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Sammellust Dr. Sabine Haag Generaldirektorin Kunsthistorisches Museum Wien Burgring , Wien © KHM Autoren: Gerlinde Gruber (Barocke Hängung, , , ) Barbara Herbst (, , , ) Rotraut Krall (, , , , , , , ) Manuela Laubenberger () Konrad Schlegel (, , , , , ) Renate Schreiber (Einleitung, ) Agnes Stillfried (, , , , ) Francesca del Torre Scheuch () Daniel Uchtmann (, , , ) Karoline Zhuber-Okrog () Andreas Zimmermann (, , , ) HERAUSGEBERIN PARTNER David Teniers d. J. Erzherzog Leopold Wilhelm (1614–1662) in seiner Galerie in Brüssel um 1650, Leinwand ÖFFNUNGSZEITEN 17. Juni bis 28. September 2014 Di – So, – Uhr; Do – Uhr Juni bis August täglich geöffnet! Sammellust DE Viele Menschen gehen ihrer Sammellust mit Enthusiasmus nach, doch nur wenige Samm- lungen werden über Jahrzehnte oder gar Jahr- hunderte gleichsam als Einheit bewahrt und ge- schätzt. Zu diesen Ausnahmen gehört glück- licherweise die außergewöhnlich qualitätvolle »galeria« von Erzherzog Leopold Wilhelm (–). Anlässlich der . Wiederkehr sei- nes Geburtstages präsentiert das Kunsthistori- sche Museum Wien eine Auswahl aus seiner Sammlung, die einen grundlegenden Bestand des Hauses umfasst. Mit Leidenschaft und ei- nem großen Teil der ihm zur Verfügung stehen- den Mittel hat der Erzherzog seine Kunstsamm- lung zusammengetragen. Er nutzte sie auch ge- schickt für sein Ansehen: Indem er seine Meisterwerke durch gemalte und gedruckte Bil- der international bekannt machte, etablierte er seinen Ruf als exzellenter Kenner und Liebha- ber der Künste. Saal VIII bietet einen Eindruck von der Viel- falt der Sammlung und wie Leopold Wilhelm sie präsentierte. Zusätzlich werden in der Ge- mäldegalerie und der Kunstkammer weitere Meisterwerke aus dem Besitz des Erzherzogs gesondert gekennzeichnet, und im Münzkabi- nett findet sich eine ihm gewidmete Vitrine. Folgen Sie der erzherzoglichen Sammellust durch das Haus, es lohnt sich! EINLEITUNG 17. JUNI BIS 28. SEPTEMBER 2014 L E O P O L D W I L H E L M S A M M E L L U S T

Sammellust - Kunsthistorisches Museum...Jordaens, Rubens und die Caravaggio-Rezep-tion in den Südlichen Niederlanden publiziert. Vortrag Fr 12. september 16 Uhr VOrtragsra Um mittags-füHrungen

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  • Sammellust

    Dr. Sabine Haag

    Generaldirektorin

    Kunsthistorisches Museum Wien

    Burgring , Wien

    © KHM

    Autoren:

    Gerlinde Gruber (Barocke Hängung, , , )

    Barbara Herbst (, , , )

    Rotraut Krall (, , , , , , , )

    Manuela Laubenberger ()

    Konrad Schlegel (, , , , , )

    Renate Schreiber (Einleitung, )

    Agnes Stillfried (, , , , )

    Francesca del Torre Scheuch ()

    Daniel Uchtmann (, , , )

    Karoline Zhuber-Okrog ()

    Andreas Zimmermann (, , , )

    HERAUSGEBERIN

    PARTNER

    David Teniers d. J.Erzherzog Leopold Wilhelm (1614–1662) in seiner Galerie in Brüsselum 1650, Leinwand

    ÖFFNUNGSZEITEN 17. Juni bis 28. September 2014Di – So, – Uhr; Do – Uhr Juni bis August täglich geöffnet!

    Sammellust

    DEViele Menschen gehen ihrer Sammellust mit

    Enthusiasmus nach, doch nur wenige Samm-

    lungen werden über Jahrzehnte oder gar Jahr-

    hunderte gleichsam als Einheit bewahrt und ge-

    schätzt. Zu diesen Ausnahmen gehört glück-

    licherweise die außergewöhnlich qualitätvolle

    »galeria« von Erzherzog Leopold Wilhelm

    (–). Anlässlich der . Wiederkehr sei-

    nes Geburtstages präsentiert das Kunsthistori-

    sche Museum Wien eine Auswahl aus seiner

    Sammlung, die einen grundlegenden Bestand

    des Hauses umfasst. Mit Leidenschaft und ei-

    nem großen Teil der ihm zur Verfügung stehen-

    den Mittel hat der Erzherzog seine Kunstsamm-

    lung zusammengetragen. Er nutzte sie auch ge-

    schickt für sein Ansehen: Indem er seine

    Meisterwerke durch gemalte und gedruckte Bil-

    der international bekannt machte, etablierte er

    seinen Ruf als exzellenter Kenner und Liebha-

    ber der Künste.

    Saal VIII bietet einen Eindruck von der Viel-

    falt der Sammlung und wie Leopold Wilhelm

    sie präsentierte. Zusätzlich werden in der Ge-

    mäldegalerie und der Kunstkammer weitere

    Meisterwerke aus dem Besitz des Erzherzogs

    gesondert gekennzeichnet, und im Münzkabi-

    nett findet sich eine ihm gewidmete Vitrine.

    Folgen Sie der erzherzoglichen Sammellust

    durch das Haus, es lohnt sich!

    EINLEITUNG

    17. JUNI BIS 28. SEPTEMBER 2014

    LE

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    LD WILHE

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    26■ Gemäldegalerie

    ■ Gemäldegalerie

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    ■ Kunstkammer Wien

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    David Teniers d.J., Leopold Wilhelm in seiner Brüsseler Galerie, um 1651, © KHM

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    Wir verschicken die Karte innerhalb der EU

    für Sie. Die Box finden Sie im Shop.

    grüsse aus Dem KunstHistori-scHen museum

    Kurze Führungen zur Mittagszeit: Mittagszy-

    klus “Sammellust” zur Sonderausstellung je-

    den Dienstag um 12.30 Uhr im Juli und Au-

    gust. Themen in unserem Monatsprogramm

    und auf www.khm.at

    Dr. Irene Schaudies, Archduke Leopold

    Wilhelm and Jacob Jordaens

    Irene Schaudies hat über Jacob Jordaens dis-

    sertiert und mit Joost Vander Auwera und Jus-

    tus Lange an der Ausstellung Jordaens und die

    Antike in Brüssel/Kassel gearbeitet. Sie ist

    freie Kunsthistorikerin mit Forschungsschwer-

    punkt Flämischer Barock und hat bis jetzt über

    Jordaens, Rubens und die Caravaggio-Rezep-

    t ion in den Südl ichen Nieder landen

    publiziert.

    Vortrag

    Fr 12. september 16 UhrVOrtragsraUm

    mittags- füHrungen

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    ■ Ausstellung »Sammellust«

    Sabine Haag (Hg.)

    Broschur, 112 Seiten, deutsch

    ISBN 978-3-99020-071-1

    € 14,95

    Katalog

  • Frans Luycx

    ErzhErzog LEopoLd WiLhELm

    Zugeschrieben an: Alessandro Abondio

    porträtmEdaiLLE

    Jan Davidsz de Heem

    EucharistiE

    Augsburg zWEi pistoLEn mit FLintEnschLoss

    David Teniers d.J.

    VogELschiEssEn zu BrüssEL

    Leonhard Kern

    szEnE aus dEm drEissigjährigEn KriEg

    Leonhard Kern

    aBundantia

    Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico

    atropos

    Dionysio Miseroni

    muschELFörmigE schaLE

    Florentinisch

    L'arrotino (dEr schLEiFEr)

    Italienisch

    ushEBti

    Römisch

    magischE gEmmE

    Römisch

    KaisEr Lucius VErus

    Balthasar Herold, Johann Philipp Barth ErzhErzog LEopoLd WiLhELm

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    12

    13

    Im Sonder-auSStellungS-Saal

    14

  • David Teniers d.J.

    thEatrum pictorium

    BarocKE hängung

    David Teniers d.J.

    ErzhErzog LEopoLd WiLhELm in sEinEr gaLEriE in BrüssEL

    Tiziano Vecellio, gen. Tizian

    jacopo strada

    Antonello da Messina

    maria mit Kind und hEiLigEn

    Jacopo Robusti, gen. Tintoretto

    BiLdnis EinEs WEissBärtigEn mannEs

    Raffaello Santi, gen. Raffael

    hL. margarEtE

    Giorgione

    diE drEi phiLosophEn

    Carracci

    BEWEinung christi

    Jan van Eyck

    KardinaL niccoLò aLBErgati

    Pieter Bruegel d.Ä.

    jägEr im schnEE (WintEr)

    Anthonis van Dyck

    gEFangEnnahmE simsons

    Frans van Mieris d.Ä.

