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Retail vs. eTail Information – Transaktion – Transformation Die Zukunft des Handels in der digitalisierten Welt Impulsveranstaltung in Berlin 30. Oktober 2013

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Retail vs. eTail Information – Transaktion – Transformation Die Zukunft des Handels in der digitalisierten Welt

Impulsveranstaltung in Berlin 30. Oktober 2013

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Retail vs. eTail Information – Transaktion – Transformation Die Zukunft des Handels in der digitalisierten Welt

Impulsveranstaltung in Berlin 30. Oktober 2013

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Günter Althaus Vorstandsvorsitzender ANWR GROUP eG

Sie kennen diese Geschichte sicherlich: Der Erfinder des Schach-spiels erbat vom König als Anerkennung für seine Leistung ein Reis-korn auf dem ersten Feld, zwei auf dem zweiten, vier auf dem drit-ten ... stets die doppelte Menge Reiskörner des vorherigen Feldes. Schließlich lagen (zumindest theoretisch) allein auf dem 64. Feld 9.223.372.036.854.775.808 Reiskörner! Eine amüsante Rechenspielerei, ja – aber was interessiert uns das im Handel? Ich meine, sehr viel, denn die Auswirkungen eines ähnlichen Phänomens beschleunigen unsere Welt in buchstäblich unfassbarer Weise.

Dieses Phänomen formulierte Gordon Moore bereits im Jahr 1965. Das „Moore’sche Gesetz“ besagt, vereinfacht ausgedrückt, dass sich die potenzielle Rechenleistung von Computerchips jährlich verdoppelt. Heute, im Jahr 2014, befinden wir uns demnach also auf Feld 49 des Schachbretts ...

Von Reiskörnern und Zeitreisen

Die Idee

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Was die Entwicklungsgeschwindigkeit der digitalen Welt mit sich bringt, was sie für Menschen und damit für den Handel, seine Formen und Prozesse bedeutet, ist nur noch schwer zu überschauen. Und ge-nau deshalb ist „die Zukunft des Handels in der digitalisierten Welt“ das perfekte Thema für HandelnDenken.

Ende Oktober 2013 gingen wir als Vordenker und Lenker kooperati-ver Handelsorganisationen gemeinsam auf Zeitreise – nicht etwa in die ferne Zukunft, sondern in die Tiefen unserer Gegenwart. Dorthin, wo teils in den Entwicklungslabors, teils direkt vor unseren Augen Erstaun-liches, Ungeheuerliches, Faszinierendes geschieht. Wir sollten dabei auf Dinge treffen, die einen Science-Fiction-Autor der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts noch in ungläubiges Staunen versetzt hätten

– implantierte Nanoroboter, Emotionen erkennende Kameras, schwarm-intelligente Drohnen, vernetzte Kontaktlinsen ... sämtlich Dinge, die gerade die Schwellen der Labors in die Weite der Massenanwendung überschreiten.

Doch wir beschäftigten uns vor allem auch mit einem ganz ent-scheidenden Taktgeber dieser Entwicklungen: mit dem Menschen. Sei es nun als Unternehmer, der zu verantworten hat, was zwingend und

auch was sinnvoll und besser möglich in der Entwicklung ist, sei es als Kunde und Konsument, der entscheidet, was er für sich annehmen und umsetzen kann.

So war für mich die altmodischste Seite unserer Veranstaltung zu-gleich auch die wertvollste – der intensive persönliche Austausch mit den Teilnehmern und Impulsgebern über Meinungen, Erfahrungen und Einschätzungen.

Wohin uns die rasende Zukunft in zwei Jahren auch bringen mag: Genau diesen Austausch und diese wertvollen Begegnungen bei HandelnDenken 15 mit Ihnen fortzusetzen – darauf freue ich mich schon heute!

Genießen Sie die Impressionen unserer gemeinsamen Zeitreise in Berlin und seien Sie sehr herzlich gegrüßt.

Ihr

Günter Althaus

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Positionen erkennen

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Die meisten Teilnehmer unserer Veranstaltung waren mit dem Flugzeug angereist – das ist schnell, bequem, mittlerweile sogar ver-gleichsweise günstig und fühlt sich heute nicht viel exklusiver an, als mit dem Bus zum Büro zu fahren. Dabei sind die Zeiten, als Fliegen die mondäne Seite der Modernität schlechthin darstellte, gar nicht so lange her. Am Vorabend unserer Impulsveranstaltung begaben wir uns an einen Ort, der diese Zeit sinnlich spürbar macht – die PanAm Lounge im „Haus Eden“ an der Budapester Straße in Berlin.

PanAm war bis zu ihrer Insolvenz im Jahr 1991 die größte Luftfahrt-gesellschaft der USA – ihre ganz große Zeit aber, die sogenannte Jet Era, lag in den 1960er Jahren. Damals war die PanAm Lounge für die Piloten und Flugbegleiterinnen eine Insel modernen amerikanischen Lebens-stils inmitten der Inselstadt West-Berlin.

Das ehemalige „Wohnzimmer“ der PanAm Mitarbeiter und das an-geschlossene Appartement atmen mit jedem Detail den Geist dieser Zeit, erinnern an Filme wie „Catch Me If You Can“ und natürlich „Eins, zwei drei“, an TV-Serien wie „Mad Men“ und den einen oder anderen älteren Jahrgang an die eigene Jugend. Das Ambiente lässt aber vor al-lem an eine Zeit zurückdenken, in der Zukunft weit weg und große Ge-schwindigkeit ein Luxus für wenige war. Die Uhren tickten im wahrsten Sinne des Wortes noch anders.

Ein idealer Ausgangspunkt also für das, was wir am nächsten Tag vorhatten – eine Auseinandersetzung mit der Zukunft, die längst nicht mehr das Beschäftigungsfeld für Romanautoren und Filmemacher ist, sondern quasi in Armlänge vor uns beginnt. Eine Welt, in der wir, um mit John Naisbitt zu sprechen, „in Informationen ertrinken, während wir nach Wissen dürsten“. Eine Welt, von der die PanAm Stewardess beim Blick von der Dachterrasse der PanAm Lounge auf den Westen der geteilten Metropole mit Sicherheit nicht einmal träumte. Und nicht nur für diese Stadt gilt:

„Berlin, Berlin, wat haste dir verändert ...“

Zeitreise 1 – in die Vergangenheit der Zukunft

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Impuls:

Das Kaminzimmer der PanAm Lounge ist ein Ort, an dem die Zeit stillzustehen scheint – nicht zuletzt die Erlaubnis, dort zu rauchen, illustriert, dass das Gebot, sich in stets zu-nehmender Geschwindigkeit dem Lauf der Zeit anzupassen, zumindest für die Dauer des Aufenthalts außer Kraft gesetzt ist. Es ist ein Ort für den Moment, für das philosophierende Plaudern und freie Weiterspinnen von Ge-dankenfäden. Heinz Grüne ist ein Mensch, der solche philosophischen Plaudereien liebt, und das freie Assoziieren ist für ihn als Psycholo-gen so etwas wie ein Handwerkszeug.

Für die freie Assoziation zu unserem The-ma „Retail vs. eTail“ nahm sich Heinz Grüne die Agenda des kommenden Tages vor, und Stichworte wie „ „Multichannelling“ und „Big Data“, aber auch „Stuhl-Mikado“, „schönes Wetter“ und „Kaffeepäuschen“ inspirier-ten ihn zu einem gedanklichen Spaziergang durch die psychologischen Landschaften, in denen unser manchmal recht technisch anmutendes Thema angesiedelt ist.

