finden.

ein Nickerchen machen

einen kurzen, leichten Schlaf schlafen;

das Wort „Nickerchen“ spielt auf den bei im Sitzen schlafenden

Menschen immer wieder nach unten sinkenden und plötzlich

hochgerissenen Kopf an, eine Bewegung, die dem Nicken ähnelt.

etwas geht jemandem an die Nierenetwas berührt einen stark;

aus dem Mittelalter: Man glaubte in den Nieren säße der Ursprung aller

Emotionen, sowie der Geschlechtstrieb des Menschen. Wenn jemandem

etwas an dieses Organ geht, so schlägt es ihm also auf das Gemüt.

ein Nimmersatt sein

unersättlich sein;

aus der Bibel abgeleitet: Dort steht im 2. Brief des Petrus 2,13–14: „Sie

halten es für eine Lust, am hellen Tag zu schlemmen [...], haben Augen

voll Ehebruch, nimmer satt der Sünde“; heute ist „Nimmersatt“ auch

der Name einer Storchenvogelart.

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Otto Normalverbraucherein Durchschnittsbürger ohne besondere Auffälligkeiten im

Konsumverhalten;

aus der Nachkriegszeit: Otto wurde im Deutschen wegen seiner

früheren Häufigkeit als Name des Durchschnittsbürgers verwendet.

„Normalverbraucher“ war eine der Zuteilungskategorien auf den

Lebensmittelkarten nach dem Krieg – also die Grundmenge ohne

jegliche Zulagen. Daraus machte der Regisseur Robert Stemmle

den „Otto Normalverbraucher“, die Hauptfigur des Nachkriegsfilms

„Berliner Ballade“ (1948).

die Notbremse ziehen

einer falschen, negativen Entwicklung gerade noch Einhalt gebieten;

die Notbremse z. B. in einem Zug ist eine technische Vorrichtung,

mithilfe derer die entsprechende Maschine zu einem sofortigen Halt

gebracht werden kann. Meist hat sie die Form eines verplombten

Griffs, der nach unten gezogen werden muss.

eine eigene Note haben

auch: eine besondere Note haben

eigen, etwas Besonderes sein;

aus der Musik: Diese positiv wie spöttisch verwendete Redensart

bezieht sich auf die Musiknoten. Eigene Noten zu spielen kann kreativ,

in einem Orchester aber auch höchst störend sein.

etwas bitter nötig haben

etwas sehr dringend brauchen;

„bitter“ dient in vielen Ausdrücken – darunter „bitterernst“, „bitterkalt“

usw. – zur Verstärkung und Steigerung.

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412

ein Notnagel sein

jemand/etwas, der/das nur ausnahms weise, in Notlagen genutzt oder

hinzugezogen wird;

bezieht sich vermutlich auf einen weniger fein geschmiedeten Nagel,

mit dem der Reiter früher ein sich lösendes Hufeisen seines Pferdes

notdürftig festschlug.

jemanden auf die Nudel schieben

jemanden hochnehmen, veralbern;

diese umgangssprachliche Redewendung ist lediglich der Versuch, ein

möglichst absurdes und realitätsfernes Bild vor dem inneren Auge des

Zuhörers entstehen zu lassen.

nullachtfünfzehnDurchschnitt, Mittelmaß, mittelmäßig;

aus der Militärsprache: Mit „nullachtfünfzehn“ war das

Maschinengewehr 08/15 gemeint, das 1908 erstmals gebaut und

1915 modifiziert wurde (daher die Ziffern folge). Am MG 08/15

wurden die Soldaten für den Kampf ausgebildet, es war also das

Standardmaschinengewehr, das besonders im Ersten Weltkrieg weite

Verbreitung fand.

eine harte Nusseine schwere Aufgabe;

vergleicht eine kaum zu lösende Aufgabe, aber auch einen nur schwer

zu durchschauenden Menschen mit einer Nuss, deren Schale kaum

geknackt werden kann.

eine taube Nussein Versager, jemand, der nicht das Erwartete leistet;

„taub“ hat in diesem Zusammenhang nichts mit einer

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Gehörschädigung zu tun, sondern bezeichnet (ähnlich dem

Bergbaubegriff „taubes Gestein“) lediglich einen Gegenstand, der

nicht das Erwünschte oder Erwartete enthält. Eine „taube Nuss“ ist also

eine leere Nussschale. Als solche erweist sich auch jemand, der in ihn

gesetzte Hoffnungen enttäuscht.

Ober sticht Unter

wer sich in der Hierarchie oben befindet, kann bestimmen;

der Ausdruck stammt von dem Kartenspiel „Bayerisch Schafkopf“. Dort

hat die Karte „Ober“ drei Augen Punktwert, die Karte „Unter“ nur zwei.

So kann der Besitzer eines Obers denjenigen Mitspieler mit einem

Unter ausstechen.

die Oberhand gewinnen

auch: die Oberhand behalten

der Stärkere, Erfolgreichere sein, den Sieg erringen;

aus dem Ringen: Ringer versuchen, die Hand über ihren Gegner zu

bekommen, denn nur, wer den anderen mit der Hand niederhalten

kann, ist Sieger! Schon im Mittelalter wurde die Wendung

redensartlich gebraucht, so schreibt Hartmann von Aue in seinem

Iwein, Frau Minne (die Liebe) „nam die obern hant“.

im Oberstübchen nicht ganz richtig sein

(leicht) verrückt sein;

das „Oberstübchen“ ist eine kleine Stube im Haus, die direkt unter

dem Dach liegt, oder generell das oberste Stockwerk. Übertragen auf

den menschlichen Körper wird damit das direkt unter dem Schädel-

dach Befindliche, also das Gehirn bezeichnet, in dem etwas nicht

ordnungsgemäß abläuft. „Hardensteins Reise“ von C. W. Kindleben

aus dem Jahr 1780 beinhaltet den ersten schriftlichen Beleg dieser

Redewendung.

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Oberwasser haben

in der besseren Lage sein, sich in einer günstigen Position befinden;

das „Oberwasser“ ist das oberhalb einer Talsperre gestaute Wasser, das

Unter wasser das auf der anderen Seite abfließende. Wer sich auf der

Seite des Oberwassers befindet, steht also zum einen erhöht, besitzt

zum anderen große Reserven.

seinen Obolus entrichten

einen kleinen Beitrag spenden;

aus dem Griechischen: In der Minyas, einem frühgriechischen Epos

(7./6. Jahrhundert v. Chr.), wird berichtet, dass man Toten eine kleine

Münze, den so genannten „obolus“ in den Mund legte. Er war als

Lohn für den Fährmann Charon gedacht, der die Toten über den Fluss

Acheron in die Unterwelt schiffte. Im Deutschen ist die Wendung erst

im 18. Jahrhundert gebräuchlich.

dastehen wie der Ochse vor dem Scheunentor

auch: dastehen wie die Kuh vor dem neuen Scheunentor

ratlos vor einem Problem stehen;

aus der Landwirtschaft: Der Ochse (oder die Kuh) muss vor dem

Scheunentor ratlos stehen bleiben, er kommt nicht rein, also „hinter“

die Lösung eines Problems.

eine Odyssee hinter sich haben

eine Irrfahrt durchgemacht haben;

aus der griechischen Mythologie: Odysseus, Titelheld Homers, musste

nach dem Trojanischen Krieg mit seinen Gefährten viele Jahre über die

Meere irren und zahlreiche Abenteuer bestehen, bevor er nach Hause

zurückkehren konnte.

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Jetzt ist der Ofen aus!

Jetzt ist meine Geduld zu Ende!

Aus der Soldatensprache: Wenn in der kalten Jahreszeit der Ofen

ausgeht, wird es ungemütlich.

mit dem Ofenrohr ins Gebirge schauen

leer ausgehen;

analog zu der Redewendung „in die Röhre gucken“.

ein offenes Ohr haben

zum Zuhören bereit sein;

Menschen sind nicht in der Lage, die Oh ren zu verschließen – diese

Redewendung ist vermutlich eine (zunächst scherzhafte) Abwandlung

von „die Augen offen halten“.

ganz Ohr sein

gut zuhören, sich auf das Gesagte konzentrieren;

eigentlich scherzhaftes Bild eines Menschen, der sich so auf den

Hörsinn konzentriert, dass er zu einem einzigen gro ßen Ohr wird.

jemandem das Ohr abkauen

ewig, ohne Pause auf jemanden einreden;

diese scherzhafte Redewendung verbindet die dem Kauen ähnliche

Mundbewegung des Sprechens mit dem Ohr des Zuhörers, das

aufgrund des beständigen Redeflusses schmerzen kann.

jemanden übers Ohr hauen

jemanden täuschen, betrügen, übervorteilen;

ursprünglich war hiermit tatsächlich der Schlag auf den Kopf (oder eine

Ohrfeige) des anderen gemeint. Später wandelte sich die Bedeutung, und

heute meint man nur noch den übertragenen „Schlag ins Gesicht“ – die

Täuschung, die teilweise ebenso schmerzen kann wie eine reale Ohrfeige.

Page 416: Reden Sar Ten 101210

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die Ohren auf Durchzug stellen

nicht zuhören;

diese eher scherzhafte Redewendung spielt mit dem Bild, man habe

eine direkte Verbindung von einem Ohr zum anderen, sodass durch

diese „Röhre“ der Schall direkt hindurchziehen kann.

es faustdick hinter den Ohren haben

sehr gerissen, listig, gewitzt sein;

im Volksglauben wurden für besondere Gerissenheit kleine Dämonen

verantwortlich gemacht, die hinter den Ohren sitzen und einem

Menschen Gemeinheiten einflüstern. Je größer diese Wesen sind – bis

zu faustgroß – desto mehr Unsinn heckt ihr „Besitzer“ aus.

feucht hinter den Ohren sein

noch unreif sein;

die Redensart geht zurück auf Neugeborene, die nach der Geburt

noch feucht bzw. nass hinter den Ohren sind. Wenn jemand noch

„grün hinter den Ohren ist“, bezieht sich das auf junge Küken, die am

Anfang ihres Lebens häufig im Augenbereich und damit auch hinter

den kaum sichtbaren Ohrlöchern grün sind. Dieses Zeichen für Unreife

verschwindet bei Enten erst mit der Geschlechtsreife.

Halt die Ohren steif!

Bleib tapfer! Mach weiter! Du schaffst das!

Eine bildhafte Übertragung aus dem Tierreich: Viele Tiere,

insbesondere Hunde und Pferde, richten ihre Ohren nach vorn, wenn

sie in guter Stimmung oder aufmerksam sind.

mit den Ohren schlackern

erstaunt sein;

bezieht sich vermutlich auf das fassungslose Kopfschütteln angesichts

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einer Tatsache, bei dem die Ohren – wären sie größer – hin- und

herschlagen würden.

sich etwas hinter die Ohren schreiben

sich etwas besonders gut merken;

aus der Rechtssprache: Zur sicheren Weitergabe von

Grenzfestlegungen wurden schon im 7. Jahrhundert Jungen – auch

in Hinsicht auf das Erbe – als Zeugen hinzugezogen und mit einer

Ohrfeige bedacht oder an den Ohren gezogen, um ihnen den

genauen Grenzverlauf einzuprägen. In Bayern soll sich dieser alte

Rechtsbrauch bis ins 18. Jahrhundert erhalten haben.

tauben Ohren predigen

vergeblich etwas anmahnen;

diese Redensart existierte bereits im Lateinischen, wo auch vergeblich

auf „einen tauben Esel“ eingeredet wird.

ein Ohrenschmaussehr schöne Musik, ein Hörgenuss;

wie bei „ein offenes Ohr haben“ tritt auch in dieser Wendung das Ohr

an die Stelle eines anderen Sinnesorgans, in diesem Fall der Zunge

und des Geschmackssinnes.

ein Ohrwurmein eingängiges Musikstück;

die bildliche Redensart soll ausdrücken, dass die Musik wie ein Wurm

in den Gehörgang hineinkriecht und dort bleibt. Dahinter steht die

aus dem Volksglauben kommende Annahme, Krankheiten würden

durch Würmer im Kopf verursacht. Als „earworm“ wurde der Begriff

auch ins Englische übernommen.

Page 418: Reden Sar Ten 101210

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etwas geht runter wie Öletwas schmeichelt einem, tut einem gut;

diese Redensart spielt auf die Viskosität von Öl an, das oft als

Schmiermittel, in seinen edleren Varianten aber auch zur Körperpflege

eingesetzt wird.

Öl auf die Wogen gießen

eine Situation beruhigen, die Lage deeskalieren;

seit der Antike bekannt: Diese Redewendung besagt das genaue

Gegenteil des „Öl ins Feuer Gießens“ – hier werden die Gemüter

beruhigt, Provokationen abgemildert. Die Wendung basiert auf

der Tatsache, dass sich Öl und Wasser nicht vermischen, sondern

dass Öl aufgrund seiner geringeren Dichte eine „Ölphase“ auf der

Wasseroberfläche bildet. Da es aber zugleich zähflüssiger ist, werden

die „Wogen“ unter einer Ölschicht sichtbar ge glättet.

Öl ins Feuer gießen

einen Streit provozieren, das Fass zum Überlaufen bringen;

bereits vor 2000 Jahren verwendet: Die Wirkung von Öl auf Feuer –

nämlich das Erzeugen hochschlagender Flammen, unter Umständen

sogar einer Stichflamme – ist schon seit Jahrtausenden bekannt.

Bereits Horaz gebrauchte in seinen Satiren den Ausdruck „Oleum

addere camino“, also „Öl dem Feuer hinzufügen“. Ein ähnliches Bild

verwendet die Redewendung „eine Sache anheizen“.

dastehen wie ein Ölgötzesteif und stumm dastehen, sich regungslos verhalten;

aus dem 16. Jahrhundert: bezeichnet ursprünglich ein mit Öl gesalbtes

oder mit Ölfarben angestrichenes Götzenbild. Luther verwendete

den Begriff als Spottwort für die mit Chrisam (Öl) gesalbten

katholischen Priester. Außerdem wurde er von den Bilderstürmern

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der Reformationszeit für die hölzernen Heiligenbilder in katholischen

Kirchen verwendet, daher leitet sich wohl die heutige Bedeutung her.

wie die Ölsardinensehr eng, dicht gedrängt;

die in Öl eingelegten Sardinen wurden früher vor dem Verkauf zu

Tausenden in einem Fass, dicht auf dicht, gelagert; heute werden sie in

Konserven, meist Kopf an Schwanz nebeneinander, angeboten.

der große Onkelauch: der dicke Onkel

der menschliche große Zeh;

aus dem Französischen: „Onkel“ ist lediglich eine ausspracheähnliche

Version des französischen Wortes „ongle“, was Finger- bzw. Fußnagel

bedeutet. In der härteren deutschen Aussprache wurde der Ausdruck

für den ganzen Zeh, aber eben nur für den großen, verwendet.

jemanden in den Orkus schicken

jemanden umbringen, verschwinden lassen;

nach der römischen Mythologie: Orkus (auch Pluto) ist der Name des

Gottes, der die Unterwelt regiert; sein Name wurde im Laufe der Zeit

auch als Bezeichnung für das ihm unterstehende Totenreich verwendet.

wenn Ostern und Pfingsten auf einen Tag fallen

niemals;

vom christlichen Festkalender abgeleitet: Ostern ist ein kirchliches Fest,

das die Auferstehung Jesu Christi feiert. Das Pfingstfest wird dagegen

nach antikem Brauch am 50. Tag nach Ostern gefeiert und zelebriert

das Eintreffen des Heiligen Geistes. Dementsprechend unmöglich

ist es, dass die beiden Kirchenfeste an einem Tag stattfinden, d. h., es

findet niemals statt.

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den flotten Otto haben

Durchfall haben;

aus dem 20. Jahrhundert: Diese redensartliche Wendung ist wohl dem

ähnlichen Klang von „flott“ und „Otto“ gechuldet und bezieht sich auf

den „flotten“, dringenden Gang zur Toilette.

ein P davorsetzen

etwas blockieren, verhindern;

aus dem Mittelalter: Während der Pest epidemien kennzeichnete man

Häuser, in denen sich Erkrankte aufhielten, mit einem großen „P“ an

Hauswand oder Haustür.

ein paar verpasst kriegen

auch: ein paar verpasst bekommen

Ohrfeigen bekommen;

in der verkürzten Wendung wird das, worum es eigentlich geht, nicht

erwähnt. Ursprünglich bezog sich „verpasst bekommen“ auf neue

Hosen, die angemessen werden mussten.

zwei Paar Stiefel sein

auch: zwei Paar Schuhe sein;

unterschiedlich sein; nicht zueinander gehören;

ein Paar Stiefel besteht aus zwei zwar unterschiedlichen Exemplaren

für den rechten und linken Fuß, die jedoch gleich beschaffen sind. Wer

hingegen versehentlich einen Schuh aus einem Paar, den anderen aus

einem anderen Paar anzieht, der wird aufgrund des unterschiedlichen

Gefühls an den Füßen den Irrtum schnell bemerken.

jemanden auf die Palme bringen

jemanden wütend machen;

gesteigerte Variante der Redewendung „(vor Wut) die Wand

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hochgehen“; Palmen sind sehr hochwachsende und aufgrund der

fehlenden Äste nur schwer zu besteigende Bäume.

die Büchse der Pandora öffnen

Unglück über die Welt bringen;

aus der griechischen Mythologie: Die Menschen lebten ohne Sorgen,

bis Prome theus den Göttern das Feuer stahl. Da sandte ihnen Zeus

Pandora mit einem Gefäß, in dem alle Übel der Welt verschlossen

waren. Als sie aus Neugier den Deckel öffneten, kamen diese Übel über

die Erde, nur die Hoffnung blieb in der Büchse zurück.

etwas auf sein Panier schreiben

etwas zu seinem Motto machen, seinem Ziel verpflichtet sein;

aus dem Mittelalter: „Panier“ wurde von dem französischen Wort

„bannière“ abgeleitet, auf das Ritter die Sache, für die sie kämpften,

schrieben – z. B. das Kreuz des Christentums.

panische Angst haben

auch: einen panischen Schrecken kriegen

größte, kopflose Angst haben;

aus der griechischen Mythologie: Vom griechischen Hirtengott Pan

erzählt die Sage, dass er in der Mittagsruhe manchmal ganze Herden

zu plötzlicher und anscheinend sinnloser Massenflucht aufjagte. Dieser

„panische Schrecken“ (panicus terror), der schon in antiken Quellen

für überstürzte, ins Verderben führende Reaktionen verantwortlich

gemacht wurde, findet sich im Deutschen ab dem 16. Jahrhundert.

unter jemandes Pantoffel stehen

von jemandem dominiert werden;

Pantoffeln werden nur zu Hause getragen und stehen damit

symbolisch für den Zustand einer Familie oder einer Ehe. Da früher

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körperliche Züchtigungen gang und gäbe waren, kam es bei sehr

herrischen Frauen – oder sehr unterwürfigen Männern – wohl des

Öfteren auch zu Schlägen mit dem Pantoffel für den Ehemann.

ein Pantoffelheldein Mann, der von seiner Frau dominiert wird;

ironischer Ausdruck, da der Mann, der „unter dem Pantoffel“ seiner

Ehefrau steht, mit Sicherheit kein Held ist.

ein Papiertigerjemand/etwas, der/das gefährlich wirkt, aber nicht ist;

ein gut gemachter Tiger aus Papier oder ein gutes Bild kann auf

den ersten Blick sehr erschrecken – bis man feststellt, aus welchem

Material er gefertigt ist.

nicht von Pappeordentlich, solide, kräftig;

hat nichts mit dem Pappkarton zu tun, sondern geht auf das heute nur

noch landschaftlich verbreitete Wort „Papp“ für Brei zurück. Wer also

nicht „von Pappe“, sondern mit ordentlichem, kräftigem Essen genährt

wurde, der wurde selbst gesünder und stärker.

Ich kenn doch meine Pappenheimerjemanden sehr gut kennen, die Reaktion, eines Menschen im Voraus

wissen;

aus Schillers Drama „Wallensteins Tod“: Schon vor der Veröffentlichung

des Dramas waren die Reitertruppen des Grafen zu Pappenheim

als besonders furchtlos und loyal bekannt geworden. Schiller legte

Wallenstein den noch heute oft zitierten Satz in den Mund als Antwort

auf die Frage, ob er an eine geheime Abmachung seiner Leute mit

dem Feind glaube (Wallensteins Tod III, 15).

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Gefreiter (der Pappenheimer): „[...] Denn du bist immer wahr mit uns

gewesen, das höchste Zutraun haben wir zu dir, Feldherr. Kein fremder

Mund soll zwischen uns sich schieben, den guten Feldherrn und die

guten Truppen.“ Wallenstein: „Daran erkenn ich meine Pappenheimer!“

kein Pappenstielnicht wenig, nicht zu verachten;

Pappenstiel ist eine Verkürzung von Pappen blumenstiel. Damit ist

der hohle Stiel des Pfaffenröhrleins – besser bekannt als Löwen zahn –

gemeint. Dieser gilt vermutlich als wenig wertvoll, weil die Samenkrone

leicht im Wind verweht und die Pusteblume oft Gegenstand von

Kinderspielen ist.

jemandem in die Parade fahren

jemandem energisch entgegentreten, sein Vorhaben zu vereiteln

versuchen;

aus der Militärsprache, bedeutete ursprüng lich „die Verteidigung des

Gegners durchbrechen“. Im 19. Jahrhundert wurde die Wendung auch

im übertragenen Sinne gebräuchlich.

ein Paragrafenreiterauch: ein Paragraphenreiter

ein kleinlicher Bürokrat;

abwertende Bezeichnung für jemanden, der stets auf den schriftlich

festgelegten Regeln und Gesetzen „herumreitet“ und ausnahmslos auf

ihre Einhaltung besteht.

einen Angriff parierengute Gegenargumente vorbringen;

aus dem Fechtsport: Die Abwehr eines gegnerischen Hiebs oder Stichs

mit dem Degen wird als „parieren“ bezeichnet.

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sich auf glattes Parkett wagen

unsicheres Terrain betreten, auf dem man gegen Ausrutscher auch im

übertragenen Sinne nicht gefeit ist;

bezieht sich auf frisch gebohnertes Parkett, das manchmal so glatt

und rutschig ist, dass man sehr vorsichtig sein muss, um nicht

auszurutschen und sich auf den Hintern zu setzen.

jemandem Paroli bieten

sich jemandem widersetzen, jemandem Kontra geben;

aus dem Kartenspiel: Wer beim Pharospiel gewinnt und den Gewinn

in der nächsten Runde wieder einsetzen möchte, der kann dies durch

das Umbiegen einer Ecke seiner Gewinnkarte – das Paroli – kenntlich

machen. Seit dem 19. Jahrhundert wird dieser Ausdruck im heutigen,

übertrage nen Sinne verwendet.

für jemanden Partei ergreifen

sich für jemanden einsetzen, jemandes Meinung/Plan unterstützen;

„Partei“ kommt vom lateinischen Wort „pars“ für „Teil, Richtung“; wer

für einen Freund Partei ergreift, der geht in dieselbe Richtung wie

dieser.

„Früher oder später muss man Partei ergreifen, wenn man ein Mensch

bleiben will.“ (Graham Greene, Der stille Amerikaner)

mit von der Partie sein

mitmachen, dabei sein;

bezieht sich entweder auf eine Runde im Sport oder bei

Gesellschaftsspielen oder auf den früher üblichen Ausdruck

„Landpartie“ für einen Ausflug.

ein blinder Passagierein Fahrgast, der sich versteckt hält, weil er nicht bezahlt hat;

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wiewohl heute eher auf Schiffe oder Flugzeuge bezogen, stammt

die Wendung aus dem Postkutschenverkehr und entstand im

18. Jahrhundert.

passen müssen

aufgeben müssen, etwas nicht wissen;

„passen“ bezeichnet das Aussetzen für eine Runde bei einem

Gesellschafts- oder Kartenspiel. Wer passen muss, muss für den

Moment kapitulieren – weil seine Karten zu schlecht sind oder er

nichts weiß.

ein Patentrezepteine Generallösung;

ähnlich der „Patentlösung“ steht das „Patentrezept“ für ein Heilmittel,

im übertragenen Sinne für eine Lösung, die unter allen Umständen

wirkt. Das „Patent“, also die Sicherung der Urheberrechte, steht hier

schlicht für das Innovative und die Modernität des besagten Rezeptes.

in der Patsche sitzen

sich in Schwierigkeiten befinden;

diese inhaltlich zur Redensart „in der Klemme stecken“ analoge

Wendung entwickelte sich vermutlich aus dem lautmalerischen

„patsch“, wie es z. B. durch eine Ohrfeige hervorgerufen wird.

jemandem aus der Patsche helfen

jemandem aus einer schlimmen Lage heraushelfen;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: „Patsch“ ist die lautmalerische

Umschreibung einer Ohrfeige; Patsche war dementsprechend sowohl

eine Bezeichnung für ein Instrument zum Schlagen als auch für die

Stelle, an die etwas schlägt.

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mit Pauken und Trompeten

auch: mit Bomben und Granaten

ganz und gar, mit großem Abstand;

bezeichnet meist das Durchfallen in einer Prüfung u. ä. Situationen, in

denen jemand vollkommen versagt. Der eigentlich ironische Unterton

ist inzwischen verloren gegangen; ursprünglich wurden „mit Pauken

und Trompeten“ (oder Fanfaren) festliche Anlässe gefeiert.

vom Saulus zum Paulus werden

sich bekehren;

abgeleitet aus der Bibel: Bezieht sich auf die Bekehrung des Apostels

Paulus, der durch eine Christuserscheinung vom Verfolger zum

Anhänger des Christentums wird (Apostelgeschichte 9,1–20).

wie Pech und Schwefel zusammenhalten

fest zusammenhalten;

aus dem Mittelalter: In der Genesis (19,24) heißt es: „Da ließ der Herr

Schwefel und Feuer regnen vom Himmel herab auf Sodom und

Gomorra.“ In Verbindung mit Schwefel brennt Pech besonders lange

und intensiv. In mittelalterlichen Vorstellungen von der Hölle spielten

die beiden Stoffe daher eine große Rolle.

eine Pechsträhne haben

in einem fort Missgeschicke erleiden;

die Verwendung des Wortes „Pech“ für Unglück geht auf den

Vogelfang zurück, bei dem die Vögel mit Leim oder Pech gefangen

wurden.

ein Pechvogel sein

sehr oft Pech haben;

aus dem Vogelfang: geht ähnlich wie „jemandem auf den Leim gehen“

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auf die früher weit verbreitete Methode des Leimrutenlegens zurück.

Die Vögel ließen sich auf den mit Leim oder Pech bestrichenen Ruten

nieder und klebten fest. Auch Mäuse wurden mit solchen Pech- oder

Leimfallen gefangen.

den Pegasus besteigen

dichten;

dem bereits in der griechischen und römischen Mythologie

bekannten Flügelross wurde von jeher eine besondere Verbindung

zur dichterischen Gabe nachgesagt. Diese Redewendung erhält

jedoch einen leicht spöttischen Unterton, da das Fabelwesen

selbstverständlich zu edel ist, als dass es sich besteigen ließe. So

berichtet auch die Sage, dass Bellerophon es zähmen und reiten

wollte. Pegasus warf ihn ab und stieg zum Himmel, wo es seither als

Sternbild zu sehen ist.

Zuckerbrot und Peitschemittels Lob und Strafe;

das Erziehungskonzept hinter der Wendung „Zuckerbrot und Peitsche“

ist einfach: Bei Wohlverhalten wird der Mensch oder das Tier durch

Lob oder Futter belohnt, bei einem Fehlverhalten wird gestraft.

Diese Methode ist heute als veraltet anzusehen, da sie auf der Angst

vor Strafe basiert. Angst aber hemmt stets die Lernfähigkeit. Im

übertragenen Sinne – mit Lob und Tadel – ist dieses System aber im

alltäglichen Leben oft anzutreffen.

jemandem auf der Pelle liegen

jemandem zu nahe kommen, ihn durch zu große Nähe stören;

„Pelle“ (lateinisch „pellis“, Haut) ist ein umgangssprachlicher Ausdruck

für „Haut“; wer jemandem auf dieser sitzt, hat – meist ohne dessen

Einverständnis – Tuchfühlung zu ihm aufgenommen.

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jemandem auf die Pelle rücken

jemandem zu nahe kommen, ihn einengen, angreifen;

Pelle kommt vom lateinischen „pellis“ (Fell, Pelz) und bedeutet Haut –

so etwa in Wurstpelle oder Pellkartoffel. Wer jemandem auf die „Haut“

rückt, der kommt ihm deutlich zu nahe.

Perlen vor die Säue werfen

etwas vergeuden, etwas jemandem geben, der es nicht genügend

wertschätzt;

aus der Bibel: Wie so viele alltäglich verwendete Redewendungen

hat auch diese einen biblischen Ursprung. In Matthäus 7,6 sagt

Jesus: „Ihr sollt das Heilige nicht den Hunden geben, und eure Perlen

sollt ihr nicht vor die Säue werfen, damit die sie nicht zertreten

mit ihren Füßen und sich umwenden und euch zerreißen.“ Die hier

genannten Tiere sind jedoch nur Symbole für bestimmte Gruppen.

So steht „Hunde“ für die Heiden; „Säue“ nimmt Bezug auf die jüdische

Ansicht, das Schwein sei ein „unreines“ Tier, symbolisiere Heiden und

Gottesverächter. Die „Perle“ ist dementsprechend das Evangelium.

jemandem einen Persilschein ausstellen

jemandem freie Hand in einer Sache zugestehen;

nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden: Das reine Weiß der Wäsche,

das bei einer Wäsche mit dem Waschmittel Persil erzielt wird,

wurde auf die „weiße Weste“ übertragen, die nicht an den national-

sozialistischen Verbrechen Beteiligten nach dem Krieg bescheinigt

wurde.

jemandem hat`s die Petersilie verhagelt

auch: jemandem die Petersilie verhageln

jemand ist niedergeschlagen, missmutig;

aus der Gärtnerei: Da Petersilie nur sehr schwerfällig keimt und

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langsam wächst, ist es für den Gärtner besonders ärgerlich, wenn sie

verhagelt, also von Hagelkörnern verwüstet wird und nicht mehr zu

gebrauchen ist.

petzenauch: jemanden verpetzen

jemanden denunzieren; jemandes Vergehen öffentlich bekannt

machen;

aus dem 18. Jahrhundert: Dieser heute allgemein übliche Ausdruck

stammt wieder einmal aus der Gaunersprache. Das rotwelsche Wort

„pazah“ bedeutet so viel wie „den Mund aufreißen“. Außerhalb der

Verbrecherkreise war „Petze“ bzw. „petzen“ zunächst nur in der

Sprache der Studenten in Halle zu finden, breitete sich aber bald über

ganz Deutschland aus.

etwas auf der Pfanne haben

etwas vorhaben, einen Plan haben;

aus dem 19. Jahrhundert: Gemeint ist hier die Pfanne an alten

Gewehren, in die ein Teil des Pulvers eingefüllt wurde, das jenes im

Lauf entzündete. Hatte man bereits Pulver auf der Pfanne, so war man

zum Angriff oder zur Verteidigung bereit.

jemanden in die Pfanne hauen

jemanden vernichtend kritisieren, ihn endgültig niedermachen;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: Gemeint ist hier das Kochutensil, die

früher gusseiserne Bratpfanne. Vermutlich bezog sich diese Redensart

ursprünglich auf Eier, die in die Pfanne geschlagen werden.

„[...] ich habe das Herz auf dem rechten Fleck, während Sie das Ihre

wohl meistens in den Hosen haben, und ich würde Sie in die Pfanne

hauen mitsamt Ihrem ‚Geist und Wort‘ [...].“ (Thomas Mann, Tristan)

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jemandem Pfeffer in den Arsch blasen

jemanden antreiben, streng behandeln;

beruht vermutlich, ebenso wie die Redensart „Pfeffer im Hintern

haben“, auf eine Praxis im Pferdehandel. Durch den Einsatz von Pfeffer

unter dem Schweif wurden aus lahmen Gäulen feurige Rösser.

jemanden dorthin schicken, wo der Pfeffer wächst

auch: jemand soll bleiben, wo der Pfeffer wächst

jemanden weit weg wünschen;

das „Land, in dem der Pfeffer wächst“, war von jeher Indien. Noch bis

ins letzte Jahrhundert bedeutete eine Reise nach Indien eine lange

und gefährliche Fahrt. Wenn sich jemand also nach Indien, in das

Pfefferland, begab, so war eine rasche Rückkehr ausgeschlossen. Nach

einer anderen Erklärung abgeleitet von der franzö sischen Kolonie

Französisch-Guayana, einem traditionellen Pfefferanbaugebiet, das

wegen des dort herrschenden mörderischen Dschungelklimas auch

Verbannungsort für Schwerstverbrecher war.

Pfeffer im Hintern haben

auch: Pfeffer im Arsch haben

lebhaft sein;

diese umgangssprachliche Wendung vergleicht das Verhalten eines

Menschen, der nicht stillhalten kann, mit dem eines Tieres, das das

Brennen von Pfeffer auf empfindlichen Schleimhäuten nicht ertragen

kann. Die Wendung kommt vermutlich aus dem Pferdehandel,

wo man lahme Gäule durch Pfeffer unter dem Schweif zu feurigen

Rössern machte. Ähnliche Praktiken sind selbst heute noch vereinzelt

auf Reitturnieren anzutreffen.

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jemanden ins Pfefferland wünschen

auch: etwas ins Pfefferland wünschen

sich jemanden weit weg wünschen;

„jemanden in das Land, wo der Pfeffer wächst, wünschen“ beruht, wie

„jemanden dorthin schicken, wo der Pfeffer wächst“, auf der großen

Entfernung der traditionellen Pfefferanbaugebiete in Indien oder

Südamerika zu Europa, der gefahrvollen Reise dorthin und den harten

dortigen Lebensbedingungen.

jemandem eine pfeffernjemandem eine Ohrfeige verpassen;

das aus Asien stammende Gewürz steht wegen seiner beißenden

Schärfe für alle scharfen, schmerzhaften oder sehr unangenehmen

Begebenheiten (vgl. „gepfeffer ter Brief“ u. Ä.) – wie in diesem Fall die

scharf brennende Ohrfeige.

auf etwas pfeifenauf etwas verzichten; etwas ist einem egal;

nicht geklärt: Es findet sich der Verweis auf die Pfeife, ein kleines,

wertloses Instru ment, die einer Person für etwas, das einem egal

ist, gegeben wird. So wird der Satz „Ein pfeiff geb ich euch, lieben

Herrn, umb alle eure gedult und geistlichkeit“ aus Jacob Freys

„Gartengesellschaft“ gedeutet. Ebenso kann allerdings das rasche,

abfällige Luftausstoßen für eine Sache gemeint sein, bei dem bei

gespitzten Lippen auch ein Pfeifton entstehen kann.

den Pfennig dreimal umdrehen

auch: den Cent/Euro dreimal umdrehen

sehr sparsam sein;

wer den Pfennig bzw. heute den Cent oder den Euro dreimal umdreht,

bevor er ihn ausgibt, der macht sich – entweder aus lauter Geiz oder

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aufgrund seiner Armut – schon über kleinste Beträge große Gedanken

und dreht dabei redensartlich die Münze in der Hand.

das Pferd beim Schwanz aufzäumen

eine Sache am falschen Ende beginnen, etwas falsch anfangen;

der Zaum des Pferdes muss an dessen Kopf angebracht werden, um

das Tier kontrollieren und lenken zu können. Zäumt man am Schweif

auf, so ist dies vollkommen sinnlos – und das Reiten unmöglich.

jemandem etwas vom Pferd erzählen

Unsinn, Lügen erzählen;

aus der antiken Mythologie: Angeblich geht diese Redewendung auf

eines der berühmtesten und größten Geschenke der Geschichte zurück

– das Trojanische Pferd. Die Trojaner zogen das Holzpferd und die

athenischen Soldaten in seinem Inneren keineswegs umgehend durch

das Stadttor. Also sandten die Athener einen Mann nach Troja, der den

Einwohnern Lügen „vom Pferd“ erzählte – so lange, bis die Trojaner das

Pferd in die Stadt brachten und von den Athenern überwältigt wurden.

vom Pferd auf den Esel kommen

sich verschlechtern, in eine unbequemere Lage geraten;

während man auf einem Pferd verhältnismäßig bequem unterwegs

war, bedeutete das Reisen auf einem Esel eine mühevolle Aufgabe

und einen weit höheren Zeitaufwand. Wer also vom stolzen Ross

auf ein Grautier umsatteln musste, dessen Lage verschlechterte sich

deutlich.

Dahin bringen mich keine zehn Pferde!

Das mache ich nie und nimmer!

Das Bild, das mit dieser Redewendung gezeichnet wird, ist das eines

Zehnspänners, also eines Zuges mit zehn zusammengespannten

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Pferden, die den Sprecher in Richtung einer unliebsamen Aufgabe

zu ziehen versuchen. Als noch keine Lastwagen und Traktoren

existierten, waren Pferde im Zehnerzug die stärkste Kraft, die man sich

vorstellen konnte – doch selbst diese reicht manchmal nicht aus, einen

Menschen zu etwas zu bewegen.

die Pferde scheu machen

jemanden unnötig aufregen;

aus der Reiterei: Pferde sind, da sie Beutetiere sind, leicht in die Flucht

zu schlagen. Ihr Überlebenstrieb sorgt dafür, dass sie bei geringen

Anlässen ängstlich werden und durchgehen wollen. Wenn jemand „die

Pferde scheu“ macht, dann sorgt er bei jemand anderem wegen eines

vermutlich nichtigen Anlasses für Nervosität und Aufregung.

jemand, mit dem man Pferde stehlen kann

ein guter und zuverlässiger Freund;

„Pferdeklau“ war schon immer ein Vergehen – und deswegen konnte

man ihn nur mit jemandem gemeinsam durchführen, dem man

absolut vertraute. Nur bei einem sehr verlässlichen Menschen konnte

man darauf vertrauen, dass er niemandem davon erzählte.

mit jemandem gehen die Pferde durch

jemand ist übermütig; jemand verliert die Selbstkontrolle; jemand tut

etwas Unverständliches;

aus dem Reit- und Pferdesport: „Durchgehen“ meint im Reit- und

Kutschsport das (erschreckte) abrupte Vorwärtsstürmen der Pferde,

bei dem der Reiter oder Kutscher keinerlei Einwirkungsmöglichkeit

mehr hat.