    KaVaLiEr im VErKauFsLadEn

    15

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    Jacob Jordaens

    FEst dEs BohnEnKönigs

    Joachim von Sandrart

    minErVa und saturn

    Christoph Paudiß

    hL. hiEronymus

    Peter Paul Rubens

    gEWittErLandschaFt mit jupitEr, mErKur, phiLEmon und Baucis

    Peter Paul Rubens

    haupt dEr mEdusa

    Meister der Wiener Gregorplatte

    hEiLigEr grEgor mit schrEiBErn

    Pier Maria della Pescia Serbaldi, gen. Tagliacarne

    poLyhymnia

    Meister der Dosenköpfe

    zWEi dosEnBödEn

    Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico

    hErKuLEs und antäus

    Leonhard Kern

    christus in dEr ruhE

    Gottfried Libalt

    stiLLEBEn mit BüstE ErzhErzog LEopoLd WiLhELms

    Zugeschrieben an: Jan van den Hoecke

    aLLEgoriE auF ErzhErzog LEopoLd WiLhELm (1614 —1662)

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    In der gemälde-galerIe

    In der KunSt- Kammer

  • Obwohl der Westfälische Friede 1648 den Drei-

    ßigjährigen Krieg beendet hat, befinden sich

    Spanien und Frankreich weiter im Krieg. So

    bleibt der Erzherzog im militärischen Einsatz.

    Die Niederlande sind seit vielen Jahren das

    Zentrum des Kunsthandels für ganz Europa.

    Infolge der politischen Wirren in England ge-

    langen zusätzlich vortreffliche Gemäldesamm-

    lungen auf den Markt. Hier greift Leopold

    Wilhelm begeistert zu, beraten durch seinen

    Kammermaler Jan van den Hoecke. Später

    übernimmt dieses Amt David Teniers d.J., der

    mit verschiedenen Galeriebildern die inzwi-

    schen zusammengetragenen Kunstwerke be-

    kannt macht.

    1656 legt Leopold Wilhelm auf eigenen

    Wunsch sein Amt nieder und kehrt nach Wien

    zurück. Ein halbes Jahr später stirbt sein Bru-

    der, Kaiser Ferdinand III. Nach einer schwie-

    rigen Kaiserwahl wird dessen junger Sohn

    Leo pold I. mit 19 Jahren zum Kaiser gewählt.

    Leopold Wilhelm steht ihm mit seinem Rat

    zur Seite; beide verbindet ein sehr gutes Ein-

    vernehmen.

    1658 wird das obere Geschoß der Wiener Stall-

    burg für die Aufstellung der umfangreichen

    Sammlung des Erzherzogs adaptiert. Anton

    Am 5. Januar 1614 kommt in Wiener Neustadt

    Erzherzog Leopold Wilhelm als jüngster Sohn

    des späteren Kaisers Ferdinand II. und der

    Maria von Bayern zur Welt.

    Als Nachgeborener wird er vom Vater für die

    geistliche Laufbahn bestimmt. Frans Luycx

    porträtiert den blond gelockten Prinzen, im

    Alter von etwa 22 Jahren, im geistlichen Ge-

    wand. Das Bild zeigt einen sensiblen, etwas

    melancholisch blickenden Erzherzog. Tatsäch-

    lich ist er mit seiner Bestimmung zum Bischof

    (von Passau, Straßburg u.a.) und Hoch- und

    Deutschmeister des Deutschen Ordens wenig

    glücklich.

    Sein Bruder Ferdinand III. überträgt ihm 1639

    und 1645 zweimal den Oberbefehl über die

    kaiserlichen Truppen im Dreißigjährigen

    Krieg, eine Aufgabe, die der militärisch uner-

    fahrene Leopold Wilhelm mit viel Einsatz,

    aber wenig beständigem Erfolg übernimmt.

    Im April 1647 reist Leopold Wilhelm nach

    Brüssel und tritt im Auftrag seines Cousins,

    König Philipps IV. von Spanien, ein politisch

    schwieriges Amt an: die Statthalterschaft in

    den Spanischen Niederlanden (heute etwa

    Belgien und Luxemburg). Aus Wien begleitet

    ihn als Kammerherr sein Vertrauter Graf Jo-

    hann Adolph von Schwarzenberg.

    1

    Frans Luycx (Antwerpen 1604 – 1668 Wien)

    ErzhErzog LEopoLd WiLhELm (1614 – 1662) in gEistLichEm gEWand, BrustBiLd

    um 1638Leinwand, 85 x 56 cmInv.-Nr. GG 2754

  • 2

    Zugeschrieben an: Alessandro Abondio (1570/80 – 1648)

    porträtmEdaiLLE (gnadEnmEdaiLLE) dEs LEopoLd WiLhELm

    ohne Jahr (nach 1641)Gold (Prägung), 42,5 mm, 35,14 g (entspricht 10 Dukaten), Öse abgebrochenInv.-Nr. MK 2545bβ

    Leopold Wilhelm war aufgrund seiner Her-

    kunft und durch die Vielzahl seiner Wirkungs-

    stätten mit den Medien der Münze und der

    Medaille vertraut. Dennoch ist bemerkens-

    wert, dass die Mehrzahl seiner Medaillen eine

    Funktion als Geschenk und Auszeichnung in-

    nehatte.

    Auf der Vorderseite zeigen diese »Gnadenme-

    daillen« sein betont geistliches Brustbild und

    auf der Rückseite stets eine Komposition aus

    Löwe und Lamm unter einem Kreuz, auf des-

    sen Querbalken ein Zaumzeug, Lorbeerzwei-

    ge und das Auge Gottes zu sehen sind. Die

    Deutung ist nicht einfach. Das Lamm kann

    als agnus dei interpretiert werden, es kann

    aber auch für die Gerechtigkeit stehen, der

    Löwe steht für die Tapferkeit und der Zügel

    für die Mäßigung, der Lorbeer kann sowohl

    für den Glauben als auch für den Sieg stehen.

    Man wird nicht fehlgehen, dies als allegori-

    sche Darstellung der Eigenschaften des Erz-

    herzogs zu sehen, die in der stets damit ver-

    knüpften Devise »TIMORE DOMINI« (»in

    Gottesfurcht«) gipfelt.

    van der Baren kümmert sich als Galeriedirek-

    tor um den Umbau und verfasst 1659 ein Ver-

    zeichnis aller Kunstwerke.

    Am 20. November 1662 stirbt Leopold Wil-

    helm in Wien. Einen Teil der Tapisserien ver-

    erbt er seinem Vertrauten Schwarzenberg,

    seine Gemälde dediziert er, »als das liebste

    aus meinem Nachlaß«, seinem Neffen Kaiser

    Leopold I.

    Ein wesentlicher Teil dieser Sammlung trägt

    bis heute zum Ruhm des Kunsthistorischen

    Museums Wien bei.

    // Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal

  • 3

    Jan Davidsz de Heem (Utrecht 1606 – 1683/1684 Antwerpen)

    EucharistiE, Von FruchtgirLandEn umgEBEn

    1648 datiert Leinwand, 138 cm x 125,5 cm x 2,5 cmInv.-Nr. GG 571

    De Heem malte dieses geistliche Stillleben

    1648 für Leopold Wilhelm, dessen Devise

    Timore Domini (in Furcht vor dem Herrn) so-

    wohl seine persönliche Frömmigkeit als auch

    seine vielen geistlichen Ämter widerspiegelt.

    Bereits mit 11 Jahren wurde er zum Bischof

    von Passau gewählt; es sollten noch zahlrei-

    che Bistümer folgen. Geistliche Stillleben wa-

    ren eine Spezialität der flämischen Barock-

    malerei und wurden von den Jesuiten im Sin-

    ne der Gegenreformation gefördert. Die

    sinnliche Freude an der genauen Wiedergabe

    paart sich in dieser Verherrlichung der Eucha-

    ristie mit christlicher Symbolik: Messkelch

    und strahlenumkränzte Hostie rahmen Früch-

    te und Blumen, die Tod und Auferstehung

    symbolisieren. So steht der Mohn für Christi

    Leidensweg, die Kirsche für die Sünde und

    ihre Überwindung, Kornähren und Trauben

    für Brot und Wein der Eucharistie und der

    Schmetterling für die auferstandene Seele.

    Das Vogelschießen gehört zu den traditionel-

    len Vergnügen der St. Georgs Armbrustgilde

    in Brüssel, die im Zuge dieses Wettschießens

    einen würdigen Jahreskönig ermittelt. Im Jahr

    1651 nahm Erzherzog Leopold Wilhelm per-

    sönlich daran teil und knüpfte an die Tradi-

    tion Erzherzog Albrechts, eines seiner Amts-

    vorgänger, an. In Anwesenheit der Mitglieder

    der Schützengilde, zahlreicher Vertreter der

    Stadt und Schaulustiger schoss der Statthal-

    ter erfolgreich auf die Vogelattrappe, die auf

    einer Stange in der Höhe des Dachreiters der

    Liebfrauenkirche am Zavel befestigt war. Auf

    der Estrade in der Mitte des Bildes nimmt Leo-

    pold Wilhelm, die Armbrust noch in Händen

    und als einziger Würdenträger mit einem Hut,

    die Glückwünsche zu seinem gelungenen

    Schuss entgegen. Teniers schildert meisterhaft

    die verschiedenen Aspekte wie Historienbild,

    Porträtmalerei, genrehafte Erzählung und vor

    allem höfische Repräsentation.