Das „Stuhl-Mikado“ – die chaotische Verteilung der Plätze, bei der die Schnellsten und Geschicktesten sich eine gute Position verschaffen und Langsame, Unfähige, Igno-rante und bloße Zuschauer am Ende womög-lich ganz ohne Sitz dastehen. Nachdem der Handel jahrhundertelang in wohlgeordne-ten Reihen aufgestellt war, gilt es nun, sich mit neuen, oft noch völlig unklaren Regeln zu arrangieren. Diese Regeln kommen nicht länger aus der eigenen Zunft, sondern direkt

––––– Retail vs. eTail – Positionen erkennen

Ein psychologischer Denk-Zettel

Heinz Grüne Motorrad fahrender Psychologe und Kulturbegleiter; Fan des 1. FC Köln; Geschäftsführer bei rheingold, dem Institut der qualitativen Markt- und Medien-forschung. Seine Forschungsschwer-punkte sind Konsumartikel, elekt-ronische Medien, die „Generation Mitte“, E-Mobilität und gern und immer wieder Bier.

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vom Kunden, der mit völlig neuen Waffen und Werkzeugen ausgestattet unter dem Stich-wort „Multichannelling“ Produkte, Anbie-ter und Vertriebskanäle per Fingertipp aufs Smartphone gegeneinander ausspielen kann und diese Möglichkeit massiv nutzt. Was kann der Handel dagegen unternehmen? Rein gar nichts. Für Heinz Grüne heißt die De-vise „Frieden machen“ – die Aufmerksamkeit von den Risiken auf die Chancen verlagern.

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Als Zauberwort der Chancenwelt bietet sich „Big Data“ an. Die quantitativen Mög-lichkeiten dieses Denkmodells sind in der Tat neu, das dahinterliegende qualitative Modell der Welterklärung ist es nicht: Aus dem Ver-halten in der Vergangenheit versucht man die Lösung für die Zukunft abzuleiten. Die sich daraus ergebenden Probleme bleiben demnach auch die alten: Erstens hat man am Ende nichts gewonnen, wenn alle Spie-ler über dasselbe Datenmaterial verfügen. Zweitens – und das ist noch bedenklicher – kommt auf diese Weise nichts Neues, nichts Faszinierendes mehr in die Welt. Das, was den Menschen ausmacht, würde verschwinden.

Wie wäre es dagegen, regte Grüne an, wenn der Einkauf selbst zum Angebot würde, das Beratungsgespräch zum Highlight, die Empfehlung nicht preisbasiert, sondern erlebnisgetrieben gegeben würde – das wäre nicht Big Data, es wäre nicht Small Data, für Grüne wäre das Relevant Data. Und auf dieser Basis wagte er auch einen – für die überleben-den Marktteilnehmer optimistischen – Blick auf das Jahr 2025.

Die Frage der Versorgung mit Alltags-produkten hat der Markt dann längst für sich geklärt – einige große und viele kleine, regionale Händler mit dem besten Preis-Convenience-Verhältnis erledigen das. Da-rüber hinaus ist die Handelswelt zu etwas ganz anderem geworden. Die überleben-den und weiter erfolgreichen größeren Anbieter haben sich zu Botschaftern einer Waren- und Gattungskultur entwickelt.

Sie zeigen, was in einem Angebotsbereich alles stecken kann – wie man ihn ausdeh-nen, schmücken und präsentieren kann.

Das „schöne Wetter“, das Grüne in der Agenda als Option für einen Lunch auf der Dachterrasse entdeckte, war für ihn der Im-puls, last but not least einen besonders wich-tigen Punkt hervorzuheben. Denn wer für Ende Oktober noch Chancen sieht, dass sich ein Lunch im Freien servieren lässt, der hat erkannt, dass Big Data noch längst nicht das Regiment übernommen hat. Er akzeptiert mit Freude, dass es immer wieder Ausnahmen, Nebenpfade und verborgene Chancen gibt, die man nutzen kann – wenn man wirklich will. Denn wer es nicht wirklich will, serviert lieber gleich indoor und riskiert eben, dass man bei schönem Wetter die Sonne nur sehn-süchtig durch die Scheiben beobachten kann.

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Bleibt nur noch nachzutragen, dass der meteorologische Optimismus sich zumin-dest teilweise ausgezahlt hatte – die Sonne kam am folgenden Tag immer wieder zum Vorschein, sodass man seinen Lunch so-wohl indoor als auch outdoor zu sich neh-men konnte – alle Chancen genutzt!

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Perspektiven entdecken

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Perspektiven entdecken

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Ottobock nicht zu kennen, könnte man als glückliches Schicksal bezeichnen. Denn es bedeutet mit hoher Wahrscheinlichkeit, dass man bei sich selbst oder im näheren Umfeld noch nicht mit dem Verlust von Gliedmaßen zu tun hatte. Wäre es so, würde man diesen führenden Her-steller der Prothetik sicher kennen. Die Teilnehmer von HandelnDenken durften Ottobock als Gastgeber kennenlernen, der näher am gemein-samen Thema ist, als es im ersten Moment vielleicht zu vermuten wäre.

Das Science Center liegt an einem Ort, an dem die fortwähren-de Entwicklung unserer Hauptstadt stets in besonders verdichteter Form spürbar war – der Potsdamer Platz war einst einer der wich-tigsten urbanen Verkehrsknoten Europas und wurde nach wech-selhafter Geschichte gerade in den letzten Jahrzehnten wieder ein-mal umfassend und architektonisch ambitioniert umgestaltet.

––––– Retail vs. eTail – Perspektiven entdecken

Begreifen, was uns bewegt

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Selbst im modernen Architekturumfeld wirkt das Science Center wie ein auffälliger Solitär – bereits die Außengestaltung des von Gnädinger Architekten konzipierten Baus ist der Struktur von Muskel- fasern nachempfunden. Im Inneren zeigt eine aufwendig inszenierte Ausstellung auf drei Etagen unter dem Motto „Begreifen, was uns bewegt“, wofür Ottobock steht, was das Unternehmen leistet. Wobei „zeigen“ der Präsentation nicht ganz gerecht wird – es ist buchstäblich zu „begreifen“, worum es hier geht. In interaktiven Modellen und Anwendungen kann der Besucher die Komplexität und Leistungsfähig-keit der Produkte sinnlich spürbar erleben. So betrachtet ist das Science Center natürlich auch ein Markenerlebnisraum, ein äußerst gelungenes Beispiel für die spannende Inszenierung von Waren und Dienstleistun-gen. Und damit ein Ausblick auf das, was uns an diesem Tag auch be-schäftigen wird: die Kraft von Erlebnissen in einem stationären Raum.

Die stimmige Inszenierung von Marke und Produkt durch Ar-chitektur, Gestaltung und multisensorische Erfahrung kann man durchaus auch als Inspiration für heutige und künftige Handelswel-ten verstehen. Doch auch die Produkte selbst illustrieren auf ihre Weise Aspekte, die den Handel der Zukunft (die bekanntlich jetzt in diesem Moment beginnt) berühren. Es geht um den Ersatz, die Ver-besserung oder Erweiterung menschlicher Körperfunktionen. Eine künstliche Hand aus heutiger Produktion etwa ist vom Hakenstumpf

des Dr. Hook aus „Peter Pan“ so weit entfernt wie ein Ochsenkarren vom Space Shuttle. Das komplexe und feinmotorische Hilfsmit-tel von heute lässt sich bereits durch Gedankenkraft steuern.

Wie weit die Lenkung von Hightech-Geräten durch Gesten und Gedanken, die technische Erkennung diffiziler und differenzierter Situationen, die Anreicherung unserer Körperfunktionen und Wahr-nehmungen durch immer bessere und unauffälligere Anwendun-gen heute schon fortgeschritten und masseneinsatzfähig ist, dazu bot zum Auftakt des Tages der Trendexperte Nils Müller spannende und oft erstaunliche Fallbeispiele – und die Teilnehmer übten sich in der Evaluierung der möglichen Konsequenzen für den Handel.

In vieler Hinsicht also bot das Ottobock Science Center den pas-senden Ort und den inspirierenden Rahmen für einen Tag, der ganz der Zukunft des Handels in einer digitalisierten Welt gewidmet war.

