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Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg Wien Europäische Metropole im Wandel Reihe für Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch, Kunst Heft 39 · November 1999

Reihe für Politik, Geschichte,Geographie, Deutsch, Kunst · Kultur Kontakt, Mag. Gerhard Kowar, Spittelberggasse 3/D, A-1070 Wien United Nations Information Service, Internationales

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Landeszentralefür politische BildungBaden-Württemberg

WienEuropäische Metropole im Wandel

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Herausgeber:Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg,Direktor Siegfried Schiele

Redaktion:Dr. Walter-Siegfried Kircher

Anschrift der Redaktion:70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38,Telefon (0711) 2371-378/-391, Telefax (0711) 2371-496

Beirat:

Robert Bosch Stiftung GmbH, Stuttgart,Günter Gerstberger

Dr. Almut Satrapa-Schill

Ministerium für Kultus, Jugend und Sport,Klaus Happold, Ministerialrat

Prof. Dr. Lothar Burchardt,Universität Konstanz

Dietrich Rolbetzki,Oberstudienrat, Filderstadt

Lothar Schaechterle,Studiendirektor, Stetten i. R.

Landeszentrale für politische Bildung,Dr. Walter-Siegfried Kircher

Deutschland&Europa erscheint zweimal im Jahr

Jahresbezugspreis DM 12,–Satz:Vaihinger Satz + Druck GmbH71665 Vaihingen

Druck:Reclam Graphischer Betrieb GmbH71254 Ditzingen

Auflage: 12 000

Titelbild:Karlskirche. Im Vordergrund Plastik von Henry MoorePhoto: W.-S. Kircher

Nachdruck oder Vervielfältigung auf elektronischen Daten-trägern sowie Einspeisung in Datennetze nur mit Genehmigungder Redaktion

Mit finanzieller Unterstützung des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport, der Stiftung für Bildung und Behinderten-förderung und der Robert Bosch Stiftung.

Inhalt

WienEuropäische Metropole im Wandel

Vorwort des Herausgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1

Geleitwort des Ministeriums für Kultus, Jugend und Sport . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2

Autorinnen und Autoren dieses Heftes . . . . . . . . . 2

Zur Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3

I. Literarische Bilder von Wien . . . . . . . . . . . . . . 4

II. Vom Bollwerk Europas zur europäischen Metropole: Stadterweiterung und Stadtentwicklung im 19. Jahrhundert . . . . . . . 8

III. Blicke auf Maria Theresia und Elisabeth: Geschichte in Denkmälern . . . . . . . . . . . . . . . . 17

IV. Wiener Rathaus und Parlament vor dem Ersten Weltkrieg: Die heterogene Gemeinschaft am Paradeplatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

V. »Europäischer Schmelztiegel« Wien . . . . . . . . 27

VI. Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert . . . . . . . 32

1. Der Karl-Marx-Hof: vorbildliche Wohnbaupolitik in Europa . . . . 32

2. Stadtentwicklung des modernen Wien . . . . 36

VII. Wien: UNO-Standort und Europa-Metropole . . 41

Wien-Adressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44

Wien-Bilder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

Politik im Freien Theater . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46

Leitbild der LpB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. US

Die Hefte werden nur in geringer Anzahl an die Schulenverteilt. Zusätzliche Exemplare können bei der Landes-zentrale für politische Bildung, RedaktionssekretariatDeutschland und Europa, Fax (0711) 23 71- 496, oderschriftlich nachgefordert werden.

Heft 39 · November 1999

1

»... wenn jemand die Donau hinauf nach Wien fuhr, sagte man, er fährt nach Europa ...«

Elias Canetti, Die gerettete Zunge

Die Metropolen haben auch im Zeitalter der neuen, mittelpunktlosen Netze ihre Bedeutungnicht eingebüßt. Sie üben im Gegenteil immer noch eine beachtliche Anziehungskraft aus.Das gilt besonders auch für Wien. Nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Unionnimmt Wien im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen eine neue Position ein. Diedaraus resultierenden neuen Programme werden, wie immer in Zeiten des Wandels, auchin der Stadtentwicklung sichtbar, und so spielen »Steine«, Gebautes, eine entscheidendeRolle beim Ausbau der Stadt Wien zu einer modernen europäischen Kultur- und Wirt-schaftmetropole.»Wien – europäische Metropole im Wandel« setzt die Reihe der D&E-Hefte über europäi-sche Großstädte fort. Bisher erschienen sind: »Berlin - Hauptstadt und geteilte Stadt«,»Berlin - europäische Metropole und deutsche Hauptstadt« sowie »St. Petersburg - Russ-lands Fenster nach Europa«. Studien- und Klassenfahrten in die österreichische Haupt-stadt sind nach wie vor gefragt. Die Autorinnen und Autoren schrieben ihre Beiträge (vgl.»Zur Einführung«) unter diesem Blickwinkel, haben ihre Vorschläge mehrfach an Ort undStelle erprobt und hatten im Rahmen dieses Heftprojekts die Gelegenheit, in Wien selbst,vor allem bei der UNO, der Stadt, bei verschiedenen Kulturorganisationen und über per-sönliche Kontakte Informationen und Materialien zu erhalten, die über das Gängige hinaus-gehen. Verzichten wollten und mussten wir angesichts des Umfangs der Hefte auf wohlbe-kannte, attraktive, jedoch bereits bestens präsentierte Themen wie Musik (z.B. Klassik) undKunst (z.B.Jugenstil und Sezession). Das Etikett »Wien bleibt Wien« erfülle den »Tatbestand einer gefährlichen Drohung«, äußer-te einmal Karl Kraus. Nicht allein aus diesem Grund spüren die Beiträge dem Thema »Wan-del« nach, vom einstigen »Bollwerk Europas« über die entscheidenden Veränderungen abder Mitte des 19. Jahrhunderts und um die Jahrhundertwende bis hin zur modernen Stadt-entwicklung gegen Ende des Jahrtausends.

Siegfried Schiele

Direktor der Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg

Kürzlich tat Herr Schiele einen Schritt, den wir früher oder später alle tun – er vollendetesein sechzigstes Lebensjahr und schloß sich dem Klub der Sechziger an. Das bieteteine willkommene Gelegenheit, wenigstens in aller gebotenen Kürze eine Zwi-schenbilanz zu ziehen.1983 konzipierte die Landeszentrale die vorliegende Zeitschrift. Damals hieß sienoch »Die deutsche Frage im Unterricht« und sollte »Gemeinsamkeiten und Ver-bindungen zwischen Südwestdeutschland und Mitteldeutschland aufzeigen«, wiees Herr Schiele formulierte. Das erste Heft befasste sich mit Schillers Wirken inWürttemberg und Sachsen bzw. Thüringen. Bald folgten andere, und seitdemsind jährlich zwei bis drei Hefte erschienen. Die Ereignisse von 1989/90 schufennatürlich eine ganz neue Lage, da sich nun das ursprüngliche Anliegen der Reihegewissermaßen erledigt zu haben schien. Jedoch zeigte sich bald, dass es auchweiterhin Bedarf gab, Verbindungen zwischen Südwestdeutschland und dennunmehrigen neuen Bundesländern zu pflegen und dass es gerade angesichtsder neuen Entwicklung wichtiger geworden war, den Standort des wiedervereinig-ten Deutschland in Europa auszuloten. Die Änderung des Reihentitels zu »Deutsch-land und Europa« trug dem Rechnung. Heute hat die Reihe einen festen Platz nichtnur im Arbeitsprogramm der Landeszentrale, sondern auch in den vielen Schulen, dieimmer wieder zusätzliche Exemplare anfordern oder Kritik und Anregungen beisteuern.Dieser offenkundige Erfolg ist auch ein ganz persönlicher Erfolg von Siegfried Schiele. Erverstand es von Anfang an, geeignete Autoren zu gewinnen oder ganze Projekte »an Landzu ziehen«. Insbesondere war er es, der Ernst Jung für die Reihe gewinnen und bis weitüber seine Pensionierung hinaus »in der Pflicht« halten konnte. Seitdem hat er trotz hin-länglich bekannter zeitlicher Belastung kaum eine Sitzung des Beirats versäumt, der überder Reihe wacht, und hat es immer verstanden, in diesem Kreis fruchtbar und konstruktivzu wirken. Möge es noch lange so bleiben!

Prof. Lothar Burchardt, Beirat und Redaktion der Zeitschrift DEUTSCHLAND & EUROPA

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Wien ist eine historische Stadt par excellence. Die Geschichte der Stadt spiegelt sich –auch als Gegenwart – in zahlreichen Plätzen, Straßen, Gebäuden, Denkmälern und Stadt-vierteln.Der Wandel der Haupt- und Residenzstadt der Habsburger von einer barocken Festungs-stadt zu einer europäischen Metropole wird in diesem Heft nachgezeichnet, besondereSchwerpunkte bilden das neunzehnte Jahrhundert und die Jahrhundertwende bis zumErsten Weltkrieg, die Zwischenkriegszeit und Entwicklung des modernen Wien.

Dem fächerverbindenden Ansatz der Reihe DEUTSCHLAND & EUROPA folgend, sind vorallem die Fächer Geschichte, Deutsch/Literatur, Politik, Geographie und Architektur/Kunstangesprochen, die Beispiele und Schauplätze so ausgesucht, dass im Rahmen einesUnterrichtsprojektes, einer Studienreise oder Klassenfahrt die vorgeschlagenen Stadtan-sichten erlebt, die vorgestellten Themenbereiche bewältigt werden können. So entsteht einfacettenreiches – wenn auch nicht vollständiges – Rundgemälde einer zur Großstadt her-angewachsenen Kommune, in der einmalige Symbiosen etwa in Literatur und Kunst ent-standen, aber auch die Rivalitäten der einzelnen Nationalitäten aufeinanderprallten.

Wien ist heute dritter Amtssitz der Vereinten Nationen neben New York und Genf undbeherbergt als »OSZE-Hauptstadt« wichtige Einrichtungen dieser Organisation. Dieseeuropäischen und internationalen Dimensionen erweitern die Innensicht der österreichi-schen Hauptstadt und vermitteln differenziertere Blicke nach außen.

Klaus HappoldMinisterialratMinisterium für Kultus, Jugend und SportBaden-Württemberg

Cramer, Jost, Gymnasialprofessor a.D., LichtenwaldVI. Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert: 1. Der Karl-Marx-Hof / 2. Stadtentwicklung des modernenWien

Reble, Burghild, OStR, WaiblingenII. Vom Bollwerk Europas zur europäischen Metropole / IV. Wiener Rathaus und Parlament vor demErsten Weltkrieg

Utikal, Rüdiger, StR, SchorndorfFederführung / I. Literarische Bilder von Wien / III. Blicke auf Maria Theresia und Elisabeth:Geschichte in Denkmälern

Dr. Zollmann, Günther, StD, SchorndorfV. »Europäischer Schmelztiegel« – Wien / VII. Wien: UNO-Standort und Europa-Metropole

Leiter des Projekts DEUTSCHLAN UROPA: Dr. Walter-Siegfried Kircher

Mitarbeiter der Werkstattseminare »Wien«

vom 17. – 18.1.1997 in Neuler: J. Cramer, B. Reble, R. Utikal, G. Zollmann, A. Scheirle, W. S. Kircher

vom 26. – 27.9.1997 in Beutelsbach: J. Cramer, B. Reble, R. Utikal, G. Zollmann, W. S. Kircher

vom 6. – 7.2.1998 in Beutelsbach: J. Cramer, B. Reble, R. Utikal, G. Zollmann, W. S. Kircher

Danksagungen:

Folgende Personen und Institutionen haben uns bei den Wien-Recherchen besonders nachhaltigunterstützt, Informationen, Materialien zur Verfügung gestellt und wichtige Kontakte vermittelt:

Horst Sambor, Regierungsrat, Verwaltungsdirektor a.D., A-1100 Wien

Interkulturelles Zentrum, Dr. Rüdiger Teutsch, Kettenbrückenstraße 23, A-1050 Wien

Kultur Kontakt, Mag. Gerhard Kowar, Spittelberggasse 3/D, A-1070 Wien

United Nations Information Service, Internationales Zentrum Wien, A-1400 Wien

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W i e nZur Einführung

Von Rüdiger Utikal

Die Vergangenheit und die Gegenwart Wiens sind geprägtvon der Tatsache, dass die Stadt im Schnittpunkt dreierKulturkreise liegt, deren Eigenheiten eine besondere Mix-tur, eine spezifische Atmosphäre, auch eine eigene poli-tisch-soziale Struktur in dieser Metropole in der Mitte Eu-ropas geschaffen haben. Die Vermischung slawischer,österreichisch-deutscher und italienischer Einflüsse hatzusammen mit vielen anderen Faktoren eine Stadt derBrüchigkeiten und Dualismen entstehen lassen, der dasüberzuckerte und zugleich mit einer schmackhaften PriseMorbidität versetzte Wien-Klischee der Fremdenverkehrs-werbung so gar nicht entsprechen kann und will. »Küssdie Hand«-Schmäh, Heurigenseligkeit, Kaffeehausgemüt-lichkeit, Pratergrün und Oper(ette)n-»Gold und Silber« –nach dem Motto »Wien bleibt Wien« – sind wahrhaftignicht alles, was Wien dem Besucher zu bieten hat. »Wienist anders« – auch damit wirbt die Stadt inzwischen. Tief-gründigere Einblicke in Kontinuitäten und Wandlungendieser Stadt sind auch bei kurzer Aufenthaltsdauer mög-lich und wünschenswert. Dazu will das vorliegende Heftmit seinen Beiträgen ermuntern. Sie sind insbesondere fürdiejenigen gedacht, die mit ihren Schülerinnen undSchülern eine Exkursion nach Wien planen und ergänzendzu den zum Teil einseitigen touristischen Wien-Führerngeeignetes Material suchen, das die Bereiche Geschichte,Politik, Kultur und Literatur betrifft. Gründliche Recher-chen vor Ort und teilweise erfolgte Erprobung mit Klassenund Kursen sind Basis und Ausgangspunkt für die Beiträ-ge dieses Heftes gewesen.

Inwiefern ist Wien nun aber eine Stadt der Brüchigkeitenund Dualismen?

Im Lauf der Jahrhunderte rückte Wien vom Rand in denMittelpunkt Europas. Seit der Abwehr der Türkengefahrist Wien nicht mehr eine Festungs- und Grenzstadt Euro-pas, sondern wird bis zum Beginn des 20. Jahrhundertssystematisch zur kaiserlichen Metropole in der Mitte Euro-pas ausgebaut (vgl. Kapitel II). Die Folgen des Ersten undmehr noch des Zweiten Weltkriegs brachten die Gefahrder Provinzialität mit sich, eine Gefahr, die auch im Rah-men der Umgestaltung Europas seit 1989 nicht gebanntist. Wien als Weltkongresszentrum (vgl. Kapitel VII) undWirtschaftsmetropole in Europa ist eine Vision für die Zu-kunft Wiens, die viele Skeptiker auf den Plan ruft.

Der imperiale Glanz der Habsburger-Monarchie, dersich in Wien etwa in der Hofburg manifestiert, tritt in Kon-

kurrenz zum Selbstverständnis Wiens als Bürgerstadt,die sich sehr wohl – etwa im Rathaus an der Ringstraße –ihre prunkvollen Symbole zu schaffen weiß. Das kaiserli-che Wien, dem sein Weltstadtanspruch ja von oben auf-gezwungen wurde, gerät in Gegensatz zum Wien derGroß- und auch Kleinbürger, die ihre Stadt von unten ge-stalten wollen und dabei immer wieder an ihre Grenzenstoßen (Kapitel III, IV und VI). Der Rückzug in die»Schmankerl«-Welt biedermeierlicher Gemütlichkeit, wieman sie auch heute noch wahrnehmen kann, ist auch alsmentalitätsstiftendes Phänomen auf dem Hintergrund die-ser Entwicklung zu verstehen.

Integration und Abwehr – beide Formen des Umgangsmit dem und den Fremden sind sichtbar, wenn man dieGeschichte Wiens betrachtet. »Die positiv konnotierteVerbindung Österreichs und vor allem Wiens mit dem Bildeiner multikulturellen Gesellschaft ist eine – nostalgischverklärte – historische Retrospektive: sie greift – meist un-ter Ausblendung realer politischer Problematiken – aufeine als ›typisch österreichisch‹ klassifizierte Kultur des19. und beginnenden 20. Jahrhunderts zurück.« (Breuss u.A., S. 20) Die Integration war häufig eine ausschließlichkulturell begriffene Angelegenheit, die politische Implika-tionen bewusst ausblendete. Der österreichische Vielvöl-kerstaat tat sich sehr schwer damit, eine politische Kon-struktion für die verschiedenen »Völker« der Monarchie zufinden, und als man sie schließlich – im Jahr 1867 – müh-sam zu Stande brachte, war das Scheitern eigentlichschon vorprogrammiert, weil nur die Ungarn berücksich-tigt worden waren und man eine durchaus auch ausgren-zende Dualität geschaffen hatte. Im Alltag waren die Böh-men, Ungarn, Kroaten usw. in Wien sehr präsent, wofürdie böhmische Küche als Beispiel dienen mag. Viele Wie-ner tragen tschechische Namen. Und nicht zuletzt ist dieDiskussion um Ausländer und Europa in Wien heute eineäußerst kontrovers geführte, wobei Untertöne der Auslän-derfeindlichkeit nicht fehlen (Vgl. Kapitel V).

Wien hat sich spätestens seit dem Barock als eine Welt-stadt der Kultur begriffen. Wien um 1900 ist förmlich zumSynonym für die Kunst des Fin de Siècle geworden, seineAusstrahlung in die europäische Kulturwelt hinein brachteWien einen enormen Prestigegewinn, der politischenMachtverlust zu kompensieren half. Wien als Stadt desBurgtheaters und der Staatsoper gilt als Hochburg kultu-reller Aktivität, ist seit dem späten 19. Jahrhundert immerals Zentrum der Literatur wahrgenommen worden (vgl.auch Kapitel I). Es gibt »Wiener Schulen« im Bereich derMusik, der Architektur, der Philosophie und Psychoanaly-se, auch der Rechtswissenschaft und Volkswirtschaft,was die Palette noch um den Wissenschaftssektor erwei-tert. Hierauf besteht ein berechtigter Stolz. Dass vieles da-

3

WienEuropäische Metropole im Wandel

bei aus der Opposition gegen Bestehendes heraus ent-stand und ein Widerstreit zwischen rückwärtsgewand-ter Beharrung und vorwärtsdrängender Erneuerunggeradezu zum Grundmuster der kulturellen EntwicklungWiens gehört, wird gern in den Hintergrund gedrängt. DerKampflärm einer konservativen Kunstauffassung war inWien immer besonders laut.

Arthur Schnitzler bemerkte um 1900, dass die Wiener mitden Redewendungen »Es zahlt sich ja net aus!«, »Tun’s Ih-nen nix an.« und »Wie komm denn i dazu?« am Besten zucharakterisieren seien. Das raunzige, aggressiv vorgetra-gene Selbstmitleid und das elegante Herauswinden ausproblematischen Situationen verbindet sich mit einemspezifischen Charme, der sich auch heute noch eines be-grifflichen Repertoires bedient, das Autorität und hohengesellschaftlichen Rang besonders herausstellen möchte.Der Erfindungsreichtum, mit dem in Wien von Hotelpor-tiers oder Kellnern Titel vergeben werden, ist erstaunlich,und mancher Wien-Besucher fand sich unversehens zum»Herrn Baron« geadelt oder zum »Herrn Direktor« erho-ben. Man arrangiert sich eher als dass man sich engagiert:»Glücklich ist, wer vergisst, was doch nicht zu ändernist!«, erklingt als »Fledermaus«-Melodie aus dem Hinter-grund dazu. Die besondere Affinität der Wiener zum Todist eine weitere Facette der Wiener Mentalität. Es ist nichtverwunderlich, dass ausgerechnet in Wien ein Bestat-tungsmuseum existiert. Den Brüchen einer wie auch im-

mer gearteten Wiener Mentalität auf die Spur zu kom-men, ist ein schwieriges, aber lohnendes und aufschluss-reiches Unterfangen, zu dem die einzelnen Kapitel unter-schiedliche Beiträge leisten. Wenn man nun das Spezifi-sche dieser Mentalität erkennt und hinterfragt, kann manauch – in Vergleich und Feststellen von Gemeinsamkeitenund Unterschieden – europäische Dimensionen solcherBeobachtungen wahrnehmen.

Viele Facetten prägen also das Bild von Wien als Metro-pole im Wandel. Wien ist und war ein Ort, an dem sich eu-ropäische Geschichte abgespielt hat. Wien ist und wareine Stadt, in der die Frage nach Nationalitäten und demUmgang mit den Problemen, die sich daraus ergebenkönnen, eine große Rolle gespielt hat. Wien ist und wareine Stadt, deren kulturelle Ereignisse und Entwicklungeneuropaweit wirkten und deren soziale und politische Kon-flikte immer wieder internationale Dimensionen aufwei-sen, europäische Tendenzen schlaglichtartig beleuchten.Die besondere Lage und die historischen wie aktuellenEntwicklungslinien Wiens waren immer von Bedeutung fürdiese Fragen und werden es wohl auch in der Zukunft blei-ben.

Literaturhinweis

Susanne Breuss/Karin Liebhart/Andreas Pribersky: Inszenierungen – Stich-wörter zu Österreich. Sonderzahl-Verlag, Wien 2. Aufl. 1995

4

L i t e r a r i s c h e B i l d e r v o n W i e nI. Literarische Bilder von Wien

Von Rüdiger Utikal

Literatur aus Wien, Literatur, die in Wien spielt, Literatur,die von Wienern und Wien-Kennern geschrieben wurde –sie vermag Wien näher zu bringen, erleichtert und vertieftdas Kennenlernen einer Stadt, in der insbesondere seitdem späten 19. Jahrhundert maßgebend europäische Li-teraturgeschichte geschrieben wird.Im Wien der Jahrhundertwende entsteht ein Gegensatzzwischen aristokratisch-bürgerlicher Selbstbespiegelung,ja -bezauberung, und zum Teil grausamem Überlebens-kampf der Unterschichten, zwischen Schein und Wirklich-keit.Hugo von Hofmannsthal (1874–1929) zeigt die Verzau-berung, die von Wien ausgeht, in seinem Gedicht »Siehstdu die Stadt?« (1890).Wien wird hier zur Traumstadt, deren Künstlichkeit sich miterotischer Verlockung paart, wird zur Chiffre für einen See-lenzustand, in dem Beglückung (V. 3+4 etwa) ebenso prä-sent ist wie Bedrücktheit (V. 7+8, 11). Das Gedicht zeigt da-mit Züge, die der Kunst des Fin de Siècle insgesamt zu Eigen ist: Verfeinerung bis hin zum Ästhetizismus, zugleichGespür für eine Bedrohung, die unter der schönen Ober-fläche lauert. Nicht zufällig ist die Verknüpfung von Liebeund Tod ein häufiges Motiv der Fin-de-siècle-Literatur.

Hugo von Hofmannsthal:

»Siehst du die Stadt, wie sie da drüben ruht,Sich flüsternd schmieget in das Kleid der Nacht?Es gießt der Mond der Silberseide FlutAuf sie herab in zauberischer Pracht.

Der laue Nachtwind weht ihr Atmen her,So geisterhaft, verlöschend leisen Klang:Sie weint im Traum, sie atmet tief und schwer,Sie lispelt, rätselvoll, verlockend bang ...

Die dunkle Stadt, sie schläft im Herzen meinMit Glanz und Glut, mit qualvoll bunter Pracht:Doch schmeichelnd schwebt um dich ihr Widerschein,Gedämpft zum Flüstern, gleitend durch die Nacht.«1

Stefan Zweig (1881–1942) beschreibt in seiner Autobio-graphie »Die Welt von Gestern«, die kurz vor seinemSelbstmord in Brasilien entstanden ist, sein Leben ausden Bedingungen der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg he-raus und lässt sie mit den späten dreißiger Jahren und sei-nen Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus enden. SeinBlick richtet sich einerseits nach Wien, andererseits –gemäß dem Untertitel »Erinnerungen eines Europäers« –

in die Metropolen der europäischen Welt, die für ihn alsKosmopoliten und europaweit erfolgreichen Schriftstellerabsolut vertraut waren. Im Vorwort spannt er selbst denBogen so: »Ich bin 1881 in einem großen und mächtigenKaiserreiche geboren, in der Monarchie der Habsburger,aber man suche sie nicht auf der Karte: sie ist weggewa-schen ohne Spur. Ich bin aufgewachsen in Wien, derzweitausendjährigen übernationalen Metropole, und habesie wie ein Verbrecher verlassen müssen, ehe sie degra-diert wurde zu einer deutschen Provinzstadt.«2 Seine Wur-zeln in Wien – hier war er geboren, war in einer wohl-habenden, großbürgerlichen Familie aufgewachsen, hatteer studiert und erste literarische Erfolge gefeiert – und seinständiger, interessierter Blick auf Europa – er hatte auch inBerlin studiert, viele Weltreisen gemacht, hatte zahlreicheKontakte in ganz Europa (z. B. mit Romain Rolland) undwurde im Ersten Weltkrieg zu einem Pazifisten undglühenden Anhänger der Einheit Europas – machen ihn zueinem erstrangigen Zeitzeugen und seine Autobiographiezu einem sprachmächtigen Porträt seiner Zeit.

Ein ganz anderes Bild von Wien zeichnet der bei uns weit-gehend unbekannte Slowene Ivan Cankar (1876–1918).Erst vor kurzem sind drei Bücher von ihm in deutscherSprache erschienen: der Roman »Das Haus der Barmher-zigkeit«, »Pavliceks Krone« und »Vor dem Ziel«, beide mitdem Untertitel »Literarische Skizzen aus Wien«. CankarsAnliegen ist es, das Leben der Armen und Kranken, der Ar-beiter und Arbeitslosen, der Zuwanderer und Bohemiens,der Prostituierten und Gescheiterten in der Hauptstadt zuschildern, das Wien der Unterschichten. 1896 kam Cankarnach Wien, um an der Technischen Universität zu studie-ren. Das Schreiben wurde zu seiner Leidenschaft, und soentstanden etliche Werke, die in Wien spielen, wo Cankarbis 1909 lebte. Insbesondere die Vorstädte sind der Schau-platz. Er beschreibt Schmutz und Dunkelheit, Hunger,Krankheiten und Alkoholismus, bedrückende Wohnverhält-

nisse, Hilflosigkeit, Selbsthass und das gesamte persönli-che Leid der Menschen in diesen Vorstädten. Die Ge-schichte »In der Fremde« (1913) etwa handelt von einemIch-Erzähler, der verzweifelt durch Wien streift und einsamund hungrig seine Beobachtungen macht, an seine eigeneLebensgeschichte denkt und zwischen Selbstmordgedan-ken und mysteriösem Trost hin- und herpendelt.