    4

    David Teniers d.J. (Antwerpen 1610 — 1690 Brüssel)

    VogELschiEssEn zu BrüssEL

    Bez. links unterhalb der Wagenpferde: DAVID.TENIERS.FEC AV 1652;1652 datiertLeinwand, 172 x 247 cmInv.-Nr. 756

    // Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal

  • Ein selbstbewusst ausschreitender Offizier

    stößt einer nackten jungen Frau einen Dolch

    in den Rücken, biegt ihren Arm gewaltsam

    nach hinten und schaut dabei spöttisch streit-

    süchtig zum Betrachter. Nicht der geringste

    Ausdruck des Schmerzes ist im Gesicht des

    jungen Mädchens zu lesen. Drei Rosen auf

    dem Wehrgehänge des Offiziers identifizieren

    den Aggressor als Reinhold von Rosen, den

    Spross einer livländischen Adelsfamilie, die

    im Dreißigjährigen Krieg auf Seiten der Fran-

    zosen an der Eroberung der Stadt Schwäbisch

    Hall teilnahm. Die Alabastergruppe ist in ih-

    rem Zeitbezug ungewöhnlich und stellt ver-

    mutlich eine Allegorie auf die Bedrohung von

    Schwäbisch Hall dar. Leonhard Kern, damals

    Bürger dieser Stadt, könnte vom Erzherzog

    persönlich damit beauftragt worden sein. Als

    kaiserlicher Feldherr war er Gegner von Rein-

    hold von Rosen und sah sich in übertragenem

    Sinn auch als Beschützer der Reichsstadt.

    6

    Leonhard Kern (1588—1662)

    szEnE aus dEm drEissigjährigEn KriEg

    Schwäbisch Hall, vor 1659Alabaster, H. 34,3 cm Inv.-Nr. KK 4363

    Pistolen zählten während des Dreißigjährigen

    Kriegs zur Grundausstattung der Schweren

    Reiterei. Diese sollte durch gezielte Attacken

    die feindlichen Linien aufbrechen und die geg-

    nerischen Truppen in die Flucht schlagen. Das

    vorliegende Pistolenpaar stammt aus dem per-

    sönlichen Besitz Erzherzog Leopold Wilhelms.

    Es wird erstmals im Inventar seiner Samm-

    lung von 1660 beschrieben: »Ein Niderlen-

    disches par pistollen mit flintenschlössern, die

    schäft von schildkhrotten, welche ihro hoch-

    fürstlichen durchleichtigkeit etc. der herr graff

    Forgätsch zue Prespurg verehrt hat.« Die Pis-

    tolen zeichnen sich durch ihre elegante

    Schlichtheit und die kostbaren Materialien

    aus. Der aus Augsburg stammende Lauf wur-

    de mit rot-schwarz geflecktem Schildpatt ge-

    schäftet. Das Steinschloss ist graviert; die Be-

    schläge sind aus vergoldetem Messing.

    5

    Augsburg

    zWEi pistoLEn mit FLintEnschLoss

    Mitte des 17. Jhs.Eisen graviert, Messing graviert, Schildpatt, jeweils L. 71,5 cm, H. 15 cm, T. 5 cmInv.-Nrn. HJRK A 1470, A 1471

    // Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal

  • 8

    Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico(Mantua, um 1460 – 1528 Gazzuolo)

    atropos

    Mantua, um 1519Bronze, H. 32 cmInv.-Nr. KK 5545

    Die Schicksalsgöttin schneidet den Lebensfa-

    den des Menschen ab. Schere in der Rechten

    und Spinnrocken in der erhobenen Linken

    sind nicht mehr erhalten. Die qualitätvolle

    Statuette befand sich neben weiteren Klein-

    bronzen des Mantuaner Renaissancebildhau-

    ers Antico (zu sehen in der Kunstkammer,

    Saal 33) in der in der Wiener Stallburg ausge-

    stellten sogenannten Kunstkammer Leopold

    Wilhelms. Als der Erzherzog 1656 aus Brüs-

    sel nach Wien zurückkehrte, wurde seine

    enorm angewachsene Kunstsammlung zwei-

    geteilt. Der Großteil seiner Sammlung wurde

    in der Stallburg untergebracht und 1659 in-

    ventarisiert – dokumentiert sind 1397 Gemäl-

    de, 343 Zeichnungen und 542 Skulpturen,

    Kleinplastiken und andere Kunstkammer-

    stücke. Daneben ließ er aber auch seine soge-

    nannte Schatzkammer in der Amalienburg der

    Wiener Hofburg einrichten, wo sich über 800

    Objekte kostbarer Schatzkunst befanden (s.

    nächstes Objekt).

    Die antike Göttin mit Füllhorn ist aus dem

    spitz zulaufenden Ende eines Walrosszahns

    geschnitzt, dessen unbearbeiteter Teil noch

    im Kieferknochen steckt. Die Figur scheint

    der spröden Naturalie entwachsen und reflek-

    tiert auf diese Weise das für die Welt der

    Kunstkammern im 16. und 17. Jahrhundert so

    bezeichnende Wechselspiel von Kunst und

    Natur. Das bemerkenswerte Objekt befand

    sich im Besitz Leopold Wilhelms, noch bevor

    dieser seine Statthalterschaft in Brüssel an-

    trat. Als er 1647 Wien Richtung Brüssel ver-

    ließ, wurde ein Inventar seiner Kunstsamm-

    lung angelegt, worin es beschrieben ist. Zu

    diesem Zeitpunkt umfasste die Sammlung des

    Erzherzogs rund 470 Objekte. Es handelte

    sich dabei vor allem um Reliquiare und ande-

    re Sacralia, aber auch wissenschaftliche Ge-

    rätschaften und sog. Exotica. Die noch eher

    kleine Sammlung trug also Ansätze zu einer

    enzyklopädischen Kunstkammer.

    7

    Leonhard Kern (Forchtenberg 1588 – 1662 Schwäbisch Hall)

    aBundantia

    Schwäbisch Hall, um 1635/45Walrosszahn, H. 37,7 cmInv.-Nr. KK 4547

    // Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal

  • 10

    Florentinisch

    L'arrotino (dEr schLEiFEr) antiKEnrEduK-tion

    2. H. 16. JahrhundertBronze, H. 25,8 cmInv.-Nr. KK 5760

    9

    Dionysio Miseroni (Prag um 1607 – 1661 Prag)

    muschELFörmigE schaLE

    Prag, 1656/57Bergkristall, H. 7,1 cm, L. 13,1 cm, B. 7,9 cmInv.-Nr. KK 1420

    Ein Mann ist niedergekniet, um an einem

    Stein sein Messer zu schleifen. Sein Blick gilt

    jedoch nicht dem Messer, seiner Arbeit, son-

    dern jemand anderem, zu dem er sein gequält

    wirkendes Gesicht erhebt. Es ist Marsyas, dem

    auf Befehl Apollos die Haut abgezogen wer-

    den soll. Er fehlt hier, war aber Teil der sog.

    Marsyas-Schleifer-Gruppe aus hellenistischer

    Zeit. Die beeindruckenden Figuren dieser

    Bronzegruppe wurden in römischer Zeit oft-

    mals kopiert. Von Marsyas haben sich einige

    lebensgroße Marmorkopien erhalten, von der

    Schleifer-Figur allerdings nur eine einzige, die

    im frühen 16. Jahrhundert in Rom gefunden

    wurde und seit 1680 in den Uffizien zu sehen

    ist. Von ihr gibt es Kopien, Varianten, Skiz-

    zen zahlreicher Künstler des 16. und 17. Jahr-

    hunderts. Sie diente auch dieser Kleinbronze

    als Vorlage, mit der Leopold Wilhelm ein da-

    mals viel besprochenes Stück zumindest als

    Antikenreduktion in seiner Sammlung besaß.

    Gefäße aus Bergkristall wie dieses des kaiser-

    lichen Steinschneiders Dionysio Miseroni be-

    fanden sich in der sog. Schatzkammer Leo-

    pold Wilhelms in der Amalienburg der Wie-

    ner Hofburg. Diese Sammlung, insgesamt ca.