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einen Pferdefuß haben

einen Nachteil, einen Haken haben;

aus dem Volksglauben: Der „Pferdefuß“, den eine Sache haben kann,

ist der Teufel im Detail. Der Leibhaftige selbst stand Pate für diese

Redewendung. Der Teufel kann sich nämlich als normaler Mensch

tarnen; das Humpeln, das auf seinen Pferde fuß (oder Bockshuf)

hinweist, verrät ihn stets.

etwas hat Pfiffetwas ist besonders originell, erregt Aufmerksamkeit;

entstand aufgrund des häufig zu hörenden anerkennenden Pfeifens,

wenn ein solcher Gegenstand gesehen wird.

jemanden einen Pfifferling kümmern

auch: jemanden einen Dreck kümmern

jemanden nicht interessieren;

aus dem 16. Jahrhundert: Während „Dreck“ als Bild für etwas Wertloses

jedem einleuchten wird, erscheint die Wendung mit dem Pfifferling

schon ungewöhnlicher: Obwohl der Speisepilz heute nicht billig

ist, wurde er früher als Synonym für Bedeutungs- oder Wertloses

gebraucht. Dies erklärt sich aus seinem massenhaften Auftreten –

wo ein Exemplar zu finden ist, da wachsen in nächster Nähe noch

zahlreiche andere.

keinen Pfifferling wert sein

überhaupt nichts wert sein;

vermutlich hat diese Redewendung nichts mit dem gleichnamigen

Speisepilz zu tun, sondern mit einer kleinen Münze. Im schwäbischen

Sprachraum wurde ein Fünfpfennigstück Pfifferle genannt. Wenn

etwas „keinen Pfifferling wert“ ist, würde man nicht einmal fünf

Pfennig dafür zahlen.

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geschmückt sein wie ein Pfingstochseaufgedonnert, übertrieben gekleidet oder geschminkt sein;

aus dem Brauchtum: An Pfingsten wurde in vielen Regionen ein mit

Blumengirlanden festlich geschmückter Ochse (oder Hammel) durch

den Ort und auf die Weide getrieben. Dieser Brauch geht vermutlich

auf ursprünglich an hohen Festen dargebrachte und zuvor schön

geschmückte Tier opfer zurück.

ein teures Pflastereine teure Gegend;

„Pflaster“ steht stellvertretend für „ Straße“, die wiederum synonym mit

Gegend, Stadtteil gesetzt wird.

ein Pflaumenaugust sein

ein dummer/langweiliger Mensch sein;

dieser Ausdruck ist eine doppelte Beleidigung: Zum einen vergleicht

er jemanden mit dem „dummen August“, dem Narr aus dem Zirkus,

zum anderen nennt er ihn eine (faulende) Pflaume.

auf dem Pfropfen sitzen

in größter Verlegenheit sein;

bezieht sich nicht etwa auf den Verschluss einer Weinflasche, sondern

auf den eines Pulverfasses. Wer auf dem auf die Pulverladung

gepressten Stöpsel sitzt, der kann jeden Augenblick in die Luft fliegen.

ein Pfundskerlein toller Mensch, ein sehr guter Freund;

„Pfund“ ist nicht nur die Bezeichnung für ein spezifisches Gewicht,

sondern allgemein für etwas Dickes, Schweres, Stabiles – so stabil wie

die Loyalität eines guten Freundes.

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eine Philippika halten

eine Straf-, Kampfrede halten;

aus der griechischen Antike: wird auf den bedeutenden griechischen

Redner Demosthenes zurückgeführt, der eine berühmt gewordene

Rede hielt, in der er zum Widerstand gegen den Vater Alexanders des

Großen, Philipp II. von Makedonien, aufrief.

sich wie Phönix aus der Asche erheben

auch: wie Phönix aus der Asche aufsteigen

aus einer eigentlich hoffnungslosen Lage einen Triumph machen;

aus der ägyptischen Mythologie: Im Hellenismus wurde vermutet, dass

der Mythenvogel Phönix aus den Überresten des ägyptischen Gottes

der Wiedergeburt, Osiris, entstand. Der sagenumwobene Vogel soll

eine Lebenserwartung von bis zu 500 Jahren gehabt haben. Sobald

er sein Lebensende herannahen fühlte, setzte er sich in sein Nest und

verbrannte. In seiner Asche blieb allerdings ein Ei zurück, woraus der

Phönix erneut schlüpfte und die Welt zum wiederholten Mal erblickte.

leere Phrasen dreschen

auch: (hohle) Phrasen dreschen

seit dem 19. Jahrhundert belegt: Gedroschen wird üblicherweise

nur Stroh; diese Tätigkeit ist allerdings bei leerem Stroh (siehe dort)

ebenfalls recht sinnlos. Die Wendung wurde entsprechend auf

Phrasen, also Geschwätz übertragen.

jemanden piesackenjemanden wiederholt ärgern, quälen;

aus dem Niederdeutschen: „Pesek“, das niederdeutsche Wort für

„Peitsche“ (meist in Ossenpesek, „Ochsenziemer“), bildete den

Ursprung des Ausdrucks „piesacken“.

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etwas von der Pike auf gelernt haben

etwas von Grund auf beherrschen, gelernt haben;

aus dem 17. Jahrhundert: Die „Pike“ in dieser Redewendung meint die

Stangenwaffe, an der die jungen Soldaten zu Beginn ihrer Laufbahn

ausgebildet wurden. Wer etwas „von der Pike auf“ lernt, der durchläuft

also die gesamte Ausbildung ab der ersten Stufe.

eine bittere Pille für jemanden sein

sehr unangenehm für jemanden sein;

aus der Medizin, seit dem 17. Jahrhundert belegt: Ähnlich einer wenig

wohlschmeckenden Medizin sollte man Unangenehmes nicht lange „im

Mund“ herumwälzen, sondern es einfach akzeptieren und schlucken.

die Pimpernellen kriegen

das Gefühl haben, besonders hart betroffen zu sein; die Geduld

verlieren;

aus dem Mittelalter: Die Pimpernelle taucht in alten Pestsagen als

Heilmittel gegen die Krankheit auf: „Ist die Krankheit noch so schnell,

heilt sie doch die Pimpinell!“ Wer also die Pimpernellen kriegte, der war

insofern hart getroffen, als er fürchten musste, dennoch an der Pest zu

sterben.

ein feiner Pinkelein reicher, unsympathischer Mensch;

stammt vermutlich von dem ostfriesischen Wort „pink“ für Würstchen,

Fingerglied, mit dem gelegentlich auch das männliche Genital

bezeichnet wird.

wie aus der Pistole geschossen antworten

sofort, ohne Zögern antworten;

wird für eine besonders schnelle, schlagfertige Antwort verwendet.

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jemanden auf den Plan rufen

jemand zum Erscheinen oder Handeln herausfordern;

„plan“, abgeleitet vom lateinischen Wort „planus“ (eben), bedeutete

im Mittelhochdeutschen noch „Ebene, Kampfplatz“; wer auf den Plan

gerufen wurde, der erhielt eine Aufforderung zum Kampf. Von dieser

Bedeutung leitet sich die moderne Redensart ab.

eine platonische Liebe

eine Liebe nur auf geistiger Ebene, eine innige Freundschaft ohne

Sexualität;

nach dem griechischen Philosophen Platon: In seinem „Symposion“

preist Platon (427–347 v. Chr.) wahre Liebe als von körperlichem

Begehren freie Liebe, die nur unter Gleichen möglich sei.

ein Pleitegeierjemand, der bankrott gemacht hat;

aus dem Jiddischen: Der „Geier“ dieser Redewendung hat wenig mit

dem Aas fressenden Vogel zu tun, sondern ist nur eine sprachliche

Angleichung von „Geher“ an den Diphthong „ei“ des ersten Wortteils.

Das Wort „Pleite“ entwickelte sich aus dem hebräischen Wort „peléta“

(fliehen). Ein „Pleitegeier“ ist also ein Mensch, den seine großen

Schulden dazu zwingen, auf die Flucht zu gehen.

plemplem sein

(ein bisschen) verrückt sein;

nicht eindeutig geklärt; mögliche Erklä rungen sind der

Zusammenhang mit dem Dialektausdruck „Plempel“ für ein schal

gewordenes Getränk oder mit der in Kärnten üblichen Bezeichnung

„Plempel“ für einen unbeholfenen und dümmlichen Menschen.

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Noch ist Polen nicht verloren

noch besteht die Aussicht auf Rettung;

erste Zeile des Dombrowski-Marsches, der Antwort der polnischen

Bevölkerung auf die Niederlage gegen Russland in der Schlacht von

Maciejowice am 10. Oktober 1794.

von Pontius zu Pilatus laufen

eine ziel- und damit sinnlose Reise;

von 26–36 n. Chr. war Pontius Pilatus Statthalter der Provinz Judäa.

Wer „von Pontius zu Pilatus“ läuft, wird diesem Präfekten jedoch kaum

begegnen. Die Redewendung symbolisiert nur die Unsinnigkeit der

Reise, da sie ja mit zwei Namen von ein und derselben Person spricht.

Porzellan zerschlagen

sich taktlos verhalten, in einer sensibel zu handhabenden Situation

das Falsche sagen oder tun;

Porzellan steht in Redewendungen stets symbolisch für Dinge oder

Entwicklungen, die aufgrund ihrer Fragilität mit großer Vorsicht zu

behandeln sind.

wie ein Posaunenengel aussehen

rosig, pausbäckig aussehen;

aus der Bibel: Die Engel mit Posaune, kurz: „Posaunenengel“, erscheinen

in Mat thäus 24,31, wo es heißt: „... und wird senden seine Engel mit

hellen Posaunen“. Selbst Engel sehen jedoch beim Posauneblasen nicht

unbedingt vorteilhaft aus. So sind eine leicht gerötete Gesichtsfarbe

und durch das Blasen runde Backen typisch für dieses beliebte Motiv

von Orgelverzierungen.

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Da geht die Post ab!

Da passiert was! Da ist gute Stimmung!

Nachrichten- und Warentransportdienste sind seit vorchristlicher

Zeit üblich und u. a. für das antike Ägypten nachgewiesen. Bereits

damals waren Poststationen üblich, an denen die Reit- oder Zugtiere

gewechselt wurden, damit man nicht durch lahme oder müde Pferde

Zeit verlor. So wurde die Post zum Symbol schneller Fortbewegung.

auf verlorenem Posten stehen

in einer aussichtslosen Situation sein, einen vergeblichen Kampf

führen;

aus der Militärsprache: Posten kommt in dieser Wendung vom

soldatischen Wachposten, der verloren ist, wenn die eigenen Truppen

sich bereits im Rückzug befinden.

nicht ganz auf dem Posten sein

nicht ganz wohlauf sein, sich nicht gut fühlen;

aus der Soldatensprache: „Auf dem Posten sein“ bedeutete

ursprünglich, seinen Wachdienst zu versehen.

seinen Posten verlieren

entlassen werden;

aus der Militärsprache: „Posten“ (vom italienischen Wort „posto“)

bezeichnet ursprünglich den Standort eines oder mehrerer Soldaten,

um dort z. B. den Feind zu beobachten oder Wache zu halten.

Potemkinsche Dörfer

Blendwerk, nur schöner Schein;

aus dem 18. Jahrhundert: Der russische Fürst Grigori Alexandrowitsch

Potemkin wurde von Katharina der Großen mit der Besiedelung

„Neurusslands“ (das den Türken abgenommen worden war) ab 1765

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beauftragt. Als die Zarin die Gebiete bereisen wollte, ließ Potemkin

großartige Holzfassaden vor den ärmlichen Hütten anbringen und

in Sichtweite der Reiseroute ganze Dorfsilhouetten errichten, um

Reichtum vorzutäuschen.

zu Potte kommen

vorankommen, Fortschritte machen;

meint den Nachttopf; eine wieder einsetzen de Verdauung zeigt oft den

Beginn der Rekonvaleszenz eines schwer Erkrankten an.

jemanden an den Pranger stellen

auch: jemanden anprangern

jemanden bloßstellen;

aus dem Mittelalter: Der Pranger oder Schandpfahl bestand aus

einem Pfosten, an dem Ketten oder ein Brett mit ausgesägten

Löchern befestigt war, durch die ein Verurteilter den Kopf und die

Hände stecken musste. So wurde er für jeden sichtbar als Verbrecher

kenntlich gemacht, oft mit einem Schild, auf dem sein Vergehen

nachzulesen war.

wie auf dem Präsentierteller sitzen

allen Blicken ausgesetzt sein;

der „Präsentierteller“ ist kein wirklicher Bestandteil des Geschirrs,

sondern eher jeder große Teller, auf dem Speisen (oder Personen)

vorgezeigt werden.

der Prellbock für jemanden sein

derjenige sein, der Konflikte auffangen/die Folgen tragen muss;

aus dem Bahnwesen: Der Prellbock dient dem Abschluss eines Gleises

und verhindert, dass ein Zug oder ein Waggon über das Schienenende

hinausrollen kann.

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So schnell schießen die Preußen nicht!

So schnell geht das nicht, keine Eile!

Aus dem Militär: Eine unbewiesene, aber wahrscheinliche Erklärung

ist die Einführung des Zündnadelgewehrs im preußischen Heer, das

schneller schoss als der Vorderlader und den Preußen damit einen

großen Vorteil gegenüber den Gegnern einräumte. Die Redensart

lautete dann ursprünglich „so schnell schießen selbst die Preußen

nicht“.

eingehen wie eine Primelpsychisch und physisch verfallen;

aus der Botanik: Die kleine Schlüssel blume ist eine sehr empfindliche

Pflanze, die, einmal in der Vase, schnell verwelkt.

wie eine Prinzessin auf der Erbse

überempfindlich;

aus dem Märchen: Bei jener Prinzessin in Hans Christian Andersens

Märchen war es ein Zeichen ihres Adels, dass sie die Erbse unter

mehreren Matratzen spüren konnte. Heute ist die Bezeichnung

„Prinzessin auf der Erbse“ jedoch kein Kompliment mehr, sondern eher

als Kritik zu verstehen.

ein Prophet gilt nichts in seinem Vaterlande

auch: der Prophet im eigenen Land ist nichts wert

selbst der fähigste Mensch kann dort, wo er zu Hause ist, keinen Erfolg

erzielen;

aus der Bibel: Matthäus 13,53–58 berichtet darüber, wie Jesus

zurückkehrt in seine Stadt, und statt seinen Lehren zuzuhören, fragen

sich die Bürger nur, woher der Sohn Marias und Josefs auf einmal

solche Weisheit hat. Jesus antwortet: „Ein Prophet gilt nirgends

weniger als in seinem Vaterland und in seinem Haus.“

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beim Barte des Propheten (schwören)

auch: bei meinem Barte

glaubhaft versichern;

aus dem Volksglauben: Ähnlich wie das Kopfhaar galt auch der Bart

lange Zeit als Sitz der Lebenskraft. Um die Aufrichtigkeit eines Schwurs

zu betonen, berührte man dabei den Bart, schwor also bei seinem

Leben. Hatte man selbst keinen Bart oder wollte man dem Schwur

mehr Gewicht verleihen, schwor man „beim Barte des Propheten“.

kurzen Prozess machen

rasch handeln, ohne Möglichkeit zum Widerspruch zu lassen;

aus dem Gerichtswesen: Gerichtsprozesse werden als ein Beispiel

sich aufgrund übertrieben formeller Regelungen ewig hinziehender

Angelegenheiten gesehen. Ein „kurzer Prozess“ erscheint damit als

ein Widerspruch in sich; er bezieht sich vermutlich auf einen vorzeitig

abgebrochenen Gerichtsvorgang.

der Prügelknabe sein

auch: als Prügelknabe herhalten

den Sündenbock spielen, für etwas bestraft werden, an dem man

gar nicht schuld ist;

während körperliche Züchtigung in ärmeren Familien früher an

der Tagesordnung war, war es verpönt, wenn nicht verboten,

Kinder adliger Abstammung durch Schläge zu bestrafen. Damit die

Erziehungsberechtigten dennoch ihrem Unmut freien Lauf lassen

konnten und da subtilere Strafen kaum bekannt waren, musste ein

„Prügelknabe“ her. Dies war meist das Kind eines Bediensteten.

Er wurde nun anstelle des jungen Adligen geschlagen; der reiche

Spross musste dabei zusehen. So sollte er zumindest Scham und

Mitleid empfinden und sein Vergehen deshalb nicht wiederholen.

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Pudding in den Beinen haben

auch: Pudding in den Armen haben

keine Kraft in den Beinen bzw. Armen haben;

scherzhafte Anspielung auf weiches, in der Konsistenz also

puddingähnliches Fett an den Armen oder Beinen anstelle fester

Muskeln.

dastehen wie ein begossener Pudelbeschämt bzw. kleinlaut sein;

das Fell eines Pudels ist fein, wollig, dicht und gekräuselt; die

Redensart leitet sich vermutlich vom komischen Anblick des sich

vor Nässe schüttelnden Tieres her und ist schon im17. Jahrhundert

bekannt geworden.

„Tausend Sakerment! Da hättest du den Kerl sehen sollen die Augen

aufreißen und anfangen zu zappeln wie ein nasser Pudel.“ (Schiller, Die

Räuber II,3)

pudelnass sein

sehr nass, tropfend nass sein;

aus dem Tierreich: Der Pudel, heute ein beliebter Familienhund, wurde

ursprünglich als Jagdhund eingesetzt. Sein „Spezial gebiet“ war die

Jagd im Wasser; er wurde somit regelmäßig „pudelnass“. Bei der Suche

nach dem Ursprung des Namens „Pudel“ trifft man auf den inzwischen

veralte ten niederdeutschen Ausdruck „Pfudel“ für Pfütze, Lache. Ob

„pudelnass“ nun bedeutet „nass wie aus einer Pfütze“ oder ob der

Ausdruck einen Umweg über den Hund genommen hat, ist heute

nicht mehr eindeutig nachvollziehbar.

sich pudelwohl fühlen

sich sehr wohl fühlen;

die Bezeichnung der Hunderasse Pudel leitete sich von dem

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niederdeutschen Wort „Pfudel“ für Pfütze, Lache ab (daher auch

„pudelnass“); man fühlt sich also „pudelwohl“ wie der Pudel in einer

Pfütze.

jemandem auf den Puls fühlen

jemanden überprüfen, ausfragen;

aus der Medizin abgeleitet: Das ärztliche Interesse am Pulsschlag

geht auf seine Aussagekraft über den gesundheitlichen Zustand

eines Menschen zurück; über die Meinungen und Ansichten eines

Menschen besagt der Puls jedoch eigentlich nichts.

auf einem Pulverfass sitzen

in einer gefährlichen Lage sein;

ein Fass gefüllt mit Schießpulver ist relativ leicht zu entzünden und

damit lebensgefährlich. Wer also auf einem solchen Fass sitzt, befindet

sich definitiv in einer gefährlichen Lage.

etwas auf Pump kaufen

beim Kauf anschreiben lassen, etwas auf Kredit kaufen;

„Pump“ entspringt demselben sprachlichen Bild wie der Ausdruck

„sich etwas pumpen“.

sich etwas pumpensich etwas ausleihen, borgen;

aus dem Rotwelsch: Das ursprünglich nur auf die Wasserförderung

bezogene Wort „pumpen“ wurde in der Gaunersprache auch auf die

„Geldförderung“ aus den Taschen eines Bekannten bezogen.

am toten Punkt angelangt sein

auch: am toten Punkt angekommen sein

Zustand totaler Erschöpfung, in dem keine Fortschritte mehr erzielt

werden können;

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aus der Technik: Wenn Pleuelstange und Kurbel einer

Antriebsmaschine eine gerade Linie bilden, spricht man vom „toten

Punkt“: Die Pleuelstange bewegt sich weder vor noch zurück; es ist der

Punkt, an dem sich ihre Bewegungsrichtung umkehrt.

der springende Punktder Kern, das Wichtigste, das zentrale Element an einer Sache;

aus der Antike: Die schon im Lateinischen belegte Redewendung

(„punctum saliens“) geht auf den griechischen Naturwissenschaftler

Aristoteles zurück. Dieser glaubte entdeckt zu haben, dass bereits im

Eiweiß des Hühnereies das Herz des Kückens zu sehen sei als kleiner

Blutfleck, der „hin- und herspringe“. Dieser Punkt bedeutete den

Ursprung des sich entwickelnden Wesens und war damit der zentrale

Punkt des Lebens.

etwas auf den Punkt bringen

etwas präzisieren;

bildhafte Beschreibung des Vorgangs der Zusammenfassung und

Zuspitzung eines zuvor eher breit und oberflächlich abgehandelten

Themas.

pünktlich wie die Maurer

sehr pünktlich;

diese Redensart bezieht sich nicht auf das überpünktliche Erscheinen

von Handwerkern an der Baustelle, sondern auf ihre Exakt heit bezüglich

des Feierabend beginns. Angeblich legen Maurer auf die Sekunde genau

die Kelle aus der Hand. Vermutlich wurde die Redewendung durch

andere Berufsgruppen im Handwerk geprägt, die stets übereinander

schlecht redeten.

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bis in die Puppensehr spät; sehr lange;

aus Berlin: Mit den „Puppen“ war eine Figurengruppe des Künstlers

Knobelsdorff auf dem Großen Stern mitten im Berliner Tierpark

gemeint, die von außerhalb des Parks aus jeder Richtung nur nach

einem längeren Spaziergang zu erreichen war.

die Puppen tanzen lassen

feiern, hemmungslos tanzen;

aus dem Puppentheater, wo der Marionettenspieler die Puppen

aufgrund der unpräzisen Einwirkung nicht elegant, sondern nur

hemmungslos „tanzen lassen“ kann.

einen Pyrrhussieg erringen

einen teuer erkauften Erfolg erringen;

aus der griechischen Antike: Pyrrhus, König von Epirus, konnte 279

v. Chr. zwar einen Sieg gegen die Römer erringen, aber unter hohen

Verlusten, die sein Reich erheblich schwächten. Es wurde überliefert,

der Herrscher habe anschließend gesagt: „Noch so ein Sieg, und wir sind

verloren!“

ein Quacksalberein schlechter Arzt;

aus dem Mittelalter: ursprünglich ein laut (quakend) auf Märkten

Salben anpreisender Heilkundiger. Möglicherweise bezieht sich die

Wendung auch auf Quecksilber, da im Mittelalter Quecksilbersalben

und -pflaster z. B. als Mittel gegen die Syphilis vertrieben wurden.

die Quadratur des Kreises versuchen

etwas Unmögliches lösen wollen;

aus der Geometrie: bezieht sich auf das von dem Mathematiker

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Ferdinand von Lindemann bereits 1882 als definitiv unmöglich zu

lösen bestätigte Problem, ausschließlich mit Zirkel und Lineal aus

einem Kreis ein flächengleiches Quadrat zu schaffen.

ein Quantensprungein enormer Fortschritt, Verbesserung;

aus der Physik abgeleitet: Allerdings hat der physikalische

Quantensprung – der Übergang eines Systems von einem Quanten-

zustand in einen anderen – überhaupt nichts mit der Bedeutung

dieser Redewendung zu tun.

jemanden einen Quark angehen

jemanden nichts angehen;

das Milchprodukt steht in Redewendungen stets für etwas

Gehaltloses, Nichtiges („Quark reden“), wie in Goethes „Faust“, da er

Mephistopheles sagen lässt: „In jeden Quark begräbt er seine Nase.“

sich über jeden Quark aufregen

sich über Kleinigkeiten aufregen;

„Quark“ steht in vielen Redensarten (z. B. „Quark reden“) für etwas

Wert- oder Gehaltloses.

Quecksilber im Leib haben

auch: quecksilbrig sein

nicht stillhalten können;

diese Redewendung soll nicht besagen, dass jemand unter einer

Quecksilbervergiftung leidet. Das hochgiftige Metall ist unter

normalen Umgebungsverhältnis sen flüssig, besitzt aber eine hohe

Oberflächen spannung, sodass es schneller fließt als Wasser, aber

ohne in einzelne Tropfen auseinanderzurinnen. In Verbindung

mit der spiegelnden Oberfläche verhalf diese Eigenschaft dem

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Quecksilber zu seinem Namen: „schnelles“ oder „ flüssiges Silber“.

Wer sich verhält wie ein Quecksilber tropfen, der ist nicht ruhig zu

bekommen.

jemandem in die Quere kommen

jemanden stören, behindern;

aus der Schifffahrt: Anderen „in die Quere“ kommt ein Schiffer, der

sein Boot quer treiben lässt, also „überzwerch“ fährt, wodurch der

Wasserweg für andere unpassierbar wird.

die Quintessenz von etwas sein

der Kern, das Zentrale von etwas sein;

aus der antiken griechischen Philosophie: Das „fünfte Seiende“ (quinta

essentia) war bei den pythagoreischen Philosophen der Äther, aus

dem die anderen vier Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) entstanden

sein sollen.

Rabenelternauch: Rabenvater, Rabenmutter

schlechte Eltern;

abgeleitet aus der Bibel: Im Buch Hiob werden hungrige Rabenkinder

erwähnt: „Wer bereitet dem Raben die Speise, wenn seine Jungen zu

Gott rufen und irrefliegen, weil sie nichts zu essen haben?“ (38,41)

Tatsächlich werfen Raben ihre Jungen aus dem Nest, allerdings erst,

wenn diese groß genug sind, sich selbst zu ernähren. Redensartlich

wird der Begriff seit dem 16. Jahrhundert verwendet.

das fünfte Rad am Wagen sein

überflüssig, nicht erwünscht sein;

seit dem 11. Jahrhundert (in lateinischer Sprache) belegt: Das Bild,

das diese Redewendung erzeugt, ist das eines zusätzlichen Rades, das

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im besten Fall, wenn es in Laufrichtung angebracht wurde, schlicht

überflüssig ist, im Negativfall, z. B. an der Rückseite angebracht, den

gesamten Wagen unbrauchbar macht.

ein Rad greift ins andere

das Zusammenspiel funktioniert;

aus der Mechanik: bezieht sich auf die Zahnräder einer Maschine, die

reibungslos ineinandergreifen müssen.

die Radieschen von unten anschauen

auch: die Kartoffeln von unten ansehen

tot sein;

scherzhafter Ausdruck für das Sterben. Man wird unter einer Schicht

Erde bestattet, in der jedoch selten Radieschen o. ä. Gemüse

angepflanzt werden; diese Pflanze wurde eher wegen ihres komisch

klingenden Namens gewählt.

den Rahm abschöpfen

auch: das Fett abschöpfen

das Beste vorab für sich wegnehmen;

der Rahm setzt sich bei der Milch, wenn man sie stehen lässt, an der

Oberfläche ab und kann dann abgeschöpft werden. Die Redensart

kommt daher, dass er früher als das Beste an der Milch galt.

rammdösig sein

jemandem ist schwindlig; verwirrt sein;

Ramm bzw. Ramme sind veraltete Bezeichnungen für Bock bzw.

Schaf, die vom Gegeneinanderrammen der Hörner der Böcke

abgeleitet wurden. „Dösig“ meint einen Zustand, in dem, ähnlich wie

im Halbschlaf, die intellektuellen Fähigkeiten nicht mehr voll genutzt

werden können.

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außer Rand und Band sein

auch: außer Rand und Band geraten

unkontrolliert oder unkontrollierbar sein;

aus dem Böttchergewerbe: Bei der Fassherstellung werden die

Dauben durch Bänder zusammengehalten und am oberen und

unteren Rand durch einen Boden verschlossen. Ist ein Fass „außer

Rand und Band“, so fällt es auseinander, ist unbrauchbar und vergießt

seinen (unter Umständen wertvollen) Inhalt.

Ränke schmieden

Intrigen vorbereiten;

aus dem Mittelalter: Ränke, heute nur noch im Plural gebräuchlich,

kommt von „Rank“, was so viel wie Krümmung und im übertragenen

Sinne Ausflucht, Kunstgriff, Trick bedeutete, meist in dem Sinne,

dass durch diesen Trick jemand anderem geschadet werden soll

(„jemandem einen Rank spielen“).

bei jemandem rappelt`s im Karton

auch: bei jemandem rappelt es in der Kiste

jemand ist leicht verrückt, nicht ganz bei Verstand;

das Verb „rappeln“ bedeutete ursprünglich „lärmen, klappern,

schelten“. Im ausgehenden 18. Jahrhundert nahm es die heutige

Bedeutung an.

auf Schusters Rappenzu Fuß;

„Rappen“ ist der Fachbegriff für schwarze Pferde. Wer nicht geritten

kommt, sondern zu Fuß gehen muss, ist also auf den vom Schuster

hergestellten Rappen unterwegs – sofern er schwarze Schuhe trägt.

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eine eiserne Rationauch: eine eiserne Reserve

ein Notvorrat;

bezeichnet eine Lebensmittel-, finanzielle u. ä. Reserve, die eisern, also

standhaft für den Notfall aufbewahrt werden muss.

einen Rattenschwanz nach sich ziehen

mehrere Probleme zur Folge haben;

bezieht sich auf den langen und sehr beweglichen Schwanz der

Ratte, dessen Bewegungen zwar eigentlich mit dem Laufen der Ratte

zusammenhängen, aber teilweise unabhängig von diesem zu sein

scheinen.

unter die Räuber fallen

schamlos ausgenutzt werden;

abgeleitet aus der Bibel: Im Gleichnis vom barmherzigen Samariter

(Lk 10,30) heißt es: „Es war ein Mensch, der ging von Jerusalem

hinab nach Jericho und fiel unter die Räuber; die zogen ihn aus und

schlugen ihn und machten sich davon und ließen ihn halb tot liegen.“

in Räuberzivil erscheinen

in legerer Kleidung erscheinen;

bezieht sich auf das Tragen einer dem Anlass nicht angemessenen

Kleidung.

viel Rauch und wenig Braten

Bezeichnung für etwas groß Angekündigtes, das sich als enttäuschend

erweist;

bezieht sich auf den Bratvorgang, bei dem einem wegen des Geruchs

schon das Wasser im Mund zusammenläuft; der Braten wird dieser

großen Vorfreude anschließend nicht gerecht.

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einer Sache Raum geben

etwas wohlwollend aufnehmen, zu seiner Entfaltung beitragen;

aus der Bibel: Im Römerbrief (12,19) schreibt Paulus: „Rächt euch nicht

selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes.“

mit spitzer Feder rechnenexakt oder sehr knapp kalkulieren;

Diese Redensart schreibt den „scharfen“ Verstand des Rechnenden

seinem Schreib utensil als Eigenschaft zu.

jemandem einen Strich durch die Rechnung machen

jemandes Pläne vereiteln;

das Durchstreichen jeglicher schriftlicher Abmachung – und dazu

zählen auch Rechnungen – kennzeichnet diese als ungültig, da einer der

beiden Vertragspartner sie nicht anerkennt. Wurden mit dem Geld, das

mittels einer Rechnung eingetrieben werden soll, bereits große Pläne

gemacht, werden diese durch den Strich zunichte gemacht.

nicht wissen, wo rechts und links ist

auch: nicht wissen, wo links und rechts ist

orientierungslos, aufgeregt sein;

aus der Bibel: Als die sündigen Bewohner Ninives nach einer

Aufforderung Gottes bzw. seines Dieners Jona Buße tun und sich

bekehren, ist Jona über die Güte Gottes enttäuscht. Als er wenig

später über den Verlust eines Schatten spendenden Baumes klagt,

antwortet Gott: „Dich jammert die Staude, um die du dich nicht

gemüht hast, [...] und mich sollte nicht jammern Ninive, eine so große

Stadt, in der mehr als hundertundzwanzigtausend Menschen sind, die

nicht wissen, was rechts oder links ist, dazu auch viele Tiere?“ (Jona

4,10f.)

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große Reden schwingen

angeben, großtun;

ursprünglich war „eine Rede schwingen“ nicht negativ konnotiert,

sondern bezog sich lediglich auf die enthusiastische Gestik mit

„schwingenden Armen“. Erst in jüngerer Zeit als Spott oder Kritik

verwendet.

nach allen Regeln der Kunst

wie es sich gehört;

aus dem Mittelalter: Die hier genannten Regeln waren die Bücher

der Meistersinger, in denen die Regeln ihrer Gesangskunst schriftlich

festgelegt waren.

ein warmer RegenGeld, das dringend gebraucht und plötzlich eingenommen wird;

vergleicht einen unverhofften, aber dringend benötigten Geldsegen mit

einem warmen Sommerregen, der eine angenehme Abkühlung bringt

und die Blumen sprießen lässt.

ein strenges Regiment führen

sehr streng sein;

aus dem Lateinischen: „Regimen“ bedeutet so viel wie Herrschaft,

Regierung. Wer ein strenges Regiment führt, gibt strenge

Anweisungen an seine Untergebenen.

jemandem nicht das Wasser reichen können

tief unter jemandem stehen;

aus dem Mittelalter: Bei Hofe wurde, als man noch nicht mit Messer

und Gabel aß, von einem Pagen nach jedem Gang eine Schüssel mit

Wasser angereicht, damit man sich die Hände reinigen konnte. Diese

Tätigkeit war aber bestimmten Dienern vorbehalten, andere waren

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nicht wert, den Adeligen „das Wasser zu reichen“.

Valentin sagt in Goethes Faust (I, 3631ff.) über seine Schwester

Gretchen: „Aber ist eine im ganzen Land, die meiner trauten Gretel

gleicht, die meiner Schwester das Wasser reicht?“

ein innerer Reichsparteitagein geheimes Gefühl tiefer innerer Befriedigung;

aus dem 20. Jahrhundert: bezieht sich auf die NSDAP-Reichsparteitage

in den 1930er-Jahren, die mit ihren Aufmärschen, Paraden,

Totengedenken und Wehrmachtsvorführungen den absoluten

Machtanspruch der Partei demonstrieren sollten und wie offizielle

Staatsfeiern anmuteten. Die Wendung wird auf negative Gefühle wie

Rache oder Schadenfreude bezogen, die man besser nicht nach außen

trägt.

in Reih und Glied

in einer Linie nebeneinander;

aus der Militärsprache: In einer militäri schen Abteilung bilden die

hintereinanderstehenden Soldaten eine Reihe, während man die

nebeneinanderstehenden als Glied bezeichnet.

aus der Reihe tanzen

seine eigene Sache machen; sich nicht an die Regeln halten;

der Reigen ist einer der ältesten Tänze in Europa und diente wie

viele Tanzformen dem kulturellen Ausdruck und der Bildung eines

Gemeinschaftsgefühls. Als ein Reihentanz konnte er nur funktionieren,

wenn sich alle Teilnehmer an die festgelegten Schrittfolgen hielten.

Tanzte jemand „aus der Reihe“, so verdarb er nicht nur sich selbst das

Tanzvergnügen, sondern auch allen anderen.

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etwas auf die Reihe kriegen

etwas organisieren, vollenden; Erfolg haben;

diese jüngere Redewendung verwendet „Reihe“ schlicht als Element

einer allgemeinen Ordnung, die jemand herzustellen in der Lage ist.

reihernsich übergeben;

aus dem 19. Jahrhundert: Diese Redensart leitet sich vermutlich von

dem rauen Krächzen der weit verbreiteten Schreitvögel ab, das dem

Geräusch beim „Sichübergeben“ ähnelt.

sich keinen Reim auf etwas machen können

auch: keine Reim auf etwas finden

etwas nicht verstehen, sich etwas nicht erklären können;

einige Wörter im Deutschen sind für Gedichte ausgesprochen

ungeeignet, da keine Reimwörter existieren (z. B. „fünf“); für etwas, auf

das man sich „keinen Reim machen“ kann, findet man einfach keine

Erklärung oder Lösung.

reinbutternGeld investieren, einzahlen;

der Ausdruck bezeichnete ursprünglich das Schlagen der Butter

in das Butterfass, bei dem die Butter immer wieder komprimiert

werden musste, damit sie keine Luft enthielt und mehr in einem Fass

untergebracht werden konnte. Wer Geld investiert, kann durchaus

auch das Gefühl haben, das Geld „sacke zusammen“, wenn in ein

Finanzloch immer mehr Geld hineinpasst.

Reinschiff machen

sauber machen, putzen;

aus der Seemannssprache: „Reinschiff“ bedeutet, ein sauberes Schiff

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zu machen, also das Schiff vor dem Einlaufen in einen Hafen zu

putzen. Heute wird der Ausdruck auch für die Reinigung der Wohnung

verwendet.

ein apokalyptischer Reiterjemand, der Verderben bedeutet/mitbringt;

aus der Bibel: In der Offenbarung des Johannes (6,1–8) kündigen die

vier apokalyp tischen Reiter Krieg, Hunger, Pest und Tod den nahenden

Weltuntergang an.