In Wiens IX. Bezirk, als Verbindung von Währinger- undLiechtensteinstraße, findet sich die Strudlhofstiege, einebeeindruckende Jugendstil-Treppenanlage (1910) vonTheodor Jäger. An zentraler Stelle sieht man die Verse ein-graviert, die Heimito von Doderer (1896–1966) seinemRoman »Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe derJahre« (1951) voranstellt:

»Wenn die Blätter auf den Stufen liegenherbstlich atmet aus den alten Stiegenwas vor Zeiten über sie gegangen.Mond darin sich zweie dicht umfangenhielten, leichte Schuh und schwere Tritte,die bemooste Vase in der Mitteüberdauert Jahre zwischen Kriegen.

Viel ist hingesunken uns zur Trauerund das Schöne zeigt die kleinste Dauer.«5

»Leise ging ich durch die Küche und die Stiege hinunter, umdie Hausfrau nicht zu sehen; schon lange hatte ich ihr nichtdie Miete gezahlt, sie sah mich von der Seite an, grüßtemich nicht, kaum dass sie den Gruß dankte. »Ich kommenicht ohne Geld zurück, und grab ich’s mit den Nägeln auseinem Stein!«, sagte ich jeden Morgen; und kam jedenAbend zurück mit hängendem Kopf und zitternden Beinen.Draußen war ein prächtiger, strahlender, glitzernder Som-mermorgen. Die Gassen waren besprengt, doch der ent-fachte Staub trank das Wasser durstig und hob sichtrocken und brennend beim leisesten Windhauch. Vor denKaffeehäusern standen bestaubte Oleander, Efeu ranktedarüber. Dort saßen im Schatten die zufriedenen, anständiggekleideten, gut ausgeschlafenen Menschen; sie blinzeltenin die Sonne und schlürften gemächlich den duftendenMorgenkaffee. Auch vor den Wirtshäusern saßen Leute; die genährten, fröhlichen, feistbackigen Kutscher aßenschmatzend ihr rotes Gulasch, das scharf über die Gasseroch; frisches Bier schäumte in den Gläsern, fast spürte ichseine angenehme Kühle.Ich bekam Lust, irgendwohin weit aus der Stadt zu gehen,ins Grüne, in den Schatten; dort würde ich mich ins weicheGras legen, ich schaute in den Himmel und dächte nichts;doch war ich müde in aller Früh und ich hatte Angst vordem langen Weg. In die schönen buschigen Parks der In-nenstadt traute ich mich nicht mehr; dort gingen auf denweißen Sandwegen die glücklichen Menschen spazieren,in hellen Kleidern; sie gehen leichten, ruhigen Schritts, ihrBlick ist klar; ihr Leben ist wie der Frühlingshimmel, warm,still, wolkenlos. Wenn ich mich unter ihnen zeigte, würdensie schon von weitem dem Pesthauch aus meinem Mundeweichen. Ich ging in einen Vorstadtpark, in jenen traurigenZufluchtsort arbeitsloser Arbeiter, schwindsüchtiger Nähe-rinnen und hungriger Kinder. Die niedrigen verstaubtenBäume stehen ruhig, tot; ich erinnerte mich, dass ich dieseKastanien noch nie hatte blühen gesehen; sie lebten einstumpfes Leben ohne Jugend, wie die Menschen in dieserGegend.«4

»In kaum einer Stadt Europas war nun der Drang zum Kul-turellen so leidenschaftlich wie in Wien. Gerade weil dieMonarchie, weil Österreich seit Jahrhunderten weder poli-tisch ambitioniert noch in seinen militärischen Aktionenbesonders erfolgreich gewesen, hatte sich der heimatlicheStolz am stärksten dem Wunsche einer künstlerischenVorherrschaft zugewandt. Von dem alten Habsburger-reich, das einmal Europa beherrscht, waren längst wich-tigste und wertvollste Provinzen abgefallen, deutsche unditalienische, flandrische und wallonische; unversehrt inihrem alten Glanz war die Hauptstadt geblieben, der Hortdes Hofes, die Wahrerin einer tausendjährigen Tradition. ...hier waren alle Ströme europäischer Kultur zusammenge-flossen; am Hof, im Adel, im Volk war das Deutsche demSlawischen, dem Ungarischen, dem Spanischen, dem Ita-lienischen, dem Französischen, dem Flandrischen im Blutverbunden, und es war das eigentliche Genie dieser Stadtder Musik, alle diese Kontraste harmonisch aufzulösen inein Neues und Eigenartiges, in das Österreichische, in dasWienerische. Aufnahmewillig und mit einem besonderenSinn für Empfänglichkeit begabt, zog diese Stadt diedisparatesten Kräfte an sich, entspannte, lockerte, be-gütigte sie; es war lind, hier zu leben, in dieser Atmosphä-re geistiger Konzilianz, und unbewusst wurde jeder Bürgerdieser Stadt zum Übernationalen, zum Kosmopolitischen,zum Weltbürger erzogen.«3

5

Doderer schildert in seinem Roman eine Menschengruppeund ihre Schicksale. Er geht von den Jahren 1924/25 aus,Rückblendungen in die Jahre 1910/11 geben dem Romanhistorische Tiefenschärfe. Doderer gelingt es, die Atmos-phäre jener Jahre in den Geschicken seiner Romanfigurenlebendig werden zu lassen, wobei er seinen Lesern einWiener Aristokratenpalais und den schicken Tennisplatz imAugarten ebenso vor Augen stellt wie ein Kaffeehaus in derVorstadt oder das Treiben im Prater. Kristallisationspunktdes Geschehens ist immer wieder die Strudlhofstiege.

Joseph Roths (1894–1939) »Radetzkymarsch« (1932)holt noch weiter aus und »umgreift den Zeitraum von 1859bis 1916 und die fallende Lebenskurve dreier Generatio-nen einer österreichischen Adelsfamilie. Im Leben und Er-leben des Vertreters der letzten Generation kündigt sichder innere und äußere Zerfall der Monarchie an, der mitdem Tod des Kaisers Franz Joseph im Jahre 1916 offen-bar wird«.7

Friedrich Torberg (1908–1979), den »Schüler Gerber«(1930) und die »Tante Jolesch«-Geschichten (1975/79)berühmt gemacht haben, führt den Leser in seinem Ro-man »Auch das war Wien« in das Wien der späten dreißi-ger Jahre. Der Roman entstand von Mai 1938 bis Juni1939 während Torbergs Flucht aus dem nationalsozialis-tisch gewordenen Österreich in Prag, Zürich und Parisund erzählt die Geschichte der als »arisch« eingestuftenSchauspielerin Carola Hell und des jüdischen Bühnen-schriftstellers Martin Hoffman auf dem Hintergrund derösterreichischen Situation 1937/38. Torbergs Anliegen istes, die »Österreich-Tragödie als Akt einer Welt-Tragödie«8

darzustellen, es geht um die europäische, ja weltweiteWirkungsdimension des Nationalsozialismus. DessenRassentheorie wird die positive Gestaltung der Men-

schenmischung im Leben Wiens entgegengesetzt, wasam Beispiel eines hauptstädtischen Verlagsbüros so be-schrieben wird:

Einer der Umstrittenen und Skandalumwitterten in Öster-reich und besonders in Wien war immer Thomas Bern-hard (1931–1989). »Heldenplatz« heißt das Theaterstück,das dies im Jahre 1988 – kurz vor Bernhards Tod – nocheinmal ganz deutlich machte. Die Uraufführung fand am 4. November 1988 am Wiener Burgtheater statt. ClausPeymann inszenierte, es spielten u. a. Wolfgang Gasser,Kirsten Dene, Anneliese Römer und Marianne Hoppe. Ob-wohl der Text bis zur Premiere geheim gehalten wordenwar, hatte sich die Stimmung schon im Vorfeld der Auf-führung derart aufgeputscht, dass ein Großaufgebot vonPolizisten in Uniform und Kriminalbeamte in Zivil alsSchutz notwendig waren. In der österreichischen Haupt-stadt wurde Wien-Beschimpfung und Österreich-Verun-glimpfung größten Ausmaßes befürchtet, und das zum Jubiläum jenes Hauses, das als Mythos und Tempel derWort- und Dramenkunst gilt und mit Peymann seit 1986einen Direktor hatte, dem in Leserbriefen häufig der Vor-wurf gemacht wurde, sich als Deutscher in österreichischeAngelegenheiten einzumischen. So war der Uraufführungeuropaweites Aufsehen sicher.1988, fünfzig Jahre nach dem »Anschluss« Österreichs andas Deutsche Reich, versammeln sich in der »WohnungProfessor Schuster, nahe Heldenplatz, dritter Stock« An-gehörige und Freunde der Familie Schuster. Der Anlass

»Das Büro des Verlages ... bestand aus vier aneinanderge-reihten Zimmern, deren jedes vom Korridor einen eigenenEingang hatte und von denen die ersten drei allen mögli-chen und wechselnden Zwecken dienten. Stabil war nurdie Bestimmung des letzten. Dort saß der Mann, dessenName sofort und unfehlbar orangegelbe Assoziationenwachrief, saß Robert Sovary in Person – in behäbiger, einwenig dicklicher, sehr sorgfältig gepflegter Person, und ineiner je nach dem Partner sich wandelnden. SchlechtwegRobert Sovary war er im Verkehr mit seinen Wiener Auto-ren, mit den Wiener Theaterleuten überhaupt. Im Augen-blick jedoch, da er zum Beispiel mit Paris telefonierte, ge-wann er genauso selbstverständlich die denkbar französi-scheste Ton- und Wesensfärbung, wie er zum Beispiel für London mit einem leicht gelangweilten »Hello, Robert Sovary speaking« einen vollkommenen Engländer hinleg-te (und wobei ihm jeweils der Glücksfall seines schmieg-samen Namens zugute kam). Ungarn präsentierte er sichzweifellos als Ungar, – doch konnte man, obgleich Unga-risch wirklich seine Muttersprache war, auch hier den Ein-druck einer Verwandlung nicht loswerden; musste sich je-doch damit abfinden, dass dieser Teil seiner Existenz voneinem Geheimnis umwölkt blieb, zu welchem Außenste-hende ... niemals Zutritt erlangten. Genug daran, dassRobert Sovary aus Budapest stammte und Jude war, unddass die im gleichen Zimmer angesiedelte Sekretärin, die»Graue Korpulenz«, sein Faktotum seit undenklichen Jah-ren, Frau Pekarek hieß und ihre pragerische Herkunft inkeiner Weise verleugnete. Budapest aber und Prag, inWien zusammengewirkt mit jüdischem Ferment–: vier Ele-mente innig gesellt, die den kompletten Begriff des Öster-reichischen ergaben. Und am Ende ließ sich daraus dieunnachahmliche Arbeitsmethode erklären, die im VerlagRobert Sovary mit so fruchtbarem Ergebnis obwaltete.«9

»Melzer strebte also aus der Strömung, wandte sich nachrechts, ging an dem schweren, barocken Portal des Liech-tenstein-Parks vorbei – der Palast dahinter hatte für ihnimmer etwas Alt-Chinesisches, noch aus der strengen Zeit– und nun wieder nach rechts, schräg über die etwas we-niger belebte Liechtensteinstraße. Da war sie bald, dieStrudlhofstiege.Er blieb unten stehen. ...Und wenn er auch nicht gerade eine Bühne des Lebenserblickte in diesen Treppenaufgängen und terrassenförmigübereinander gelagerten flach ansteigenden Rampen: dieTiefe des eigenen, wenn auch noch so bescheidentlichenund bedeutungslosen Daseins, rührte unseren Melzer hierschon irgendwie an.Er betrachtete das Werk – denn als solches erschien esimmerhin auch seinem einfachen Gemüte – zum erstenMal mit ein wenig Aufmerksamkeit und trennte sich so in-nerlich von einer endlosen Reihe der Passanten, die täg-lich unter ihre Füße treten, was sie eben darum nie gese-hen haben. Als eine Gliederung des jähen und also seinerNatur nach stumpfen und brüsken Terrain-Abfalles wuchses empor oder kam es eigentlich herab, dessen unaus-führliche und also beinahe nichtssagend-allzufertige Aus-sage nun in zahlreiche anmutige Wendungen zerlegend,an denen entlang der Blick nicht mehr kurz ab und herun-ter glitt, sondern langsam fiel wie ein schaukelndes undzögerndes Herbstblatt.«6

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dafür ist das Begräbnis von Professor Josef Schuster, dereinst von den Nazis aus Wien verjagt worden war. In denfünfziger Jahren hatte ihn der Wiener Bürgermeister ausOxford auf seinen alten Lehrstuhl zurückgeholt. Schuster– so stellt sich heraus – hat Selbstmord begangen, weil erdie Situation im gegenwärtigen Österreich, für das exem-plarisch die Hauptstadt Wien steht, als unerträglich emp-funden hat und in diesem Land, in dieser Stadt nicht mehrleben wollte.Thomas Bernhard lässt in der zweiten Szene (»im Volks-garten«) Robert, den Bruder des Verstorbenen, seine Sichtauf Wien und die Österreicher entwickeln und bietet damiteine letzte, verständlicherweise viel Widerspruch auslö-sende Facette dieser literarischen Wien-Bilder.10

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Anmerkungen/Literaturhinweise

1 Hugo von Hofmannsthal: Gedichte. Dramen I 1891–1898. Fischer,Frankfurt 1979, S. 92

2 Stefan Zweig: Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers. Fischer, Frankfurt 1981. 1970. 1944, S. 8

3 Zweig, Die Welt, S. 26f.4 Ivan Cankar: Pavliceks Krone. Literarische Skizzen aus Wien. Drava

Verlag, Klagenfurt/Celovec 1995, S. 166f.5 Heimito von Doderer: Die Strudlhofstiege oder Melzer und die Tiefe der

Jahre. dtv, München 1966, Widmung S. 7. © C. H. Beck 19516 Doderer, Strudlhofstiege, S. 329f.7 W. Grabert, A. Mulot: Geschichte der deutschen Literatur. Bayerischer

Schulbuchverlag, München 1969. 1953, S. 3638 Edwin Hartl: »Was mag sich Friedrich Torberg gedacht haben«. Nach-

wort zu Friedrich Torberg: Auch das war Wien. Ullstein, Frankfurt/Ber-lin 1987, S. 380f.

9 Torberg, Wien, S. 58f.10 Thomas Bernhard: Heldenplatz, Suhrkamp, Frankfurt 1995. 1988,

S. 110-112. Für den hier vorgesehenen Textauszug erhielten wir vomVerlag keine Abdruckgenehmigung.

Um 1850 war die Ausdehnung der inneren Stadt Wienseit sieben Jahrhunderten nahezu unverändert. Obwohlsie seit 1533 endgültig habsburgische Hauptresidenzund durch die Heiratspolitik des Herrscherhauses Metro-pole eines immer größer gewordenen Länderkomplexeswar, waren ihrem Wachstum enge Grenzen gesetzt. DasVordringen der Türken nämlich hatte Wien zum Grenzortdes Reiches und Bollwerk des christlich-abendländi-schen Europa gegen das Osmanische Reich gemacht.Seit 1529 immer wieder von Belagerungen bedroht,suchte die Stadt Sicherheit im Ausbau ihrer Befestigun-gen. Ein breiter Bauverbotsgürtel (Glacis) von einem hal-ben Kilometer Breite, Mauern mit Kasematten und engenToren, Basteien und Graben schützten innere Stadt und

kaiserliche Hofburg vor Angriffen. 1683, als Ludwig XIV.in Paris bereits die Stadtmauern schleifen und Boule-vards anlegen ließ, erlebte Wien die schwerste Türkenbe-lagerung seiner Geschichte, und noch als 1725 bis 1825die deutschen Städte in einer wahren »Entfestigungswel-le« ihre Fortifikationen sprengten, präsentierte sich diehabsburgische Haupt- und Residenzstadt mit immerneuen Verteidigungsanlagen, vor denen sich inzwischen34 Vorstädte gebildet hatten (1850 eingemeindet). Diesewurden seit 1704 durch eine zweite Militärgrenze, diesog. »Linie«, von den außerhalb liegenden autonomenVororten abgeschnitten. Sie bildete zugleich eine Zoll-und Steuergrenze für städtische Gemeindesteuern. Sowar das Wiener Besiedlungsgebiet durch zwei konzentri-

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Von Burghild Reble

M. Merian: Wien 1649. Noch um 1850 präsentiert sich die Stadt wehrhaft wie zur Zeit der zweiten großen Türkenbelagerung im 17. Jahr-hundert. Aus: Österreichischer Städteatlas. Hg.: Wiener Stadt- und Landesarchiv, Ludwig Boltzmann, Wien 1982

e u r o p ä i s c h e M e t r o p o l eII. Vom Bollwerk Europas zur europäischen Metropole:Stadterweiterung und Stadtentwicklung Wiens im 19. Jahrhundert

Wien um die Mitte des 19. Jahrhunderts: Veraltetes Modell einer Festungsstadt

sche Kreise zerschnitten: innerer Wall und äußere Linie.Beide hatten um 1850 ihre ursprüngliche Verteidigungs-funktion längst verloren:

– 170 Jahre nach der letzten großen Türkenabwehr hatteder Staat weit nach Südosten ausgegriffen. Wien warReichsmittelpunkt geworden, Verkehrsknotenpunktund Sitz expandierender Reichsbehörden. Durch einehabsburgische Stadtordnung hatte längst das Bürger-tum seine politische Bedeutung verloren und sah sich indie Vorstädte abgedrängt, die Bürgerhäuser der Innen-stadt waren barocken Adelspalais, Kirchen der Gegen-reformation und höfischen Verwaltungsgebäuden gewi-chen. Wohnraummangel und steigende Mietzinsen(1850–56 um 40 %) waren die Folge dieser frühen »City-bildung«.

– In der Barockzeit waren neue repräsentative Monu-mentalbauten an der Peripherie des Glacis entstan-den: Schönbrunn als kaiserliche Sommerresidenz (ab1696), das Sommerschloss Belvedere des Prinzen Eu-gen (ab 1700), die Karlskirche (ab 1715), adlige Som-merpalais der Schwarzenberg, Liechtenstein, Auers-perg u. a. Eine bessere Verkehrsanbindung dieser Bau-ten an die innere Stadt wurde dringlich.

– Der Absolutismus hatte mit dem Manufakturwesenauch eine starke Bevölkerungszuwanderung geför-dert. Bis 1750 war Wien größte Stadt in Mittel- undSüdeuropa geworden. Einsetzende Industrialisierungließ die Bevölkerungszahl weiter emporschnellen und

einen Kranz von Fabriken, Wohn- und Gewerbegebie-ten in den Vororten entstehen, wegen der niedrigerenLebenshaltungskosten außerhalb der Linie. Diese wur-de zu einem Verkehrshindernis zwischen Stadtgebietund schnell wachsenden autonomen Vororten. In derInnenstadt herrschten Raummangel, Verkehrs- und Versorgungsprobleme, die in anderen europäischenHauptstädten (Markthallen in Paris, London) längstgelöst werden konnten.

– Die Stadtbefestigungen boten schon gegen die napo-leonischen Truppen 1805 und 1807 keinen Schutzmehr. Zur Falle für den kaiserlichen Hof aber wurden siewährend der inneren Unruhen 1848, als der Kaiser zeit-weise nach Olmütz ausweichen musste. Nach demSieg des Militärs blieb Wien noch bis 1853 unter eineMilitärverwaltung gestellt, die jedoch die Sicherheit desneoabsolutistisch regierenden Kaisers neu überdenkenmusste.

»Es ist Mein Wille ...«

Die Wiener Stadterweiterung verläuft parallel zur Regie-rungszeit Franz Josephs I. (1848–1916). Über der gesam-ten Bau- und Kulturpolitik innerhalb der Stadt steht derEinfluss des Kaisers und seiner Berater.Nationalitätenkonflikte, Gefährdung der Großmachtstel-lung des Vielvölkerstaates kennzeichnen die ersten Regie-rungsjahre:

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Plan von Wien Ende des18. Jahrhunderts mit den aus der Barockzeit stammenden Bauten und Anlagen vor dem Glacis.

1 = Glacis2 = Palais Liechtenstein3 = Belvedere4 = Palais Schwarzenberg5 = Karlskirche6 = Prater7 = Schlosshof8 = Schönbrunn

Aus: Leonardo Benevolo: Die Geschichte der Stadt. Campus-Verlag, Frankfurt, 6. Aufl. 1991, S. 734/735

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1848–49 Regierungsantritt des 18-jährigen Kaisers, Revolutionen in Wien, Italien, Ungarn

1851–59 Die Verfassung von 1849 wird aufgehoben; Zeit deskaiserlichen Neoabsolutismus

1859/66 Verlust der italienischen Provinzen Lombardei,Venetien

1866 Niederlage gegen Preußen, Österreich muss aus dem Deutschen Bund ausscheiden und den Weg freimachen für die kleindeutsche Reichsgründung

1867 »Ausgleich« mit Ungarn: Um zum ungarischen Königgekrönt zu werden, nimmt Franz Joseph die Teil-autonomie Ungarns mit eigener Hauptstadt Budapest in Kauf

Vor dem Hintergrund dieser permanenten politischen Krise versucht der Kaiser im Wettstreit mit Paris, Londonund Berlin aufzuholen, was die von Sparsamkeit geprägtestaatliche Repräsentation unter Metternich (1810–1848)versäumt hat. In einem Willensakt befiehlt er 1857 die Auf-hebung der Stadtbefestigungen.

Allerhöchstes Handschreiben

»Es ist Mein Wille, dass die Erweiterung der innerenStadt Wien mit Rücksicht auf eine Verbindung der-selben mit den Vorstädten ehe möglichst in Angriffgenommen und hierbei auch auf die Regulierungund Verschönerung Meiner Residenz Bedacht ge-nommen werde. Zu diesem Zwecke bewillige ich dieAuflassung der Umwallung und Fortifikationen derinneren Stadt, sowie der Gräben um dieselbe.«

Die Aufgabe wird demStaatsministerium (Innen-)übertragen. Als oberste Bau-behörde ist es mehr als einhalbes Jahrhundert lang mitAbbrucharbeiten, Parzellie-rungen, Grundstücksverkäu-fen, Bauausschreibungenund Auftragsvergaben fürstaatliche Repräsentations-bauten beschäftigt. DerenKosten will man aus denGrundstücksverkäufen auf-bringen. Ein Stadterweite-rungsfonds des Ministeri-ums übernimmt die Finan-zierung. Da die Militäran-lagen Staatseigentum sind,können die staatlichen Pla-nungen nicht durch Privatin-teressen beeinflusst werden:auch eine Folge der spätenStadtentfestigung Wiens.Die Sicherheit des Hofesübernimmt jetzt ein Systemvon Kasernen und Militäran-lagen am Rande des frühe-ren Verteidigungsgürtels.Doch schon in wenigen Jah-ren ist diese Lösung nichtmehr zeitgemäß. Auf dem

Arsenal mit seinen Munitionsfabriken entsteht das erste(heeresgeschichtliche) Museum, der »Paradeplatz« wirdBauplatz für Rathaus und Parlament, die Franz-Josephs-Kaserne macht 1898 dem Ausbau des letzten Ringab-schnittes, dem Stubenring, Platz. Nur die Rossauer Kaser-ne entgeht dem Abbruch und wird noch heute als Polizei-kaserne verwendet (s. Photo S. 12).Eine Flugschrift stellt 1860 den aus 85 internationalen Vor-schlägen entwickelten »Allerhöchst genehmigten« Plander Stadterweiterung den Wienern vor.Drei konzentrisch geführte Straßen treten an die Stelle derinneren und äußeren Verteidigungsanlagen, durchschnit-ten von Radialstraßen zum Zentrum.Lange Abschnitte einer polygonalen »Ringstraße« bietenPlatz für staatliche Monumentalbauten. Die bei Richtungs-änderungen entstehenden Bruchstellen erhalten beson-dere städtebauliche Akzente (Platz, Denkmal, Grünanla-ge). Diese Prachtstraße von 57 m Breite setzt sich in ei-nem Franz-Josephs-Kai am Donaukanal fort. Sie ist demLuxusverkehr vorbehalten (Promenaden, Reit- und Fahr-wege in Doppelalleen) und für gesellschaftliche Großer-eignisse geplant. Eine parallel verlaufende Lastenstraßenimmt den Lastenverkehr auf, und an die Stelle des »Lini-enwalls« tritt eine 76 m breite Gürtelstraße. Parallel undrechtwinklig in Rasterbebauung werden die Straßen vomRingstraßenbereich weitergeführt, Vorstädte und Vorortean das Zentrum angeschlossen. Bauordnungen in kurzerFolge garantieren das repräsentative Stadtbild des neuenWien: 5-stöckige Wohnhäuser, kein einziges Stockwerkunter 3 m lichte Höhe, genehmigungspflichtige Fassaden

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Schwarzenberg-Platz: Bedeutende Bruchstelle zwischen Opern- und Kärntnerring/Schubert-undParkring. Verkehrsplatz zur Aufnahme von Radialstraßen aus dem Südosten. – Das Schwarzenberg-Denkmal (1867) war das erste, das der Kaiser außerhalb seines Hofbereiches auf einem öffentlichenPlatz aufstellen ließ.

Photo: B. Reble

mit horizontal betonten Linienführungen durch aufein-ander abgestimmte Geschosshöhen und Traufzonen,Straßenbreite in der Regel 16 m.Eine solche »Jahrhundertbaustelle« (Verkauf der letztenParzellen 1911) und die internationalen Bauausschreibun-gen ziehen Künstler aus ganz Europa nach Wien. Siebetätigen sich auch als Lehrer an den Kunsthochschulen,als Interessenvertreter im Gemeinderat und im Architek-tenverein, als Bodenspekulanten oder Bauherren. Vielewerden vom Kaiser nobilitiert (v. Förster, v. Ferstel, v. Han-sen, v. Hasenauer, v. Schmidt).Nur wenige der großen Architekten Wiens in der langenRegierungszeit Franz Josephs sind Wiener, und alle unter-werfen sich einem gemeinsamen Architekturkonzept. Miteinem Dekorationsbedürfnis, das in alle Lebensbereicheeindringt, schaffen sie in der Ringstraßenzone ein Ge-samtkunstwerk der vollkommenen Verschmelzung vonStädtebau, Architektur, Malerei, Bildhauer-, Ingenieur- undGartenkunst: das weltweit bedeutendste Ensemble desHistorismus.