    814 Stück, inventarisiert 1660, umfasste auch

    seine wertvollen Reliquiare, Uhren und Sil-

    bergeschirr. Während in der sog. Kunstkam-

    mer in der Stallburg also vor allem erzähleri-

    sche, figürliche Objekte ausgestellt waren, um-

    fasste die Schatzkammer in der Amalienburg

    mehr Kunstwerke, denen der figürliche Cha-

    rakter fehlt. Eine derartige inhaltliche und

    räumliche Trennung einer fürstlichen Samm-

    lung in »figürliche Kunst« und »Schatzkunst«

    stellt ein deutliches Abrücken von der alten

    Idee der enzyklopädischen Kunstkammer dar

    und kündigt die Neuordnung der Habsburgi-

    schen Sammlungsbestände in Spezialkabinet-

    te an, die dann im 18. Jahrhundert im Geiste

    der Aufklärung voll einsetzen wird.

    // Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal

  • 12

    Römisch

    magischE gEmmE

    Ouroboros-Schlangeund magische Inschriften2. JahrhundertChalcedon, H. 2,2 cmInv.-Nr. ANSA IXb 1230

    Eine Identifizierung von antiken Kleinobjek-

    ten der Sammlung Leopold Wilhelms anhand

    der nur sehr allgemein gehaltenen Inventare

    ist bisher leider nicht gelungen. Ein kleiner,

    spezieller Bestand lässt sich jedoch nachwei-

    sen: Es handelt sich um Gemmen (vertieft ge-

    schnittene Edelsteine) aus dem 2. und 3. Jahr-

    hundert n. Chr. mit magisch-okkulten Darstel-

    lungen. Sie dienten in der Antike als

    Amulette und Talismane. Der Leibarzt des

    Erzherzogs, Johannes Chifletius (1588–1660),

    publizierte diese Gattung erstmals: Herkunfts-

    nachweis, Beschreibungen und Kupferstiche

    von vier Steinen aus der erzherzoglichen

    Sammlung: drei magischen Gemmen und ei-

    ner Phalera, einer römischen Militärauszeich-

    nung. Die Bilder auf ihnen – dämonenhafte

    Mischwesen, Götterversammlungen, eine sich

    in den Schwanz beißende Schlange (Ourobo-

    ros, Symbol der Ewigkeit) oder magische In-

    schriften – regten zu gelehrtem Disput an.

    Diese Figur in der Sammlung Leopold Wil-

    helms zu finden, mag auf den ersten Blick ver-

    wundern, da das große Interesse an Ägypten

    erst sehr viel später aufkommt. Dennoch kur-

    sierten kleinere ägyptische Objekte schon in

    dieser Zeit als sammlungswürdige Stücke des

    Altertums, auch wenn sie noch die Ausnah-

    me bildeten. Dieses Ushebti besticht durch

    seine echt anmutende Ausführung. Es ist ein

    Hieroglyphentext erkennbar, wenn auch nicht

    alle Zeichen lesbar sind. Allerdings wurde

    Bronze als Werkstoff für Ushebtis in Ägypten

    nicht verwendet. Diese Figur dürfte daher

    wohl ein Abguss eines echten Ushebtis sein,

    wobei der Sockel, auf dem das originale Stück

    montiert war, gleich mit abgeformt wurde. Ge-

    rade der Bronzeguss bot eine willkommene

    Möglichkeit, begehrte antike Originale, die

    selten waren, nachzuformen, und diese dann

    in Originalgröße oder als Reduktion in der

    Sammlung zu besitzen.

    11

    Italienisch

    ushEBti

    um 1650?Bronze, H. 13,1 cmInv.-Nr. KK 5858

    // Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal

  • 14

    Balthasar Herold (1625—1683), Johann Philipp Barth (1657—1657)

    ErzhErzog LEopoLd WiLhELm, BüstE

    Wien, 1657 Bronze, H. 69,5 cmInv.-Nr. KK 8930

    Die Bronzebüste folgt der vom Erzherzog be-

    vorzugten Darstellung als Feldherr und Hoch-

    meister des Deutschen Ordens. Balthasar He-

    rold lieferte im Auftrag Kaiser Ferdinands III.,

    des Bruders von Leopold Wilhelm, Bronze-

    plastiken für die kaiserliche Kunstkammer,

    darunter auch eine derartige Büste. Die Zu-

    schreibung an Balthasar Herold erfolgte auf

    Grund seiner Nennung in einer zur Zeit des

    Ablebens des Kaisers (gest. 1657) noch nicht

    bezahlten Rechnung. Herold wählte als Vor-

    bild eine 1650 datierte und signierte Marmor-

    büste des flämischen Bildhauers Jérôme II.

    Duquesnoy (zu sehen in der Kunstkammer,

    Saal 23). In überzeugender Weise schuf

    Duquesnoy mit dieser distanziert-würdevol-

    len Pose eine Porträtbüste repräsentativ-höfi-

    schen Charakters und kam so den gemalten

    Porträts von Anton van Dyck sehr nahe. He-

    rold übertrug diese barock-klassizistische Ten-

    denz perfekt ins Medium der Bronze.

    Die antike römische Büste ist schon 1875 im

    Inventar der Antikensammlung identifiziert

    und auf dem in der Ausstellung gezeigten

    Galeriebild (Inv.-Nr. GG 739) erkannt worden.

    Erst kürzlich konnte man dessen prominente

    Stellung – zwischen Leopold Wilhelm und

    David Teniers – erklären: Man hatte in dem

    Dargestellten Kaiser Mark Aurel gesehen, dem

    als »Philosophenkaiser« seit dem Humanis-

    mus eine besondere vorbildhafte Bedeutung

    zukam. Nicht zufällig ist wohl auch die Bron-

    zestatuette Leopold Wilhelms (Inv.-Nr. KK

    6002), die auf das berühmte Reiterstandbild

    des Mark Aurel vom Kapitol in Rom zurück-

    geht, dargestellt (links auf dem Tisch).

    Auf einem Stich aus dem Jahr 1660, im soge-

    nannten Theatrum Pictorium, ist die Kaiser-

    büste ebenfalls an zentraler Stelle abgebildet.

    Offensichtlich schätzte Leopold Wilhelm

    antike Objekte in seinem Besitz nicht nur als

    Kostbarkeiten, sondern auch wegen ihrer Be-

    deutung für ihn persönlich.

    13

    Römisch

    porträtBüstE dEs KaisErs Lucius VErus

    Mitte 2. JahrhundertMarmor, H. 100 cmInv.-Nr. ANSA I 115

    // Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal

  • 16

    David Teniers d.J.(Antwerpen 1610 — 1690 Brüssel)

    thEatrum picto-rium

    Brüssel 1660Bibliothek, Inv.-Nr. 14523

    Dieses Werk gilt als der erste gedruckte und

    illustrierte Katalog einer Sammlung schlecht-

    hin. 1660 in Brüssel publiziert, präsentiert das

    Theatrum Pictorium eine Auswahl von itali-

    enischen Gemälden aus der Sammlung Erz-

    herzog Leopold Wilhelms. Mit Künstler-

    namen und Maßangaben versehen, geben 243

    Radierungen ebenso viele Werke in drei Stan-

    dardformaten wieder. Das Theatrum enthält

    außerdem das Frontispiz mit Widmung an den

    Erzherzog, die Vorrede Teniers', die Beschrei-bung und zwei Ansichten der in Wien neu auf-

    gestellten Galerie. Die Publikation wandte

    sich an ein breites Publikum, wie die auf La-

    tein, Französisch, Flämisch und Spanisch ver-

    fassten Texte erweisen, und diente zugleich

    als Studienbehelf für Künstler und Kunstlieb-

    haber. Teniers kopierte die Gemälde auf Tä-

    felchen (sog. »Pasticci«), die nach der Über-

    siedlung der Galerie nach Wien als Vorlage

    für die Stecher dienten.

    Das Wiener Galeriebild gibt die wichtigsten

    italienischen Bildererwerbungen des Erzher-

    zogs wieder. Der Großteil der hier dargestell-

    ten Objekte befindet sich noch heute in der

    Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Muse-

    ums, wobei beim Vergleich mit den Origina-

    len auffällt, dass Teniers die Bildgröße will-

    kürlich vereinheitlicht hat. Elf nur geringfü-

    gig variierende Fassungen sind heute noch

    bekannt. Damit stellt das Galeriebild keine

    historisch enzyklopädische Schilderung der

    Sammlung dar, sondern betont die höfisch re-

    präsentative Bedeutung der Sammeltätigkeit

    des Erzherzogs. Dieser Charakter wird auch

    durch die beiden Hunde, die im Vordergrund

    an einem Stock zerren, verstärkt. Die Szene

    ist zwar ein genrehaftes Element, das auf dem

    niederländischen Sprichwort »Zwei Hunde

    an einem Bein kommen selten überein« be-

    ruht, aber auf die politischen Spannungen zwi-

    schen der spanischen Krone und dem Statt-

    halter hinweisen könnte.