Reißaus nehmen

weglaufen;

„Reißaus“ ist die substantivierte Form des Verbs „ausreißen“, das

sich vom gewaltsamen Herausziehen eines Gegenstandes, der z. B.

eingeklemmt ist und dadurch Schaden nimmt, ableitet.

ein totes Rennenunentschieden;

aus dem Sport: Ein Rennen, bspw. ein Pferderennen, ist zumindest

für den Buchmacher „tot“, d. h. nicht gewinnbringend, wenn ein

Gleichstand zwischen zwei Teilnehmern erzielt wird, es also keinen

eindeutigen Sieger gibt.

jemanden aus der Reserve locken

jemanden dazu bringen, seine Zurückhaltung oder Vorsicht

aufzugeben;

aus der Militärsprache: Das Corps de Reserve war eine im Rücken der

Armee, also hinter derselben, wartende Einheit, die nur im Notfall ins

Kampfgeschehen eingriff.

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eine Retourkutschekleine Rache, eine mit gleichen Mitteln zurückgegebene Behandlung;

wie auch bei heutigen Fahrkarten manchmal noch, war zu Zeiten des

Kutschverkehrs eine Retourfahrt billiger, da der Kutscher dann zwar

warten musste, aber keine Leerfahrt hatte.

ein Revolverblatteine Boulevardzeitung;

nach der gleichnamigen „Zeitungskomödie“ von Max Barthel (1929).

etwas Revue passieren lassen

sich etwas in Erinnerung rufen;

vom französischen Wort „revue“ für „Rück blick, Rückschau“ (von „revoir“,

„zurückblicken, wiedersehen“): In Frankreich sind Jahresrückschauen

bereits seit dem Mittel alter belegt. Der Ausdruck „passieren lassen“

deutet das Vorbeigleiten der Erinnerungsbilder an, ähnlich einem Film.

mit etwas richtig liegen

recht haben, die richtige Vermutung anstellen;

aus der Seemannssprache: Von einem Schiff sagt man, dass es auf Kurs

liege.

einer Sache einen Riegel vorschieben

eine Sache verbieten, für immer verhindern;

bezieht sich auf den Riegel an einer Tür, die durch ihn fest geschlossen

und unpassierbar wird.

sich am Riemen reißen

sich zusammennehmen, etwas trotz des Widerwillens dagegen tun;

aus dem Ersten Weltkrieg: Der „Riemen“ ist der Gürtelriemen

des Soldaten, an dem er zieht, um den Sitz der Uniformjacke zu

perfektionieren.

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nach Adam Riesevöllig korrekt berechnet;

aus dem 16. Jahrhundert: Adam Ries (1492–1559) gilt als der Vater

des modernen Rechnens und verfasste im 16. Jahrhundert die ersten

Rechenbücher in deutscher Sprache. Er war maßgeblich an der

Verbreitung der arabischen Zahlen beteiligt.

ein Riesenrossein Tollpatsch, ein Narr;

„Ross“, das heute altertümlich wirkende Synonym für Pferd, war früher

ein geläufiges Schimpfwort – vielleicht wegen des „großen Schädels

mit so wenig Hirn“.

ein Rindviehein dummer Mensch;

Rindern wird von jeher aufgrund ihrer großen Ruhe auch große

Dummheit nachgesagt.

sich etwas nicht aus den Rippen schneiden können

etwas nicht aus dem Nichts beschaffen können;

aus der Bibel abgeleitet: In der Schöpfungs geschichte wird dargestellt,

wie Eva aus einer Rippe Adams geschaffen wurde – im Gegensatz zu

Adam, der aus einem Teil der Umwelt, nämlich Lehm, entstand. Wenn

man sich etwas „nicht aus den Rippen schneiden“ kann, dann hat man

keine Möglichkeit, etwas auf „normalem“ Wege zu beschaffen, und

kann es auch nicht „herbeizaubern“.

ein Ritter ohne Furcht und Tadel

eine mutiger, edler Mann;

geht zurück auf den Beinamen des Ritters Pierre du Terrail, Chevalier de

Bayard (1476–1524). Seine Lebensgeschichte erschien 1527 unter dem

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Titel „La très-joyeuse, plaisante et récréative histoire du bon chevalier

sans paour et sans reproche, gentil seigneur de Bayard“ (Die sehr

erfreuliche, kurzweilige und ergötzliche Geschichte des braven Ritters

ohne Furcht und ohne Tadel, des edlen Herrn von Bayard).

ein Ritter von der traurigen Gestalt

jämmerlicher, bedauernswerter, auch ener gieloser, melancholischer

Mensch sein;

aus der Literatur: „Don Quichotte“, der Titelheld des gleichnamigen

Romans des spanischen Dichters Miguel de Cervantes (1547–1616),

wird von seinem Begleiter Sancho Pansa mit diesem Ausdruck

charakterisiert.

einen Rochus auf jemanden haben

Zorn, Groll gegen jemanden hegen;

aus dem Jiddischen: von dem Wort „rauches“ (Ärger, Zorn) entlehnt.

hinter jedem Rock her sein

auch: hinter jeder Schürze herlaufen

jeder Frau nachstellen;

da Röcke früher die einzige akzeptierte Kleidung für Frauen war, steht

der Rock in dieser Redewendung symbolisch für die Gesamtheit der

Frauen.

an Mutters Rockzipfel hängen

auch: an Mutters Schürzenband hängen; an Mutters Schürzenzipfel hängen

unselbstständig sein;

wird missbilligend gebraucht, wenn dieses in der Kleinkindphase

früher – als Mütter noch Röcke trugen – durchaus wörtlich zu

nehmende Verhalten auch noch bei Heranwachsenden oder gar

Erwachsenen anhält.

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in die Röhre schauen

das Nachsehen haben;

wie die nur regional verbreitete Redensart „mit dem Ofenrohr ins

Gebirge schauen“ bezieht sich diese Wendung auf das Fernrohr, mit

dem man „in den Mond guckt“, also seine Aufmerksamkeit auf etwas

mit Sicherheit nicht Gewinnbringendes richtet. Möglich ist aber auch

ein Bezug zu dem Rohr, durch das die Fäkalien aus dem Abort in eine

Sickergrube oder ein Gewässer entleert werden.

ein Rohrkrepierer sein

ein missglückter Plan oder Angriff (mit komischen Nebeneffekten);

aus der Soldatensprache: bezeichnet ursprünglich ein Geschoss, das

im Geschützrohr explodiert.

aus der Rolle fallen

sich unpassend, seltsam verhalten;

aus der Theatersprache: Diese Redensart beschreibt den schlimmsten

Fehler jedes Schauspielers: die Rolle, die dargestellt werden soll,

vergessen und den eigenen Charakter in das Spiel einbringen.

völlig von der Rolle sein

völlig fertig sein; neben sich stehen;

aus der Theatersprache: Die „Rolle“ eines Schauspielers wurde nach

der Pergamentrolle benannt, von der er früher seinen Text ablas bzw.

lernte.

auf Rosen gebettet sein

glücklich, in einer guten Lage sein;

aus der Antike: Römische Herrscher ließen sich und ihre Gäste ganz

wörtlich auf Rosen betten. Daher stammt der lateinische Ausdruck

„iacere in rosa“ für „in stetem Vergnügen schwelgen“.

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ein Rosenkriegheftiger Konflikt eines sich trennenden Paares;

leitet sich von den „Wars of roses“ (benannt nach der Wappenrose) im

England des 15. Jahrhunderts ab. Auch diese stellten, ähnlich einem

Scheidungskonflikt, einen blutigen innerfamiliären Streit dar zwischen

zwei verwandten Herrschaftszweigen (York und Lancaster).

sich die Rosinen aus dem Kuchen herauspicken

sich nur das Beste nehmen;

zwar ließe sich darüber diskutieren, diese Redensart aber sieht die

Rosinen als das Beste in einem süßen Gebäck an; die Wendung wird

meist vorwurfsvoll verwendet: „Er hat sich die Rosinen aus dem

Kuchen gepickt, und alle anderen hatten das Nachsehen!“

auf dem hohen Ross sitzen

arrogant, eingebildet, herablassend sein;

aus der Reiterei: Besonders die Adligen saßen in früheren

Jahrhunderten zu Pferd; das gemeine Volk reiste zu Fuß, auf Eseln oder

mit dem Ochsenkarren. Wer so reich war, sich ein Reitpferd leisten zu

können, war sich seines Standes meist nur zu gut bewusst. Daneben

kann man vom hohen Pferderücken aus tatsächlich sehr leicht auf

andere Menschen herabsehen.

mit Ross und Wagen untergehen

ganz, komplett versagen;

aus der Bibel: „Ich singe dem Herrn ein Lied, denn er ist hoch und

erhaben. Rosse und Wagen warf er ins Meer“ ( Exodus 15,1) – Gott

vernichtete die gesamte Streitmacht der Ägypter im Roten Meer.

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Ross und Reiter nennen

klare Angaben machen, den Urheber einer Sache nennen;

aus dem Mittelalter: Bei Turnieren wurden der in seiner Rüstung

nur an Farben und Wappen erkennbare Ritter sowie sein Pferd vor

Kampfbeginn laut beim Namen gerufen, es wurden „Ross und Reiter“

genannt, damit jeder Zuschauer wusste, wer da kämpfte.

vom hohen Ross steigen

seine Arroganz ablegen (müssen);

aus der Reiterei: bezieht sich, wie die Wendung „auf dem hohen Ross

sitzen“, auf die früher Adeligen vorbehaltene Reiterei.

eine Rossnatur haben

auch: eine Pferdenatur haben

sehr kräftig oder robust sein;

die Pferde, auf die hier Bezug genommen wird, waren die

Arbeitsgäule, die jahrelang trotz oft schlechter Haltung und Fütterung

ihren Dienst taten – und so ihre robuste „Pferdenatur“ bewiesen.

rotsehensehr wütend werden/sein;

in der Farbensymbolik ist Rot die Farbe jedes hitzigen Gefühls, sei

es Liebe oder – wie in diesem Fall – Zorn; im Tierreich ist es eine

verbreitete Warnfarbe. Da Menschen durch die rote Farbe gereizt

werden, ging man davon aus, dass der Stier in der Corrida durch das

Rot des Tuches zu seiner Aggression provoziert würde und deshalb

den Stierkämpfer angreife. Heute weiß man, dass Stiere farbenblind

sind.

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ein Rotzlappenauch: eine Rotzfahne

ein Taschentuch;

vulgärsprachlicher Ausdruck, der sich auch auf die Größe des

Taschentuchs bezieht.

etwas ruck, zuck erledigen

etwa schnell erledigen;

diese lautmalerische Redensart soll die hohe Geschwindigkeit eines

Vorgangs verdeutlichen. Rucken ist als das Verrücken einer Sache

zu verstehen, wobei das Zucken etymologisch als heftiges Ziehen

verstanden werden kann.

jemandem in den Rücken fallen

jemanden unerwartet und heimtückisch angreifen;

aus der Militärsprache: beschreibt einen Angriff durch einen sich von

hinten nähern den Flügel des gegnerischen Heeres.

mit dem Rücken zur Wand stehen

keinen Ausweg mehr haben;

wer z. B. vor einem Bären, wie es empfohlen wird, langsam

zurückweicht, der sollte sich nicht nur auf das Tier konzentrieren –

wenn er eine Wand hinter sich hat, hat der Bär nämlich leichtes Spiel.

den Rückzug antreten müssen

von einer weiteren Verteidigung seiner Idee/seins Planes etc. absehen

müssen;

aus der Soldatensprache: Je nach Situation wurde durch die

Befehlshaber ein geordneter Rückzug befohlen oder durch die

Übermacht der Gegner ein ungeordneter erzwungen.

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zum Rückzug blasen

in einer aussichtslos gewordenen Situation das Signal zur Aufgabe

geben;

aus der Soldatensprache: Wenn der Trompeter zum Rückzug blies,

wurden durch dieses Signal versprengte Soldaten eingesammelt

und weitere Verluste vermieden. Im Gegensatz zur Flucht verlief der

Rückzug in geordneten Bahnen.

aus dem Ruder laufen

außer Kontrolle geraten;

aus der Schifffahrt: Ein Schiff läuft aus dem Ruder, wenn es – bei

zu wenig Fahrt im Schiff oder bei schwerer, rollender See – dem

Steuerdruck nicht mehr gehorcht.

das Ruder herumreißen

auch: das Ruder herumwerfen

eine gefährliche Situation gerade noch entschärfen, eine Bedrohung

abwenden;

der Steuermann eines Schiffes ist dafür verantwortlich, in die richtige

Richtung zu lenken, also gefährliche Hindernisse zu umfahren.

Bemerkt er ein Hindernis im letzten Moment, so kann er das Ruder

gerade noch herumreißen und das Schiff vor Unglück bewahren.

stoische Ruheeine ruhige Verfassung ohne jegliche Emotion;

aus der griechischen Antike: Ca. 300 v. Chr. entstand in Athen

die stoische Philo sophie mit ihrer ganzheitlichen Welterfassung.

Die Vertreter dieser Lehre, die Stoiker, zeichneten sich durch

bedingungsloses Akzeptieren ihres Schicksals aus. Sie übten sich in

völliger Selbstbeherrschung, um durch emotionslose Gelassenheit zu

Weisheit zu gelangen.

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jemandem einen guten Rutsch wünschen

jemandem ein gutes neues Jahr wünschen;

aus dem Jiddischen: „Rosh Hashana“ lautete der jüdische

Neujahrswunsch. Das jiddische „rosh“ wurde eingedeutscht, es

bedeutet so viel wie „Anfang“. Zum neuen Jahr wird also eine guter

Neuanfang gewünscht, nicht etwa kein Glatteis.

mit dem Säbel rasseln

jemandem drohen;

meist wird diese Redewendung, die sich auf die am Heft des

Schwertes befestigten Ketten („Gehänge“) oder auf das Geräusch

des Säbels in einer metallenen Scheide bezieht, heute abwertend

verwendet: „Das Säbelrasseln kannst du dir schenken.“

eine runde Sacheein guter, wohldurchdachter Plan;

aus der Geometrie: Der Kreis steht aufgrund seiner perfekten Symmetrie

für Schön heit und Exaktheit.

die Katze aus dem Sack lassen

die Wahrheit aussprechen, seine bisher verheimlichte Meinung

kundtun;

aus dem Mittelalter: Wer die Katze, die er im Sack gekauft hat,

herauslässt, der muss feststellen, dass es sich nicht um den

vermeintlich gekauften Hasen handelt. Möglicherweise kommt die

Redensart auch von der früher häufigen Praxis, Katzen junge im Sack

zu ersäufen – wenn sie vorher jemand wieder herausließ, war das

grausame Vorhaben vereitelt und ans Licht gekommen.

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in Sack und Asche gehen

büßen, bereuen;

aus der Bibel: Zur Zeit der ersten biblischen Aufzeichnungen war

es üblich, in Trauerzeiten die eigenen Kleider zu zerreißen und sich

mit einem Sack zu bekleiden. Die Asche, mit der man sich bedeckte,

verstärkte den Eindruck der Unterwürfigkeit und der Reue.

wie ein nasser Sackohne Haltung oder Körperbeherrschung;

„Sack“ ist eine Bezeichnung für den menschlichen Körper, die

in verschiede nen Redewendungen zu finden ist. Ist ein Sack in

trockenem Zustand noch hart und rau, so wird er durch Nässe weich.

Möglich ist auch, dass die Wendung einen mit Wasser gefüllten Sack,

also ein formlos-schwabbliges Behältnis meint.

wie einen Sack Flöhe hüten

das ist praktisch unmöglich; wird auch verwendet, um die Aufgabe

der Betreuung mehrerer kleiner Kinder zu beschreiben;

aus dem Mittelalter: Selbst in lateinischer Sprache ist die Wendung

belegt, die etwas beschreibt, was unmöglich zu bewerk stelligen ist:

eine große Zahl Flöhe am Weghüpfen hindern. Oft wird aber selbst

diese Aufgabe einer anderen vorgezogen: „Lieber einen Sack Flöhe

hüten als ...“

auf dem Meer säenauch: auf dem Wasser säen

etwas Sinnloses, Unsinniges tun;

wohl aus der Seemannssprache: Wer auf dem Meer sät, der

verschwendet sein Saatgut und kann nicht mit irgendeiner Ernte

rechnen.

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jemanden im eigenen Saft schmoren lassen

jemanden in einer für ihn schwierigen Lage belassen, ihm nicht helfen;

beim Schmoren wird einem Stück Fleisch kaum Flüssigkeit

hinzugefügt, da es durch die lang andauernde Hitzezufuhr selbst

Flüssigkeit ausscheidet und darin gar wird; ähnlich wartet man darauf,

dass jemand in einer misslichen Lage reift, ohne dass man ihm Hilfe

anbietet.

ein Saftladenein nicht kundenfreundlicher, ungemütlicher oder auf andere Weise

unangeneh mer Dienstleistungsbetrieb;

seit dem 19. Jahrhundert belegt: Die zunächst scherzhafte

Bezeichnung eines Be triebs, in dem Alkohol, beschönigend „Saft“

genannt, ausgeschenkt oder ver kauft wurde, bekam erst später einen

negativen Beigeschmack.

andere Saiten aufziehen

strenger werden;

bedeutete ursprünglich nur, den Ton zu ändern, und konnte auch

positiv gemeint sein, so in der „Galanten und liebenswürdigen Salinde“

(Michael Erich Franck): „[...] worauf er denn gelindere Saiten aufzog“.

Da haben wir den Salat!

Da haben wir das Unglück/Durcheinander!

Salat ist ein Lehnwort aus dem Italieni schen. Als „insalata“ bezeichnete

man ursprünglich jede kalte, mit Öl eingemachte Speise; das bunte

Durcheinander in einem „insalata mista“, wie man ihn heute beim

Italiener um die Ecke bekommt, ist wohl Ursprung der Redensart.

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ein Salonlöwe sein

auch: den Salonlöwen spielen

der umschwärmte Mittelpunkt in einer vornehmen Gesellschaft sein;

obwohl durchaus vorstellbar, bezieht sich „Löwe“ nicht auf den König

der Tiere, sondern war eigentlich ein Missverstehen des französischen

Ausdrucks „le beau“ (der Schöne) für den Attraktivsten und damit den

umschwärmten Mittelpunkt einer Gruppe.

das Salz der Erde sein

von größter Bedeutung sein;

aus der Bibel: „Ihr seid das Salz der Erde“, proklamiert Jesus in der

Bergpredigt seinen Jüngern zu (Matthäus 5,13) und stellt sie damit

dem Bösen in der Welt gegenüber.

das Salz in der Suppe sein

eine Sache vervollständigen, perfekt machen;

hat seinen Ursprung in früheren Essgewohnheiten: Suppen, Eintöpfe

und Brei waren auf dem Tisch einfacher Leute ein häufiges Gericht. Um

eine Suppe schmack haft zu machen, benötigt man aber unbedingt

Salz. Auch wenn man andere Gewürze hinzugibt, ohne Salz wird

die Suppe fad schmecken. Es war in früheren Zeiten ziemlich teuer

(das „weiße Gold“), aber wenn man sich schon mit Suppe begnügen

musste, dann sollte wenigstens Salz darin sein.

jemandem Salz in die Wunde streuen

jemandem seine missliche Lage noch unangenehmer machen;

bezieht sich auf das schmerzhafte Brennen, das entsteht, wenn

Salziges in eine offene Wunde gelangt.

zur Salzsäule erstarren

(vor Angst, Schreck) wie festgewachsen stehen bleiben, sich nicht

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mehr bewegen, nicht mehr reagieren;

aus der Bibel: In der Genesis wird beschrieben, wie Lot, ein Neffe

Abrahams, in der verderbten Stadt Sodom zwei Engeln Unterkunft

und Schutz gewährte. Da die Stadt zerstört werden sollte, warnten die

Engel Lot zum Dank und ermöglichten ihm die Flucht gemeinsam mit

seiner Frau und seinen Töchtern – unter der Vorgabe, sich nicht mehr

nach Sodom umzudrehen. Lots Frau hielt sich nicht an diesen Befehl

und verwandelte sich, mit dem Blick auf die Stadt gerichtet, in eine

unbewegliche Statue aus Salz.

ein Sammelsuriumeine ungeordnete Menge;

das Anhängen einer angeblich lateinischen Endung an ein deutsches

Wort sollte diesem früher den Status eines Fremdwortes und damit

dem Sprecher den eines Gebildeten geben.

samt und sonders

ohne Ausnahme, vollständig;

aus dem Mittelhochdeutschen: „Samt“, mittelhochdeutsch „sament“,

bedeutet gemeinsam, gleichzeitig und ist heute auch in dem Wort

„gesamt“ noch anzutreffen. „Sonders“ kommt von „sunder“, was so viel

wie allein, einsam bedeutet. In dieser Redewendung zeigt sich wieder

einmal die Vorliebe des Volksmundes für Stabreime. Gemeint ist, dass

wirklich alles, auch einsam und abgeschieden Gelegenes, einbezogen

wird.

etwas ist auf Sand gebaut

etwas hat kein Fundament, wird fehlschlagen;

aus der Bibel: Seit die Menschheit feste Häuser baut, weiß man,

dass das Funda ment für schwere Gebäude stabil sein muss, um

Statikprobleme zu vermeiden. In Matthäus 7,24–27 vergleicht Jesus

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den rechten Glauben mit diesem architektoni schen Grundsatz. Wer

auf das, was Jesus sagt, nicht höre, der gleiche dem törichten Mann,

„der sein Haus auf Sand baute. Als nun ein Platzregen fiel und die

Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel

es ein, und sein Fall war sehr groß.“ Das Misslingen eines Plans, der „auf

Sand gebaut“ ist, ist also vorgezeichnet.

Sand im Getriebe sein

einen Plan, ein Unterfangen behindern;

aus der Technik: Sand oder anderer Schmutz „im Getriebe“, also z. B.

auf den Laufflächen von Zahnrädern, behindert das reibungslose

Laufen dieser Teile und damit das einwandfreie Funktionieren der

Maschine.

wie Sand am Meer

zahllos, im Überfluss, buchstäblich so zahlreich wie Sandkörner am Ufer

des Meeres;

dieser Vergleich taucht schon in der Bibel mehrmals auf, so heißt es

bei Hosea 2,1: „Es wird aber die Zahl der Israeliten sein wie der Sand

am Meer, den man weder messen noch zählen kann.“

etwas verläuft im Sandeetwas wird ohne Ergebnis beendet;

für die Herkunft gibt es zwei mögliche Deutungen: Zum einen

verläuft, d. h. versickert eine Wasserspur in einer Sandwüste ohne

Rückstand, zum anderen können in lockerem Sand keine Spuren

verfolgt werden, weil der Sand stets wieder in die Mulden zurückrinnt.

ohne Sang und Klang

auch: sang- und klanglos

ohne Aufsehen zu erregen, unauffällig;

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bezog sich ursprünglich auf das bei Beerdi gungen übliche Singen und

Glocken läuten. Hatte der Verstorbene keine Verwandten und besaß

nicht den Respekt der Gemeinde, so wurde er „sang- und klanglos“

beerdigt.

das Sankt-Florians-Prinzipauch: das Floriani-Prinzip

Vorgehensweise, Bedrohungen nicht abzuwenden, sondern nur auf

andere zu verschieben;

Florian ist der Schutzheilige gegen Feuerbrünste. Besonders im

süddeutschen und österreichischen Raum ist ein ironisch gemeinter

Spruch verbreitet, der die Redens art erklärt: „Heiliger Sankt Florian /

Verschon mein Haus / Zünd andre an!“

bis zum Sankt-Nimmerleins-Tagauch: auf den Sankt-Nimmerleins-Tag

nie, niemals;

Sankt Nimmerlein ist ein erfundener Heiligenname, dessen

Namenstag verwendet wird, um einen niemals eintretenden Termin

zu bezeichnen. Das geht zurück auf die Tradition, bestimmte Termine

mit den am jeweiligen Tag geehrten Heiligen zu benennen, z. B.

Johannistag (24. Juni) oder Jakobitag (25. Juli).

Immer ran an den Sarg und mitgeweint

Mach mit! Los!

Bezieht sich eventuell auf Klageweiber, die (gegen Geld) die Trauer um

den Verstorbenen durch lautes Weinen ausdrücken sollen.

fest im Sattel sitzen

eine sichere, ungefährdete Position innehaben; sich seiner Sache

gewiss sein;

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aus der Reiterei: Die Redensart ist bis in das 16. Jahrhundert

zurückzuverfolgen. Wenn ein Reiter fest im Sattel seines Pferdes sitzt,

fühlt er sich in einer sicheren Position.

jemandem in den Sattel helfen

jemandem zu Einfluss verhelfen, ihm den Start erleichtern;

im Mittelalter mussten meist mehrere Personen dem Ritter in

seiner schweren Rüstung auf das Pferd helfen. Auch später war eine

Hilfestellung willkommen (auch in Form des „Steigbügelhaltens“)

und erleichterte das Aufsteigen – z. B., um in den Kampf zu ziehen –

deutlich.

jemanden aus dem Sattel heben

auch: jemanden vom Sattel werfen

jemanden seiner Stellung oder seines Ansehens berauben, ihn

besiegen, verdrängen;

aus dem Mittelalter: Wurde ein Reiter bei einem Ritterturnier mit einer

Lanze von seinem Gegner aus dem Sattel gestoßen, war er nicht nur

besiegt, sondern streng genommen auch mitsamt Pferd und Waffen

Beute des Siegers.

sattelfest sein

auch: fest im Sattel sitzen

tüchtig sein, sich in einer Sache gut auskennen;

aus der Reiterei: meint den erfahrenen Reiter, der auch bei

Schwierigkeiten wie z. B. Bocksprüngen des Pferdes im Sattel bleibt.

in allen Sätteln gerecht sein

sich in vielen Bereichen gut auskennen;

aus der Reiterei: bezeichnet den versierten Reiter, der mit allen

Pferden gemäß ihren Begabungen umzugehen weiß.

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die Sau durchs Dorf treiben

auch: die Sau durchs Dorf jagen

aus dem Mittelalter: geht zurück auf eine der so genannten

Schand- und Ehrenstrafen, bei denen der Verurteilte dem Spott der

Öffentlichkeit preisgegeben wurde. An der Strafe ließ sich die Art

des Vergehens erkennen. Wer also als Sau verkleidet durchs Dorf

getrieben wurde, der hatte sich eben wie eine solche benommen.

jemanden zur Sau machen

auch: jemanden zur Schnecke machen

jemanden demütigen;

geht zurück auf eine der mittelalterlichen, so genannten Schand- und

Ehrenstrafen, bei denen der Verurteilte als Sau verkleidet durchs Dorf

getrieben wurde. Nach einer anderen Erklärung geht die Redensart

auf Homers Odyssee (10. Gesang) zurück. Die Zauberin Circe (daher

bezirzen) lockte Odysseus und seine Gefährten auf ihre Insel. Um sich

mit Odysseus vergnügen zu können, verwandelte sie seine Begleiter in

Schweine.

wie eine gesengte Sausich nicht an gesellschaftliche Konven tionen oder gesetzliche

Regelungen halten; sehr schnell (beim Autofahren);

das „Sengen“ ist das Abbrennen der feinen Härchen am Leder mittels

einer Flamme; wird eine Sau bei lebendigem Leib gesengt, so wird sie

sehr schnell und in blinder Panik davonlaufen.

jemandem etwas sauer machen

jemandem die Lust auf etwas verderben;

„sauer“ steht in Redensarten stets synonym für „ungenießbar“. Wenn

man jemandem die Milch oder eine Speise sauer macht, sie also

verderben lässt, verleidet man ihm diese gründlich.

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saufen wie ein Bürstenbinder

sehr viel Alkohol trinken;

aus der Studentensprache: Es ist zwar auf Anhieb kaum

nachvollziehbar, aber die Redensart bedeutet eigentlich „trinken

wie ein Studentenverbindungsmitglied“. Das Mitglied einer solchen

Verbindung wird hier kurz als „Binder“ bezeichnet. Die „Bürste“

ist eine Entwicklung des Ausdrucks Bursche, der ebenfalls für ein

Verbindungsmitglied steht und seinerseits von Burse, „Tasche, Kasse“

bzw. später „Vereinigung, die von einer gemeinsamen Kasse lebt“,

stammt.

sich vom Saulus zum Paulus wandeln

auch: vom Saulus zum Paulus werden

sich völlig verändern, sich zum Guten wandeln (bei einer Person), sich

bekehren;

abgeleitet aus der Bibel: Saul, dem Christenverfolger, erschien Gott auf

einer Reise nach Damaskus; dieses Erlebnis bekehrte Saul, der fortan

als eifriger Anhänger des Christentums hervortrat und als Apostel

„Paulus“ bekannt wurde (Apostelgeschichte 9,1–31).

in Saus und Braus leben

in Wohlstand/Luxus leben;

seit Ende des 17. Jahrhunderts belegt: Die einfache Form dieser

Redewendung, „in Saus (suse) leben“, existierte schon früher. Die

beiden Reimwörter meinen das Windsausen und Meeresbrausen, also

einen eigentlich gar nicht luxuriösen Zustand; erst im Lauf der Zeit

erhielt die Redensart ihre heutige Bedeutung.

einen Schabernack mit jemandem treiben

jemandem einen Streich spielen;

aus dem Keltischen: Der Feldhase hieß keltisch „cornisch scovarnog“

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(Schädiger der Feldfrüchte). Noch im Mittelalter bezeichnete man eine

aus Hasenfell gefertigte Mütze oder einen Hut als Schabernack.

jemanden in Schach halten

jemanden festhalten, unterdrücken, kontrollieren;

bezieht sich auf das im Mittelalter aus dem persischen Raum

übernommene Schachspiel, bei dem der eine Spieler mit der Warnung

„Schach“ auf eine für den anderen hochgefährliche Spielsituation,

nämlich die Bedrohung seines Königs, hinweisen muss.

schachmatt sein

völlig entkräftet und schlapp sein;

aus dem Schachspiel: Schon im 13. Jahrhundert erfuhr das dem

Schach entlehnte „matt“ eine Bedeutungserweiterung und wurde

auf Erschöpfung des Geistes oder des Körpers bezogen, im

16. Jahrhundert ist „schachmatt“ in der o. g. Bedeutung nachweisbar.

ein geschickter Schachzugauch: ein geschickter Zug

cleveres Vorgehen;

aus dem Schachspiel: Dort verspricht ein geschickter Zug, ebenso wie

im richtigen Leben, eine höhere Chance auf den Sieg.

das schwarze Schaf der Familie

dasjenige Familienmitglied, das nicht zu den anderen passt, sich nicht

an die Regeln hält oder rebelliert;

aus der Landwirtschaft, übernommen in einen biblischen Text:

Schwarze Schafe waren bei Schäfern wenig begehrt, da ihre Wolle

nicht mit der weißer Schafe vermischt werden und nicht gefärbt

werden konnte.

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seine Schäfchen ins Trockene bringen

seine Angelegenheiten zum eigenen Nutzen richten, sich um seinen

Vorteil kümmern;

aus der Seefahrt: Ursprünglich brachte der sich um seinen Anteil

Sorgende nicht wollige Säugetiere, sondern Schepken, Schiffchen,

ins Trockene. Die Gefahr, dass diese bei einem Sturm kentern und

untergehen, war groß. Und wenn der Bootsbesitzer seine Schiffe im

Trockenen – oder zumindest im Hafen – hatte, so kümmerte er sich

vermutlich nur noch wenig um die Schiffchen anderer.

ein Schäferstündchen verbringen

zärtliches Miteinander zweier Verliebter;

aus dem 18. Jahrhundert: bezieht sich auf die Bukolik

(Hirtendichtung), die von der Idylle und Romantik der unberührten

Natur, die die Schäfer durchwandern durften, schwärmte.

sich in Schale werfen

sich besonders hübsch machen, elegant kleiden;

aus dem Rotwelsch: „Schale“ ist in der Gaunersprache eine

umgangssprachliche Abwandlung des Wortes „Gala“, das früher die

besonders elegante Kleidung bezeichnete.

den Schalk im Nacken sitzen haben

auch: den Schelm im Nacken haben

zum Scherzen aufgelegt, ein humorvoller Mensch sein;

aus dem Volksglauben: beruht ähnlich wie die Wendung „es faustdick

hinter den Ohren haben“ auf der Vorstellung, dass zu Scherzen und

Unsinn aufgelegte Menschen einen kleinen Dämon im Nacken

sitzen hätten, der sie dazu antreibt. Die Redensart ist schon im

17. Jahrhundert belegt.

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Schall und Rauch sein

völlig wertlos oder unwichtig sein, nicht ernst zu nehmen;

aus Goethes Faust: „Nenn es dann, wie du willst, nenn’s Glück! Herz!

Liebe! Gott! Ich habe keinen Namen dafür! Gefühl ist alles; Name ist

Schall und Rauch, umnebelnd Himmelsglut“, so antwortet Faust auf

die Gretchenfrage nach seinem Glauben.

Schamade blasen

auch: Schamade schlagen

aufgeben, sich geschlagen geben;

aus der Militärsprache: bedeutet eigentlich „mit Trommel und

Trompete das Signal zum Rückzug oder zur Übergabe geben“. Der

Ausdruck stammt aus dem Französischen und ist seit dem Ende des

17. Jahrhunderts im Deutschen nachgewiesen.

ein Schandmaul haben

auch: eine Schandschnauze haben

unverschämt bzw. böse reden;

bezieht sich darauf, dass sich der Sprecher für seine Worte schämen

sollte, auch wenn sie möglicherweise nah an der Wahrheit sind.

auf jemanden scharf sein

auch: auf etwas scharf sein

etwas/jemanden dringend begehren;

vermutlich aus der Jägersprache: leitet sich wohl vom „scharfen“

Jagdhund her.

die Scharte auswetzen

eine Niederlage wiedergutmachen;

aus der Landwirtschaft: Die zum Mähen des Grases und Getreides

notwendige Sense musste regelmäßig gedengelt werden, da sie durch

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das Auftreffen auf Steine oder Wurzeln schartig wurde. Der Bauer

musste mit dem Schleifstein also Scharten auswetzen.

über seinen eigenen Schatten springen

gegen seine sonstigen Gewohnheiten handeln;

diese Redewendung bedeutet eigentlich „gegen seine eigene Seele

handeln“, denn der Schatten symbolisiert diese, da er wie sie nicht

von einer Person abzutrennen ist.

ein Schattenparkerein überempfindlicher Mensch;

dieser sehr junge Ausdruck ist die spöttische Beschreibung einer

Person, die so empfindlich ist, dass sie nicht einmal in ein in der Sonne

erhitztes Auto einsteigen würde.

ein Schaumschlägerein Hochstapler, Aufschneider;

spielt darauf an, dass Seifenschaum zwar viel Raum einnimmt, aber

wenig Masse hat; was ein „Schaumschläger“ von sich gibt, besteht

meist auch nur aus „heißer Luft“.

sich von jemandem eine Scheibe abschneiden

auch: sich von jemandem/etwas ein Stück abschneiden

sich an jemandem/etwas ein Beispiel nehmen;

bezog sich ursprünglich auf ein Nahrungsmittel, von dem jemand

kosten sollte, um einmal einen Eindruck von wirklichem Genuss zu

erhalten.

Scheibenhonig!

Ausruf bei einem Misserfolg;

verhüllende Umschreibung für „Scheiße“; könnte sich außerdem

auf das Scheibenschießen beziehen. Wenn ein Schütze nur die

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Scheibe, nicht aber „ins Schwarze“ traf, rief man „Ja Scheibe!“, was bald

allgemein für Enttäuschung verwendet wurde.

am Scheideweg stehen

sich entscheiden müssen zwischen zwei Möglichkeiten;

aus der Antike: Die in der deutschen Literatur vielfach rezipierte

Parabel „Herkules am Scheideweg“ handelt von dem griechischen

Helden, dem zwei Frauen erscheinen: Die eine verspricht ihm ein

unmoralisches, aber vergnügungsreiches Leben, die andere ein

ethisch einwandfreies, aber viel schwierigeres.

jemanden über den Schellenkönig loben

jemanden sehr oder übertrieben loben;

aus dem Kartenspiel: „Schellen“ ist die dem Karo entsprechende

Farbe im deutschen Kartenspiel mit je nach Spiel unterschiedlichem –

teilweise sehr hohem – Wert.

ein Schelm, wer Böses denkt

der Sprecher weiß, dass eine Aussage auch anders, verfänglich

gedeutet werden kann, dies war aber nicht seine Intention;

Übersetzung des Mottos des britischen Hosenbandordens; „Schelm“

war im Mittel alter ein Schimpfwort, dessen ursprüngliche Bedeutung

„Aas“ ist.

nach Schema F

nach einer exakten bürokratischen Vorgabe ablaufend;

aus dem 19. Jahrhundert: Das F, mit dem das viel zitierte Schema

gekennzeichnet wurde, ist die Abkürzung für „Front rapport“. Mit

Schema F war ein Formular gemeint, in dem über die Kampfstärke des

preußischen Heeres Bericht erstattet werden musste. Diese Berichte

wurden penibel auf Korrektheit geprüft.

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scherbeln gehen

tanzen gehen;

diese umgangssprachliche Redensart beschreibt ähnlich wie

die Wendung „ tanzen, bis die Fetzen fliegen“, dass jemand so

enthusiastisch tanzt, dass alles in seiner Umgebung zu Bruch geht. In

Österreich bedeutet scherbeln übrigens „tratschen“.

ein Scherbengericht abhalten

als größere Gruppe ein (oberflächliches) Urteil fällen;

aus dem alten Griechenland: Durch ein so genanntes Scherbengericht

wurden seit dem 4. Jahrhundert v. Chr. Athener aus der Stadt

verbannt, wenn eine Mehrheit dies für geboten hielt. Dabei musste

jeder Abstimmende den Namen des zu Verbannenden auf einer

Tonscherbe einritzen.

sich nicht um etwas scherensich nicht um etwas kümmern, von etwas unberührt sein;

aus dem Mittelhochdeutschen: „Scheren“ bedeutet hier nicht das

Schneiden des Felles beim Schaf, sondern so viel wie „teilen“. Wenn man

sich „nicht um etwas schert“, so hat man emotional keinen Anteil daran.

sein Scherflein zu etwas beitragen

einen kleinen Teil zu einem größeren Ganzen beitragen;

aus dem 9. Jahrhundert: Der Ursprung dieser Redensart liegt weit

zurück. Bereits bei den Karolingern war der Ausdruck „Scherf“ für eine

geringwertige Münze (ein halber Pfennig) üblich. Das Wort entwickelte

sich aus dem lateinischen „scripulum“ („Steinchen“), der Bezeichnung

für die kleinste römische Gewichtseinheit. Im Althochdeutschen ist für

eine Münze von geringem Wert auch das Wort „Scherpf“ zu finden.