»Kaiserforum« und »Via triumphalis«

Wie alle europäischen Stadtentwicklungspläne des 19.Jahrhunderts bildet die Wiener Stadterweiterung eineFortsetzung der barocken Repräsentationsidee und dieinternationale Stilepoche des Historismus greift, auf derSuche nach einem repräsentativen und zeitlos-allgemein-gültigen Stil, auf alle großen europäischen Kulturepo-chen zurück. Sie überträgt historische Stile als Symbol-träger auf die Bauwerke und unterlegt einzelnen Stilele-menten bestimmte »Bedeutungen«. Nicht reine Nachah-

mung der Historie ist dasZiel, sondern man ist be-strebt, »alle Gegenstände inHarmonie« miteinander tre-ten zu lassen (Rudolf Eitel-berger, Leiter der WienerKunstgewerbeschule). Sosind freie Auslegungen undStilmischungen erlaubt unddie Innenausstattungen derBauwerke gleichermaßenbedeutsam wie die Fassade.Fast die gesamte Künstler-schaft Wiens ist arbeitsteiligam Bau der 150 innen undaußen überaus prächtigenöffentlichen Ringstraßen-bauten beschäftigt.Eine überdimensionalePlatzanlage an der Hofburgsteigert höfisches Barockzum pompösen Neobarock:das Kaiserforum. Die Pläneder vom Kaiserhaus ver-pflichteten Architekten Gott-fried Semper und Carl v. Ha-senauer erläutert letztererfolgendermaßen: »Um derimperialen Idee Ausdruck zu

verleihen, um dem herrlichen Haupt unserer Stadt die Kro-ne aufzusetzen, haben wir den Plan eines ›Kaiserforums‹ausgearbeitet, das an Großartigkeit dem antiken Romnicht nachstehen soll. Zwischen dem Burgtor und denHofstallungen finden nun zwei Museen mit den Schätzender Natur und der Kunst Platz, die das Kaiserhaus im Lau-fe der Jahrhunderte gesammelt hat. Sie werden durch Tri-umphtore über die Ringstraße hinweg mit den neu zu er-richtenden Flügeln der Hofburg verbunden, die von bei-den Seiten den Heldenplatz einschließen müssen, dessenHintergrund ein kuppelbekrönter Thronsaal sein soll ...«(C. v. Hasenauer).Von diesem Plan wird nur die Neue Hofburg (1913) ausge-führt: als letzter unvollendeter Repräsentationsakt einermit dem Ersten Weltkrieg untergehenden Monarchie undAusdruck einer zentralistischen Staatsidee, die im Vielvöl-kerstaat schon längst zu einem Anachronismus gewordenwar.Hofmuseen, Staatsoper und Burgtheater sollen nicht nurKunst aus dem zu eng gewordenen Hofbereich auslagern,sondern auch in ihrem Baustil die Kunst widerspiegeln.Die Symbiose eines Neobarock mit dem Wiener Barockscheint geeignet, die Aura einer aristokratisch-höfischenUmgebung in der erweiterten Stadt zu schaffen. Bis in das20. Jahrhundert bleibt der Hof dem »Maria-Theresien-Stil«(Thronfolger Franz Ferdinand) treu und bevorzugt ihn beiseinen Bauaufträgen.Als Erinnerung an eine europäische Blütezeit von Kunstund Wissenschaft häufen sich Renaissanceelemente anBildungsanstalten (Universität), Kunsthochschulen undvielen Vereinshäusern, die nach einem liberaleren Vereins-gesetz (1867) entstehen. Neorenaissance erinnert aberauch an den frühkapitalistischen Geist, etwa der florentini-

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Das unvollendete Kaiserforum: Die Neue Hofburg auf dem Heldenplatz. Die Denkmäler der sieg-reichen Feldherren Prinz Eugen und Erzherzog Karl gaben dem Platz seinen Namen.

Photo: M. Jozefiak

schen Medici, so am Gebäude der Börse (Schottenring)oder am Haus der Industrie (Schwarzenbergplatz).Gotik, eher sparsam zitiert, gilt in erster Linie als Stil desmittelalterlichen europäischen Kathedralbaus. In Anleh-nung an historische Vorbilder entsteht nach einem miss-glückten Attentat auf den Kaiser (1853) die Votivkirche:kein Motiv, das nicht einer bekannten europäischen Ka-thedrale der Gotik entnommen wäre. »Der Kapellenkranzerinnert an die nordfranzösischen Kathedralen, der durch-brochene Helm an sein Vorbild in Freiburg. Das Maßwerkist eine Abwandlung von Formen, wie man sie am Straß-burger Münster findet ... und auf den Turmspitzen wird dieösterreichische Kaiserkrone schweben. Wo aber wäredafür in der Gotik ein Beispiel?« (C. v. Hasenauer)Auch als Baustil des hochmittelalterlichen städtischenBürgertums wird die Gotik zitiert – wie an vielen europäi-schen Rathäusern der Zeit auch am Neuen Rathaus inWien (s. Kapitel IV). Der Bau grenzt sich damit vom »Feu-dalstil« seiner Nachbarschaft ab (Neue Hofburg, Burgthe-ater, Universität) und weist sich gegenüber deren Barock-und Renaissanceelementen mediterranen Ursprungs als»deutsch« aus. Die Hauptstadt soll, nach dem Willen desGemeinderates, weithin als Zentrum des deutschen Be-völkerungsteils der Doppelmonarchie erkennbar sein.»In den heiteren Formen des griechischen Heidentums«(Neue Freie Presse Wien, 24. 4. 1879) erhebt sich nebendem gotisierenden Rathaus das Reichsratsgebäude(s. Kapitel IV). Nach der Funktionsteilung mit Ungarn(»Doppelmonarchie«) war ein Parlament für den ReichsteilCisleithanien notwendig geworden. Es erinnert als überdi-mensionale Akropolis an die attische »Wiege der Demo-kratie«. Der Tempelbau erhebt mit seinen wuchtigen Aus-maßen zugleich die Reichsidee des Vielvölkerstaates insSakrale – und er demonstriert das elitäre Selbstverständ-nis von »Volksvertretern«, die noch bis 1907 nach Zensus-und Kurienwahlrecht gewählt wurden.Als eine mittelalterliche Ritterburg mit Sichtziegelmauer-

werk tritt uns die Rossauer Kaserne in der Ringstraßen-zone entgegen. Ihre maurischen Elemente könnten Remi-niszenzen der Türkenkriege sein und steigern die zugleichkriegerische und exotische Wirkung dieses Militärgebäu-des.Dieser »Festzug der Baustile« (Kunsthistoriker WernerHofmann) setzt sich fort in den 650 Palais und Mietzins-häusern, den architektonischen Grünanlagen, die mitDenkmälern und Brunnen ganz auf optische Effekte hinangelegt sind. Als größte Grünanlage der Ringstraßenzo-ne bildet der Stadtpark mit »Kurpavillon« beliebte Kulisseund Kontaktzone für den Ringstraßenkorso, einer mit demNobelboulevard entstehenden Spezies des gehobenenWiener Müßigganges.

Der Repräsentationswille geht zwar vom Kaiserhof aus, istaber gleichermaßen bürgerliches Anliegen: alles gerätzum Palast. Wer diese Prachtkulisse betritt, fühlt sich in»eine Welt von lauter Nobili« versetzt (Adolf Loos, Archi-tekt und Kritiker der Ringstraße).Einerseits profitiert diese Pracht von den politischen Ent-wicklungen. Nachdem der Rivalitätskampf mit Preußenbeendet ist, die kostspieligen italienischen Provinzenwegfielen und die Befriedung der nationalistischen Un-garn den Weg zur konstitutionellen Monarchie mit Stär-kung des liberalen Bürgertums brachte, kann jetzt im Frie-den »ein Kriegsbudget verbaut« werden. Andererseitsgerät die große politische Aufgabe, die der Kaiser derRingstraße zugedacht hatte, zunehmend in Gegensatz zurpolitischen Wirklichkeit. Statt ein Denkmal des Großöster-reichertums zu werden, ist das neue Wien Hauptstadt ei-nes verkleinerten Reiches und bekommt mit Budapestund Berlin neue Konkurrenten, – auch wenn die Ring-straße selbst bauliches Vorbild wird für viele jüngere»Ring«straßen in Europa: ob in Würzburg, Köln oder auchin Budapest.

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Die Rossauer Kaserne: Überbleibsel der Militäranlagen am Randedes ehemaligen Glacis, erbaut zum Schutz einer durch innere Un-ruhen gefährdeten Monarchie.

Photo: M. Jozefiak

Wienflussbauten(1903–07) imStadtpark.Steinerne Volutenals künstlicheGrotten, barocki-sierende symme-trische Terrassen-und Treppenan-lagen und Ufer-bepflanzung imGeist des Jugend-stils bilden denBühnenhinter-grund für denStadtfluss Wienkurz vor seinerMündung in denDonaukanal.

Photo: B. Reble

Große Ereignisse der Ringstraße im 19. Jahrhundert

1865 1. Mai, der Kaiser eröffnet den fertiggestellten Straßenzug1873 Fünfte Weltausstellung und Börsenkrach1879 historischer Kostümfestumzug zur Silbernen Hochzeit

des Kaiserpaares, ausgerichtet von dem Maler Hans Markart

1883 Monumentalgebäude um den Rathausplatz fertig gestellt1890 Erste große Maifeier der Arbeiterschaft1895 Arbeiterdemonstration für das allgemeine Wahlrecht1897 Deutschnationale Krawalle gegen die Gleichstellung

der tschechischen Amtssprache mit der deutschen in Böhmen/Mähren

Ringstraßenpalais und Ringstraßengesellschaft

Während die Hocharistokratie, auch aus ökonomischenGründen, in ihren Stadtpalais bleibt und nur wenige ihrerMitglieder an der Ringstraße residieren, formiert sich diemit dem Adel konkurrierende »zweite Gesellschaft«, dasGroßbürgertum, zur Ringstraßengesellschaft: ein Konglo-merat von reichen Wirtschaftsadligen, hohen Beamtenund Militärs, namhaften Vertretern freier Berufe.Sie partizipieren in der Nähe des Hofes am öffentlichenLeben, finanzieren mit dem Kauf der teuren Grundstückedie staatliche Bautätigkeit und werden so zu den eigentli-chen Gründern des neuen Wien. Sie sind durch Vermögen und persönliche Leistung häufigmit dem Adelstitel versehen und viele ihrer Namen weisendie Ringstraße auch als ein Symbol für die gesellschaftli-che Eingliederung des Judentums aus.Die monumentalen Dimensionen der öffentlichen Bautennötigen auch den privaten Wohnungsbau, seine Bedeu-tung zu steigern. Bis zu acht Parzellen werden für riesigeAnlagen verbaut (Schwarzenbergplatz, Schottenring) undmit Innenhöfen palastartig konzipiert. Geschäftsräume

verbergen sich vornehm hinter den Arkaden von Palazzi.Hoheitsmotive der italienischen Palastarchitektur an Por-talen (Säulen, Lisenen), risalitartig betonte Gebäudemitteoder -ecken beherrschen die Bauweise. Die hierarchischgegliederten Fassaden mit Beletage (des Hausherrn),Mezzanin oder Halbparterre (Zwischengeschoss) sowieNebenstiege und Dienstbotentreppe spiegeln die vertikaldifferenzierte Wohnungsstruktur und die gesellschaftli-chen Unterschiede der Bewohner.Die Wohnbebauung der Ringstraßenzone ist der Privat-spekulation überlassen. Ein von Westeuropa ausgehenderKonjunkturaufschwung nach 1850, Gewerbefreiheit(1859), Institutionalisierung der Aktiengesellschaften undzweckmäßiger Kreditapparat begünstigen die Entfaltungder kapitalistischen Privatwirtschaft. Baugesellschaftenbeherrschen den Grundstückshandel und die riesigenBauprojekte. Das Streben nach maximalen Profiten be-ginnt bereits beim Staat, der die Grundstücke nach Meist-gebot versteigert und bis 1911 aus der Stadterweiterungtrotz hoher Kosten einen gigantischen Reingewinn erwirt-schaftet. Anhaltende Preis- und Wertsteigerungen auf

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Palais Epstein (Theophil v. Hansen, 1868–72), Nähe Hofburg/Hof-museen. Wohnpalais eines der zahlreichen jüdischen Wirt-schaftskapitäne der Ringstraßengesellschaft.Der »strenge« Historismus des Gebäudes mit seiner horizontalbetonten Linienführung ist charakteristisch für die Wohnbautenam Ring. Ähnliche Farbwerte unterstreichen die Einheitlichkeit,während Portale, Fenster- und Dachlösungen individuell gestalte-te Detailformen zulassen.

Photo: B. Reble

Die frühesten privaten Wohnbauten im Ringstraßenbereich ent-standen um den Schwarzenbergplatz, bevorzugt durch die Nähevon Oper und Stadtpark. Die Beletage des Palais Erzherzog Lud-wig Victor (erbaut 1863– 69) am Schwarzenbergplatz entfaltet hö-fische Pracht.

Quelle: Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur- und Architektenvereins 20, 1868, Tafel 16

Aus: Baltzarek, Hoffmann u. A.: Wirtschaft und Gesellschaft derWiener Stadterweiterung, Steiner-Verlag, Wiesbaden 1975, S. 264

dem Immobilienmarkt begleiten die Ringstraßenzeit. 1869können 19 % der Hausbesitzer allein von den Mietzinsein-künften leben. Im gleichen Jahr liegt die EinwohnerzahlWiens bereits um ein Drittel über der von 1858. Der Ge-meinderat stellt resigniert fest, dass sich die Wohnungs-not nicht gemindert habe – tatsächlich hat sie sich nochwesentlich verschärft.

Liberale Kommunalpolitik und städtische Infrastrukturmaßnahmen

Obwohl staatliches Eigentum am Glacis und kaiserlicherNeoabsolutismus die Kommune Wien hindern, die Stadt-erweiterung in eigener Regie zu übernehmen, ist diesegroßenteils die Leistung von Gemeinderat und Stadtver-waltung, die über 40 Jahre lang bis 1895 von einergroßbürgerlichen Mehrheit beherrscht werden.

– Die Kommune verzichtet aufgrund kaiserlicher Bauher-renmodelle, die bis zu 25 Jahren Steuerbefreiung fürNeu- und Umbauten im Stadterweiterungsgebiet ver-sprechen, auf ihre Haupteinnahme, die Hauszinssteuer.

– Sie macht in eigener Sache (Rathausstandort) Gegen-vorschläge zur staatlichen Planung. Die heutige Lagevon Rathaus und Parlament z. B. geht auf ihre Initiativezurück.

– Sie finanziert ihre infrastrukturellen Aufgaben ohnestaatliche Subventionen mit städtischen Anleihen (ge-nehmigt durch das Finanzministerium).

– Sie erlässt entgegen ihrer liberalen Überzeugung nachdem Börsenkrach 1873, der den städtischen Haushaltnahe an den Bankrott bringt, drastische Steuererhöhun-gen.

Als der Kaiser 1861 der Stadt eine begrenzte Selbstver-waltung verordnet, bildet sie sofort eine eigene Stadt-erweiterungskommission. Diese schätzt den Aufwand fürdie städtischen Aufgaben auf etwa das Doppelte ihresJahreshaushaltes – eine Summe, die allein vom Rathaus-bau weit überschritten wird.

Sorge für Passagen (Straßen, Brücken) und Verkehrssi-cherheit sind städtische Aufgaben. Mehr als 90 neueStraßen und Plätze werden in den ersten drei Jahrzehntennach Abbruch der Festungsanlagen angelegt. Die allmäh-liche Angleichung der Breite älterer Gassen in ein durch-gehendes System, vor allem in der Altstadt, überlässt dieKommune weitgehend privater Bautätigkeit, da ihr Enteig-nungsgesetze und finanzielle Mittel zu Grundstücksauf-käufen fehlen. So ist die Altstadtregulierung eine Sachedes privaten Nutzens: Bis an die Höchstgrenze werdendie Häuser auf den teuren Parzellen geführt, historischeRücksichten nimmt man kaum.

Neben der barocken Regierungscity wächst in der Innen-stadt langsam eine Wirtschaftscity mit Banken, Versiche-rungen und Wohn-/Geschäftshäusern. Bessere Raumnut-zung, neue Verkaufs- und Werbestrategien und verstärk-ter Einsatz der Baustoffe Eisen und Glas rücken dieSchaufensterflächen bis an die Baulinie und vergrößernsie durch Einbeziehung des Halbgeschosses. Einige TeileAlt-Wiens aber können bis in dieses Jahrhundert derSpitzhacke entgehen und durch Denkmalschutz (Mölker-basteiensemble) oder Bürgerinitiative (Spittelberg) end-gültig gerettet werden.Für Versorgungs- und Entsorgungsaufgaben baut dieStadt ein gigantisches, durch den Film »Der dritte Mann«(nach Graham Greene) weltberühmt gewordenes Kanali-sationsnetz und zwei Hochquellwasserleitungen, an dieder Hochstrahlbrunnen (Schwarzenbergplatz, 1873) erin-nert. Die Grünflächenplanung der Stadt verwandelt diestädtischen Friedhöfe in Erholungsflächen und legt 1874den riesigen Zentralfriedhof an, hält auch als künftiges Er-holungsgebiet seit den 70er Jahren einen Waldgürtel umdie Stadt von Bebauung frei.Der liberale Gemeinderat entlastet sich von hohen Kostenfür technische Infrastruktur und vergibt Konzessionen anKapitalgesellschaften, die die ersten städtischen Verkehrs-linien (Straßenbahnen ab 1865), Gaswerke und Stromver-sorgung einrichten – bis überhöhte Preise zur Kommunali-sierung dieser Unternehmen nach 1895 führen.

Städtebaulich und infrastrukturell hat Wien in der zweitenHälfte des 19. Jahrhunderts an die Metropolen Paris und London angeschlossen. Sein Bevölkerungswachstumaber verlangsamt sich bereits gegen 1890, das ungarischeEinzugsgebiet war nach 1867 an die zweite HauptstadtBudapest gefallen. So wird Wien noch bis zur Jahrhundert-wende nach der Bevölkerungszahl von Berlin1 überholt.

Zweite Stadterweiterung und Planung für eineViermillionenstadt

Mit der Eingemeindung der Vororte (Bezirke XI bis XIX)vollzieht Wien um 1890 seine zweite große Stadterwei-terung innerhalb eines Jahrhunderts. Dieser Schritt warvom Gemeinderat hinausgezögert worden: Er fürchtetedas unruhige Industrieproletariat der Vororte, das Ausblei-ben von städtischen Steuern und neue Kosten für die bis-her von privaten Vereinen getragene städtische Armen-pflege.Verkehrsprobleme machen jetzt das lange aufgeschobeneStadtbahnprojekt unausweichlich. Da die um 1860 ausge-bauten großen Kopfbahnhöfe an der Linie weder unterein-ander noch mit den städtischen Stichbahnen verbundensind, befürworten staatliche Stellen für den Truppentrans-port eine »Gürtelbahn« zwischen den Bahnhöfen; dieStadt wiederum braucht radiale Linien zur Aufschließungneuer äußerer Wohngebiete. Außerdem wird eine Verbin-dung zwischen den Repräsentationszonen Ringstraße –Schönbrunn benötigt, die an der Wien entlanggeführt wer-den soll. Erst als die Streckenführung der Stadtbahn end-gültig entschieden ist, kann die Kommune den StadtflussWien kanalisieren und teilweise überbauen, womit erst –wegen der Wienmündung in den Donaukanal – die Regu-

Einwohnerzahlen der Stadt Wien, 1869–1895

1869 842 951 1890 1 341 8971880 1 090 119 1895 1 487 242

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Einwohnerzahlen der Stadt Wien, 1869–1895

lierung des Kanals gegen Hochwässer und die Fertigstel-lung des Stadtparks im Bereich der Wienmündung ermög-licht werden.Wienregulierung und Stadtbahnbau, letztes gigantischesInfrastrukturprojekt des liberalen Wiener Gemeinderates,werfen neue Fragen auf: Wie kann der abseits liegende Platz um die Karlskirche alsneuer Stadtbahnanschluss auch baulich in den Ring-straßenbereich einbezogen werden? Wie ist die geplanteVerbindung Karlsplatz – Schönbrunn repräsentativ zu ge-stalten?Der Sezession wird das erste Eindringen in staatlichen Re-präsentationsbau ermöglicht; die StadtbahnhaltestellenOtto Wagners sind selbst vor Schloss Schönbrunn »hof-fähig« (Hofpavillon, 1898). Der »Wienboulevard« soll nachArchitektenplänen, voran O. Wagners, eine Prachtstraßewerden und den inzwischen als »lügenhaft« und unzeit-gemäß kritisierten Ring noch in den Schatten stellen.Erste Anfänge der heutigen Wienzeile entstehen mit ele-ganten Wohn- und Geschäftshäusern (darunter die Wien-zeilenhäuser O. Wagners) und drei Hotels für den wach-senden Fremdenverkehr. Sie stehen, zusammen mit demwährend der Wienregulierung provisorisch auf die Wienü-berbauung verlegten Naschmarkt, noch heute für man-ches »Unvollendete« der Wiener Architektur.Während der Stadtbahnbau noch in der Vorbereitungspha-se steckt, schreibt der letzte liberale Wiener Gemeinderateinen internationalen Wettbewerb aus »Zur Erlangung vonEntwürfen für einen Generalregulierungsplan von Wien«(1892/93). Nach den bisher gesammelten Erfahrungen sollgroßräumig, langfristig und interdisziplinär geplant werden.Das gesamte erweiterte Stadtgebiet ist einzubeziehen, derZeitraum eines halben Jahrhunderts (bis ca. 1950) und eineBevölkerungszahl von 4 Mio. Einwohnern zu Grunde zu le-

gen. Die Stadtverwaltung betrachtet jetzt die Stadtplanungendgültig als eigene Aufgabe und richtet ein städtischesRegulierungsbüro ein (1894). Es überarbeitet die eingegan-genen Wettbewerbsvorschläge, sorgt punktuell für einzel-ne Projekte wie die »Verbauung des Stubenviertels« unddes Stubenrings. Ein Gesamtregulierungsplan aber wirdniemals umgesetzt: Die Voraussetzungen dazu sind durchden Ersten Weltkrieg und den Zusammenbruch der Do-naumonarchie 1918 überholt worden.

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Die Eingemeindung derVororte (XI – XIX) nach1890. Erst 1904 griffdas Stadtgebiet Wiensauf das jenseitige Do-nauufer über (Gemein-de Florisdorf).

Aus: Manfred Scheuch:Historischer AtlasÖsterreich. ChristianBrandstätter, Wien1994, S. 123

Naschmarktund Wien-zeilenhausOtto Wagners.CharmantesNebeneinandereines langlebi-gen Provisori-ums und einernur in Ansätzenausgeführtenstädtebauli-chen Planung.

Photo:W.-S. Kircher

Stadterkundung (Vorschlag):

1 Heldenplatz, Neue Hofburg. 2 Ballhausplatz (ehem. k. u. k. Ministerium des

Äußeren, heute Kanzleramt). 3 Minoritenplatz – Herrengasse. 4 Freyung. Frühe Regierungscity mit Adelspalais

(Starhemberg, Harrach, Kinsky u. a.), staatlichenZentralverwaltungsbehörden (Staatsarchiv, Niederösterreichisches Landhaus, ungarische Hof-kanzlei), Kirchenbauten (Minoritenkirche, Benedik-tinerkirche Unserer lieben Frau zu den Schotten mitSchottenhof (Stift) und Bankpalais Ferstel, ehem.Österreichisch-ungarische Nationalbank (1860) mitGeschäften und Café Central.

5 Mölkerbastei: unregulierter Teil Alt-Wiens 6 Schottenring mit Börse.7 Franz-Josephs-Kai (Stadtbahn; Brückenhaus der

Donaukanalregulierung). 8 Rossauer Kaserne. 9 Berggasse mit früher Bebauung der 1. Stadt-

erweiterung und Sigmund-Freud-Haus.

10 (Maximilians-) Gymnasium, Wasagasse (Schüler u.a. Stefan Zweig).

11 Votivkirche. 12 Dr. Karl-Lueger-Ring mit Universität.13 Burgtheater. 14 Rathaus. 15 Parlament. 16 Volksgarten mit Kaiserin-Elisabeth-Denkmal,

Heldenplatz.

Alternative: Heldenplatz – Maria-Theresia-Platz (Hofmuseen) – Messegelände (alte Hofstallungen amehemaligen Glacis) – Spittelberg – Mariahilferstraße –Mühlbachviertel – linke Wienzeile (Naschmarkt; Stadt-bahn) – Oper – Kärntnerring – Schwarzenbergplatz.

Anmerkung1 Vgl. Berlin – Europäische Metropole und deutsche Hauptstadt. Heft

31/1995 der Reihe DEUTSCHLAND & EUROPA, hg. von der Landeszen-trale für politische Bildung Baden-Württemberg, Stuttgart.

Literaturhinweise

Baltzarek, Franz; Hoffmann, Alfred; Stekl, Hannes: Wirtschaft und Gesell-schaft der Wiener Stadterweiterung. Franz Steiner, Wiesbaden, 1975

Bernhard, Marianne: Die Wiener Ringstraße. Kremayer und Scheriau, Wien1992

Dressler, Peter; Madritsch, Renate: Ein Kaisergedanke. Wiener Architekturdes Historismus. Karolinger-Verlag, Wien 1987

Koller-Glück, Elisabeth; Zdrazil, Hedwig: Baudekor des Historismus inWien. Edition Tusch, Wien 1983

Mayer, Wolfgang: Die städtische Entwicklung Wiens bis 1945. Presse- undInformationsdienst der Stadt Wien, Wiener Stadt- und Landesarchiv,1979.

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Ausschnitt: Generalstadtplan der Gemeinde Wien. Atlas zumHäuserkataster von J. Lenobel, Wien 1912. Die schwarzen Felderder Parzellierungen in der Stadterweiterungszone weisen aufspätere Verkaufsphasen ab 1874 hin.

Aus: Baltzarek/Hoffmann/Stekl: Wirtschaft und Gesellschaft derWiener Stadterweiterung, Franz Steiner, Wiesbaden 1975,

Beilage.