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Impuls: ––––– Retail vs. eTail – Positionen erkennen

Impulse, Inspiration, Insights

Jens Bode lebt durch und durch in der Gegenwart – und arbeitet mit Leidenschaft an der Zukunft. Der „Innologe“ ist Technician Engineer mit rund drei Jahrzehnten Erfahrung in der Konsumgüterindustrie mit den Schwerpunkten Process Engineering, Packaging Design, Consumer Insights, Innovation Thinktanks und Foresight Management. Seit 1998 setzt er seine Erfahrung und Passion in Hunderten von internationalen Workshops für Innovations- und Kreativitätsprozesse um. HandelnDenken begleitet er seit 2009 bei allen Veranstaltungen als Moderator und Mitdenker.

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Zeitreise 2 – die Gegenwart der Zukunft Nils Müller, TrendONE, ab Seite 20

Zeitlos einkaufen – Emmas Enkel Benjamin Brüser, Emmas Enkel, ab Seite 26

Shopper Marketing und Digital Performance Management Prof. Dr. Marc Drüner, trommsdorff + drüner, innovation + marketing consultants ab Seite 32

Trend Walk: Apple Flagship Store Berlin ab Seite 36

Now! Shoppen immer und überall. Big Data and Digital Payment

Prof. Dr. Marcel Seidel, BIG – Banking Innovation Group, ab Seite 30

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Impuls: Wir schreiben das Jahr 2013. Das Internet, das seit 1990 kommerziell genutzt wird und über das bereits 2007 etwa 97 % aller weltweiten Informationen ausgetauscht wurden, ist nach den Worten der deutschen Kanzlerin „für uns alle Neuland“. Wir scheinen uns in diesem Neuland aber mittlerweile recht heimisch – wenn auch nicht unbedingt heimelig – zu fühlen.

Wie das Internet, die Digitalisierung unse-res Alltags und andere Entwicklungen wie zum Beispiel in der Nanotechnologie längst unseren Alltag massiv verändert haben und dies ste-tig weiter tun – das zeigte Nils Müller in einer packenden Tour de Force durch Technik und Trends. Das Aufregendste an dieser Zeitreise in die Zukunft aber war: Was Müller zeigte, war eine Zukunft, in der wir bereits leben. Alles, was zu sehen war, existiert bereits heute – nicht in den Köpfen einiger Forscher und Fantasten, sondern greifbar und funktionierend auf der Schwelle zur Anwendung im großen Maßstab. Wie kurz der Weg vom Labor über die „Early Adopters“ in den Massenmarkt geworden ist, können wir in jeder S-Bahn an „app-wesenden“ Mitreisenden erleben. Aus technischen Entwicklungen identi-fiziert Müller Trends, die großen Einfluss haben dürften auf unser Verhalten, Erleben, Zusam-menleben – und damit auch auf den Handel.

––––– Retail vs. eTail – Positionen erkennen

Zeitreise 2 – die Gegenwart der Zukunft

Nils Müller ist Geschäftsführer der TrendONE GmbH. Nach einem Studium in Berlin, New York und Mailand startete er seine berufliche Laufbahn im IBM Innova-tion Center. 2002 gründete er TrendONE, heute Marktführer in der Identifikation von Mikrotrends und Technologien in schnell-lebigen Branchen. Als Key Note Speaker ist er vor allem durch seine „Zeitreise 2021“ bekannt, mit der er sein Publikum auf einen packenden Trip in die Zukunft unse-res Alltags mitnimmt. Für HandelnDenken präsentierte er einige der erstaunlichsten Stationen daraus.

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Trend #1 – activate the customer with VIRTUAL FITTING. Zu den emotionalen Niederungen des Mode-Einkaufserlebnisses gehört zweifellos die Umkleidekabine. Schwit-zend, strampelnd, stopfend und auf sich allein gestellt erleben Kunden hier sozusagen die Downside der verführerischen Eleganz der Warenpräsentation im Laden. Es könnte künf-tig leichter, bequemer und eleganter gehen – mithilfe virtueller Realität. Ein Bodyscanner erfasst die Körpermaße, ein Bildschirm ersetzt den Spiegel, die Auswahl der Ware geschieht durch Gesten – „Drag and Drop“ im wahrs-ten Sinne des Wortes. Virtual Fitting erlaubt ein spielerisches Auswählen und Erleben der Ware am eigenen – virtuellen – Körper. Passt die Vorauswahl, liefert das System die reale Ware zum „Reality Check“ – und Kauf.

Trend #2 – move from high-tech to SHY TECH. Wir kennen das: Die Technik wird immer leistungsfähiger, günstiger und kleiner. Nun wird sie in vielen Fällen ganz verschwin-den – zumindest aus dem wahrnehmbaren Bereich. Controller wie Joysticks, Computer-mäuse oder auch Touchscreens werden er-setzt durch – nichts. Anwendungen werden mit bloßen Gesten gesteuert oder völlig belie-bige Gegenstände werden zum Steuergerät. Nils Müller schloss dazu kurzerhand eine Ba-nane an seinem Rechner an. Ein „Apple User“ könnte künftig durchaus wörtlich zu nehmen sein. Diese „schüchterne Technik“ hält sich selbst zurück und lässt so dem Nutzer völlig neue Freiräume – er beschäftigt sich nicht mit der Technik, sondern mit dem Erlebnis, das sie bietet. Die Aufmerksamkeit gilt dem Inhalt, und die Auseinandersetzung ist inten-siv und buchstäblich körperlich erfahrbar.

Trend #3 – move from multi- to OMNICHANNEL. Das bisherige Paradigma ging davon aus, dem Kunden den Kanal seiner Wahl – stationär, telefonisch, online, mobile ... – so einfach wie möglich zur Verfügung zu stellen und überall dieselben Standards zu bieten. Das neue Paradigma hat erkannt, dass der Kunde gar nicht wählen will. Er will alles. Und er nutzt alles – gleichzeitig. Es geht also nicht länger darum, viele Kanäle nebeneinan-der anzubieten, sondern aus allen Kanälen ein großes Nutzererlebnis zu orchestrieren, in dem sich der Kunde frei bewegen kann. Nahtlose Schnittstellen zwischen allen „Touchpoints“, medienadäquate Inhalte und Services und intelligente Verknüpfungen zählen mehr als der Versuch, in jedem Kanal die identischen Inhalte abzubilden. Das ist eine große Herausforderung, gewiss. Doch es ist auch eine Befreiung von Aufgaben, die ein Kommunikations- oder Vertriebskanal allein letztlich niemals zufriedenstellend abbilden kann.

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Trend #4 – do it with GAMIFICATION. Es galt lange Zeit nur als sinnfreie Beschäf-tigung für Kinder und ist in Wirklichkeit eine der erfolgreichsten Lern- und Entwicklungs-methoden in der Evolution des Menschen: das Spielen. Gamification nutzt Erfolgsrezepte des Spiels, um auch in sonst spielfreien Zusam-menhängen Menschen zu informieren oder zu motivieren: Erfahrungspunkte, Fortschritts-balken, High Scores, Gewinne und vieles mehr, was Menschen dazu treibt, unbedingt den nächsten Level erreichen zu wollen. Sei-ne sportlichen Leistungen in einem Ranking weltweit mit anderen messen zu können übt einen stärkeren Reiz aus, als die Bedenken, seine persönlichen Laufdaten zu veröffentlichen.

Trend #5 – it’s all about ATTENTION. Die Flut der Information ist unendlich. Die Aufmerksamkeit eines Individuums oder ei-ner Gesellschaft hingegen ist begrenzt. Auch ihre Ressourcenknappheit macht Aufmerk-samkeit zur wichtigsten Währung (und zu-gleich Ware) der Informationsgesellschaft. Die alten Marktgesetze von Angebot und Nachfrage gelten auch hier. Das bedeutet: Der Preis der Aufmerksamkeit steigt. Aller-dings ist sie nicht unbedingt durch Geld al-lein zu haben, oft ist Geld nicht einmal nötig. Mut und Kreativität sind gefragt. Und die Bereitschaft, seine eigene Aufmerksamkeit einzusetzen – dem Kunden gegenüber.