    15

    David Teniers d.J. (Antwerpen 1610 — 1690 Brüssel)

    ErzhErzog LEo-poLd WiLhELm in sEinEr gaLEriE in BrüssEL

    um 1650Leinwand, 124 cm x 165 cmInv.-Nr. 739

    // Im Sonderausstellungssaal // Im Sonderausstellungssaal

  • Diese barocke Hängung ist vom Galeriegang

    der Sammlung Leopold Wilhelms in der Stall-

    burg inspiriert. Die sehr dichte Präsentation

    niederländischer Gemälde ermöglicht eine

    Vorstellung von einer damals als ideal erach-

    teten Hängung. Dabei kommt es zu ungewohn-

    ten Seh-Erlebnissen: Meisterwerke wie Die

    Beweinung Christi von Peter Paul Rubens im

    Zentrum dieser Wand werden heute gerne als

    Solitäre mit viel Freiraum zelebriert.

    Die Wand enthält nur Werke zeitgenössischer

    Künstler, doch sind alle Themen vertreten:

    Historie, Genre, Porträt, Stillleben. Zwei Ge-

    mälde davon sind »biographisch«. Sie zeigen

    Leopold Wilhelm in verschiedenen Situatio-

    nen: in der Kathedrale von Antwerpen (rechts,

    sich vor dem Geistlichen verneigend) sowie

    beim Schlittschuhlaufen auf dem Stadtgraben

    in Brüssel (rechts am Rand aus der Kutsche

    blickend). Solche Werke, von denen Leopold

    Wilhelm eine Reihe besaß – so auch das Vo-

    gelschießen in Brüssel –, sollten neben Herr-

    scherlob meist auch Volksnähe demonstrie-

    ren und waren wohl Aufträge des Erzherzogs.

    Die auffällig vielen Blumenbilder waren ein

    relativ neues Genre. Leopold Wilhelm hatte

    insgesamt über neunzig davon in seinem 1659

    erstellten Gemäldeinventar, das 1397 Gemäl-

    de listet. Darin wird auch immer ganz genau

    die Autorschaft der Gemälde angegeben – in

    17

    BarocKE hängung

    Antwerpen gab es damals eine deutliche Nach-

    frage nach Gemälden, an denen erkennbar

    mehrere Künstler gearbeitet hatten. So ist für

    die Scheune mit Geschirr reinigender Magd

    und Ziegen belegt, dass David Teniers nur die

    Figuren und Cornelis Saftleven den Rest des

    Bildes malte. Für Leopold Wilhelm war es ein

    Vergnügen, die Hände scheiden zu können

    und darüber zu diskutieren. Solche Kenner

    wurden damals zu Recht ›Liebhaber der Küns-

    te‹ genannt.

  • Leopold Wilhelm liebte italienische, insbeson-

    ders venezianische Malerei des 16. Jahrhun-

    derts. Wie viele andere Habsburger Sammler

    schätzte er vor allem Tizian. Dieses berühm-

    te Spätwerk scheint im Inventar von 1659 auf.

    Wahrscheinlich stammt es aus altem kaiser-

    lichen Besitz. Wir wissen, dass Leopold Wil-

    helm auch solche Werke gern in seine Samm-

    lung aufnahm.

    Tizian war berühmt für seine Portraits und wie

    meist erzählt er auch hier etwas über den Dar-

    gestellten: Die Venus in Stradas Hand und der

    antike Torso auf dem Tisch verweisen darauf,

    dass er Hofantiquarius verschiedener Kaiser

    und Fürsten war. Münzen und die Bücher auf

    dem Kasten erinnern an Stradas Bücher über

    antike Numismatik. Goldkette, Pelz und De-

    gen dokumentieren seinen Stand. Wie in den

    meisten seiner späten Bilder trägt Tizian die

    Farbe mit dicken pastosen Pinselstrichen auf

    und verzichtet auf klare Umrisslinien.

    18

    Tiziano Vecellio, gen. Tizian (Pieve di Cadore um 1488 – 1576 Venedig)

    jacopo strada

    1567/68Leinwand, 126 cm x 95,5 cm x 3 cmInv.-Nr. GG 81

    In den 70er Jahren des 15. Jahrhunderts hielt

    sich Antonello da Messina in Venedig auf und

    malte dort im Auftrag von Pietro Bono eine

    Altartafel für die Kirche San Cassiano. Die

    große Tafel mit Maria und Kind flankiert von

    acht ganzfigurigen Heiligen wurde aus der

    Kirche entfernt, 1620 zersägt und in einzelnen

    Teilen verkauft, eine Praxis, die bei mehrfigu-

    rigen Bildern einen profitableren Verkauf er-

    möglichte und der steigenden Nachfrage der

    Sammler nach hochwertigen Stücken »effek-

    tiver« nachkam. Der mittlere Teil der Tafel

    mit Maria und zwei Seitenteile mit je zwei

    Heiligen gelangten über die Sammlung Ha-

    milton in den Besitz Leopold Wilhelms. Die

    damals Giovanni Bellini zugeschriebenen ein-

    zelnen Tafeln wurden getrennt inventarisiert,

    da man offenbar weder ihre Zusammengehö-

    rigkeit, noch den eigentlichen Schöpfer des

    Werkes erkannte.

    19

    Antonello da Messina (um 1430 – 1479 Messina)

    maria mit Kind und dEn hLL. niKoLaus Von Bari, anastasia (?), ursuLa, dominiKus und (Vom rahmEn üBErschnittEn) hELEna

    1475/1476Pappelholz, Mitteltafel: 115 x 63 cm, linke Tafel: 55,5 x 35 cm, rechte Tafel: 56,8 x 35,6 cmInv.-Nr. GG 2574

    // In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie

  • Raffaels Komposition der Hl. Margarete war

    seit ihrem Bekanntwerden in Venedig beson-

    ders verehrt. 1528 wurde sie in der Sammlung

    des Advokaten Zuanantonio Venier hymnisch

    beschrieben. Sein letzter venezianischer Be-

    sitzer war der Prokurator Michiel Priuli, der

    das Gemälde offensichtlich besonders schätz-

    te. Als er es an den Herzog von Hamilton, ei-

    nen Vertrauten des englischen Königs Charles

    I., verkaufte, sei er vor Gram darüber die Trep-

    pe hinuntergestürzt und verstorben. Im Zuge

    des englischen Bürgerkrieges gelangte die

    Sammlung Hamilton 1649 nach Holland und

    wenige Wochen später in den Besitz Leopold

    Wilhelms. Mit dieser Erwerbung legte der Erz-

    herzog den Grundstock für seinen eigenen

    Bestand italienischer Bilder des 16. Jhs. Wie

    bedeutend Raffaels Gemälde für Leopold Wil-

    helm war, zeigt die Tatsache, dass es in meh-

    reren Fassungen der Galeriebilder prominent

    im Vordergrund stehend dargestellt ist.

    21

    Raffaello Santi gen. Raffael (Urbino 1483 — 1520 Rom)

    hL. margarEtE

    um 1518Pappelholz, 191,3 cm x 123 cm x 3,5 cmInv.-Nr. 171

    20

    Jacopo Robusti, gen. Tintoretto (1519 – 1594 Venedig)

    BiLdnis EinEs WEissBärtigEn mannEs

    um 1570Leinwand, 92,4 x 59,5 cmInv.-Nr. GG 25

    Dieses Porträt eines Würdenträgers gehört zu

    den eindrucksvollsten Menschendarstellun-

    gen aus der Hand des bedeutenden Venezia-

    ners. Die Sammler aus dem Hause Habsburg

    waren zur Zeit Leopold Wilhelms bereits mehr

    als ein Jahrhundert besonders an veneziani-

    schen Gemälden interessiert, womit sich der

    Erzherzog in die Familientradition, beginnend

    mit Karl V. und Philipp II., einreiht. Die Wert-

    schätzung, die Leopold Wilhelm dem Gemäl-

    de entgegengebracht hat, zeigt sich auch dar-

    in, dass es u.a. auf dem Wiener Galeriebild

    des David Teniers d.J. unter den Meisterwer-

    ken italienischer Malerei zu erkennen ist. Te-

    niers war dem Erzherzog beim Erwerb seiner

    umfangreichen Sammlung mit seiner Kenner-

    schaft behilflich. Er setzte seinem Herrn ein

    dauerhaftes Monument, indem er den Ruhm

    der Sammlung in dem illustrierten Katalog

    Theatrum Pictorium verewigte. In diesem Mu-

    seum auf Papier findet sich der Weißbärtige

    Mann auf Tafel 97. Evtl. ist das Gemälde mit

    einem Inventareintrag der Sammlung Hamil-

    ton von 1643 identisch: »A blacke man in fur-

    red gowne of Tintoret«. Leopold Wilhelm er-

    warb nach der Hinrichtung Hamiltons einige

    Gemälde aus dieser Sammlung.