Von Rüdiger Utikal

Unter den Frauen der österreichischen Geschichte, diedem deutschen Wien-Besucher – schon vorher und ge-wiss erst recht nach dem Besuch – bekannt, ja präsentsein müssten, stehen Maria Theresia, Herrscherin überÖsterreich, Böhmen und Ungarn von 1740 bis 1780, undElisabeth, die Frau des 1848 bis 1916 regierenden KaisersFranz Joseph, sicherlich in der ersten Reihe. Dabei dürftedas Bild von Maria Theresia einschichtiger und undeutli-cher, die Vorstellung von Elisabeth vom Sissi-Mythosüberlagert und von Medienklischees geprägt sein.Maria Theresia wird vor allem in zwei Aspekten wahrge-nommen. Zunächst: »Die große Kaiserin ist als mütterlicheFrau in unserer historischen Erinnerung verankert geblie-ben; eine ältere, etwas voluminöse Dame, von einer wim-melnden Kinderschar umgeben.«1 Das Private der Muttererweitert sich häufig zum Bild der mütterlichen Majestät,die ihre Völker mit liebreicher Fürsorge umgibt. Dieseemotionale Behaglichkeit, die allerdings auch Erziehungund wohlverstandene Strenge einschließt, wird in derKontrastierung zu ihrem Gegenspieler Friedrich II. vonPreußen, dem Rationalität und nüchterner Machtwille zu-geordnet werden, verstärkt. Diese preußisch-österreichi-sche Rivalität des 18. Jahrhunderts ist der zweite Aspekt,der im Zusammenhang mit Maria Theresia gesehen wird,wobei die Rolle Maria Theresias als Frau und Mutter eherals Grundlage oder Ergänzung zu ihren Aufgaben als Poli-tikerin erscheint, weniger als Hindernis, und dementspre-

chend – gerade auch in einschlägigen Wien-Führern –gern mit bewunderndem Unterton kommentiert wird.Bei Elisabeth kommt den Meisten – übrigens besondersden mediengewohnten Schülerinnen und Schülern – zu-erst das Bild der jungen Romy Schneider als Elisabeth-Darstellerin in den drei Sissi-Filmen der Jahre 1955 bis1957 in den Sinn, die sehr oft im Fernsehen gesendet wer-den. Im Mittelpunkt steht die Liebes- und kompliziertefrühe Ehegeschichte des kaiserlichen Paares, die zwarnicht unbedingt falsch, aber melodramatisch überzuckertund in stark harmonisierender Tendenz gezeigt wird. Inneuester Zeit bemüht sich das erfolgreiche »Elisabeth«-Musical, vor wenigen Jahren in Wien uraufgeführt, umwahrhaftigere Akzente und fasst die gesamte Lebensge-schichte der Kaiserin ins Auge. Das Geheimnisvoll-Tragi-sche, das dezidiert Individualistische, auch Schönheits-kult und menschliche Kälte sowie die Rudolf-Geschichte(1889) und Elisabeths Ermordung in Genf (1898) werdenthematisiert, wodurch ein vielschichtigeres Elisabeth-Bildentstehen kann, das gleichwohl in der Künstlichkeit desMediums Musical erstarrt und triviale Züge tragen muss.Aus diesen Einzelzügen setzt sich das Bild zusammen,das die Öffentlichkeit von Elisabeth hat.Dass sich die Tourismus-Branche besonders Elisabeths,aber auch Maria Theresias in vielfältiger, augenscheinli-cher und vereinfachender Weise bemächtigt hat, verstehtsich bei dieser Sachlage fast von selbst. Der oben ge-nannte Wien-Besucher wird auf Schritt und Tritt mit denretuschierten Bildern der beiden Frauen konfrontiert.

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Denkmal Maria Theresias aufdem Maria-Theresien-Platz

Photo: W.-S. Kircher

G e s c h i c h t e i n D e n k m ä l e r nIII. Blicke auf Maria Theresia und Elisabeth: Geschichte in Denkmälern

Die historische Realität ist vielschichtiger. Dass die Be-schäftigung mit den beiden Frauen überdies in mancherleiHinsicht europäische Dimensionen aufweist, kann auchein intensiver Blick auf die Denkmäler verdeutlichen, diesich – wenige Gehminuten voneinander entfernt – unweitder Hofburg befinden.Mitten auf dem Maria-Theresien-Platz, zwischen demKunst- und dem Naturhistorischen Museum eindrucksvollplatziert, erhebt sich 19,4 m hoch und 44 t schwer über ei-ner verbauten Fläche von 632 m2 das Denkmal MariaTheresias. Das Modell zu diesem Denkmal lag im Jahre 1874 vor, dieArbeiten zur Fertigstellung dauerten bis 1887, im folgen-den Jahr fand die feierliche Enthüllung statt. Kaspar Zum-busch (1830–1915) hatte die Bronze-Statuen gestaltet,den Unterbau Karl von Hasenauer (1833–1894). Die Finan-zierung erfolgte nicht aus der Privatkasse des amtieren-den Kaisers, vielmehr übernahm der bürgerlich geprägteStadterweiterungsfonds die Kosten. Das Denkmal von Al-fred Arneth (1819–1897) lässt die in jener Zeit europaweitzu beobachtende Verzahnung bürgerlicher und dynasti-scher Interessen erkennen. Es wird klar, »dass dieses Mo-nument durchaus nicht nur ein Denkmal für die Kaiserinsein soll, sondern in gleich hohem Grade für ihre Generäle(die Reiterstandbilder von Daun, Laudon, Traun, Kheven-hüller), ihre Staatsmänner und Räte (Kaunitz vorn, Liech-tenstein hinten, Haugwitz rechts, van Swieten links), fürdie Kunst und Wissenschaft ihrer Zeit. Kurzum: für dieStützen ihres Thrones, die hier nicht als Nebenfiguren, alsBeiwerk, sondern als die Säulen ihrer Herrschaft auftre-ten.«2 Historische Figuren werden gewählt, den Tugendender Weisheit, Beharrlichkeit, Gerechtigkeit und Milde wer-den nurmehr kleine allegorische Figuren gewidmet, die zuFüßen des Thrones mit der sitzenden Kaiserin zu findensind. Die Gestalt der Kaiserin ist zwar von einer prächtigenStaatsrobe umhüllt, eine Krone fehlt allerdings – aus Grün-

den, die die Problematik des Vielvölkerstaats Österreich-Ungarn überdeutlich vermitteln. Welche Krone sollte manwählen? Die ungarische oder die böhmische Krone hättenals Signal der Huldigung einer Nationalität aufgefasst wer-den können, eine »deutsche« hatte sie in diesem Sinne niegetragen. Schließlich war nur ihr Mann Franz Stephan(1709–1765) seit 1745 römisch-deutscher Kaiser gewe-sen. Die Kompromisslösung war und ist ein Diadem. »Somussten denn Juwelen herhalten als Symbol der Einheiteines Reiches, von dem in zunehmendem Maße manstritt, in welchem Verhältnis es ungarisch, slawisch oderdeutsch sein sollte. ... Es war die Haltung einer Zeit, in derdas österreichische Bürgertum versuchen musste, seinenach Deutschland orientierte nationale Vergangenheit zuverabschieden und zu einer Zukunft bereit zu werden, diedie Gleichberechtigung der Nationen anerkannte; ein Ver-such, der freilich mit der Zeit misslingen sollte.«3

Der 13. Mai 1888 – der 171. Geburtstag Maria Theresiasund Tag der festlichen Enthüllung – war ein strahlend schö-ner Frühlingstag. Am Festakt nahmen natürlich auch FranzJoseph, damals 58 Jahre alt, sowie die 50jährige Elisabethund der 29jährige Kronprinz Rudolf teil. Rudolf hat noch einknappes Lebensjahr vor sich, Elisabeth ein Jahrzehnt,Franz Joseph wird 1916 in seiner von Nationalitätenproble-men geschüttelten Monarchie mitten im Ersten Weltkriegsterben. So lässt sich mit dem Maria-Theresien-Denkmalsowohl ins 18. Jahrhundert zurückblicken wie ins 20. Jahr-hundert vorausschauen. Die Perspektivik der Problemekann hier sehr deutlich wahrgenommen werden. Geht man nun vom Maria-Theresia-Denkmal in RichtungHofburg über die Ringstraße durch das Äußere Burgtorauf den Heldenplatz, wendet sich dort zum Volksgartenund durchquert ihn mit Blick auf das Burgtheater, findetman das Denkmal der Kaiserin Elisabeth, zehn Gehmi-nuten von ihrer Vorgängerin entfernt, in einer Ecke derParkanlage.

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Elisabeth-Denkmal imVolksgarten

Photo: W.-S. Kircher

Man sieht eine Sitzfigur aus Laaser Marmor vor sich, diezum Heldenplatz schaut und schmerzlich zu lächelnscheint. Die typische Elisabeth-Frisur und die schöne, ge-rade Haltung fallen auf. Elisabeth sitzt im Mittelpunkt einerhalbrunden Anlage, in der die Helligkeit des Marmors unddas Grünbraun des Parks dominieren. Die Inschriften lau-ten »ELISABETH KAISERIN VON ÖSTERREICH« und »IH-RER UNVERGESSLICHEN KAISERIN ELISABETH ER-RICHTETEN DIESES DENKMAL IN UNWANDELBARERLIEBE UND TREUE ÖSTERREICHS VÖLKER MCMVII«.Das Denkmal wurde auf Betreiben eines Komitees ausAdligen und Fabrikanten, die Franz Joseph für das Projektgewinnen konnte, nach den Plänen von Hans Bitterlich(1860–1949) errichtet. Doch selbst hier werden neue Ent-wicklungen – nicht untypisch auch in europäischer Sicht– deutlich: »Nicht mehr der Kaiser setzt das Standbild. DieKräfte einer neuen Epoche sind es, Gewerbetreibende, einKonditor Gforner im Verein mit dem Hofjuwelier Mayer, diefür das Denkmal werben, wenn man sich auch Patroneaus dem Erzhaus sichert und etwa für die Leitung deskünstlerischen Ausschusses aus dem Adel Pallavicini undLankoronski gewinnt. Ja, bei der Platzwahl kommt es ge-radezu zum Affront zwischen diesen Exponenten, da May-er, unter Umgehung des Willens der aristokratischen Ko-miteemitglieder, in einer Audienz bei Hof den Stadtparkdurchzusetzen sucht, während Lankoronski zugunstendes Denkmals den Theseustempel, Pallavicini den Hoch-strahlbrunnen abtragen will ... Franz Joseph selbst ent-scheidet sich in Ischl schließlich für den Volksgarten...«4.Der Kaiser war natürlich auch anwesend, als das Denkmalam 4. Juni 1907 enthüllt wurde. Beim Festakt erregte esAufsehen, als griechisch gekleidete Mädchen Rosenstreuten. Heute liegt das Elisabeth-Denkmal eher unbe-achtet abseits zwischen den Attraktionen der Ring-straßen-Architektur.Die Gestaltung, die Lage und die Entstehungsgeschichteder beiden Denkmäler führen die Rolle, die die beidenFrauen für die österreichische, ja für die europäische Ge-schichte gespielt haben, symbolhaft vor Augen. MariaTheresia ist die Herrscherin, deren Erfolgsbilanz allerRückschläge zum Trotz positiv ausfällt: »Maria Theresiahat die vielgestaltige Habsburgermonarchie gegen eineÜbermacht von Feinden verteidigt und sie durch eine Rei-he von zielstrebigen Reformen in den Kernländern zu ei-nem festgefügten Staat gemacht.«5 Sie setzt sich alsNachfolgerin ihres Vaters Karls VI. durch und wird 1741zur Königin von Ungarn, 1743 zur Königin von Böhmengekrönt, erwirbt 1772 in der Ersten Polnischen Teilung Ga-lizien und Lodomerien für Österreich, 1775 die Bukowina,1779 das Innviertel und versucht dadurch den VerlustSchlesiens zu kompensieren. In der Umkehrung der Alli-anzen (1756) verbündet sich Österreich dauerhaft mitFrankreich, was sich 1770 in der Verheiratung ihrer Toch-ter Maria Antonia mit dem französischen Thronfolger nie-derschlägt. Die Kaunitzsche Staatsreform (ab 1760),Rechtsreformen (1769), eine neue Schulordnung (1774)und die Abschaffung der Folter (1776) zeigen ihren aktivenGestaltungswillen als Politikerin auch im Inneren. Sie weißsich durchzusetzen und sieht sich und ihre Kinder – undda hat ihre Rolle als Mutter eben auch eine politische Di-mension – als Repräsentanten des Hauses Österreich undder gesamten Donaumonarchie. Doch die Risse werden

sichtbar: »Noch galt in Europa mit dem monarchischenPrinzip die Praxis des Gleichgewichts der Mächte, im rö-misch-deutschen Reich die Idee des Universalismus undin Österreich die Realität der Übernationalität. Doch jenewurde angezweifelt, und diese begann abzubröckeln.Während die ungarische Adelsnation eher nach rückwärtsblickte, begann sich in Italien, in den Niederlanden und inBöhmen der neue Nationalismus anzukündigen. Er poch-te nicht nur auf historische, kulturelle und ethnische Ei-genständigkeit, sondern verlangte zunehmend gesell-schaftliche und politische Emanzipation.«6

Wie schwer dieses Erbe wog, wurde insbesondere in derRegierungszeit Kaiser Franz Josephs, des Ehemanns vonElisabeth, deutlich, der 1848 im Rahmen der Revolutionauf den Thron kam. Noch immer gilt das dynastische Prin-zip, das den Staat zusammenhalten soll. Hier wird die Rol-le der schönen Elisabeth – seit 1854 Franz Josephs Frau –deutlich: Sie soll – national und international – zur Sympa-thieträgerin aufgebaut werden, soll mit ihrem Charme undihrer bezaubernden Erscheinung Zuneigung für das nichtübermäßig beliebte Königshaus sichern. Ihre Verweige-rung, ihr Rückzug ins Private, der antihöfische Impuls ihrerzwanghaften Reisetätigkeit und ihres wienfernen Lebens –seit etwa 1870 für alle erkennbar – lassen dieses Vorhabenauf die Dauer scheitern. Eigentlich macht Elisabeth nurzweimal mit politischen Implikationen ihren Einfluss aufFranz Joseph geltend. Einmal, als es darum geht, denSohn Rudolf den rigiden Zuchtmeistern zu entreißen,dann – 1866/67 – in der ungarischen Frage, die ihr, eheraus irrationalen Gründen, zur Herzensangelegenheit ge-worden war. Die Königskrönung am 8. Juni 1867 bestätigtden österreichisch-ungarischen Ausgleich, der UngarnSonderrechte (eigener Reichstag, gesonderte Ministerien)innerhalb einer Doppelmonarchie zugesteht. Diese Wie-deraufwertung Ungarns hat Elisabeth entscheidend be-einflusst, was sie in Budapest auch deutlich zeigt: »Beiden großen Gala-Empfängen trug Kaiser Franz Josepheine ungarische Uniform, Kaiserin Elisabeth ein in Ungarngeschneidertes Festkleid. Sie war der strahlende Mittel-punkt des opulenten Schauspiels und wurde als großeGlücksbringerin gefeiert, was ihr sichtlich schmeichelte.«7

Nach ihren frühen Jahren in Wien, in denen man die jungeKaiserin noch dazu zwingen konnte, war dies wohl daseinzige Mal, bei dem sie sich aus vollem Herzen bei einemhöfischen Zeremoniell präsentierte. Ihre Schönheit kanndie 29-jährige dabei voll ausspielen. Elisabeths BiographJohannes Thiele bezeichnet Schönheit als »Leitmotiv ihresLebens«8, als »eine verquere Art der Kommunikation, alsein Ausdrucksmittel ... , aber auch als ein Indiz für ihr Be-dürfnis nach Unerreichbarkeit, nach Distanzierung, als einMacht- und Druckmittel ihrem Mann, aber auch der Öf-fentlichkeit gegenüber«9. Ihr Altern ist deshalb sicher nichtzufällig ein Weg in die Einsamkeit, ihre Ermordung in Genf1898 setzt einen letzten dramatischen Akzent, der die My-thenbildung fördert.Die Denkmäler verraten in Lage und Ausgestaltung vielim Hinblick auf Bewertung und Rolle der beiden Frauenund machen dies auch heute noch, wenn man so will un-freiwillig, augenfällig. Die Selbst-Herrscherin Maria The-resia umgibt der imperiale Glanz der großen Platzanlage,die Monumentalität neobarocker Pracht. Elisabeth,schließlich »nur« die Frau eines Kaisers, hat den stillen

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Platz beiseite, der ihre Schönheit in jugendstilhafter Weisewiderspiegelt. Die spezifischen Probleme des Vielvölker-staats Österreich-Ungarn lassen sich an den Denkmälerndurchaus zeigen, Probleme, die weit in den europäischenRaum hineinwirkten und ihrerseits Spiegelbilder des Zu-stands Europas zwischen 1740 und 1918 sind.

Der Mythos um Maria Theresia und Elisabeth wirkt in ganzEuropa, nicht zuletzt deshalb, weil die Habsburger auchdynastisch mit vielen europäischen Herrscherhäusern ver-bunden waren. Die Faszination um diese Mythenbildungist ungebrochen.

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Anmerkungen

1 Hellmut Andics: Die Frauen der Habsburger. München 1985, 4. Aufl.1996, S. 198

2 Gerhardt Kapner: Die Denkmäler der Wiener Ringstraße. Wien/München1969, S. 40

3 Kapner, Denkmäler, S. 434 Kapner, Denkmäler, S. 625 Friedrich Weissensteiner: »Habsburgs große Regentin«. In: Große Herr-

scher des Hauses Habsburg. 700 Jahre europäische Geschichte. Mün-chen 1995, S. 266

6 Franz Herre: Maria Theresia. Die große Habsburgerin. Köln/München1994, S. 349

7 Martin Schäfer: Sissi. Glanz und Tragik einer Kaiserin. Eine Bildbiogra-phie. München 1991, S. 135f.

8 Johannes Thiele: Elisabeth. Das Buch ihres Lebens. München/Leipzig1996, S. 408

9 Thiele: Elisabeth, S. 424

Weitere Literaturhinweise

Brigitte Hamann: Elisabeth. Kaiserin wider Willen. Knauer-Verlag, München1982

Martha Schad: Elisabeth von Österreich. dtv-Verlag, München 1998

Aus: Franz Herre: Maria Theresia. Die große Habsburgerin. Heyne Verlag, München 1994, S. 200f. © Kiepenheuer & Witsch

Aus: Martin Schäfer: Sissi. Glanz und Tragik einer Kaiserin. Eine Bildbiographie. © Heyne Verlag, München 1998, S. 171

»Sissi stemmte sich mit Vehemenz gegen alle Tendenzen,die auch in dem neuen liberaleren Zeitalter die Frau nochimmer zum Lustobjekt und zur Gebärmaschine erniedrig-ten. Elisabeth wurde zu einer Art Vorkämpferin der Eman-zipation, freilich nur insoweit, als sie sich selbst von derpatriarchalischen Gesellschaft bedroht sah. Sie wolltekein ›niedliches Dummerl‹ sein, klein gehalten und ent-mündigt von der Unterdrückungsmaschinerie der herr-schenden Männerwelt.

Sissi begehrte auf, wollte sich abheben vom gängigenFrauenbild, das sie in der Person der BurgschauspielerinKatharina Schratt, der späten Geliebten ihres Mannes, sobeispielhaft repräsentiert sah. Schön, aber blöd. ›Aber sowollte die Gesellschaft von damals das junge Mädchen,töricht und unbelehrt, wohlerzogen und ahnungslos, neu-gierig und schamhaft, unsicher und unpraktisch, unddurch diese lebensfremde Erziehung von vornherein be-stimmt, in der Ehe dann willenlos vom Manne geformt undgeführt zu werden.‹ So beschrieb Stefan Zweig sehr zu-treffend die Rolle der Frau in der Wiener Gesellschaft desausgehenden 19. Jahrhunderts.«

»Das »Wachset und mehret euch« war für Maria TheresiaHauptsinn und Hauptzweck der Ehe, die sich zur Familiezu erweitern hatte. Die Kinder im Allgemeinen sollten, inGottesfurcht wie Elternfurcht, zu verwendbaren Gliedernder feudalen Gesellschaft und brauchbaren Untertanendes monarchischen Staates herangezogen – und ihre Kin-der im Besonderen für den Herrscherberuf herangebildetwerden. ...Sie gebar von 1737 bis 1756, zwischen zwanzig undneununddreißig, sechzehn Kinder. Das war im HauseHabsburg seit Maximilian II. und seiner Gattin Maria, einerInfantin von Spanien, nicht mehr vorgekommen. LeopoldI. hatte zwar auch sechzehn Kinder, aber von drei Frauen.Die Mutter des Hauses Habsburg-Lothringen war stolzauf diese Leistung, nicht ohne auf die Mühsal zu verwei-sen, die für die Frau damit verbunden war. Im Jahre 1748bekannte die vor ihrer zehnten Entbindung stehende Ein-undreißigjährige: »Ich fürchte, ich werde noch mehr be-kommen, und wenn der liebe Gott mir die Kinder, welcheich habe, erhalten möchte, wäre ich recht zufrieden, mitzehn Schluss zu machen; denn ich fühle, dass es michschwächt und recht altern lässt und für alle Kopfarbeitwenig fähig macht.«

Von Burghild Reble

»Saxa loquuntur« – »Steine sprechen« 2

Die Ringstraßenfront des Rathauses mit 98 m hohem Mittelturm, Nebentürm-chen, Maßwerkfenstern, reichem Figuren-schmuck und Erdgeschossarkaden mutetwie ein Bauwerk aus fernen Zeiten an undlässt sich an seiner emporstrebenden Lini-enführung leicht als »gotisch« erkennen.Eine 15 Stufen hohe Terrasse unterstütztden ›aufstrebenden‹ Eindruck, Arkaden imErdgeschoss mit schweren schmiedeei-sernen Kandelabern erinnern an die Lau-bengänge mittelalterlicher Rathäuser. Da-rüber wachen Ritterfiguren in Harnischund Schild als wehrhafte Vertreter der alt-österreichischen Länder und Allegoriender bedeutenden Städte als leibhaftig ge-wordene bürgerliche Tugenden. NebenTreue, Gerechtigkeit, Kunstsinn behaup-ten sich populäre Angehörige des HausesHabsburg, denen bürgerliche Loyalität hierein Denkmal gesetzt hat. Hoch auf demRathausturm der »Roland« mittelalter-licher Marktplätze als eiserner Standar-tenträger, dessen hochaufgerichtetesSchwert noch die Türme von Stephans-dom und Votivkirche überragt.Die ganze Anlage zeugt von lebendig ge-wordener bürgerlicher Vergangenheit unddem Selbstbewusstsein des Wiener Bür-gertums der Ringstraßenzeit. Sieben In-nenhöfe, der Haupthof mit den Ausmaßeneines Platzes (85 x 35 m), wirken wie eineüberdimensionale mittelalterliche Kreuz-gangsanlage, der Erkervorsprung im Wes-ten erinnert an die Brunnenhäuser sol-cher Klosterumgänge. Die Eingangshalle

Wiener Rathaus

Daten1872 Baubeginn1873 Grundsteinlegung durch den Kaiser1885 Einzug der Kommunalpolitiker1888 Dekoration der Festräume abgeschlossen

Gesamtkosten: 13 655 065 Gulden. Das Rathaus wardas teuerste Bauwerk am Ring – nach der NeuenHofburg.

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Hauptfassade des Neuen Rathauses,gezeichnet von Victor Luntz, Mitarbeiter

des Architekten F. Schmidt Wiener Stadt- und Landesarchiv.

Aus: Wiener Rathausbuch. Verlag Jugend und Volk, Wien 1983.

© Historisches Museum der Stadt Wien

Wa s S t e i n e s p r e c h e n . . .IV. Wiener Rathaus und Parlament vor dem Ersten Weltkrieg.»Die heterogene Gemeinschaft am Paradeplatz« 1

Wiener Rathaus

(»Volkshalle«) an der Ringstraßenfront bildet ein riesigesVestibül mit Kreuzrippengewölbe und Pfeilergliederungenin gotischen Konstruktionsformen. Festräume mit Kasset-tendecken und Wandvertäfelungen, ein übergroßer Rats-keller mit Tonnengewölbe und erst recht der riesige Fest-saal, der größte der Doppelmonarchie (71 x 20 m, 17 mHöhe), legen Zeugnis ab von dem Repräsentationswillendes Wiener Bürgertums, das sich mit dem neogotischenPrachtbau bewusst in Gegensatz zur feudal-höfischenRingstraßenarchitektur setzt. Dekoration und Ausstattungzeigen die Wertschätzung der Kunst des bürgerlichenHandwerks. Naturstein in subtilsten Grautönen, gedämpf-te Farbwirkung der Wand- und Deckenmalereien, durchBleiglasfenster gebrochenes Licht bilden eine Mischungvon noblem Understatement und »finsterem« Mittelalter.Ganz neuzeitlich aber sind die gigantischen Ausmaße desgesamten Komplexes (152 x 127 m), die geschickte Tren-nung von Repräsentations- und Administrationsbereichund die zweckorientierte Raumnutzung mit nüchternenVerwaltungstrakten. Solche »rechenhaften« praktischenVorzüge überzeugten auch den liberalen Flügel des Ge-meinderates, der sich mehr dem Fortschrittsgedanken alsdem Mittelalter verbunden fühlte, von den Bauplänen des»Dombaumeisters« F. v. Schmidt.

Rathauserbauer Friedrich von Schmidt (1825–1891)– ein Architekt des Historismus

geb. In Frickenhofen/Württemberg, Steinmetzlehre, Studien ander Esslinger Frauenkirche und Arbeiten am Kölner Dom (Dom-bauhütte), Wien: Lehrstuhl an der Akademie der Bildenden Kün-ste und Dombaumeister an St. Stephan, Mitglied im Architekten-verein und im Gemeinderat, Einfluss im Ringstraßenbereich: Aka-demisches Gymnasium. Für seine Verdienste vom Kaiser geadelt.

Wien als Residenzstadt – der Kaiser will sein Rathaus in Ordnung halten

1861 gewährt Franz Joseph nach außenpolitischen Tief-schlägen den Städten seines Reiches Selbstverwaltung.Er gibt den Einfluss auf die Angelegenheiten seiner Resi-denzstadt aber nicht ganz aus der Hand: Er behält sich dieBestätigung des vom Gemeinderat gewählten Bürgermei-sters vor, kann den Gemeinderat auflösen und Neuwahlenverfügen sowie unterdessen die Amtsgeschäfte des Bür-germeisters durch einen Regierungskommissar wahrneh-men lassen. Gemeinsamer Repräsentationswille undstriktes Festhalten am Eigentumsrecht verbinden Hof undGemeinderat, bis nach einer Wahlreform im Reich 1882der Zensus auch bei Gemeindewahlen gesenkt wird undKleingewerbetreibende der Vorstädte in das Rathaus ein-ziehen. Zu ihrem Wortführer wird Dr. Karl Lueger(1844–1910), der seit 1875 dem Gemeinderat, später auchdem Reichsrat angehört. Er verkörpert den neuen Typusdes Volkstribunen und erobert sich seinen Anhang in denVorstadtwirtshäusern. Deutschnationales und antikapita-listisches Gedankengut mischt er demagogisch mit po-pulärem Antisemitismus und »Börsenjuden«, »Judenlibe-rale« sowie »Judäomagyaren« (Ungarn) sind seine bevor-zugten Feindbilder. Ende der 80er Jahre wird er Führer derChristsozialen, die zunächst die Herrschaft im Wiener Rat-haus anstreben, sich 1893 als Christlich-Soziale Partei

auch auf Reichsebene organisieren. Von der Sozialdemo-kratischen Partei trennt Lueger die Ablehnung des allge-meinen Wahlrechts zu Gunsten seiner kleinbürgerlichenKlientel. Beim Kaiserhaus und in höfischen Kreisen gilt erals Unruhestifter, wenn nicht sogar als Umstürzler:

– Die deutschnationalen Parolen treffen den Adel alsübernationale Schicht und verstoßen gegen den imVielvölkerstaat empfindlichen Grundsatz der Rechts-gleichheit.