Trend #6 – be SOLOMO: social local mobile. Das Internet war für die meisten zunächst das Tor zur großen, weiten Welt. Jeder ist mit seinen Inhalten und Angeboten zumindest potenziell weltweit präsent (und muss mit dem entsprechenden Wettbewerb rechnen). Den sozialen und lokalen Nahbe-reich zu nutzen, stand dagegen lange im Schatten. Die Verbreitung mobiler Endgeräte wie Smartphones, die Nutzung von Ortungs-diensten und Social Media erlaubt es, das nähere Umfeld der Nutzer effektiv in Angebo-te einzubinden. So wird der reale Shoppingtrip zum Beispiel angereichert durch virtuell anwesende Shoppingbegleiter und -berater. Ein Spiel, bei dem der Handel Spielfeld und Teilnehmer sein kann ...

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Trend #7 – enable SMARTTRACKING. Produktionsprozesse, Warenströme, Kun-denverhalten – alles produziert heute im Überfluss, was wir „Big Data“ nennen. Dass „smart“ schon immer erfolgreicher als „big“ allein war, ist ein alter Hut. Nils Müller zeigte Beispiele, wie Big Data zu smarten Anwen-dungen führen: QR-Codes geben dem Burger-Esser nicht nur Auskunft über die Inhalts-stoffe, sondern auch über die Herkunft jeder einzelnen Zutat. So beweist das Unternehmen nicht nur maximale Transparenz, sondern schafft über das dazu gehörige Portal eine interaktive Möglichkeit der Kundenbindung. Oder auch: Die „Visitors“ und „Impressions“ werden nicht nur auf Websites gemessen, sondern auch an den Eingängen stationärer Läden oder an Regalen. So kann Warenpräsen-tation schnell dem Kundenverhalten ange-passt werden, und Standortentscheidungen

erhalten verlässlichere Grundlagen. Sport-geräte vermessen den Bewegungsablauf, verbessern so die Performance des Nutzers und geben Herstellern Aufschluss über die Nutzung. Selbststeuernde Drohnen überneh-men Logistikaufgaben im Nahbereich. Orte

in der Realität werden durch Daten aus dem virtuellen Raum angereichert – ein „Outer-net“ entsteht, das die Wahrnehmung unserer Umgebung – und damit auch von Werbung und Waren – grundlegend verändern kann.

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Trend #8 – move from print to PRINT+. Ein halbes Jahrtausend bewegten sich die Menschen unserer Kultur mit zunehmender Sicherheit in der Gutenberg-Galaxis – einem Raum, in dem Unterhaltung und Wissen trag-bar und transportierbar waren, indem Worte auf Papier gedruckt wurden. Es gibt Kritiker, die mit dem Internet das Ende des Zeital-ters des Druckens aufkommen sahen. Nils Müller zeigte, dass das Gegenteil der Fall ist: Drucken steht vor dem Sprung in eine – im wahrsten Sinn des Wortes – neue Dimension und eröffnet völlig neue Möglichkeiten. 3-D-Drucker werden immer erschwinglicher und ihre Erzeugnisse immer hochwertiger. Elekt-ronisches Papier lässt die Grenzen zwischen Bildschirm und Buchseiten verschwimmen. Klassische Druckerzeugnisse werden angerei-chert mit smarten Technologien und erlauben Tracking, mediale Sprünge, Individualisierung

und dreidimensionale Erlebnisse in einem zweidimensionalen Medium. Der gute alte Versandhandelskatalog könnte auf diese Wei-se zu völlig neuem Leben erwachen. Eine Bro-schüre oder ein Pappaufsteller am POS könn-ten so zu smarten Einkaufsberatern werden.

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Trend #9 – think PHYGITAL: physical and digital. Einer der größten Entwicklungs-treiber ist zweifellos die Konvergenz – Dinge, die sich in verschiedenen Welten entwickel-ten, kommen endlich zusammen und schaf-fen dabei häufig einen exponentiell zuneh-menden Mehrwert. Die Verbindung von physischen und digitalen Welten vollzieht sich dabei in beide Richtungen: Die digitale Welt manifestiert sich physisch – zum Beispiel, indem aus den Nachrichten in den sozialen Netzen eine individuelle, gedruckte Zeitung entsteht. Zum anderen werden physische Waren mit digitalen Funktionen aufgeladen. So hat Nike rund um seine Laufschuhe ein umfangreiches Online-Serviceangebot aufge-baut, das Läufer durch ständige Datenabgabe ihrer Schuhe füttern. Der Nike-Kunde steht also buchstäblich mit einem Bein im Internet.

Trend #10 – use predictive and SENSITI-VE TECHNOLOGY. Im Jahr 1982 sang die deutsche Band Spliff „Computer sind doof“ und spiegelte damit den Common Sense wider. Der Computer von heute denkt mit – und häufig weiter. Die Methoden des Data-Mining übertragen sich in den Alltag von Privatpersonen. „Rosie“ zum Beispiel ist eine Anwendung, die anhand des bisherigen Einkaufs- und Verbrauchsverhaltens vorher-sagt, was demnächst wieder anzuschaffen ist oder was zu Stil, Geldbeutel und Geschmack passt. Sie erstellt Einkaufs- und Vorschlagslis-ten, übernimmt Bestellungen, begleitet beim stationären Einkauf und beschert dem Nutzer Rabatte. Während „Rosie“ sich noch an unserem Verhalten orientiert, sind andere Systeme bereits weiter – sie greifen direkt auf unsere Gedanken zu. Über die Messung von Gehirnaktivität kann das System erkennen, was oder wen wir gerade betrachten – oder ob wir auch nur an etwas denken. Auf diese

Weise lässt sich zum Beispiel ein Music Player durch reine Gedankenkraft steuern.

Welche Trends soll man ernst nehmen, welchen soll man folgen? Die Antwort auf die erste Frage ist klar: alle. Denn sie alle sind bereits Realität und werden in sehr naher Zukunft auf die eine oder andere Weise Re-alität verändern. Die Antwort auf die zwei-te Frage hängt davon ab, wie mutig und wie kreativ man ist. Über allen Trends liegt ein Megatrend: Konvergenz. Online und offline verschmelzen, das Internet verbindet sich mit der Realität zum Outernet, das Outer-net mit dem Menschen zum Brainnet. Wer es künftig schafft, im Denken und den Dingen alles miteinander zu verbinden, anstatt sie getrennt voneinander zu entwickeln, ist auf einem schöpferischen Weg in die Zukunft – die Vernetzung von Kanälen, Medien, Funk-tionen, Menschen, sogar Marktteilnehmern birgt die Entwicklungschancen der Zukunft.

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Impuls:

Abnehmen, ohne zu hungern; Autofahren, ohne der Umwelt zu schaden ... es liegt ein großer Reiz darin, schwer zu vereinbarende Dinge miteinander zu verbinden. Wo dies aber gelingt, eröffnet sich ein enormes Potenzial. Am Anfang von Benjamin Brüsers Konzept stand genau solch ein Gedanke. Was am Ende steht, lässt sich noch nicht sagen – denn das scheint noch weit entfernt. Im Moment steht ein neues, erfolgreiches Handelskonzept: „Emmas Enkel“.

Bei all den modernen Möglichkeiten mit 24/7, „Mass Customization“, „Just-in-time“ und vielem anderen, was das Einkaufen rund um die Uhr schnell und bequem macht – im Grunde unseres Herzens sehnen wir uns doch alle auch nach der guten alten Einkaufswelt des Tante-Emma-Ladens: nach einer ent-spannten, inspirierenden Atmosphäre, nach einem Sortiment, das verrät, dass der Händler den Bedarf und die Bedürfnisse seiner Kun-

den kennt, nach freundlicher, kompetenter und persönlicher Beratung, nach einem Ort, der nicht nur ein Platz des Handels, sondern auch ein Raum für Kommunikation ist. An das Bestellen via Smartphone rund um die Uhr allerdings haben wir uns auch gewöhnt und möchten es nicht mehr missen ...