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essen wie ein Scheunendrescherauch: futtern wie ein Scheunendrescher

sehr viel und sehr schnell essen;

dieses Bild bezieht sich nicht auf die landwirtschaftliche Maschine,

sondern auf die Erntehelfer, die das Getreide zu dreschen hatten und

nach dieser äußerst anstrengenden Arbeit großen Hunger hatten.

offen wie ein Scheunentoröffentlich, jedem Zugang gewährend;

da das Tor einer Scheune große Fuhrwerke durchlassen musste, war es

entsprechend hoch und breit, es konnte also jeder, der wollte, hinein

und hinaus.

es ist Schicht im Schacht

es ist am Ende, es geht nichts mehr;

aus dem Bergbau: Diese relativ junge Redewendung wurde von dem

Schichtwechsel im Schacht, d. h. im Bergwerk, abgeleitet, der für eine

Schicht von Kumpels jeweils „Feierabend“ bedeutete.

dem Schicksal in die Speichen greifen

eine schwierige Angelegenheit mutig und entschlossen angreifen;

aus dem 17. Jahrhundert: bezieht sich auf die römische Glücks- oder

Schicksals göttin Fortuna, deren Attribut ein so genanntes Schicksals-

oder Lebensrad (Rota Fortunae) ist.

schiefgewickelt sein

sich irren;

wie bei „schiefliegen“ hat auch hier der Teufel seine Finger im Spiel;

er ist in diesem Fall jedoch nicht nur für die Schiefe verantwortlich,

sondern umfängt und fesselt den Betreffenden sogar mit der fal schen

Ansicht, sodass sich dieser beinahe nicht mehr daraus befreien kann.

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schiefliegensich irren, etwas falsch einschätzen;

dieser umgangssprachliche Ausdruck stammt von der im

mittelalterlichen Volks glauben verbreiteten Ansicht, alles Schiefe,

Fehlerhafte sei durch den Teufel verursacht – der auch gern Menschen

zu irrigen Ansichten verleitet.

jemandem den Schierlingsbecher reichen

jemanden zum Selbstmord zwingen;

aus dem Altertum: Das Trinken des giftigen, alkaloidhaltigen

Extraktes des Schierlings war im Altertum eine übliche Methode, die

Todesstrafe zu vollstrecken bzw. dem Angeklagten den Selbstmord zu

ermöglichen. Der Philosoph Sokrates starb 399 v. Chr. an dem Gift, das

eine von den Füßen aufsteigende Lähmung und damit ein Ersticken

bewirkt.

aus der Hüfte schießenschnell und entschlossen reagieren;

schnell schießen, um dem Feind zuvorzukommen; die Pistole wird

aus der Halte rung am Gürtel gezogen und ohne weiteren Zeitverlust

abgefeuert, es wird also aus Hüfthöhe geschossen. Die Redensart ist

im Deutschen erst ab etwa 1950 zu finden.

etwas geht aus wie das Hornberger Schießenetwas ist trotz großer Vorankündigung ein absoluter Fehlschlag;

aus Baden-Württemberg: Als im Städtchen Hornberg hoher Besuch

erwartet wurde, übten die Bürger fleißig das Salutschießen, um

es in Perfektion vorführen zu können. Als Herzog Christoph von

Württemberg schließlich eintraf, hörte er nichts – die Hornberger

hatten ihre begrenzten Mittel nicht bedacht und beim Üben bereits

sämtliche Munition verschossen.

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querschießenetwas verhindern, durch sein Verhalten verderben;

bezieht sich vermutlich auf eine militärische Gefechtssituation, in der

Querschüsse die eigenen Reihen gefährden, Panik verursachen und

die Gefechtsordnung so auflösen können.

zum Schießen sein

zum Lachen, sehr lustig sein;

das Wort „schießen“ meinte früher neben der heute üblichen

Bedeutung des Abfeuerns einer Waffe noch etwas anderes, nämlich

das Herauswachsen aus etwas. Dieser Bedeutung entspringt z. B. auch

die Rede wendung „ins Kraut schießen“. Wenn etwas so lustig ist, dass

das Lachen aus jemandem heftig hervorbricht und er sich „vor Lachen

krümmt“, wächst („schießt“) ihm ein Buckel.

aufpassen wie ein Schießhundäußerst aufmerksam sein, gespannt alles beobachten, um dann

blitzschnell reagieren zu können;

aus der Jägersprache: Ein Schießhund ist ein Vorstehhund, der,

wenn der Jäger bereit zum Schuss ist, auf ein Zeichen hin das Wild

aufscheucht und das erlegte Wild apportiert.

das Schießpulver nicht erfunden haben

nicht besonders intelligent sein;

Die Erfindung des Schießpulvers am Ende des 19. Jahrhunderts stellte

einen großen Fortschritt in der Waffentechnik dar. Das bis dahin

verwendete Schwarzpulver besaß nicht nur weniger Explosivkraft,

es erzeugte auch beim Abbrennen viel Rauch. Wer „nicht gerade das

Schießpulver erfunden hat“, der hat also (aufgrund seiner Dummheit)

keinen großen Beitrag zur Geschichte geleistet

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Schiffbruch erleiden

mit einer Idee, einem Plan u. Ä. scheitern;

Schiffe waren schon immer ein Symbol der Hoffnung, der Freiheit, des

Aufbruchs zu neuen Ufern. Diese Hoffnung konnte schnell zunichte

gemacht werden – durch ein kleines Leck, aufgrund dessen das Schiff

„mit Mann und Maus“ sank.

„[...] damit du [...] den Glauben und ein gutes Gewissen hast. Das

haben einige von sich gestoßen und am Glauben Schiffbruch erlitten.“

(Timotheus 1,18–19)

mit allen Schikanenmit allem, was dazu gehört;

eine Schikane ist, u. a. im Rechtsbereich, im Pferde- oder

Autorennsport oder im Straßenverkehr, ein absichtlich erstelltes

Hindernis; das Wort stammt vom französischen Verb „chicaner“,

(das Recht verdrehen; ärgern, maßregeln). Bedeutete „mit allen

Schikanen“ also ursprünglich etwas Negatives, so wird es heute

als Ausdruck der Anerkennung für einen Gegenstand oder ein

Unternehmen verwendet.

jemanden auf den Schild heben

jemanden an die Spitze stellen, ihn zum Führer machen;

aus dem 15. Jahrhundert: Die Redensart leitet sich her vom

altgermanischen Brauch, den neu erwählten Führer auf den

Schild zu heben und ihn vor dem ganzen Volke dreimal im Kreise

herumzutragen, wie Tacitus (Historiae IV, 15) berichtet. Auch die

Franken hatten eine ähnliche Tradition, und noch von Balduin von

Flan dern wird berichtet, dass er bei seiner Wahl zum griechischen

Kaiser auf den Schild gehoben worden sei. Die Redensart selbst

jedoch entstand erst sehr viel später.

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etwas im Schilde führen

auch: Böses im Schilde führen

etwas vorhaben, planen, ohne den anderen davon in Kenntnis zu

setzen;

aus dem Mittelalter: Auch diese Redewendung stammt aus dem

Umfeld der Ritter und Ritterturniere. Da die Visiere der Ritterrüstung

nur schmale Sehschlitze besaßen, war das Gesicht und damit die

Identität des Ritters nicht zu erkennen. Einzig anhand des Schildes,

das stets sein Wappen zeigte, war er zu identifizieren. Auch der Feind

wurde aufgrund des Schildschmuckes erkannt; er führte also „Böses im

Schilde“.

keinen Schimmer einer Ahnung haben

auch: nicht den Schimmer der Ahnung einer Idee

überhaupt nichts wissen/verstehen;

bezieht sich auf jemanden, der nicht einmal einen kleinen Teil eines

Teiles vom eigentlichen Wissen besitzt.

mit Schimpf und Schande davonjagen

mit Nachdruck, im Unguten wegschicken;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: „Schimpf“ ist in seiner ursprünglichen

Bedeutung, „Scherz“, heute gar nicht mehr anzutreffen. In dieser

Redewendung meint es bereits so viel wie „Spott, Hohn“, auch

„Ehrverletzung“; jemand wird also unehrenhaft fortgeschickt.

schimpfen wie ein Rohrspatz

lautstark schimpfen;

aus dem Tierreich; die Redewendung ist seit dem 19. Jahrhundert

belegt: Die Rohrammer, auch Rohrspatz genannt, zählt zwar zu den

Singvögeln, gibt aber ein wenig melodisches Gekrächze von sich, das

durchaus an einen Menschen in höchster Rage erinnert.

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eine Schimpfkanonade loslassen

jemanden massiv beschimpfen;

aus dem Militärischen abgeleitet: Wer von jemandem mit scharfer

Kritik und Beleidigungen „bombardiert“ wird, der kann sich

rasch so wehrlos fühlen wie einer, der auf dem Schlachtfeld den

Kanonenschüssen des Feindes gegenübersteht.

ein alter Schinkenein altes Buch; ein altes, großes Gemälde;

„Schinken“ bezieht sich v. a. darauf, dass das jeweilige Werk „fett“, also

dick oder groß ist.

mit einem Schisslawengmit Schwung, mit dem gewissen Etwas;

dem französischen Ausdruck „ainsi cela vint“ (so ging das) entlehnt

und seit dem 17. Jahrhundert im deutschen Sprachraum nachweisbar.

Zunächst bezeichnete die Redensart einen für die Funktion nicht

unbedingt notwendigen Zierzusatz an Gegenständen oder auch

Texten.

den Schlaf der Gerechten schlafen

tief und ungestört schlafen;

abgeleitet aus der Bibel: Dort ist die Wendung nicht wörtlich zu

finden, doch des Öfteren die Rede von Ruhe und Frieden für die

Gerechten. So heißt es im 2. Buch Mose (26,6): „Ich will Frieden geben

in eurem Lande, dass ihr schlafet und euch niemand schrecke.“ Auch

im Englischen und Französischen gibt es diese Redensart.

schlafen wie ein Murmeltier

sehr tief schlafen;

aus dem Tierreich: Das genannte Nagetier ist eines der Tiere, die

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am ausdauerndsten und längsten Winterschlaf halten. Bis zu neun

Monate bleiben Murmeltiere in ihren Gängen. Wer also „schläft wie ein

Murmeltier“, den kann so leicht nichts aufwecken.

jemanden am Schlafittchen packen

auch: am Schlawittchen packen

jemanden festhalten;

Schlafittchen ist die Verkleinerungsform des Wortes „Schlafittich“, was

Schlag flügel bedeutet. Vögel hindert man am Wegfliegen, in dem man

beide Flügelansätze in einer Hand zusammenfasst – ungefähr an der

Stelle, an der man einen Ausreißer auch am Kragen, dem Schlafittchen,

packt.

ein Schlag ins Gesicht sein

eine schwere Kränkung;

im 18. Jahrhundert war der Schlag ins Gesicht mit einem Handschuh

eine Beleidigung. Um die Ehre wiederherzustellen, musste diese

Aufforderung zu einem Duell angenommen werden.

sich wacker schlagenauch: sich tapfer schlagen

sich gut halten, sich behaupten;

bezog sich ursprünglich auf tatsächliche Duelle, Handgemenge u. Ä.;

„wacker“ ist ein heute nicht mehr gebräuchliches Wort für tapfer,

ehrlich.

Schlagseite haben

betrunken sein, torkeln, nicht mehr gerade gehen können;

aus der Seemannssprache: Ein Schiff, das falsch gebaut oder

überladen ist, neigt sich im Wasser zur Seite, es hat Schlagseite.

Seit dem 17. Jahrhundert wurde die schiefe Seite als Schlagseite

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bezeichnet, aber erst seit dem 20. Jahrhundert wird die Redewendung

auf Betrunkene angewandt.

Schlamasselein Unglück, eine katastrophale Lage;

aus dem Jiddischen: eine Zusammenziehung aus dem deutschen Wort

„schlimm“ und dem jiddischen „mazol“ (Glück, Geschick).

eine falsche Schlangeeine hinterlistige Person (meist auf eine Frau bezogen);

auf die Bibel Bezug nehmend: Die Schlange gilt aufgrund ihrer Rolle

bei der Verführung Adams und Evas, vom Baum der Erkenntnis zu

essen, als Stellvertreterin oder Personifizierung des Teufels.

eine Schlappe einstecken

eine Niederlage erleiden;

aus dem späten Mittelalter: „Schlappe“ war der leichte Schlag oder

Klaps, abgeleitet von dem Lautwort „schlapp“ für ein klatschendes

Geräusch. Und wer bei einem Faustkampf dem Gegner unterlag, der

hatte eine Schlappe eingesteckt!

das reinste Schlaraffenlandein Schlemmerleben, ein Ort, an dem einem „gebratene Tauben in den

Mund fliegen“, ein Paradies;

seit dem 15. Jahrhundert belegt: Dieses wunderbare Land, das

in verschiedenen Geschichten und Märchen auftaucht, ist nach

dem „Schlaraffen“ benannt. Dieses Wort entwickelte sich aus „slur“

(mittelhochdeutsch für Faulpelz) und „aff“ (Affe). Das Schlaraffenland

ist also der Ort der Faulpelze und Müßiggänger.

auf dem Schlauch stehen

etwas nicht begreifen, verstehen, kapieren;

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wer auf dem Schlauch steht, der blockiert den Weiterfluss der

darin befindlichen Flüssigkeit. Im übertragenen Sinne wird der

Gedankenfluss blockiert, wenn jemand „auf dem Schlauch steht“.

jemanden schleifenjemanden zu hartem Training zwingen;

aus der Soldatensprache: bezieht sich auf das Glätten eines

Werkstücks mittels rauen Schleifpapiers; unter den Soldaten wird ein

besonders harter Drill ebenfalls „schleifen“ genannt.

jemanden ins Schlepptau nehmen

jemanden mitnehmen, mit sich ziehen;

aus der Seefahrt: Ein Schiff, das aus eigener Kraft nicht mehr in den

heimischen Hafen zurückkehren konnte, wurde von einem anderen

an einem Tau zurückgeschleppt; der Ausdruck wird allerdings auch

bei Walfängern für das Seil verwendet, mit dem der getötete Wal am

Schiff befestigt wird. Die Redensart ist seit Mitte des 18. Jahrhunderts

belegt.

ins Schleudern kommen

unsicher werden, in Schwierigkeiten geraten;

bezieht sich auf das schleudernde Fahrzeug, das der Fahrer kaum

(oder gar nicht) wieder „in die rechte Bahn“ lenken kann.

alle Schliche kennen

alle Tricks zum Erreichen eines Zieles zu nutzen wissen;

„Schliche“ bedeutet in diesem Fall so viel wie „Schleichwege“ zu einem

Ziel.

jemandem auf die Schliche kommen

die Methode/den wahren Charakter einer Person erkennen;

das veraltete Wort „Schliche“ hängt etymologisch mit „schleichen“

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zusammen. Diese Redewendung bezieht sich also auf das Bemerken

oder Aufdecken geheim gehaltenen Handelns einer Person.

einer Sache den letzten Schliff geben

etwas perfekt machen, vollenden;

der „letzte Schliff“ kann sowohl in der Bildhauerei als auch im Schleifen

von Edelsteinen die Schönheit des Gegenstandes noch vergrößern.

jemandem auf den Schlips treten

jemanden durch eine Bemerkung kränken, verärgern;

aus dem Niederdeutschen: ähnlich „sich auf den Schlips getreten

fühlen“; „Schlips“ ist heute zwar ein übliches Wort für die Krawatte,

das Wort kommt aber ursprünglich aus dem Niederdeutschen und

bedeutet „Rockschoß“.

sich auf den Schlips getreten fühlen

beleidigt, gekränkt sein;

aus dem Niederdeutschen: Die Wendung bezieht sich nicht etwa

auf die um den Hals gebundene Krawatte, sondern lässt sich auf

die niederdeutsche Bezeichnung für den Rockschoß, den „slip“,

zurückführen. Wer jemandem auf den Rockschoß trat, der konnte

sich des Grolls des Besitzers sicher sein, denn neben der Gefahr des

Strauchelns und Fallens war in jedem Falle der Gehrock beschmutzt.

mit jemandem Schlitten fahren

jemanden rücksichtslos/grob behandeln;

vermutlich aus der Soldatensprache: Die se Redewendung nimmt

Bezug auf eine Berg abfahrt mit einem Schlitten (ohne davor-

gespannte Pferde), die sehr holprig und nicht exakt lenkbar ist und bei

der v. a. der hinten Sitzende stark hin- und hergeworfen wird.

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ein Schlitzohr sein

gerissen, durchtrieben, ein Betrüger sein;

aus dem Mittelalter: Die Bezeichnung „Schlitzohr“ für jemanden,

der sich wenig tugendhaft verhält, geht auf einen Brauch aus dem

Zunftwesen zurück. Damals trugen Zunftmitglieder stets einheitliche

Ohrringe, um sich gegenseitig zu erkennen. Verstieß ein Mitglied

gegen die Regeln und Vorschriften der Zunft, so wurde ihm der Ring

aus dem Ohrläppchen gerissen, sodass er lebenslang als Gauner

gekennzeichnet war. Später wurden Schlitze im Ohr allgemein

Verbrechern als Schandmal zugefügt.

ein armer Schluckerein bemitleidenswerter Mensch;

aus dem 16. Jahrhundert: Im Mittelalter bezeichnete man mit

Schlucker noch den prassenden, verfressenen Schlemmer. Dann

wandelte sich die Bedeutung zum Menschen, der nicht viel zu essen

und damit zu schlucken hat und auf die Almosen anderer angewiesen

ist, schließlich allgemein zum bemitleidenswerten Menschen. Nach

einer im Wiener Raum verbreiteten, aber eher unwahrscheinlichen

Erklärung geht die Wendung auf einen Wiener Bauunternehmer

namens Schlucker zurück, der Ende des 18. Jahrhunderts im Auftrag

von Kaiser Joseph II. eine Mauer um den Lainzer Tiergarten bauen

sollte. Schlucker verrechnete sich jedoch bei den Kosten und ging

über dem Auftrag pleite – fortan war er ein „armer Schlucker“.

das Schlusslicht sein

auch: das Schlusslicht bilden

der Letzte sein;

Ein Schlusslicht, also eine Leuchte am Heck, haben nicht nur Autos,

bereits Pferde wagen waren zur Sicherheit oft mit einem solchen

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ausgestattet. Wer jedoch im redensartlichen Sinne das Schlusslicht

bildet, der ist der Letzte und damit der Schlechteste in einer Rangliste.

einen Schlussstrich unter etwas ziehen

mit etwas abschließen, etwas für beendet erklären;

der (doppelte) Strich unter der Endsumme bezeugt, dass eine

Rechnung überprüft und alle Posten korrekt addiert wurden.

vor die rechte Schmiede kommen

an die richtige Stelle geraten (z. B. um Informationen oder Hilfe zu

erhalten);

seit 1600 belegt: Da Pferde früher das Überleben der Bauern und die

Mobilität des Adels sicherten, war es wichtig, dass sie gesund blieben.

Ein schlechter Schmied kann das Pferd vernageln und eine Lahmheit

verursachen; umso wichtiger war es, „vor die rechte Schmiede zu

kommen“.

Schmiere stehen

Wache halten;

aus dem Jiddischen: „Schmiere“ ist eine deutsche Abwandlung des

hebräischen Wortes „schemira“ für Aufsicht, Bewachung, das im

Jiddischen als „schmiro“ (Wächter, Aufsicht) wiederzufinden ist.

sich nicht die Finger schmutzig machen

sich einer unangenehmen, unbequemen Beschäftigung entziehen;

fragwürdige Machenschaften, Verbrechen anderen überlassen;

Dreck ist etwas Anstößiges, das anständige Bürger verabscheuen.

Verbrecher sind der dreckige Abschaum der Gesellschaft, sie haben

kein reines Gewissen, und ihr Handwerk gilt als unsauberes Geschäft.

Da verwundert es nicht, dass sich viele nicht die Finger schmutzig

machen wollen.

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sich den Schneid abkaufen lassen

auch: sich den Mut abkaufen lassen

sich entmutigen, einschüchtern lassen;

aus der Soldatensprache: Wer „Schneid hatte“ oder „schneidig“ war,

der hatte Mut und Kraft, denn er trat scharf wie die Schneide eines

Messers auf. Wem hingegen der Schneid „abgekauft“ – besser wäre

„geraubt“ – wurde, den hatte sein Mut verlassen.

aus dem Schneider sein

von allen Schwierigkeiten befreit sein; aus einer (finanziellen) Notlage

heraus sein;

aus dem Kartenspiel: Wer beim Skat oder im Schafkopf „im Schneider“

ist oder „Schneider wird“, der erreicht weniger als die Hälfte der für

einen Sieg nötigen Punkte.

Herein, wenn`s kein Schneider ist!

Antwort auf ein Klopfen, wenn man nicht weiß, wer vor der Tür steht;

hier ist nicht der Beruf des Schneiders gemeint; die Wendung lautete

ursprünglich „[...] wenn’s nicht der Schnitter ist“. Gemeint ist der

Sensenmann, „Schnitter Tod“, der selbstverständlich nicht in das Haus

gebeten wird.

schnell bei der Hand sein

rasch, ohne langes Überlegen handeln;

„Hand“ besitzt denselben sprachlichen Ursprung wie das Wort

„handeln“ und wird in dieser Redewendung synonym zu Letzterem

verwendet.

jemandem ein Schnippchen schlagen

jemanden mit List übertreffen, ausstechen; jemandes Pläne

durchkreuzen;

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aus dem Mittelalter: Das Schnippen mit den Fingern war von jeher

eine Geste der Verachtung, die besagen sollte, man gebe „nicht so viel

auf ihn“. Die so ausgedrückte Überlegenheit wurde später auch nach

einer Manifestierung dieses „Besserseins“ gezeigt, indem jemandem

ein „Schnippchen geschlagen“ wurde.

einen Schnitzer machen

einen (großen) Fehler begehen;

aus der Holzschnitzerei: Ein falscher „Schnitzer“ bei der Herstellung

einer Ikone verdirbt das ganze Werk, da er nicht wiedergutzumachen

ist.

etwas ist jemandem schnuppees ist jemandem vollkommen gleichgültig;

„Schnuppe“ ist ein umgangssprachlicher Ausdruck für das verkohlte

Ende des Kerzendochtes. Dieses Ende brennt nicht und besitzt so

keinerlei Wert mehr – dementsprechend unwichtig ist es, ebenso wie

alle anderen Gegenstände und Sachverhalte, die einem „schnuppe“

sind.

etwas klappt wie am Schnürchenetwas funktioniert reibungslos;

vermutlich aus dem Puppentheater, da die an Schnüren befestigten

Marionetten problemlos nach dem Willen des Puppenspielers

handeln.

sich von seiner Schokoladenseite zeigen

sich von seiner angenehmen, freundlichen etc. Seite präsentieren;

Schokolade, früher eine seltene Kostbarkeit, steht für alles Süße,

Angenehme und Begehrte.

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Mein lieber Scholli!Meine Güte! Alle Achtung! Pass lieber auf!

Für diese Redensart gibt es zwei mögliche Erklärungen, deren

Wahrheitsgehalt heute nicht mehr zu überprüfen ist. Zum einen

könnte „Scholli“ auf den österreichischen Eigenbrötler Ferdinand Joly

(18./19. Jahrhundert) zurückgehen. Seine Macken und Eigenheiten

machten ihn so bekannt, dass „Scholli“ allgemein als Bezeichnung für

einen sehr seltenen Zeitgenossen verwendet wurde. Es ist aber auch

möglich, dass das französische Wort für „lieb, nett, hübsch“ (joli) im

Rahmen der deutschen Aussprache zu dem härter klingenden „Scholli“

wurde und die Redensart damit frei als „Mein lieber Mann“ übersetzt

werden könnte.

sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf ziehen

sich aus eigener Kraft aus dem Unglück befreien;

aus den Abenteuern des Freiherrn von Münchhausen (4. Kapitel)

von Gottfried August Bürger (1747–94): „[...] und fiel nicht weit vom

andern Ufer bis an den Hals in den Morast. Hier hätte ich unfehlbar

umkommen müssen, wenn nicht die Stärke meines eigenen Armes

mich an meinem eigenen Haarzopfe, samt dem Pferde, welches ich

fest zwischen meine Knie schloß, wieder herausgezogen hätte.“

etwas beim Schopfe packen

sich eine (günstige) Gelegenheit nicht entgehen lassen;

das Kopfhaar eines Menschen nennt man auch „Schopf“– packt man

jemanden beim Schopf, so kann er schlecht weglaufen.

die Schotten dicht machen

etwas zu Ende führen, die Arbeit beenden;

aus der Seefahrt: Das Schott ist eine dicht schließende Trennwand im

Schiffsbauch. Diese kann bei Wassereintritt oder Feuer geschlossen

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werden, damit nicht das gesamte Schiff betroffen ist und sinkt. Einen

ähnlichen Hintergrund hat der Ausdruck „sich abschotten“.

jemandem fällt etwas wie eine reife Frucht in den Schoßjemand erhält etwas Gutes ohne eigenes Zutun;

das Bild, das mittels dieser Redensart gezeichnet wird, zeigt einen

untätigen Menschen, der unter einem Obstbaum sitzt und der trotz

seiner Faulheit die leckersten Früchte erhält. Die Redensart wird daher

meist aus einem Neidgefühl heraus verwendet.

sicher wie in Abrahams Schoßgut behütet, vollkommen sicher;

aus der Bibel: Abraham gilt als der Stammvater des religiösen

Glaubens und damit als freundliches Gegenüber im Jenseits für

diejenigen, die tugendhaft lebten. Der Ausdruck selbst wird in

Lukas 16,22, in der Geschichte des Bettlers Lazarus genannt. Der reiche

Mann, vor dessen Tür er lag und vergeblich um Nahrung bat, sieht

nach seinem Tod Abraham nur von Weitem; Lazarus aber stirbt und

wird „von den Engeln getragen in Abrahams Schoß“.

jemanden in seine Schranken weisen

jemanden zurechtweisen;

aus dem Mittelalter: Als Schranken bezeichnete man bei

mittelalterlichen Ritterturnieren die Kampfbahnen. Die Kämpfer

ritten, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, in getrennten Bahnen

aufeinander zu. Ursprünglich bedeutete die Wendung also lediglich,

dass man dem Ritter seine Bahn zuwies. Wenn heute jemand seine

„Bahn“ verlässt, d. h. sich danebenbenimmt, so wird er von anderen in

die Schranken gewiesen.

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bei jemandem ist eine Schraube locker

jemand ist (etwas) verrückt;

aus der Technik: Ist bei einer Maschine ein Zahnrädchen oder ein

Schräubchen, d. h. ein kleiner Werkteil locker, so läuft die gesamte

Maschine nicht mehr rund.

eine Schraube ohne Ende

eine Entwicklung, bei der kein Ende abzusehen ist;

meist im politischen bzw. wirtschaftlichen Zusammenhang (z. B. für

Ausgaben, Inflation etc.) verwendete Redensart.

etwas ist der letzte Schreietwas ist sehr schick, hochmodern, „in“;

vom französischen Ausdruck „le dernier cri“. Das „Schreien“ bezog

sich entweder auf die Markthändler, die ihre neue Ware mit lautem

Schreien bewarben, oder auf die „schreienden“ Farben und Werbe-

sprüche der Reklame auf Plakaten.

sage und schreibeAusdruck der Bekräftigung;

nicht genau geklärt; bezieht sich darauf, dass ein Sachverhalt wahr ist

und bleibt, ob man ihn nun mündlich weitergibt oder aufschreibt.

schreien wie am Spieß

sehr laut und angstvoll schreien, als ob es um das Leben ginge;

aus dem 16. Jahrhundert: Die Redensart bezieht sich entweder auf

den Bratspieß, auf dem man z. B. ein Spanferkel zum Braten aufspießt,

oder auf die Pike, den Kampfspieß. Bereits in seinem Werk „Flöh-Hatz,

Weiber-Tratz“ (1577) gebraucht Johann Fischart die Wendung „gaellen,

als ob es an aim Spiß thaet staecken“ (schreien, als ob es an einem

Spieß steckte).

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den zweiten Schritt vor dem ersten tun

etwas in der falschen Reihenfolge, zu übereilt beginnen;

dieses Bild beschreibt etwas eigentlich Unmögliches, das erst durch

die Übertragung – also die inhaltliche Ersetzung des Wortes „Schritt“

durch „Stufe, Listenpunkt“ u. Ä. – möglich wird.

von altem Schrot und Korn

auch: von echtem Schrot und Korn

echt, integer, zuverlässig;

aus der Numismatik: Die Redewendung setzt sich zusammen aus

dem Fachterminus für das Gesamtgewicht (Raugewicht) einer

Münze (Schrot) und für das Feingewicht, das heißt den Anteil von

Edelmetallen wie Gold oder Silber am Gesamtgewicht (Korn). Wenn

etwas oder jemand von „echtem Schrot und Korn“ ist, so stimmen die

Gewichtsanteile und der Gehalt an edlen Metallen – es oder er ist von

guter, wahrer Qualität.

Wo drückt der Schuh?

Was bedrückt dich?

Aus dem Altertum: Der griechische Philosoph Plutarch (1. Jahrhundert

n. Chr.) beschrieb die Lebensgeschichte von Paulus Aemilius. Dieser

musste seinen Freunden Rede und Antwort stehen, weshalb er sich

von seiner schönen und treuen Gemahlin hatte scheiden lassen.

Aemilius deutete auf seinen neuen Schuh und gab kund: „Auch dieser

Schuh ist schön und neu, aber niemand sieht, wo er mich drückt.“

jemandem die Schuld in die Schuhe schieben

jemanden (fälschlich) für etwas verantwortlich machen, jemanden

beschuldigen;

in den Herbergen früherer Zeit übernachteten die Reisenden in

Schlafsälen. Waren Diebe unter ihnen, konnten diese sich ohne

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Gefahr an dem Besitz anderer vergehen. Sofern ein Diebstahl nämlich

entdeckt wurde, versteckten sie das Diebesgut in den vor jedem Bett

stehenden Schuhen eines anderen Gastes – sie „schoben es jemandem

in die Schuhe“.

zäh wie eine Schuhsohlenicht kleinzukriegen, hart im Nehmen;

Leder ist ein seit Jahrtausenden genutztes, bei guter Qualität sehr

reißfestes Material; die früher üblicherweise aus Leder gefertigten

Schuhsohlen waren entsprechend zäh.

etwas auf die leichte Schulter nehmen

etwas ohne große Sorge nehmen;

gemeint ist eigentlich nicht eine Schulter von geringem Gewicht,

sondern eine so leichte Last, dass man sie ohne große Schwierigkeiten

schultern kann.

jemandem die kalte Schulter zeigen

jemanden abweisen, kalt behandeln;

die „kalte Schulter“ war vermutlich ursprünglich die rechte, die weiter

vom Herzen entfernt war und aufgrund dessen, so dachte man,

weniger durchblutet und kälter sein müsste.

jemanden schurigelnjemandem nur zum eigenen Vergnügen das Leben schwer machen;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: früher auch in den Formen

„schürgeln“ oder „schurgeln“ verwendet. Die Herkunft ist umstritten.

Möglich ist eine Herleitung aus schürgen (scheren); jemanden

schurigeln bedeutete ursprünglich also so viel wie „jemanden immer

wieder scheren“.

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ein Schürzenjägerein Frauenheld;

„Schürze“ steht hier als Pars pro Toto für das Kleid, das wiederum die

typische Frauenbekleidung ist; ein Schürzenjäger versucht also, jede

Frau in Reichweite „abzuschießen“.

ein Schuss geht nach hinten los

eine Handlung oder Maßnahme wirkt sich gegen einen selbst aus;

bezieht sich auf ein Gewehr, dessen Ladung nicht durch den Lauf

geschossen wird, sondern nach hinten zündet und dabei auch den

Schützen schwer verletzen kann.

einen Schuss haben

nicht ganz richtig im Kopf sein;

aus dem Mittelalter: Die Redensart beruht auf dem Volksglauben, dass

Krankheiten durch die Geschosse von Dämonen ausgelöst werden.

Wer nicht ganz richtig im Kopf war, den hatte der Krankheitsdämon

wohl dort getroffen.

einen Schuss in den Himmel tun

etwas völlig Sinnloses, Unnützes tun;

vermutlich abgeleitet vom Brauch des so genannten Wetterschießens:

In manchen Gegenden wird bis heute bei heraufziehendem Unwetter in

die Luft geschossen. Fremde verstehen den Sinn nicht und betrachten

es als völlig aussichtslos, damit ein Gewitter vertreiben zu wollen.

Wahrscheinlich aber wollte man damit früher außerdem entferntere,

noch nicht auf die Gefahr aufmerksam gewordene Dörfer warnen.

gut in Schuss sein

in einem guten Zustand sein, gut funktionieren;

aus der Militärsprache: Die Redensart bezog sich ursprünglich auf

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fertig geladene und ausgerichtete Geschütze, die „in Schuss“ waren,

d. h. nur noch abgefeuert werden mussten.

jemandem einen Schuss vor den Bug verpassen

jemanden nachdrücklich warnen;

aus der Seefahrt: Als Kriegsschiffe noch mit Kanonen ausgerüstet

waren, wurde der Gegner zunächst mit einem einzelnen Schuss, der

vor dem Bug seines Schiffes ins Wasser ging, gewarnt. Nun hatte

er noch die Möglichkeit, abzudrehen und damit einen Kampf zu

verhindern. Wer heute einen Schuss vor den Bug bekommt, der sollte

vielleicht ebenfalls überdenken, ob der eingeschlagene Weg der

richtige ist.

keinen Schuss Pulver wert sein

eine schlechten Charakter haben, ehrlos sein;

aus der Soldatensprache: Wegen eines schweren Vergehens zum

Tode verurteilte Soldaten wurden zumeist „durch Pulver und

Blei“ hingerichtet, also erschossen. Nur wer sich einer besonders

abscheulichen Tat schuldig gemacht hatte, sollte sein Verbrechen

durch den Galgen büßen müssen, er war „nicht einmal einen Schuss

wert und die Kugel für ihn zu schade“.

zum Schuss kommen

sein Vorhaben ausführen können;

aus der Jägersprache: Wenn der Schütze nach langem Ansitzen

endlich zum Schuss kommt, kann er das bejagte Wild erlegen.

Im übertragenen Sinne wird die Redensart auch als verhüllende

Umschreibung für die sexuelle Befriedigung des Mannes gebraucht.

in die Schusslinie geraten

sich heftiger Kritik aussetzen;

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aus der Jägersprache: Bedeutete ursprünglich, dass etwas vor das

vom Jäger anvisierte Ziel geriet und damit in die von ihm angepeilte

Schusslinie lief.

die Schussstiefel anhaben

Fußballtore erzielen;

aus dem Fußball: führt den Torerfolg eines Spielers nicht auf seine

gute Technik, sondern (scherzhaft) auf seine Schuhe zurück.

Schütze Arsch im letzten Glied

der Letzte in einer Hierarchie;

aus der Soldatensprache: Das letzte „Glied“ – also die letzte Reihe

bei der Aufstellung für Paraden, Truppenabnahmen u. Ä. – ist für die

Soldaten reserviert, die aufgrund optischer Mängel „versteckt“ werden

sollen.

einen Schutzengel gehabt haben

auf wunderbare Weise vor Schaden bewahrt worden sein;

aus der Bibel: Im Alten wie im Neuen Testament tauchen immer

wieder Engel auf und greifen als Boten Gottes zumeist helfend in

das Geschehen ein (z. B. Tobit 12,12). Die Vorstellung von einem

persönlichen Schutzengel verbreitete sich aber erst im Spätmittelalter;

ab dem 17. Jahrhundert waren Schutzengeldarstellungen mit Kindern

weit verbreitet.

jemandem Schützenhilfe leisten

jemandem beistehen;

aus dem Militär: Die Schützenhilfe war ursprünglich nicht die Hilfe

beim Schuss, sondern die seelsorgerische Unterstützung der Soldaten,

die nach einem erfolgreichen Schuss (d. h. dem Tod eines Feindes) oft

psychologische Hilfe benötigten.

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das Schwabenalter erreichen

40 Jahre alt werden;

nach einer weit verbreiteten Unterstellung werden Schwaben erst mit

40 Jahren „gescheit“. Dies geht auf Johannes Böhm, genannt Bohemus

(1490–1533), zurück, der 1521 in einer „Beschreibung der Sitten und

Gebräuche aller Stämme“ (Omnium gentium mores et ritus) über

die Schwaben schrieb, sie kapierten spät, und damit dieses Vorurteil

begründete.

schwach auf der Brust sein

wenig Geld (seltener: Kraft) haben;

ursprünglich eine Bezeichnung für den Schwindsüchtigen,

Lungenkranken, der sehr kraftlos war.

sich keine Schwachheiten einbilden

sich keine falschen Hoffnungen machen (sollen);

meint eigentlich, man solle nicht hoffen, eine schwache Stelle beim

Gegner oder Gegenüber zu finden, sodass dieser sich überwinden

ließe und man selbst doch noch ans Ziel seiner Wünsche käme.

aussehen wie eine Schwalbe, wenn`s blitzt

auch: aussehen wie eine Gans, wenn’s donnert

völlig verdutzt/erschrocken sein;

eher scherzhafte Redewendung, da kaum ein Wildtier bei Gewitter

überrascht oder verängstigt reagiert.