– Das christsoziale Programm gegen Monopolisierung inder Wirtschaft greift das Eigentumsrecht an.

– Der grobe Antisemitismus veranlasst den hohen Kleruszu einer Anklage gegen die »christliche« Partei beim Vatikan.

– Alles zusammen beunruhigt den Kaiser, der zudem umdie ungarischen Ausgleichsverhandlungen fürchtet,wenn ein »Ungarnfresser« des Reichsrats auch nochBürgermeister in seiner Haupt- und Residenzstadt wür-de.

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»Dr. Lueger vor der Thronbesteigung« ist diese zeitgenössischeKarikatur betitelt. Sie trägt die Unterschrift: »Dankbar falt’ ichmeine Hände – das ›Dermalium‹ ist zu Ende.«

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Als 1895 die Christsozialen die 40-jährige liberale Herr-schaft im Rathaus ablösen und Lueger zum Bürgermeisterwählen, verweigert Franz-Joseph seine Zustimmung undlöst den Gemeinderat auf. Vier Mal wird »der schöne Karl«mit großer Mehrheit wieder gewählt – vier Mal hält der Kai-ser den Gewählten vom Amt fern. Alle kaiserlichen Mittel,selbst eine Audienz für den Ungeliebten in der Hofburg mitdem Versprechen, er könne erst »dermalen« Bürgermei-ster werden, fruchten nichts – 1897 schließlich bestätigtihn der Kaiser. Der kaiserliche Ministerpräsident Badenihat Lueger den Weg ins Amt geebnet: Er möchte für denerneuten Versuch einer Wahlreform im Reich und Spra-chenregelung in Böhmen den Rücken frei von »Rathaus-geschichten« haben.

Das Rathaus: Eine Kathedrale für den Bürgermeister?

Seit 1897 ist Lueger »Bürgerkaiser«, »Herrgott von Wien«,seine Partei in der Stadt allmächtig.Um die Wähler zufrieden zu stellen und gegen Preistreibe-rei vorzugehen, kündigt er Verträge der Stadt mit Privatun-ternehmen und nimmt die städti-schen Versorgungseinrichtungenin kommunale Regie. Die Riesen-investitionen ermöglicht er durchin- und ausländische Kredite, diez.T. noch in der späteren Repub-lik abbezahlt werden müssen.Gas-, Wasser- und Elektrizitäts-werke werden in kommunales Ei-gentum überführt. Auch dasStraßenbahnnetz übernimmt dieStadt und baut es bis 1902 aufrund 190 km aus. Dienstleis-tungsunternehmen (Armenfürsor-ge, Leichenbestattung, Arbeits-vermittlung) werden 1898/ 99städtisch, und als 1908 die Milch-preise steigen, droht der Bürger-meister, auch noch die Milchliefe-rung zur Sache der Stadt zu ma-chen.Viele Pläne für städtische Infra-strukturmaßnahmen übernimmter aus der Ära des liberalen Ge-meinderates, treibt sie voran undsorgt für ihre Verwirklichung. Zuseinen Erfolgsrezepten gehörtauch eine besondere Fürsorge fürseine Klientel, was in der sichausweitenden Stadtverwaltungzu Ämter- und Auftragsvergabenach Parteibuch führt. Der Wie-ner Romancier Felix Salten ver-leiht ihm eine sakrale Aura:»Wien. Und in dieser Stadt eineinziges Haupt: Lueger, der Bür-germeister. Er nahm die Straßen-bahnen, die Gaswerke, das elek-

trische Licht, die Leichenbestattung, das Wasser und Feu-er; Leben und Tod gehört der Stadt. Am Ziele angelangt,nahm er die schwarzgelbe Gesinnung in städtische Ob-hut, nahm die Kaisertreue in städtische Verwaltung, nahmdie Volkshymne in städtische Regie.«Luegers wirksame Propagandawaffen haben noch denjungen Hitler in dessen Wiener ›Lehrjahren‹ beeindruckt.Aber auch die sozialdemokratische »Arbeiterzeitung«räumte nach seinem Tod ein, er sei »der erste bürgerlichePolitiker, der mit den Massen rechnete, die Massen be-wegte ...« (11. 3. 1910)

Anmerkungen

1 Marianne Bernhard, Die Wiener Ringstraße, S. 2262 Motto des Rathausentwurfs von F. v. Schmidt

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Die Christlichsozialen warnen vor der angeblich drohenden jüdi-schen Herrschaft in Wien: Ein Ostjude stürzt den Rathausmannvon der Turmspitze des Rathauses. Zeitgenössische Karikaturaus der Zeitschrift »Kikeriki«.

Aus: Brigitte Hamann: Hitlers Wien. Piper-Verlag, München 1996, S. 492

»Saxa loquuntur« – »Steine sprechen«

Ein griechischer Tempel mit dem gewaltigen Grundrissvon 137 x 145 m und 11 m hohen korinthischen Säulenüber einer breiten Auffahrtsrampe gelagert – so erscheintdas frühere Reichsratsgebäude der Doppelmonarchie.Vor der Rampe der Athena-Brunnen; auf reich ge-schmücktem Sockel posiert die Göttin der Weisheit mitgoldschimmerndem Helm und Speer. In der rechten Handeine geflügelte Siegesgöttin, zu Füßen die Eulen der Weis-heit.In ihrem Schutz lagern die vier großen Flüsse des Reiches:Donau, Elbe, Moldau und Inn. Hoch auf dem Portikus über

dem Giebelfeld versammelt Kaiser Franz Joseph die 17Kronländer um sich zu Gesetzgebung und Beratung: einlandesväterlicher Monarch über den Nationalinteressen.Von den Kupferplatten des Daches schimmern marmornantike Heroen und Göttergestalten; aus Tiroler Marmor,der dem patriotischen Eifer mehr zusagte als der aus Car-rara. Von der Spitze des Giebels scheinen Quadrigen ge-radewegs in den Himmel zu stürmen – sie streben ausein-ander, meinten die Wiener bedeutungsvoll, jede in eineandere Richtung.Durch den Portikus tritt man in den eigentlichen Pracht-raum, eine riesige Säulenhalle, die Tageslicht durch einverglastes Dach empfängt. Mit 24 Säulen und 40 m Längesollte er nach der Vorstellung des Architekten die »Walhal-la« des Reiches darstellen und beide Flügel des Gebäu-des, Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, gleichermaßentrennen und verbinden. Die zweite Kammer war ein Zuge-ständnis des Kaisers, als nach dem Ausgleich mit Ungarndie westliche Reichshälfte ein eigenes Parlament brauch-te, und er selbst hat die ungeliebte Einrichtung nur einmalbesucht (7. 1. 1884). Das Abgeordnetenhaus konnte nachden Beschädigungen des Zweiten Weltkriegs in seiner al-ten Form wiederhergestellt werden. Wie in einem Am-phitheater steigen die Sitzreihen an, umgeben von Karya-tiden, die schwer an Zuschauer- und Pressetribünen tra-gen. Hinter Regierungsbank und Sitz des Parlamentsprä-sidenten korinthische Säulen mit Giebelfeld. Spiegelnder

Das Parlament

Daten

1871 Baubeginn1874 Grundsteinlegung durch den Kaiser1883 Erste Parlamentssitzung1902 Athena-Brunnen vor dem Parlament

Gesamtkosten: 6 900 000 Gulden. Das Reichsrats-gebäude steht damit an fünfter Stelle der Kostennach Hofburg – Rathaus – Burgtheater – Universität

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Front des Reichsratsgebäudes mit Schülergruppe Photo: W.-S. Kircher

Das Parlament

Marmor, schimmerndes Gold, lederbezogene Sitze undPultdeckel – alles zeugt davon, dass es bei dem Bau nureine Rücksicht geben sollte: ihn so würdig und schön wiemöglich auszuführen. Er sollte ein Denkmal und weithinwirkendes Erziehungsmittel für das Volk sein, so die libe-rale Neue Presse Wien. Mit Skepsis dagegen schildert derSchriftsteller Anton Kuh die Atmosphäre: »Unter dem wie-nerisch-hellenistischen Säulendach herrscht soigniertes,mäßig durchkühltes Halblicht. Es schließt eine Welt ab, dievon der Straße und dem Tag nichts wissen darf, wenn siean ihre heilige Wichtigkeit glauben soll. Und sie weiß auchnichts davon, folgt vielmehr ... ihrem eigenen Rhythmus:dem der Sachlichkeit ohne Schweiß ..., der pathetischenNüchternheit ... «

Parlamentserbauer Theophil von Hansen (1813 – 1891)–ein Architekt des Historismusgeb. In Kopenhagen/Dänemark. Architekturstudium. Arbeiten inAthen an der Akropolis (Niketempel). Wien: Lehrstuhl an der Aka-demie der Bildenden Künste. Mitglied im Architektenverein, wo ersich im Vorsitz mit Friedrich v. Schmidt ablöst. Für seine Verdien-ste vom Kaiser geadelt.

Wien als Reichshauptstadt – Der Kaiser will sein Parlament in Ordnung halten

Die »Realunion« der alten Kronländer mit Ungarn 1867 be-schert den Ungarn ein eigenes Parlament und macht fürdie westliche Reichshälfte Cisleithanien/Österreich eineneue Verfassung notwendig – und damit auch ein neuesParlamentsgebäude. Parlamentsdelegationen beider Län-der müssen die k. und k. Außen- und Finanzpolitik (z. B.für das gemeinsame Heer) in Ausgleichsverhandlungenimmer wieder neu absprechen. Das mit 510 Sitzen größteParlament in Europa beherbergt Abgeordnete aus 10 Na-tionalitäten, wobei Wahlkreiseinteilung und das Zensus-wahlrecht in Kurien (getrennt wählen Großgrundbesitzer /Handelskammern, Unternehmer / Städte / Landgemein-den) den Anteil deutscher Mandate begünstigen. Erstnach einer Wahlrechtsreform 1882, die den Zensus von 10auf 5 Gulden herabsetzt, steht den deutschsprachigenParlamentariern eine immer größere Mehrheit nichtdeut-scher gegenüber. Unter den 30 Parteien und mindestensebenso vielen fraktionslosen (»wilden«) Abgeordnetenmuss die Regierung sich ständig neue Mehrheiten su-chen, und bis zum Bezug des neuen Parlamentsgebäu-des am Ring 1883 hat der Kaiser bereits ein halbes Dut-zend Ministerpräsidenten ausgewechselt. Auf der Regie-rungsbank bleibt man feudal-konservativ, die vom Kaiserernannten Ministerpräsidenten entstammen dem Groß-grundbesitz und/oder der übernationalen aristokratischenBeamtenschaft, sind seine Vertrauensleute und dem Par-lament nicht verantwortlich.Parlamentsauflösungen und das Regieren mit dem Not-verordnungsparagraphen 14 sind angesichts der schwie-rigen Mehrheitsbeschaffung häufig angewandte Mittelund man spricht offen vom »Fortwursteln« (Ministerpräsi-dent Taaffe).Zwei Problemfelder bestimmen die Debatten im Abgeord-netenhaus: die nationale und die soziale Frage. Zur letz-teren gehören Sozialmaßnahmen (Arbeiterschutzgesetze,

Achtstundentag usw.); um diese Forderungen konkurrie-ren Sozialdemokratische und Christsoziale Partei, die sichin den 80er Jahren zu modernen Massenparteien formie-ren. Die nationale Diskussion wird von vielen deutschna-tionalen Parteien, den Christsozialen bis hin zu den »All-deutschen« G. v. Schönerers, angeheizt und dreht sich umzwei Fragen: die der Wahlrechtserweiterung im Reich undder Sprachenregelung in den Ländern der BöhmischenKrone. Seit den Abmachungen mit Ungarn fordern dieTschechen ebenfalls ihre eigene Sprache als Amtsspra-che; jedoch stehen den sechs Millionen Tschechen inBöhmen drei Millionen Deutsche gegenüber und diedeutschsprachige Beamtenschaft dort ist ein fast unüber-windliches Hindernis für eine Sprachreform. 16 Jahre langbleibt die Forderung der Tschechen unerfüllt – und diePartei der »Jungtschechen« dem Wiener Parlament fern.Schon die Senkung des Mindestzensus 1882 soll ihnenden Weg ins Parlament ebnen, denn sie begünstigt dieTschechen mit ihrer schnell wachsenden kleinbürgerlichenBevölkerung. Als aber Parlamentsprotest erzwingt, dassdie Regierung Taaffe eine Sprachenverordnung zurückzie-hen muss, greifen Kaiser und Regierung zu einem radika-len Plan: Die Machtverhältnisse im Parlament sollen durchEinführung des allgemeinen Wahlrechts geändert werden(auch von der Sozialdemokratie gefordert), so dass eineParlamentsmehrheit für ein neues Sprachengesetz mög-lich würde. Eine solche Wahlreform aber wieder ist nurdurch Gesetz möglich – und dafür gibt es nach dem be-stehenden Wahlrecht keine Mehrheit. 1893 muss Taaffeaufgeben. Der Kaiser erwägt bereits das Militär einzuset-zen für einen »Staatsstreich von oben«.

Das Parlament: Pathetische Nüchternheit unter griechisch-hellenistischem Säulendach?

1897 macht der neue »starke Mann« des Kaisers, Mini-sterpräsident Badeni, noch einmal den Versuch zu einerSprachenregelung zu Gunsten der Tschechen und erlässtnach einer vorsichtigen Wahlrechtserweiterung (eine fünf-te Kurie für die Stimmen der restlichen männlichen Wahl-bevölkerung) die Regierungsverordnung, dass die tsche-chische Sprache in drei Jahren von allen böhmischen Be-amten beherrscht werden soll. Der Tumult über dieseMaßnahme und darüber, dass hier nicht das Parlamentgefragt worden sei, ist ungeheuer. Während in sudeten-deutschen Städten demonstriert, geprügelt und geschos-sen wird und auf der Ringstraße Studenten »Die Wacht amRhein« singen, gleicht das soigniert ausgestattete Inneredes Parlaments einem Tollhaus. Obstruktionsreden bis zurLänge von 12 Stunden werden mit Geschrei und Klappernmit den Pultdeckeln beantwortet. Da die Geschäftsord-nung weder Redezeitbeschränkung noch Dolmetscherkennt, »antworten« die Nichtdeutschen mit dem Aufsagenvon Gedichten in eigener Sprache. Die deutschnationalenParteien beantragen Ministeranklage wegen Rechtsbruchund Badeni, als »Schuft« bezeichnet, fordert einen Abge-ordneten zum Duell. Schönerer zerfetzt mit Werkzeugendie Lederbezüge der Sitzreihen und lässt sich mit dem Ruf»Hoch Germania!« von Polizei aus dem Sitzungssaal tra-gen. Vor dem Parlament geht die Menge gewalttätig ge-gen Ordnungshüter vor; Militär muss einschreiten. Vom

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Mai bis September wird der Reichstag vertagt; am 29. No-vember nimmt der Kaiser die Demission seines starkenMannes an. Der Nachfolger stützt sich wieder auf denAusnahmeparagraphen 14. In den nächsten zwei Jahrenwechselt Franz Joseph abermals vier Ministerpräsidentenaus, die Sprachenverordnung Badenis wird zurückge-nommen. Auch im Parlament selbst wird der Sprachen-streit nicht gelöst: Nichtdeutsche Reden werden nichtprotokolliert, dringende Anfragen dürfen nur in deutscherSprache eingebracht werden, auch der Parlamentspräsi-dent »versteht« nur Deutsch.So geht das alte Jahrhundert im Schlachtenlärm der Na-tionalitäten zu Ende; und als 1907 wenigstens für Mähreneine Sprachenregelung gefunden wird und das allgemeineWahlrecht doch noch das alte Kurienparlament ablöst, istdiese Einrichtung schon lange nicht mehr arbeitsfähig.1914 wird sie geschlossen.

Rathaus und Parlament: Zusammenschau

Rathaus und Parlament bilden nicht nur nach ihrer Lageund ihrem Baustil eine »heterogene Gemeinschaft«. Die-ses Prädikat kommt auch ihrer historisch-politischen Rol-le zu: Auf ihrem heterogenen Weg zum Munizipalsozialis-mus einerseits und zum modernen Nationalstaat mitVolksdemokratie andererseits verschärfen beide gemein-sam die innerstaatlichen Gegensätze der Vielvölkermo-narchie. Damit trafen sie sowohl deren übernationaleReichsidee als auch ihren letzten Repräsentanten, denKaiser.

Literaturhinweise

Andics, Hellmuth: Der Untergang der Donaumonarchie. Goldmann-VerlagMünchen, 1984

Baltzarek, Franz; Hoffmann, Alfred; Stekl, Hannes: Wirtschaft und Gesell-schaft der Wiener Stadterweiterung. Franz Steiner, Wiesbaden 1975

Bernhard, Marianne: Die Wiener Ringstraße. Kremayer und Scheriau, Wien1992

Hamann, Brigitte: Hitlers Wien. Lehrjahre eines Diktators. Piper-VerlagMünchen 1996

Lessing, Erich; Czeike, Felix; Planner-Steiner, Ulrike; Roschitz, Karl: WienerRathausbuch. Jugend und Volk, Wien 1983

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»Bilder von der gestrigen Sitzung im Abgeordnetenhause« (Karikatur aus den Ba-deni-Tagen 1897). Die Reichsratsabgeordneten, aufgrund des Wahlrechts Män-ner von Rang und Reputation, überboten sich mit Obstruktionsreden, Schlägerei-en und Sachbeschädigungen.

Aus: Hellmut Andics: Das österreichische Jahrhundert. Fritz Molden, Wien 1974, S. 204

Von Günther Zollmann

In den Couplets der Volkssänger war immer eine Stropheüber den Böhmen, den Ungarn und den Juden, aber eswar ein gutmütiger Spott zwischen Brüdern. Man hasstesich nicht, das gehörte nicht zur Wiener Mentalität. Eswäre auch sinnlos gewesen, jeder Wiener hatte seinenUngarn, seinen Polen, seinen Tschechen, seinen Judenzum Großvater oder Schwager.

Stefan Zweig

Die geopolitische Lage Wiens hat sich durch den Fall desEisernen Vorhangs und durch den Beitritt Österreichs indie EU grundlegend geändert. Die Stadt ist wiederum als»europäischer Schmelztiegel« gefragt.Weit verbreitet ist die Meinung, die wachsende Kluft zwi-schen den »Fremden« und der heimischen Bevölkerungmache die »neuen Zuwanderungen« zu einem Schlüssel-problem von Wien in der Zukunft (Lichtenberger, 1997). Inmanchen Lösungsstrategien wird immer wieder auf diealte Gründerzeit verwiesen, in der Wien als »der Schmelz-tiegel Europas« galt. Man erhofft sich »ein ähnlich integra-tives Potential der Wiener Bevölkerung hinsichtlich derAkzeptanz ausländischer Zuwanderung« wie damals(Lichtenberger, 1995).

Schmelztiegel der Gründerzeit

Spuren des Schmelztiegels

Wien war eigentlich stets einmultikultureller melting pot. Umdie Mitte des 16. Jahrhundertsverglich der Dichter WolfgangSchmeltzl Wien mit Babel in sei-nem Sprachengewirr. Zum »eu-ropäischen Schmelztiegel« stiegWien in der industriellen Grün-derzeit des 19. Jahrhunderts auf,als Wien eine Mittelpunktlage imGroßreich der Habsburgmonar-chie besaß. Allerdings mussteWien diese schon nach dem Aus-gleich 1867 mit Budapest teilen.

Spuren des Schmelztiegels findet der Besucher in Favori-ten, im X. Bezirk, und im Freizeitpark der Favoritner, im»Böhmischen Prater«. Der Wiener Schriftsteller PeterHenisch beschreibt in einer Erzählung »Das andere Wien«sein Favoriten, das in den Reiseführern kaum vorkommt.Dort schickt man die Besucher zu den Schlössern Schön-brunn und Belvedere, empfiehlt Spaziergänge durch dieInnere Stadt oder Ausflüge zu den Heurigenlokalen inGrinzing oder Nußdorf. »Das andere Wien« beginnt jen-seits des Gürtels, einer Schnellstraße, an deren Stelle ein-mal ein Wall war. Im Volksmund heißt Favoriten noch heu-te der Zehnte Hieb. Dort draußen, im »ziegelroten Favori-ten«, ist das proletarische Arbeiterwien, deren Bewohneraus Böhmen, Mähren und Slowakei wenig Beziehung zudem etablierten, kaisergelben Wien der Innenstadt hatten.Der Böhmische Prater existiert zwar immer noch. Dochvon den alten Buden und Ringelspielen gibt es nur spärli-che Reste. Hier eine neue Automatenhalle, dort ein Mini-golfplatz, ein paar Karussells. Eine weitbekannte Attrakti-on ist das Drehorgelmuseum des Schaustellers Geißler. Nach wie vor verbindet man die leiernden Geräusche derDrehorgel mit der Kultur der Jahrmärkte, erinnert sich anDrehorgeln als Bettelinstrumente in den Hinterhöfen derGroßstadt. Entlang der kurzen Hauptstraße konzentrierensich die Gaststätten. Die wichtigsten sind die beiden Lo-kale »Pintarich« und »Bendekovics« wegen ihrer großenBiergärten. An den lauen Sommerabenden drängen sichHunderte von Gästen dort, trinken Bier oder Wein, essenSchnitzel oder Schweinebraten, genießen die Stimmungder Wiener Gemütlichkeit.

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Die Anker-Brotfabrik ist eine der ältesten Industrieanlagen in Favoriten.

Photo: Jost Cramer

S c h m e l z t i e g e lV. »Europäischer Schmelztiegel« Wien

Favoriten: ein Fabrik- und Arbeiterbezirk

Der neue Prater auf dem Laaer Berg gehörte den Favorit-nern. Sie galten als die Stiefkinder Wiens. Der Prater warihr Erholungsort.Der Bezirk Favoriten hat heute mehr Einwohner als Grazoder Linz. Er nimmt unter den 23 Gemeindebezirken eineSonderstellung ein. Denn er hat keinen historischen Dorf-kern, er ist vielmehr ein reines Produkt der Industrialisie-rung. Er wurde planmäßig angelegt. In einem rasterartigenSchema wechseln sich Fabrikanlagen und Wohnhäuserab.Zu Beginn der 1840er Jahre entstanden außerhalb der Be-festigungslinien zwei wichtige Bahnhöfe. Die Süd- undOstbahn verband die Residenzstadt mit den östlichen undsüdlichen Gebieten der Monarchie. Die Gebiete entlangder beiden Eisenbahnlinien wurden zu einem attraktivenBetriebsstandort. Die Arbeiterfamilien zogen massenhaftin den rasch wachsenden Bezirk. Er lag außerhalb derstädtischen Zoll- und Steuergrenze, die entlang des heuti-gen Gürtels verlief. Deshalb waren die Lebensmittelpreiseund die Mieten weitaus niedriger als in der Stadt.1874 wurde Favoriten als jüngster Bezirk nach Wien ein-gegliedert. In den folgenden Jahren des Wirtschafts-booms expandierte der Bezirk rasch in Richtung des Wie-ner- und Laaer Bergs. Die Ziegeleien an beiden Bergen lie-ferten das Material für den Ausbau der Stadt. Sie erreich-ten um 1900 ihre weiteste Ausdehnung. Die »Wienerber-ger Ziegelfabrik« war einer der größten Betriebe Wiens.Überwiegend wurden tschechische und italienische Gast-arbeiter beschäftigt. Die archaischen Arbeitsverhältnisseerinnerten an die Frühindustrialisierung, die katastropha-len Lebensverhältnisse der »Ziegelböhm« erregten öffent-liche Aufmerksamkeit. Geprägt ist Favoriten von den Wohnhäusern der Gründer-zeit. Sie tragen mit Recht den Namen »Mietskasernen«.

Denn so wie für die Mietspaläste der Ringstraße dasAdelspalais Vorbild war, war es für diese Bauten die Ka-serne, vor allem das Arsenal. Dieses ist ein riesiger, imneonormannischen Stil erbauter Gebäudekomplex miteindeutigem Festungscharakter. Es wurde aus Angst vorden von Süden her drohenden Proletariermassen errich-tet.

Der »böhmische« oder »czechische« Prater

Im Jahr 1886 berichtet eine Vorstadtzeitung unter dem Titel »Vom böhmischen Prater«:

»Dieser höchst bemerkenswerthe charakteristische, aufdem Laaer Berge gelegene, außer den Simmeringern undden Favoritnern nur wenigen Wienern bekannte ›czechi-sche Prater‹, welcher heuer in seinen fünften Jahrgang tritt,entwickelt bereits ein sehr reges Leben. Die Vergnügungs-Etablissementsbesitzer Bartonicek, Bezdek, Brocek, Bu-dar, Dworacek, Klimes, Pokorny, Sklenarik, Swoboda,Wanya u. a. – man sieht, die Nationalität lässt sich un-schwer erkennen – sie Alle haben ihre gastlichen Hallengeöffnet ihren – Landsleuten.«

Aus: Slapansky 1992, S. 70

Die »Vergnügungsetablissements« gehörten meist ausBöhmen und Mähren stammenden Besitzern. Sie eröffne-ten ihre Betriebe im Nahbereich von Favoriten, wo vieleTschechen siedelten. So lag der Name »böhmischer«oder »czechischer« Prater nahe. Wie jede Metropole Euro-pas erlebte Wien im 19. Jahrhundert eine Massenzuwan-derung. Sie lockte als Reichshauptstadt Migranten aus al-len Teilen der habsburgischen Doppelmonarchie an. Derstärkste Zustrom erfolgte aus den Kronländern Böhmenund Mähren.