„Wie wäre es, diese beiden Einkaufswel-ten zusammenzuführen – und wie könnte das gehen?“ war Benjamin Brüsers einfache Frage am Anfang der Entwicklung von „Emmas Enkel“. Eine Frage, die er sich zunächst nicht als Handelsprofi oder E-Commerce-Spezialist stell-te, sondern schlichtweg aus seinem eigenen Erleben und seinen Erfahrungen als Kunde.

Die Basis für das Konzept war eine Gegen-überstellung der Vor- und Nachteile unter-schiedlicher Handelsformen: Der klassische Tante-Emma-Laden ist gemütlich, persön-lich, verlässlich – bei Angebot, Preisen und Öffnungszeiten allerdings hinkt das Konzept hinterher. Supermarkt und Discounter liegen

––––– Retail vs. eTail – Positionen erkennen

Benjamin Brüser ist Gründer und Ge-schäftsführer von „Emmas Enkel“, einem innovativen Retail-Konzept, das die traditio-nellen Werte des „Tante-Emma-Ladens“ mit den modernen Möglichkeiten der Technik zu einem einzigartigen Einkaufserlebnis verbin-det. „Unsere Kunden sollen bei ihrem Einkauf ein Maximum an Flexibilität, Komfort und Service genießen. Egal, für welchen Bestell-weg sie sich entscheiden“, sagt Brüser über das Konzept. Für HandelnDenken 13 gab er weitere Einblicke und Ausblicke zu „Emmas Enkel“.

Zeitlos einkaufen – Emmas Enkel

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bei Angebot, Öffnungszeiten und Preisen vorn, dafür erschlagen sie den Kunden mit ihrer Größe und bieten nur ein sehr unper-sönliches Einkaufserlebnis. Der Online-Shop steht für zeitlich und örtlich ungebundene Einkaufsmöglichkeiten, Service, Beratung und Umgang mit Reklamationen sind dagegen seine Schwachstellen. Logistisch ist der Lie-ferservice praktisch – allerdings auch teuer.

Um eine Zielvorstellung für sein Konzept zu definieren, strich Brüser einfach beherzt die Nachteile und summierte die Vorteile: Emmas Enkel sollte gemütlich, persönlich und verlässlich sein, dabei ein großes Angebot, kundenfreundliche Öffnungszeiten und günstige Preise bieten. Der Einkauf sollte überall und rund um die Uhr möglich sein und die Lieferung praktisch und günstig. Die Quadratur des Kreises? Vielleicht für einen

LEH-Profi, der genau weiß, was alles gar nicht geht. Brüser wusste das nicht und konzent-rierte sich darauf, was man möglich machen kann.

Herausgekommen ist ein echtes Omni- channel-Konzept. Emmas Enkel ist ein stationärer Laden und ein Online-Shop. Das Bemerkenswerte dabei ist, dass die Grenzen

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dieser Kanäle fließend sind. Der Kunde bewegt sich nicht in dem einen oder anderen Kanal, ist nicht stationärer, mobiler oder Online-Kunde, er ist alles zugleich und im Wechsel. Man kann bei Emmas Enkel ganz klassisch einkaufen oder dort einfach nur Kaffee trinken und den Einkaufskorb neben-bei auf dem Tablet zusammenstellen. Man kann die Waren mitnehmen oder sie sich liefern lassen. Man kann von zu Hause oder unterwegs die Ware nach Hause ordern – oder sie zur Selbstabholung bereitstellen lassen. Die Kunden nutzen alle Wege – und Emmas Enkel geht sie nicht nur mit, sondern häufig auch auf ihnen voran.

So gibt es bereits große Unterneh-men, die ihren Mitarbeitern die Services von Emmas Enkel vor Ort anbieten. Wer tags-über seine Einkäufe am Arbeitsplatz online bestellt, kann sie zum Feierabend bequem an der Servicestation von Emmas Enkel abholen und mit nach Hause nehmen.

Innovativ ist das junge Unternehmen auch bei der Präsentation der Waren. Es geht nicht darum, palettenweise Verkaufsdruck zu

erzeugen, sondern durch gezielte Darbietung Inspirationen und Kaufimpulse zu wecken. Auch an anderen Stellen wird deutlich, dass Brüser bei der Idee weniger die Händler- als die Kundenbrille aufhatte. Auch Kunden be-treten den Laden mit einem Konzept – und das richtet sich nicht nach Warengruppen. Die Konzepte der Kunden heißen „Sonntagsessen“ oder „Fußballfernsehabend“ oder „Kinderge-burtstag“. Emmas Enkel bietet fertige elekt-ronische Einkaufslisten zu solchen Themen.

LEH klassisch vs. LEH 3.0Großer Laden, kleines Lager vs. Kleiner Laden, effizientes LagerWarendruck erhöhen vs. Selektive WarenpräsentationSelbstbedienung vs. DienstleistungZielgruppe/-gebiet eingrenzen vs. Zielgruppen: alle. Zielgebiet: unbegrenztFlächenproduktivität vs. LoyalitätDer Kunde ist König vs. Der Kunde ist KaiserMitarbeiter vs. Mit-ArbeiterKundenansprache vs. Kundenanspruch

Benjamin Brüser ist selbstbewusst genug, in seinem Konzept die Keimzelle einer neuen Evolutionsstufe des Einzelhandels zu sehen – er stellt die klassischen Merkmale des LEH seiner Idee eines LEH 3.0 gegenüber:

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Natürlich gehört zur Pionierarbeit auch, den einen oder anderen Stein aus dem Weg zu räumen und sich den Fragen zu stellen, die bei einem neuen Konzept naturgemäß noch niemand vorher beantwortet hat. Auch alle Fehler muss man erst einmal selbst machen. Brüser kann gleich eine ganze Liste von He-rausforderungen aufzählen: die Preis- und Sortimentsgestaltung, die alten Zöpfe an den Köpfen von Lieferanten, Kunden und Mitarbeitern, die IT-Kompetenz, die Integra-tion aller Kanäle und die Kunst, diese Klavia-tur erfolgreich zu spielen – und vieles mehr. Und selbst der Erfolg schafft neue Heraus-forderungen, zum Beispiel bei Wachstum und Entwicklung die eigenen Ideen und Werte nicht zu verlieren oder sie behutsam den neuen Gegebenheiten anzupassen.

Letztlich aber gelang es Benjamin Brüser und seinem Team, die Vision des LEH 3.0 mit Emmas Enkel erfolgreich umzu-setzen und weiterzuentwickeln. Die Reakti-onen sind durchweg positiv – aus der Bran-

che, von den Kunden, durch die Presse und selbst durch die Bundeskanzlerin, die es sich nicht nehmen ließ, sich bei einem Messe-rundgang ausführlich über die Lösung von Emmas Enkel für Vodafone zu informieren.

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Impuls:

Alles im Handel wird sich ändern – und ändert sich bereits: die Funktion stationärer Läden, die Bestell- und Lieferprozesse, die Rollen von Herstellern, Lieferanten, Händlern und Kunden ... Und ganz bestimmt auch die Form der Transaktion, die Art, wie wir künftig bezahlen, und die Rolle, die Banken und Regu-lierungsinstitute dabei übernehmen.

„Game Changing“ lautet Prof. Dr. Seidels Stichwort dazu – die Rollen- und Machtvertei-lung ändert sich gerade grundlegend. Dazu gehört auch, sich vom vertrauten Bild des „Endverbrauchers“ zu trennen. Der Kunde von heute ist nicht länger das letzte Glied einer langen Wertschöpfungskette – er bildet vielmehr einen der wichtigsten Knotenpunkte in einer komplex vernetzten Struktur des neuen Handels. Im Peer-to-Peer-Banking übernimmt er in Zeiten von Social Media sogar bislang originäre Bankfunktionen als Kreditgeber.