Schwamm drüber!

Vergiss es! Vergessen wir es!

Bezieht sich auf das Löschen einer Tafelaufschrift mit dem feuchten

Schwamm, sodass anschließend niemand mehr genau sagen kann,

was dort stand.

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Mein lieber Schwan!

Ausruf des Erstaunens; spöttische Anrede;

stammt aus Richard Wagners Oper „Lohengrin“. In der 1847

geschriebenen Oper heißt es: „Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!“

ein Schwanengesangein Abgesang, Trauer über eine dem Untergang geweihte Sache;

aus der griechischen Mythologie: Danach sollen die Schwäne singen,

wenn sie sterben. Auch das letzte Werk eines Künstlers, insbesondere

eines Dichters, wird als Schwanengesang bezeichnet.

mit etwas schwanger gehen

eine Idee haben, etwas planen;

obwohl jemand, der schwanger ist, sich noch vor der Geburt befindet,

hat diese Redewendung denselben bildhaften Hinter grund wie

„einen Plan ausbrüten“. In beiden Fällen wird suggeriert, dass etwas

Kleines durch langes Beschützen und Bearbeiten wächst und reift und

irgendwann „schlüpft“ – eventuell als Geniestreich.

jemandem schwant etwas

jemand ahnt etwas (meist eine drohende Gefahr);

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Einige Deutungsversuche berufen

sich auf die angebliche hellseherische Fähigkeit der Schwäne

(unter Berufung auf den germa nischen Glauben). Dies ist jedoch

unwahrscheinlicher als die Bezugnahme auf den lateinischen

Ausdruck „olet mihi“ (ich ahne, wörtlich: „es ahnt mir“), das von

Studenten scherzhaft in „es schwant mir“ übersetzt wurde (da das

lateinische Wort olor „Schwan“ bedeutet).

den Schwanz einziehen

einen Rückzieher machen, Angst bekommen;

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aus dem Tierreich: Viele Tierarten ziehen den Schwanz (die Rute)

zwischen die Hinter beine, wenn sie Angst haben. Dieses Verhalten

entspringt dem Versuch, sich möglichst klein zu machen, ist also eine

Unterwerfungsgeste.

sich in den Schwanz beißen

auch: der Hund/die Katze beißt sich in den Schwanz

eine paradoxe Situation, ein Teufelskreis;

aus der Tierwelt: Die Schlange, schon in der Bibel das Sinnbild des

Bösen, könnte sich aufgrund ihrer Beweglichkeit selbst in den Schwanz

beißen. Wenn ein Hund oder eine Katze versucht, sich in den eigenen

Schwanz zu beißen, was man bei Jungtieren gelegentlich beobachten

kann, dann bietet dies einen reichlich komischen Anblick.

aus Schwarz Weiß machen

auch: aus Weiß Schwarz machen, Schwarz Weiß nennen

etwas ins Gegenteil verkehren; jemanden durch Tatsachenverdrehung

täuschen wollen;

diese Redewendung beschreibt die Umkehrung einer Sache in ihr

Negativ. Einige Quellen nennen die Bibel als Quelle. In Jesaja 5,20

heißt es: „Weh denen, die Böses gut und Gutes böse nennen,

die aus Finsternis Licht und aus Licht Finsternis machen!“ Einige

Übersetzungen geben „Finsternis“ und „Licht“ mit „Schwarz“ und

„Weiß“ wieder.

den schwarzen Peter haben

die Verantwortung für etwas aufgebürdet bekommen;

vom Kartenspiel „schwarzer Peter“: Wem in diesem Spiel die einzige

Karte ohne Gegenstück, der so genannte „schwarze Peter“, bleibt, der

hat verloren.

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etwas schwarz auf weiß haben

ein Schriftstück (Urkunde, Schuldschein, etc.) über einen Vorgang

haben;

das mit schwarzer Tinte oder Druckerschwärze auf Papier

festgehaltene Wort gilt juristisch gesehen nicht mehr als das

gesprochene – insbesondere vor Gericht lässt es sich jedoch leichter

beweisen und bietet damit größere Rechtssicherheit.

ins Schwarze treffen

genau das Richtige sagen oder tun;

aus dem Sport: Auf den Scheiben, auf die Schützen ihre Gewehre

(oder Bogen) anlegen, kennzeichnen Ringe die Treffergenauigkeit.

Sowohl bei den bunten als auch bei den schwarz-weißen Zielscheiben

ist der innerste Ring schwarz – wer diesen trifft, hat einen

hervorragenden Treffer gelandet.

jemandem den schwarzen Peter zuschieben

jemandem die Schuld an einer Sache zuschieben;

aus dem Kartenspiel: Der schwarze Peter muss im gleichnamigen

Kartenspiel einem anderen Mitspieler durch Täuschung

„zugeschoben“ werden, da derjenige, der ihn besitzt, das Spiel verliert.

Schwarzmalerei betreiben

Pessimist sein, nur das Negative sehen;

Farben hinterlassen beim Betrachter stets eine bestimmte Stimmung;

Schwarz ist traditionell die Farbe des Unglücks, der Trauer, des Todes –

auch auf Bildern.

Alter Schwede!

Was für ein Kerl! Alle Achtung!

Aus dem 17. Jahrhundert: Kampffähigkeit und -motivation der

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preußischen Truppen waren nach dem Dreißigjährigen Krieg sehr

gering. Um sie zu verbessern, holte sich Friedrich Wilhelm, Kurfürst

von Preußen, ausländische Fachleute – namentlich kampferprobte

schwedische Soldaten. Die se machten sich rasch einen Namen als

strenge, aber faire Ausbilder, sodass die Bezeichnung „Alter Schwede!“

zu einem Zeichen der Anerkennung für Können und Wissen eines

Menschen wurde.

hinter schwedischen Gardinen

im Gefängnis, in Haft;

aus dem 17. Jahrhundert: Diese deutsche Redewendung entstand

im Dreißigjährigen Krieg, als schwedische Truppen Pommern besetzt

hielten. Die deutschen Kriegsgefangenen wurden in Gefängnissen

verwahrt, deren Gitter aus schwedischem Stahl bestanden – einem

Material, das bereits damals für seine Härte und Unverwüstbarkeit

bekannt war.

schweigen wie ein Grab

kein Wort sagen/verraten;

diese meist auf die Bitte um Geheimhaltung geantwortete

Redewendung bezieht sich auf die absolute, oft unheimliche „Toten-

stille“ auf Friedhöfen.

Ich glaub, mein Schwein pfeift!

Das gibt es doch nicht!

Beschreibt analog zur Redensart „ich glaub, mich knutscht ein

Elch“ eine vollkommen surreale und unglaubwürdige Situation. Oft

bekundet man mit dieser Aussage auch seine Fassungslosigkeit

und Verärgerung. Gerade weil man etwas in keinster Weise

nachvollziehen kann, gibt man diesem Gefühlszustand Ausdruck,

indem man ebenfalls eine völlig unmögliche Situation schildert: Die

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Lippenmuskulatur von Schweinen ist so gering ausgebildet, dass an

Pfeifen nicht einmal zu denken ist. Schweine können ausschließlich

quieken und Grunzlaute von sich geben.

Schwein haben

Glück haben;

aus dem Kartenspiel: Im Bayerischen heißt die oberste Karte, das Ass,

bis heute „Sau“; auf der höchsten Karte der Farbe „Schellen“ ist ein

Wildschwein abgebildet. Wer dieses Schwein hatte, der konnte mit

Recht auf den Sieg hoffen. Nach einer anderen Erklärung geht die seit

dem 19. Jahrhundert belegte Redensart auf den Brauch zurück, auf

Schützenfesten, Turnieren etc. dem Verlierer als Trostpreis ein Schwein

zu überreichen.

im Schweinsgaloppschnell und oberflächlich;

die schnellste Gangart eines Schweins zeichnet sich durch geringe

Eleganz und Balance aus.

im Schweiße seines/ihres Angesichts

mühevoll, unter großen Anstrengungen;

aus der Bibel: Nachdem Adam und Eva den Apfel vom Baum der

Erkenntnis gegessen haben, verflucht Gott sie (1. Mose 3,17–19): „[...]

verflucht sei der Acker um deinetwillen! Mit Mühsal sollst du dich

von ihm nähren dein Leben lang. [...] Im Schweiße deines Angesichts

sollst du dein Brot essen, bis du wieder zu Erde werdest, davon du

genommen bist.“

ein Schwerenöterein Frauenheld; ein gerissener Mensch;

die „Schwere Not“ war früher der Ausdruck für Fallsucht bzw. Epilepsie.

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Ein Schwerenöter war ein derart verhasster Mensch, dass man ihm

Fallsucht an den Hals wünschte, sodass er seinen Mitmenschen nichts

Böses mehr antun konnte. Mit der Aufklärung ließ auch die Brisanz der

Krankheit Fallsucht nach. Die Schwere Not wünschte man dann nur

noch vergleichsweise harmlosen Personen an den Hals.

ein zweischneidiges Schwerteine Angelegenheit oder Sache, die gute und schlechte

Konsequenzen/Aspekte hat;

aus der Bibel: Ursprünglich bedeutete die se Wendung, dass etwas

von besonderer Schärfe, alles durchdringend war. So heißt es im Buch

der Sprüche (5,3–4): „Denn die Lippen der fremden Frau sind süß wie

Honigseim, und ihre Kehle ist glatter als Öl, hernach aber ist sie bitter

wie Wermut und scharf wie ein zweischneidiges Schwert.“ In der

heutigen Bedeutung wird hingegen der Aspekt des Scheidens, des

Trennens hervorgehoben und darauf verwiesen, dass eine Sache Vor-

und Nachteile hat.

mit zwei Schwertern fechten

besonders viel Erfolg haben wollen (dabei aber riskieren, alles zu

verlieren);

aus dem Mittelalter: Die so genannte „Zwei-Schwerter-Lehre“ entstand

im frühen Mittelalter und beschrieb das Rang- und Machtverhältnis

zwischen Kaiser und Papst. Nach dem ursprünglichen päpstlichen

Verständnis verteilte Gott je ein Schwert an Kaiser und Papst, d. h., er

gab dem Kaiser die weltliche, dem Papst aber die geistliche Herrschaft.

Das Kirchen oberhaupt verbat sich damit die Einmischung des

weltlichen Herrschers in Kirchendinge.

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schwofen gehen

auch: auf den Schwof gehen

ausgelassen feiern;

aus dem Rheinland: Das rheinische Wort „schwofen“ bedeutet

eigentlich tanzen; wer „auf den Schwof“ ging, der ging also zum

öffentlichen Tanz – dass dabei ausgelassen gefeiert wurde, versteht

sich von selbst.

Stein und Bein schwörenbesonders nachdrücklich behaupten, schwören;

aus dem Mittelalter: „Stein und Bein“ sind Sinnbilder der Härte und

Bruchfestigkeit und daher zur Verstärkung einer Aussage oder eines

sprachlichen Bildes genutzt worden. Die Wendung taucht schon im

13. Jahrhundert auf, allerdings wird sie erst im 16. im Zusammenhang

mit schwören gebraucht. Nach einer anderen Erklärung geht sie auf

mittelalterliche Rechtsbräuche zurück. Der Schwur auf Stein und Bein,

nämlich auf den heidnischen heiligen Stein, später den Altarstein

und auf Reliquien, die Gebeine eines Heiligen, wäre demnach eine

doppelte Versicherung der Wahrhaftigkeit einer Behauptung.

in See stechen

mit dem Schiff auf das Meer hinausfahren;

das Bild bezieht sich auf den Klüvermast an einem Segelschiff, der wie

eine Richtung See zeigende große Spitze aussieht.

die Seele baumeln lassen

sich erholen, ausspannen;

wird dem Schriftsteller Kurt Tucholsky (1890–1935) zugeschrieben,

der die Wendung in der 1931 veröffentlichten Erzählung „Schloss

Gripsholm“ erstmals verwen dete. Darin heißt es: „Wir lagen auf der

Wiese und baumelten mit der Seele.“

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eine Seele von Mensch sein

ein besonders lieber/freundlicher/gutmütiger Mensch sein;

hier wird mit dem Wort Seele, das eigentlich eine wertfreie

Bezeichnung für die Psyche oder den Geist eines Menschen darstellt,

bereits die Wertung „gut“ assoziiert.

ein Seelenverkäuferjemand, der unseriöse Geschäfte macht;

aus der Seemannsprache: Dieser Ausdruck bezog sich zunächst auf ein

altes Schiff, das nicht mehr seetüchtig ist, das also die Seelen der an

Bord Gehenden „an den Teufel verkauft“; später fand die Wendung mit

vollkommen anderer Bedeutung Eingang in die Alltagssprache.

(vor jemandem) die Segel streichen

kapitulieren, aufgeben;

aus der Seefahrt: „Segel streichen“ ist der seemännische Fachausdruck

für das Einholen der Segel, das in einer Kampfsitua tion als Zeichen

der Kapitulation galt. Diese Redewendung ist schon im Lateini schen

belegt: „vela contrahere“.

jemandem den Wind aus den Segeln nehmen

jemanden entmutigen, demotivieren;

aus der Seefahrt: Wenn einem motorlosen Schiff der Wind in den

Segeln fehlt, so treibt es unsteuerbar durch das Wasser und kommt

nicht mehr voran.

in den Seilen hängen

ohne Motivation oder Energie sein;

mit den „Seilen“ ist vermutlich jede Form von Zugriemen gemeint, z. B.

die Stränge am Zuggeschirr von Pferden. Wenn man in diesen Seilen

hängt, dann wird man durch sie gehalten, zieht aber nicht mehr.

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ein älteres Semester sein

älter, alt sein;

aus der Studentensprache: Das universitäre Lehrjahr ist in zwei

Semester aufgeteilt; wer ein „älteres Semester“ ist, der ist, meint diese

schönfärbende Redewendung, schon seit sehr vielen Semestern

dabei.

weggehen wie warme Semmelnsehr beliebt, begehrt sein, sich rasch verkaufen lassen;

diese Redewendung bezieht sich auf die Vorliebe vieler Menschen für

frisch gebackenes, noch ofenwarmes Brot.

seinen Senf dazugeben

sich zu etwas äußern, etwas dazu sagen;

die heute abwertend für Menschen, die sich ungefragt zu allem

äußern, verwendete Redensart war zunächst durchaus positiv zu

verstehen. Der „Senf“ symbolisiert jede Art von Gewürz. Wer Senf zu

einem Gespräch gibt, macht es interessanter, „würzt“ es. Allerdings

kann es auch leicht zu scharf werden oder nicht dem allgemeinen

Geschmack entsprechen. Vermutlich wandelte sich die Assoziation, die

diese Redewendung hervorruft, aus diesem Grund von Lob zu Kritik.

Senge kriegen

verprügelt werden;

das Sengen ist eine Variante der Oberflächenbereinigung von Leder

oder Textilien; feine abstehende Härchen oder Fasern werden mittels

einer Gasflamme abgebrannt. Wer „Senge“ erhält, dem brennt

vermutlich anschließend ebenfalls die Haut.

etwas geht einem auf den Senkeletwas nervt einen;

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vermutlich bezieht sich diese Redewendung nicht auf das Schnürband

des Schuhs, sondern verwendet „Senkel“ als umgangssprachliche

Kurzform für das Senklot oder -blei des Maurers.

seinen Sermon herunterbeten

auch: seinen Sermon herunterleiern

eine langweilige/sich wiederholende Rede halten;

„Sermon“ ist ein veralteter Begriff für die Predigt im christlichen

Gottesdienst, die für die einfachen Bauern früher oft sehr langweilig

war, da sie kein Latein sprachen.

auf Nummer sicher gehen

ganz sicher sein wollen, etwas sehr genau bzw. übergenau planen

oder prüfen;

Ableitung der Wendung „auf Nummer sicher sein“, also im Gefängnis

sein, die sich auf die fortlaufende Nummerierung der Gefängniszellen

wie der Insassen und die Tatsache bezieht, dass die Gefangenen sicher

verwahrt werden.

jemandem brennt die Sicherung durch

auch: jemandem brennen alle Sicherungen durch

jemand verliert die Selbstkontrolle;

diese junge Redewendung basiert auf der Vorstellung, Menschen

besäßen ähnlich wie Stromkreise, eine Sicherung, die sie

(normalerweise) an „Kurzschlusshandlungen“ hindern.

ein Hirn wie ein Sieb haben

auch: ein Gedächtnis wie ein Sieb haben; ein Gehirn wie ein Sieb haben

vergesslich sein;

die bildliche Redewendung vergleicht das Gehirn mit einem Sieb –

was nicht hängen bleibt, geht verloren.

Page 515: Reden Sar Ten 101210

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mit Siebenmeilenstiefeln gehen

sehr schnell gehen;

aus dem Märchen: Das Motiv der Sieben meilenstiefel ist alt und wurde

durch zahlreiche Dichter rezipiert. Kern aller Erzählungen sind die

wundersamen Stiefel, in denen man mit einem Schritt sieben Meilen

überwinden und so unglaublich schnell überallhin gelangen kann.

seine Siebensachen packen

seine wenigen Habseligkeiten zusammenpacken (um abzureisen, zu

verschwinden);

die Zahl Sieben in dieser Redewendung stellt keinen Hinweis auf einen

göttlichen oder magischen Ursprung dar, sondern soll die geringe

Größe des Besitzes – der leicht abzuzählen ist – verdeutlichen.

einen siebten Sinn haben

eine Vorahnung haben, Übernatürliches wahrnehmen können;

in der Antike kannte man fünf Sinne, mit denen der Mensch die

Umwelt wahrnimmt: Gehör-, Geruchs-, Geschmacks-, Gesichts- und

Tastsinn; später kam der Gleichgewichtssinn hinzu. Als siebten Sinn

bezeichnet man daher die Fähigkeit, Dinge wahrzunehmen, die

anscheinend nicht mit den Sinnesorganen aufgenommen werden.

nicht alle (fünf) Sinne beisammen haben

nicht ganz vernünftig, etwas verrückt sein;

die fünf Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen) stehen hier

für die Gesamtheit der Fähigkeiten des Menschen.

eine Sisyphusarbeiteine scheinbar sinnlose, nicht zu bewältigende Aufgabe;

aus der griechischen Mythologie: Sisyphus, König von Korinth, musste

als Strafe für Verrat und Betrug in der Unterwelt einen großen Stein

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einen Berg hinaufrollen. Jedes Mal, wenn er fast oben angekommen

war, entglitt ihm der Felsblock und rollte den Berg wieder hinab – er

musste von vorne beginnen.

viel Sitzfleisch haben

fleißig und ausdauernd sein;

bezog sich auf Schüler, Studenten und Gelehrte, die ihre Tätigkeit im

Sitzen verrichten. Heute wird die Redensart auch für Gäste verwendet,

die zu lange bleiben.

zwischen Skylla und Charybdis sein

sich zwischen zwei gleich großen Übeln in einer ausweglosen Lage

befinden;

aus der griechischen Mythologie: Homer schildert in seiner Odyssee

(XII, 85–110) die Gefahren in der Meerenge von Messina. Die Skylla,

eine gefährliche Klippe, erscheint bei ihm als ein sechsköpfiges

Meerungeheuer, das das Schiff des Helden angreift, die Charybdis,

ein Meeresstrudel, als Unheil bringende Riesin. Schon im antiken

Rom hieß es: „Incidit in Scyllam qui vult vitare Charybdim“ (Wer die

Charybdis vermeiden will, verfällt der Skylla).

von den Socken sein

sehr erstaunt, überrascht sein;

das von dieser Redewendung hervorgerufene Bild ist das eines

Menschen, der vor Schreck oder Verblüffung „aus den Socken kippt“.

wie in Sodom und Gomorrha

unmoralisch, wollüstig;

aus der Bibel: Die beiden Städte stehen in der Bibel für verderbte

Orte voll Sünde (1. Mose 18–19). Die Strafe Gottes war die Zerstörung

dieser Städte durch Schwefel und Asche.

Page 517: Reden Sar Ten 101210

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jemandem scheint die Sonne aus dem Arsch

jemandem geht es gut;

wer gute Laune hat, der hat nicht nur ein strahlendes Lachen im

Gesicht – das Glück leuchtet aus allen Körperöffnungen heraus, wenn

man dieser Redensart Glauben schenkt.

ein SonntagskindPerson, die viel Glück hat;

meint jemanden, der „unter einem günstigen Stern“ geboren

wurde; der Sonntag galt bereits in der Antike als idealer Geburtstag.

Im Deutschen kam dann begünstigend die Verbindung dieses

Wochentages mit der Sonne und dem Licht hinzu.

etwas kommt einem spanisch vor

ein Sachverhalt erscheint einem merkwürdig oder seltsam;

aus dem 16. Jahrhundert, als Karl V., der schon vorher spanischer König

war, deutscher Kaiser wurde: Er brachte am spanischen Hof übliche

Sitten mit ins Reich, die dort bis dahin unbekannt waren und teils auch

als unerhört empfunden wurden.

Im „Simplicissimus“ Grimmelshausens (1622–1676) findet sich

folgender Beleg: „Bei diesem Herrn kam mir alles widerwärtig und fast

spanisch vor.“

auf Sparflamme schalten

auch: auf Sparflamme kochen

sparsam wirtschaften (meist im negativen Sinne);

wer im Herd das Feuer gerade so am Brennen hält oder das Gas so

weit herunterdreht, dass nur noch ein kleines Flämmchen brennt, der

wirtschaftet äußerst sparsam, ist womöglich allerdings zu geizig.

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Spargel quer essen können

einen breiten Mund haben;

wer Spargel quer essen kann, hat naturgemäß einen breiten Mund.

mit Kanonen auf Spatzen schießen

auch: Kanonen auffahren, um Sperlinge zu schießen

übertrieben reagieren, übertriebenen Aufwand betreiben;

Kanonen waren lange Zeit die schwersten Schusswaffen mit der

größten Zerstörungskraft, und Spatzen sind bekanntlich sehr

kleine Vögel – dieses Missverhältnis wird in der Redewendung auf

das Vorgehen einer Person in Relation zu dem angestrebten Ziel

übertragen

Spatzen unter dem Hut haben

auch: Vögel, Schwalben, Sperlinge unter dem Hut haben

so unhöflich sein, den Hut zum Gruß nicht abzunehmen;

diese Redewendung verpackt den Tadel für eine Unhöflichkeit

scherzhaft: Er kann den Hut nicht heben, sonst flögen seine Spatzen

weg. Zugleich weckt sie Assoziationen zur Wendung „einen Vogel

haben“.

ein Spatzenhirn haben

dumm sein;

aus dem Tierreich: Da Spatzen recht kleine Vögel sind, haben sie

selbstverständlich auch nur ein kleines Gehirn. Befindet sich ein

solches aber redensartlich im Kopf eines Menschen, so ist er ziemlich

dumm.

jemandem den Speck durch den Mund ziehen

das Interesse einer Person an einer Sache wecken, jemandem den

Mund wässrig machen;

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vor allem in Sachsen verbreitet: Der „Speck“ galt aufgrund seiner

Nahrhaftigkeit und des den Geschmack verfeinernden Fettes vor den

Zeiten der fettfreien Diät als eines der wichtigsten und „leckersten“

Lebensmittel.

ein Speichelleckerein Schmeichler;

vermutlich aus dem Tierreich: Ein rangniederer Wolf schleckt dem

Leitrüden die Lefzen, um seine Unterwürfigkeit und seinen Gehorsam

zu verdeutlichen.

die Spendierhosen anhaben

für andere mitbezahlen, in Geberlaune sein;

aus der Studentensprache: beruht auf der scherzhaften Vorstellung,

Großzügigkeit und Freigebigkeit lägen nicht im Charakter, sondern an

den Hosen eines Menschen bzw. am Schneider derselben.

ins Sperrfeuer der Kritik geraten

massiver Kritik ausgesetzt sein;

aus dem Militär: Sperrfeuer, d. h. massives, schlagartiges Feuer auf ein

bestimmtes Gebiet, soll den Angriff oder das Vorrücken der feindlichen

Kräfte verhindern und den Gegner am Betreten des beschossenen

Gebietes hindern, ihn davon „absperren“. Die Wendung wird erst seit

dem 20. Jahrhundert auch übertragen gebraucht.

nach Speyer appellieren

sich übergeben müssen;

aus dem 17. Jahrhundert: bezieht sich einer seits auf den Gleichklang

zwischen dem Ortsnamen und dem Wort „ speien“ (spucken,

sich erbrechen), andererseits darauf, dass die Stadt bis Ende des

17. Jahrhunderts das Reichskammergericht beherbergte.

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ein abgekartetes Spieletwas, dessen Ergebnis im Vorhinein (betrügerisch) abgesprochen

wurde;

aus dem Kartenspiel: bezieht sich vermutlich auf markierte, „gezinkte“

Karten.

etwas aus dem Spiel lassen

etwas nicht berücksichtigen;

seit dem 17. Jahrhundert verbreitet: bezog sich ursprünglich auf das

gemeinsame Instrumentenspiel, zu dem jemand nicht hinzugezogen

bzw. verpflichtet wurde.

viel aufs Spiel setzen

auch: alles aufs Spiel setzen

ein großes Risiko eingehen;

aus dem Kartenspiel: Einen hohen Spiel einsatz wagt nur, wer sich

seiner Sache sehr sicher ist – oder wer an Fortuna glaubt, denn im

Kartenspiel ist das Gewinnen stets auch Glückssache.

den Spieß umdrehen

die Mittel oder Methoden des Gegners gegen diesen selbst benutzen;

ursprünglich die Waffe des Gegners gegen diesen selbst kehren.

Der Spieß war eine im Mittelalter weit verbreitete, weil billig

herzustellende Waffe, deren Bedienung leicht zu erlernen war. Wer

dem Gegner den Spieß entriss und ihn umdrehte, der konnte nun

seinerseits angreifen.

Spießruten laufen müssen

durch eine Menschenmenge hindurchmüssen, die einen feindlich,

spöttisch oder kritisch aufnimmt;

aus der römischen Antike: Eine übliche militärische Strafe im alten

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Rom war es, den Delinquenten zwischen zwei Reihen Soldaten

hindurchzuschicken, die mit ihren Speeren („Spießruten“) nach ihm

stachen. Nur wenige überlebten diese Bestrafung. Heute ist der

„Spießrutenlauf“ nicht mehr tödlich – aber mit Sicherheit immer sehr

unangenehm.

sich spinnefeind sein

sich sehr hassen, sehr verfeindet sein;

diese Redewendung hebt wie z. B. auch „sich angiften“ auf die

„giftige“ Bösartigkeit miteinander verfeindeter Menschen ab.

Obwohl es im deutschen Sprachraum nur sehr wenige und nur

relativ schwach giftige Spinnen gibt, hält sich der Glaube an die

Gefährlichkeit dieser Glieder füßer.

Seemannsgarn spinnen(Lügen-)Geschichten erzählen;

aus der Seefahrt: Eine der langweiligsten Tätigkeiten an Bord eines

Schiffes war das Auftrennen und neue Drehen oder Versplei ßen

der Taue („Garn“). Um sich die Zeit zu vertreiben, erzählten sich die

Seeleute unterdessen Geschichten über ihre angeblich erlebten

Abenteuer.

Spitz auf Knopf stehen

ungewissen Ausgang haben, riskant sein;

eigentlich: auf Spitz und Knopf stehen bzw. bieten; beim Fechten

diente die Spitze des Degens dem Angriff, der Griffknauf („Knopf“)

jedoch der Verteidigung. Die Redensart bezeichnet also eine

Situation in einem Duell, in der noch nicht eindeutig ist, ob einer

der Kontrahenten sich auf den Angriff oder die Verteidigung

konzentrieren muss.

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die Spitze des Eisbergs

nur der kleinste Teil einer Angelegenheit, deren Ausmaße oder

Auswirkungen weit über die bereits bekannten hinausgehen;

bei einem Eisberg ragt nur der kleinste Teil, etwa 1/7, aus dem Wasser,

die restlichen 6/7 bleiben unter dem Meeresspiegel und damit dem

Betrachter verborgen.

der Spitzenreiter sein

der Beste sein;

aus der Militärsprache: Der Spitzenreiter war der mit einer Fahne oder

Standarte an der Spitze einer Formation reitende Offizier.

splitternacktvollständig unbekleidet;

seit dem 15. Jahrhundert verbreitet: Wie das heutige Wort „(Holz-)

Splitter“ hat auch splitternackt etwas mit Holz zu tun. Ursprünglich

hieß der Ausdruck wohl „splinternackt“. Splintholz ist die äußerste,

jüngste Holzschicht eines Baumes. Sie ist noch nicht verkernt und

damit nicht so hart wie das Reifholz. Über der Splintschicht liegt

die Rinde. Wenn bei einem Baum also die Rinde entfernt ist, ist er

noch nicht vollständig „entkleidet“ – dies ist erst nach Abheben

der Splintschicht der Fall. Da diese Schicht wie alles Holz faserig ist,

entstand auch der Ausdruck „splinterfasernackt“.

jemandem die Sporen geben

jemanden (hart) antreiben;

aus der Reiterei: Die Sporen am Stiefel des Reiters dienen dem

Antreiben eines faulen Pferdes zu schnellerer Gangart.

sich die Sporen verdienen

sich mittels Erfahrung oder Arbeit eine Anerkennung erwerben;

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aus der Reiterei: Da die Sporen bei unsachgemäßem Gebrauch das

Pferd verletzen oder zu heftigen Abwehrreaktionen herausfordern

können, dürfen Reitanfänger sie nie tragen. Erst wer einiges an

Erfahrung auf dem Pferderücken gesammelt hat, darf die metallenen

Hilfsmittel anschnallen. Im übertragenen Sinne bedeuten die Sporen,

die sich jemand verdienen muss, meist den beruflichen Aufstieg oder

eine Aufgabe mit mehr Verantwortung.

ein babylonisches Sprachengewirrauch: ein babylonisches Sprachgewirr

Unmöglichkeit der gegenseitigen Verständigung; ein

Sprachendurcheinander;

aus der Bibel: Der Turmbau zu Babel, mit dem Gott Konkurrenz

gemacht werden sollte, erzürnte ihn so, dass er ein „babylonisches

Sprachengewirr“ zur Erde sandte (1. Mose 11,5–9), damit sie nicht

mehr zusammenarbeiten konnten.

die Spreu vom Weizen trennen

das Gute, qualitativ Hochwertige vom Schlechten trennen;

aus der Landwirtschaft: Beim Dreschen auf der Tenne wurden früher

mittels des Dreschflegels die Körner aus den Ähren geschlagen.

Danach mussten die Ähren von der Spreu, den trockenen, leichten

Hüllen der Körner, getrennt werden. Dafür wurde das Gemisch

geworfelt, d. h. mittels einer speziellen Schaufel in die Luft geworfen,

wobei die leichte Spreu durch den Wind fort geblasen wurde, nicht

aber die schwereren Ähren. So trennte man die Spreu vom Weizen.

etwas springen lassen

großzügig sein, etwas spendieren;

bezieht sich auf den früher üblichen Brauch, Geldmünzen beim Zahlen

kräftig auf den Tisch zu werfen, um durch den Klang ihre Echtheit zu

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beweisen und so zu zeigen, dass man „sein Geld wert ist“. Wer etwas

springen ließ, der konnte zahlen, und im besten Falle tat er dies auch

für andere, daher erweiterte sich die Bedeutung schließlich allgemein

auf Freigebigkeit.

einen Sprung in der Schüssel haben

auch: einen Sprung in der Tasse haben

leicht verrückt sein;

Geschirrteile werden oft als Bild für den Geisteszustand einer Person

herangezogen; letztendlich sind aber alle diese Redensarten nur eine

Abwandlung der Wendung „nicht alle Tassen im Schrank haben“.

jemandem auf die Sprünge helfen

jemanden unterstützen, beim Beginnen einer Sache fördern;

aus der Jägersprache: Zu Beginn der Jagd muss der Hund dem Jäger

„auf die Sprünge“, d. h. beim Auffinden der durch das fortspringende

Wild hinterlassenen Fährte helfen.

jemandem bleibt die Spucke weg

auch: Da bleibt mir die Spucke weg!

jemand ist sehr überrascht oder erschrocken;

geht auf die Erkenntnis zurück, dass der Körper in Situationen großen

Erschreckens alle „unwichtigen“ Funktionen wie die Verdauung, zu der

auch die Speichelproduktion gehört, zugunsten der Atmung und der

Herztätigkeit verringert. Dieses Phänomen ist seit Langem bekannt.

sich sputensich beeilen;

aus dem Plattdeutschen, von „spuden“. Im Althochdeutschen gab es

einst das Wort „spuot“ für Eifer, Eile; aus derselben Wurzel stammt das

englische „speed“.

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über jemanden den Stab brechen

jemanden verdammen, ein hartes Urteil über jemanden fällen;

aus dem Gerichtswesen: Der hier zitierte Stab war das Zeichen

der Richterwürde, das alle bei einer gerichtlichen Versammlung

Anwesenden den Anweisungen des Richters unterstellte. Kurz vor der

Exekution eines Verbrechers zerbrach der Richter seinen Stab über

dessen Kopf mit den Worten: „Nun helfe dir Gott – ich kann dir nicht

mehr helfen.“ Wenn man heute also über einer Person im übertragenen

Sinne den Stab bricht, sähe man sie wohl am liebsten schwer bestraft.

ein Stachel im Fleisch von jemandem sein

eine ständige Mahnung, Bedrohung für jemanden sein;

aus der Bibel abgeleitet: Im Wüstenland Israels sind dornige Sträucher

eine übli che Vegetation; wer sich solch einen Stachel zuzieht –

oder wem er eingeschlagen wird –, der wird bei jeder Bewegung

schmerzhaft daran erinnert.

wider den Stachel löcken

störrisch, widerspenstig sein;

aus der Bibel: Berühmt wurde der Ausspruch durch sein Erscheinen

in der Apostelgeschichte 26,12–15. Der bekehrte Paulus schildert in

seiner Verteidigungsrede vor Agrippa seine Reise nach Damaskus.

Auf dem Weg dorthin sah er ein helles Leuchten am Himmel und fiel

auf die Knie, da hörte er die Stimme Jesu: „Saul, Saul, was verfolgst

du mich? Es wird schwer sein, wider den Stachel zu löcken [...].“ Diese

Wendung stammt aus dem landwirtschaftlichen Bereich: Der Stachel

ist ein mit einer Spitze bewehrter Stock, mit dem das Vieh vor dem

Wagen oder dem Pflug angetrieben wurde. „Löcken“ ist ein altes Wort

für das Ausschlagen eines störrischen Rindes, das nicht angetrieben

werden will.

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die Stadt unsicher machen

auch: die Nacht unsicher machen

heftig feiern;

aus dem 18. Jahrhundert: bedeutete eigent lich, sich

unerwünschterweise in einer Stadt blicken zu lassen, und bezog sich

ursprünglich auf Räuber oder durchziehende Kriegshaufen.

jemandem etwas ins Stammbuch schreiben

auf etwas beharren gegenüber jemandem, etwas vehement fordern;

diese Redewendung geht auf die zur Zeit Luthers in Mode

kommenden Büchlein zurück, in die erbauliche und ermahnende

Sprüche eingetragen wurden (ähnlich den heutigen „Poesiealben“).

Dort Verzeichnetes war nicht mehr zu tilgen und erinnerte den

Besitzer des Buches stets an eine Verpflichtung oder ein Verbot.

jemandem eine Standpauke halten

jemanden tadeln, zurechtweisen;

aus der Studentensprache, seit Ende des 18. Jahrhunderts belegt:

Pauken, also das „Einhämmern“, stand bei den Studenten für das

Predigen (und wandelte sich erst später zum Synonym für „Lernen“)

bzw. scharfe Tadeln. Da der Rügende dabei steht, kann er lauter und

energischer schimpfen und den Schüler oder Studenten (eventuell)

zusätzlich durch seine Körpergröße beeindrucken.

bei der Stange bleiben

eine Sache konsequent zu Ende führen, durchhalten, loyal bleiben;

aus dem Militär: Diese Redewendung nimmt vermutlich auf die

Stange der Fahne oder Standarte Bezug, die jede kämpfende Truppe

im Feld mit sich führte. Sie wurde am Anfang des Heereszugs

getragen. Die Soldaten, die „bei der Stange“ blieben, blieben also,

ohne zu weichen, auf dem Schlachtfeld und kämpften.

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jemandem die Stange halten

jemandem loyal zur Seite stehen, den Rücken stärken;

aus dem Mittelalter: Die „Stange“ meint die Lanze, mit der ein Ritter

bei einem Turnier antritt. Bis er im Sattel sitzt und bereit zum Kämpfen

ist, muss ein Untergebener seine Lanze halten und sie ihm dann

reichen. Unter Umständen stand auch eine Holzstange Pate bei der

Entstehung dieser Redewendung, mit der ein Helfer in den Kampf

eingreifen durfte.

etwas vom Stapel (laufen) lassen

etwas anmerken, sagen, eine Rede halten (meist scherzhaft oder

spöttisch);

aus dem Schiffbau: Das fertiggestellte Schiff wird bei einem feierlichen

Stapellauf in der Werft zu Wasser gelassen, ein gut vorbereiteter

Vorgang. Der „Stapel“ ist hierbei die Unterlage, auf der das Schiff

während der Bauphase ruht.

jemandem den Star stechen

jemandem die Augen öffnen bezüglich einer Sache oder Person;

aus dem Mittelalter: Gemeint ist hier nicht der Singvogel, sondern die

vom starren Blicken Erkrankter hergeleitete Augenkrankheit (grüner,

grauer) Star. Bereits aus dem 16. Jahrhundert ist eine martialische

„Therapie“ des Stars durch Scharlatane bekannt: das Ausstechen (was

die Blindheit endgültig werden ließ).

in den Startlöchern sitzen

auch: in den Startlöchern stehen

aus der Leichtathletik: Vor der Einführung von so genannten

Startblöcken machten Läufer ein Loch in den Boden, um in der

Startposition nicht zu verrutschen.