Die Tschechen kamen als In-dustriearbeiter nach Wien, alsDienstmädchen, Schuster, Kö-chinnen und Kindermädchen. Daviele – vor allem die Frauen – beiihren Arbeitgebern wohnten, ver-teilten sie sich über alle Bezirkeund lebten nicht so konzentriertwie die Wiener Juden in der Leo-poldsstadt. Das förderte die As-similation.Viele Tschechen kamen als Sai-sonarbeiter, die am Bau oder inden Ziegeleien nur von Frühjahrbis Herbst arbeiteten und imWinter zu ihren Familien nach

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So wie in Leopoldsdorf lebten diemeisten (vor allem tschechischen)Ziegelhüttenarbeiter am Wienerbergoder Laaer Berg.

Photo: Jost Cramer

Böhmen zurückkehrten. So waren stets viele Tschechen inWien – fast jeder vierte Bewohner der Zweimillionenstadt– , aber eben immer andere. Die Historikerin Glettler ver-gleicht deshalb Wien mit »einem Hotel, das zwar stets be-setzt war, aber immer von anderen Leuten«. Die hohe Zahl von Arbeitern unter den Wiener Tschechen– vor allem wenn sie in Großbetrieben tätig waren – führtezu einer dichten Konzentration von Arbeiterbezirken, vorallem in Favoriten, dann in Ottakring. Jeder fünfte Einwoh-ner Favoritens stammte aus Böhmen und Mähren. Oft wa-ren ganze Zinshäuser von tschechischen Familien be-wohnt.Das Leben der Arbeiter war während der Woche durchlange Arbeitszeit, eintönige Arbeit, Unterordnung und Dis-ziplin, Schmutz und Schweiß geprägt. Der Sonntag be-deutete deshalb nach sechs Tagen Arbeit Freizeit, Erho-lung, Entspannung. Am Sonntag wurde länger geschlafen.Dieser Tag war der Tag der Geselligkeit und der Spazier-gänge. Diese führten gewöhnlich hinaus aus den dicht be-siedelten Wohn- und Arbeiterbezirken, zumeist an die Pe-ripherie der Stadt. So war der Prater auf dem Laaer Bergin etwa 15 Minuten zu erreichen. Vergnügungslokale,Gaststätten, Tanzböden, Ringelspiele, Schaukeln, Has-peln boten zahlreiche Abwechslungen des Zeitvertreibsfür die »kleinen Leute«. An den Wochenenden herrschteVergnügen und Leben im böhmischen Prater, während derWoche kehrte Ruhe und Beschaulichkeit ein.

Tschechen und Deutsche in Wien

Ein Wiener Sprichwort um 1900:

»Es gibt nur a Kaiserstadt.Es gibt nur a Wien.Die Wiener san draußen,die Böhm, die san drin.«

Dieses Sprichwort zeigt die Angst der Einheimischen vorÜberfremdung, vor weiteren Zuwanderern, vor allem vorden Tschechen. Wie viele Tschechen um die Jahrhundert-wende in Wien lebten, ist nicht exakt fest zu stellen. DieSchätzungen schwanken zwischen 400 000 und 600 000Tschechen. Es wird behauptet, Wien sei die größte tsche-chische Stadt gewesen. Im Zuge des Nationalitätenkonflikts in der Monarchie ver-schärften sich die Auseinandersetzungen auch in Wien.»Germanisierung« oder »Slawisierung« waren die Parolen.Der christlichsoziale Bürgermeister Lueger hatte ein einfa-ches Konzept: »Der deutsche Charakter Wiens« muss auf-recht erhalten werden, »eine Zweisprachigkeit darf in Wiennicht aufkommen«.Diese Politik der völligen Assimilierung der Tschechenstieß auf Ablehnung und Konfrontation in den tschechi-schen Arbeitersiedlungen Favoritens. Dort wurde fast nur»böhmisch« gesprochen, die kaiserlichen Verordnungenwurden in tschechische Sprache übertragen, ja die Ge-gend um den Wienerberg galt als »tschechische Sprachin-sel«. Bei den Volkszählungen gaben die Ziegelarbeiterstolz »böhmisch« als ihre Umgangssprache an, obwohl siebeeiden mussten, den deutschen Charakter Wiens nachKräften aufrecht erhalten zu wollen.

Der Konflikt gipfelte vor allem in der Schulfrage. In Favori-ten betrieb der tschechische Schulverein »Komensky«eine tschechische Privatschule. Er bemühte sich um dieöffentlich-rechtliche Anerkennung. Dabei berief er sich aufdas Staatsgrundgesetz von 1867, das die Gleichberechti-gung aller Volksstämme festlegte und das Recht auf Wah-rung und Pflege der Sprachen verankerte. Der Staat sahsich verpflichtet, die Grundgesetze – auch die der Minder-heiten – zu schützen. Jedoch stand die Germanisierungs-politik Luegers der kaiserlichen Politik entgegen. Eindeu-tig war das »Volk von Wien« auf Luegers Seite und gegendie Regierung und den Kaiser.

Das Ende des tschechischen Wien

Nach der Gründung der Tschechoslowakischen Republik1919 remigrierten rund 200 000 Tschechen und Slowakenin die neugegründete CSR. Diese Rückwanderung wurdevon der Prager Regierung nach dem Zweiten Weltkrieg

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Karikatur: Streit um die Komensky-Schule. Eine Episode aus demStreit um die Eröffnung der Komensky-Schule: Der niederöster-reichische Statthalter (links) fordert den Wiener christlichsozialenBürgermeister Josef Neumayer (rechts) auf, die Schließung derKomensky-Schule wegen der Unzulässigkeit durchgeführter Exe-kutionsmaßnahmen rückgängig zu machen, was dieser jedocheigenmächtig und hartnäckig verweigert. Der Bürgermeister hautdie tschechischen Sprösslinge hinaus, der Statthalter lässt siewieder bei der Hintertür hinein.

Kikeriki vom 12. Oktober 1911, S. 1.

Aus: Michael John/Albert Lichtblau: Schmelztiegel Wien einst und jetzt. Böhlau-Verlag, 2. Auflage, Wien/Köln/Weimar

1993, S. 284

forciert. Bekannten sich nach dem Ersten Weltkrieg rund80 000 zur tschechischen Minderheit, so waren es nachdem Zweiten 4 000. Heute umfasst die tschechischeSprachgruppe in Wien 20 000 Personen.Das markanteste Merkmal der tschechischen Volksgrup-pe in Wien ist ihre rasante Assimilierung im 20. Jahrhun-dert. Im Bild der Stadt aber hat sie bleibende Spuren hin-terlassen. Zahlreiche tschechische Firmennamen bezeu-gen die einstige Dominanz dieser Volksgruppe in vielenWirtschaftszweigen. Die berühmte Konditoreikette Aidaist ein Beispiel dafür. Wie tschechisch Wien einmal war,verdeutlicht das Telefonbuch: Über ein Viertel der Eintra-gungen sind tschechische Namen.

Probleme der »neuen Zuwanderung«

Wachstum durch Zuwanderung

Die Zwei-Millionen-Weltstadt des HabsburgischenGroßreiches hatte aufgrund des Verlustes der zentralenLage bis 1980 rund 500 000 Einwohner eingebüßt. In Wienlebten in der Nachkriegszeit, wohl bedingt durch seineRandlage im zweigeteilten Europa, kaum Ausländer. DieZahl betrug 1971 rund 60 000. Bis zum Jahr 1991 vervier-fachte sich die Zahl. Mit der Öffnung der Grenzen 1989schlug die schrumpfende Bevölkerungsentwicklung in einWachstum um. Man geht davon aus, dass mit 25 000 aus-ländischen Zuwanderern im Jahr zu rechnen sei. Damitwerden die Wanderungsziffern der alten Gründerzeit er-reicht. Heute schätzt man unter Berücksichtigung vonDunkelziffern die Zahl der Ausländer auf ca. 380 000, d. h.auf rund ein Viertel der Bevölkerung.

Die Herkunftsgebiete sind global

Bis ins frühe 19. Jahrhundert kamen die meisten Einwan-derer aus deutschen Ländern. In der Phase der Industria-lisierung stammten fast neun Zehntel der Fremden, siemachten die Hälfte der Wiener Bevölkerung aus, aus denKronländern. Entscheidend ist, dass der Wanderungspro-zess sich in jener Zeit innerhalb der k. k. Monarchie voll-zog. Die Herkunftsgebiete der Migranten heute unter-scheiden sich grundlegend von denen der Gründerzeit.Bereits die »Gastarbeiter« kamen nicht aus der ehemali-gen Monarchie, sondern in erster Linie aus Serbien undder Türkei. Einwanderer aus westeuropäischen Staatenfehlen weitgehend. In den letzten Jahren verlagerte sichdas Herkunftsgebiet nach Osteuropa und dem asiatischenKontinent. Ganz allgemein wächst der Anteil aus ethnisch-kulturell entfernten Staaten.

Die Zweiteilung in der Wiener Gesellschaft

Die Sozialstruktur Wiens war stets durch eine Teilung zwi-schen »heimatberechtigter Bevölkerung« und »Fremden«– um Ausdrücke der Gründerzeit zu verwenden – gekenn-zeichnet. Diese Zweiteilung galt bis zum Ersten Weltkrieg.Bis in die 60er Jahre wurde sie aufgrund der abgeschotte-ten Verhältnisse vergessen.

Heute sind zwei Prozesse zu beobachten, einmal eine eth-nische Überschichtung durch UNO-Beamte und Managerinternationaler Konzerne und eine ethnische Segregationauf dem Wiener Arbeitsmarkt. Heute leben mehr als 30 000 ausländische Staatsbürger mit internationalemStatus in der Stadt. Annoncen in den Zeitungen reflektie-ren die steigende Nachfrage ausländischer Diplomatenund Manager nach erstklassigen Wohnungen und Villen inattraktiven Lagen.Eine ethnische Unterschichtung war die Folge der Zuwan-derung in den letzten Jahren. Die ehemaligen »Gastarbei-ter« aus Jugoslawien und der Türkei sind vor allem imTransportgewerbe und im Einzelhandel tätig. Die »neuenZuwanderer« aus Osteuropa arbeiten vor allem im expan-dierenden Baugewerbe, in privaten Haushalten und imGastgewerbe. Viele der neuen Wiener sind »Grenzgänger«und Pendler. Während der Woche arbeiten sie in Wien, anden Wochenenden leben sie in ihrem Heimatländern Po-len, Tschechien oder Slowakei. Zeitungsausträger ausÄgypten oder Bangladesh, Krankenschwestern aus Indi-en, Chinesen im Gaststättengewerbe sind Angehörige ei-ner neuen »ethnischen Kastengesellschaft«.

Wohnungssituation von Ausländern

Über die soziale Integration oder Diskriminierung der neu-en Zuwanderer entscheidet nicht allein deren Stellung aufdem Arbeitsmarkt. Mindestens ebenso relevant sind dieWohnungssituation und das Wohnungsumfeld. Gemein-dewohnungen oder geförderte Eigentumswohnungensind für Ausländer so gut wie nicht zugänglich. Die Folgeist eine Konzentration ausländischer Familien in überfüll-ten Standardwohnungen aus der Gründerzeit und in Alt-bauquartieren an den Ausfallstraßen (z. B. Triester Straße).Die starke Zuwanderung nach der Grenzöffnung, die Ver-teuerungen der Innenstadtwohnungen, die Knappheit bil-liger, meist privater Altbauwohnungen führten zu einer zu-nehmend ethnischen Segregation. Knapp die Hälfte allerAusländer wohnen in nur 6 von insgesamt 23 Stadtbezir-ken: Leopoldstadt, Favoriten, Ottakring, Fünfhaus, Brigit-tenau und Landstraße. Erst diese »Ghettoisierung« er-zeugte jene Probleme, die in der Diskussion um die Aus-

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Annoncen eines Maklerbüros Entwurf: W.-S. Kircher

länderfeindlichkeit eine zentrale Rolle spielen: MancheSchulen haben bereits zwei Drittel Ausländerkinder. In denStadtvierteln der Gründerzeit konzentrieren sich Auslän-der sichtbar auf Straßen, Plätzen und in Parkanlagen.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts wurde häu-fig als »Schmelztiegel« bezeichnet. Das Etikett kann fürWien jedoch nur begrenzt gelten (Fassmann/Münz, 1995).Tatsächlich hat die Donaumonarchie trotz massiver Zu-wanderung nach 1850 in Wien keine nichtdeutschsprachi-gen ethnischen Minderheiten hinterlassen. Die vollständi-ge Assimilation war das dominierende Leitbild. Die Kin-der und Enkel der alten Zuwanderer sind voll integriert,deutschsprachig und meist auch bewusste Wiener undÖsterreicher (Teutsch, Interkulturelles Zentrum). DieSchmelztiegelthese bedarf einer Revision: Viele Wiener,mag der Vater aus Böhmen oder Mähren stammen, »ver-drängen« die Tatsache, dass sie sich assimilieren muss-ten. Bisweilen wurde sogar der Name gewechselt, ein Zei-chen der Überassimilation. Prominente Beispiele gibt es ingroßer Zahl: Aus Vesely wurde Wessely, aus Vaclavik wur-de Waldheim.Allerdings wirkt sich dieser biographische Hintergrund aufdie Akzeptanz der verschiedenen Einwanderergruppenunterschiedlich aus. Die wirklichen »Fremden« sind heutedie Rumänen, Serben und Türken, nicht die Kroaten,Tschechen und Ungarn. Mit den letzteren haben viele Wie-ner verwandtschaftliche Kontakte und die gemeinsameGeschichte und Kultur der Habsburgmonarchie.Probleme gibt es in den Beziehungen zu den »neuen Zu-wanderern«. Sie werden überwiegend den österreichi-schen Unterschichten zugeordnet. In den Bereichen Bau-gewerbe, Fremdenverkehr, Gastgewerbe und private

Haushalte entstand eine ethnische Segmentierung. Eben-so lässt sich eine Segregation der Wohnstandorte vonAusländern nachweisen.Wie in vielen anderen europäischen Großstädten sind dieBeziehungen zwischen Ausländern und Wienern vollerKonflikte und Aggression. Jedes zweite Kind der Auslän-der in Wien fühlt sich laut einer Umfrage heimatlos. Weitverbreitet sind bekannte Vorurteile: Ausländer würden denÖsterreichern den Arbeitsplatz wegnehmen oder vorwie-gend zu Lasten der öffentlichen Hand leben. Jedoch: For-men von Gewalttätigkeit haben die Auseinandersetzun-gen noch kaum angenommen. Die Konflikte werden, ty-pisch Wien, weniger in der Öffentlichkeit ausgetragen.Zahlreich sind die Bemühungen um integrative Verständi-gung. Die steigenden Zahlen von Einbürgerungen werdenals Zeichen der politischen Integration angesehen. Auchwird die Meinung vertreten, Integration entstünde durchMobilität. Eine günstige Voraussetzung dazu sei, dass diemeisten ethnischen Viertel in kurzer Zeit mit der Innen-stadt durch die U-Bahn verbunden seien.Vorbildlich sind die zahlreichen privaten Initiativen kirchli-cher und anderer gesellschaftlicher Gruppen für die Assi-milation der Ausländer. Zum Beispiel verwendet der »Ost-bahn-Kurti«, eine Kultfigur der Wiener Rockszene (er ent-stammt einer alteingesessenen Kroatenfamilie im Burgen-land), seine Popularität für multikulturelle Integration.Auf dem Hintergrund dieses ambivalenten innenpolitischenKlimas gestalten die Parteien ihre Ausländerpolitik. SPÖund ÖVP haben sich nach 1990 deutlich für eine Begren-zung der Zuwanderung ausgesprochen. Die Freiheitlichen,die bei den nationalen Parlamentswahlen im Oktober 1999knapp fünf Prozent hinzugewannen und zur zweitstärkstenPartei heranwuchsen (26,91%), sind sogar für einen völli-gen Zugangsstopp. Allerdings steht Österreich in Europamit seiner Einwanderungspolitik nicht alleine da. Die meis-ten Staaten lehnen eine liberale Zuwanderungspolitik ab.

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Ausländische Arbeitskräfte in Österreich

Quelle: Bundesministerium für Arbeit und SozialesAus: Heinz Fassmann/Rainer Münz: Einwanderungsland Österreich?, Dachs-Verlag, Wien 1995, S. 42

Literaturhinweise

Gerhard Baumgartner: 6 x Österreich. Geschichte und aktuelleSituation der Volksgruppen. Klagenfurt 1995

Hubert Ch. Ehalt (Hrsg.): Glücklich ist, wer vergisst ...? Das an-dere Wien um 1900. Wien 1996

Heinz Fassmann/Rainer Münz: Einwanderungsland Österreich?Wien 1995

Monika Glettler: Die Wiener Tschechen in Wien um 1900. Wien1972

Michael John/Albert Lichtblau: Schmelztiegel Wien einst undjetzt. 2. Aufl. Wien 1993

Elisabeth Lichtenberger: Schmelztiegel Wien. In: GeographischeRundschau 1/1995

Elisabeth Lichtenberger: Wien zwischen extremer Grenz- undMittelpunktlage. In: Bürger im Staat, Heft 2, 1997, S. 80 ff.

Wolfgang Slapansky: Das kleine Vergnügen an der Peripherie:Der Böhmische Prater in Wien. Wien 1992

Von Jost Cramer

1. Der Karl-Marx-Hof: vorbildliche Wohnbaupolitik in Europa

Die bedeutendste sozialreformerische Leistung des RotenWien nach dem Ersten Weltkrieg, die für die kulturelle WeltWesteuropas damals Vorbildcharakter hatte, war dieWohnbaupolitik1. Ein Wunder nannte die konservativeenglische Wochenzeitschrift »Spectator« die Gemeinde-wohnbauten, die in den Jahren von 1920 – 1933 von derStadt errichtet wurden. Sie schufen für ca. 250 000 Men-schen eine Wohnstätte. Wie Ringstraße, Stephansdom,Burg und Riesenrad, so prägen auch heute noch die über300 kommunalen Wohnanlagen das städtische BildWiens, deren größte der Karl-Marx-Hof ist.Schon zur Zeit der Ersten Republik galt er als Vorbildmenschengerechten Wohnens und zog viele Besucheran. Obwohl er nun beinahe 70 Jahre alt ist, weckt er im-mer noch das Interesse als ein Beispiel sozialreformeri-schen Wirkens, als Architekturdenkmal zwischen Sezessi-on und Expressionismus, als ein Stück Arbeiterkultur undals ein Ort, in dem sich die Geschichte der Ersten Repub-lik spiegelt. Für ausländische Architekten, Delegationenanderer Städte, Wien-Touristen, die sich auch von dieserSeite der Stadt einen Eindruck verschaffen wollen, stellt erwie damals immer noch einen Fixpunkt im Besucherpro-gramm dar.Interessiert bei einem Besuch vor allem Architektur undArbeiterkultur, so empfiehlt es sich, von dem zur Hei-ligenstädter Straße geöffneten Zentralhof – heute »12.-Feb-

ruar-Platz« (hier hält die Straßenbahn) – auszugehen undvon dort einen Gang durch die Innenhöfe und zu den Ge-meinschaftsanlagen (z.B. Waschhaus und Kindergarten)zu machen.Soll der Schwerpunkt mehr auf dem geschichtlichen Hin-tergrund liegen, so könnte der Besuch bei der Gedenkta-fel zu den Ereignissen am 12. Februar 1934 beginnen. Siebefindet sich neben dem linken Tor von der Seite des Hei-ligenstädter Bahnhofs (U-Bahn-Station) aus gesehen.Fragt man Bewohner nach dem Ort der Gedenktafel, wirdman wahrscheinlich feststellen, dass nur noch wenigeeine Auskunft geben können. Der Text auf der Gedenktafellautet: »Als erste in Europa traten Österreichs Arbeiter am12. Februar 1934 mutig dem Faschismus entgegen. Siekämpften für Freiheit, Demokratie und Republik.«

Die Gründerzeit

Ein Blick auf den sozialen und wirtschaftlichen Wandelder Gründerzeit vor dem Ersten Weltkrieg verdeutlichtdie historischen Bedingungen der sozialdemokratischenWohnbaupolitik in Wien. Bevölkerungswachstum, Indu-strialisierung, wachsende Ausdehnung Wiens, städtebau-liche Modernisierung und Ausbau der Infrastruktur für einemoderne Großstadt machten Wien, die Hauptstadt desHabsburgischen Reiches, zu einer der großen europäi-schen Metropolen. Die Kehrseite war jedoch die sozialeVerelendung großer Menschenmassen.In Wien entwickelte sich eine »Zwanzig-Prozent-Gesell-schaft«. Etwa vierhunderttausend von den rd. zwei Millio-nen Menschen bevölkerten die Operettenhäuser undTheater, lasen die »Neue Freie Presse« oder auch »Die

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S t a d t e n t w i c k l u n gVI. Stadtentwicklung im 20. Jahrhundert

Der Zentralhof nachder Fertigstellung1930

Foto: Bildarchiv der österreichischen Nationalbibliothek,Wien

Reichspost«, lauschten Gustav Mahler oder pflegten dieSalonkultur, während die übrigen etwa 1,6 Millionen inschlechten bis fast unerträglichen Lebensverhältnissenlebten. Ein Indiz der Armut waren die Wohnverhältnisse.In Anspielung auf die Mietzinshäuser meinte der bürger-liche Wohnreformer v. Philippovich, mit seinen natürlichenGegebenheiten könne Wien zu einer der schönsten Bin-nenstädte werden, »während jetzt ein kleiner Raum mit ei-nigen, allerdings unvergleichlich schönen Prachtbautenfür die kümmerliche Enge und Trostlosigkeit nicht ent-schädigt, in die in Vorstädten und Vororten die Hundert-tausende zusammengedrängt sind« (v. Philippovich, S.250).

Wohnungselend

Die Wohnungen der Armen in den Mietzinshäusernverfügten meist über keine Küche. Die Toiletten wurdengrundsätzlich von mehreren Hausparteien benutzt. Es gabFälle, wo sich 40–60 Personen eine Toilette teilen muss-ten. Die Stockwerke hatten jeweils eine gemeinsameWasserstelle, »Bassena« genannt, woher der Begriff»Bassena-Wohnung« stammt. Die so genannten »Lichthö-fe« spendeten aufgrund ihrer Enge so wenig Licht, dasssich die tiefer gelegenen Wohnungen in einem permanen-ten Halbdunkel befanden.Etwa 280 000 Menschen lebten als Untermieter oder Bett-geher; diese mieteten nur ein Bett oder manchmal nur ei-nen Teil eines Bettes. Viele Arbeiterhaushalte waren ge-zwungen, Bettgeher aufzunehmen, da sie nur so in derLage waren, für ihre Miete aufzukommen. MangelhafteHygiene, Überfüllung, der Mangel an Licht und frischerLuft machten die Wohnungen zu Brutstätten der Krank-heit. Untersuchungen ergaben, dass die Sterblichkeitsratein den Wohnvierteln der Armen beträchtlich höher war alsin jenen der Reichen. Die Tuberkulose war damals in Eu-ropa als die »Wiener Krankheit« bekannt.Ein weiteres Problem war die Obdachlosigkeit. Menschenhausten im Wienkanal, in den Praterauen, in Teestubenund Asylen, in den Ziegelwerken Favoritens, wo sie für dieNacht einen warmen Unterschlupf suchten. Während manin anderen Ländern und Städten bereits daran ging, etwasgegen das Wohnungselend zu unternehmen, war Wien inder zivilisierten Welt berüchtigt für seine Wohnverhältnisse.Bis zum Ersten Weltkrieg hatten sie sich nicht verbessert.1910/11 kam es zu Protestaktionen der Arbeiterschaft.

Zwar baute die Gemeinde angesichts der Unruhen Not-standswohnungen, prinzipiell lehnten die Christlichsozia-len im Gemeinderat jedoch eine wohnungspolitische Für-sorgepflicht der Gemeinde ab, die auch von bürgerlichenWohnreformern gefordert wurde. Nach wie vor wurde vonden Christlichsozialen die Lösung der Wohnungsfrageausschließlich in der privaten Bautätigkeit gesehen, wobeifür den Bauherrn die Erwirtschaftung einer Rendite als dasentscheidende Motiv galt. Sie vertraten den Standpunkt,wie bei einer Ware bestimme sich die Wohnqualität nachder Zahlungsfähigkeit des Mieters.

Die Wohnbaupolitik des »Roten Wien«

Als nach dem Ersten Weltkrieg Monarchie und Habsbur-ger Reich zusammengebrochen waren, schien für dieösterreichischen Sozialisten die Zeit entschiedener sozia-ler Reformen gekommen. Da dies in einer schwarz-rotenKoalition nicht gelang, schieden die Sozialdemokratenaus der Zentralregierung aus und konzentrierten ihre An-strengungen auf Wien. Hier sollten mit einem sozialisti-schen Reformmodell Zeichen für die Bundespolitik ge-setzt werden. Entscheidende Rahmenbedingungen hier-für waren die Machtübernahme der SPÖ in Wien aufgrunddes neuen demokratischen Wahlrechts und die Umwand-lung Wiens in ein selbstständiges Bundesland 1920.In Wien war die Wohnungssituation nach dem Krieg je-doch katastrophal. Der 1917 durch kaiserliche Verordnungeingeführte Mieterschutz, der Mietenstopp und Kündi-gungsschutz enthielt, und die Inflation hatten die privateBautätigkeit völlig zum Erliegen gebracht. Zur Wiederbe-lebung des Wohnungbaus forderte die konservative Seiteeine Liberalisierung des Wohnungsmarkts wie in anderenLändern, d.h. einen Abbau des Mieterschutzes, um dasBauen wieder rentabel zu machen. Die Sozialdemokratenkämpften dagegen für eine Beibehaltung des Mieten-stopps und des Kündigungsschutzes.Unter dieser Voraussetzung konnte die zur Behebung derWohnungsnot erforderliche Bautätigkeit nur in Gang ge-setzt werden, wenn die Gemeinde selbst als Bauherr auf-trat. Der restriktiven Wohnungspolitik folgte notwendiger-weise die aktive: d.h. der Wohnungsneubau in kommu-naler Regie. 1928 stellte der Sozialdemokrat Otto Bauerfest, der Mieterschutz setze als seine Ergänzung zwin-gend die öffentliche Bautätigkeit voraus (Reppé, S. 16).Die Beschaffung des notwendigen Baugrunds wurde

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Undatiertes Zeitdokument aus derZwischenkriegszeit

Aus: Alfred Georg Frei: Die Arbei-terbewegung und die Gras-wurzeln am Beispiel der WienerWohnbaupolitik 1919–1934. Verlag Braumüller, Wien 1991, S. 197

durch die Stagnation des Bodenmarkts seit dem ErstenWeltkrieg und den Preisverfall infolge der Inflation begüns-tigt. Mit einer geschickten Bodenpolitik war es so der Ge-meinde möglich, bis 1929 30% der Stadtfläche ohne Ent-eignung zu niedrigen Preisen zu erwerben. Statt mit hohenFolgekosten verbundene Kredite aufzunehmen, finanzier-te die Gemeinde den Wohnbau durch eine extrem gestaf-felte Wohnbausteuer, die auf den Mietzins erhoben wur-de. 0,5% der Mietobjekte, d.h. die Mieter der teuerstenWohnungen, mussten 45% des Steueraufkommens auf-bringen. Zusätzlich zu der Wohnbausteuer traten Luxus-steuern z. B. für die Beschäftigung von Hauspersonal,das Halten von Pferden und großen Kraftfahrzeugen oderauf das Essen in feinen Restaurants. Dieses Steuersystemermöglichte eine wirksame Umverteilung der Vermögen.Die Luxusausgaben der Wohlhabenden finanzierten dieGrundversorgung der breiten Massen bei gleichzeitigerStimulierung der Wiener Wirtschaft. Der Erfinder diesesSteuersystems war der ehemalige Bankier Hugo Breitner,sozialdemokratischer Finanzreferent Wiens und im Bür-gertum meistgehasster Mann.Infolge der kommunalen Bautätigkeit hatte Wien damalsdie geringste Arbeitslosenquote in Österreich. Um dasBauen arbeitsintensiv zu gestalten, verzichtete man aufdie arbeitssparende Plattenbauweise, wie sie z. B. inFrankfurt angewandt wurde.In über 300 größeren Wohnanlagen schuf die Gemeinde in10 Jahren rd. 64 000 Wohnungen für etwa ein Siebtel derWiener Bevölkerung zu einem Mietpreis von etwa drei bisfünf Prozent des Einkommens. Dies bedeutete nicht nureine wesentliche Verbesserung der Wohnungsversorgung,sondern auch eine Revolution der Arbeiterwohnkultur,ein Novum in der europäischen Baugeschichte, in Stadt-planung und Sozialreform.