Doch auch der Handel selbst übernimmt heute mehr und mehr Bankfunktionen. Günstige Finanzierungen, die einfach und bequem am POS abgeschlossen werden, kurbeln den Absatz an. Bei Lebensmittel-händlern wie REWE können Kunden an der Kasse nicht nur bezahlen, sondern sich dort auch kostenlos mit Bargeld versorgen. Loyalitätsprogramme haben mittlerweile eine Art Parallelwährung entwickelt.

Umgekehrt entwickeln Banken Filial-konzepte, die sich am modernen stationä-ren Handel orientieren. Bereits seit eini-gen Jahren betreibt die Deutsche Bank mit „Q 110“ in Berlin eine innovative Filiale, die einen Lounge-Bereich, einen Kids’ Corner und einen Trendshop anbietet – und Bank-produkte fix und fertig verpackt in Dosen zum Mitnehmen aus dem Regal. Die Bank-filiale entdeckt das Shoppingerlebnis.

„Big Data“ ist ein Schlagwort, hinter dem eine Zahl steht. Wir reden von 4,7 Exabyte

––––– Retail vs. eTail – Positionen erkennen

Now! Shoppen immer und überall. Big Data and Digital Payment

Prof. Dr. Marcel Seidel ist gelernter Bankkaufmann und pro-movierte zum Thema Fusionsmanagement in Banken. Er besitzt über 20 Jahre Erfahrung in der Organisations- und Strategiebe-ratung. In dieser Zeit hat er erfolgreich zahlreiche Strategiepro-jekte in Banken und anderen Unternehmen der Finanzbranche begleitet, heute gehört er zu den erfahrensten Change-Experten der Branche. Als Vordenker und Innovator verantwortete er über zehn Jahre die Forschung und Entwicklung in einer mittelstän-dischen Unternehmensberatung. An der FOM Hochschule für Ökonomie & Management lehrt er u. a. die Themen Human Resources, Unternehmens- und Organisationsentwicklung sowie Bank-Marketing.

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an Daten, die alle zehn Minuten ausge-tauscht werden – ein Exabyte entspricht 1.000.000.000.000.000.000 Byte, bzw. einer Million Terabyte. Was ist der Schlüssel dafür, diese unvorstellbare Masse an Informationen sinnvoll zu nutzen? Für Seidel heißt das Stichwort „Triangulation“.

Triangulation meint den Kontext aus Ort, Situation und Menschen – das magische Dreieck, das künftig den Vertrieb bestimmen wird. Augmented Reality reichert das Erleben der Umwelt durch kontextbezogene Informa-tionen an, der User entscheidet und filtert, was davon für ihn relevant ist. Heute ge-schieht dies mithilfe von Apps, GPS und Smartphone, morgen per Datenbrille, über-morgen über smarte Kontaktlinsen – und auch implantierte Chips stehen bereits kurz vor ihrer Marktreife. Das „Qualified Self“ des Kunden wird dabei den Strom der Daten filtern – der individuelle Relevanzfilter, den Nutzer bewusst durch Auswahl oder unbe-wusst durch ihr Verhalten setzen.

Letztlich steuert also der Kunde die Nut-zung von „Big Data“. Umso mehr wird es künftig entscheidend sein, neue Qualitäten des Dialogs mit den Kunden zu entwickeln. Sympathie und Professionalität sind nicht länger ausreichend. Der Kundendialog der Zukunft verlangt Empathie und Passion. Dazu genügt es nicht, dass Unternehmen Kunden fragen, was sie wünschen. Es geht darum, sich so sehr in die Lebens- und Empfindungs-welt von Menschen hineinzuversetzen, dass man ihre tieferen Bedürfnisse kennt und befriedigen kann – mit seiner eigenen pro-fessionellen Leidenschaft und Kreativität.

Wie Banking der Zukunft aussehen kann, lässt sich nach Meinung von Prof. Dr. Seidel gut in anderen, sich oft schneller bewegenden Branchen absehen. Bei Nespresso entstand

ein kompletter, kleiner Kosmos rund um das schlichte Getränk Kaffee: Kapseln in zig Vari-anten, eine ganze Range von Maschinen zur Zubereitung, eigene Shops, die wie elegante Modeboutiquen oder edle Parfümerien da-herkommen, ein System zum Recycling der Kapseln und Coffee Bars als gastronomisches Konzept. Was könnten andere Branchen, was könnte das Banking davon lernen? Das eingangs erwähnte Q110-Konzept der Deut-schen Bank weist bereits in diese Richtung.

Voraussetzungen dafür sind – wie so oft, wenn es um die Zukunft geht – Leidenschaft, Kreativität und Mut, gegen die ungeschriebe-nen Regeln und bestehenden Denkmuster zu verstoßen. Das aber, so versprach Seidel ab-schließend, macht mehr Spaß, als man heute vielleicht noch denkt.

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Impuls:

„Soziale Netze sind die Betriebssysteme der digitalen Gesellschaft.“ „Marketing ist die nächste große Geldquelle in der Technologie. 2017 wird der Marketingleiter mehr Geld dafür ausgeben als der IT-Leiter.“ „Daten sind das Öl des 21. Jahrhunderts.“ – Einige Blitzlichter aus der aktuellen Fachpresse, die zeigen, wo die Reise hingeht: zur Ökonomie der Daten. Es geht darum, Daten zu besitzen, sie verwerten zu können, und vor allem darum, daraus intel-ligente Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Eine sinnvolle Methode bei der Entwick-lung neuer Geschäftsmodelle lautet ganz banal: „Copy and Paste“ – kopiere exzellente Lösungen und adaptiere sie für deine Branche, deine Produktkategorie, dein Unternehmen. Prof. Dr. Drüner stellte einige Benchmark-An-wendungen vor, die auch dem Einzelhandel jede Menge Inspirationen liefern dürften für eine sinnvolle Nutzung und Vernetzung von Social Media, Big Data, Mobile Web und phy-sischen Produkten und stationären Läden.

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Shopper Marketing und Digital Performance Management

Prof. Dr. Marc Drüner ist seit 1999 geschäftsfüh-render Gesellschafter von trommsdorff + drüner, innovation + marketing consultants GmbH und hat an der Steinbeis-Hochschule Berlin die Professur für Marketing und Innovationsmanagement inne. Im Rahmen seiner Forschungs- und Beratungstätigkeit befasst er sich mit der Entwicklung und Vermarktung von Innovationen, der Entstehung von Trends und der Bedeutung der Neuen Medien. Besonderen Raum nimmt dabei das Verständnis der Vernetzung und des Zusammenwachsens verschiedener Lebensbereiche aus Sicht der Konsumenten und der sich daraus erge-benden Geschäftsmodelle ein.

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61 Millionen Handynutzer, davon 21 Mil-lionen mit Smartphones in Deutschland – die Zahlen stammen von 2012, in digitalen Dimensionen sind sie also steinalt. Sicher aber ist: Es sind enorm viele und es werden immer mehr. Bringen wir diese Zahl mit ei-ner anderen zusammen: 12 % der Deutschen leiden an Diabetes. Das ergibt ein Potenzial von 2,5 Millionen Diabetikern in Deutschland, die jeden Morgen mit ihrem Smartphone ihren Gesundheitsstatus checken könnten.