    // In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie

  • 23

    Annibale Carracci (Bologna 1560 – 1609 Rom)

    piEtà

    um 1603Kupfer, 41 x 60 cmInv.-Nr. GG 230

    In diesem kleinen Meisterwerk hat Annibale

    Carracci auf engstem Raum und mit wenigen

    Figuren ein Inbild von Trauer, Schmerz und

    Tod geschaffen. Geschult an den Körperdar-

    stellungen Raffaels, Michelangelos und der

    antiken Skulptur erreicht er durch einen ganz

    eigenen Einsatz der Farbe eine ungeheure

    emotionale Intensität: Maria scheint ihrem

    Sohn fast nachzusterben, so haben sich ihre

    Lippen und Fingerspitzen bläulich verfärbt

    und der Farbe des Leichnams Christi angegli-

    chen. Das einzig tröstliche Motiv der beiden

    Engelsköpfe steht in stärkstem Kontrast zu

    den rechts auf dem Grab abgelegten Passions-

    werkzeugen, an denen sich Blutspuren erken-

    nen lassen.

    Im Galeriebild von Teniers (Saal VIII) wird

    Carraccis Pietà an herausgehobener Stelle im

    Vordergrund präsentiert, was als Ausdruck

    besonderer Wertschätzung wohl auch des

    Sammlers verstanden werden darf.

    22

    Giorgio da Castelfranco, gen. Giorgione (Castelfranco um 1477 – 1510 Venedig)

    diE drEi phiLoso-phEn

    1508/1509Leinwand, 125,5 cm x 146,2 cm x 3,5 cmInv.-Nr. GG 111

    Giorgiones Hauptwerk befand sich in der

    Sammlung Bartolomeo della Naves, die der

    später hingerichtete Herzog von Hamilton

    über Vermittlung seines Schwagers, des eng-

    lischen Botschafters in Venedig, angekauft

    hatte. 1649 erwarb Leopold Wilhelm seine be-

    deutende Sammlung. Der Erzherzog muss das

    Gemälde sehr geschätzt haben, denn es taucht

    in vielen seiner Galeriebilder auf. Ein Ver-

    gleich von Original und Abbildung zeigt, dass

    es im 18. Jh. links beschnitten wurde.

    Nur wenige Bilder lassen sich wie dieses Gior-

    gione mit Sicherheit zuschreiben. Hier stellt

    er die Gründungsväter der abendländischen

    Philosophie dar: Pythagoras mit Winkelmaß

    und Zirkel sowie dessen Lehrer, Pherekydes

    von Syros und den greisen Thales. Typisch für

    Giorgione, einen der führenden Maler in Ve-

    nedig um 1500, waren die poetische Stimmung

    und die warme, alles verbindende Farbharmo-

    nie, die auch Tizian und andere Zeitgenossen

    beeinflusste.

    // In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie

  • 25

    Pieter Bruegel d.Ä. (Breda ? um 1525/30 – 1569 Brüssel)

    jägEr im schnEE (WintEr)

    1565 datiertEichenholz, 117 x 162 cmInv.-Nr. GG 1838

    Seit Ferdinand II. verblieb der Kunstbesitz des

    Hauses Habsburg im Besitz des jeweils Erst-

    geborenen. Da Leopold Wilhelm seinen Nef-

    fen, Kaiser Leopold I., als Erben einsetzte,

    wurde seine Sammlung wohl schon als kaiser-

    lich betrachtet, und er konnte sich in Wien

    eine Reihe von Gemälden Pieter Bruegels d.Ä.

    aneignen, die bereits von seinen Vorfahren,

    Erzherzog Ernst bzw. Kaiser Rudolf II., erwor-

    ben waren, darunter die heute berühmte Se-

    rie der Jahreszeiten, von denen Jäger im Schnee

    das bekannteste Bild ist. Bruegels Jahreszei-

    tenbilder wurden in der Stallburg unterhalb

    der Fenster gezeigt, sodass die gemalte Land-

    schaft mit dem darüberliegenden realen Land-

    schaftsausblick in Wettstreit stehen konnte.

    Das einzige Gemälde Pieters, das Leopold

    Wilhelm selber erstand und das heute noch

    als Bruegel gilt, ist der Vogeldieb in diesem

    Saal. Allerdings hielt man diesen für ein Werk

    des ›jungen Breugel‹.

    Erzherzog Leopold Wilhelm kaufte in Ant-

    werpen auch einzelne Bilder von anderen

    Sammlern oder Kunsthändlern. So erwarb er

    Jan van Eycks berühmtes Portrait 1648 zusam-

    men mit einem Vanitas Stillleben von Pieter

    Aertsen (Christus bei Maria und Martha, Kab.

    16) aus der Sammlung des Antwerpener Kunst-

    händlers Peter Stevens. Es zeigt wahrschein-

    lich Kardinal Albergati, der 1431 im Auftrag

    des Papstes versuchte, durch Friedensverhand-

    lungen den Hundertjährigen Krieg zu been-

    den.

    Jan van Eyck war Hofmaler des Herzogs von

    Burgund und galt lange als Erfinder der Öl-

    malerei. Das neue Medium erlaubte es ihm,

    Oberflächenreize wie die welke Haut, die

    Lichtreflexe in den Augen oder den Pelzbe-

    satz zu malen. Jan van Eyck gibt alle Details

    genau wieder, ohne sich in ihnen zu verlie-

    ren. Trotz des kleinen Formats überzeugt das

    Portrait durch seine innere Monumentalität,

    die zugleich den Charakter des Dargestellten

    reflektiert.

    24

    Jan van Eyck (Maaseyck bei Maastricht um 1390 – 1441 Brügge)

    KardinaL niccoLò aLBErgati (1375 – 1443)

    um 1435Eichenholz, 34 cm x 29,5 cmInv.-Nr. GG 975

    // In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie

  • 27

    Frans van Mieris d.Ä. (1635 – 1681 Leiden)

    KaVaLiEr im VErKauFsLadEn

    1660 datiertEichenholz, 54,5 x 42,7 cmInv.-Nr. GG 586

    Sandrart berichtet in seiner 1675 erschienenen

    Teutschen Academie von dem exorbitanten

    Preis von 2000 Gulden, den Leopold Wilhelm

    für den Kavalier im Kaufladen zahlte und be-

    findet dies noch für »viel zu wenig / gegen

    solcher schönen Arbeit«. Der Erwerb des 1660

    datierten Bildes des damals erst 25-jährigen

    Frans van Mieris zeigt, dass Leopold Wilhelm,

    auch nachdem er 1656 die Statthalterschaft

    der Spanischen Niederlande niedergelegt hat-

    te und nach Wien übersiedelt war, noch bes-

    tens über das ganz aktuelle Kunstgeschehen

    auch in den protestantischen Nördlichen Nie-

    derlanden informiert war. Frans van Mieris

    ist neben seinem Lehrer Gerrit Dou (dem ers-

    ten Schüler Rembrandts!) der Hauptvertreter

    der sog. Leidener Feinmalerei, die eine gera-

    dezu obsessive Fokussierung auf die Wieder-

    gabe der stofflichen Qualitäten der im Bild

    gezeigten Materialien kennzeichnet.

    Der Erzherzog war auch an zeitgenössischer

    flämischer Kunst sehr interessiert. Nur weni-

    ge Jahre vor seinem Amtsantritt als Statthal-

    ter der Spanischen Niederlande 1647 war der

    aus Antwerpen stammende Anthonis van

    Dyck in London gestorben (1641). Von ihm

    besaß Leopold Wilhelm zehn Gemälde,

    darunter Thetis empfängt von Hephaistos die

    Waffen für Achill und Kopfstudie einer em-

    porblickenden Frau (ebenfalls in Saal XI).

    Die Gefangennahme Simsons wurde laut Gio-

    vanni Bellori dem Erzherzog Leopold Wil-

    helm von ›Signor Van Wonsel‹ geschenkt.

    Damit sind wohl zwei Antwerpener Tuch-

    händler gemeint, Marc und Joos van Woon-

    sel, die van Dyck auch Aufträge vermittelt hat-

    ten. Bellori berichtet vom Erzherzog zudem,

    er habe alle seine Zeitgenossen im Studium

    der Antiken, Medaillen und Gemälde über-

    troffen, wie seine Galerie im Theatrum picto-

    rium (in der Sonderausstellung) zeigt.