Der Karl-Marx-Hof: Mehr als Wohnen

Nach unseren Vorstellungen waren die Wohnungen desKarl-Marx-Hof bescheiden und klein; sie verfügten alleüber Küche und WC und einen Waschplatz im WC-Vor-raum oder in der Küche. 900 von 1400 Wohnungen hatteneinen Balkon oder eine Loggia. So einfach der Standardwar, so sehr musste er für Menschen, die bisher in Basse-

na-Wohnungen oder als Bettgeher hausten, als eine enor-me Verbesserung ihrer Lebensqualität erscheinen. EinBewohner berichtet: »... Man muss sich ja vorstellen, dieLeute kamen ja eigentlich alle aus ganz ärmlichenLöchern. Und da kriegt er jetzt eine Wohnung, wo Wasserund Klosett drinnen, ein Parkettboden sind und einen Bal-kon. Also, für die Leute war das ein Paradies.« (Reppé, S.91) An die Stelle der engen »Lichthöfe« traten die geräu-migen Innenhöfe, in denen sich die Menschen treffenkonnten. Betrugen die Mieten in den Mietzinshäusern biszu 30 % des Lohns, so mussten jetzt 3–5 % aufgebrachtwerden, Wohnen also beinahe zum Nulltarif. Dies bedeu-tete auch eine Reallohnsteigerung.Für die Sozialdemokraten hatten die Wohnanlagen aucheine propagandistische und politisch-erzieherischeFunktion. »Für uns ist dieser Bau ein Symbol, an seinerStirn trägt er den Namen des unsterblichen Geistes KarlMarx ... In seinem Namen haben wir hier eine Festung desMieterschutzes geschaffen« (Reppé, S. 38f.), sagte derPräsident des Stadtschulrats Otto Glöckel 1930 anlässlichder Fertigstellung des Karl-Marx-Hofs. In einer Rede vomJuni 1924 führte Bürgermeister Seitz aus, jeder solle seinerIndividualität entsprechend einzeln und abgegrenzt woh-nen können. »Für die allgemeinen Bedürfnisse der Erho-lung und Beschäftigung wird durch gemeinsame herrlicheParkanlagen, die allen zugute kommen, gesorgt. Wir wol-len unsere Jugend nicht zu Individualisten, zu Einzelgän-gern erziehen, sie soll in Geselligkeit aufwachsen und zuGemeinschaftsmenschen erzogen werden.« (Frei, S. 152)Die Wohnungen, die anders als die Bassena-Wohnungenfür ihre Bewohner ein kleines »Paradies« waren, in dem sieihre Individualität entfalten konnten, waren nicht das»ganze Heim«. Sie wurden ergänzt durch Gemein-

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Spielende Kinder im Zentralhof. Mit seinem Baumbewuchs wirktder Zentralhof heute wie eine Parkanlage.

Photo: J. Cramer

Daten zum Karl-Marx-Hof:

Bauzeit: 1926-30Ort: ehemalige Hagenwiese

gegenüber dem Heiligen-städter Bahnhof, Heiligen-städter Straße 82–92

Zahl der Wohnungen: 1400Zahl der Bewohner : ca. 5000Fläche der Wohnungen: 30-60 qm, je nach Anzahl

der ZimmerLänge des Gebäudes: 1 kmGesamtfläche: 156 000 qm bebaute Fläche: 18.5% Sanierung: 1989-1992

schaftseinrichtungen, welche die Menschen zusammen-bringen sollten. Da waren die Innenhöfe, Orte der Kom-munikation, in denen sich täglich ein lebhaftes Kinderle-ben abspielte, Kindergärten, Mütterberatungsstellen, Am-bulatorien, Leseräume, eine Zentralwäscherei, Bäder, Par-tei-, Gewerkschafts- und Vereinsräume, Verkaufsstellendes »Konsum« und ein Restaurant. Menschen, die in dieWohnungen einzogen, sollten Sozialisten werden. Die vierKeramikfiguren an der Mittelfront des Zentralhofes behan-deln die Themen Kinderfürsorge, Befreiung, Körperkulturund Aufklärung. Dies waren die Leitgedanken der sozial-demokratischen Wohnbaupolitik. Die überlebensgroßeBronzefigur des Bildhauers Hofner in der Mitte des Plat-zes stellt einen »Sämann« dar.Verglichen mit der progessiven Architektur des Bauhauseserscheint der Karl-Marx-Hof ebenso wie die anderen Ge-meindebauten jener Zeit eher bieder und konservativ. Viel-leicht war dies eine Ursache für die Akzeptanz bei der Be-

völkerung. Sein Architekt war Karl Ehn,der in der Tradition Otto Wagners stand.Die sich auftürmende Rückfront desZentralhofes mit den sechs Turmaufbau-ten, die durch die Fahnenstangen in derVertikalen noch verlängert werden,konnte wie eine Kampfansage an dasbürgerliche Wien erscheinen und wurdevon diesem auch so verstanden. Archi-tektonisch ging es jedoch darum, dieBaumasse der enorm langen Front desGebäudes (1 km) zu gliedern. Dies ge-lang, indem in der Mitte der Anlage eingeöffneter Zentralhof geschaffen wurde,dessen vertikal aufstrebende Rückfrontein Gegengewicht zu den horizontal aus-gestreckten Flankenteilen bildet. Diegroßen Torbögen verleihen der Masseder Mittelfront eine gewisse Leichtigkeit.Die Fassaden der Flankenteile werdendurch die Balkonlinien und die unter-schiedliche Farbgebung belebt. Be-trachtet man den Lageplan dieses»Wohnpalastes des Volkes« mit demgeöffneten Zentralhof, den Seitenflügelnund den Innenhöfen, so hat man beinahe

den Eindruck, als sei hier etwas von der barocken Traditi-on Wiens aufgenommen worden.

Das gewaltsame Ende

Der Wohnungsbau des Roten Wien war ein dauernderStreitpunkt zwischen den Sozialdemokraten und den bür-gerlich-klerikalen Kräften. Für Gegner und Befürworterhatte der Karl-Marx-Hof eine stark politische Symbolwir-kung. Den Bürgerlich-Klerikalen erschien er als Sammlungproletarischer Kräfte gegen das bürgerliche Wien, als Zer-störung der Familie und des Prinzips der Individualität. DieSozialdemokraten sahen in dem Bau ein Symbol für dieVerwirklichung einer neuen Zeit, die menschengerechtesWohnen, mehr soziale Gerechtigkeit und Freiheit von Un-terdrückung und Abhängigkeit bringen sollte.

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Der Kindergarten im Karl-Marx-Hof. Die Vorderfront weist auf den architektonischenEinfluss von Otto Wagner hin. Photo: J. Cramer

Lageplan des Karl-Marx-Hof Aus: Susanne Reppé: Der Karl-Marx-Hof. Picus Verlag, Wien 1993, S. 42

Die gewaltsame Zerschlagung der Demokratie undErrichtung einer Diktatur durch die Austrofaschisten 1934war vor allem gegen das Rote Wien gerichtet. Der ehema-lige Bundeskanzler Ignaz Seipel, ein Prälat, hatte schonJahre vorher die Parole ausgegeben: »Der Schutt der Re-volution muss hinweggefegt werden; man muss schießen,schießen, schießen.« Die Gemeindebauten wurden zumZiel gewaltsamen Vorgehens. Am 12. Februar 1934 fielendie ersten Artillerieschüsse gegen den Karl-Marx-Hof. Am15. Februar mussten sich die letzten Verteidiger des Hofesangesichts der Überlegenheit von Polizei, Heimwehr undTruppe ergeben.

Fortsetzung des Kommunalsozialismus in der Gegenwart

In einem Artikel vom Januar 1994 mit dem Titel »Die Me-tropole der Mieter - Das Wunder des Wiener Wohnungs-baus« schreibt die FAZ: »Weniger bekannt ist, dass derWiener Kommunalsozialismus fortlebt.« Besuchern ausder Bundesrepublik Deutschland, die an die Behauptunggewöhnt sind, nur noch die Selbstheilungskräfte desMarktes könnten den Wohnungsmarkt kurieren, antwortetnach dem Bericht der FAZ der Wiener WohnbaustadtratEdlinger: »Wohnungsbau ist keine wirtschafts-, sonderneine sozialpolitische Aufgabe, von der wir auch nicht ab-rücken werden, nur weil Markt und Eigentum gerade inMode sind ... Grund und Boden dürfen kein Instrumentder Gewinnmaximierung sein.«Edlinger ist Herr über 220 000 stadteigene Gemeindewoh-nungen und hat den Ehrgeiz, diesen Reichtum jedes Jahr

um 2000 Wohnungen zu erhöhen. Er arbeitet unter denBedingungen einer Planwirtschaft, die sich seit der ErstenRepublik kaum verändert hat. Die Stadt verfügt über einEinkaufsmonopol am Bodenmarkt. Wer mit öffentlicherFörderung bauen will, muss sein Grundstück vom städti-schen »Bodenbereitstellungsfonds« erwerben. Zehn Pro-zent der Lohn- und Einkommenssteuer werden in Öster-reich für die Wohnbauförderung abgezweigt. Dies ist eineNeuauflage der Abgabe, die der rote Wiener Finanzstadt-rat Hugo Breitner 1923 einführte. Für Wien brachte sie1993 1,2 Milliarden Mark. Die massive Investition in denkommunalen Wohnungsbau aus öffentlichen Mittelnbrachte »eine entscheidende Besserstellung der Wohn-verhältnisse breiter Bevölkerungsschichten, wie sie in die-ser Form mit einem Anteil von rund einem Drittel der Be-völkerung im kommunalen Wohnungsbestand der Stadtein einmaliges Phänomen im gesamten westeuropäischenStädtewesen darstellt«. (Lichtenberger, S. 84, Sp. 2f.)

Anmerkung

1 Für das Neue Bauen im Berlin der zwanziger und dreißiger Jahre vgl.:Berlin – europäische Metropole und deutsche Hauptstadt. In: Deutsch-land und Europa, Heft 31/1995, S. 37ff

Literaturhinweise

Alfred Georg Frei: Die Arbeiterbewegung und die »Graswurzeln« am Bei-spiel der Wiener Wohnungspolitik 1919–1934. Braumüller, Wien 1991

Elisabeth Lichtenberger: Wien zwischen extremer Grenz- und Mittelpunkt-lage. In: Bürger im Staat, Heft 2, 1997, S. 80 ff.

Michael Mönninger: Das Wunder des Wiener Wohnungsbaus. Sozialpolitikfür eine neue Baukunst des Alltags. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung,22.1.1994

Eugen v. Philippovich: Die Wiener Wohnverhältnisse. In: Archiv für sozialeGesetzgebung und Statistik, 7. Jahrgang, 1894, S. 215 ff.

Susanne Reppé: Der Karl-Marx-Hof. Picus, Wien 1993Rolf Schwendtner: Armut und Kultur der Wiener Jahrhundertwende. In: Die

Wiener Jahrhundertwende. Hg. von Jürgen Nautz und Richard Vahren-kamp im Auftrag der Universität Gesamthochschule Kassel. Wien/Köln/Graz 1993

2. Stadtentwicklung des modernen Wien

Vom sozialen Wohnungsbau zum sozialen Städtebau

»Die Wohnbautätigkeit selbst hat längst die Dimensionenvon sozialen Fürsorgemaßnahmen gesprengt.« (E. Lich-tenberger, S. 83, Sp. 3).Wohnbaupolitik in einer modernen demokratischen Ge-sellschaft muss in einen Zusammenhang mit einer Vielfaltweiterer planerischer Aufgaben des Städtebaus gestelltwerden. Die wichtigsten Bereiche sind Schutz der Um-welt, sinnvolle Abstimmung zwischen Individual- und öf-fentlichem Verkehr, Einrichtungen für Freizeit, Sport, Bil-dung, Kultur, Gesundheitswesen, Bereitstellung von Be-triebsflächen (vom Industrieunternehmen bis zum Super-markt). Die Lösung dieser Aufgaben ist wichtig für die Le-bensqualität der Bürger, die Bildung von Identität undfür die Rolle einer Stadt als Wirtschaftsstandort. Im Rah-men dieses Heftes kann nicht auf die Gesamtheit dieserBereiche eingegangen werden. Aber sie können bei denÜberlegungen zur Vorbereitung eines Besuchs in Wieneine Rolle spielen. Hier soll nur auf einige aktuelle Trendseingegangen werden.

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Der Karl-Marx-Hof im Wandel der politischen Verhältnisse:

Namensänderungen:

1930 Karl-Marx-Hof (Ära des Roten Wien)1934 Biedermann-Hof (Kommandant der Schutzkorps-

formation, die an dem Kampf der Austro-faschisten gegen den Karl-Marx-Hof beteiligt war)

1935 Heiligenstädter Hof1945 Karl-Marx-Hof (Anknüpfung an die Tradition

der Ersten Republik)1985 Umbenennung des Zentralhofes in

»12.-Februar-Platz«

Zusammensetzung der Bewohner:

1930 stammte nur ein Fünftel der Bewohner aus Döblingselbst, da dies ein vorwiegend bürgerlicher Bezirk war. Diemeisten kamen aus den traditionellen Arbeiterbezirken wieBrigittenau, Floridsdorf, Ottakring. Viele arbeiteten in denMetallbezirken über der Donau oder in den Uher-Werken.Daneben erhielten zahlreiche Eisenbahner eine Wohnungzugewiesen, da es einige Eisenbahnanlagen in der Nähegab. Nach dem Sieg der Austrofaschisten wurde eine ganzeReihe von Hauswarten entlassen. Haushalte, die einer revo-lutionären Gesinnung und Haltung verdächtigt wurden, er-setzte man durch »vaterländische« Mieter. Nach dem An-schluss Österreichs 1938 wurde antifaschistischen Bewoh-nern gekündigt, dafür wurden Nazis eingewiesen.

Neue Wachstumsfronten

Hatte sich die räumliche Entwicklung Wiens in der Zwi-schen- und Nachkriegszeit in der West-Ost-Achse mitdem Rücken zur Donau an die gründerzeitlichen Struktu-ren angeschlossen, so erhielt sie seit den sechziger Jah-ren einen neuen Schwenk: Die Wachstumsfronten derStadt richten sich nun nach Osten über die Donau hinwegund nach Süden. Der Wienerwald wurde schon seit dem

späten 19. Jahrhundert unter Schutz gestellt, was eineweitere Westexpansion verwehrt. Seine Fallwinde tragenzur Versorgung Wiens mit Frischluft bei.Neue Trassen des Verkehrs – von Schnellbahn, U-Bahn,Autobahn – verbinden den Süden und Osten der Außen-stadt. Diese tangentiale Vernetzung entlastet die In-nenstadt und begünstigt eine polyzentrische Entwick-lung. Dabei vermied die Stadt, Großwohnanlagen auf dasfreie Feld zu stellen; sie lagerte diese an die bereits beste-

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Leitbild der räumlichen Entwicklung Wiens:

In der Abbildung sind die neuen Wachstumsfronten nach Süden und nach Osten über die Donau und das sternförmige Achsenmodellsichtbar. Die schwarzen Flächen stellen die Hauptzentren dar: In der Mitte die Innere Stadt; außerhalb des sog. Gürtels: im Süden (vonlinks nach rechts) die Hauptzentren Meidling, Favoriten, Simmering, im Osten (von rechts nach links) Stadtlau, Kagran und Floridsdorf.Von den äußeren Hauptzentren erstrecken sich die Achsen nach außen. Zwischen den Achsen befinden sich Grünflächen, die erhalten bleiben sollen, locker bebaute Wohngebiete und Betriebsflächen (Gewerbe- und Industriegebiete, Flächen für technische Infra-struktur: Kläranlagen, E-Werke, Hafen etc.). Wien hat heute auf seinem Gebiet 10 700 Hektar an Wald-, Wiesen- und Parkflächen und Ge-biete mit »besonderer landschaftlicher Schönheit« unter Schutz gestellt.

Aus: Step 1994 – Stadtentwicklungsplan der Stadt Wien 1994-2004, Kartenbeilage

A,B,C. ... AchsenS Shopping cityL Landesgrenze des

Bundeslandes Wien

A B

LC

D

E

F

G

H

LIJ

K

L

S

hende Siedlungsstruktur an. Das Satellitenstadtmodell inVerbindung mit dem Massenverkehr wurde in Wien nichtfavorisiert.

Neues räumliches Leitbild

Seit dem Stadtentwicklungplan 1984 wird für die Außen-stadt das Modell der Entwicklungsachsen verfolgt. Diesesräumliche Leitbild sieht vor, dass im Anschluss an dasdicht bebaute Stadtgebiet in den äußeren Randgebietendie Siedlungsschwerpunkte vor allem in Entwicklungs-achsen zu liegen kommen, die sich im »fußläufigen« Ein-zugsbereich von leistungsfähigen ÖV-Linien (U-Bahn, S-Bahn, Straßenbahn) befinden. Ziel ist es, eine Zersiede-lung der noch vorhandenen Flächen zu vermeiden unddas Problem des massenhaften Autoverkehrs zu mildern.Die Grünräume zwischen den Achsen sollen erhalten undmöglichst nahe an das Stadtzentrum herangeführt wer-den.

Lokale Zentren im Umfeld wichtiger Haltestellen werdenausgebaut und mit allen städtischen Daseinsfunktionenversehen: Fußgängerzonen, Einkaufszentren, Bildungs-,Gesundheits-, kulturelle und andere soziale Einrichtun-gen. So sollen möglichst selbstständige Stadtteile mit ei-ner lebendigen urbanen Atmosphäre entstehen (polyzen-trische Struktur).Dieses sternförmige Entwicklungsmodell wurde bereits1920 in Hamburg entwickelt und erfuhr aufgrund desmassenhaften Autoverkehrs seit den sechziger Jahreneine Renaissance. Entsprechend den neuen Wachstums-fronten der Stadt befinden sich von den elf Entwicklungs-achsen fünf östlich der Donau, fünf im Süden und nur eineim Westen, da hier der Schutz des Wienerwalds Prioritätgenießt.Obwohl bereits seit 1984 Leitbild der räumlichen Ent-wicklung, gilt das Achsenmodell im Stadtentwicklungs-plan 1994 auch als eine Antwort auf die nicht erwarteteneue Dynamik seit der Wende 1989. Von 1989 – 1994 istWien um rd. hunderttausend Neubürger gewachsen. Die

Arbeitsplätze haben um etwa 50 000 zugenom-men. Bis 2010 rechnet man mit weiteren zwei-hunderttausend Neubürgern. Die Vorstellungder achtziger Jahre von Wien als einer Millionen-stadt mit abnehmenden Einwohnerzahlen in ei-ner stagnierenden Ostregion gehört offenbar derVergangenheit an.

Drei Beispiele

Im Süden entstanden auf der Achse Favoriten-Rothneusiedl (Achse G, s. S. 37) die P.A. Hans-son-Siedlung und auf der Achse Meidling-Sie-benhirten (Achse I) der Wohnpark Alterlaa. Hierwurde der Wohnbau aus dem »Nulltarif« heraus-genommen und erfolgte durch Träger des Eigen-tumswohnbaus und Genossenschaften. DieAnlagen haben einen gehobenen Wohnungs-standard. Der Wohnpark Alterlaa, der an Le Cor-busiers »Ville Radieuse« orientiert ist, erweckteinternationales Interesse. Im Stadtentwicklungs-plan 1994 wurde auf der Achse Simmering –Kaiser- Ebersdorf (Achse F) die WohnsiedlungLeberberg projektiert, deren Bau mittlerweilesehr weit fortgeschritten ist. U.a. wurden folgen-de »Nutzungen« vorgesehen: etwa 3800 Woh-nungen für 11 200 Einwohner; geplante Infra-struktur: Volksschule, Hauptschule, Zweigstelleder Volkshochschule und Stadtbücherei; Mehr-zweck-/Sporthalle, Kirche/Pfarrhaus, 8 Kinder-tagesheime (teilweise in die Bebauung inte-griert); Gesundheit und soziale Versorgung: El-tern-Kind-Zentrum, Apotheke, Ordinationen(Arztpraxen), Einrichtungen der außerschuli-schen Jugendbetreuung, Jugendzentrum, Kom-munikationszentrum für Behinderte; freizugäng-liche Park- und Erholungsflächen: etwa 5 ha;wohnungsnahe Grünflächen: insgesamt ca. 19ha. (Step 94 – Stadtentwicklungsplan 1994-2004, S. 146).

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Wohnpark Alterlaa Photo J. Cramer

Die innere Stadterweiterung

Neben dem Wohnungsbau in der Außenstadtspielte auch immer die innere Stadterweiterungeine Rolle. Flächen, die oft jahrzehntelang unge-nutzt waren, werden als Bauland nutzbar ge-macht: z.B. Kasernenareale, Industriebrache oderBahnhofsflächen (etwa die Umnutzung des Nord-bahnhofs). Nahezu die Hälfte der Bautätigkeit inder Nachkriegszeit und über zwei Drittel des priva-ten Betriebsbaus erfolgten auf dem kleinzügigenParzellensystem der Innenstadt. Allein im Zeit-raum von 1945–1980 wurden 123 000 Wohnungenin der gründerzeitlichen Innenstadt erbaut,während andererseits 180 000 Wohnungen in derAußenstadt entstanden. Immer steht auch die Sa-nierung des alten Wohnungsbestands auf demProgramm. Jährlich werden durchschnittlichzehntausend Altbauwohnungen renoviert für der-zeit etwa sechshundert Millionen Mark. DasStadtzentrum bildet auch heute die soziale Mitteder Stadt. »Wien unterscheidet sich damit bisheute grundsätzlich von den Städten derangelsächsischen Welt, in denen die Stadtmittezum Zentrum der Unter- und Randschichten derBevölkerung geworden ist.« (Lichtenberger, S. 83,Sp. 1)Die Stagnation des Bevölkerungswachstums bisEnde der achtziger Jahre wurde von der Stadtre-gierung als Chance genutzt, die Investitionen fürdie Verbesserung des Ausstattungsstandards unddie Erhöhung der Quadratmeterflächen an Wohn-raum, Betriebsraum, Geschäftsraum und Ver-kehrsraum pro Einwohner zu verwenden.

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Eine touristische Anzeige der Gemeinde Vösendorf. Sie wirbt mitdem »Kulturangebot Wiens« und dem »Größten Einkaufszentrum Eu-ropas« in Vösendorf. Die Anzeige weist auf die Wienorientierung nie-derösterreichischer Gemeinden im Umland hin.

Aus: »Die Zeit« vom 21. 11. 1997

Wien ist als Bundesland von dem Bundesland Niederöster-reich umgeben. Geschichtlich bedingt gibt es zwischen denbeiden Bundesländern enge Verbindungen, aber auch un-terschiedliche strukturelle Entwicklungen. Bis 1918 bildetenbeide das Erzherzogtum Unter der Enns. Niederösterreichwar ländlich und kleingewerblich geprägt mit einer starkenchristlichsozialen Mehrheit. Wien stellte neben seiner gei-stig-kulturellen Metropolstellung ein wirtschaftliches und in-dustrielles Zentrum dar mit einer starken sozialdemokrati-schen Bewegung. Nach dem Umbruch 1918 propagiertenchristlichsoziale Bauernvertreter Niederösterreichs und Wie-ner Sozialdemokraten die Trennung Wiens von Nieder-österreich. Während die Christlichsozialen mit dem Schlag-wort »Wasserkopf Wien« operierten, den man los habenwollte, war es das Ziel der Sozialdemokraten, sich für einesozialdemokratische Kommunalpolitik auf der Grundlage ei-ner absoluten Mehrheit im Wiener Stadtparlament freieHand zu verschaffen. Wien sollte im Rahmen des Gesamt-staats eine sozialistische Vorreiterrolle spielen. Übergangenwurden dabei die niederösterreichischen Sozialdemokraten,die eine künftige Minderheitenposition im niederösterreichi-schen Landtag verhindern wollten. 1920 wurde der Tren-nungsschritt vollzogen. Niederösterreich ist flächenmäßig

das größte und mit seiner 1000-jährigen Geschichte histo-risch das älteste Gebiet Österreichs. Dennoch weisen Un-tersuchungen darauf hin, dass die NiederösterreicherInnenim bundesweiten Vergleich die geringste emotionale Bin-dung an das eigene Bundesland aufweisen (Breuss/Lieb-hart/Pribersky, S. 230). Eine niederösterreichische Gemein-de wie Vösendorf bedient sich in ihrer touristischen Wer-bung vor allem der Attraktionen Wiens. Die geringe Ausprä-gung einer von der Identität des Gesamtstaats ab-weichenden Landesidentität Niederösterreichs mag auchdarauf zurückzuführen sein, dass Niederösterreich bis 1986keine eigene Landeshauptstadt besaß. Bis dahin bildete dieBundeshauptstadt den verwaltungstechnischen, politischenund vor allem kulturellen Bezugspunkt, sie war Sitz allerLandesämter, -behörden und Körperschaften. Wien galt alsheimliche Hauptstadt Niederösterreichs. Erst 1986 erhieltNiederösterreich mit St. Pölten eine eigene Landeshaupt-stadt. Damit wurde die österreichische Stadt mit dem älte-sten Stadtrecht die jüngste Landeshauptstadt. Trotz ihrerBemühungen, sich als zukunftsweisendes politisches undkulturelles Zentrum Niederösterreichs zu präsentieren, hatsich an der Wienorientierung der NiederösterreicherInnennur wenig geändert (Breuss/Liebhart/Pribersky, S. 231).