Zunächst einmal ist das bequem und sicher für jeden Einzelnen. Doch erst wenn die individuellen Daten in Big Data aufgehen, entwickelt sich das wahre Potenzial – schnel-lere, sicherere Diagnosen für Ärzte, Abgleich mit historischen und Durchschnittsdaten, Erkenntnisse für Forschung und Industrie … Aus einer Convenience-Lösung wird eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

Was ist wohl der Business-Fokus für ei-nen Sportartikelhersteller? Für Nike sind es Daten. Und die Kunden liefern sie bereit-willig. Nicht nur Kaufdaten – sondern mi-nutiöse Nutzungsdaten zu den Produkten und zum individuellen Fitness-Level. Über smarte Laufschuhe, Armbänder und ande-re unauffällige technische Begleiter liefern die Kunden buchstäblich laufend Daten. Eine schier unerschöpfliche Quelle für Forschung und Entwicklung, Marketing und Vertrieb.

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Eine Anwendung wie „mint“ fungiert als elektronisches Haushaltsbuch, hilft dem Nut-zer Geld zu sparen und sammelt Daten, Da-ten, Daten ... Den Anwendern ist das natürlich bewusst. Doch der persönliche Gewinn aus dem Deal wiegt ganz offensichtlich Beden-ken wegen des Datenschutzes auf. Kunden sind sich des Werts ihrer Daten wohl bewusst – und geben sie freizügig heraus, wenn aus ihrer Sicht der gelieferte Gegenwert stimmt. Der Kunde zahlt mit einer neuen Währung – mit Daten. Oder anders betrachtet: Der Kunde wird selbst zum Händler seiner Daten.

Mit der veränderten Rolle des Konsu-menten gerät auch seine Position als „End-kunde“ am Ende einer Wertschöpfungskette in Bewegung – er wird zum (mobilen) Kno-tenpunkt im Netz, der von allen Gliedern der Kette und zudem von außerhalb angespro-chen wird. In der Automobilindustrie bei-spielsweise suchen nicht nur Hersteller und Händler, sondern auch klassische Zulieferer

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und Zubehöranbieter den direkten Draht zum Kunden. Dazu kommen Wettbewerber aus der Branche und alternativer Wettbewerb wie Carsharing-Angebote, die das Konzept an sich infrage stellen. Neue, intelligente Plattformen können Angebote dem Kun-denverhalten entsprechend orchestrieren.

Es hilft also, die Dinge nicht getrennt zu betrachten, sondern nach Konvergenz zu suchen. Selbst Wettbewerber können auf diese Weise gewinnbringend zusammen-kommen. Sicher aber bestehen enorme Poten-ziale in der Konvergenz von Online und Offline, von Hersteller und Handel, von Web und TV, von lokaler und mobiler Anwendung und vielen weiteren Aspekten. Neben den Chan-cen, die unübersehbar sind und von den Vorreitern ihrer Sparten bereits erfolgreich genutzt werden, stecken darin natürlich auch Herausforderungen – für Unternehmenskul-tur, Innovations- und Umsetzungsgeschwin-digkeit und letztlich natürlich auch für die

ganz pragmatischen operativen Ressourcen und ihr Controlling.

Wie das umsetzbar ist, demonstrier-te Drüner eindrucksvoll an einem Case der Coca-Cola Company. CRM 2.0 führt hier zu zahlreichen Paradigmenwechseln: Marken-inhalte und CRM verbinden sich auf einer zentralen Plattform, Reporting und Con-trolling entwickeln sich von der rückwärts-gewandten Berichterstattung zur aktiven Kampagnensteuerung, Inhalte werden in Echtzeit dem Nutzerverhalten angepasst ...

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Impuls:

Dass Apple eine Kundenbeziehung der besonderen Art erreicht hat, ist bekannt – bei unserem Besuch im Berliner Flagship Store wurde diese außergewöhnliche Beziehung bereits vor der Tür illustriert: durch einen Kunden, der mit Klappstuhl, Thermoskanne und allerlei mobiler Elektronik ausgerüstet vor dem Laden campierte, um am nächsten Morgen der Erste zu sein, der das dann neu erscheinende iPad in den Händen hält.

Dabei unterliegt das Produkt nicht einmal einer besonderen Verknappung. Dass davon mehr als reichlich auf Lager sei, versicherte der Store Manager, und das war wohl auch dem treu ausharrenden Apple-Fan bewusst. Es geht natürlich um mehr als bloße Beschaf-fung – Apple ist Kult, und die Bezeichnungen „Jünger“ für die treuesten Kunden und „Guru“ für den jüngst verstorbenen Firmengrün-der sind wohl nicht allzu übertrieben. Vergli-chen mit anderen Herstellern und Händlern

scheint sich Apple buchstäblich in anderen Sphären zu bewegen. Apple macht ziemlich viel anders und davon offensichtlich ziem-lich viel richtig. Was aber genau ist hier so anders? Beim Trend Walk in Berlin hatten die Teilnehmer von HandelnDenken Gele-genheit, sich selbst davon zu überzeugen.

Was kann man weglassen? Was kann man reduzieren? Was muss über dem Standard liegen? Was muss neu erfunden werden? Apple scheint die Maximen zur Entwicklung einer Blue-Ocean-Strategie in aller Konsequenz zu befolgen. Das Erste, was in dem Laden (dessen Architektur und Einrichtung durchaus eine sakrale, klösterliche Anmutung hat) auffällt, ist das, was nicht da ist: keine Deckenhänger, Displays, Poster, Broschüren, Preisschilder – überhaupt ist es schwer, irgendein bedrucktes Stück Papier auszumachen. Bereits das verändert die Wahrnehmung und das Erlebnis grundlegend.

––––– Retail vs. eTail – Positionen erkennen

Trend Walk: Apple Flagship Store Berlin

Der Apple Flagship Store Berlin am Kurfürs-tendamm öffnete am 3. Mai 2013 in den ehema-ligen Räumen der Filmbühne Wien, die dort vor ziemlich genau 100 Jahren als eines der ersten reinen Lichtspielhäuser Berlins den Betrieb begann (und 2000 einstellte). Apple belegt in dem denk-malgeschützten Gebäude im Stil des Wilhelmini-schen Klassizismus mehr als 5.000 Quadratmeter, darunter den acht Meter hohen Kinosaal, der früher 850 Zuschauern Platz bot. Damit ist der Store Apples größtes deutsches Filialgeschäft.

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Die Chiffren des stationären Ladens sind hier außer Kraft gesetzt. Apple schreibt seine eigenen Regeln.

Dazu nutzt Apple konsequent eigene Produkte. „Smart Signs“ sind in einem Plexiglasblock eingelassene iPads, die alle Informationen über das angebotene Produkt liefern. Selbstverständlich interaktiv, in individuell steuerbarer Informationstiefe und vernetzt. Menschliche Mitarbeiter werden also überflüssig? Nicht für Apple. Über dieses „intelligente Preisschild“ kann der Kunde auch einen Mitarbeiter rufen bzw. sehen, wann der nächste für ihn frei ist.

Dazu wird er nicht lange warten müssen. In dem Store sind auffällig viele Mitarbeiter beschäftigt – einige ausschließlich damit, neue Besucher direkt am Eingang zu begrüßen und weiterzuleiten. Andere kümmern sich um das persönliche Set-up der Geräte direkt im

Laden. Apple ersetzt marktschreierische Anpreisung der Waren durch intelligente Informationssysteme und menschlichen Deep Support. Das Engagement und die Begeiste-rung für die Produkte und die Marke sind den Mitarbeitern dabei ganz deutlich anzumerken. Dass ihre Auswahl und Schulung besonders breiten Raum einnehmen, bestätigt auch der Store Manager.

Auch die klassische Kasse, sonst eine typische Bruchstelle im Einkaufserlebnis, sucht man im Apple Store vergeblich. Be-zahlt wird bargeldlos über umgerüstete iPods, die jeder Mitarbeiter bei sich trägt.

Neben der äußerst erfolgreichen Ver-kaufsfläche ist der Flagship Store auch ein Seminarort für Produkte und Anwendungen, ein Beratungscenter für Businesskunden und ein kultureller Treffpunkt, in dem Konzerte und andere Veranstaltungen stattfinden.