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..., bis sich der Staub gelegt hat

..., bis sich die Dinge beruhigt haben;

als die Haupttransportmittel noch klapprige Kutschen mit Holzrädern

und Straßen nicht geteert waren, wurde selbstverständlich noch

eine Menge Staub und Dreck von den fahrenden Kutschen in die Luft

gewirbelt. So konnte man wegen der Staubwolken lange kaum klar

sehen, wenn eine Kutsche vorbeikam. Bis sich der Staub legte und

man wieder unbehindert sehen konnte, dauerte es eine Weile. Das

Gleiche trifft auf Menschen mit einem Problem zu: Sie sehen die Dinge

oft schlimmer und aufgewühlter, als sie letztendlich sind, weswegen

man etwas sich erst beruhigen lassen sollte, ehe man vorschnelle

Entscheidungen trifft. Es empfiehlt sich, zu warten, bis sich die

„Staubwolken gelegt“ haben und wieder Klarheit herrscht.

in den Staub beißen

unterliegen; sterben;

beschreibt wie „ins Gras beißen“ die Situation, dass man mit dem Kopf

auf dem Boden liegt oder dort aufschlägt.

sich aus dem Staub machen

flüchten, weglaufen;

aus dem Mittelalter bzw. Militär: Der aufgewirbelte Staub, der das

heimliche Verschwinden erleichtert, war vor allem an zwei Orten

anzutreffen: auf dem Turnierplatz, wo die Ritter gegeneinander

antraten, und auf dem Schlachtfeld. Welches Umfeld für die

Redewendung Pate stand, ist heute nicht mehr genau festzustellen.

vor jemandem im Staub kriechen

sich bei jemandem einschmeicheln, sich unterwürfig verhalten;

aus dem Tierreich: Bei vielen Tierarten, u. a. bei Hunden, zeigen

die rangniedrigen Tiere durch eine geduckte Körperhaltung – im

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Extremfall mit durch den Staub schleifendem Bauch – ihre geringe

Gefährlichkeit und ihre Unterwürfigkeit an.

aus dem Stegreifimprovisiert, ohne Vorbereitung oder Planung;

aus dem Mittelalter: Das heutige Wort für „Stegreif“ ist Steigbügel, der

metallene Tritt am Sattel des Reitpferdes. Früher taten berittene Boten

vieles „aus dem Stegreif“, da sie für kurze Meldungen, aber auch für eine

rasche Mahlzeit nicht vom Pferd stiegen, um keine Zeit zu verlieren. Sie

ließen also auch ihre Füße im Steigbügel und improvisierten, indem sie

den Pferdesattel zum Mittagstisch machten.

ein Stehaufmännchen sein

sich von Rückschlägen/Krankheiten rasch erholen;

bezieht sich auf ein Kinderspielzeug: eine Puppe mit rundem

Unterleib, in dem ein Gewicht dafür sorgt, dass sie sich immer wieder

aufrichtet.

auf jemanden stehenfür jemanden/etwas schwärmen;

aus den 1920er-Jahren: Ursprünglich aus dem Süddeutsch-

Österreichischen, verbreitete sich die Redewendung in den 1980er-

Jahren über die Jugendsprache im ganzen deutschen Sprachraum.

stehlen wie ein Rabe

viel stehlen;

aus dem Tierreich: Raben werden aufgrund ihres schwarzen,

unheimlich wirkenden Gefieders viele negative Eigenschaften

nachgesagt, darunter das Stehlen. Es ist aber auch möglich, dass

Gaukler und Gauner früher diese intelligenten Vögel tatsächlich

entsprechend abrichteten.

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jemandem den Steigbügel halten

jemandem helfen, jemanden (unterwürfig) unterstützen;

aus dem Mittelalter: Das Besteigen eines Pferdes war mit der schweren

Kampfrüstung mittelalterlicher Ritter nahezu unmöglich. So wurden

Hilfsmittel entwickelt wie z. B. ein Seilzugsystem, mit dem der Ritter

aufs Pferd gehoben wurde. Die zweite Schwierigkeit für ihn war

dann, mit dem gestreckt in der Rüstung fixierten Bein und dem

langen Sporn an der Ferse, der das Pferd scheu machen konnte, den

Steigbügel zu finden. Also stand der Knappe seinem Herrn bei und

hielt ihm den Bügel hin. Noch heute wird mit dieser Redewendung

eine leicht unterwürfige Haltung des Helfenden assoziiert.

bei jemandem einen Stein im Brett haben

von jemandem sehr gemocht werden;

aus dem Mittelalter: Bei dem mittelalterlichen Brettspiel Puff (auch

Wurfzabel, Tricktrack), einem Vorläufer des heutigen Backgammon,

mussten die Spielsteine auf das Feld gewürfelt werden. Wer gut

würfelte, hatte seine Steine rasch sehr gut auf dem (oder im) Brett

verteilt. Einen (guten) Stein im Brett haben bedeutet zunächst also

schlicht, gute Gewinnchancen zu haben. Später wurde der Ausdruck

dann für eine Person verwendet, die einem große Sympathie

entgegenbringt.

den Stein der Weisen suchen

sich um etwas bemühen, das es nicht gibt;

aus der Spätantike: Als Stein der Weisen bezeichneten die Alchemisten

das vergebens gesuchte Universalmittel zur Umwandlung von

unedlen Metallen in Gold; es sollte auch als Heilmittel gegen alle

möglichen Krankheiten helfen.

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den Stein ins Rollen bringen

etwas initiieren, etwas in Bewegung setzen;

Diese Redensart basiert auf dem Bild eines am Hang liegenden

Steines. Wird dieser angestoßen, rollt er immer schneller den Berg

hinunter und kann kaum noch aufgehalten werden. Ähnlich sollte

ein Projekt, das „ins Rollen gebracht“ wurde, unweigerlich zum Erfolg

führen.

der Stein des Anstoßes

der Auslöser von Unmut, ein Ärgernis;

aus der Bibel: Mehrere Textstellen verwenden das Bild des Steins, an

dem man sich schmerzhaft den Fuß stößt bzw. über den man fällt. So

sagt Gott in Jesaja 8,14: „Ich bin der heilige Zufluchtsort, aber ich bin

auch der Stein, an dem man sich stößt [...].“ Das Bild, auf dem diese

Redewendung beruht, ist das eines Ärgernisses, das selbst nicht aktiv

zur Problematik beiträgt.

Dir wird schon kein Stein aus der Krone fallen!

auch: Dir wird schon keine Perle/kein Zacken aus der Krone fallen!

Das ist schon akzeptabel!

Die Krone steht in dieser Redewendung für den Stolz und die

Selbstachtung einer Person. Wenn nicht einmal ein Edelstein

herausbricht, wird die Selbstachtung durch die zu erledigende

Aufgabe nicht verletzt.

jemandem einen Stein in den Garten werfen

jemandem Schwierigkeiten bereiten;

seit dem Spätmittelalter belegt: Wer jemand anderem „einen Stein in

den Garten“ warf, der zerstörte dessen Beete und das dort angebaute

Gemüse. Außerdem erschweren Steine erheblich das Umbrechen der

Erde, wie es für die erfolgreiche Bodenbearbeitung unabdingbar ist.

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In einigen Regionen wandelte sich die Bedeutung dieser Redensart

jedoch ins Gegenteil; dort wird sie im Sinne von „ich schulde dir etwas,

ich werde mich beizeiten revanchieren“ gebraucht („dafür werde ich

dir auch einmal einen Stein in den Garten werfen“).

jemandem fällt ein Stein vom Herzen

jemand ist erleichtert, von einer Sorge befreit;

der „Stein“ steht symbolisch für jeden Kummer, jede Angst, die

jemanden belastet hat und von der er befreit wurde.

auf der Stelle treten

nicht vorankommen;

aus der Militärsprache: Die Redensart leitet sich wohl vom Befehl

„Auf der Stelle treten!“ beim preußischen Militär her. Damit wurde die

Bewegung des Marschierens geübt.

die Stellung halten

sich hartnäckig behaupten;

aus der Militärsprache: eine militärische Stellung bis zum Äußersten

verteidigen.

Stellung nehmen

auch: Stellung beziehen

seine Meinung äußern, einen bestimmten Standpunkt vertreten;

aus der Militärsprache: Eine Stellung ist ein Gefechtsstand oder eine

bestimmte Aufstellung. Wenn also Soldaten Stellung beziehen sollten,

so mussten sie im Gefechtsstand ihre Position einnehmen oder die

Aufstellung zum Angriff oder zur Verteidigung einnehmen. Erst im

19. Jahrhundert wurde die Wendung auch im übertragenen Sinne

gebraucht.

Page 533: Reden Sar Ten 101210

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in den Sternen stehen

unsicher, nicht vorhersagbar sein;

diese Redewendung spielt auf die geringe Trefferquote astrologischer

Zukunftsvorhersagen an.

nach den Sternen greifen

übermütig werden; große Pläne haben;

der Griff nach den Sternen steht symbolisch für den Griff nach etwas

zwar Wunderschönem, aber nicht Erreichbarem.

sternhagelvoll sein

sehr stark alkoholisiert sein;

„Sternenhagel“ bzw. in schwächerer Form „Sternenregen“ ist

der astronomische Ausdruck für einen beim Eintreten in die

Erdatmosphäre entstehenden Meteoritenschwarm. Wer sehr

betrunken ist, sieht ähnliche Phänomene sogar am hellen Tag.

etwas stibitzeneine Kleinigkeit heimlich entwenden;

aus der Gaunersprache: Für stehlen gibt es zahlreiche verhüllende

Ausdrücke, u. a. mausen, klemmen, klauen. Die Herkunft des Wortes

„stibitzen“ lässt sich nicht sicher klären, es geht wohl auf mundartliche

Ausdrücke zurück. Im Gegensatz zu „stehlen“ bezieht sich „stibitzen“

jedoch stets auf Gegenstände von geringfügigem Wert und impliziert

eine gewisse Gerissenheit des Täters.

jemanden im Stich lassen

jemandem die versprochene Hilfe nicht zukommen lassen, jemanden

hängen lassen;

aus dem Mittelalter: Ähnlich der Redensart „jemanden ausstechen“

geht auch diese Wendung auf die mittelalterlichen Ritterturniere

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zurück. Normalerweise musste der Knappe seinen Herrn aus der

Kampfbahn ziehen, sobald dieser durch den Gegner aus dem Sattel

gestochen worden war. Tat er dies nicht, weil er vielleicht selbst zu

viel Angst hatte, so setzte er den Ritter der Gefahr eines Nachstechens

durch den Gegner aus. Er ließ seinen Herrn also „im Stich“.

hieb- und stichfest sein

einwandfrei, unangreifbar, nachprüfbar sein;

aus dem Mittelalter: Wer durch eine besonders gute Rüstung

„hieb- und stichfest“ war, der war in der Ursprungsbedeutung

unverwundbar. Auch durch Wundsegen sollten Soldaten bis ins

20. Jahrhundert hinein hieb- und stichfest gemacht werden. In

der übertragenen Bedeutung ist die Wendung erst seit dem 20.

Jahrhundert gebräuchlich.

den Stiefel durchziehen

etwas auf eine eigene Art machen, seine Sache (trotz Hindernissen

oder Kritik) durchziehen;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: Ursprünglich lautete diese Wendung

„seinen Stiefel gehen“ und könnte sich auf die Aufforderung beziehen,

doch mal „in jemandes Schuhen“ zu gehen, bevor man über diesen

urteilt.

Stielaugen bekommen

auch: Stielaugen machen

etwas sehnsüchtig ansehen, etwas neidisch betrachten;

aus dem Tierreich: Verschiedene Tiere, darunter Schnecken und

einige Fische, haben auf „Stielen“ sitzende Augen; ebensolche

hervortretenden Augen hat angeblich jemand, der von

Besitzverlangen getrieben eine Sache lange ansieht.

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den Stier bei den Hörnern packen

auch: den Stier bei den Hörnern fassen

ein Unternehmen mutig an der schwierigsten Stelle anfangen; einem

Gegner offen entgegentreten;

aus der Tierwelt: Bei den Hörnern hat der Stier die beste Wehrkraft,

ist also am gefährlichsten. Gleichzeitig ist dies die Stelle, an der ein

Angriff den größten Erfolg verspricht.

stiften gehen

verschwinden, weglaufen;

nicht endgültig geklärt; möglicherweise aus der Bienenzucht: „Stiften“

ist der Fachterminus des Imkers für die Eiablage der Königin in die

Zellen; hierfür muss sie zunächst ihren Kopf hineinstecken, um zu

sehen, ob die Zelle sauber ist und ob die Größe für die Arbeiter- oder

nur für die Drohnenbrut genügt.

stinken wie ein Wiedehopf

sehr unangenehm riechen;

aus dem Tierreich: Der auffällig gefärbte Vogel mit dem Federbusch

auf dem Kopf besitzt eine Bürzeldrüse, aus der er bei Gefahr ein übel

riechendes Sekret abgibt.

jemandem die Stirn bieten

auch: jemandem die Stirn zeigen

sich gegen jemanden behaupten (wollen);

in Redensarten steht die Stirn stets für Stärke, Kühnheit, Eigenwillen,

vielleicht abgeleitet von den Horntieren, die bei ihren Kämpfen ihre

Stirnen gegeneinanderdrücken.

jemandem steht etwas auf der Stirn geschrieben

jemandem kann man etwas sofort ansehen;

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die Gedanken oder Emotionen eines Menschen sind u. a. an der Stirn

bzw. den dort erscheinenden (Zornes-)Falten abzulesen. Zugleich

bezieht sich diese Redewendung auf die Vorstellung, man könne

durch die Stirn eines Menschen in sein Gehirn sehen und die dort

vorhandenen Gedanken lesen.

mit eiserner Stirnhartnäckig, willensstark;

aus der Bibel: „Denn ich weiß, dass du hart bist und dein Nacken eine

eiserne Sehne ist und deine Stirn ehern.“ (Jesaja 48,4)

einen Stock verschluckt haben

auch: ein Lineal verschluckt haben

übertrieben gerade stehen/sitzen;

sehr bildhafte Redewendung, die jemanden bezeichnet, der sich so

aufrecht hält (so viel Haltung bewahrt) wie ein absolut inflexibler

Gehstock.

stocksteif sein

auch: wie ein Stock dastehen

stumm und steif dastehen, keine Gemütsregung zeigen, kein

Unterhaltungstalent besitzen;

wer sich steif wie ein Stock präsentiert, ist naturgemäß wenig

unterhaltend oder zu Späßen aufgelegt.

vom Storch gebissen worden sein

schwanger sein (und deswegen schlecht gehen können);

diese Redewendung spielt mit dem alten Volksglauben, der Storch

brächte die Babys. Meist wird „vom Storch gebissen“ als Erklärung für

Schmerzen der werdenden Mutter beim Gehen (z. B. aufgrund einer

Ischialgie) verwendet.

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wie ein Storch im Salat

ohne Eleganz oder Grazie, unbeholfen;

aus dem Tierreich: Der große Vogel mit den langen, roten Beinen

wirkt tatsächlich eher unelegant und unbeholfen, wenn er geht –

insbesondere, wenn der Bodenbewuchs dicht und hoch ist. „Salat“

steht in dieser Wendung allgemein für Unkraut, Gestrüpp, Gebüsch.

eine drakonische Strafeeine (ungerechtfertigt) harte Bestrafung;

aus dem Griechischen: Drakon (um 650 v. Chr.) war ein athenischer

Gesetzgeber. Er ließ um 621 alle bis dahin bekannten Gesetze

aufzeichnen. So konnte willkürliche Bestrafung vermieden werden,

zudem sollte damit die Blutrache abgeschafft werden. Doch schon

im 4. Jahrhundert galten die von ihm kodifizierten Gesetze und die

darin verzeichneten Strafen als ungewöhnlich hart und grausam, als

„drakonisch“.

blau wie eine Strandhaubitzestark betrunken, völlig besoffen;

aus der Soldatensprache: Haubitzen sind so genannte

Steilfeuergeschütze, die mit einem hohen Richtwinkel (manchmal

über 45 Grad) abgefeuert werden. In Strandnähe in Stellung gebrachte

Haubitzen liefen, wenn sie nicht verschlossen wurden, oft mit Wasser

oder Sand voll.

über die Stränge schlagen

übermütig sein, etwas übertreiben, keine Grenzen kennen;

aus der Landwirtschaft: Die Stränge sind die aus starkem Seil oder

dickem Leder gefertigten Zugstränge am Geschirr von Zugpferden

oder zum Ziehen eingesetztem Vieh. Ein übermütiges Pferd kann

bei einem Ausschlagen oder Bocken leicht über einen der Stränge

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geraten – und bringt damit sich und den Kutscher in Gefahr. Deshalb

müssen Pferde – ebenso wie die mit dieser Redewendung gemeinten

Menschen – Vernunft und Ruhe lernen.

einen Strauß mit jemandem ausfechten

mit jemandem streiten oder kämpfen, mit jemandem eine

Kontroverse haben;

das Wort „Strauß“ entwickelte sich aus dem mittelhochdeutschen Verb

„striuzen“, das schlicht streiten, kämpfen bedeutete. Die Redewendung

„einen Strauß (ursprünglich struß bzw. struz) austragen“ heißt also

tatsächlich schlicht „Streit haben“.

ein Straßenfegereine Rundfunk-/TV-Sendung u. Ä., das die große Mehrheit begeistert;

meint nicht den Mann, der die Gassen kehrt, sondern etwas, das so gut

ist, dass die Straßen wie leer gefegt von Menschen sind.

jemanden zur Strecke bringen

einen Gegner überwältigen, besiegen;

aus der Jägersprache: Hat ein Jäger z. B. einen Hasen getroffen, bringt

er ihn „zur Strecke“ – zu den anderen bereits erlegten und auf dem

Boden aufgereihten Tieren. Nach einer anderen Erklärung wird das

einzelne erlegte Tier gestreckt, also der Länge nach auf dem Boden

gelegt.

jemandem einen Streich spielen

jemanden necken, ärgern oder verärgern;

aus dem 18. Jahrhundert: Im Mittelhochdeutschen hatte

Streich noch die Bedeutung Schlag, Hieb. Zunächst trat eine

Bedeutungserweiterung ein, Streich wurde auch für überraschende

militärische oder politische Unternehmungen verwendet (z. B.

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Staatsstreich). Im 18. Jahrhundert wurde der Begriff schließlich

verharmlost und erhielt die heutige Bedeutung.

sieben auf einen Streichsieben auf einmal, mit einem Schlag;

die Erweiterung der Redewendung „auf einen Streich“ stammt aus

dem Märchen „Das tapfere Schneiderlein“. Doch auch in früheren

literarischen Quellen finden sich Belege für die Heldentaten des

Schneiderleins, so in J. Fischarts „Affentheurlich Naupengeheurliche

Geschichtklitterung“, wo es sich allerdings um neun Mücken handelt.

Streit um des Kaisers Bart

Auseinandersetzung wegen etwas Unwichtigem;

aus der römischen Antike: eigentlich „um das Ziegenfell streiten“. Der

römische Dichter Horaz behandelte die Frage, ob das Fell der Ziege

auch als „Wolle“ bezeichnet werden sollte; die nachfolgende sinnlose

Diskussion drehte sich also um den „Geißen-Bart“.

etwas geht jemandem gegen den Strichetwas gefällt jemandem gar nicht;

aus der Tierpflege: Der Strich ist die Wuchsrichtung eines Tierfells; die

meisten Tiere reagieren aggressiv, wenn man sie gegen den Strich

streichelt oder bürstet, da dies unangenehm bis schmerzhaft für sie

ist.

nach Strich und Faden

gründlich, vollständig, ausnahmslos;

aus dem Webergewerbe: Produzierte Ware – insbesondere, wenn einer

der Gesellen sie hergestellt hatte – musste stets durch den Meister

einer Weberei „abgenommen“ werden. Er untersuchte den Stoff dann

ausgesprochen genau, bis auf den kleinsten Strich oder Faden hin.

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unterm Strichalles zusammengenommen, letztendlich;

der „Strich“ ist der Querstrich am Ende einer schriftlichen Addition, z. B.

auf einer Rechnung; nur die Summe darunter ist relevant.

jemandem einen Strick aus einer Sache drehen

etwas gegen jemanden benutzen;

bezieht sich vermutlich auf den Galgenstrick, zu dem ein Fehltritt oder

eine falsche Aussage für jemanden werden soll.

wenn alle Stricke reißen

wenn alles schiefgeht, wenn der Notfall eintritt;

vermutlich aus der Landwirtschaft: Die abgewandelte Form mit dem

Wort „Stränge“ macht die Herkunft dieser Redensart deutlicher als

die heute üblichere Variante. Gemeint ist ein Fuhrwerk, bei dem die

Stränge am Zuggeschirr der Pferde oder des Viehs reißen. Dies ist das

schlimmstmögliche Ereignis: Die Tiere laufen weg, und der Wagen

stürzt um oder rollt in den Graben.

jemanden an der Strippe haben

jemandem wie man will befehlen können; mit jemandem telefonieren;

diese Redewendung ist heute missverständlich: Ursprünglich war

die „ Strippe“ (regional für „Seil, Schnur“) mit dem „Gängelband“

gleichzusetzen, an dem man jemanden führte. Da „Strippe“

inzwischen auch als Bezeichnung für die Telefonleitung dient, kann

die Redensart auch schlicht telefonieren bedeuten.

leeres Stroh dreschen

eine vergebliche, nutzlose Arbeit tun;

aus der Landwirtschaft: Wenn das Stroh ausgedroschen und leer ist, ist

kein Körnchen mehr darin zu finden; wer dann noch drischt, der macht

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sich unnütze Arbeit.

Stroh im Kopf haben

dumm sein;

Stroh ist ein sehr billiges Material, das wegen seines geringen

Nährwertes nicht einmal als Tierfutter, sondern lediglich als Streu

geeignet ist – und mit Sicherheit nicht zum Denken.

ein Strohfeuereine flüchtige, rasch wieder vergehende Begeisterung;

da Stroh ebenso rasch verbrennt, wie es sich entzünden lässt, ist das

Bild weit verbreitet; es findet sich sowohl in der Antike als auch in der

Bibel.

der rettende Strohhalmdie letzte Rettung;

die Redensart bezieht sich auf das Sinnbild eines in Not Geratenen,

der zu seiner Rettung selbst einen noch so geringen und wenig Erfolg

versprechenden Halt wie einen Strohhalm wahrnimmt. Wer das Glück

hat, mit einer derart kleinen Hilfe aus seiner Misere zu entkommen,

spricht vom „rettenden Strohhalm“.

sich an jeden Strohhalm klammern

jede kleinste Chance nutzen;

das Bild, das dieser Redewendung zugrunde liegt, ist das eines

Ertrinkenden, der in seiner Not und in Ermangelung einer Planke sich

mithilfe jedes noch so kleinen Holzstückchens über Wasser zu halten

versucht.

Ach du heiliger Strohsack!

Ach herrje! O Gott!

Aus dem Mittelalter: Als die christlichen Gebote noch strikt

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eingehalten wurden, folgte man auch der Anweisung, den Namen

des Herrn nicht in profanem Kontext auszusprechen. So entstanden

zahlreiche „heilige“ Alternativen wie „heiliger Bimbam“ und eben der

zitierte Strohsack.

eine Strohwitweein Mann, dessen Ehefrau, bzw. eine Frau, deren Ehemann kurzzeitig

abwesend ist;

jemand, dessen Lebenspartner verreist und der deshalb allein ist, ist

deshalb noch nicht gleich ein Witwer. Er kann sich aber durchaus so

fühlen, wenn er allein im Ehebett – das früher in armen Haushalten

mit Stroh gepolstert war – liegt.

gegen den Strom schwimmen

seine eigene, von der Mehrheit abweichende Meinung vertreten;

der „Strom“ ist in diesem Fall die Gesellschaft, die weniger Standhafte

mitreißt und ihnen ihre Ansichten aufzwingt.

Das ist ein starkes Stück!

Das ist das Letzte! Welche Dreistigkeit!

In Redewendungen steht „Stück“ meist nicht für einen Gegenstand,

sondern eine Handlung; die durch das Wort „stark“ noch ironisch

bekräftigt wird.

große Stücke auf jemanden halten

eine hohe Meinung von jemandem haben;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: vermutlich von der Wettpraxis

abgeleitet, bei der auf jemanden, auf den man viel hielt, hohe Beträge

(„Stücke“) gesetzt wurden.

an jemandes Stuhl sägen

auf jemandes Entlassung hinarbeiten, ihn seiner Position berauben

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wollen;

mit „Stuhl“ wird im übertragenen Sinne ein Amt bezeichnet, so in den

Begriffen „Heiliger Stuhl“ für das Amt des Papstes oder Lehrstuhl für

eine Professur. Wer bildlich an dem Stuhl sägt, auf dem ein anderer

sitzt, der möchte denjenigen zu Fall bringen.

jemandem den Stuhl vor die Tür stellen

jemandem die Zusammenarbeit, den Dienst aufkündigen;

aus dem Frühmittelalter: Der in einen Raum bzw. ein Haus gestellte

Stuhl zeigte anderen Interessenten an, dass diese Wohnung bereits

„besessen“ wird, also einen Besitzer hat. Wem der Stuhl vor die Tür

gestellt wurde, dem wurde so die Wohnung gekündigt.

zwischen zwei Stühlen sitzen

auch: sich zwischen zwei Stühle setzen

unentschieden sein;

wie unbequem die Lage von jemandem ist, der sich zwischen

zwei – womöglich gleich wünschenswerten oder auch gleich

unangenehmen – Alternativen nicht entscheiden kann, wird durch

diese Redewendung deutlich gemacht. Eigentlich aber beschreibt sie

etwas Unmögliches: Zwischen zwei Stühlen befindet sich schließlich

keine Sitzfläche.

wissen, was die Stunde geschlagen hat

seine eigene Lage (und deren Unabänderlichkeit) erkennen;

die Redensart bezieht sich auf die Tatsache, dass die von der Uhr

angezeigte Zeit definitiv und nicht zu ändern ist.

Stunk machen

Ärger machen, einen Streit anfangen;

„Stunk“ ist eine nicht mehr gebräuchliche Form für den Gestank, der

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durch jemanden verbreitet wird, der „Gift und Galle spuckt“.

stur wie ein Esel sein

auch: störrisch wie ein Esel sein

aus dem Tierreich: Der Esel wurde lange Zeit für stur gehalten, da er

bei Gefahr oder in einer für ihn unsicheren Situa tion einfach stehen

bleibt und auch durch Schläge nicht vorwärtsgezwungen werden

kann.

ein Sturm im Wasserglas

große Aufregung um eine Kleinigkeit;

aus dem Altertum: Schon bei Cicero findet sich die Formulierung

„fluctus in simpulo“ (Sturmflut in der Schöpfkelle). Die heutige Form

wurde aus dem Französischen übernommen; der Philosoph und

Staatstheoretiker Montesquieu (1689–1755) bezeichnete einmal

Unruhen im Kleinstaat San Marino als „tempete dans un vere d’eau“.

etwas im Sturm erobern

auch: alle Herzen im Sturm erobern

etwas durch eigene Anstrengung, oft gegen Widerstände, erlangen/

gewinnen;

„erobrigen“ wurde früher vom Adel verwendet, um auszudrücken,

wenn Widerstände überwunden wurden und ein anderer sich

„erobrigt“, durchgesetzt, hatte. Früher wurden Länder, Städte oder

Schlösser oft im Sturm erobert, das bedeutete den schnellen Sieg. Ein

Sturm bringt die Dinge schnell durcheinander – stürmisch werden

nicht nur Ländereien erobert, sondern auch Herzen.

gegen etwas Sturm laufen

gegen etwas vehement protestieren;

aus der Militärsprache: beschreibt einen gewaltsamen Angriff auf eine

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Festung.

Sturm läuten

an einer Türklingel unaufhörlich schellen;

aus dem Mittelalter: bedeutete durch Schlagen der Glocke das Zeichen

zum Alarm geben, etwa bei Gefahr einer Feuersbrunst oder bei einem

feindlichen Angriff.

jemanden zum Sündenbock machen

jemanden (fälschlich) als den Schuldigen an etwas bezeichnen;

aus der Bibel (Levitikus 16,21): In der jüdischen Religion wird an

Jom Kippur traditionell ein Bock in die Wüste gejagt, auf den zuvor

symbolisch alle Sünden des jüdischen Volkes übertragen worden

waren.

„Es sei nur da, um Sündenbock zu sein, und das sei ihm erleidet, und

jetzt sollte es noch den Melker erhalten.“ (Jeremias Gotthelf, „Uli der

Pächter“)

sein eigenes Süppchen kochen

seine Sache machen, ohne sich mit anderen abzusprechen; auf den

eigenen Vorteil hinarbeiten;

bezieht sich auf die früher in den Großfamilien in riesigen Töpfen für alle

gekochte Suppe. Wer seine eigene Suppe kochte, der distanzierte sich

bewusst von den anderen.

jemandem die Suppe versalzen

auch: jemandem in die Suppe spucken

jemandem schaden, ihm etwas verleiden, seine Pläne vereiteln;

diese aus sich selbst verständliche Redensart bezieht sich wie

viele andere auf das Ungenießbarmachen der früher bei jeder

mehrgängigen Mahlzeit üblichen Suppe durch zu viel Salz.

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Süßholz raspeln

eine Sache schön reden, sich einschmeicheln;

Süßholz war in früheren Zeiten der Grundstoff zur Herstellung von

Süßwaren (Lakritz) und Arzneien. Als Zucker noch ein rares Gut war,

waren Süßigkeiten entsprechend wertvoll. Jemand, der Süßholz

raspelte, besaß also Zugang zu einer begehrten Leckerei – und konnte

damit andere Menschen leicht um den Finger wickeln.

etwas aufs Tablett bringen

etwas zum Thema machen, ansprechen;

eingedeutschte, umgangssprachlich-inkorrekte Form der

Redewendung „etwas aufs Tapet bringen“.

jemandem etwas auf dem silbernen Tablett servieren

jemandem etwas verlockend präsentieren, jemandem eine Sache

leicht machen;

aus dem 18. Jahrhundert: In jedem wohlhabenden Haushalt war ein

Tablett aus Silber zu finden, auf dem den Gästen von den Dienstboten

Getränke und Gebäck angeboten wurden. Das „silberne Tablett“ wurde

so zu einem Synonym für einen angenehmen, sorgenfreien Lebensstil.

die Tafel aufheben

das Zeichen zur Beendigung der Mahlzeit geben;

aus dem Mittelalter: Damals war die Tischplatte nicht fest installiert,

man legte sie erst bei Beginn des Essens mitsamt den angerichteten

Speisen auf Gestelle und hob sie nach Beendigung der Mahlzeit

wieder an, um sie hinauszutragen.

das Tafelsilber verscherbeln

auch: das Tafelsilber verkaufen; das Tafelsilber verhökern

den wertvollsten Besitz des kurzfristigen Gewinns wegen verkaufen;

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in vielen gutbürgerlichen Häusern war das silberne Besteck, das nur

für den Empfang von Gästen verwendet wurde (um den eigenen

Reichtum zu zeigen, der vielleicht gar nicht existierte), der wertvollste

Besitz.

ein rabenschwarzer Tagein schlechter Tag, ein Unglückstag;

aus dem Lateinischen: Als „dies ater“ (glanzloser, schwarzer Tag)

wurden Tage bezeichnet, an denen das römische Heer eine schwere

Niederlage erlitt – so z. B. in der Schlacht an der Allia (390 v. Chr.), die

schließlich zur Eroberung Roms durch die Gallier führte.

etwas an den Tag legen

etwas (überraschend) erkennen lassen;

Unbekanntes wird immer mit dem im Dunkeln Liegenden verglichen,

wo hingegen das Bekannte als das am Licht (des Tages, der Sonne)

Befindliche gesehen wird. Die Redensart lässt sich im 18. Jahrhundert

belegen, das vermittelte Bild ist aber wesentlich älter und schon in der

Bibel (Lukas 12,3) und anderen antiken Quellen angelegt.

vor Tau und Tagsehr früh;

diese Redewendung, die der Vorliebe des Volksmunds für Stabreime

entspringt, bezeichnet einen sehr frühen Zeitpunkt: Der Tag beginnt

mit dem Sonnenaufgang, der Taufall tritt bereits einige Stunden zuvor

auf.

etwas zu Tage fördern

auch: etwas zutage fördern

etwas bekannt, publik machen;

aus dem Bergbau: „Tag“ wird redensartlich synonym mit „Licht“

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verwendet, das wiederum für die allgemeine Kenntnis von einer Sache

steht.

nach jemandes Pfeife tanzenauch: nach jemandes Geige/Flöte tanzen

jemandes Anweisungen befolgen;

aus der Bibel abgeleitet: In Matthäus 11,16–17 heißt es: „Mit wem

soll ich aber dieses Geschlecht vergleichen? Es gleicht den Kindern,

die auf dem Markt sitzen und rufen den andern zu: Wir haben euch

aufgespielt, und ihr wolltet nicht tanzen; wir haben Klagelieder

gesungen, und ihr wolltet nicht weinen.“

wie von der Tarantel gestochen

ganz plötzlich;

die heute als „Wolfsspinne“ bezeichnete Spinnengattung kann zwar sehr

schmerzhaft zubeißen; die ihr früher zugeschriebene tödliche Giftigkeit,

die vor dem Tod zum Veitstanz (eine Nervenkrankheit) führen soll,

entspricht jedoch nicht der Realität.

jemanden in die Tasche stecken

jemanden übertrumpfen, jemandem überlegen sein;

diese Redensart ist in ihrer älteren Form – „jemanden in den

Sack stecken“ – seit dem 15. Jahrhundert belegt und bezog sich

ursprünglich tatsächlich auf das Fesseln und Ruhigstellen einer Person,

indem man ihr einen Sack überstülpte.

eine trübe Tasseein energieloser, langweiliger Mensch;

aus dem Jiddischen: Analog zu „nicht alle Tassen im Schrank“ bezieht

sich die Redewendung nicht auf Geschirr, sondern entwickelte sich

aus dem jiddischen Wort „toscha“ (Verstand).

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jemanden auf frischer Tat ertappen

jemandem bei verbotenem Tun erwischen;

bereits im 12. Jahrhundert belegt, bezog sich zunächst auf den

Ehebruch. Das Substantiv Tat beschreibt ein tatsächliches Geschehen,

im Gegensatz zu Wort, Wille, Vorsatz oder Rat. Frisch bedeutet hier

neu, gerade erst geschehen.

die weiße TaubeSymbol des Friedens;

aus der Bibel: Schon im Alten Testament begegnet die Taube als

Symbol der Hoffnung und der Versöhnung. Eine der Tauben, die

Noah nach der Sintflut aus der Arche fliegen ließ, kehrte zu ihm mit

einem Ölzweig zurück (Genesis 8,11), damit leitete Gott gleichsam die

Versöhnung mit den Menschen ein. Im Neuen Testament ist die Taube

sichtbares Zeichen des Heiligen Geistes (siehe u. a. Matthäus 3,16).

zugehen wie in einem Taubenschlages herrscht starker Wechsel, ein ständiges Kommen und Gehen;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: In einem Taubenschlag, der

Unterkunft von Haus- bzw. Brieftauben, ist immer große Unruhe, da

ständig Vögel hinein- und hinausfliegen.

ein Techtelmechtel haben

eine nur halb geheime Liebesbeziehung pflegen;

die Herkunft auch dieser Redewendung ist nicht geklärt: Eine

Deutungsvariante verweist auf eine Verballhornung des italienischen

Begriffs „teco meco“ (Ich mit dir, du mit mir). Eine andere Variante

verweist auf das jiddische Wort „tacht(i)“, das geheim, verborgen

bedeutet und aus dem ein Reimwort gebildet wurde.

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einen im Tee haben

angeheitert/betrunken sein;

das harmlose Aufgussgetränk Tee ist nicht gemeint, sondern steht

vermutlich nur an Stelle eines Wortes mit dem Anfangsbuchstaben

„T“ – z. B. Torkel, der oberdeutschen Bezeichnung für einen Weinkelter.

Außerdem könnte sich die Redensart auch auf den im Tee nicht

sichtbaren Schnaps beziehen.

auf dem Teppich bleiben

auch: auf der Matte bleiben

nicht abheben, sachlich bleiben;

sich so verhalten, wie es sich in einem üppig mit Teppichen

ausgestatteten, vornehmen Raum geziemt. Vielleicht leitet sich die

Wendung auch von dem Wort „Tapete“ her, das im 7. Jahrhundert als

Lehnwort ins Deutsche kam.

den roten Teppich ausrollen

jemanden mit großem Aufwand, in allen Ehren empfangen;

diese Redewendung geht auf den bis heute üblichen Brauch zurück,

hohen politischen oder kirchlichen Besuch auf einem roten Teppich zu

empfangen. Der rote Teppich wurde bereits im Mittelalter verwendet:

Er symbolisierte das Recht des hohen Besuchs, selbst das wertvolle

Rot – das sogar als Königsfarbe galt – „mit Füßen zu treten“.

auf Teufel komm raus

auch: auf Deubel komm raus

unbedingt, mit aller Gewalt;

beruht auf dem alten Volksglauben, dass der Mensch durch bestimmte

Handlungen und Worte das Erscheinen des Teufels hervorrufen könne.