Das Verhältnis zwischen Wien und Niederösterreich

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Wien und das Umland

Da enge Wechselbeziehungen zwischen Wien und demUmland bestehen (z. B. Besiedelung, Zweitwohnungen imUmland, Freiflächen, verkehrsmäßige Vernetzung, Ar-beitsplätze, Pendlerströme), ist eine Fortsetzung der Ent-wicklungsachsen über die Landesgrenzen hinaus wün-schenswert. Das Umland wird von einem Gebiet mit ei-nem Radius von 40–50 km um Wien gebildet und ist Teildes Bundeslandes Niederösterreich. Auf Grund des in Nie-derösterreich angestrebten dezentralen räumlichen Ent-wicklungsmodells enden jedoch einige Entwicklungsach-sen an der Landesgrenze. Für grenzüberschreitende Ko-operationsformen nach dem Muster deutscher Planungs-verbände fehlt derzeit noch der allgemeine Konsens.Die Entwicklungspolitik der Gemeinden im Umland istvom Wettlauf um Wirtschaftswachstum und Siedlungs-erweiterung für die Ansiedlung von Betrieben und Wohn-bevölkerung gekennzeichnet. Besonders erfolgreich wardie an den Süden Wiens angrenzende Gemeinde Vösen-dorf. Hier entstand die so genannte Shopping-City Süd,ein überdimensionales Einkaufszentrum, in dem derMensch alles von der Zahnpasta bis zum Auto mit der Au-toversicherung erstehen kann. Die Shopping-City hat Vö-sendorf zu einer der einkommensstärksten Gemeinden inNiederösterreich gemacht.Es gibt zwar Wienerinnen und Wiener, die es ablehnen,dort einzukaufen. Dennoch stammt die überwiegendeMehrzahl der Kunden aus Wien. Die U-Bahn U 6 nach

Siebenhirten ist zu weit entfernt, als dass der Kunde siezur Anfahrt benützen könnte. Die Shopping-City liegt zwi-schen der Autobahn A 6 und der Bundesstraße B 17. DieAnfahrt mit dem Auto ist daher der bequemste Weg. Zu-dem werden Großeinkäufe heute ohnehin meist mit demAuto getätigt. An verkaufsreichen Tagen versuchen daherMassen von Käufern und Käuferinnen, auf den riesigenParkplätzen einen Platz zu ergattern. Für die Kritiker be-deutet die Shopping-City daher eine erhebliche Verkehrs-und Umweltbelastung des Südens von Wien. Inzwischenhat man zumindest erkannt, dass eine stärkere Koope-ration zwischen Wien und dem Umland notwendig ist,nicht zuletzt infolge der Dynamik, die durch die ÖffnungOsteuropas und den Eintritt Österreichs in die Euro-päische Union bedingt ist und für die Ostregion eine großeHerausforderung darstellt. »Wien und das Umland: Ge-meinsam sind wir stark«, heißt es im Stadtentwicklungs-plan 1994.

Literaturhinweise

Susanne Breuss/Karin Liebhart/Andreas Pribersky: Inszenierungen. Stich-worte zu Österreich. Verlagsgesellschaft m.b.h., Wien 1995

Elisabeth Lichtenberger: Wien zwischen extremer Grenz- und Mittelpunkt-lage. In: Bürger im Staat, Heft 2, 1997, S. 80 ff.

Step 94 – Stadtentwicklungsplan der Stadt Wien 1994–2004. Beiträge zurStadtforschung, Stadtentwicklung, Stadtgestaltung, Bd. 53

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S

Wien als Weltstadt wurde nach dem Zerfall des Habsbur-gischen Reiches zu einer provinziellen Hauptstadt einesKleinstaates. Erst nach dem Staatsvertrag 1955 ent-wickelte sich Österreichs Metropole zu einem Zentrum in-ternationaler Organisationen und zur drittwichtigsten Kongressstadt der Welt. Der Aufstieg Wiens zur »Welt-Drehscheibe« ist eng mit dem Namen Bruno Kreisky(1911– 1990), dem österreichischen Bundeskanzler von1970– 1983 (SPÖ), verbunden:»Man hat den Eindruck, dass er die große Welt erst richtigin das kleine Österreich hineinließ bzw. das kleine Öster-reich durch seine Person und Diplomatie an die große Weltheranführte.«1

Sein Name steht also international als Synonym für daspolitische Konzept des »österreichischen Weges«. Er ge-staltete eine aktive Neutralitätspolitik mit einer gewissenDistanz zu beiden Blöcken (jedoch mit Verankerung imWesten) und übernahm die Rolle eines Vermittlers im Ost-West-, aber auch im Nord-Süd-Konflikt.Ende der 1980er Jahre änderte sich das politische Um-feld. Das Ende des Ost-West-Gegensatzes und das Be-mühen Österreichs um eine politische und ökonomischeIntegration in die westeuropäische Gemeinschaft – derBeitritt in die EU erfolgte 1994 – bewirkten den Verlust desso genannten »Neutralitäts-Bonus«. Wiens führende Rolleals Sitz internationaler Organisationen schien gefährdet,zumindest steht sie im Wettbewerb mit anderen interna-tionalen Kongressstädten.

UNO-Standort Wien

Die Position der Wiener Kommune zum UNO-StandortWien hat Bürgermeister Michael Häupl 1996 folgender-maßen umschrieben:

Die UNO-City an der Donau ist das Wahrzeichen des modernenWien. Sie ist aber auch Sinnbild für eine Großstadt, die aus denWirren dieses Jahrhunderts zu einer neuen Identität, zu einemneuen Selbstverständnis und zu einem neuen Selbstbewusstseingefunden hat – als Stätte des Friedens, der Freiheit und der inter-nationalen Begegnung. Wenn Wien heute als weltoffene Metro-pole im Herzen Mitteleuropas gilt, so verdankt es diesen Ruf nichtzuletzt seiner Rolle als einer der drei Amtssitze der Vereinten Na-tionen, den mehr als 40 internationale Organisationen und Institu-tionen, die in der österreichischen Bundeshauptstadt beheimatetsind, sowie seiner Spitzenposition im Feld der Tagungsorte –Wien ist nach Paris weltweit der bereits zweitwichtigste Austra-gungsort für internationale Konferenzen.

Aus: Schwerpunkt UNO, in: »Der BRGler«, 4/1996, S. 21

Die »UNO-City« – das moderne Wien

Die UNO-City an der Donau ist nach Bürgermeister Häupldas Wahrzeichen des modernen Wien. Das an den Do-naupark – zur Wiener Internationalen Gartenausstellungangelegt – grenzende Vienna International Center ist auchunter dem Namen »UNO-City« bekannt. Die eigenwillig

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Zeittafel

1957 Die Internationale Atomenergiebehörde der UN (IAEO)

1961 Treffen von Kennedy und Chruschtschow, Führer der Supermächte, in der »kältesten Phase des kalten Krieges«

1965 Die Organisation Erdöl exportierender Länder (OPEC): Hauptquartier

1967 Organisation der UN für industrielle Entwicklung (UNIDO): Hauptsitz

1973 Wien – alternierend mit Helsinki – Verhandlungsort von SALT I (Strategic Arms Limitations Talks); Unterzeichnung des Vertrages durch Carter und Breschnew im Redoutensaal der Hofburg

seit 1973 Wien Zentrum der sich 15 Jahre erfolglos hinziehenden Gespräche über die »Beiderseitige Reduzierung von Streitkräften und Rüstungen« (MBFR)

1976 Das Hilfswerk der UN für Palästinaflüchtlinge im Nahen Osten (UNRWA): Hauptquartier in Wien; 1995 nach Gaza verlegt.

1979 Internationales Zentrum Wien (»UNO-City«): Sitz verschiedener UNO-Einrichtungen, Wien dritter Amtssitz der VereintenNationen neben New York und Genf

1986–89 Wien Schauplatz des Dritten KSZE-Folgetreffens (Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa)

1989 Abrüstungsverhandlungen über konventionelle Streitkräfte Vertrag über konventionelle Streitkräfte (KSE-Vertrag) in Wien paraphiert, jedoch auf Wunsch der NATO und der EU in Paris unterzeichnet

1994 »Hauptstadt der Menschenrechte«: UNO-Menschenrechtskonferenz; »OSZE-Hauptstadt«: wichtige Einrichtungen derOSZE (Ständiger Rat, Forum für Sicherheitskooperation)

1997 Neue Atomteststopp-Überwachungsbehörde (CTBTO)

E u r o p a - M e t r o p o l eVII. Wien: UNO-Standort und Europa-Metropole

Von Günther Zollmann

Wien: Sitz internationaler Organisationen und »Stätte des Dialogs«

geschwungenen Bürotürme (nach Plänen des österreichi-schen Architekten Johann Staber) entstanden zwischen1973 und 1976. Sie gehören dem österreichischen Staat,stehen allerdings auf einem Grund, der von der GemeindeWien zur Verfügung gestellt wurde. Die gesamte Anlage istjedoch für 99 Jahre zu einem symbolischen Pachtzins vonjährlich 1 Schilling an die UNO vermietet, die hier mehrereihrer Organisationen unterbrachte. In unmittelbarer Nach-barschaft zur UNO-City liegt das Austria Center Vienna.Es wurde 1987 eröffnet, ist ein supermodernes Veranstal-tungs- und Konferenzzentrum für rund 6000 Teilnehmer.Im Anschluss an die UNO-City war ursprünglich die Welt-ausstellung 1996 gemeinsam mit Budapest vorgesehen.Inzwischen erfolgte eine Umplanung in Richtung auf eineDonau-City hin, welche mit Hochbauten Wien tatsächlichan die Donau bringen wird.Die Integration der Donau2 in die Stadtlandschaft ist einNovum. Anders als Budapest war Wien in der Gründerzeitnicht an die Donau gerückt. Die Einbeziehung des Donau-raumes in den Stadtkörper erfolgte erst durch den Bau derUNO-City. Anlass für diese Einbindung waren die großenÜberschwemmungen der 60er Jahre, die den Bau eineszweiten Donaubettes zur Folge hatte.Zwischen der Alten und Neuen Donau entstand eine Inselvon 21 km Länge und einer Breite von 70 bis 210 m. Die-se Donauinsel ist zu einem großzügigem Freizeitareal aus-gestaltet worden, mit neuen Stationen der U-Bahn undSchnellbahn. Keine andere Großstadt verfügt über einderart großes Erholungsareal.

Die Wiener und ihr UNO-Zentrum

Die Beziehungen der Wiener zu ihrem UNO-Zentrum wa-ren stets zwiespältiger Natur. Einerseits war man stolzdarauf, andererseits kritisierte man die hohen Baukosten

und die geringe Miete, die die Weltorganisation bezahlt.Im Bewusstsein vieler Wiener gehört der UNO-Standort,nördlich der Donau gelegen, nicht zu Wien. Menschendenken und leben in Räumen. Und Wien hat sich seit derGründerzeit bis in die 70er Jahre mit dem Rücken gegendie Donau entwickelt.

Der UNO-Standort Wien verlor in den 90er-Jahren an Be-deutung. Die Ursachen für diese Entwicklung sind vielfäl-tiger Natur:

– Der Nimbus Wiens als neutraler Ort zwischen Ost undWest ging durch den Fall des Eisernen Vorhanges, ver-stärkt durch den EU-Beitritt, verloren.

– Die anhaltende Finanzkrise der UNO und der damit ver-bundene Reorganisationsprozess machen auch vordem Standort Wien nicht Halt.

– Hinzu kommt noch die verschärfte Konkurrenz im Be-mühen anderer Städte und Staaten um die Ansiedlunginternationaler Organisationen. So versucht Bonn dieÜbersiedlung der Regierungsbehörden nach Berlin mitlukrativen Angeboten an Organisationen wett zu ma-chen.

Seitdem der Standort Wien unter Druck gerät, versuchenBehörden und Medien, die Vorteile der UNO-City heraus-zustellen:Die internationalen Organisationen beschäftigen rund 4500 Beamte, davon über 1500 Österreicher. Weiterhinsind in den Botschaften und internationalen Behörden fast2000 Mitarbeiter akkreditiert.Dazu kommen noch jährlich zehntausende Personen, diesich im Rahmen von Konferenzen in der österreichischenHauptstadt aufhalten.Neben allen politischen und Image-Vorteilen ist das inter-nationale Zentrum ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ge-worden. Die internationalen Organisationen erbringen für

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Das Vienna InternationalCenter

Photo: Jost Cramer

die Wiener Wirtschaft jährliche Einnahmen von mehr als4,2 Milliarden Schillinge.Wiens Stellung als Kongressstadt scheint gesichert zusein. In einer Statistik von 1992 wurde Wien auf Rang dreider internationalen Kongressstädte eingereiht. 65 000ausländische Gäste mit 275 000 Übernachtungen gaben1,5 Milliarden Schillinge in Wien aus.

Wien in Europa

Das Ende der Teilung Europas und der Beitritt Österreichszur EU haben neue Rahmenbedingungen für Wien ge-schaffen. Die Aufgabe, die in Zukunft von der WienerKommune zu lösen ist, wurde in der »Wiener Europade-klaration«, im Wiener Landtag 1994 beschlossen, um-schrieben:

[…] »Als vor wenigen Jahren der Eiserne Vorhang ver-schwand, gingen für Wien Jahrzehnte einer geradezu extre-men Randlage im westlichen Europa zu Ende. […] In einer Phase derart nachhaltiger Veränderung kann und willWien seine Rolle als Transferstadt zwischen Ökonomien,Kulturen und unterschiedlich entwickelten Städten und Re-gionen voll ausspielen. Wien hat sich daher nie allein ›west-lich‹ orientiert, sondern sich besonders auf die großen Nach-barstädte im ehemaligen Osten konzentriert. […] Wien be-kennt sich zu einem Europa. Wien ist sich dabei insbeson-dere auch seiner Rolle als mitteleuropäische Metropole mitihrer Verbindungsfunktion zu den osteuropäischen Staatenbewusst und will diese in einem Europa der Regionen erfül-len.«

Wien ist aufgrund seiner geopolitischen Lage am »Randder EU« prädestiniert, als EU-Zentrum für Osteuropa-Ak-tivitäten zu dienen. Die Stadt setzt als Zentrum für denosteuropäischen Raum auf ihre Ausstrahlung in RichtungPrag, Budapest und Preßburg. Alle Bemühungen kommennur langsam und zäh voran. Die Hindernisse sind hoch.Der Eiserne Vorhang machte das Marchfeld, die 60 kmlange Ostgrenze zur Slowakei, zu einem Ödland. Die Ver-kehrsinfrastruktur ist noch schlecht entwickelt. So verkeh-ren nur drei Züge täglich nach Budapest. Die meisten Ko-operationsversuche mit der slowakischen Hauptstadt

Preßburg, nur 60 km von Wien entfernt, sind im Grundegescheitert. Die Kontrollen nach dem Schengener Ab-kommen an der östlichen EU-Außengrenze haben eineEinreisezeit von 4 bis 5 Stunden zur Folge.Die Rolle Wiens in Mitteleuropa kann keineswegs an dieFunktion anknüpfen, die sie im Großreich der HabsburgerMonarchie hatte. Damals hatte sie eine Mittelpunktlage.Vielmehr nimmt Wien heute eine Schnittstellenfunktionein.Diese Aufgabe ordnet die EU-Kommission Österreichüberhaupt zu:»Der Gemeinschaft werden ferner die Erfahrungen einesLandes zum Vorteil gereichen, das wie Österreich auf-grund seiner geographischen Lage, seiner Vergangenheitund der ererbten und neu hinzugewonnenen Verbindun-gen genau im Mittelpunkt des Geschehens liegt, aus demdas neue Europa entsteht.«3

Interessant ist, dass hier der Vorzug der EU-Mitgliedschaftmit seiner »Erfahrung« in einer anderen europäischen Re-gion, außerhalb der bestehenden Unionsgrenzen, begrün-det wird. Die aus der »Vergangenheit ererbten Verbindun-gen« müssen demnach aus Österreichs Rolle als Zentrumder Habsburger Monarchie herrühren. »Neu hinzugewon-nen« wurden diese Verbindungen mit den östlichen Nach-barstaaten in den Ereignissen nach 1989, die zum Wegfallder österreichischen Staatsgrenzen als Blockgrenzenführten. Während des Kosovo-Krieges 1999 trat wohl we-gen der militärischen Dominanz der NATO die Schnittstel-lenfunktion Wiens bzw. Österreichs zurück. Jedoch könn-ten im Rahmen der EU-Osterweiterung und einer eventu-ellen politischen Friedensordnung auf dem Balkan der Ge-meinschaft die Erfahrungen Österreichs tatsächlich zumVorteil gereichen.

Anmerkungen

1 In: Norbert Leser: Salz der Gesellschaft. Wesen und Wandel des öster-reichischen Sozialismus: Wien 1988, S. 195

2 Demnächst erscheint in der Reihe D & E ein Heft über »Die Donau – eu-ropäische Lebensader, Grenze, Verbindung«

3 Zitiert nach Gerhard Theato: Stichwort Österreich. München 1992, S. 92

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Wien-Adressen

Allgemeine Informationen:

Österreich-Information in DeutschlandPostfach 123182019 Taufkirchen/MünchenTel.: 089 / 666 70 100Fax: 089 / 666 70 [email protected]

Vienna Info-Sites:info.wien.atwww.evolver.atwww. vienna.at/Falterwww.vienna,atwww. coolplaces.wien.at(neue Website der Stadt auf Deutsch und Englisch, bes. für Jugendliche)

Stadt-Info:Friedrich-Schmidt-Platz 1Rathaus / 1. BezirkTel.: 0043 - 1 - 52550

Tourist-InformationZentrale, VerwaltungObere Augartenstr. 401025 Wien / 1. BezirkTel.: 0043 - 1 -21114

Aussenstellen:a) Kärtnerstr. 381010 Wien / 1. BezirkTel.: 0043 - 1 -513 88 92ab Frühjahr 2000:Albertinerplatz1010 Wienb) Flughafen Ankunftshalle, Öffnungszeiten: 8 - 21 Uhrc) Westbahnhof Schalterhalle, Öffnungszeiten: 7 - 22 Uhr

Jugendinfo Wien:Dr. Karl-Renner-Ring / Bellaria-Passage (Unterführung)1010 Wiengeöffnet Mo - Sa 12 - 19 UhrTel.: 0043 - 1 [email protected] 2.1.2000:Burgring /Babenberger Str.

Führungen:

Rathaus:Führungen nach Vereinbarung, Anmeldung mindestens 4 Wochen im VorausTel.: 0043 - 1 - 4000 81360

Parlament:Führungen nach Vereinbarung, Anmeldung 3 Wochen im VorausTel.: 0043 - 1 - 40110 211

Institutionen:

1. UNO-City (Besucher-Service)Wagramer Str. 5 / Donaupark1400 Wien / 22. BezirkTel.: 0043 - 1 - 2606 4234

2. Interkulturelles ZentrumKettenbrückengasse 231050 WienTel.: 0043 - 1 - 586 75 44Fax: 0043 - 1 - 586 75 44 - 9Internationale Schulpartnerschaften, Interna-tionale Seminare, Friedenserziehung undKonfliktlösung

3. Kultur KontaktSpittelberggasse 3/D1070 WienTel: 0043 - 1 - 5238 765Fax: 0043 - 1 - 5238 765 - 20Bildungskooperation

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Die Reihe »Deutschland und Europa (bis Heft 19 unter dem Titel »Die Deutsche Frage im Unterricht«) richtet sich in ersterLinie an Lehrkräfte der Unterrichtsfächer Politik, Geschichte, Geographie, Deutsch und Bildende Kunst. Die Publikationen wenden sich darüber hinaus an alle interessierten Jugendlichen und Erwachsenen. Die Zeitschrift soll deutsche und europäische Themen in historischer und politischer Perspektive darstellen. Sie erscheint zweimal im Jahr und wird durch die Robert Bosch Stiftung und die Stiftung für Bildung und Behindertenförde-rung finanziell unterstützt.Die Hefte mit Bausteinen und Unterrichtsmaterialien sind speziell für den Unterricht an den allgemeinbildenden Schulenerarbeitet. Die Exkursionshefte(*) sind für Schul- und Studienfahrten, für Partnerschaftsunternehmungen, für Projekte undden fächerverbindenden Unterricht eine Hilfe.

Von den bisher erschienenen Heften sind noch lieferbar: (10.99)Heft 13 Der historische Faust (unveränderter Nachdruck 1999)Heft 17 Philipp Melanchthon – ein Lehrer Deutschlands (Neudruck 1996)Heft 26 Theodor HeussHeft 27 Wirtschaftlicher Umbruch Strukturwandel in den neuen BundesländernHeft 28 Zwischen Elbe und Neiße Nieder- und Oberlausitz *Heft 29 Europäische Friedensschlüsse Deutschland in Europa 1648 -1815 -1919 - 1990Heft 30 Sankt Petersburg Rußlands Fenster nach Europa *Heft 31 Berlin Europäische Metropole und deutsche Hauptstadt *Heft 32 Elsaß Europäische Region in Geschichte und Gegenwart *Heft 33 Die Oder *Heft 34 Wales *Heft 35 1848/49: Revolution »… bis es ein freies Volk geworden …« (unveränderter Nachdruck 1999)Heft 36 Flandern eine europäische Region*Heft 37 Polen in Europa (unveränderter Nachdruck 1999)Heft 38 Jahrtausendwende (*Exkursionshefte)Heft 39 Wien – Europäische Metropole im Wandel*

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Dieses Leitbild wurde von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Landeszentrale entwickelt und auf der Personalversammlung am 8. Juli 1999 in Rastatt verabschiedet.

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»Das vereinigteDeutschland in Europa– 10 Jahre«

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Abteilung II Adressaten (Karl-Ulrich Templ, stellv. Direktor)FachreferateII/1 Medien: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -20II/2** Frieden und Sicherheit: Wolfgang Hesse . . (0 7125) 152 -140II/3 Lehrerfortbildung: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . . -20II/4* Schülerwettbewerb:

Reinhard Gaßmann . . . . .-25, Ass. Monika Greiner . . . . . -26II/5 Außerschulische Jugendbildung: Wolfgang Berger . . . . . -22II/6** Öffentlicher Dienst: Eugen Baacke . . . . . . . (0 7125) 152 -136

Abteilung III Schwerpunkte (Konrad Pflug)FachreferateIII/1** Landeskunde/Landespolitik:

Dr. Angelika Hauser-Hauswirth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -32III/2 Frauenbildung: Christine Herfel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -487III/3** Zukunft und Entwicklung:

Gottfried Böttger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 7125) 152 -139III/4** Ökologie: Dr. Markus Hug . . . . . . . . . . . . . . (0 7125) 152 -146III/5* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Konrad Pflug . . . . . . . . . . -30III/7* Gedenkstättenarbeit: Konrad Pflug . . . . . . . . . . . . . . . . . . -31

Abteilung IV Publikationen (Prof. Dr. Hans-Georg Wehling)FachreferateIV/1 Wissenschaftliche Publikationen

Redaktion »Der Bürger im Staat«:Prof. Dr. Hans-Georg Wehling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -40

IV/2 Redaktion »Politik und Unterricht«: Otto Bauschert . . . . . -42IV/3 Redaktion »Deutschland und Europa«:

Dr. Walter-Siegfried Kircher . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -43IV/4 Didaktik politischer Bildung: Siegfried Frech . . . . . . . . . . -44

Abteilung V Regionale Arbeit (Hans-Joachim Mann)Fachreferate / AußenstellenV/1 Freiburg: Dr. Michael Wehner . . . . . . . . . . . (07 61) 2877377V/2 Heidelberg: Dr. Ernst Lüdemann . . . . . . . . . (0 62 21) 60 78-14V/3* Stuttgart: Hans-Joachim Mann . . . . . . . . . . (0711) 16 40 99-50V/4 Tübingen: Rolf Müller . . . . . . . . . . . . . . . . . (0 70 71) 2 00 29 96

AnschriftenHauptsitz in Stuttgart (s. links)* 70178 Stuttgart, Sophienstraße 26-30,

Telefax (0711) 16 40 99-55** Haus auf der Alb

72574 Bad Urach, Hanner Steige 1,Tel. (0 71 25) 152-0, Telefax (0 7125) 152-100

Außenstelle FreiburgFriedrichring 29, 79098 Freiburg, Telefon (0761) 207730, Telefax (0761) 2077399

Außenstelle Heidelberg Friedrich-Ebert-Anlage 22-24, 69117 Heidelberg, Telefon (0 6221) 60 78-0, Telefax (0 62 21) 60 78-22

Außenstelle StuttgartSophienstraße 28-30, 70178 Stuttgart, Telefon (0711) 16 40 99-51, Telefax (0711) 16 40 99-55

Außenstelle TübingenHerrenberger Straße 36, 72070 TübingenTel. (0 70 71) 2 00 29 96, Telefax (0 70 71) 2 00 29 93

Bibliothek Bad Urach Bibliothek/Mediothek Haus auf der Alb, Bad UrachGordana Schumann, Telefon (07125) 152-121Dienstag 13.00–17.30 UhrMittwoch 13.00–16.00 Uhr

Publikationsausgabe StuttgartStafflenbergstraße 38Ulrike Weber, Telefon (0711) 16 40 99-66Montag 9 –12 Uhr und 14 –17 UhrDienstag 9 – 12 Uhr Donnerstag 9 –12 Uhr und 14 –17 Uhr

Nachfragen

»Der Bürger im Staat«Ulrike Hirsch, Telefon (0711) 16 40 99-41

»Deutschland und Europa«Sylvia Rösch, Telefon (0711) 16 40 99-45

»Politik und Unterricht«Sylvia Rösch, Telefon (0711) 16 40 99-45

Publikationen (außer Zeitschriften):Ulrike Weber, Telefon (0711) 16 40 99-66

Bestellungenbitte schriftlich an die zuständigen Sachbearbeiterinnen (s. o.):Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Fax 07 11/2 37 14 96oder online: http://www.lpb.bwue.de