    26

    Anthonis van Dyck (Antwerpen 1599 – 1641 London)

    gEFangEnnahmE simsons

    1628/1630Leinwand, 146 x 254 cmInv.-Nr. GG 512

    // In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie

  • 29

    Joachim von Sandrart (Frankfurt am Main 1606 – 1688 Nürnberg)

    minErVa und sa-turn BEschützEn Kunst und WissEnschaFt Vor nEid und LügE

    1644 datiertLeinwand, 146 x 202 cmInv.-Nr. GG 1136

    Erzherzog Leopold Wilhelm traf mit Joachim

    von Sandrart erstmals 1646 zusammen, als er

    den Maler auf dessen Gut Stockau im heuti-

    gen Oberbayern besuchte. Ein dem Künstler

    nahestehender Biograph schildert, dass der

    Erzherzog Werke Sandrarts in den Sammlun-

    gen der Wittelsbacher gesehen habe und neu-

    gierig auf ihn geworden sei. Gemeinsam sei

    man zum Pfalzgrafen nach Neuburg gereist,

    um die sich die dort befindlichen Werke des

    Rubens anzusehen. Aufgrund der Bekannt-

    schaft von Leopold Wilhelm und Sandrart

    entstanden mehrere Auftragswerke, so auch

    diese Allegorie. Wahrscheinlich hat der Erz-

    herzog auch das Thema vorgegeben, denn es

    stellt eine Verherrlichung seines Mäzenaten-

    tums dar. Die römische Göttin Minerva fun-

    giert als Beschützerin der Künste, die putten-

    haft klein vor den Allegorien des Neids und

    der Lüge flüchten. Saturn bzw. Chronos, mit

    Schild und Sense, ist der Gott der Zeit, der

    mit seiner Tat die Künste der Vergänglichkeit

    enthebt. Außerdem kann man in diesem Gott

    auch die Hoffnung erfüllt sehen, dass die Zeit

    die Lügen und den Neid entlarven.

    Von Jacob Jordaens, dem wichtigsten flämi-

    schen Barockmaler nach Rubens und Van

    Dyck, besaß Erzherzog Leopold Wilhelm nur

    ein Gemälde, obwohl Jordaens noch lebte, als

    Leopold Wilhelm Statthalter der Spanischen

    Niederlande war. Dieses eine Gemälde kann

    jedoch als eine Art Quintessenz von Jordaens' Errungenschaften gelten: das Fest des Boh-

    nenkönigs. Das mittlerweile zu einer Ikone

    barocker Lebensfreude gewordene Gemälde

    lässt sich auch direkt auf den Erzherzog be-

    ziehen, da dieser seinen Geburtstag (5.1.1614)

    gerne mit dem Dreikönigsfest feierte (6.1.),

    welches in den Niederlanden mit diesem

    Brauch verbunden war: Im Rahmen eines

    feucht-fröhlichen Gelages wird der Bohnen-

    könig mittels Los oder einer Bohne erkoren.

    Jordaens schuf mehrere Bilder dieses Themas;

    das Wiener Bild ist der besonders gelungene

    Versuch, einen alten Brauch in großem For-

    mat opulent zu erzählen.

    28

    Jacob Jordaens (Antwerpen 1593 – 1678 Antwerpen)

    FEst dEs BohnEnKönigs

    um 1640/1645Leinwand, 242 x 300 cmInv.-Nr. GG 786

    // In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie

  • 31

    Peter Paul Rubens (Siegen 1577 – 1640 Antwerpen)

    gEWittErLand-schaFt mit jupitEr, mErKur, phiLEmon und Baucis

    um 1620/1625Eichenholz, 146 x 208,5 cmInv.-Nr.-GG 690

    Rubens schuf die beeindruckende, mytholo-

    gisch verbrämte Gewitterlandschaft in den

    20er Jahren des 17. Jahrhunderts und zwar zu

    seinem Privatvergnügen: Sie wurde nie ver-

    kauft und ist im Nachlass des Künstlers 1640

    dokumentiert. König Charles I. bemühte sich,

    diese Landschaft zu kaufen, war aber wegen

    des englischen Bürgerkriegs daran gehindert.

    Als Statthalter der Spanischen Niederlande

    gelang es Erzherzog Leopold Wilhelm, sie zu-

    sammen mit weiteren drei Gemälden aus dem

    Nachlass zu erwerben (z.B. Das Mädchen mit

    Fächer oder Isabella d'Este in diesem Saal); insgesamt besaß er elf Werke des Künstlers.

    Bevor der umfangreiche Rubens-Nachlass zur

    Versteigerung gelangte, war für den spani-

    schen König ein Privatverkauf organisiert

    worden, an dem die österreichischen Habs-

    burger jedoch nicht teilgenommen hatten.

    Mit dem Hl. Hieronymus hat Leopold Wil-

    helm ein ganz aktuelles Werk eines protestan-

    tischen Künstlers erworben, vielleicht sogar

    direkt von diesem selbst, denn der aus Nie-

    dersachsen oder Hamburg stammende Chris-

    toph Paudiß war 1660 von Dresden nach Wien

    gekommen, ausgestattet mit einem an den Erz-

    herzog gerichteten Empfehlungsschreiben des

    sächsischen Kurfürsten Johann Georg II.

    Rembrandt, in dessen Werkstatt Paudiß in den

    1640er Jahren tätig war, hat den hl. Hierony-

    mus in Radierungen nicht weniger als sieben-

    mal dargestellt: Der Kirchenvater, der die he-

    bräischen und griechischen Heiligen Schrif-

    ten neu ordnete und ins Lateinische übertrug,

    war für protestantische Künstler und Auftrag-

    geber genauso wichtig wie für den katholi-

    schen Erzherzog. Neben Meditation und Buße

    ist die Beschäftigung mit der Schrift ein wich-

    tiges Thema dieses Bildes, das zu einem spä-

    teren Zeitpunkt am unteren Rand beträcht-

    lich beschnitten wurde.

    30

    Christoph Paudiß (Niedersachsen um 1625 – 1666 Freising)

    hL. hiEronymus

    1656/1658Leinwand, 136 x 124 cmInv.-Nr.-GG 395

    // In der Gemäldegalerie // In der Gemäldegalerie

  • 33

    Meister der Wiener Gregorplatte

    hEiLigEr grEgor mit schrEiBErn

    Lothringen (?), spätes 10. JahrhundertElfenbein, H. 20,5 cm, B. 12,5 cmInv.-Nr. KK 8399

    Schon vor seiner Zeit als Statthalter der Spa-

    nischen Niederlande erwarb der Erzherzog in

    Wien neben anderen Objekten auch diese El-

    fenbeinplatte. Als Sohn, Bruder und Onkel

    von Kaisern empfand Leopold Wilhelm Wert-

    schätzung für Erinnerungsstücke aus der Zeit

    Kaiser Karls des Großen. Als ein solches Re-

    likt galt die kleine Elfenbeintafel, ein ehema-

    liger Einband eines Sakramentars, mit der

    Darstellung des heiligen Papstes Gregor I.,

    des Großen. Den Habsburgern verlieh ein

    solches Besitztum als Nachfolger des ersten

    nachantiken Kaisers des Westens zusätzliche

    Legitimation in der Erhaltung der Kaiserwür-

    de für ihre Familie. Der religiös-konfessionel-

    le Inhalt dürfte auch dem kirchlichen Rang

    des mehrfachen Bischofs Leopold Wilhelm

    entgegengekommen sein, hielt er doch mit der

    Elfenbein-Platte ein bedeutendes Zeugnis vor-

    reformatorischer Zeit in Händen. Der schrei-

    bende Papst erhält Inspiration durch die

    Taube des Heiligen Geistes, wodurch die als

    gottgewollt angesehene Gültigkeit katholi-

    scher Liturgie im Zeitalter der Gegenreforma-

    tion untermauert wird.

    Das Haupt der Medusa erwarb Leopold Wil-

    helm nicht für seine eigene Sammlung, son-

    dern für seinen kaiserlichen Bruder, Ferdi-

    nand III. Es diente der seit den schwedischen

    Plünderungen sehr reduzierten Ausstattung

    der Prager Residenz und wurde von dort erst

    1880 nach Wien geholt. Ursprünglich stamm-

    te das außergewöhnliche Bild aus der Samm-

    lung des ersten Herzogs von Buckingham,

    George Villiers, der in direktem Kontakt zu

    Rubens gestanden und über 30 Gemälde von

    ihm besessen hatte. 1628 wurde dieser einfluss-

    reichste Günstling des englischen Hofes er-

    mordet, aber es gelang seinem Sohn, während

    des Bürgerkrieges große Teile der väterlichen

    Sammlung nach Antwerpen zu bringen, wo

    Jan van den Hoecke als Agent Leopold Wil-

    helms das Haupt der Medusa zusammen mit

    zentralen Beständen der Sammlung Bucking-

    ham für die Habsburger sichern konnte.

    32

    Peter Paul Rubens (Siegen 1577 – 1640 Antwerpen)

    haupt dEr mEdusa

    1617/1618Leinwand, 68,5 x 118 cmInv.-Nr. GG 3834

    // In der Gemäldegalerie // In der Kunstkammer

  • 35

    Meister der Dosenköpfe

    zWEi dosEnBödEn mit porträts und dazugEhörigEdosEndEcKEL mit mythoLogischEn darstELLungEn

    Nürnberg (?), 1525Nussholz, Birnholz, D. 22 cmInv.-Nrn.-KK 3878, KK 3879, KK 3893, KK 3894

    Die beiden flachen hölzernen Dosen mit den

    Porträts des sächsischen Kurfürsten Friedrich

    des Weisen (1463–1525) und dessen Konkubi-

    ne Anna sind im Inventar der Kunstkammer

    Leopold Wilhelms von 1659 als Werke Alb-

    recht Dürers beschrieben. Der Dosenboden

    mit dem Porträt Annas trägt auf der Rücksei-

    te eine Inschrift mit dem berühmten ligierten

    Dürermonogramm. Eine Nähe zu Albrecht

    Dürer ist zweifellos vorhanden, da dem Por-

    trät des Kurfürsten ein bekannter Kupferstich

    Dürers als Vorlage diente. Heute geht die

    Kunstwissenschaft davon aus, dass Albrecht

    Dürer selbst nicht bildhauerisch gearbeitet

    hat, doch im 17. Jahrhundert war man davon

    überzeugt. Die Bewunderung der Kunst Dü-

    rers ließ Nachahmungen in verschiedenen Me-

    dien entstehen. In einer fürstlichen Sammlung

    durften Werke des großen Renaissancekünst-

    lers nicht fehlen, und so war man von ihrer

    Echtheit gerne überzeugt.