Die Redensart ist seit dem 19. Jahrhundert bezeugt.

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den Teufel mit dem Beelzebub austreiben

ein Übel durch ein noch schlimmeres ersetzen;

aus der Bibel: So schreibt der Evangelist Matthäus (12,24ff.): „[...]

Er treibt die bösen Geister nicht anders aus als durch Beelzebul,

ihren Obersten. [... Jesus antwortet:] Wenn nun der Satan den Satan

austreibt, so muss er mit sich selbst uneins sein; wie kann dann sein

Reich bestehen?“

In der Not frisst der Teufel Fliegen

wenn es sich nicht vermeiden lässt;

bezieht sich auf die Annahme, der Teufel würde sich lieber von den

Seelen, dem Unglück oder anderem der Menschen ernähren – bevor er

verhungert, muss er sich jedoch dazu herablassen, Fliegen zu essen.

jemanden reitet der Teufelauch: jemanden plagt der Teufel

jemand ist bösartig, cholerisch, verrückt;

aus dem Mittelalter: Der Teufel kann nach dem Volksglauben nicht nur

in einen Menschen fahren, sondern als Inkubus „auf jemandem reiten“

und den Betroffenen – ohne dessen Willen – zu bösartigen oder

verrückten Handlungen treiben.

„Entweder wir werden vom Teufel oder von Gott geritten.“ (Martin

Luther)

jemanden vom Thron stoßen

jemanden in seiner Vorrang-/Machtstellung ablösen;

diese selbsterklärende Redensart vergleicht den Menschen, dessen

Position man (gewaltsam) an sich reißt, mit einem König, der um

seinen Thron gebracht wird.

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ein hohes Tierjemand mit viel Macht/Einfluss/Ansehen;

vergleicht eine mächtige Person mit dem Alphatier eines Rudels

(Leitwolf, -hengst usw.), das großen Einfluss auf das Rudelleben, aber

auch viel Verantwortung hat.

in der Tinte sitzen

in einer Notlage sein;

inhaltlich wie „in der Klemme/der Patsche sitzen“, nimmt diese

Redewendung Bezug auf die unangenehme Eigenschaft der Tinte,

überall anzuhaften und kaum entfernbare Flecken zu hinterlassen.

sich aus der Tinte ziehen

sich aus einer misslichen Lage befreien;

wie in der Redewendung „in der Tinte sitzen“ wird auch hier Bezug

genommen auf die unangenehme Eigenschaft der Tinte, kaum

zu entfernende Flecken zu hinterlassen. Daher wird die „Tinte“ als

Synonym für Pech oder Unglück verwendet.

jemanden über den Tisch ziehen

jemanden betrügen, übervorteilen;

stammt möglicherweise vom Spiel des Fingerhakelns, bei dem die

zwei Gegner ihre abgewinkelten Mittelfinger ineinanderhaken und

versuchen, den anderen über den Tisch zu sich heranzuziehen. Allerdings

ist dieser Brauch nur in der Alpenregion zu finden.

reinen Tisch machen

etwas erledigen, beenden; etwas ordnen;

stammt von Ovids Ausdruck „tabula rasa“, das mit „leere Tafel“

übersetzt werden kann. „Tafel“ wurde als Anspielung auf die Festtafel,

den Tisch verstanden, bezeichnete aber eigentlich Schreibtafeln, die

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gelöscht werden mussten, bevor man etwas Neues aufschreiben

konnte.

einen Toast ausbringen

auch: einen Toast aussprechen

einen Trinkspruch aussprechen;

aus England: Im 19. Jahrhundert war es in vornehmen englischen

Häusern üblich, zum Wein ein Stück geröstetes Weißbrot zu servieren,

das in den Wein gelegt wurde. Wer den Toast ausbrachte, der forderte

zum Trinken auf. Nach einer anderen Erklärung entstand die Redensart

bereits im Mittelalter, als man geröstetes Brot zum Erwärmen des

Weins in den Becher legte und, nachdem man diesen geleert hatte,

das weingetränkte Brot als Zeichen der Ehrerbietung der Gastgeberin

anbot. Da diese zumeist ablehnte, wurde daraus schließlich eine

Redensart.

ein Tohuwabohuein großes Durcheinander;

aus dem Hebräischen: Im 1. Buch Mose im Alten Testament wird

der Zustand der Erde als „wüst und leer“ beschrieben. Dies ist eine

Übersetzung des Ausdrucks „Tohu wa bohu“ (eigentlich: Dunkelheit

und Abgrund) aus dem hebräischen Original.

toi, toi, toiViel Glück!

Früher galt spucken nicht als Zeichen der Verachtung, sondern als

Unheil bannend – wer dreimal ausspuckte, der war vor bösen Geistern

sicher. Aber irgendwann galt spucken als unfein, und aus dem

Geräusch des Spuckens entwickelte sich lautmalerisch „toi, toi, toi“.

Nach einer anderen Erklärung geht die Redensart auf die dreimalige

verkürzte Nennung des Teufels zurück.

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zugehen wie im Tollhausverrückt, chaotisch zugehen;

„Tollhaus“ ist die frühere Form der heutigen Nervenheilanstalt.

Behinderte und Menschen mit Nervenleiden, Psychosen und jeder

anderen Art psychischer Störung wurden hier von der Außenwelt

abgeschottet untergebracht und oft nur schlecht versorgt, was die

Probleme dieser Menschen noch verstärkte.

ein Tollpatsch sein

ungeschickt, schwerfällig sein;

aus dem Ungarischen: Der „Tollpatsch“ ist eine Verballhornung des

Begriffs „talpas“ für die ungarischen Soldaten des 17. Jahrhunderts.

Dieser wiederum entstand aus ungarisch „talp“ (Sohle), da ein

Merkmal der Uniform die dicken Sohlen der Stiefel waren. Diese waren

robust und stabil, ließen jedoch keinen besonders eleganten Gang zu.

Tomaten auf den Augen haben

etwas Offensichtliches nicht sehen;

die sprichwörtlichen „Tomaten“ symbolisieren vor allem die Farbe Rot

– die Färbung, die das Weiß im Auge annimmt, wenn man sehr müde

ist und kaum noch etwas von seiner Umwelt wahrnimmt.

große Töne spucken

auch: dicke Töne spucken

die Redensart ist noch relativ jung und bezeichnet Prahler, die sich

verbal besser darstellen wollen, als sie sind. Jemand, der großspurige

Versprechen macht und sie nicht halten kann, „spuckt große Töne“.

jemanden in den höchsten Tönen loben

jemanden sehr loben;

„hoch“ und „groß“ werden in vielen Redensarten synonym gebraucht,

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sodass die se Redewendung eigentlich „eine Person umfangreich, mit

vielen Worten loben“ bedeutet.

wie Topf und Deckel zusammenpassen

sehr gut zusammenpassen;

diese Redensart aus dem Bereich Küchengeräte wird hauptsächlich

für sehr gut harmonierende Liebespaare verwendet, bei denen einer

ohne den anderen so nutzlos wirkt wie ein Deckel ohne Topf.

etwas torpedierenetwas gezielt bekämpfen und zu verhindern suchen;

aus dem 19. Jahrhundert: „Torpedo“ als Bezeichnung für eine

Unterwasserwaffe leitet sich von einer im Deutschen Zitterrochen

genannten Fischgattung ab. Diese haben ihren Namen vom lateinischen

Wort „torpere“ (erstarren lassen), weil sie andere Meeresbewohner

mittels eines elektrischen Schlages lähmen können. Seit dem Ende

des 19. Jahrhunderts wird „torpedieren“ auch im übertragenen Sinne

verwendet.

Torschlusspanik haben

Angst haben, nichts (meist: keinen Partner) mehr abzubekommen;

aus dem Mittelalter: In mittelalterlichen Städten wurden abends aus

Sicherheitsgründen die schweren hölzernen Stadttore verschlossen.

Wer zu spät zurückkehrte oder als Reisender zu spät ankam, stand

vor verschlossenen Türen – und befand sich damit in akuter Gefahr,

überfallen zu werden. Deshalb lief man bei Einbruch der Dunkelheit

in Torschlusspanik zur Stadt.

jemanden auf Trab halten

jemanden ständig beschäftigt halten;

aus der Reiterei: Der Trab ist die „Reisegangart“ des Reitpferdes,

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wenn längere Strecken in relativ hohem Tempo zurückgelegt werden

müssen, da er weniger ermüdet als der Galopp; allerdings muss ein

faules oder müdes Pferd durch ständiges Treiben im Trab gehalten

werden.

mit einer Träne im Knopfloch

gerührt;

verkürzt aus „jemandem mit einer Träne im Knopfloch und einer Nelke

im Auge danken“, einer durch Verdrehung scherzhaft oder spöttisch

klingenden Beschreibung für den gerührten Dank einer Person.

ein Treppenwitzaus dem 19. Jahrhundert: Den Treppenwitz kennt jeder Mensch

aus eigener Erfahrung. Es ist jene treffende, witzige oder gesalzene

Antwort, die einem leider zu spät eingefallen ist – nämlich beim

Verlassen der Szenerie, „auf der Treppe“. Die Wendung „Treppenwitz

der (Welt-)Geschichte“ bezieht sich auf eine gleichnamige

Veröffentlichung aus dem Jahre 1882.

Trick siebzehn

ungewöhnlicher, origineller Weg zu einer Problemlösung;

es gibt mehrere Erklärungen der Herkunft, die jedoch alle umstritten

sind: Am häufigsten findet sich der Verweis auf das englische

Kartenspiel Whist, bei dem „17“ eine besondere Gewinnzahl gewesen

sein soll; diese Regel ist jedoch nicht mehr erhalten.

Trübsal blasen

deprimiert sein;

es existieren zwei Deutungsvarianten: Das Verb „blasen“ bezieht

sich möglicherweise auf die in manchen Regionen übliche

Blasmusikbegleitung eines Trauerzuges; es kann aber auch mit

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dem Luftausstoß beim wiederholten Seufzen, wie es bei traurigen

Menschen üblich ist, zusammenhängen.

auf die Tube drücken

schneller machen;

aus dem Englischen: „Choke tube“ ist die Vergaserdüse des

Verbrennungsmotors. In der Umgangssprache hat sich die Kurzform

Tube als Wortersatz für Gas durchgesetzt. Somit heißt „auf die Tube

drücken“ nichts anderes, als „auf das Gaspedal zu drücken“ und eine

Maschine zu beschleunigen.

auf Tuchfühlung gehen

mit jemandem Körperkontakt aufnehmen, jemandem sehr nahe

kommen;

aus dem Militär: Im 19. Jahrhundert bezeichnete dieser Ausdruck eine

bestimmte Anordnung beim Marschieren: Die Soldaten gingen so

dicht nebeneinander, dass sich ihre Ärmelaußenseiten berührten.

mit der Tücke des Objekts kämpfen

Schwierigkeiten bei der Bedienung eines Gerätes haben;

seit dem 19. Jahrhundert belegt: Diese Redewendung sucht die

Schuld an Bedienungsproblemen eines technischen Gerätes – wie sie

bereits bei den technischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts

auftraten – nicht beim Bediener, sondern beim Gerät selbst.

in Tüdel kommen

sich irren;

aus dem Plattdeutschen: Das plattdeutsche „Tüdelband“ ist ein

Bindfaden; die plattdeutsche Variante der Redensart, „in’n Tüdel

koomm“ heißt zunächst „durcheinander kommen“, was sich

ursprünglich vermutlich auf das Verheddern eines Bindfadens bezog.

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aus der Not eine Tugend machen

eine eigentlich schlimme Situation aufs Beste nutzen;

bereits im 4. Jahrhundert belegt: Kirchenvater Hieronymus

verwendete diese Redensart allerdings noch auf Lateinisch: „Facis

de necessitate virtutem.“ Wie viele Wendungen, die in lateinischer

Sprache existieren, fand auch diese Verbreitung in zahlreichen

Sprachen des europäischen Raumes und ist heute u. a. in Frankreich

und England zu finden.

einer Sache Tür und Tor öffnen

einer Sache ungehinderten Zugang ermöglichen;

das mitteldeutsche Haus verbindet Wohnhaus mit Scheune. Es

zeichnet sich so durch eine Tür für den Menschen neben einem Tor für

das Großvieh aus. Ist beides geöffnet ist es ein Leichtes, sich Zutritt zu

verschaffen.

zwischen Tür und Angel

im Vorbeigehen, flüchtig;

die „Angel“, das Verbindungsscharnier zwischen Türblatt und

Türrahmen, steht in diesem Sprichwort für den gesamten Rahmen.

Wenn jemandem etwas „zwischen Tür und Angel“ gesagt wird oder

er etwas dort tut, bedeutet dies, dass er die Tür bereits geöffnet hat

und unter den Türsturz getreten ist, den Raum also schon beinahe

verlassen hat. Ausführliche Gespräche oder penibles Arbeiten sind in

dieser Position, halb in der Wohnung und halb auf dem Gang, nicht

mehr möglich.

von Tuten und Blasen keine Ahnung haben

nicht das Geringste von etwas verstehen;

aus dem Mittelalter: Tuten und Blasen waren die Hauptaufgaben

des Nachtwächters, einer der am schlechtesten angesehenen und

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bezahlten Berufe des Mittelalters. Wer nicht einmal für diese Aufgabe

taugte, der musste besonders dumm sein. Seit dem 16. Jahrhundert

lässt sich die Wendung auch redensartlich belegen.

ein notwendiges Übeleine unangenehme, aber unvermeidbare Sache;

aus der Antike: bezog sich zunächst ausschließlich auf das Heiraten

bzw. die Frau. Der Komödiendichter Menander (342–293 v. Chr.)

schrieb: „Heiraten ist, wenn man es bei Licht besieht, ein Übel, aber ein

notwendiges Übel.“

vom anderen Ufer sein

homosexuell sein;

bezieht sich darauf, dass Homosexuelle den Heterosexuellen zwar

ähnlich sind – sie stehen, im Sinne dieser Redewendung, am selben

Fluss –, bestimmte Dinge jedoch aus einer anderen Perspektive sehen.

den heiligen Ulrich anrufen

sich erbrechen;

seit dem 16. Jahrhundert belegt; hat nichts mit dem gleichnamigen

Heiligen zu tun, sondern bezieht sich auf den Gleichklang von „Ulr“

mit dem Laut, den ein Erbrechender von sich gibt.

die Hände in Unschuld waschen

versichern, unschuldig an etwas zu sein, mit etwas nichts zu tun zu

haben;

aus der Bibel: An mehreren Stellen der Bibel findet sich diese

Redewendung. Im 5. Buch Mose 21,6 wird auf den jüdischen Brauch

des Händewaschens bei Gericht verwiesen, der für die Anwesenden

die Unschuld des Angeklagten symbolisieren soll. Bekannt wurde diese

Redewendung aber vor allem durch Pontius Pilatus’ Verhalten vor der

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Kreuzigung Jesu. Der Statthalter Judäas, der die Verurteilung absegnen

musste, „nahm Wasser und wusch sich die Hände vor dem Volk und

sprach: Ich bin unschuldig an seinem Blut; seht ihr zu!“

etwas unterminierenin einem allmählichen (heimlichen) Prozess bewirken, dass etwas

zerstört, abgebaut wird;

aus der Militärsprache: Das Wort Mine für eine Explosionswaffe leitet

sich von den unter die Stellung des Gegners in die Erde gegrabenen

Gängen her, die mit Pulver gefüllt und zur Explosion gebracht wurden.

ein UriasbriefBrief, der dem Überbringer Unheil bringt;

aus der Bibel: Uria diente als Söldner im Heer des Königs David. Der

König verliebt sich in dessen Frau Batseba und versuchte vergeblich,

den treuen Krieger töten zu lassen. Da schickte er ihn mit einem

Brief zum obersten Feldherrn Joab, in dem er den Befehl gab, Uria an

vorderster Front einzusetzen – dieser wurde wie beabsichtigt getötet,

seine Frau damit frei für den König, doch die Strafe Gottes ließ nicht

lange auf sich warten (2. Buch Samuel 11–12).

fröhliche Urständ feiern

etwas Vergessenes oder überstanden Geglaubtes wieder aufleben

lassen;

aus dem Althochdeutschen: „Urständ“ kommt vom althochdeutschen

„ urstenti“ für Auferstehung und wurde in dieser Bedeutung bis ins

17. Jahrhundert hinein verwendet.

ein salomonisches Urteileine weise Entscheidung;

aus der Bibel (1 Könige 3,16–28): Als zwei Frauen mit einem lebenden

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und einem gestorbenen Kind zum König von Israel und Juda kamen

und beide behaupteten, das Kind der anderen sei gestorben, ihres

lebte, ordnete Salomo die Zweiteilung des lebenden Kindes an, damit

jede Frau die Hälfte habe. Die Frau, die einlenkte, damit das Kind am

Leben bliebe, sah er als die wahre Mutter an und gab ihr das Kind.

jemanden veräppelnjemanden auf den Arm nehmen;

in einigen Regionen werden Äpfel bis heute „Äppel“ genannt. Früher

wurden faulende Äpfel auf Menschen geworfen, um Verachtung

auszudrücken oder jemandem einen Streich zu spielen. Auch heute

noch zeugt das „Veräppeln“ einer Person davon, dass man nicht allzu

viel von ihr hält.

etwas verballhornenverschlimmbessern; (einen Text, Ausspruch) entstellend wiedergeben;

aus dem 17. Jahrhundert: Der Ausdruck bezieht sich auf den Lübecker

Buchdrucker Johann Bal(l)horn. Er veröffentlichte 1586 eine durch

zwei Juristen „verbesserte“ und dadurch unzulässig abgewandelte

Fassung des Lübischen Stadtrechts. Dieses wurde in über 100 Städten

Norddeutschlands praktiziert.

sich verfranzenauch: sich verfransen

sich verirren, den richtigen Weg verlieren;

aus der Fliegersprache: Im Ersten Weltkrieg gab es feste Spitznamen

für die Besatzung der Bomber: „Emil“ war der Pilot, „Franz“ der Kopilot.

Letzterer war für die Navigation zuständig. Irrte er sich und das

Flugzeug kam von der Route ab, so „verfranzte“ es sich.

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sich verhaspelnbeim Sprechen durcheinanderkommen;

aus dem Handwerk: Eine Haspel ist jede Form einer Rolle oder Winde,

auf die ein Draht, eine Schnur, ein Kabel u. Ä. aufgewickelt wird.

Wenn man sich „verhaspelt“, gerät in die Schnur bzw. die Kette der

Argumentation ein Knoten hinein.

jemanden am ausgestreckten Arm verhungern lassen

jemanden im Stich lassen, jemandem nicht helfen;

der ausgestreckte Arm bezieht sich auf das unerbittliche Wahren

des Abstandes; man lässt jemanden und sein Unglück nicht an sich

herankommen.

etwas verhunzenetwas verderben;

geht auf das Wort „Hund“ als Schimpfwort zurück; etwas wird also „auf

den Hund gebracht“; die ursprüngliche Schreibung lautete vermutlich

„verhundsen“.

etwas nicht verknusen können

etwas nicht leiden können;

aus dem Niederdeutschen: „Knusen“ oder „verknusen“ bedeutet so viel

wie kauen, herunterbringen, verdauen; was man „nicht verknusen“

kann, schlägt einem also auf den Magen.

etwas vermasselndurch einen Fehler etwas zum Scheitern bringen;

aus dem Jiddischen: „Mazel“ ist das jiddische Wort für „Glück“, das

in der Gauner sprache Rotwelsch aufgegriffen wurde; wer etwas

„vermasselt“ hat, hat sein Glück verspielt.

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vernagelt sein

begriffsstutzig, verbohrt sein;

aus dem Schmiedehandwerk: Schlägt ein Schmied einen der Nägel,

die das Hufeisen am Huf des Pferdes halten, falsch ein, verletzt es das

„Leben“ im Inneren des Hufes – das Pferd wurde „vernagelt“.

verraten und verkauft sein

ohne Hoffnung, ohne Sicherheit sein; betrogen worden sein;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: Die Redensart beschreibt einen

Zustand völligen Ausgeliefertseins und findet sich bereits in

Grimmelshausens „Simplicissimus“: „Ein gebohrner ehrlicher Teutscher

weiß alsdann nicht, ob er verrathen oder verkaufft [...].“

in jemanden verschossen sein

in jemanden verliebt sein;

der Zusammenhang zwischen Liebe und dem Schießen geht auf

die römische Mytho logie zurück. Der Liebesgott Amor beschießt die

Menschen mit seinen Pfeilen. Und wer sich verliebt, der wurde von

einem Pfeil Amors getroffen.

das Blaue vom Himmel versprechenunhaltbare Versprechungen machen;

das „Blaue“ am Himmel entsteht durch die Streuung des Sonnenlichts

in der Atmos phäre. Es vom Himmel herunterzuholen ist schlicht

unmöglich.

etwas verzapfenetwas anstellen;

bezieht sich auf das fehlerhafte Einschlagen des Zapfens in das Fass,

sodass der teure Inhalt (Bier, Wein) verdorben oder verschüttet wird.

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sich verzettelnsich mit zu vielen Dingen gleichzeitig beschäftigen und deshalb nicht

vorankommen;

aus dem Althochdeutschen: Die Redensart hat nichts mit dem

Zettel im Sinne von Notizpapier zu tun, sondern stammt vom

althochdeutschen Wort „zetten“ (ausbreiten, verstreuen). Eine andere

Erklärung verweist auf die Webersprache, in der „zette(l)n“ einen

Arbeitsgang beim Aufspannen der Kettfäden bezeichnet.

einen Vogel haben

auch: eine Meise haben; einen Piepmatz haben

verrückt sein, Unsinniges tun;

aus dem mittelalterlichen Volksglauben: Geistesgestörtheit jeder

Form wurde früher darauf zurückgeführt, dass Vögel im Gehirn des

Betroffenen brüten würden. Bei einem Verrückten – oder jemandem,

der Verrücktes tut – „piept es“ daher auch zuweilen.

jemandem einen Vogel zeigen

jemandem zeigen, dass er nicht recht bei Verstand sei;

aus dem Mittelalter: leitet sich wie die Wendung „einen Vogel haben“

von der aus dem Volksglauben stammenden Vorstellung her, dass Vögel

im Kopf nisten und den Verstand des Betroffenen beeinträchtigen,

worauf man ihn mit dem Fingerzeig hinweist.

etwas auf Vordermann bringen

gründlich aufräumen, in ordentlichen Zustand bringen;

aus dem Militär: Bei militärischen Defilees wurde die Reihe der stramm

stehenden Soldaten „auf Vordermann gebracht“, d. h. die hinteren

Reihen orientierten sich am vorn stehenden Soldaten, um die Reihen

exakt auszurichten.

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von vorne bis hinten nicht reichen

auch: vorne und hinten nicht reichen

viel zu wenig sein/haben;

„vorne und hinten“ meint nicht nur die Enden einer Sache, sondern

die gesamte Sache; wer also „vorne und hinten nicht genug“ hat, dem

fehlt es überall.

Vorschusslorbeeren ernten

für eine noch nicht erbrachte Leistung gelobt oder gefeiert werden;

die Zweige des Lorbeerstrauches dienten, zum Kranz geflochten, schon

in der Antike der Würdigung besonderer Leistungen. Wer sie im Voraus

erhält, sollte es vermeiden, „sich auf seinen Lorbeeren auszuruhen“.

ein Tanz auf dem Vulkanauch: auf dem Vulkan tanzen

gefährlich leben, ohne das Risiko wahrzunehmen;

bezieht sich auf die ständige Gefahr einer vernichtenden Eruption,

wenn man sich in der Nähe eines aktiven Vulkans aufhält.

in die Waagschale fallen

Gewicht haben, entscheidend sein;

verwendet das Bild der Waage mit zwei Schalen; in einer liegt der zu

wiegende Gegenstand, in die andere wird die entsprechende Menge

an Gewichten gelegt.

die Waffen strecken

aufgeben, sich geschlagen geben, kapitulieren;

wenn der Gegner in einem Zweikampf die Waffe weit von sich streckt

oder gar ganz zu Boden legt, dann kann man davon ausgehen, dass er

seine drohende Niederlage erkannt hat und aufgibt.

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die Wahl haben zwischen Pest und Cholera

sich zwischen zwei gleich großen Übeln entscheiden müssen;

während Europa schon im Mittelalter von großen Pestepidemien

gebeutelt wurde, wurde die Cholera erst im 19. Jahrhundert aus

Indien eingeschleppt. Beide Krankheiten sind hochansteckend und

forderten zahlreiche Todesopfer.

gegen jemanden ein Waisenkind sein

harmlos im Vergleich zu jemandem sein;

„Waise“ steht in Redensarten stets für eine Person, der etwas (ein

Charakterzug, eine Eigenschaft etc.) fehlt.

den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen

etwas Offensichtliches übersehen;

wer zu viele Informationen erhält oder auf wen zu viele Eindrücke

einstürmen, der erkennt manchmal das Gesuchte nicht mehr, selbst

wenn es direkt vor ihm liegt. Ähnlich geht es einem Menschen, der

nach dem Weg zum Wald fragt, während er zwischen lauter Bäumen

umherirrt.

auf die Walz gehen

auf Wanderschaft sein;

aus dem Handwerk: Die Walz war die im Mittelalter und weit darüber

hinaus vorgeschriebene Wanderzeit der Handwerksburschen.

Der Begriff geht auf das althochdeut sche „walzan“ (sich drehen,

fortbewegen) zurück. Auf dieselbe Wurzel lässt sich auch das Wort

„Walzer“ zurückführen.

gegen eine Wand anrennen

jemanden mit einer eisernen Meinung von etwas anderem

überzeugen wollen;

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wer gegen eine Wand bzw. Mauer anrennt, wird in der Regel

schmerzhaft davon zurückprallen. Genauso ergeht es denjenigen,

die jemanden mit einer nicht zu verändernden Meinung von etwas

anderem überzeugen wollen.

sich gegen etwas wappnenauf etwas vorbereitet sein, mit einer Rüstung, einer Waffe versehen,

ausrüsten;

„Wappnen“ ist eine seit dem 12. Jahrhundert bekannte,

wahrscheinlich aus dem Mittelhochdeutschen stammende

Nebenform von „Waffnen“.

Warten auf Godot

auch: auf Godot warten

Warten auf etwas, das nie eintreffen wird;

die Handlung des gleichnamigen Theaterstückes von Samuel Beckett

(1952 veröffent licht) besteht aus dem Warten zweier Landstreicher

auf eine Person namens Godot. Im Laufe des Stücks wird deutlich,

dass Godot nicht auftauchen wird; damit steht der Titel für jede Form

vergeblichen Wartens.

schmutzige Wäsche waschen

über die Fehler anderer lästern;

die Wäsche einer Person ist sehr persönlich und intim, da Flecken

darauf einiges über ihr Privatleben verraten.

auch nur mit Wasser kochen

auch nur mit üblichen Mitteln arbeiten, keine Zauberei betreiben;

dem Betreffenden stehen zur Zubereitung auch nur die üblichen Mittel

zur Verfügung, trotz aller möglicherweise besonderen Zutaten ist die

Grundlage immer noch die allseits übliche. In manchen Regionen wird

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die Wendung auch scherzhaft als Entschuldigung für ein kärgliches

Mahl verwendet.

das Wasser bis zum Hals stehen haben

sich in höchster Not befinden;

aus dem 17. Jahrhundert: Wem das Wasser schon bis zum Hals steht, der

wird, so er nicht schwimmen kann, bald ertrinken.

jemandem das Wasser abgraben

jemandem die Existenz vernichten, das Geschäft verderben;

leitet sich vermutlich von der Wasser mühle ab: Grub der neidische

Nachbar einen Graben und leitete den die Mühle antreibenden Bach ab,

bedeutete das für den Müller den Ruin. Eine andere Erklärung bezieht

sich auf den Belagerungszustand einer Burg, die leichter angreifbar wird,

wenn der umgebende Wassergraben „abgegraben“ wird.

jemandem das Wasser reichen können

mit jemandem gleichziehen können, gleichwertig sein;

aus dem Mittelalter: Da bei mittelalterli chen Tafelrunden mit

den Fingern gegessen wurde, wurden nach der Mahlzeit kleine

Wasserschalen zur Reinigung der Hände gereicht. Dabei kamen die

Bediensteten nah an die Adligen – eine Aufgabe, die also nicht jedem

zugetraut wurde. Wer in der Hierarchie der Diener sehr weit unten stand,

erhielt nicht die Erlaubnis, den Herren die Wasserschale anzubieten.

jemandem eine Handbreit Wasser unter dem Kiel wünschen

jemandem Glück wünschen;

aus der Seefahrt: Die sprichwörtliche „Hand breit“ unter dem Kiel ist das

Minimum, das ein Schiff bei ruhiger See benötigt. Fehlt die se Handbreit,

sitzt es in einer Untiefe auf oder schlägt an einem Riff leck.

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jemanden ins kalte Wasser werfen

jemanden ohne Vorbereitung mit einer Situation konfrontieren;

beschreibt die Empfindungen des anderen, der sich einer nicht

vorhersehbaren bzw. ungeplanten Situation gegenübersieht, sodass

ihm – ähnlich einem Sprung in kaltes Wasser – „die Luft wegbleibt“.

Rotz und Wasser heulen

unaufhörlich weinen, nicht aufhören können;

belegt seit Mitte des 19. Jahrhunderts: Insbesondere Kinder

weinen oft so heftig, dass sie dabei nicht nur Tränen, sondern auch

Nasenschleim absondern.

sich über Wasser halten

sich nur mühsam vor dem (wirtschaftlichen) Untergang retten;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: Die bildliche Redensart bezieht sich

wohl auf einen schlechten Schwimmer, der sich nur mit Mühe davor

bewahren kann zu ertrinken.

Wasser auf die Mühlen von jemandem gießen

jemandem einen Vorteil verschaffen, jemanden unterstützen;

bezieht sich auf die Mühle, in der ein Mahlwerk durch Wasserkraft

betrieben wird; es läuft schneller und gleichmäßiger, je mehr Wasser

auf das Mühlrad trifft.

Wasser in den Wein gießen

jemandes Enthusiasmus für etwas dämpfen, den Spaß verderben;

jeder Weinliebhaber weiß, wie leicht man den besten Wein durch das

„Strecken“ mit Wasser untrinkbar machen kann. Die Redewendung

existiert auch im Französischen; in welcher Sprache sie zuerst

entstand, ist nicht mehr nachvollziehbar.

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Wasser ins Meer tragen

etwas völlig Sinnloses, Überflüssiges tun;

wie viele andere Redensarten im Zusammenhang mit dem Meer hat

auch diese ihren Ursprung wohl in der Seemannssprache. Schon bei

Ovid findet sich die Wendung „aquas in mare fundere“.

Wasser mit einem Sieb schöpfen

auch: mit einem Sieb Wasser schöpfen

sich vergeblich bemühen, etwas Aussichtsloses tun;

abgeleitet vielleicht von der griechischen Sage der Danaiden, die

als Strafe für die Ermordung ihrer Männer in der Unterwelt dazu

verdammt wurden, Wasser in ein löchriges Fass zu schöpfen.

Wasser predigen und Wein trinken

auch: öffentlich Wasser predigen und heimlich Wein trinken

ein Heuchler sein;

diese Redensart erzeugt umgehend Asso ziationen zum kirchlichen

Umfeld und bezieht sich vermutlich tatsächlich auf Seelsorger, die von

ihrer Gemeinde ein enthaltsames Leben fordern, sich selbst aber alle

irdischen Genüsse erlauben.

aussehen, als ob man kein Wässerchen trüben könnte

harmlos aussehen;

geht wohl auf die Äsop’sche Fabel „Das Lamm und der Wolf“ zurück,

in der der Wolf das Lamm frisst, sich zu seiner Rechtfertigung aber

der Ausrede bedient, es habe ihm das Wasser getrübt, das er gerade

trinken wollte.

ein wasserdichtes Alibi

auch: ein wasserdichtes Argument

ein unwiderlegbares Alibi/Argument;

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wenn etwas redensartlich wasserdicht ist, dann wird es auch dem

stärksten Sturm standhalten und nicht untergehen.

mit allen Wassern gewaschen sein

gerissen, gewitzt, schlau sein;

aus der Seefahrt: Seeleute, die bereits auf zahlreichen Schiffen

angeheuert worden waren und auf allen Weltmeeren unterwegs

gewesen waren, waren mit dem Wasser des Pazifiks, des Atlantiks

und des Indischen Ozeans in Berührung gekommen – also „mit allen

Wassern“ der Erde.

jemandem auf den Wecker gehen

jemandem sehr auf die Nerven fallen;

es gibt zwei Erklärungsvarianten: zum einen die Gleichsetzung des

Verstandes bzw. Gehirns mit dem präzise laufenden Uhrwerk, das

durch eine bestimmte Person gestört wird; zum anderen wird auf das

jiddische Wort „weochar“ verwiesen, das für sich schon „er nervt mich“

bedeutet und im Laufe der Zeit „eingedeutscht“ und in einen ganzen

Satz eingebunden wurde.

jemandem Rosen auf den Weg streuen

jemanden bevorzugen; jemanden umgarnen;

Rosen sind die Blumen der Anbetung, und ihre traditionelle Farbe,

ein zartes Rosa, bewirkt, dass man sich beim Gehen über einen

rosenbestreuten Weg „wie auf Wolken“ fühlt.

jemandem Steine in den Weg legen

jemandem Schwierigkeiten bereiten, ihn zu Fall bringen wollen;

Steine können schon in ihrer kleinsten Form als Kieselsteine

Schwierigkeiten beim Gehen bereiten. Wer daher absichtlich

jemandem größere Steine in den Weg legt, sorgt dafür, dass derjenige

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seinen Weg nur schwerlich fortsetzen kann.

„Ich streich im an seyn hossen dreck / Und leit im heimlich steyn an

wegk.“ (Thomas Murner, Schelmenzunft)

jemanden weich klopfenjemanden durch langes Zureden zu etwas bringen;

vergleicht einen Menschen, der durch Wiederholen der Argumente

langsam dazu gebracht wird, etwas Bestimmtes zu tun, mit einem

Schnitzel, das ebenfalls lange geklopft werden muss, um genießbar zu

sein.

ein Gefühl wie Weihnachten und Ostern zusammen

ein ganz besonders guter Tag, ein einmaliges Geschenk;

bei einem Geschenk oder Ereignis, das jemand so bezeichnet, ging der

Sprecher eigentlich aus, dass es eintreten würde – so wie Weihnachten

und Ostern nie am selben Tag stattfinden werden.

jemanden ausnehmen wie eine Weihnachtsgansjemanden mit List um sein Geld bringen, ausbeuten;

der christliche Brauch, eine Gans zu Weihnachten (am 25.12.) zu

servieren, beendete die früher übliche vorweihnachtliche Fastenzeit.

Die Gans muss vor dem Braten ausgenommen, d. h. von den nicht

genießbaren Innereien entleert werden.

alter Wein in neuen Schläuchen

Altbekanntes in neuer Verpackung;

abgeleitet aus der Bibel: Dort war freilich die Rede von neuem Wein in

alten Schläuchen: „Man füllt auch nicht neuen Wein in alte Schläuche;

sonst zerreißen die Schläuche, und der Wein wird verschüttet, und

die Schläuche verderben. Sondern man füllt neuen Wein in neue

Schläuche, so bleiben beide miteinander erhalten.“ (Matthäus 9,17)

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jemandem reinen Wein einschenken

auch: jemandem klaren Wein einschenken

jemandem die ganze Wahrheit sagen;

seit dem 18. Jahrhundert belegt: davor u. a. als „reines

Bier einschenken“ zu finden. Die Klarheit des Weins ist ein

Qualitätsmerkmal und zeigte früher an, dass nichts untergemischt

wurde und der Wein korrekt gelagert worden war.

die Weisheit nicht mit Löffeln gegessen haben

nicht besonders klug oder weise sein;

seit dem 17. Jahrhundert belegt: Diese Redewendung entstand

zunächst ohne Verneinung und war als spöttische Bemerkung über

jemanden, der sich für besonders klug hielt, gedacht. Dieser meinte

vielleicht, man könnte die Weisheit einfach und schnell zu sich

nehmen, wie eine Suppe, die man rasch auslöffelt.

jemanden zur Weißglut bringen

jemanden sehr wütend machen;

Metall verändert beim Erhitzen je nach Temperatur die Farbe; ein

weißes Glühen wird bei den höchsten Temperaturen ab 1500° C

erreicht. Wenn jemand sehr wütend wird, so „kocht das Blut in seinen

Adern“, bei noch größerem Zorn vielleicht sogar bis zur Weißglut.

hohe Wellen schlagen

deutliche Auswirkungen haben;

ein kleiner ins Wasser geworfener Stein zieht nur kleine Kreise – ein

massiver Felsbrocken, der ins Meer stürzt, hat bereits größere Wellen

zur Folge.

auf gleicher Wellenlänge sein

sich sympathisch finden, gut miteinander können;

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aus der Technik: Im Funkbereich können Sender und Empfänger nur

miteinander in Kontakt treten und Informationen austauschen, wenn

sie „auf derselben Wellenlänge“ sind, d. h. kein Gangunterschied und

keine unterschiedliche Amplitude auftreten. Dieses Bild wurde auf

den zwischenmenschlichen Bereich übertragen. Wenn zwei Personen

eine ähnliche Weltsicht haben, sich ähnlich ausdrücken oder einige

Interessen teilen, dann sind – oder „schwingen“ – sie auf gleicher

Wellenlänge.

dort ist die Welt mit Brettern vernagelt

es geht nicht mehr weiter, das ist das Ende;

aus der Literatur: geht auf eine Lügengeschichte aus der

„Ethnographia Mundi“ des Johannes Olorinus Variscus von 1608

zurück. Variscus berichtet, wie jemand ans Ende der Welt kam und

dort alles mit Brettern vernagelt vorgefunden hat.

ein Wendehals sein

jemand, der seine Meinung den Verhältnissen anpasst;

der Wendehals ist eigentlich ein europäischer Spechtvogel; sein Name

beschreibt aber auch sehr anschaulich einen Menschen, der sich wie

ein Fähnchen im Wind nach der herrschenden Meinung dreht (v. a. für

DDR-Bürger verwendet).

die Werbetrommel für etwas rühren

etwas mit viel Werbung vermarkten;

aus der Soldatensprache: Die Redensart entstand im 17. Jahrhundert

und bezieht sich auf das Trommeln vor der Musterungs stelle, um

Freiwillige für den Kriegsdienst anzulocken, also zu werben.

in ein Wespennest stechen

großen Aufruhr verursachen;

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aus dem Tierreich: Wespen, die mit ihren Stichen selbst große Tiere

töten können, reagieren äußerst aggressiv auf eine Zerstörung ihres

Nestes. Da sich dieses oft gut versteckt z. B. in abgestorbenen, hohlen

Bäumen befindet, „weckt“ man die Wespen oft unabsichtlich.

eine weiße Weste haben

auch: eine saubere Weste haben;

anständig sein, ein reines Gewissen haben;

Weiß ist traditionell die Farbe der Reinheit und Unschuld. Die saubere

oder weiße Weste als Sinnbild des reinen Gewissens entstand erst

Ende des 19. Jahrhunderts.

jemandem etwas unter die Weste jubeln

auch: etwas unter die Weste schieben/mogeln/drücken

jemandem etwas vorhalten, ihn eines Vergehens beschuldigen, das er

gar nicht beging;

die relativ eng anliegende Weste war früher ein sehr übliches

Kleidungsstück für Männer. Wenn etwas daruntersteckte, so war es

dem Träger sehr nah und konnte diesen nicht „kalt lassen“.

etwas aus der Westentasche bezahlen können

auch: etwas aus der Portokasse bezahlen können

etwas ohne Mühe bezahlen können;

sowohl die kleine, nicht viel Raum bietende Westentasche als auch

die Portokasse, meist ein kleines Kästchen, enthalten nur wenig

Geld. Wer hingegen damit prahlt, eine in den Augen anderer größere

Anschaffung aus der Westentasche zu bezahlen, der weist darauf hin,

dass diese Ausgaben für ihn nur „Peanuts“ seien.