Die Grenzen zwischen Verkauf, Service und Markenpflege sind fließend und räumlich wie auch personell kaum getrennt.

Begeistert und bereitwillig zeigt uns der Store Manager Räume, erläutert Funktionen, Prozesse, Konzept – und zieht ganz klare Gren-zen. Fragen, deren Beantwortung der Infor-mationspolitik des Hauses nicht entspräche, werden freundlich, aber äußerst bestimmt zurückgewiesen. Diese Informationspolitik ist übrigens auch der Grund dafür, dass Sie hier keine Bilder finden. Der Eindruck einer Unter-nehmenskultur, für die der Wortteil „Kult“ eine ganz besondere Bedeutung hat, verfes-tigt sich, je näher man der Sache kommt ...

Der Eindruck, dass man sich hier mögli-cherweise gerade in der Zukunft des stati-onären Handels befindet, allerdings auch.

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Gerhard Glesel ist seit 2009 Geschäfts-führer der DZB BANK GmbH und verant-wortet dort die Bereiche Finanzierung und Beratung, Zentralregulierung und Kundenservice sowie Organisation. Seit über 20 Jahren beschäftigt er sich intensiv mit den Themen Factoring und Zentralregulierung.

Klaus Jost ist seit 2001 im Vorstand der INTERSPORT Deutschland eG und außerdem Präsidiumsmitglied des ZGV. Mit über 2,4 Milliarden Euro Umsatz nimmt die Verbundgruppe seit Langem den Spitzenplatz in der Branche ein. Um sich auch persönlich fit zu halten, nimmt Klaus Jost zweimal jährlich an einem Marathonlauf teil.

Heribert Gondert ist seit 1993 Geschäftsführer der hagebau Handels-gesellschaft für Baustoffe mbH & Co. KG. Die Verbundgruppe mit etwa 300 selbst-ständigen mittelständischen Händlern zählt zu den Marktführern im Baustoff-, Holz- und Fliesenhandel. Mit ihren hage-baumärkten und Gartencentern nimmt sie auch in der Do-it-yourself-Branche eine Spitzenposition ein. Gondert ist Präsidiumsmitglied des ZGV.

Wilfried Hollmann ist seit 1993 im Vorstand der NOWEDA eG Apothe-kergenossenschaft und seit 2005 ihr Vorstandsvorsitzender. Das apothekereigene Wirtschaftsunter-nehmen hat 16 Niederlassungen in Deutschland sowie Beteiligungen an Unternehmen in Luxemburg und in der Schweiz. Mit einem Gesamt-umsatz von mehr als 4,6 Milliarden Euro ist es eines der großen deutschen Handelsunternehmen. Hollmann ist Präsident des ZGV.

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Hauke Kahlcke ist seit 2013 im Vorstand der AKTIVBANK AG. Als Spezialinstitut ist die AKTIV-BANK für Zentralregulierung und Factoring für mittelständische Unternehmen unterschiedlicher Branchen tätig. Darüber hinaus bietet sie ihren Kunden weitere aus-gewählte Bankdienstleistungen an.

Franz Hampel ist Vorstandsvorsitzender der Garant-Möbel Holding International S.A. und darüber hinaus Präsidiumsmitglied des ZGV. Derzeit sind der Gruppe etwa 3.300 Handelspartner mit über 4.000 Verkaufs-stellen in 19 Ländern angeschlossen – keine andere deutsche Möbelgruppe bietet diese

internationale Präsenz.

Georg Honkomp ist seit 1992 im Vorstand der ZEG Zweirad-Einkaufs-Genossenschaft eG, seit 1997 als ihr Vorsitzender. Die ZEG zählt über 960 Fahrradhändler zu ihren Mitgliedern und verfügt mit einer Fläche von ca. 50.000 m2 über das weltweit größte Fahrradlager. Franz-Josef Hasebrink ist seit 1997

im Vorstand der EK/servicegroup eG und seit 2002 ihr Vorsitzender. Die EK/servicegroup ist mit einem ZR-Umsatz von rund 1,6 Milliarden Euro und einem Außenumsatz von etwa 4,4 Milliarden Euro eine der größten Mehrbranchen-Verbundgruppen in den Bereichen Living, Comfort, Family und Fashion. Hasebrink ist außerdem Vizepräsident des ZGV.

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Wilhelm Weischer ist seit 1998 Geschäftsführer der BabyOne Franchise- und Systemzent-rale GmbH, deren erster Franchise-nehmer er selbst im Jahr 1992 war. Heute gehören 67 Märkte zum BabyOne-System.

Volker König ist seit 2005 im Vor-stand der MEGA eG und seit 2009 ihr Vorsitzender. Mit über 5.300 Mitglie-dern, überwiegend selbstständige Handwerker, 1.500 Mitarbeitern und mehr als 43.000 Kunden ist die MEGA das größte unabhängige Handels-unternehmen im Markt für Maler, Stuckateure, Bodenleger und das Ausbauhandwerk. Was die MEGA für ihre Mitglieder und Kunden tut, ist gleichzeitig ihr Leitbild: Handeln fürs Handwerk. König ist Präsidiumsmit-glied des ZGV.

Andreas Wenninger ist seit 2001 Vorstand und COO der SYNAXON AG. Sie ist mit über 2.800 selbstständigen Partnern und einem Außenumsatz von rund 3 Milliarden Euro Europas größte IT-Verbundgruppe. Seit 2007 ist Wenninger auch Präsidiumsmit-glied im ZGV.

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Günter Althaus ist seit 2009 Vorstandsvorsitzender der ANWR GROUP eG und seit 2003 Geschäfts-führer der DZB BANK GmbH. Mit einem Geschäftsvolumen von über 7 Milliarden Euro zählt die ANWR GROUP zu den führenden euro-päischen Handelskooperationen. Althaus ist außerdem Präsidiums-mitglied des ZGV.

Volker Müller ist seit 2006 Vor-standsvorsitzender der expert AG, einem Zusammenschluss von ca. 230 selbstständigen Händlern mit insgesamt ca. 410 Fachgeschäften und Fachmärkten. Die Unterneh-mensgruppe hat sich mit ihren Firmen und unternehmerischen Aktivitäten eine starke Position im Markt erarbeitet. Müller ist Präsi-diumsmitglied des ZGV.

Frank Stratmann ist seit 2010 Hauptgeschäftsführer des Einrich-tungspartnerrings GmbH & Co. KG (VME), einem der umsatzstärksten Möbelverbände in Deutschland. Seit der Gründung im Jahr 1964 bündelt VME die Einkaufsaktivitä-ten von inzwischen 200 mittelstän-dischen Möbelhandelsunterneh-men, die zusammen mehr als 300 Einrichtungshäuser, Küchenfach-märkte oder Fachmärkte für Junges Wohnen betreiben.

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Informationen, Adressen

Konzept, Kommunikation, Designszugger communication labs [email protected]

Moderationder innologe, Jens Bode [email protected]

Fotografieheartdirection, Silv [email protected]

IllustrationHeyko Stöber [email protected]

Impulsgeber

Benjamin BrüserEmmas EnkelDiehl & Brüser Handelskonzepte GmbH, Dü[email protected]

Prof. Dr. Marc Drünertrommsdorff + drünerinnovation + marketing consultants GmbH, [email protected]

Heinz Grünerheingold GmbH und Co. KG, Kö[email protected]

Nils MüllerTrendONE GmbH, [email protected]

Prof. Dr. Marcel Seidel BIG – Banking Innovation Group GmbH, [email protected]

HandelnDenken ist eine Initiative der DZB BANK.Für weitere Informationen steht Ihnen die Seite www.handelndenken.de zur Verfügung. Außerdem das Koordinationsbüro HandelnDenken in Mainhausen:

HandelnDenkenFrau Melanie WeippertNord-West-Ring-Str. 1163533 Mainhausen Telefon: +49 (0)6182 928-2514 [email protected]

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