    In dieser Büste der griechischen Muse des

    ernsten Gesanges verdichtet sich das Vorbild

    Antike in besonders intensiver Weise: in der

    Wahl des Themas, der Art der Darstellung,

    die ganz der Antike nachempfunden ist, und

    der Wahl des Materials. Porphyr galt schon

    in der Antike als besonderer Stein, der wegen

    seiner Purpurfarbe den Kaisern vorbehalten

    war; seine Härte erforderte eine besondere

    Meisterschaft der Bearbeitung. Pietro Maria

    della Pescia Serbaldi galt in seiner Zeit als

    »großartiger Nachahmer der Antike«, der zeit-

    genössischen Anekdoten zufolge sogar eige-

    ne Werke in Rom vergraben ließ, die später

    als antik gehandelt wurden. Nicht nur die

    überzeugende Antikennähe der Büste, son-

    dern vielleicht auch der dringende Wunsch,

    antike Originale in der Sammlung zu besit-

    zen, führte zu dem Vermerk im Inventar Leo-

    pold Wilhelms von 1659: »Ein klein Brustpildt

    von rothen Profil einer Frawen ... antic«.

    34

    Pier Maria della Pescia Serbaldi, gen. Tagliacarne (Pescia um 1445 – nach 1525 Rom)

    poLyhymnia

    Rom, um 1500Porphyr, H. 41 cmInv.-Nr. KK 3529

    // In der Kunstkammer // In der Kunstkammer

  • Leonhard Kern rezipierte in seinen Arbeiten

    einerseits Eindrücke seines Italienaufenthal-

    tes, andererseits deutsche Kunst des frühen

    16. Jahrhunderts. Diese Figur verrät sowohl

    die Kenntnis des Torso vom Belvedere in den

    Vatikanischen Sammlungen sowie der Werke

    Michelangelos als auch von Albrecht Dürers

    Holzschnitt des Sitzenden Schmerzensmannes,

    dem Titelblatt der Kleinen Passion.

    In der Kunstkammer Leopold Wilhelms be-

    fanden sich einige Skulpturen, die der

    »Dürerrenaissance« des 17. Jahrhunderts an-

    gehören – Werke, die in retrospektiver Weise

    zweidimensionale Kompositionen Dürers (vor

    allem Druckgraphiken) ins dreidimensionale

    Medium der Skulptur übertrugen, also nachah-

    mend gewissermaßen neu erschufen. Der Erz-

    herzog, der an Renaissancekunst sehr inter-

    essiert war, scheint auf diese Weise seinen Be-

    darf an der Kunst Dürers, die im Original

    kaum bis gar nicht verfügbar war, befriedigt

    zu haben.

    37

    Leonhard Kern (Forchtenberg 1588 – 1662 Schwäbisch Hall)

    christus in dEr ruhE

    Schwäbisch Hall, um 1625/35Alabaster, H. 25 cmInv.-Nr. KK 4429

    Fast alle Bronzen Anticos der Kunstkammer

    Wien lassen sich im Inventar der Kunstkam-

    mer Leopold Wilhelms von 1659 nachweisen.

    Wie eine mitgegossene Inschrift auf der Un-

    terseite des Sockels von Herkules und Antäus

    belegt (Abbildung s. auf dem Tablet-Compu-

    ter im Saal 33, Kunstkammer), schuf Antico

    die Statuette für Isabella d'Este, die kunstsin-nige Markgräfin von Mantua (1474–1539) und

    bedeutendste Sammlerin der Renaissance in

    Italien. Da antike Kunstwerke im Original

    kaum zu bekommen waren, sammelte sie An-

    ticos perfekte Nachahmungen antiker Skulp-

    turen. 1627 verkaufte der überschuldete Man-

    tuaner Herzog Vincenzo II. Gonzaga Teile

    seiner Sammlung an den englischen König

    Charles I. Als dieser im Zuge des englischen

    Bürgerkriegs hingerichtet und sein Kunstbe-

    sitz vom Commonwealth 1650 versteigert wur-

    de, muss es Leopold Wilhelm gelungen sein,

    die Anticos zu erwerben.

    36

    Pier Jacopo Alari de Bonacolsi, gen. Antico(Mantua, um 1460 – 1528 Gazzuolo)

    hErKuLEs und antäus

    Mantua, um 1519Bronze, H. 43, 2 cmInv.-Nr. KK 5767

    // In der Kunstkammer // In der Kunstkammer

  • Die von seinem Kammermaler farblich bril-

    lant ausgeführte kleinformatige Komposition

    stellt eine inhaltsreiche Allegorie auf Erzher-

    zog Leopold Wilhelm dar. Das Porträtmedail-

    lon zeigt ihn als Feldherrn und Geistlichen.

    Die linke Genie präsentiert ein goldenes Me-

    daillon mit seiner Devise »Timore Domini«

    (»In Furcht vor dem Herrn«), auf die auch die

    Fama mit der Posaune hinweist. Minerva, de-

    ren Schwertspitze fehlt, drückt die Sehnsucht

    nach Frieden aus. Aber selbst in Zeiten des

    Krieges kann Apoll, der Gott der schönen

    Künste, seine unermessliche Pracht entfalten,

    wie das Füllhorn in seinen Händen verrät. Ge-

    genüber repräsentieren Hercules mit dem Lö-

    wen und Prudentia, die Göttin der Klugheit,

    weitere Tugenden des Erzherzogs. Dazu ge-

    hört auch die Ehelosigkeit, symbolisiert durch

    das Einhorn und den Eros, dessen Augen ver-

    bunden sind.

    39

    Zugeschrieben an: Jan van den Hoecke (1611 — 1650 Antwerpen)

    aLLEgoriE auF Erz hErzog LEopoLd WiLhELm (1614 — 1662)

    um 1650Leinwand, 50,8 cm x 70,5 cm x 2,5 cmInv.-Nr. 9682

    Dieses großformatige Stillleben des wenig be-

    kannten Malers ist vermutlich ein Auftrags-

    werk des Erzherzogs. Der Betrachter wird

    schon von weitem vom dekorativen Muster

    des über einen Tisch drapierten orientalischen

    Teppichs in den Bann gezogen. Auffallend ist

    die Büste, die den Erzherzog darstellt. Libalt

    beruft sich auf eine Marmorbüste des Bildhau-

    ers Jérôme II. Duquesnoy (KK 8932; das Ori-

    ginal steht neben dem Gemälde in der Kunst-

    kammer, Saal 23; die Kopie in Bronze ist in

    der Sonderausstellung zu sehen). Im plasti-

    schen Vorbild dominiert auf Grund des in die

    Unendlichkeit gerichteten Blickes der reprä-

    sentative zeitlose Charakter, den Libalt jedoch

    im Gemälde mittels eines nachdenklich direkt

    auf den Betrachter schauenden Erzherzogs

    verlebendigt. Das realistische, auf haptische

    Eindrücke ausgerichtete Stillleben wird zum

    dekorativen Prunkstillleben mit politisch-al-

    legorischer Aussage.

    38

    Gottfried Libalt (um 1610 — 1673 Wien)

    stiLLLEBEn mit BüstE ErzhErzog LEopoLd WiL-hELms

    1660 datiertLeinwand, 253 x 119 x 4 cmInv.-Nr. 7795

    // In der Kunstkammer // In der Kunstkammer

  • „ein galeria nach meinem humor“

    Gerlinde Gruber

    Die Galerie Erzherzog Leopold Wilhelms

    Rotraut Krall

    Amator artis pictoriae – what else?

    Konrad Schlegel

    Erzherzog Leopold Wilhelm –

    im Dialog zwischen der Kunsthistorikerin

    Rotraut Krall und der

    Historikerin Renate Schreiber

    Das »Theatrum Pictorium« und die

    Zelebrierung der Italienischen Kunst

    Francesca del Torre Scheuch

    »Inuito alla guerra« – Leopold Wilhelm

    als Feldherr

    Stefan Krause

    Das Galeriebild: ein Gemälde zum

    Ruhm des Sammlers

    Gerlinde Gruber

    Amator artis pictoriae – what else?

    Konrad Schlegel

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