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etwas kennen wie seine Westentascheetwas sehr gut kennen;

die Weste zählte früher zur Standardbekleidung des eleganteren

Herrn, und da er sein Geld und seine Papiere in deren Tasche

aufbewahrte, musste er sich des wertvollen Inhalts dieser

Westentasche stets bewusst sein.

jemanden am Wickel haben

jemanden festhalten, jemanden für etwas verantwortlich machen;

„Wickel“ ist ein altes Wort für Windel, als diese noch aus einem um

das Baby zu wickelnden Tuch bestand (daher „Wickelkind“), das man

festhalten konnte, wollte das Kind wegkrabbeln.

es ist ihm nicht an der Wiege gesungen worden

etwas, eine (schlechte, bittere) Erfahrung nicht erwartet haben;

bezieht sich wohl auf die „Heile-Welt-Texte“ der Wiegenlieder.

In Lessings „Nathan der Weise“ (1, 6) spricht die Christin Daja: „Auch

mir ward’s vor der Wiege nicht gesungen, dass ich nur darum meinem

Ehgemahl nach Palästina folgen würd’, um da ein Judenmädchen zu

erziehn.“

vom ständigen Wiegen wird die Sau auch nicht fetter

durch Ungeduld kommt man auch nicht schneller ans Ziel;

aus der Landwirtschaft: bezog sich ursprünglich auf einen Bauern, der

es nicht erwarten konnte, bis sein Vieh das Schlachtgewicht erreicht

hatte.

jemandem eine wienernjemandem eine Ohrfeige verpassen;

scherzhafte Wendung, die sich auf das „Wienern“, also das Polieren der

Backe bezieht.

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seinen Wilhelm unter etwas setzen

auch: seinen Friedrich Wilhelm druntersetzen

etwas unterschreiben, bestätigen, seinen Namen darunter schreiben;

vermutlich auf den preußischen König Friedrich Wilhelm I., den

„ Soldatenkönig“, zurückzuführen. Dieser pflegte, im Gegensatz

zu anderen Monarchen, mit seinem vollen Namen und nicht mit

verschnörkelten oder hingekritzelten Initialen zu unterzeichnen.

ohne mit der Wimper zu zucken

sich nichts anmerken lassen; ungerührt sein;

ähnlich „ohne eine Miene zu verziehen“ beschreibt diese

Redewendung, dass jemanden eine Sache so wenig berührt, dass sich

nicht einmal seine Mimik verändert.

drei Meilen gegen den Wind stinken

anrüchig, verdächtig sein, auch noch in seiner Ursprungsbedeutung:

einen unangenehmen, intensiven Geruch (nach Alkohol) an sich

haben;

entstand erst im 20. Jahrhundert; erinnert etwa an verdorbenen Fisch,

den man redens artlich sogar gegen den rauen Küsten wind riechen

kann.

etwas in den Wind schlagen

eine Warnung oder einen Rat unbeachtet lassen, geringschätzig von

sich weisen;

verweist auf die entsprechende Gebärde, wenn man einen Rat

ablehnt. Die Redensart geht vielleicht auf eine alte Rechtsgebärde

zurück: Im Sachsenspiegel, einer mittelalterlichen Rechtssammlung,

heißt es, wenn der Beklagte bei einem gerichtlichen Zweikampf nicht

erschien, sollte der Gegner dreimal in den Wind schlagen und damit

als Sieger gelten.

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etwas in den Wind schreiben

etwas als verloren anerkennnen;

„schreiben“ bezieht sich hier auf das gedankliche Notieren der

Tatsache, dass ein Plan oder ein Gegenstand scheinbar „vom Wind

weggeweht“ wurde.

hart am Wind segeln

bis an die Grenze der Möglichkeiten gehen; ein Risiko eingehen;

aus der Schifffahrt: Fährt ein Schiff „hart am Wind“, so segelt es in einem

spitzen Winkel zur Richtung, aus der der Wind kommt, und wird allein

durch die Luftströmung am Segel vorangetrieben. Wird der Winkel zu

gering, geht jeder Vortrieb verloren, die Segel beginnen zu flattern,

und das Schiff gerät aus dem Gleichgewicht.

sein Mäntelchen nach dem Wind hängen

charakterlos sein, keine Grundsätze haben;

bedeutete ursprünglich nur, dass man sich den Verhältnissen

anpasste. In diesem Sinne heißt es in Gottfried von Straßburgs

„Tristan“: „Man sol den mantel kêren, als ie die winde sint gewant“

(Man soll den Mantel dorthin drehen, wo die Winde hinwehen). Erst im

Frühneuhochdeutschen wandelte sich die Wendung; Luther schrieb:

„Bauchdiener hängen den Mantel, nach dem der Wind wehet.“

sich nach dem Wind drehen

auch: die Fahne nach dem Wind hängen

seine Meinung nach den gerade herrschenden Ansichten richten;

ein Mensch, der seine Meinung nach der öffentlichen Meinung oder

der seines Gegenübers ausrichtet, ähnelt einer Wetterfahne, die stets

der Windrichtung folgt.

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von etwas Wind bekommen

(heimlich von) etwas erfahren;

aus der Jägersprache: Die Redensart bezieht sich auf das Wild, das

vom Jäger oder seinem Hund Witterung bekommt, da der Wind

ungünstig steht.

Wind machen

für Aufregung, Unruhe sorgen; prahlen;

aus dem Mittelalter: „Wind“ steht hier für gehaltloses Geschwätz,

das einfach nur ein in Worte gefasstes Ausatmen ist. Bereits im

Mittelhochdeutschen findet sich diese Wendung; aus ihr entstanden

auch Bezeichnungen wie z. B. „Windbeutel“ für einen Aufschneider.

Wind säen und Sturm ernten

aus einer kleinen Provokation wird oft ein ernster Streit;

abgeleitet aus der Bibel: Gott teilt dem Volk Israel mit, wie verwerflich

es ist, die Gebote zu übertreten, auch wenn man zunächst meint,

nicht bestraft zu werden: „Sie säen Wind und werden Sturm ernten.“

(Hosea 8,7) Der Herr warnt vor seiner Rache. Letztendlich ist dieser

Ausspruch also eine Variante der beliebten Redensart „wie man in den

Wald hineinruft, so schallt es heraus“.

gegen Windmühlen kämpfen

gegen einen imaginären Gegner kämpfen, einen sinnlosen Kampf

führen;

aus der Literatur: Miguel de Cervantes’ (1547–1616) Held „Don

Quichotte“ kämpft im gleichnamigen Roman gegen vermeintliche

Riesen, die in Wirklichkeit bloß Windmühlen sind.

ein Winkeladvokatein fragwürdiger Rechtsanwalt;

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seit 1900 belegt: „Winkeladvokat“ war früher eine gängige

Bezeichnung für Personen, die, ohne studierte Anwälte zu sein, in der

Rechtsberatung tätig waren. „Winkel“ bezieht sich auf die geheime,

nicht einsehbare Ecke eines Raumes, wurde später aber auch mit

den verwendeten „Winkelzügen“, halblegalen Kniffen, in Verbindung

gebracht.

einen großen Wirbel veranstalten

Aufregung verursachen, Aufsehen erregen;

bezieht sich auf den Trommelwirbel, mit dem u. a. im Zirkus besonders

spektakuläre Vorführungen angekündigt werden.

eine grüne Witweeine Frau, die auf dem Land, „im Grünen“, lebt und von ihrem Gatten viel

alleine gelassen wird, da dieser in der Stadt arbeitet;

aus dem Englischen: eine Übersetzung der entsprechenden Wendung

„a grass widow“. Außerdem ist „Grüne Witwe“ die Bezeichnung für

einen Cocktail.

ein Wolf im Schafspelz

jemand ist nicht das, was er zu sein vorgibt; jemand wirkt nett, ist aber

böse oder gerissen;

aus der Bibel: Jesus warnt in der Bergpredigt seine Zuhörer vor

„falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig

aber sind sie reißende Wölfe“. Diese Warnung nimmt Bezug auf das

Bild des Hirten, Gott, der seine Herde, die Christen, aus dem finsteren

Tal führt. Andere religiöse Führer geben nur vor, zur Herde zu gehören

– um sie später ohne Vorwarnung anzugreifen.

auf Wolke sieben schweben

beruht wie die Redensart „im siebten Himmel sein“ auf der christlichen

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Vorstellung von verschiedenen Ebenen des Himmels, von denen die

siebte die höchste ist.

sich in die Wolle kriegen

auch: sich in der Wolle haben

relativ junge Abwandlung der Wendung „sich in die Haare geraten“,

die die Wolle des Schafes scherzhaft mit dem menschlichen Kopfhaar

gleichsetzt.

jemandem das Wort im Munde herumdrehen

jemandes Äußerung absichtlich falsch interpretieren;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: Mit „Wort“ ist hier die gesamte Rede

eines Menschens gemeint.

mit seinem Pfund wuchernseine Begabung oder seine Mittel klug anwenden;

aus der Bibel: Die Redensart beruht auf dem Gleichnis von den

anvertrauten Pfunden oder Talenten (Lukas 19,11ff.).

den Finger in die offene Wunde legen

an einer empfindlichen Stelle rühren, einen wunden Punkt

ansprechen;

abgeleitet aus der Bibel: Der ungläubige Thomas, bei der ersten

Erscheinung des auferstandenen Jesus nicht dabei, zweifelt an den

Berichten der Apostel. Als Jesus wieder erscheint, fordert er Thomas

auf: „Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche

deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig,

sondern gläubig!“ (Johannes 20,25)

ein blaues Wunder erleben

eine unerfreuliche Überraschung erleben;

die Redensart hat verschiedene mögliche Ursprünge: In der Praxis

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des Tuchfärbens erlebten die Färber regelmäßig ihr „blaues Wunder“,

wenn ein in eine gelbe Lauge eingelegtes Stück nach dem Kontakt mit

Luft indigoblau wurde. In der Farbensymbolik steht das Blau von jeher

für die Überraschung. Auf der anderen Seite besaß die Farbe Blau

im Mittelalter aber auch stets den Ruf des Teuren, Wertvollen, da sie

nur schwer als Farbstoff zu gewinnen war. Beide Deutungen belegen

jedoch, dass der negative Beigeschmack der Redewendung erst in

jüngerer Zeit hinzugefügt wurde.

es geschehen noch Zeichen und Wundermanchmal fügt sich etwas unerwartet glücklich;

aus Friedrich Schillers „Wallensteins Lager“: In dem Drama von 1799

wurde der Ausdruck „Zeichen und Wunder“ keines wegs mit der

heute üblichen positiven Konnotation verwendet. So spricht ein Ka-

puzinermönch im 8. Aufzug über die Länder, die der Feind schon

besetzt hält: „Es ist eine Zeit der Tränen und Not, / Am Himmel

geschehen Zeichen und Wunder, / Und aus den Wolken, blutigrot,

/ Hängt der Herrgott den Kriegsmantel runter.“ Er nimmt damit

Bezug auf den heidnischen Glauben, man könne aus dem Himmel

(Vogelflug, Sternenkonstellation u. Ä.) die Zukunft deuten.

über die Wupper gehen

sterben;

abgleitet von der Wendung „über den Jordan gehen“. Der Legende

nach gab es in Wuppertal einst ein Gefängnis, dessen Todes trakt nur

über eine Brücke erreichbar war; wurde ein Verurteilter zur Hinrichtung

geführt, musste er „über die Wupper gehen“.

die Würfel sind gefallen

auch: der Würfel ist gefallen

etwas ist geschehen/entschieden/nicht mehr umkehrbar;

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aus dem Lateinischen: „Alea iacta est“ heißt eigentlich „der Würfel

ist geworfen“; man hat also auf das Ergebnis keinen Einfluss mehr.

Dieser Ausspruch wird Caesar (vor der Überschreitung des Rubikon)

zugeschrieben.

da ist der Wurm drin

etwas muss schiefgehen, ist zum Scheitern verurteilt;

bezog sich ursprünglich wohl auf den Holzwurm: Wenn Holzwürmer

bspw. einen Dachstuhl befallen haben, kann man von außen kaum

etwas sehen, denn sie verarbeiten das Holz von innen heraus zu

Sägemehl. Nur ganz leise kann man sie ihr zerstörerisches Werk

verrichten hören.

jemandem die Würmer aus der Nase ziehen

jemanden mühsam zum Reden bringen müssen;

aus dem Mittelalter: Der im Kopf Verrücktheit verursachende Vogel

war nur eines zahlreicher Tiere, die für körperliche oder seelische

Gebrechen verantwortlich gemacht wurden. Viele Krankheiten wurden

dem Volksglauben nach durch „Gehirnwürmer“ verursacht. Die Heilung

bestand dementsprechend im Entfernen, d. h. Ziehen dieser Würmer.

Heute werden sie zum Glück nur noch durch ständiges Nachfragen und

nicht mehr bspw. durch entsprechende Zangen aus der Nase gezogen.

mit der Wurst nach der Speckseite werfen

auch: mit der Wurst nach dem Schinken werfen

durch eine kleine Gefälligkeit einen gro ßen Vorteil zu erlangen suchen;

Speck hing früher in den Bauernhäusern unter der Decke. Wenn nun

die Helfer beim Schlachtfest als Lohn Würste erhielten, so versuchten

sie damit häufig, die Speckseiten von der Decke zu „schießen“ und aus

dem kleinen Geschenk so ein größeres zu machen.

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Wurst wider WurstGleiches mit Gleichem vergelten;

ursprünglich positiv gemeint: Hintergrund dieser Redensart ist der aus

frühgermani scher Zeit stammende Brauch, sich nach dem Schlachten

gegenseitig mit Köstlichkeiten zu beschenken, dabei wurde oft Wurst

gegen Wurst getauscht.

etwas mit der Wurzel ausrotten

auch: etwas bis auf die Wurzel ausrotten

etwas vollkommen vernichten/ausrotten;

aus der Botanik: Viele Pflanzen, z. B. der Löwenzahn, können

problemlos weiter leben, wenn man nur ihren sichtbaren Trieb abmäht;

erst, wenn sie mitsamt der Wurzel ausgestochen werden, können sie

endgültig beseitigt werden.

ein Rufer in der Wüsteein vergeblich Mahnender;

abgeleitet aus der Bibel: Bei Jesaja (40,3) ist die Rede von einer Stimme

in der Wüste, im Evangelium nach Matthäus (Kapitel 3) heißt es: „Zu der

Zeit kam Johannes der Täufer und predigte in der Wüste von Judäa und

sprach: Tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen!

Denn dieser ist’s, von dem der Prophet Jesaja gesprochen und gesagt

hat: Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste [...].“

jemanden in die Wüste schicken

auch: etwas in die Wüste schicken

jemanden entlassen, rausschmeißen;

aus der Bibel: Im 3. Buch Mose (Levitikus) wird die Versöhnung der

Israeliten mit Gott nach dem Tanz ums Goldene Kalb geschildert. Zum

Zeichen der Versöhnung soll ein Ziegenbock geopfert werden, aller-

dings soll er nicht geschlachtet werden, sondern man soll ihn „durch

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einen Mann, der bereitsteht, in die Wüste bringen lassen, dass also der

Bock alle ihre Missetat auf sich nehme und in die Wildnis trage; und

man lasse ihn in der Wüste.“ (16,21f.) Dieser „Sündenbock“ wurde also

„in die Wüste geschickt“.

jemandem ein X für ein U vormachen

jemanden täuschen, betrügen;

von den lateinischen Zahlzeichen abgeleitet: Die lateinische Schrift

besaß für die Buchstaben V und U nur ein Zeichen, das unserem V

entspricht. Tatsächlich meint das U dieser Redewendung ebenfalls

eigent lich ein V. Dieses steht für die Zahl fünf, während das X zehn

bedeutet. Wenn jemandem „ein X für ein U“ vorgemacht wurde,

so wurde das V mit zwei Strichen zu einem X geändert, und eine

Rechnung belief sich bspw. nicht mehr auf fünf, sondern auf zehn

Goldmünzen.

eine Xanthippeeine bösartige, streitsüchtige (Ehe-)Frau;

Xanthippe, die Frau des griechischen Philosophen Sokrates, gilt als

Inbegriff eines zänkischen Weibes. Über die historische Person ist

wenig bekannt; die Wendung geht auf eine Schrift des Sokrates-

Schülers Xenophon zurück, der Xanthippe „die Unverträgliche“ nennt

(Symposion 2, 10).

etwas auf Zack bringen

etwas in einen guten Zustand bringen, reparieren;

„Zack“ und „zackig“ stehen für rasche Bewegungen; wenn man bspw.

eine Maschine „auf Zack“ gebracht hat, läuft diese wieder rund und

schnell.

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Zahlemann und Söhne spielen

„Zahlemann“ ist kein realer Name, sondern lediglich ein Begriff für

jemanden, der viel Geld zahlen muss. Die Anspielung auf übliche

Firmennamen, die nach dem Namen des Gründers ein „und Söhne“

oder „und Partner“ beinhalten, drückt den großen Umfang der

anstehenden Zahlungen aus – nicht im üblichen Rahmen privater

Geldaufwendung, sondern in einem Ausmaß, wie es sonst nur von

Firmen geleistet wird.

Diesen Zahn werde ich ihm ziehen!

Diese Idee werde ich ihm (ihr) austreiben!

Wird bezüglich einer unsinnigen, albernen Vorstellung oder Idee

verwendet; ähnlich einem faulen Zahn ist es am gesündesten, wenn

sie entfernt wird.

einen Zahn zulegen

sich beeilen, etwas schneller tun als bisher;

aus dem Mittelalter: Der „Zahn“ ist eigent lich einer der Zacken, die sich

an der Topfaufhängung über dem Herdfeuer befanden. Wurde damals

ein Zahn „zugelegt“, wurde der Topf etwas tiefer gehängt. Damit war er

näher am Feuer – und das Mahl wurde schneller gar.

jemandem/etwas auf den Zahn fühlen

einer Sache genau nachgehen;

aus der Medizin: Als die medizinischen Methoden noch nicht so

fortschrittlich waren wie heute, behalfen sich Ärzte auf andere Weise:

Zahnärzte klopften das Gebiss eines Menschen ab, um bspw. einen

faulen Zahn ausfindig zu machen. Auf ähnliche Weise wurde das Alter

eines Pferdes an den Zähnen abgelesen und der Marktwert des Tieres

festgelegt.

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die Zähne zusammenbeißen

etwas mit äußerster Kraftanstrengung durchhalten;

seit dem 16. Jahrhundert belegt: beruht auf der Beobachtung, dass

Menschen, um starke Schmerzen zu unterdrücken und nicht sofort

laut loszujammern, die Zähne fest aufeinanderbeißen.

unter Zähneklappernvor Angst oder Kälte zitternd;

Zähneklappern als Synonym für „frieren“ ist allgemein bekannt.

In der Übertragung auf Furcht taucht die Wendung in Luthers

Bibelübersetzung auf: „da wird sein Heulen und Zähneklappern“

(Mat thäus 8,12). In der heutigen Einheitsübersetzung lautet die Stelle

anders: „dort werden sie heulen und mit den Zähnen knirschen“, was

eher Unwilligkeit bedeutet.

auf dem Zahnfleisch gehen

auch: auf dem Zahnfleisch kriechen

völlig erschöpft sein;

wer bei einer Schlägerei nach verlorenem Kampf zu Boden geht

und dabei womöglich einen Zahn verliert und sich dann nur noch

mühsam kriechend fortbewegen kann, der geht redensartlich auf dem

Zahnfleisch.

der Zankapfel sein

der Anlass des Streites, der Gegenstand der Auseinandersetzung sein;

aus der griechischen Mythologie: Paris war der Sohn des trojanischen

Königs Priamos; er sollte zwischen den drei Göttinnen Hera, Athene

und Aphrodite den Streit darüber entscheiden, wer die Schönste

sei. Aphrodite, die Göttin der Schönheit, besticht ihn, indem sie

ihm Helena als Gemahlin verspricht, und Paris überreicht ihr den als

Siegespreis bestimmten Apfel, den „Zankapfel“. Die beiden anderen

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Göttinnen sind enttäuscht, und Hera schwört den Trojanern Rache,

die sie schließlich im Trojanischen Krieg erhält.

zum Zapfenstreich blasen

zur Nachtruhe rufen;

aus dem Mittelalter: Mit dem Zapfenstreich, einem Signal

von Trompete, Trommel oder Horn, werden schon seit dem

16. Jahrhundert die Soldaten zur Nachtruhe befohlen. Der Begriff

stammt von einem Strich, der zu Beginn der Sperrstunde über dem

Zapfen der Bierfässer gemacht wurde. Anhand der Markierung konnte

nachgeprüft werden, ob das Ausschankverbot tatsächlich eingehalten

wurde.

jemanden im Zaum halten

jemanden bändigen, in Schranken halten;

aus dem Französischen: Die Wendung ist eine wörtliche Übersetzung

des französischen Ausspruchs „tenir la bride à quelqu’un“. Der Zaum

dient beim Reiten der Kontrolle und Lenkung des Pferdes. Diese

Redensart ist im Deutschen seit dem 16. Jahrhundert belegt.

einen Streit vom Zaun brechen

einen Streit mutwillig herbeiführen;

aus dem Mittelalter: Die Redensart bezieht sich wohl darauf, dass

man bei einer Auseinandersetzung auf der Straße mangels einer

geeigneten Waffe schnell eine Latte aus dem Zaun brach, um auf

den Gegner loszugehen. Sie ist schon um 1500 bezeugt; so erwähnt

Johannes Geiler von Kaysersberg in seinen Predigten „sie brechen ein

ursach vom zaun“.

ein Wink mit dem Zaunpfahlein überdeutlicher Hinweis;

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aus dem 19. Jahrhundert. Die bildliche Wendung bezieht sich wohl

auf den Landstreicher, der – die eben abgebrochene Zaunlatte in der

Hand – um eine milde Gabe bettelt und dabei gleichzeitig unmiss-

verständlich droht. Ähnliche Formulierungen finden sich aber schon

sehr viel früher, so heißt es im „Willehalm“ Ulrichs von Türheim aus

dem 13. Jahrhundert, jemandem „wird gewinket mit der stangen“.

der Zahn der Zeitauch: vom Zahn der Zeit zernagt

Sinnbild der Vergänglichkeit;

aus der Antike: Schon der griechische Dichter Simonides von

Keos (556–467 v. Chr.), der als Begründer der Mnemotechnik gilt,

verwendete diese Metapher, um den Verfall zu umschreiben.

eine tickende Zeitbombeetwas wird zunehmend gefährlicher; etwas droht zu eskalieren;

die Redensart erklärt sich von selbst, denn eine Zeitbombe, die

bereits tickt, ist darauf programmiert, innerhalb einer bestimmten

Frist zu explodieren. Aus diesem Grund setzt man den Ausdruck mit

Entwicklungen gleich, die gefährliche Folgen haben (können).

alle heiligen Zeitensehr selten;

bezieht sich auf die Bezeichnung „heilige Zeiten“ für hohe kirchliche

Feiertage. Im Deutschen findet sich dies z. B. noch im „Heiligen Abend“.

In Gerhart Hauptmanns „Die Weber“ heißt es: „Kennten mir nich zum

wenigsten zu allen heilichen Zeiten a so a Stickel Gebratnes haben.“

ein enges Zeitkorsettein wenig Freiraum lassender Terminplan;

ein Vergleich mit der Damenbekleidung, die seit dem 16. Jahrhundert

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für eine schma le Silhouette der Frauen sorgte, ihnen aber auch den

Atem raubte.

das Zeitliche segnen

sterben;

aus dem 17. Jahrhundert. Die Redewendung leitet sich vermutlich von

dem Brauch her, für Zurückbleibende den Segen Gottes zu erbitten.

„Nun sieht mich kein Mensch nimmermehr, Gott gesegn euch alle.“

(Jakob Ayrer, Von der schönen Melusina, 1598)

eine Zeitungsenteeine Falschmeldung in der Zeitung, eine Zeitungssage;

was ein falscher Bericht in einer Zeitung mit einem Wasservogel

zu tun haben soll, ist zunächst unverständlich. Tatsächlich haben

die beiden nichts gemein – wenn man an die erste mögliche

Herkunft der Redewendung glaubt. Danach ist „En-Te“ lediglich die

Aussprache der beiden Buchstaben N.T. So werden bei englisch-

sprachigen Nachrichtenagenturen Meldun gen gekennzeichnet,

die nicht nachgeprüft oder bewiesen sind: „not testified“. Vielleicht

geht die Zeitungsente aber auch auf die Luther’sche Bezeichnung

„Lugenda“ für eine gelogene Legende zurück, die im Laufe der

Zeit zu einer Lugende und schließlich einer Lüg-Ente wurde.

Am wahrscheinlichsten aber wurde die Redewendung aus dem

Französischen übernommen. Dort gibt es schon lange den Ausdruck

„donner des cannards“ („Enten geben“) für „unzuverlässige“, d. h.

falsche Meldungen. Gewählt wurde die Ente wohl deshalb, weil sie

ebenfalls als unzuverlässig – nämlich hinsichtlich ihres Brutverhaltens

– gilt.

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das Zepter schwingen

die Leitung haben;

Das Zepter – früher Szepter, diese Schreibweise verrät noch die

Herkunft vom griechischen Wort „skeptron“ (Stab) – ist Teil der

Insignien eines Herrschers. Wer es schwingt, verdeutlicht seine Macht.

mit eisernem Zepter regieren

sehr streng herrschen;

das Zepter, neben dem Reichsapfel eines der Reichsinsignien und ein

Zeichen der Macht, ist üblicherweise aus Gold. „ Eisern“ steht also nur

symbolisch für die Härte und Kälte einer Herrschaft.

Zeter und Mordio schreien

laut nach Hilfe schreien; vor Schmerz schreien;

aus dem Mittelalter: „Zetermordio“ wurde aus zwei Hilferufen

zusammengezogen. Zum einen die Aufforderung „ze æchte her“, mit

dem man einen Schuldigen herbeirief, um Vergeltung zu üben; zum

anderen einer früher (auch) üblichen Form des Wortes „Mord“. Im

mittelalterlichen Gerichtswesen leitete der Ankläger mit dem Ausruf

„Zetermordio“ den Prozess ein.

jemandem am Zeug flicken

jemanden tadeln, schulmeisterlich belehren;

bedeutet wörtlich: jemandem das Zeug, d. h. die Kleidung flicken, also

ausbessern. In der redensartlichen Verwendung ist die se Formulierung

im Deutschen seit der Mitte des 18. Jahrhunderts gebräuchlich.

sich ins Zeug legen

sich besonders anstrengen;

aus der Landwirtschaft: Ursprünglich hieß die Redewendung „sich in

den Zug legen“ und geht darauf zurück, dass Zugtiere bei schweren

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Lasten oft beinahe in ihren Zuggeschirren liegen, um den Wagen zu

bewegen.

kein Zielwasser getrunken haben

nicht treffen (beim Schießen);

die Redensart bezieht sich auf die Annahme, man könnte Fähigkeiten

wie das exakte Zielen durch Aufnahme eines Lebensmittels

verbessern. In der Soldatensprache ist „Zielwasser“ jedoch ein

Synonym für Schnaps.

jemandem eine Zigarre verpassen

einen Tadel, eine Rüge erhalten;

aus der Soldatensprache: Diese Redensart entstand erst während des

Ersten Weltkriegs. Vermutlich verweist sie auf die in Offizierskreisen

übliche Art, nach der ein Tadel durch das Anbieten einer Zigarre

wenigstens äußerlich abgemildert wurde.

jemanden auspressen wie eine Zitronejemandem alles Geld nehmen; ihn verhören;

diese selbsterklärende Redensart nutzt für das finanzielle Ausbeuten

oder auch das strenge Verhör das Synonym „Auspressen“; da liegt die

Assoziation zur Zitrone, die ebenfalls ausgepresst wird, nahe.

mit Zitronen handeln

falsch gerechnet haben, ein anderes Ergebnis als erwartet erhalten;

aus dem Rheinland: Leitet sich vielleicht von einem dort bis Ende des

19. Jahrhunderts verbreiteten Brauch ab, Sargträger für ihre Dienste

mit einer Zitrone zu entlohnen. Nach einer anderen Erklärung geht die

Redensart auf die Verderblichkeit von Zitronen zurück: Wenn man sie

einlagert, trocknen stets zahlreiche aus. Im Wirtschaftsenglisch sind

„Lemons“ Unternehmen, die die Renditeerwartung nicht erfüllen.

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mit Zittern und Zagen

furchtsam, voll Angst;

aus der Bibel: Als Jesus mit seinen Jüngern im Garten Gethsemane

ankam, bekam er Angst vor seinem bevorstehenden Tod: „und er

nahm mit sich Petrus und Jakobus und Johannes und fing an zu

zittern und zu zagen“ (Markus 14,33).

ein alter Zopf sein

veraltet, altmodisch, überholt sein;

während heute im Militär ein kurzer Haarschnitt vorgeschrieben

ist, wurden die Soldaten im 18. Jahrhundert verpflichtet, einen

„Soldatenzopf“ zu tragen. Dieser war ausgesprochen unpraktisch,

da er sich bspw. beim Reiten im Geäst verfangen konnte. So

entstanden Forderungen, diese altmodischen Zöpfe abzuschneiden –

Forderungen, die mit der Scharnhorst’schen Reform der preußischen

Armee letztendlich durchgesetzt werden konnten.

alte Zöpfe abschneiden

auch: das sind doch alte Zöpfe

Veraltetes ablegen, aufgeben, etwas reformieren;

aus dem 19. Jahrhundert: Während des 18. und zum Teil auch noch im

19. Jahrhundert war der Zopf auch bei Männern eine weit verbreitete

Frisur. Erst nach der Französischen Revolution 1790 kam er auch

in Deutschland allmählich aus der Mode. Der Zopf wurde für die

Revolutionäre zum Sinnbild für die Missstände des Feudalismus.

zu etwas zubutternGeld dazugeben, nachschießen müssen;

aus dem Niederdeutschen: hat nichts mit dem Brotbelag zu tun,

sondern leitet sich von „toboten“, was zuschießen bedeutet, her.

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nicht aus Zucker sein

robust, unempfindlich sein;

bezieht sich auf das rasche Auflösen des Zuckers in Wasser und meinte

ursprünglich dementsprechend nur „kein Problem mit Regen haben“.

seinem Affen Zucker geben

ausgelassen und übermütig sein, jemanden in seinem Übermut

unterstützen;

aus dem 18. Jahrhundert: Der Affe gilt als Karikatur des Menschen. Wer

dem Affen ein Stück Zucker gibt, der wird das Tier erfreuen, es wird sich

schnell darüber hermachen und einen lustigen Anblick bieten; wenn

ein Mensch sich in ähnlicher Weise benimmt, dann „macht er sich zum

Affen“.

kein Zuckerschlecken sein

nicht angenehm sein;

„Zucker schlecken“, also naschen, ist ein sehr angenehmer Zeitvertreib.

auf den fahrenden Zug aufspringen

sich an einer bereits angelaufenen Unternehmung noch beteiligen;

wer sich einen Vorteil vom Zielort eines bereits im Fahren befindlichen

Zuges verspricht, der bringt sogar die Kräfte auf, auf diesen Zug noch

aufzuspringen.

einen guten Zug haben

schnell viel (Alkohol) trinken können;

bezieht sich auf das „Ziehen“, mit dem beim Trinken die Flüssigkeit

eingesogen wird.

die Zügel fest in der Hand halten

die Kontrolle/Führungsrolle innehaben; streng sein;

aus der Reiterei: Einem Reiter, der die Zügel fest in der Zügelfaust

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hält, kann das Pferd diese nicht aus der Hand reißen, z. B. um

durchzugehen. Dieses Bild wird heute sowohl auf das familiäre wie auf

das berufliche Umfeld übertragen.

die Zügel schießen lassen

etwas nicht kontrollieren, behindern, einengen;

aus der Reiterei: Üblicherweise wird das Reitpferd am kurzen Zügel

gehalten, damit es stets kontrolliert werden kann. Bei einem gut

ausgebildeten Pferd oder am Ende eines Rittes kann der Reiter aber

auch mal „die Zügel schießen“, d. h. lang lassen, um dem Pferd mehr

Freiheit zu gewähren.

die Zügel schleifen lassen

nachlässig sein;

aus der Reiterei: Die Zügel eines Pferdes schleifen zu lassen, ist

nachlässig, denn das Pferd kann nun erschrecken und unkontrolliert

durchgehen oder zumindest auf den Zügel treten und das teure Leder

zerreißen.

jemandem Zunder geben

jemanden antreiben;

aus dem Ersten Weltkrieg: „Zunder“, eigentlich leicht brennbares

Material zum Anzünden eines Feuers, wandelte sich in der

Soldatensprache zur Bezeichnung für feindliches Geschützfeuer, das

den Truppen „einheizte“.

wie Zunder brennen

sehr leicht und schnell brennen;

bereits in der Steinzeit wurden Feueranzünder verwendet, darunter

die getrocknete Frucht des Zunderschwammes. Die leichte

Entzündbarkeit und das rasche, helle Verbrennen dieser Fruchtkapseln

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wurden später sprichwörtlich für Leichtbrennbares.

das Zünglein an der Waage sein

der ausschlaggebende Faktor sein, den Ausschlag geben;

das Zünglein ist jener kleine Zeiger in der Mitte einer alten

mechanischen Waage, das die Waagerechte anzeigt. Obwohl es

eigentlich das Gewicht nur wiedergibt, wird es redensartlich als

beeinflussender Faktor gesehen.

jemandem etwas zuschanzenjemandem einen unverdienten Vorteil verschaffen;

aus dem Französischen: „Zuschanzen“ kommt nicht – wie man

vermuten könnte – vom Wort Schanze für eine Befestigungsanlage,

sondern vom altfranzösischen „cheance“ für Glückswurf, Einsatz beim

Spiel, das im 13. Jahrhundert als Lehnwort „schanze“ Eingang ins

Mittelhochdeutsche fand.

jemandem etwas zuschusternjemanden (heimlich) mit Geld unterstützen, ihm Vorteile zukommen

lassen;

Schuster war früher ein Schimpfwort für einen schlechten

Schuhmacher, der Flickwerk herstellte und damit nicht viel Geld

verdiente. Wer in ein Unternehmen „Geld einschusterte“, also

investierte, der konnte es gleich verloren geben.

auf keinen grünen Zweig kommen

keinen Erfolg haben, es zu nichts bringen;

aus der Bibel: Der grüne Zweig versinnbildlicht in dieser Wendung die

im Frühjahr neu grünende Natur, das Wachsen und Gedeihen. Und so

wird in Hiob 15,32 jedem Gottlosen prophezeit, ihm werde der Lohn

„voll ausgezahlt werden noch vor der Zeit, und sein Zweig wird nicht

mehr grünen“.

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in einer Zwickmühle stecken

in einer schwierigen, „verzwickten“ Lage sein;

aus dem 15. Jahrhundert: Die Zwickmühle ist ein Fachausdruck aus

dem Brettspiel Mühle, eine Aufstellung der Spielsteine, bei der der

Gegner kaum noch eine Chance auf einen Sieg hat. Der Angegriffene

kann sich dieser Zwickmühle, bei der das Öffnen einer so genannten

Mühle gleichzeitig die Schließung einer anderen ist, kaum noch

entwinden, er ist in einer aussichtslosen Lage.